weltzeit 2 | 2012: hallo nachbar, hallo afrika!

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welt zeit Hallo Nachbar, hallo Afrika! Das Magazin der Deutschen Welle AUSGABE 2 | 2012

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In Afrika bleibt das Radio von zentraler Bedeutung. Die Deutsche Welle ist auf dem Kontinent seit 50 Jahren mit Sendungen in wichtigen Sprachen zu empfangen. Die Angebote auf Kisuaheli und Haussa, Amharisch und Portugiesisch, auch Englisch und Französisch erreichen beachtliche Hörerzahlen und genießen hohe Glaubwürdigkeit. Auch die DW Akademie ist gefragt. Lesen Sie unter anderem: einen Hintergrund zur Mediensituation auf dem Kontinent und den Gastbeitrag von Jacqueline Moudeina, Trägerin des Alternativen Nobelpreises aus dem Tschad. Ein Interview mit dem angolanischen Menschenrechtler Rafael Marques und einen Beitrag zum Deutschlandbild in Kamerun. Die Reportage von einer „Tour d’Afrique“ auf dem Rad und einen Kommentar zur Lage der Pressefreiheit in Südafrika.

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Page 1: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

weltzeit

Hallo Nachbar, hallo Afrika!

Das Magazin der Deutschen Welle AusgAbe 2 | 2012

Page 2: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

24. MedienforuM.nrw // 18.–20. Juni 2012, Köln

eine Veranstaltung der Landesanstalt für Medien nrw (LfM), gefördert mit Mitteln des Landes nordrhein-westfalen. Verantwortlich für Konzeption und durchführung ist die LfM nova GmbH.

www.medienforum.nrw.de

ScHöne neue MedienweLt: Vernetzt, offen, MobiL.

18. – 20. Juni 2012, Köln, Staatenhaus am Rheinpark

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Für die Deutsche Welle als interna-tional operierender Sender gilt: Wir nut-zen konsequent diejenigen Medien und Übertragungswege, über die wir unsere Zielgruppen in der jeweiligen Region am besten erreichen. Denn die Medienwelt be-wegt sich in unterschiedlichen Regionen und Ländern keineswegs im Gleichschritt. Deshalb analysieren wir jeden Medien-markt sehr genau und differenzieren beim Einsatz der Verbreitungsmittel.

In dieser Ausgabe der Weltzeit richten wir den Blick nach Afrika, wo wir in einer Reihe von Sprachen seit 50 Jahren präsent sind – und hohe Glaubwürdigkeit genie-ßen. Dort setzen wir zwar inzwischen auch auf Fernsehen und das Internet, von zen-traler Bedeutung bleibt jedoch weiterhin das Radio. Wir werden auch zukünftig mit Audiobeiträgen unseren Auftrag erfüllen – sei es in unseren eigenen Angeboten oder über Partner. Wobei wir auch hier unter-schiedlich geprägte Zielgebiete vorfinden – ob es um die technische Entwicklung oder um den Grad an Pressefreiheit geht.

Wichtig ist, dass wir die Sprache der Menschen sprechen. Mit unseren Angebo-ten auf Kisuaheli und Haussa, Amharisch

und Portugiesisch, auch auf Englisch und Französisch, erreichen wir beachtliche Hörerzahlen. 280 Radiopartner in Afrika südlich der Sahara untermauern den Stel-lenwert, den die Programme der Deutschen Welle – auch die Fortbildungsangebote un-serer Akademie – dort genießen.

In vielen Ländern Afrikas ist eine ver-lässliche Stimme von außen beispiels-

weise für die Arbeit prominenter Men-schenrechtler von großer Wichtigkeit. Das bestätigt Jacqueline Moudeina, Anwältin aus dem Tschad, in einem Gastbeitrag in dieser Weltzeit. Sie nutze unter anderem die DW gezielt, um komplementäre Infor-mationen zu bekommen und mehr Einzel-heiten auch zu Ereignissen in ihrem eige-nen Land zu erfahren, so die Trägerin des

Alternativen Nobelpreises. Dem schließt sich der angolanische Journalist und Men-schenrechtler Rafael Marques an. Im Welt-zeit-Interview erläutert er, warum es in seinem Land trotz boomender Wirtschaft weiterhin große Defizite bei der Meinungs- und Pressefreiheit gibt.

Die Deutsche Welle ist die mediale Vi-sitenkarte unseres Landes. Deshalb wir-ken wir am Deutschlandbild außerhalb unseres Landes mit. Welches Bild sich die Menschen beispielsweise in Kamerun von uns machen, erfahren Sie in diesem Heft – als Auftakt zu einer neuen, authentischen Reihe zum Deutschlandbild in der Welt.

Und wenn Sie mögen, folgen Sie einem DW-Reporter auf der Route von Kairo nach Kapstadt. Er ist in diesen Wochen mit dem Fahrrad unterwegs und berichtet aus zahl-reichen Ländern – in einem Blog und hier in der Weltzeit.

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre.

Erik Bettermann Intendant

Editorial

»Wichtig ist, dass wir die Sprache der Menschen

sprechen.«

24. MedienforuM.nrw // 18.–20. Juni 2012, Köln

eine Veranstaltung der Landesanstalt für Medien nrw (LfM), gefördert mit Mitteln des Landes nordrhein-westfalen. Verantwortlich für Konzeption und durchführung ist die LfM nova GmbH.

www.medienforum.nrw.de

ScHöne neue MedienweLt: Vernetzt, offen, MobiL.

18. – 20. Juni 2012, Köln, Staatenhaus am Rheinpark

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3Deutsche Welle

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Chrispin Mwakideu ist Journalist, Dra-matiker, Schauspieler und – passionierter Puppen-spieler. Als solcher trat er nicht nur in seiner Heimat Kenia auf, sondern auch in Argentinien, Brasilien und Ecuador, in Iran, Belgien, Spanien, Finnland, Polen und Deutschland. Chrispin Mwakideu ist Mit-arbeiter der Redaktion Englisch für Afrika, auch hier in wechselnden Rollen: als Moderator, Redakteur und Planer. Zudem schreibt er Radionovelas für das Bildungsprojekt Learning by Ear. Die Reihe kommt beim jungen Publikum in Afrika sehr gut an. Die Themen berühren ihren Alltag, die Aufbereitung ist

lebendig, die Handlungen sind abwechslungsreich. Für das Drehbuch zum Beitrag „Familiy Affairs – How to become a political player“ erhielt Mwakideu 2009 den AIB-Award (Association for International Broad-casting). Die Jury bescheinigt eine „phantasievolle und originelle Umsetzung“. Der Autor beschreibe „mit großer Leichtigkeit“ die täglichen Herausfor-derungen der afrikanischen Teenager. Eben diese Leichtigkeit verdankt er auch seiner Passion, dem Puppenspiel. „Das bleibt auch künftig meine große Leidenschaft“, sagt Chrispin.

4 Weltzeit 2 | 2012

Welt AnschAuen

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Aktuelles erfAhren

6 The BOBs Online-Abstimmung läuft

6 Drei Mal Film ab Training, Campus und ein Preis

7 Medien, Bildung, Qualität Deutsche Welle Global Media Forum 7 Splitter

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8 Radio-Kontinent Afrika Der Hörer ist König

12 Die DW in Afrika

14 Angola und die Pressefreiheit Rafael Marques im Interview

15 Kolumne: Lesetipp Reportagen als Mutmacher 16 Kolumne: Wir sprechen Kisuaheli 17 Die Stimmen von außen Gastbeitrag Jacqueline Moudeina

18 Ohne Radio läuft nichts DW Akademie im Südsudan 20 Kolumne: Kulturtransfer Die Beautys von Lamu

heimAt erleben

21 Deutschlandbild Kritischer Blick aus Kamerun

23 Der griechische David Imageverlust in Athen

AnDere Verstehen

24 Beethoven auf TürkischOrchestercampus 2012

24 Aufbruch in Myanmar Pionierarbeit der DW Akademie

meDienWelt einOrDnen

26 Cyber-Mobbing – was nun? Der Reputationsmanager

27 Kolumne: Das läuftShift – Leben in der digitalen Welt

unterWegs sein

30 Tour d’Afrique mit dem Rad Reporter trifft Hörer

POsitiOn beZiehen

33 Geheimniskrämer in Südafrika Der Kommentar

33 Impressum

menschen begegnen

34 Renate Krieger 3:0 für Afrika

Inhalt

8

7

30

5Deutsche Welle

Page 6: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

Der Special Topic Award legt in diesem Jahr den Fokus auf Kultur und Bildung – das Thema des Deutsche Welle Global Media Forum Ende Juni in Bonn. Zur Abstimmung stehen Blogs, Portale und Videoformate, die sich mit dem Recht auf Bildung, mit Pro-jekten der Bildungsarbeit und des interkulturellen Dialogs be-schäftigen. Gekürt werden unter anderem auch die beste Soziale Kampagne und der überzeugendste Video-Kanal. Erneut verliehen wird auch der Reporter-ohne-Grenzen-Preis.

Die Jury – im Bild Marilín Gonzalo – ist ebenfalls am Zug: Sie ermittelt ihre Gewinner in den Fachkategorien am 1. Mai in Berlin. Internetnutzer hatten in den vergangenen Wochen mehr als 3.200 Vorschläge eingereicht. Die Jury hat in jeder Kategorie elf Kandi-daten nominiert.

Der DW-Wettbewerb The BOBs hat sich als bedeutendster inter-nationaler Weblog-Award etabliert.

www.thebobs.com

Am Training für Manager von Filmfestivals nahmen in diesem Jahr zwölf Vertreter aus Afrika, Asien und erstmals auch Lateinamerika teil. Einen Monat lang diskutierten sie in Berlin über Strategien der Festivalvermarktung, Kommunikati-onsarbeit, Organisation und Filmauswahl. Während der Berlinale hatten sie Gelegen-heit, Einblicke in den Festivalbetrieb zu erhalten und Kontakte in der Filmbranche zu knüpfen.

Der Berlinale Talent Campus ist eine Kreativwerkstatt für junge Filmschaffende aus aller Welt. Über 350 Nachwuchstalente besuchen sechs Tage lang Workshops und Vorlesungen von Experten. In diesem Jahr waren sieben DW-Volontäre und 16 auszu-bildende Mediengestalter in Bild und Ton bei der Veranstaltung dabei. In kleinen Teams haben sie viele Veranstaltungen medial begleitet, Interviews mit Teilneh-mern, Experten und Gastrednern geführt.

Das Bundesministerium für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Ent-wicklung (BMZ) hat zum zweiten Mal den entwicklungspolitischen Preis „Cinema fairbindet“ vergeben – er ging an „Call me Kuchu“, eine Dokumentation über sexuel-le Selbstbestimmung in Uganda. Die DW war Medienpartner und berichtete umfas-send. DW-Moderatorin Dima Tarhini war Mitglied der internationalen Jury.

www.dw-akademie.de

Die Deutsche Welle sucht im Rahmen ihres Wettbewerbs The BOBs wieder die besten Blogs weltweit. Bis 2. Mai können Internetnutzer in sechs Fach- und elf Sprachkategorien die Publikumspreise vergeben.

Die DW Akademie hat in Zusammenarbeit mit der Berlinale Festspielleitung zum neunten Mal das Training „Film Festival und Event Management“ durchgeführt. Es richtet sich an Mul-tiplikatoren der Kultur- und Filmbranche. Beteiligt war die DW auch am Sonderpreis „Cinema fairbindet“ sowie am Berlinale Talent Campus.

Bildung punktet

Drei Mal Film ab

Preis für „Call me Kuchu“: Die Regisseurinnen Katherine

Fairfax Wright und Malika Zouhali-Worrall

Interkultureller Talk beliebt

Arabische und deutsche Experten diskutieren über den Wandel in der arabischen Welt: Am Puls der Zeit – die wö-chentliche TV-Talkshow der DW – bekommt Bestnoten von der Zielgruppe.

Eine kürzlich von der Markt- und Medienfor-schung zusammen mit dem Forschungsunter-nehmen Mediascore durchgeführte Studie be-legt: Die Zuschauer attes-tieren der im September

2011 erstmals ausgestrahlten TV-Sendung Seriosität, Infor-mationskompetenz und Glaubwürdigkeit. Die Themen aus den Bereichen Demokratisierung, Politik und Wirtschaft, Rolle des Staates, der Justiz und der Religion entsprechen demnach den Erwartungen der Zielgruppe. Die Befragten schätzen vor allem, dass hier Gesprächspartner aus unter-schiedlichen Nationen und Kulturkreisen zu Wort kommen und die Themen aus verschiedenen Perspektiven beleuch-ten. Positiv wird zudem die Präsentation bewertet: die Mo-deration (Ahmed Abida, Foto) sowie eine gelungene Mi-schung aus Live-Schalten, Einspielern, Bildern und Grafiken.

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Aktuelles erfAhren

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Zuspruch in Afghanistan

Einer im Auftrag der DW erstellten landesweiten Studie zufolge hört fast jeder dritte Afghane regelmäßig das DW-Programm auf Dari und Paschtu – vor allem über UKW-Frequenzen von Radio Ariana. Der DW-Partner ver-breitet die Nachrichten, ein Magazin mit Informationen zu Afghanistan und das Bildungsprogramm Learning by Ear der DW. So ist die Reichweite der DW-Sendungen in Afghanistan deutlich gestiegen: Mittlerweile kennt jeder zweite Afghane die Deutsche Welle. Learning by Ear er-reicht wöchentlich 15 Prozent der Bevölkerung.

Mediendialog Arabische Welt

Die DW Akademie lädt gemeinsam mit der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und der Fachhochschule Köln zum drit-ten Deutsche Welle Mediendialog ein. Thema am 16. Mai in Bonn: „Arabische Welt – Die Rolle der Medien in Zeiten des Umbruchs“. Es geht um Transformation der Medien-landschaften, Revolution der Sozialen Medien und Mei-nungsfreiheit sowie um Verbindungen, Auswirkungen und Ergebnisse des Arabischen Frühlings. Tagungsspra-che ist Englisch. Eingeladen sind Wissenschaftler aus den Bereichen Medien, Politik, Wirtschaft und Recht sowie Medienvertreter.

www.dw.de/mediendialog

TV-Magazin auf Bosnisch

Die Deutsche Welle hat weitere TV-Magazine für den Me-dienmarkt Südosteuropa gestartet. Jüngstes Produkt ist die Sendung Euro-Panorama, die seit Mitte Februar lan-desweit über den DW-Partner BHT1 in Bosnien-Herzego-wina zu sehen ist – zur Hauptsendezeit am Abend. Das Magazin umfasst unter anderem eine Presseschau mit Kommentaren und Analysen deutscher Medien und ein Journalistengespräch zu einem Schwerpunktthema.

Unterstützung von AHK

Deutsche Außenhandelskammern (AHK) unterstützen seit Februar die Wirtschaftsnachrichten der Deutschen Welle. Die AHKs helfen mit ihrem Netzwerk bei der Su-che nach geeigneten Fachleuten für Interviews und bei der Durchführung mit Equipment vor Ort. Im neuen TV- Programm der Deutschen Welle gibt es stündliche Wirt-schaftsnachrichten und täglich weitere Wirtschaftssen-dungen auf Deutsch, Englisch, Spanisch und Arabisch.

www.dw.de/wirtschaft

Zum Auftakt der Medienkonferenz diskutiert eine pro-minent besetzte Runde über das Spannungsfeld „Quote oder Qualität? Medien zwischen Erfolgsdruck und Bildungsauftrag“. Erwartet werden unter anderem Mikhail Svidkoy, Journalist und Sonderbevollmächtigter des russischen Präsidenten in Fragen der kulturellen Zusammenarbeit, und Professor Franz-Josef Raderma-cher, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Ulm und Mit-glied des Club of Rome. Der zweite Konferenztag eröffnet unter dem Titel „Globalisierung – Freund oder Feind kultureller Vielfalt und des interkulturellen Dialogs?“ mit dem ehemaligen indone-sischen Staatspräsident Jusuf Habibie. Am dritten Konferenztag diskutieren Denis Goldberg, südafrikanischer Apartheidgegner und Autor, und der Philosoph Thomas Pogge von der Universität Yale, USA, die Frage „Bildung und nachhaltige Entwicklung: Zwei Seiten einer Medaille?“

Am Kongress teilnehmen wird auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Darüber hinaus sind Polens Präsident Broni-slaw Komorowski und der Generalsekretär der Gruppe der afrika-nischen, karibischen und pazifischen Staaten (AKP), Mohamed Ibn Chambas, eingeladen.

Zum Deutsche Welle Global Media Forum schreibt der deut-sche Auslandsrundfunk wieder den Fotowettbewerb KLICK! aus. Das Motto 2012: „Your View of Culture and Education“. Interessier-te wählen ab 18. April online die zehn besten Fotos aus. Diese Bil-der werden auf der Konferenz in Bonn ausgestellt.

www.dw-gmf.de

Medien. Bildung. Quote.

Das Programm des Deutsche Welle Global Media Forum 2012 steht. Vom 25. bis zum 27. Juni geht es im Bonner World Confe-rence Center um das Thema „Kultur. Bildung. Medien – Zukunft lebenswert gestalten“. 1.500 Teilnehmer aus aller Welt werden erwartet.

Bildung für alle – überall?: Medien und Bildungsauftrag als

Konferenzthema 2012

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7Deutsche Welle

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Radio-Kontinent Afrika Für die meisten Afrikaner südlich der Sahara ist das Radio weiterhin die Hauptquelle für Informationen. In einigen Ländern besitzen über 90 Prozent der Haushalte ein Radiogerät. Fernseher stehen in weit weniger Wohnungen. Die Internetnutzung steigt zwar; aber auch in den nächsten Jahren wird wohl nur eine kleine Minderheit ihre Informationen aus dem weltweiten Netz beziehen.

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8 Weltzeit 2 | 2012

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Page 9: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

D ie Gründe dafür, dass man Afrika immer noch ohne zu übertreiben als „Radio-Konti-

nent“ bezeichnen kann, sind vielfältig. Da ist zunächst die Allgegenwart dieses Medi-ums. Radiogeräte sind billig und funktio-nieren auch dort, wo die Stromversorgung fehlt oder unzuverlässig ist. Über Kurzwel-le, Mittelwelle, UKW und Satellit erreichen Radiowellen auch die letzten Winkel und ermöglichen so Information in Echtzeit. Der Fernsehempfang beschränkt sich in Afrika dagegen oft noch auf die Städte, und selbst dort ist die Empfangsqualität meist schlecht. Wer TV als Informationsquelle nutzen will, braucht an vielen Orten neben dem Fernseher auch eine Satellitenschüs-sel und einen Generator – Investitionen, die sich die meisten Afrikaner nicht leisten können. Nigeria gehört hier eher zu den Ausnahmen, hier verfügen rund 60 Pro-zent der Haushalte über ein TV-Gerät.

Zeitungen kosten ebenfalls im Ver-gleich zu den Lebenshaltungskosten viel Geld, sie erreichen viele Orte erst mit tage-langer Verspätung – und der Informations- suchende muss lesen können. Selbst in re-

lativ weit entwickelten Ländern, beispiels-weise Ghana oder Ruanda, kann ein Drittel der Bevölkerung weder lesen noch schrei-ben, wie der Human Development Report 2011 ausweist. In Äthiopien oder Niger sind es demnach mehr als zwei Drittel. Für die-se Menschen ist auch das Internet bisher keine Alternative, denn Audios und Videos benötigen eine große Bandbreite bei der Übertragung, die in den meisten afrika-nischen Ländern aufgrund der schlecht entwickelten technischen Infrastruktur entweder nicht vorhanden oder nach wie vor sehr teuer ist. Nach Angaben der ITU (International Telecommunication Union) wird das mobile Internet hingegen parallel zur rasanten Entwicklung des Mobilfunks in Afrika in Zukunft eine bedeutende Rolle einnehmen.

Wachsende Vielfalt im Äther

Auch in der Produktion sind Radiopro-gramme vergleichsweise billig. So haben sich in vielen Kleinstädten und in länd-lichen Regionen Privatradios oder Com-

munity Radios (Bürger-Radio) gegründet. Regionale und nationale Sender, darunter eine wachsende Zahl privater Anbieter, produzieren eine Vielzahl von Informa-tions- und Unterhaltungsangeboten. Hin-zu kommen seit langem etablierte inter-nationale Sender. Mitbewerber der DW sind in Afrika vor allem die BBC, das fran-zösische RFI – inzwischen verschmolzen mit France 24 – und die Voice of America (VoA). In den vergangenen Jahren drängen auch verstärkt neue Sender nach Afrika, darunter Radio China und der iranische Auslandsrundfunk.

50 Jahre DW für Afrika

Die Radioprogramme der Deutschen Welle für Afrika nähern sich inzwischen alle ih-rem 50-jährigen Bestehen. In diesem Jahr etwa das Französische Programm. Auch ein englischsprachiges DW-Programm für Afrika ging 1962 erstmals auf Sendung. Nach einer zwischenzeitlichen Pause von fünf Jahren strahlt die DW nun seit Ende Oktober 2011 wieder ein spezielles »

Im kreativen Dialog mit den Hörerinnen und Hörern: Halimatu Abbas,

Haussa-Redaktion, und Yann Durand, Französisch-Redaktion

9Deutsche Welle

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Radioangebot für den Kontinent aus: die Sendung AfricaLink. Das Haussa-Pro-gramm für Westafrika (vor allem Nigeria und Niger) sowie das Kisuaheli-Programm für Ostafrika können im kommenden Jahr ihr goldenes Jubiläum feiern. Das Amha-rische Programm für Äthiopien und Eritrea

wird in drei Jahren 50. Die Ausstrahlung auf Portugiesisch startete schon kurz nach Gründung der Deutschen Welle vor bald 60 Jahren. Damals standen jedoch als Zielge-biete Portugal und später auch Brasilien im Vordergrund, denn die ehemaligen portu-giesischen Kolonien in Afrika, darunter An-gola und Mosambik, erreichten erst Mitte

der 1970er-Jahre ihre Unabhängigkeit. Zu dieser Zeit begann auch die Ausstrahlung des Portugiesisch-Programms der DW in diese Länder.

Für die anderen Angebote der DW für Afrika war das „afrikanische Jahr“ 1960 ein wichtiger Anlass ihrer Entstehung. Damals wurden zahlreiche Staaten un-abhängig und die noch junge Bundesre-publik Deutschland suchte nach Wegen, diesen neuen Playern auf der internatio-nalen Bühne ihre Sicht der Welt näher zu bringen. Auch BBC und VoA starteten rund um das Jahr 1960 ihre ersten Sendungen in afrikanischen Sprachen. Immer wichtiger wurden seitdem die Informationen aus Afrika für Afrika. So schicken allein für die DW heute rund 120 freie Korrespondenten Berichte nach Bonn, die dann wieder Rich-tung Afrika ausgestrahlt werden.

Internationale Sender wie die DW hal-ten die Verbindung zum Nachbarkontinent Europas jedoch nicht nur über ihre Korre-spondenten. Seit Beginn der Sendungen für Afrika spielt der Kontakt zu den Höre-rinnen und Hörern eine große Rolle. Diese möchten direkt mit den Sendern und auch

mit anderen Hörern kommunizieren. Was früher Körbe voller Briefe waren, ist heute die Flut von Mobilfunktexten (SMS) und E-Mails. So erhalten sowohl die Kisuaheli- als auch die Haussa-Redaktion der DW jeden Tag zwischen 200 und 300 mobile Kurz-nachrichten. Viele Hörer äußern sich zu den Themen des Tages, oft mit konkreten Erwartungen an die deutsche Politik oder die ihrer Heimatländer. Einige dieser Kom-mentare bringen wir schon in die laufende Sendung ein.

UKW verdrängt Kurzwelle

Diese Berichte erreichen über die Fre-quenzen der DW wöchentlich über 30 Millionen Hörer in Subsahara-Afrika und damit mehr als ein Drittel aller DW-Nut-zer weltweit. In Tansania (Kisuaheli) und Nordnigeria (Haussa) hören je ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung mindestens einmal in der Woche die Programme aus dem Funkhaus in Bonn. Die Kurzwelle ist dabei in vielen Ländern immer noch wich-tig. Doch auch in Afrika nutzen die meisten

»Informationen aus Afrika für Afrika

werden immer wichtiger.«

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»

Hürden beim TV-Empfang: Wer einen Fernseher will,

braucht an vielen Orten auch einen Generator

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Hörer inzwischen UKW. In Ruanda schal- ten täglich fast 90 Prozent der Erwachse-nen UKW-Sender ein. Auch in Kenia und Ghana hören die meisten Menschen Radio über UKW. In Nigeria und Niger empfangen aber auch noch viele Hörer ihr Radiosignal via Kurzwelle.

Bildungsangebote beliebt

Internationale Sender verfolgen deshalb je nach Land unterschiedliche Strategien. Auch für die Deutsche Welle wird beispiels-weise die Ausstrahlung über UKW immer wichtiger. Einige Medienhäuser setzen auf eigene Frequenzen, wo dies rechtlich mög-lich ist. Andere, auch die DW, arbeiten ver-stärkt mit lokalen Anbietern zusammen.

Überraschend für Kenner der europä-ischen Medienlandschaft ist außerdem, dass afrikanische Hörer keineswegs in erster Linie Unterhaltung vom Radio er-warten. Die Afrikaner nutzen Radio als In-formationsmedium und erwarten deshalb auch eine große Bandbreite an Themen. Sie interessieren sich nicht nur für das Gesche-

hen in ihrer Stadt und in ihrem Land, son-dern auch für Ereignisse in anderen Län-dern des Kontinents und für Weltpolitik. Sport findet zwar ihr besonderes Interesse, aber Politik, Kultur, Gesundheit, Entwick-lung und Wirtschaft sind ihnen ebenfalls wichtig.

Sehr viele Afrikaner erwarten außerdem Bildungsinhalte. Wo Bildungsinstitutionen generell schwach entwickelt sind, wo es kei-ne Volkshochschulen und keine Zeitungs-läden mit Spezialheften zu jedem denk-

baren Wissensgebiet gibt, dort übernimmt offenbar das Radio diese Funktionen. Die Deutsche Welle hat auf diesen Bedarf un-ter anderem mit ihrem Projekt Learning

by Ear reagiert. Seit 2008 produzieren die Afrika-Redaktionen Hörspiele und Feature-Sendungen für junge Hörerinnen und Hö-rer, um ihnen Themen wie Mädchenrechte oder Verkehrssicherheit nahezubringen – mit großem Erfolg, wie die Reaktionen von Hörern und Partnersendern zeigen.

soweit nicht anders erwähnt, stammen alle

in diesem Artikel vorliegenden mediennut-

zungsdaten aus landesweit repräsentativen

studien der markt- und medienforschung

der Deutschen Welle in Zusammenarbeit

mit intermedia 2007 bis 2010.

Die Crux bei Zeitungen: teuer und nur

für jene, die lesen können

Vorzüge des Radios: billig und überall

verfügbar

»Die Hörer erwar-ten eine große Brandbreite an

Themen.«

11Deutsche Welle

Page 12: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

DW für Afrika

Die Radioprogramme der Deutschen Welle erreichen über 30 Millionen regelmäßige Hörer in Afrika. Und die DW spricht deren Sprache: Amharisch, Englisch, Französisch, Haussa, Kisuaheli und Portugiesisch.

In vielen Ländern zählt die Deut-sche Welle zu den beliebtesten Radio-An-bietern. Beispiel Tansania: Dort hören Wo-che für Woche 30 Prozent der Bevölkerung das Kisuaheli-Programm. In Äthiopien ist das Amharisch-Programm der DW unter den internationalen Anbietern Marktfüh-rer. Ausgestrahlt werden die Programme über Kurzwelle, Satellit und durch lokale Partnersender auf UKW.

Alle Programmangebote sind auch im Internet abrufbar. Das Online-Angebot der DW erfreut sich ebenfalls großer Beliebt-heit: Die Seiten auf Amharisch erreichen beispielsweise monatlich rund 300.000 Zugriffe.

Fernsehen bietet die DW rund um die Uhr auf Englisch. Der Basiskanal DW ist in ganz Afrika zu empfangen.

Mit dem multimedialen, preisgekrönten Bildungsprogramm Learning by Ear hat sich die Deutsche Welle auf dem Kontinent einen Namen gemacht. Umwelt, Entwick-lungspolitik, Gesundheit oder Zivilgesell-schaft – in unterhaltsamen Radionovelas und lebendigen Features bieten wir ein maßgeschneidertes Programm für Afrikas Jugend.

Auch das Multimedia-Angebot Desti-nation Europe richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene. Es zeichnet ein re-alistisches Bild von der Migration und vom Leben in Europa. Es umfasst eine Radiono-vela, Video-Porträts von Migranten sowie Social-Media-Aktivitäten.

www.dw.de/lbe

www.dw.de/destinationeurope

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Tansania Nigeria Niger Äthiopien

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Radio Fernsehen Internet

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Quelle: Markt- und Medienforschung der DW / InterMedia 2008 bis 2010Angaben in Prozent

Radio ist das meistgenutzte MediumTägliche Mediennutzung in Tansania, Nigeria, Niger und Äthiopien

Unsere PartnerDie DW zählt rund 280 Radiopartner auf dem Kontinent südlich der Sahara. Darunter 50 sogenannte Premium-Partner, die in großem Umfang mit der DW kooperieren oder über eine beson-ders große Reichweite verfügen.

In Kamerun gehört beispielsweise Ocean City Radio dazu. Der Sender strahlt nicht nur das DW-Programm auf Französisch und Englisch parallel in den Städten Limbe, Kumba und Douala aus. Mit einem eigenen DW-Club bindet er Hörer in das Programm ein, wirbt aktiv an Schulen für das Infotainment-Format Learning by Ear und eröffnet im Mai ein Sprachcenter, das auf die Deutschkurse der DW aufbaut.

Auch Freedom Radio, der wichtigste Privatsender im Norden Nigerias, zählt zu den DW-Partnern. Mit Stationen in den Städten Kano, Dutse und dem-nächst Kaduna überträgt der Sender alle wöchentlichen Magazine aus dem Haussa-Programm der DW. Ein Ausbau der Übertragungsmöglichkeiten ist so-wohl im Norden, als auch in den Groß-städten Abuja und Lagos geplant. Die 2008 geschlossene Partnerschaft geht weit über eine Verbreitung des Pro-gramms hinaus: Auch auf dem Gebiet der Nachwuchsförderung kooperieren Freedom Radio und DW – im vergange-nen Jahr etwa mit einem viel beachte-ten multimedialen Journalistenwettbe-werb zum Thema „Social Media“.

In Tansania sorgt bereits seit 1998 der größte Sender des Landes, das pri-vate Radio Free Africa dafür, dass Hörer bis weit über die Landesgrenzen hinaus das Programm der DW auf Kisuaheli empfangen können. Das überaus be-liebte Radio, das auch in Teilen Ruandas, Burundis und Kenias genutzt werden kann, strahlt zusätzlich das Bildungs-programm Learning by Ear auf Kisua-heli aus. Zum Konzern gehört zudem der Fernsehsender Star TV, der DW-Pro-gramm übernimmt und auch ein lang-jähriger Partner der DW Akademie ist.

Dominik Ahrens

12 Weltzeit 2 | 2012

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Page 13: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

DW – Die neue Welt der InformationNeues Fernsehen, neue Webseite, neuer LookSchauen Sie selbst: www.dw.de

13Deutsche Welle

Page 14: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

In allen größeren Städ-ten Angolas gibt es private Fernseh- und Radiosender, in Luanda sind zahlreiche Zei-tungen zu kaufen. Ist es also um die Pressefreiheit in Ango-la gut bestellt? So kann man das nicht sagen, denn 2010 haben mehrere Fir-men, die angolanischen Sicher-heitsdiensten und wichtigen

Angehörigen der Regierung gehören, einen Teil der privaten Zei-tungen aufgekauft. Anschließend haben sie die redaktionelle Li-nie auf einen Kurs gegen die Opposition und die Zivilgesellschaft umgeschwenkt. Bei Blättern wie dem Semanário Angolense oder A Capital wird inzwischen sogar schärfer zensiert als beispielsweise in den staatlichen Medien. Und wenn wir über die privaten Print-medien sprechen, reden wir über Zeitungen, die pro Woche weni-ger als 30.000 Exemplare verkaufen. Luanda allein hat aber mehr als sechs Millionen Einwohner. Also liest hier weniger als ein Pro-zent der Einwohner überhaupt eine Zeitung. In der Provinz sieht es noch schlimmer aus: Hier gibt es praktisch keine Zeitungen.

Wie steht es denn um die privaten Radio- und Fernseh-stationen? Die Mediengruppe um den einzigen privaten Fernsehsender Angolas, TV Zimbo, gehört General Kopelipa, dem Chef des Mi-litärstabs des Präsidenten José Eduardo dos Santos, und Manuel Vicente, derzeit Minister für die Wirtschaftskoordination. Damit finden sich unter den Eigentümern zwei der vier einflussreichsten Repräsentanten des Regimes. Sie nehmen Einfluss auf das Tages-

geschäft, indem sie Anweisungen geben, was und was nicht ge-sendet werden darf. Bei den Privatradios sieht es ähnlich aus. Ab-gesehen von Rádio Ecclésia, dem Sender der katholischen Kirche, und Rádio Despertar, dem Sender der Oppositionspartei UNITA, die beide in Luanda auf UKW senden, gehören alle anderen Pri-vatsender der MPLA. Die Regierungspartei hat Firmen gegründet, um Sender zu kontrollieren – etwa Rádio LAC in Luanda, Rádio Morena in Benguela, Rádio Cabinda in Cabinda oder Rádio 2000 in der Provinz Huíla. Die MPLA hält an all diesen Sendern die Mehr-heit. Wie kann man unter solchen Bedingungen von Pressefreiheit sprechen?

Welche Rolle kommt internationalen Sendern wie dem Portugiesischen Programm der DW zu? Die internationalen Radiosender sind extrem wichtig. Das Wenige, was beispielsweise im Landesinnern über die wirkliche Lage des Landes bekannt wird, ist das, was von ihnen berichtet wird. Viele Angolaner ziehen es daher vor, internationale Sender zu hören – vor allem gilt das im Landesinnern: Hier ist das staatliche Radio, das nur Propaganda sendet, oft die einzige Alternative zu Stimmen von außen.

Wie viele Menschen in Angola haben überhaupt Zugang zum Internet?Man geht davon aus, dass das Internet weniger als drei Prozent der Angolaner erreicht. Es ist dennoch ein wichtiges Medium, weil unabhängige Sender und Zeitungen im Land fehlen. Das Internet kann die Menschen in den Städten, die Zugang zum Netz haben, mit Informationen über das Geschehen in Angola versorgen. Man darf aber nicht vergessen, dass Webseiten sehr oft nur schwer zu öffnen sind, da sie immer wieder attackiert werden. Mein Blog

Unliebsames unerwünscht Während in Angola die Wirtschaft boomt, bleiben Meinungs- und Pressefreiheit in den Kinderschuhen, wie der Journalist und Menschenrechtler Rafael Marques im Weltzeit-Interview erklärt.

TV als Gemeinschaftserlebnis: Das

inhaltliche Angebot bleibt bescheiden

frAgen VOn Johannes Beck, leiter Der POrtugiesisch-reDAktiOn für AfrikA

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14 Weltzeit 2 | 2012

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Page 15: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

makaangola.org beispielsweise war einen Monat lang nicht zugänglich. Wir mussten auch schon drei Mal unseren Server wech-seln, da sich selbst in den USA Provider aufgrund der Attacken weigern, Seiten wie makaangola.org zu hosten.

Angola

schlägt viele Rekorde in Afrika: Nirgendwo sonst ist die Wirtschaft in den vergangenen zehn Jahren so stark gewachsen, teilweise um mehr als 20 Prozent pro Jahr. Kei-ne Stadt der Welt ist für Ausländer so teuer wie Luanda. Grund für das Wirtschaftswachstum ist das Öl, die ehemalige portugiesische Kolonie Angola ist nach Nigeria der größte Erdölproduzent Afrikas. Doch der wirtschaftliche Aufschwung schlägt sich nicht in mehr Freiheiten für Medien und Journalisten nieder. In seinem Blog makaangola.org, einem der einflussreichsten Webseiten An-golas, schreibt Rafael Marques über Menschenrechte und Korruption.

www.makaangola.org

Reportagen als Mutmacher Christiana aus Sierra Leone sitzt in ihrem Container-Büro bei 40 Grad Hitze und arbeitet. Gerade kommt ein neues Angebot rein: ein Luxuswagen – und 100.000 US-Dollar obendrauf. Geld, das Christiana sehr gut gebrauchen könnte in einem Land, das einen der hintersten Plätze auf dem UN-Index für Entwicklung belegt. Doch Christiana ist nicht bestechlich. Faire Wahlen für ihr Land, das ist es, was die Leiterin der unabhängigen Wahlkommission will.

„Afrikas Macher – Afrikas Entwickler“, der soeben von DW-Chefredakteurin Ute Schaeffer vorgelegte Titel, beschreibt die harte Realität in Gesellschaften südlich der Sahara. Zugleich hebt Schaeffer bewundernswerte Menschen heraus, die mutig für ihr Land, für mehr Entwicklung, mehr politische Beteiligung kämp-fen – ohne Waffen. Die Autorin ist Afrika-Kennerin, hat den Kon-tinent oft bereist, kennt den sozialen Alltag insbesondere in Län-dern Westafrikas. Schaeffer lernte bemerkenswerte Menschen kennen, deren Geschichten sie in ihren Reportagen erzählt. Diese Erfahrungen, zusammengefasst auf 250 Seiten, ermöglichen ei-nen tiefen Einblick in die Strukturen eines Kontinents der Mög-lichkeiten.

Wenn Ute Schaeffer über ihr Buch spricht, dann entfaltet sich ihre ganze Faszination für die Tat-kraft und den Gestaltungswillen ihrer afrikanischen Heldinnen und Helden. Sie nimmt das Buch, schlägt die Abbildungen im letz-ten Drittel auf und zeichnet mit wenigen Worten ein Bild der standhaften Christiana Thorpe aus Sierra Leone oder der AIDS-kranken Dorothea aus Ruanda, die ihr Leben noch längst nicht aufge-geben hat.

Schaeffer erzählt die Geschich-ten hinter den Schlagzeilen zu Afrika in europäischen Medien. Sie rückt Menschen in den Mittelpunkt, die mehr Potenzial in ihrem Land sehen, als es die politischen Eliten dort tun.

Gegliedert nach den Bereichen Politik, Gesellschaft und Wirt-schaft macht die Autorin an Beispielen die zentralen Probleme in verschiedenen Ländern Afrikas deutlich, schlüsselt deren Ur-sprung auf und schafft so ein breites Hintergrundwissen.

Am Ende stehen Aussagen von Flüchtlingen und deren Mah-nung: „Keiner von uns würde sein Leben in der Wüste oder auf dem Meer riskieren, wenn wir eine Perspektive zu Hause hätten. Doch wer sorgt dafür, dass wir gar nicht aufbrechen müssen?“

Die Antwort lautet nicht Europa oder die Vereinten Nationen. Wer dieses Buch liest, versteht: Die Antwort heißt Afrika!

Mareen Mater

ute schaeffer: Afrikas macher – Afrikas entwickler: reportagen

zur afrikanischen gegenwart. brandes & Apsel Verlag, frankfurt

am main 2012, 248 seiten, 24,90 euro

leseTipp

15Deutsche Welle

Page 16: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

Seit Disneys König der Löwen mit dem vergnüglichen Song des Warzenschweins Pumbaa und seinem Meerkatzenfreund Timon ist Hakuna Matata wohl bei vielen Menschen weltweit bekannt. Es ist Kisuaheli und heißt im übertragenen Sinne: Mach dir keine Sorgen.

Kisuaheli ist die dominierende Verkehrs- und Handelssprache in Ostafrika, dem Gebiet der Großen Seen bis Ostkongo. Es ist offi-zielle Sprache der Afrikanischen Union, eine der Arbeitssprachen der Vereinten Nationen und laut Linguisten eine der am schnells-ten wachsenden Sprachen der Welt. Experten schätzen die Zahl der Sprecher auf über 80 Millionen, wobei nur ein Bruchteil von ihnen Kisuaheli als Muttersprache spricht.

Kisuaheli ist eine Bantu-Sprache, die sich an der ostafrika-nischen Küste entwickelt hat und die sich mit den arabischen Skla-ven- und Elfenbeinhändlern bis in den Ostkongo verbreitete, wo es heute nach Tansania die größte Sprecherzahl gibt. Die Sprache ist geprägt durch viele Lehnwörter aus dem Arabischen; auch die deutsche Kolonialzeit hat ihre Spuren hinterlassen. Die Ostafri-kaner fanden es faszinierend, wie die deutschen Soldaten bei den tropischen Temperaturen warme Socken anziehen konnten. Seit-dem ist soksi ein fester Bestandteil des Kisuaheli-Vokabulars. Auch kindergarten und shule sind Kisuaheli-Sprechern ein Begriff, eben-so zahanati für Zahnarzt. Neureiche, die sich einen Mercedes Benz leisten konnten, wurden lange Zeit wabenzi genannt.

Im Deutschen ist Safari für Reise aus dem Kisuaheli in den Sprachgebrauch übergegangen. Der schwäbische Missionar Ludwig Krapf verfasste das erste Wörterbuch und die erste Grammatik für

Kisuaheli, nach ihm wurde das Gebäude der Deutschen Botschaft in Nairobi benannt. Die Kisuaheli-Redaktion der DW kooperiert mit den wichtigsten Instituten zur Sprachentwicklung und Stan-dardisierung des Kisuaheli in Daressalam und Nairobi. Viele neue Wörter zu politischen Entwicklungen oder aus der Computerspra-che werden erst über unsere Sendungen einem großen Publik bekannt – beispielsweise mabadiliko ya tabia nchi (wörtlich über-setzt: Änderung des Landschafts-Charakters) für Klimawandel, barua pepe (fliegender Brief) für E-Mail oder mitandao ya kijami für Soziale Netze. Einmal monatlich werden neue Wörter und ihre Entstehung erklärt. Auch ostafrikanische Zeitungen übernehmen das Vokabular.

In Tansania hört laut DW-Medienforschung ein Drittel der Bevölkerung regelmäßig das Kisuaheli-Programm der DW. Viele Universitäten in den USA und Nordeuropa – und auch das Bun-dessprachenamt in Köln – übernehmen Inhalte der DW für ihren Kisuaheli-Unterricht.

Ob Sendung mit der Maus, Krimis oder Dokumentationen – ge-legentlich kommen Anfragen von TV-Produktionsfirmen, die in Ostafrika gedreht haben und nun eine Übersetzung benötigen. Die kurioseste Anfrage kam von einem Deutschen, dessen Großtante soeben verstorben war und die ihre Kindheit in Kenia verbracht hatte. Die Familie wollte unbedingt wissen, was die alte Dame kurz vor ihrem Tod gesagt hatte. Er schrieb uns lautmalerisch auf, was er verstanden hatte. Wir konnten der Familie mitteilen, dass die alte Dame vor ihrem Tod ein traditionelles ostafrikanisches Gebet sprach.

hakuna matata

soksi

Kisuaheli wir sprechen

barua pepe

zahanati

text andrea schmidT leiterin Der kisuAheli-reDAktiOn

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16 Weltzeit 2 | 2012

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Page 17: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

Wir brauchen die Stimmen von außen

Die Anwältin Jacqueline Moudeina erhielt 2011 den Alternativen Nobelpreis. In einem Gastbeitrag erläutert sie, welche Rolle Radio für ihr Land und für ihre Arbeit spielt.

Als Menschenrechtlerin nutze ich das staatliche Radio des Tschad sehr sel-ten: Als offizielle Stimme der Regierung hat es uns Menschenrechtlern wenig zu bieten. Häufig höre ich internationale Ra-diostationen und zudem Radio FM Liberté. Dieser Sender ist ein Privatradio der Zivil-gesellschaft und wurde von der Menschen-rechtsorganisation ATPDH mitbegründet.

Radio FM Liberté ist ein wichtiges Ins-trument in unserem Kampf für die Men-schenrechte. Über diesen Sender strahlen wir unsere Nachrichten aus, berichten über Menschenrechtsverletzungen im Tschad und informieren die Bevölkerung über ihre Rechte. Über das staatliche Ra-dio würden solche Berichte natürlich nur zensiert laufen. Daher ist unser Sender ein wichtiger Mittler zwischen uns und un-serer Arbeit auf der einen und der Bevölke-rung auf der anderen Seite.

Es gibt im Tschad zwar neben der staat-lichen auch eine unabhängige Presse. Aber was die Reichweite von Zeitungen angeht, haben wir zwei Probleme: Zum einen gibt es hier viele Menschen, die nicht lesen kön-nen – die Analphabetenrate liegt laut Ver-einten Nationen bei rund 70 Prozent. Zum anderen können viele Menschen es sich gar nicht leisten, eine Zeitung zu kaufen. Das führt dazu, dass Zeitungen in unserem Land weit weniger geeignet sind als das Ra-dio, um Informationen an ein großes Pub-likum zu vermitteln.

Internationale Sender wie die Deut-sche Welle, Radio France Internationale (RFI), die BBC oder Voice of America habennatürlich dieselbe Rolle: Auch sie informie-

ren die Bevölkerung. Sie haben aber noch einen weiteren großen Vorteil: Sie drin-gen über die nationalen Grenzen hinaus. Sie berichten zum Beispiel über unsere Arbeit oder über Missstände im Tschad – und dies erreicht nicht nur die Menschen im Tschad, sondern auch Hörer in anderen Ländern der Region.

Früher haben die Menschen hier vor-wiegend RFI gehört, das französische Aus-landsradio. In den vergangenen Jahren jedoch hat sich der Medienkonsum in un-serem Land verändert: Heute hören die Menschen gezielt verschiedene internatio-nale Stimmen, um komplementäre Infor-mationen zu bekommen und mehr Einzel-heiten zu einem Ereignis zu erfahren. Es ist daher sehr bereichernd, verschiedene Programme aus dem Ausland empfangen zu können.

Aber genau diese Details werden den internationalen Sendern auch manchmal zum Verhängnis: So wurde beispielsweise 2008 vorübergehend die Ausstrahlung von RFI im Tschad unterbunden und die Korre-spondentin zur persona non grata – zur un-erwünschten Person – erklärt, weil sie zu genau berichtet hatte über einen Rebellen-angriff, der das Regime von Präsident Idriss Déby beinahe zum Sturz gebracht hätte.

Wie die privaten Radios stoßen also auch die internationalen Sender im Tschad manchmal an ihre Grenzen. Und doch brauchen wir sowohl die nationalen wie die internationalen Sender: Nur so können wir uns umfassend informieren.

Jacqueline Moudeina

erhielt 2011 den right livelihood

Award, den Alternativen nobelpreis,

für ihren jahrelangen einsatz für

die menschenrechte, insbesondere

für die Opfer der früheren Diktatur

im tschad. moudeina ist gründerin

der menschenrechtsorganisation

AtPDh – Association tchadienne

pour la promotion et la défense

des droits de l'homme. sie kämpft

dafür, dass der ehemalige staats-

chef hissène habré zur rechen-

schaft gezogen wird. habré wird

vorgeworfen, in seiner achtjährigen

herrschaft (1982 bis 1990) die

ermordung von bis zu 40.000 men-

schen und systematische folter an

tausenden menschen angeordnet

zu haben. seit seinem sturz 1990

durch den heutigen Präsidenten

idriss Déby lebt habré unbehelligt

im senegal.

text Jacqueline moudeina menschenrechtlerin Aus Dem tschAD

©

DW

17Deutsche Welle

Page 18: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

N ichts als Gräser, Büsche, Bäu-me: Savanne, so weit das Auge reicht. Nur selten lockern ei-

nige verstreute Hütten, ein paar sandige Pisten das Bild auf; und natürlich das Band des „Weißen Nils“, der sich von der ugandi-schen Grenze Richtung Norden schlängelt. Ansonsten: unendliche Weite.

Wer sich mit dem Flugzeug auf den Weg nach Juba im Südsudan macht, der erkennt schnell, vor welch riesigen Herausforde-rungen die Regierung dieses jüngsten Staates Afrikas steht. Juba selbst, immer-hin die Hauptstadt des jungen Landes, ver-fügt erst seit kurzem über so etwas wie ein nennenswertes System von asphaltierten

Im Südsudan, dem jüngsten Staat Afrikas, kann nur das Radio als Kommunikationsbrücke zwischen den Regionen und Ethnien des Landes dienen. Die DW Akademie leistet hier Pionierarbeit.

Ohne Radio nicht lebensfähig

Unendliche Weite, kaum Infrastruktur: schwieriger

Aufbruch im Südsudan

text carsTen von nahmen, DW AkADemie bilDer peTer hille, dpa

18 Weltzeit 2 | 2012

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Page 19: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

Und der Wunsch nach mehr Möglich-

keiten zur Kommunikation

Die DW Akademie

konzentriert sich nicht nur im Süd-sudan weiterhin auf das Medium Hörfunk: Rund zwei Drittel der Trai-nings- und Beratungsmaßnahmen der DW in Afrika drehen sich nach wie vor um das Thema Radio – sei es zur Unterstützung von „Commu-nity Stations“ im südlichen Afrika, bei der Vermittlung ethischer und fachlicher Standards von Wahlbe-richterstattung in Tunesien und Li-byen oder wenn es um die Stärkung lokaler Berichterstattung in Ghana geht. Insgesamt wird die DW Akade-mie 2012 mehr als 80 Einzelmaßnah-men für Journalisten, Techniker und Manager bei Radiopartnern in allen Teilen Afrika anbieten – so viele wie noch nie.

www.dw-akademie.de

Straßen. Kurz außerhalb des Stadtzen-trums beginnen die Wohnviertel, die im Wesentlichen aus traditionellen Strohhüt-ten bestehen. Eine funktionsfähige Kanali-sation, eine verlässliche Stromversorgung: Fehlanzeige. Und im Rest des Landes sieht es in Sachen Infrastruktur noch deutlich schlechter aus. Wie soll unter diesen Um-ständen ein Staat funktionieren, wie eine Zivilgesellschaft entstehen, wie die Regie-rung mit ihren Bürgern kommunizieren – und umgekehrt?

„Ohne Radio könnten wir als Staat nicht existieren“, sagt Rehan Abdel Nabi, Direktor der staatlichen Rundfunkanstalt South Sudan Radio. In der Tat: Strom und damit Fernsehen gibt es nur in den weni-gen größeren Siedlungen des Landes; von Internet ganz zu schweigen. Lesen und schreiben kann im Südsudan nur eine Minderheit. So bleibt für viele Menschen das Radio die einzige Informationsquelle für Nachrichten aus der Hauptstadt und aus den anderen Regionen dieses riesigen Vielvölkerstaates, der der Südsudan auch nach seiner Abspaltung vom Nordsudan 2011 immer noch ist.

Die Unterstützung des staatlichen Ra-dios, auch privater und kirchlicher Sen-der, hatte daher von Anfang an für die

DW Akademie Priorität bei ihrem Enga-gement im Südsudan: 2006, also bereits fünf Jahre vor der Unabhängigkeit, haben wir den ersten Radio-Workshop in Juba durchgeführt – echte Pionierarbeit, denn die Trainer mussten damals noch in Zelten und Containern übernachten. Finanziert wurden dieses erste Training und auch die meisten Folgemaßnahmen von der Gesell-schaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die sich im Südsudan vor allem beim Aufbau staatlicher Strukturen und der Zi-vilgesellschaft engagiert; eine Zusammen-arbeit, die bis heute anhält. „Die Deutschen waren mit die Ersten, die uns unterstützt haben – und sie waren und sind mit Ab-stand die verlässlichsten Partner, die wir haben“, lobt Radio-Direktor Rehan Abdel Nabi.

Das Ergebnis: Zwar liegt der journalis-tische Standard im Südsudan nach zwei Dutzend Trainingsmaßnahmen mit insge-samt über 250 Teilnehmern nach wie vor unter dem Durchschnitt, selbst in Afrika. Doch haben die meisten Radiomacher im Land inzwischen durch die DW Akademie zumindest einen „Crash-Kurs“ in Sachen journalistische Grundlagen absolviert. Im-merhin eine Basis, auf der sich nun aufbau-en lässt.

Der Weiße Nil, der sich von der ugandischen Grenze

Richtung Norden schlängelt

19Deutsche Welle

Page 20: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

Löwen, Nashörner, Krokodile und Elefanten – Afrika wird meist mit wilden Tieren assoziiert. Andere Erfahrungen macht man auf Lamu, dem Archipel im Norden Kenias. Hier trifft man auf possierliche Grauesel. Sie sind das einzige Fortbewegungs- und Transportmittel auf der Insel.

Lamu ist bekannt für seine idyllische Atmosphäre, für wun-dervolle Strände am Indischen Ozean und für Mangroven. Promi-nente aus der ganzen Welt haben hier ihr privates Feriendomizil.

Die Altstadt von Lamu mit der eindrucksvollen Swahili-Archi-tektur, deren Paläste von arabischen Einflüssen geprägt sind, ist UNESCO-Weltkulturerbe. Besonders bewundert werden die reich verzierten Holztüren und Balkone der traditionellen Häuser. Doch die Einwohner Lamus haben nur Augen für ihre Esel. In den engen Gassen zwischen den Häusern aus Muschelkalk ist kein Platz für Autos. Daher dienen die Grautiere als Taxi und Transportmittel – ob für Einheimische oder Touristen, für Koffer oder Waren oder auch schwere Lasten für den Hausbau.

Die rund 24.000 Einwohner Lamus teilen ihre Insel liebevoll mit schätzungsweise 3.000 Eseln. Die Tiere schaffen auch Jobs: Arbeitslose Jugendliche können als Eselführer ihren Unterhalt verdienen. Beim jährlichen Kulturfestival, das bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen beliebt ist, ist das Eselrennen ein Höhepunkt. Vorher werden die Tiere beim Bad im Meer gewa-schen und geschrubbt. Nur der Esel, der von seinem Besitzer gut gepflegt und gefüttert wird, hat die Chance zu gewinnen. Es ist also gleichzeitig ein Beauty-Contest. Der Sieger geht mit 150 Euro aus dem Rennen. Das ist viel Geld, wenn man weiß, dass viele Ke-nianer von zwei Dollar pro Tag leben müssen.

Seit 1987 gibt es hier auch die einzige Esel-Tierklinik Ostafrikas. Sie wurde von einer britischen Touristin, die von den Grautieren der malerischen Insel sehr angetan war, gegründet. Die Esel wer-den hier kostenlos behandelt.

Stolze Eselbesitzer führen abends ihren schönsten Esel zum launigen Spaziergang über die Strandpromenade und freuen sich, wenn Bekannte grüßen: „Hallo Salim, hallo Hafidh“ – denn nicht nur der Besitzer, auch der Esel wird freundlich gegrüßt.

Die Beautys von Lamu

150 Euro für den Sieger: ein Rennen

und ein Schönheitswettbewerb

kulTurTransfer

text unD bilDer eric ponda DW-kOrresPOnDent in keniA

20 Weltzeit 2 | 2012

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Page 21: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

C NN, BBC oder France 24 – sie sind Vorreiter. Auch Al Jazeera gehört inzwischen zu den großen Play-

ern. Es ist ein wenig überraschend, dass sich Deutschland – wirtschaftliche Füh-rungsmacht Europas – schwer tut, was die-sen Punkt angeht. Deutschlands Stimme, die Deutsche Welle, hat noch Mühe, sich auf dem afrikanischen Kontinent ähnlich nachhaltig Gehör zu verschaffen. Liegt es an seiner Geschichte, dass sich Deutsch-land von den großen Fragen der Welt dis-kret zurückhält? Oder ist es gar Strategie?

Zumindest ist diese relative Zurück-haltung hier in Afrika nicht hilfreich, das große Land heute besser zu verstehen. Würde man hier in Jaunde spontan Ka-meruner auf der Straße fragen, woran sie beim Stichwort Deutschland denken, würden sicher viele Mercedes nennen und indirekt an die Qualität deutscher In-dustrieprodukte denken. Sie würden die Fußballnationalmannschaft und Franz Beckenbauer, die Sagengestalt, erwäh-nen. Die Leidenschaft für Fußball würde an die jüngsten deutschen Trainer un-

serer Löwen – Kameruns Nationalelf – er-innern: Otto Fischer und Winnie Schäfer. Einige würden Hitler und die Weltkriege erwähnen, andere Deutschlands Wieder-vereinigung von 1989. Viele Kameruner haben auch die Krimi-Serie Derrick nicht vergessen, die unser nationales Fernsehen von Transtel – also aus der DW-Familie – er-halten hat.

Geschichte und Gegenwart

Vor 15 Jahren bin ich für mein Studium nach Deutschland gegangen. Viele haben sich damals für Frankreich oder andere frankophone Länder entschieden. Dort brauchten sie keine neue Sprache erler-nen und einige hatten dort Familie. Durch den Beginn der Globalisierung sind jedoch Studenten in alle möglichen Richtungen ausgeschwärmt: nach Kanada und in die USA, nach Großbritannien und sogar nach Osteuropa.

Ich selbst habe mich für Deutschland entschieden. Warum? Nun, weil dort Freun-de von mir wohnten, über die ich erfuhr, dass ein Studium kostenfrei war, und vor allem, dass man sich sein Leben durch Ar-beit selbst verdienen konnte. Ohne diese Möglichkeit hätte ich wahrscheinlich nie im Ausland studiert. Vielleicht waren auch mein Geschichtsstudium und mein großes Interesse für Allgemeinbildung die

Medien spielen in der Globalisierung eine große Rolle. Vor allem die USA, Großbritannien und Frankreich setzen Maßstäbe, wenn es darum geht, das eigene Weltbild rund um den Planeten zu verbreiten und das eigene Land gut zu „verkaufen“. Und Deutschland? Ein Blick aus Kamerun auf unser Land – und seine Außenwirkung.

Wir brauchen Gewinner auf allen Seiten

»

deuTschlandBild

text unD bilDer eric ponda DW-kOrresPOnDent in keniA

text andré kounchou fezetOurismus-exPerte, JAunDe, kAmerun

Austausch auf Augenhöhe: Jacques Nomssi Nzali aus Kamerun an

der Technischen Universität Chemnitz

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heimAt erleben

21Deutsche Welle

Page 22: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

treibenden Kräfte. Ich konnte der hier po-pulären Geschichtsdeutung entgehen, die darin besteht, die deutsche Kolonialzeit mit der französischen zu vergleichen – und aus der deutschen Zeit nur die positiven As-pekte zu erinnern: den Bau von Eisenbahn-strecken, Krankenhäusern, Brücken und Verwaltungsgebäuden. Durch die Feindse-ligkeit gegenüber der französischen Kolo-nialmacht vergessen viele Kameruner die Zwangsarbeit und die Gewalt, die unsere Vorfahren während der deutschen Koloni-sation erfahren haben – etwa die Beschlag-nahme von Ländereien oder den Galgen für Widerstandskämpfer.

Kameruner, die in Deutschland studie-ren möchten, holen ihre Informationen über ihr zukünftiges Gastland vielfach aus dem Internet. Wobei das Netz bislang nur von einer kleinen urbanen Elite genutzt wird. Um mehr zu erfahren, kann man mit deutschen Institutionen in Kamerun in Kontakt treten. So erfährt man beispiels-weise etwas über die Großen der deutschen Zeitgeschichte – über Wissenschaftler wie Einstein und Max Planck, Schriftsteller wie Goethe und Schiller, Komponisten wie Mozart oder Beethoven und über die Phi-losophen Hegel, Leibniz und Marx.

Lange Zeit konnte man das Land auch durch seine berühmte D-Mark identifi-zieren. Deutschland bleibt zwar das öko-

nomische Zugpferd der EU, doch hier in Kamerun ist man der Ansicht, dass Deutschland mit dem Aufstieg der Schwel-lenländer China, Indien, Brasilien, Südko-rea und Südafrika an Boden verliert.

Toleranz und Misstrauen

Wer einmal in Deutschland gelebt hat, sieht das Land in einem anderen Licht. Die Deutschen gelten wohl zu Recht als pünkt-lich, fleißig, einfach und authentisch. Auf der Reise quer durch Deutschland ent-deckt man ein hochentwickeltes Land mit einem Gleissystem, das alles miteinander verbindet, und einem Bahnhof als Herz je-der Stadt. Die Demokratie und das System der Sozialversicherung beeindrucken. Augenfällig ist die Sensibilität gegenüber ökologischen Fragen, bemerkenswert auch, dass Homosexualität akzeptiert wird – anders als bei uns. Meine Besucher waren beim „Christopher Street Day“ im-mer sehr erstaunt.

Man kommt allerdings nicht umhin, das Phänomen der Xenophobie und des Rassis-mus anzusprechen, das es in Deutschland ebenfalls gibt. Als ich dort war, gab es aus diesem Grund Tote in Potsdam und Magde-burg. Zudem gibt es Misstrauen gegenüber Muslimen, Argwohn gegenüber Türken.

Was den Umgang mit Fremden in Deutschland betrifft, erscheint in mei-nen Augen manche Beobachtung höchst

André Kounchou Fézé

(41) ist tourismus-Ökonom. gebo-

ren und aufgewachsen in seiner

heimat kamerun, zog es ihn zum

studium nach Deutschland. Zurück

in kameruns hauptstadt Jaunde,

engagierte er sich dort für den tou-

rismus. er arbeitet als koordinator

beim Programm „Weltwärts“ der

deutschen regierungsorganisation

gesellschaft für internationale Zu-

sammenarbeit (giZ). Parallel baut

er derzeit ein freizeit- und kultur-

zentrum auf.

» Schafft Verbindung zu Deutschland: die deutsche Fußball-

Nationalmannschaft in Kamerun

Historisch verbunden: die Farben

der Nationen

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22 Weltzeit 2 | 2012

heimAt erleben

Page 23: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

„Schäuble-Junta“ gegen „Pleite-Griechen“

Die Telefone liefen heiß zwischen Athen und Bonn. In der griechischen Hauptstadt war soeben eine Mini-Kabinettsumbil-dung erfolgt: Wirtschaftsminister Michalis Chrysochoidis war ins Ministerium für Innere Sicherheit versetzt worden. Am Telefon waren die Kollegen von SKAI TV, des DW-Premium-Partners in Athen. Chrysochoidis sei doch öffentlich von seinem Amtskolle-gen Philipp Rösler wegen Verschleppung von Investitionsvorha-ben gerüffelt worden. Es liege auf der Hand, so die Kollegen aus Athen, dass die Absetzung von Chrysochoidis auf Wunsch Berlins erfolge. Der DW-Kollege möge deshalb in seinem Live-Kommentar in den Abendnachrichten von SKAI TV die Minister-Verschiebung als „logische Konsequenz“ des Rösler-Wutausbruchs untermau-ern. So die Bitte des Partnersenders.

Die Videoschalte des DW-Kommentators an diesem Abend untermauerte nur eins: die Absurdität und Oberflächlichkeit der-artiger Spekulationen. Doch der Vorfall ist typisch für das zuneh-mend negative Image Deutschlands in den griechischen Medien – im Zuge der Schuldenkrise. Man bedient lieber das Klischee eines griechischen David, der sich einem deutschen Goliath gegenüber zu positionieren versucht. Ein Deutschland, das das ertrinkende Partnervolk der Griechen zu retten versucht, ist nicht gefragt. Griechenland ist von einer nie dagewesenen Krise erfasst. In einer solch schwierigen Situation hat die Selbsttäuschung durch das At-tackieren eines Unschuldigen etwas Tröstendes.

Die Schuldenkrise hat das politische System in Athen ins Wan-ken gebracht, da die Finanzklemme auch seine eigene Erstickung zur Folge hat. Letztlich haben die Regierungen der vergangenen 20 Jahre – der sozialdemokratischen PASOK wie der konservativen Neuen Demokratie – die heutige Misere des Landes auf dem Ge-wissen. So sieht man den Schwarzen Peter gern woanders, zum Beispiel in Berlin. Ein Teil der Medien macht mit und entdeckt bei jeder Etappe des Niedergangs den Schuldigen im Ausland. Im Grunde genommen schadet diese „anti-deutsche“ Umdeutung der Krise nicht so sehr Berlin, sondern den Griechen selbst. Ohne eine ehrliche Analyse der Realität wird man den Karren nicht aus dem Dreck ziehen können.

In Deutschland allerdings kümmert man sich offenbar mehr um Tendenzen in griechischen Boulevardblättern. Mal vergleicht man dort das heutige Deutschland mit dem Dritten Reich, mal zeigt man die Kanzlerin in Naziuniform oder spricht von einer „Schäuble-Junta“. Man muss solche Ressentiments wohl in Kauf nehmen, sollte sie aber nicht überbewerten. Es sind Randerschei-nungen, ebenso wie in Deutschland die „Pleite-Griechen“- Titel der Bild-Zeitung. Der Umgang mit den griechischen Problemen war hierzulande nicht immer ein Paradebeispiel deutscher Rit-terlichkeit. Trotzdem bleiben Deutsche und Griechen befreundete Völker.

widersprüchlich. Eine persönliche Geschichte: Zum Ende meines Studiums hat die Fachhochschule Wilhelmshaven die „Gründerbox“ eingerichtet, ein Zen-trum für Firmengründer. Ich war dafür geeignet, die FH war bereit, mein Firmen-projekt mit 13.000 Euro zu unterstützen. Doch dazu kam es nicht. Denn Nicht-EU-Ausländer müssen eine Million Euro in-vestieren und von Beginn an mindestens zehn Personen einstellen. Es gab noch mehr Hürden. Nach einer solchen Erfah-rung verlässt man Deutschland natürlich mit einer gewissen Enttäuschung, selbst wenn man das Land und die Menschen für viele andere Dinge zu schätzen weiß.

Ein Misstrauen, das im Übrigen auch in Widerspruch steht zu zahlreichen Pro-grammen, etwa dem World University Service (WUS) und dem Alumniportal Deutschland (APD). Ziel dieser Initiativen ist es, Kontakt zu ehemaligen Austausch-studenten zu halten, deren Erfahrungen in Bezug auf deutsche Kultur zu bewahren.

Positiv und aktuell

Durch die Globalisierung rückt die Welt näher zusammen, ob es um den Schutz der natürlichen Ressourcen geht oder um Kli-mawandel. Ob es um technische Zusam-menarbeit geht oder den Austausch von Expertise auf anderen Feldern. Entschei-dend wird sein, dass Entwicklungszusam-menarbeit nicht nur von Eigeninteresse geleitet ist, sondern dass es Gewinner auf allen Seiten gibt.

Nur so wird sich das Bild, das die Kame-runer und die Afrikaner insgesamt vom heutigen Deutschland haben, positiv ge-stalten können. Die Stimme Deutschlands, die Deutsche Welle, sollte in Zukunft einen entscheidenden Anteil daran haben, die-ses Bild stets aktuell zu halten. Übersetzung: Katrin Herms

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text spiros moskovouleiter Der griechisch-reDAktiOn

23Deutsche Welle

Page 24: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

„Die Medienlandschaft in Myanmar verändert sich derzeit rasend schnell, und vieles entwickelt sich durchaus zum Posi-tiven“, so Gerda Meuer, Direktorin der DW Akademie. Sie war im Februar in Myanmar, gemeinsam mit Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel. Die Fortschritte seien beeindruckend, aber: „Es ist deutlich geworden, dass es im Land einen immensen Bedarf an Weiterbildungsmaßnahmen für Journalisten gibt.“

Helmut Osang, Leiter der Medienentwicklung bei der DW Aka-demie, kehrte in diesen Tagen von einem Workshop vor Ort zu-rück. Sein Eindruck: Die Journalisten seien jung und hätten wenig oder gar keine journalistische Erfahrung. Aber sie seien extrem motiviert. „Wir müssen dort mit den journalistischen Grund-regeln beginnen: Wie führt man ein Interview, wie erzählt man eine Geschichte, damit sie für die Menschen interessant ist. Unser Hauptziel muss es sein, die Blickrichtung der Kollegen zu verän-dern – weg von den Regierungsinteressen, hin zu denen der Hörer oder Zuschauer.“

Die DW Akademie ist eine der ersten Medienorganisationen, die in dem südostasiatischen Land Trainings für Journalisten an-bieten. Fünf Workshops sind in diesem Jahr vorgesehen, zudem sind Beratungen und ein Langzeitprojekt mit einem lokalen Me-dientrainingszentrum geplant.

www.dw-akademie.de

Mit traditionellen Wurzeln: das Turkish National

Youth Philharmonic Orchestra

Aufbruchstimmung in Myanmar

Die Türkei ist in diesem Jahr Part-nerland beim Orchestercampus, einem Begegnungsprojekt mit internationalen Jugendorchestern. Das Turkish National Youth Philharmonic Orchestra unter Lei-tung von Cem Mansur kommt im Herbst zu Workshops und Konzerten nach Bonn – und wird auch in Berlin auftreten. Zuvor kommen die rund 100 Musiker in Istanbul zu Proben und Konzerten in Kooperation

mit dem Istanbul Music Festival zusam-men. Auch Musiker des Deutschen Sym-phonie-Orchesters Berlin sind dabei.

In einem Journalistenworkshop, den die DW Akademie gemeinsam mit der Istan-bul University durchführt, begleiten jun-ge türkische Kulturjournalisten die Ver-anstaltungen in Istanbul mit Video- und Audioproduktionen sowie einem Online-Tagebuch. Die DW vergibt im Rahmen des

Orchestercampus zudem einen Komposi-tionsauftrag. In diesem Jahr geht dieser an den 23-jährigen türkischen Komponisten Mehmet Erhan Tanman. Die Uraufführung seines Werkes „Traffic“ dirigiert der künst-lerische Leiter des Jugendorchesters, Cem Mansur, am 19. September beim Beetho-venfest Bonn. Das Konzert wird auch von DW-Partnern in der Türkei übertragen.

www.dw.de/beethoven

„Beethoven ile buluşma – Begegnung mit Beethoven“ – so lautet in diesem Jahr das Motto des Orchestercampus von Deut-sche Welle und Beethovenfest Bonn. Die Türkisch-Redaktion der DW unterstützt das Projekt.

Beethoven auf Türkisch

Die Basis vermitteln: erste Workshops der DW Akademie

Nach 50 Jahren strenger Zensur erleben die Medien in Myanmar derzeit neue Freiheiten. Die DW Akademie will mit ihren Pro-jekten vor Ort zu mehr Meinungsvielfalt beitragen.

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24 Weltzeit 2 | 2012

AnDere Verstehen

Page 25: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

Gefragter Diskussionsteilnehmer: Baha Güngor (r.)

text mareen maTer, stuDentin

25Deutsche Welle

Via Kurzwelle gingen die Informa-tionen aus Deutschland jahrzehntelang zu den Hörerinnen und Hörern in der Türkei. 30 Minuten täglich waren es in den Anfän-gen, zwischenzeitlich 100 Minuten. Heute werden – einschließlich Audiodepot-An-gebot – 50 Minuten pro Tag über Partner-sender auf UKW verbreitet. Erheblich ausgeweitet wurden die multimedialen Angebote über das Internet.

1961 war das deutsch-türkische Anwer-beabkommen in Kraft getreten. Tausende Türken folgten dem Ruf, kamen als „Gast-arbeiter“ nach Deutschland. Baha Güngör, seit 1999 Leiter der Türkisch-Redaktion, gehörte zu den ersten Ankömmlingen – als Elfjähriger in Begleitung seiner Großmut-ter. 1976 wurde er als erster Türke in deut-scher Sprache zum Journalisten ausgebil-det, bei der Kölnischen Rundschau. Später ging er als Korrespondent für 15 Jahre nach Istanbul zurück, berichtete unter anderem für dpa.

Güngör und sein Redaktionsteam set-zen heute vor allem darauf, „die Kulturen

auf Augenhöhe zu sehen. Das ist der Schlüssel zum Erfolg unserer Bemü-hungen um Dialog und Verständigung“, so Güngör. Deutschland verständlich ma-chen – das bleibt wichtigster Pfeiler im Programmauftrag. Eine umfassende, auch kritische Darstellung wichtiger Ereignisse in Deutschland und der Türkei und die Berücksichtigung unterschiedlicher Sicht-weisen – auch das gehört zu den Maximen im Redaktionsalltag.

So hat sich das DW-Angebot bei den Menschen in der Türkei einen guten Ruf erworben. Die hohe Glaubwürdigkeit hat dazu geführt, dass viele türkische Kolum-nisten die DW aufmerksam verfolgen – und regelmäßig zitieren.

Die Mediennutzung hat sich auch in der Türkei rasant gewandelt. Die Kurzwelle spielt kaum noch eine Rolle. Fernsehen ist Leitmedium, das Internet boomt. So setzt die DW auf eine multimediale Aufberei-tung ihrer journalistischen Inhalte, bietet im Internet auch Videos an – die große Re-sonanz finden.

Die DW-Redaktion hat auch ein Publi-kum in Deutschland: Es gibt einen kolle-gialen Austausch mit „Funkhaus Europa“, dem interkulturellen Hörfunkprogramm des WDR. Und Türkei-Experte Güngör ist bei Medien in Deutschland gefragt – zum Beispiel, wenn es um Integration geht oder um das Verhältnis der EU zur Türkei. In ei-ner reservierten Haltung Europas gegen-über seinem Heimatland sieht Güngör die Gefahr, dass sich die Türkei Alternativen suche. „Man rückt näher an China und Russland.“ Andererseits habe die EU der-zeit „keine Kapazitäten, um ein so großes Land wie die Türkei aufzunehmen“.

baha güngör schreibt über seine interkul-

turellen erlebnisse in seinem blog „Drei

Jahreszeiten im niemandsland“:

bahagungor.blogspot.com

beim vistas-Verlag ist soeben der titel

„türkei: medienordnung auf dem Weg nach

europa?“ erscheinen – eine Dokumentation

des Deutsche Welle mediendialog 2011:

(schriftenreihe „edition international

media studies ims“)

www.vistas.de

1962 ging das türkischsprachige Programm der Deutschen Welle erstmals auf Sendung. Mit drei Mitarbeitern und 30 Minuten Sendezeit. Als interkulturelle Brücke. Ein Selbstverständnis, das – in gewandelter Form – auch nach 50 Jahren gilt.

Kulturen auf Augenhöhe

gestern reflektieren

Vor 50 Jahren

1962 wird das Radio-Angebot erheb-lich ausgeweitet. Neue Sendespra-chen sind – neben Türkisch – auch Persisch, Spanisch und Türkisch, Russisch, Polnisch, Tschechisch, Slo-wakisch, Ungarisch, Serbisch und Kroatisch. Portugiesisch gibt es jetzt auch für Brasilien. Und auf Englisch bietet die DW Sendungen für Austra-lien, Ostasien und den Pazifischen Raum – und nicht zuletzt für Afrika. Dorthin sendet die DW nun auch ein Französisches Programm.

Page 26: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

„Wenn ich montags meine Mails lese, heißt das immer: erstmal Pornos gu-cken“, seufzt Christian Keppel. Der 34-Jäh-rige ist Projektleiter bei „Dein guter Ruf“. Das Essener Unternehmen hat sich auf das sogenannte Reputationsmanagement spe-zialisiert. Keppels Team entfernt Internet-einträge. Täglich schreiben ihm Geschäfts-leute, Studenten oder Hausfrauen, deren Namen im Web verunglimpft werden. Der häufigste Satz an die Reputationsmanager lautet deshalb: „Bitte machen Sie das weg!“

Eine zufriedene Kundin ist Katja Poppen-berg aus Münster. Die 32-jährige Lehrerin erinnert sich ungern an ihre Studienzeit in Rostock. Sie hatte gerade ihre Bewerbungen auf eine Referendariatsstelle verschickt, als sie ein Freund nach ihrem seltsamen Blog fragte. „Ich war total geschockt, als ich das sah“, erinnert sie sich. Denn die junge Frau betrieb gar keinen Blog. Ein Unbekannter

hatte Fotos von ihr aus dem Internet zu-sammengesucht und veröffentlichte dort regelmäßig Blogeinträge – unter ihrem Na-men und mit ihrer Adresse. Das Schlimm-ste war ein Nacktfoto, in das der Täter ihr Gesicht montiert hatte. Auf Außenstehen-de wirkte die Seite echt.

Katja Poppenberg erstattete Anzeige. Ihr Verdächtiger: ein abgewiesener Lieb-haber. Die Polizei ermittelte, doch um die Löschung sollte sie sich selbst kümmern. In einer Zeitschrift las sie einen Artikel über die Essener Reputationsmanager. Katja Poppenberg investierte 29,95 Euro – und nach sechs Wochen war der falsche Blog offline.

Einer der harmloseren Fälle aus Keppels Alltag. Zumindest im Vergleich zu den rund 400 YouTube-Videos, die er monat-lich im Auftrag des Finanzdienstleisters „SJB“ entfernt. „SJB“-Chef Gerd Bennewirtz

wird mal als Nazi, mal als Kinderschän-der denunziert. In der DW-Sendung Shift – Leben in der digitalen Welt spricht er erstmals öffentlich über sein Mobbing-Problem: „So sehen heute Vorbereitungen für feindliche Übernahmen aus.“ Denn mit dem beschädigten Ruf sinkt auch der Kauf-wert des Unternehmens.

Reputationsmanager machen dort wei-ter, wo Nutzer an ihre Grenzen stoßen. „Viele sind täglich im Netz aktiv, doch wenn sie einen Eintrag entfernen wollen, fehlen ihnen Adressaten“, sagt Keppel. Der Urheber deutscher Internetseiten ist sofort ermittelbar – auch für die Justiz. Nahezu unmöglich ist das hingegen bei interna-tionalen Portalen. Wer einmal versucht hat, beispielsweise bei Google-Ableger Blogspot.com einen Verantwortlichen zu finden, weiß, wovon die Rede ist. Christian Keppel kennt die richtigen Ansprechpart-ner – und im Zweifel etliche Tricks, um Hass-Einträge unsichtbar zu machen.

Die Branche der Reputationsmanager steht in Deutschland noch am Anfang. Etwa ein Dutzend Firmen teilen sich den Markt auf. Doch Experten gehen davon aus, dass die Branche der digitalen Spu-renbeseitiger noch in dieser Dekade Jah-resumsätze von mehreren Millionen Euro erwirtschaften wird. Denn schlechte Einträge entstehen schneller als gedacht – und immer häufiger. Zurückhaltung der Nutzer kann natürlich helfen, Cyber-Mob-bing zu verhindern. Ein Patentrezept gibt es aber nicht. Christian Keppel: „Natürlich gibt es Kunden, die unbedacht etwas gepo-stet haben, das sie wieder gelöscht haben wollen. Doch generell muss man sagen, dass unsere Kunden unschuldig sind.“

www.dw.de/shift

Machen Sie das weg!

Mehr als zwei Milliarden Menschen surfen mittlerweile im Netz. Der Großteil davon genießt die Freiheiten des World Wide Web. Doch was passiert, wenn man plötzlich Opfer von Cyber-Mobbing wird?

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aRuf beschädigt: Bei Cyber-Mobbing

stoßen viele an ihre Grenzen

text mikko sTüBner-lankuTTis, reDAktiOn shift

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26 Weltzeit 2 | 2012

meDienWelt einOrDnen

Page 27: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

Sie beraten Institutionen zu Web 2.0., Blogs und Social Media. Wie groß ist das Interesse in Afrika? In einigen Ländern – etwa Kenia – ist durch die Verbreitung von Mobil- und Internettechnik in den vergangenen Jahren eine dy-namische und kreative IT- und Social-Media-Szene entstanden. In der sogenannten Silicon Savanna entwickeln afrikanische Ak-teure Software-Lösungen zur Bekämpfung lokaler und globaler Probleme. Hier werden die Sozialen Medien nicht nur genutzt, sondern auch weiterentwickelt.

Und jenseits von Silicon Savanna? Natürlich sieht es nicht überall so vielversprechend aus. Aber selbst in kleinen Städten in Äthiopien habe ich viele Menschen ge-troffen, die ein starkes Interesse an den Sozialen Medien haben. In dem Land herrscht keine Medien- und Meinungsfreiheit. Vor allem die jüngere Bevölkerung nutzt daher Soziale Medien, um offen und selbstbewusst über Themen zu diskutieren, die in der Öffentlichkeit nicht zur Sprache kommen.

Gibt es in Afrika trotz des noch begrenzten Internet- zugangs eine ausgewiesene Blogosphäre? Der Zugang zum Internet und die aktive Nutzung sind vor allem in Städten mittlerweile weit verbreitet. Und Blogs gehören fast schon zur Medienlandschaft – zumindest gilt das für bestimmte Bil-dungs- und Interessengruppen. Einflussreiche Blogger wie Ethan Zuckermann, Gründer von Global Voices, oder Erik Hersman, Gründer von Ushahidi, schreiben über entwicklungspolitische Themen, regen internationale Debatten an. In Äthiopien sind die Communitys noch klein. Hier versuchen sich die Blogger durch das Netz Ethiopian Bloggers gegenseitig zu unterstützen.

Geraldine de Bastion ist Programmkuratorin der re:publica, der Konferenz über Blogs, Sozi-ale Medien und die digitale Gesellschaft. Seit 2008 arbeitet sie als Beraterin bei der Kommu-nikationsagentur newthinking und verfügt über Erfahrungen in der Entwicklungszusam-menarbeit. Soeben kehrte sie aus Äthiopien zurück.

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Frische Themen im Netz Was ist los im Internet? Vor allem: Was ist wichtig, aufre-gend und was macht gerade viel Spaß? Das zeigt die neue DW-Sendung Shift – Leben in der digitalen Welt.

Jede Woche berichtet das TV-Magazin der DW über Entwick-lungen im Netz – unterhaltsam, informativ und meinungs-stark. Shift bereitet politisch, gesellschaftlich und wirtschaft-lich relevante Themen des digitalen Lebens auf und zeigt, wie Kreative und Kulturschaffende die digitale Welt prägen.

Vom Videokünstler bis zum Netzpolitiker, von der Video-überwachung bis zur Netzkultur – Shift findet interessante Menschen und Macher und zeigt Tendenzen in der digitalen Welt.

Teamchefin Nadja Scholz und die Redakteure Martin Roddewig (links) und Mikko Stübner-Lankuttis fischen jede Woche frische Themen aus dem Netz.

Die Zielgruppe von Shift: Internetnutzer auf der ganzen Welt. Dementsprechend sind auch die Inhalte global. So geht es zum Beispiel um den Kampf gegen Cyber-Mobbing, die Tücken von Suchmaschinen oder das Geschäft mit Ho-telbewertungen. Themen, die User weltweit betreffen.

Dazu machen Rubriken die Sendung schnell: „Shift Ran-king“ sortiert die Interessen der Netzgemeinde in unter-haltsamen Hitlisten. Von den Suchworten des Jahres bis zu den Tieren mit den meisten Facebook-Fans, von den er-folgreichsten Smartphone-Apps bis zu den schnellsten Gi-tarristen auf YouTube. Und in jeder Sendung gibt es unter der Rubrik „Shift Exit“ die unterhaltsame Zugabe. Vom bril-lanten Internet-Video bis zum exzentrischen Technik-Ob-jekt. „Shift Exit“ – Ausstieg mit Spaß. Das Magazin ist wie die digitale Welt: schnell, vielseitig und immer in Bewegung.

www.dw.de/shift

www.facebook.com/dwshift

das läufT

»

Die Entwickler aus Silicon Savanna

frAgen VOn marTina BerTram reDAkteurin

27Deutsche Welle

Page 28: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

Um welche Themen geht es in afrikanischen Blogs?

Es gibt persönliche Blogs, in denen Menschen über ihre Erfah-rungen und Gedanken schreiben. Es gibt Blogs zu Kunst und Li-teratur, zu Freizeit und Sexualität, bürgerjournalistische Blogs zu politischen, wirtschaftlichen, sozialen und technischen Themen. Wer sich für das Thema Internet und Afrika interessiert, sollte zum Beispiel whiteafrican.com, afrigadget.com oder afrinnovator.com lesen. Der Autor von afrinnovator.com, Mark Kaigwa, kommt zur re:publica. Dort wird es Diskussionen mit verschiedenen afrika-nischen Bloggern geben.

Wie vernetzt sind afrikanische Blogger über Sprach- und Landesgrenzen hinweg?Sprachbarrieren sind ein Problem, vor allem zwischen anglopho-nen und frankophonen Ländern. Seiten wie Global Voices, die auch Artikel übersetzen, tragen zu mehr Zusammenarbeit zwischen na-tionalen Blogosphären bei. Mit der Frage, ob in einer internationa-len Sprache, meist Englisch, oder in einer lokalen beziehungsweise nationalen Sprache gebloggt werden sollte, setzen sich die meisten Blogger auseinander. Viele wählen eine Mischung oder Englisch, da die meisten Nutzer auch Englisch sprechen.

Haben Sie Beispiele für besonders erfolgreiche Platt-formen? Ushahidi.com ist sicherlich die prominenteste Plattform, die sich in Afrika entwickelt hat und weltweit angewendet wird. Es gibt andere interessante Anwendungen, etwa das mobile Bezahlsys-tem MPESA oder das offene mobile Sprachsteuerungssystem FreedomFone – eine in Simbabwe entwickelte Technik, die von verschiedenen Radiostationen und Diensten genutzt wird, um In-formationen mobil abrufbar zu machen.

Die Deutsche Welle ist Partner der re:publica 2012 und begleitet

den kongress vom 2. bis 4. mai in berlin mit Workshops, internatio-

naler expertise und Ansprechpartnern vor Ort.

Bei einem DW-Panel auf der re:publica wieder dabei:

Geraldine de Bastion

Der Mobile World Congress drehte sich 2012 um schnellere Chips für smartere Phones. Der Absatz wuchs um 58 Prozent. bit.ly/AucPso

Das FBI hat Hacking zur größten Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA erklärt. Terrorismus scheint weniger gefährlich? read.bi/yxv2ui

Mit 250 Millionen Tweets, die täglich erscheinen, will Twitter Geld machen. Externe Firmen sollen die Daten auswerten. bit.ly/zZvpe2

Das neue Tool Datawrapper macht den Einstieg in Da-tenjournalismus einfach und hilft bei der Auswertung und Darstellung. bit.ly/zefJaw

Facebook für immer: 70 Prozent der Social-Media-Nutzer wollen laut einer Studie nie mehr das Netzwerk wechseln. bit.ly/yifool

Mehr Handys als Nutzer: Laut einer Studie wird noch 2012 die Zahl der Mobilgeräte die der Menschen welt-weit übertreffen. bit.ly/nqdf

Bloggen nur mit offenem Visier: China zwingt Nutzer zu Klarnamen, um die lebendige Microblog-Szene zu kontrollieren. bit.ly/zrc8x0

Heiter bewölkt: Amazons Could zählt eine halbe Milli-on Server. Ein Wachstumsindikator für die ganze Branche. bit.ly/w2hcro

Laut Umfrage nutzen 26,5 Prozent der Deutschen mo-biles Internet, 24 Prozent haben ein Smartphone, fünf Prozent ein Tablet. bit.ly/gh4261

Getwitter

Ist Facebook-Konkurrent Google+ gescheitert? Bran-chenkenner Martin Weigert sagt, 100 Millionen Nut-zer sind kaum aktiv. bit.ly/A6bA3V

Iran jagt Internet-Aktivisten mit einer neuen Cyber-Polizeieinheit. China, Kuba und Nordkorea sind ähn-lich rigide. bit.ly/xWreA7

28 Weltzeit 2 | 2012

meDienWelt einOrDnen

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N och 80 Kilometer bis nach Mar-sabit – mein Tagesziel – und es will nicht vorangehen. Im

Zickzackkurs umschiffe ich grobe Ge-steinsbrocken und versuche, auf der Well-blechpiste nicht ins Rutschen zu geraten. Scharfkantige graue Steine wechseln sich ab mit porösem weißen Fels, dann wieder roter Schotter und schwarz-braune Lava-brocken. Noch ist die Straße von Moyale an der äthiopisch-kenianischen Grenze in Richtung Nairobi weder asphaltiert noch planiert. Selbst Geländewagen mit Allrad-antrieb quälen sich über die Geröllhalde, jede Achse ächzt und quietscht. Auch mein

Fahrrad, ein Rennrad mit stabilem Alur-ahmen und dicken Offroad-Reifen, ist in ein Wimmern und Seufzen verfallen. Der nächste Blick auf den Tachometer macht Mut: noch 55 Kilometer bis Marsabit.

Ich bin unterwegs nach Süden. Mit der „Tour d’Afrique“, einer Radexpedition von 45 Teilnehmern aus aller Welt, reise ich von Kairo nach Kapstadt. Ägypten, der Su-dan und Äthiopien liegen hinter uns. Von Kenia aus wollen wir weiter über Tansania, Malawi, Sambia, Botswana und Namibia nach Südafrika – quer durch das Zielge-biet der DW im englischsprachigen Afrika. Die Straßen bislang waren überwiegend

frisch geteert, 120 Kilometer am Tag gut zu fahren, immer wieder unterbrochen von einer Tasse Tee, einem Plausch oder einem Interview.

40 Grad im Schatten

Nordkenia allerdings ist sehr dünn be-siedelt. Zwei Lastwagen, einem Jeep und einer Kamelherde bin ich seit Sonnenauf-gang begegnet. Ich erreiche ein kleines Dorf. „Cold Drinks“, eine Verheißung am Straßenrand. Mohammed verkauft mir eine Cola und zeigt sich erfreut über die durstigen Radfahrer, die heute alle

Mit dem Fahrrad bei 40 Grad im Schatten von Nord nach Süd durch Afrika – als Botschafter der Deutschen Welle. Das ist die Mission des DW-Reporters. Das Ergebnis: Unzählige Erlebnisse mit Mensch und Natur – authentisch und nachhaltig.

Tour d’Afrique über steinige Pisten:

DW-Reporter Peter Hille

»

Atemberaubend und ein bisschen dämlich

text unD bilDer peTer hille, DW-rePOrter

30 Weltzeit 2 | 2012

unterWegs sein

Page 31: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

ÄGYPTEN

SUDAN

Mittelmeer

ArabischesMeer

Südatlantik

Indischer Ozean

Nordatlantik

Rotes Meer

TANSANIA

SAMBIA

SÜDAFRIKA

BOTSUANA

NAMIBIA

MALAWI

KENIA

ÄTHIOPIEN

Kairo

Kapstadt

SÜDSUDANZENTRALAFRIK. REPUBLIK

DEMOKRATISCHEREPUBLIK KONGOÄQUATORIALGUINEA

GABUN

UGANDA

NIGERIA

KAMERUN

BURKINAFASO

GUINEA

SIERRA LEONEELFENBEIN-

KÜSTE

GHANA

BENIN

REP.KONGO

MOSAMBIK

SIMBABWEMADAGASKAR

LESOTHO

SWASILAND

ANGOLA

SOMALIA

DSCHIBUTI

TOGO

LIBERIA

LIBYEN

NIGER

GUNIEA-BISSAU

SENEGAL

GAMBIA

MALI

MAROKKO

ALGERIEN

WESTSAHARA

MAURETANIEN

TUNESIEN

TSCHAD

RUANDA

BURUNDI

ERITREA

12.000 Kilometer

lang ist die Strecke von Kairo nach Kapstadt. Sie führt mich durch zehn Länder. Der höchste Punkt der Tour liegt auf 3260 Metern in Äthiopien. Losgefahren sind wir am 14. Januar, ankommen werden wir voraussicht-lich am 12. Mai.

Ich bin kein professioneller Rad-sportler, auch kein übermütiger Abenteurer, sondern radelnder Re-porter. Deshalb habe ich mich der Organisation „Tour d’Afrique“ an-geschlossen, die derartige Expediti-onen in Gruppen anbietet.

Mein Anliegen: Ich möchte ent-lang der Tour Menschen treffen, von Ihnen wissen, was Sie von Europa und von Deutschland denken. Ich möchte erfahren, was Sie interessiert und was Sie von den Programmen der Deutschen Welle erwarten.

Diese stimmen können sie sich auf

meinem blog anhören:

blogs.dw.de/cairocapetown

31Deutsche Welle

Page 32: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

bei ihm haltmachen. Wobei, ein bisschen dämlich sei es natürlich schon, hier bei 40 Grad im Schatten mit dem Fahrrad entlang zu wollen. Nach einer Prognose zur Fuß-ball-EM („Deutschland wird Europamei-ster“) geht es weiter, noch 40 Kilometer bis Marsabit.

Ich habe mich der Tour angeschlossen, weil man auf dem Fahrrad besonders leicht in Kontakt kommt mit Menschen, denen man begegnet. Für die DW möchte ich herausfinden, was die Nutzer, Hörer und Zuschauer zwischen Kairo und Kapstadt von uns und unseren journalistischen An-geboten erwarten. Etwa von AfricaLink, dem Radioangebot der DW auf Englisch für Afrika.

Und natürlich fahre ich gern Rad! Der Wechsel der Landschaften – von der Weite der Nubischen Wüste im Sudan über das Simien-Massiv im Norden Äthiopiens mit seinen unzähligen Fußgängern, Ziegen und Eseln entlang der Bergstraßen bis zum Rift Valley mit grünen Weideflächen weiter südlich ist atemberaubend und so intensiv vermutlich nur auf dem Fahrrad zu erleben.

Begeisterung für Deutschland

Aber allein auf dem Rad durch Afrika? Das habe ich mir nicht zugetraut. Deshalb die „Tour d’Afrique“: Die kanadische Organisa-tion sorgt für Essen, Trinkwasser, Gepäck-

Ständiger Begleiter: Das Radio ist

allgegenwärtig

Follow the logo: eine Aktion des

Reporters für Freunde der DW

transport und einen geeigneten Platz für das nächtliche Zeltlager. Und bietet die Möglichkeit, bei Bedarf vom Fahrrad auf den Jeep auszuweichen. Nach einem Sturz mit lädierter Schulter im Sudan und mit Magenproblemen im südlichen Äthiopien habe ich darauf gern zurückgegriffen.

Was mich begeistert: Ständig treffe ich Menschen, die sich für Deutschland und Europa interessieren. Und häufig die DW nutzen, um sich zu informieren. Zelaum zum Beispiel, Literaturstudent aus Bahir Dar in Nordwest-Äthiopien. Im Bekleidungsgeschäft seiner Schwester hilft er aus, um sich sein Studium zu fi-nanzieren. Dabei schaltet er täglich das Amharisch-Programm der DW ein. „So höre ich unabhängige Stimmen zur poli-tischen Lage in Äthiopien“, sagt Zelaum.

Korrigiertes Bild

Dank Solar-Ladegerät, kompakter Kamera und Laptop kann ich kurze Interviews wie das mit Zelaum unterwegs produzieren. Es ist nicht immer einfach, eine schnelle In-ternetverbindung zu finden, um die Clips hochzuladen. Aber auch was Technik und Mediennutzung angeht, musste ich mein Bild vom ländlichen Afrika korrigieren. In mancher Lehmhütte steht ein Fernseher und auch die Bewohner entlegener Dörfer nutzen ausgiebig das ziemlich flächende-ckende Handynetz. Wie Layla, die ich kurz vor der äthiopischen Grenze in Abeda im Sudan getroffen habe. Sie hat mich mit neuesten Ergebnissen der Fußball-Afrika-meisterschaft versorgt und mich eingela-den, das Finale zwischen Sambia und Elfen-beinküste in ihrem Dorf zu schauen.

Auf einer Anhöhe sehe ich endlich Dä-cher silbern in der Sonne glänzen. Noch fünf Kilometer bis Marsabit! In der erstbes-ten Kneipe tausche ich den Fahrradsattel gegen einen weichen Polsterstuhl und gönne mir ein Bier. Jack und Omar sitzen ebenfalls beim Feierabendbier. „Deutsche Welle? German Radio?“ Ja, und TV und In-ternet. Was die Deutschen denn so über Kenia denken, wollen der Arzt und der Bankangestellte wissen. Wir kommen ins Gespräch und ich vergesse langsam die steinige Straße nach Marsabit.

blogs.dw.de/cairocapetown

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32 Weltzeit 2 | 2012

unterWegs sein

Page 33: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

Südafrikas umstrittenes neues Informationsgesetz, das „Gesetz zum Schutz von Staatsinformationen“, wie es offiziell heißt, wurde trotz heftiger Kritik im November 2011 vom regie-renden ANC durch die Nationalversammlung gedrückt. Es stellt die Veröffentlichung „klassifizierter“ Informationen unter drako-nische Strafe. Journalisten droht eine Haftstrafe von bis zu 25 Jah-ren, wenn sie Informationen publizieren, die aus als „geheim“ ein-gestuften amtlichen Dokumenten stammen. Diese Bestimmung, beklagen Journalisten und Aktivisten gleichermaßen, erschwere in Zukunft Recherchen über Korruptionsfälle und Finanzskandale im staatlichen Bereich, die in den vergangenen Jahren in Südafrika sprunghaft angestiegen sind.

Den „Anfang vom Ende der Pressefreiheit“ sehen Gewerkschaf-ten und Chefredakteure, Bischöfe und Künstlerverbände, auch Gemäßigte innerhalb des ANC in seltener Einigkeit. Zwar wur-den in der Endfassung mehr als 100 Änderungswünsche an dem

ursprünglichen Entwurf berücksichtigt. Dennoch bleibt der Ver-dacht, die von Korruptionsskandalen erschütterte ANC-Regierung wolle sich mit der Novellierung unliebsame Kritiker, vor allem Journalisten, vom Hals halten.

Anders als in vielen anderen afrikanischen Ländern verfügt Südafrika über eine fundierte Journalistenausbildung und eine Geschichte investigativer Recherche. Gestützt auf eine der libe-ralsten Verfassungen der Welt, hat das Land zudem eine äußerst kritische Zivilgesellschaft – sehr zum Leidwesen der Regierenden. Dabei haben wenige Medienschaffende Zweifel daran, dass das alte Staatssicherheitsgesetz aus dem Jahr 1982 – also aus Apart-heidzeiten – dringend einer Novellierung bedurfte. „Natürlich ha-ben unsere Medien Qualitätsprobleme“, sagt Anton Harber, einer der profiliertesten Journalisten Südafrikas. „Aber das rechtfertigt noch nicht ein Gesetz, das den Großteil der Regierungsaktivitäten mit einem Schleier der Geheimniskrämerei bedeckt.“ Die poli-tische Opposition ist entsetzt: Gerade ehemalige Freiheitskämpfer des ANC wissen doch, was es heißt, wenn Staatsgeheimnisse per Gesetz über das öffentliche Interesse gestellt werden.

Mit seiner Gesetzgebung tritt Südafrika einem eher zweifel-haften Club bei. Nur sieben weitere Länder in Afrika sehen ein sol-ches Statut vor. Darunter die autoritär geführten Staaten Angola, Äthiopien, Simbabwe und mit Abstrichen Uganda – Länder, die nicht eben für ihre Transparenz bekannt sind.

Südafrikas Geheimniskrämer

Impressum

Deutsche WelleUnternehmenskommunikation 53110 Bonn T 0228.429-2041 F 0228.429-2047 [email protected]/presse

blogs.dw.de/weltzeit flickr.com/photos/deutschewelle issuu.com/deutsche-welle facebook.com/dw.unternehmen

VerAntWOrtlich Dr. Johannes Hoffmann

reDAktiOn Berthold Stevens

gestAltung

Alexandra SchottkaLisa FlanakinMichael ErbachNilab AmirMatthias Müller (Fotograf)

Druck Brandt GmbH, Bonn

AnZeigen T 0228.429-2043 F 0228.429-2047 [email protected]

Werbung im PrOgrAmm

T 0228.429-3507 F 0228.429-2766 [email protected]

»Das Land hat eine äußerst kritische

Zivilgesellschaft.«

text ludger schadomsky stV. leiter Der AfrikA-reDAktiOnen

33Deutsche Welle

POsitiOn beZiehen

Page 34: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

finale 2014 im blick: renate krieger am

Rhein unweit des DW-Funkhauses Bonn

34 Weltzeit 2 | 2012

menschen begegnen

Page 35: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

Mit der Fußball-WM 2006 fing alles an. Für brasilianische und französische Medien berichtet Renate Krieger aus deutschen Stadien. Nach dem Sommermärchen wird ihr Fußballfieber zur Leidenschaft für Afrika – und die Deutsch-Brasilianerin zu einer Radio-Stimme des portugiesischsprachigen DW-Programms.

E igentlich sei sie ja gar kein Fuß-ball-Fan, sagt Renate Krieger. „Aber wenn Brasilien spielt, dann

bin ich jedes Mal mit ganzem Herzen da-bei.“ Sie reißt das große Fenster im dritten Stock des Bonner Funkhauses auf. Die Son-ne bahnt sich ihren Weg in das Büro. Alle paar Minuten klopft es an der Tür, wollen Kollegen eine Info von der 31-Jährigen. „Es geht hier mal wieder etwas hektisch zu“, sagt sie und hebt die Schultern, so als müs-se sie sich dafür entschuldigen. „A vida é dura para quem é mole“ steht auf einem Zettel an der Magnetwand hinter ihr. „Das heißt so viel wie: Das Leben ist hart für je-manden, der weich ist.“ Sie lacht.

Seit fünf Jahren arbeitet die Deutsch-Brasilianerin für die DW in Bonn, schreibt Beiträge, plant und moderiert Hörfunk-Sendungen – nicht für das brasilianische Publikum, sondern für das portugiesisch-sprachige Afrika. „Ich mache von allem etwas“, sagt sie und überfliegt ein Manu-skript über Literatur in Mosambik. Afrika sei für sie zur Leidenschaft geworden. „Was einige afrikanische Staaten gerade erleben, hat Brasilien hinter sich: Diktatur, Proteste, den steinigen Weg zur Demokratie. Ich ent-decke immer wieder Gemeinsamkeiten.“

Auswärtsspiele

Geboren und aufgewachsen ist Renate Krieger als Enkelin deutscher Einwanderer in São Paulo, der Elf-Millionen-Metropole im Südosten Brasiliens, etwa eine Auto-

stunde von der Atlantikküste entfernt. „Zu Hause wurde nur Deutsch gesprochen, meine Großmutter hat drauf bestanden“, sagt sie. Portugiesisch lernt sie erst wäh-rend der Schulzeit. „In Brasilien war und bin ich für alle immer die Deutsche, in Europa bin ich die Brasilianerin.“

Während ihres Journalistik-Studiums in São Paulo jobbt Renate Krieger beim Che-miekonzern Bayer und bei der Deutschen Bank. Doch Brasilien kämpft noch immer mit den Auswirkungen der Rezession von

2001. „Mein Chef sagte mir damals: Falls du die Chance hast, etwas anderes zu machen, dann solltest du sie nutzen und gehen”, er-innert sie sich. Sie verwirklicht sich einen Traum und zieht nach Paris, schreibt sich für einen Master in Kommunikationswis-senschaften an der Sorbonne ein. Neben-bei arbeitet Renate Krieger als Freie Journa-listin für Radio France Internationale (RFI).

Nach Deutschland kommt sie 2006, mit einer WM-Akkreditierung. Für brasili-anische Radiosender berichtet sie aus den Stadien, lässt sich anstecken vom Fußball-fieber einer Nation. „Die Deutschen können feiern, das hat mich begeistert“, erinnert

sie sich. Und sie lernt viel über ihren Beruf. „Wenn du über Sport berichtest, kannst du nicht lange um den heißen Brei herum re-den, sondern musst den Leuten einfach er-zählen, was du siehst und erlebst“, sagt sie. Dann hört sie vom Volontariat der Deut-schen Welle, bewirbt sich und erhält einen der wenigen, sehr begehrten Plätze.

Nähe und Heimweh

Die Liebe zum Radio ist geblieben. „Es ist das schnellste Medium. Egal, wo du bist, du brauchst nur ein Telefon und kannst den Menschen live berichten, was du gerade er-lebst. Das ist einfach toll.“ Für die DW reist sie in den Senegal und nach Ghana und na-türlich ins portugiesischsprachige Afrika: Sie berichtet vom Alltag in São Tome und Príncipe, über Wassermangel in Kap Verde und Erdölreichtum in Äquatorialguinea. „Und wenn ich moderiere, dann bin ich ganz nah dran an unseren Zuhörern, auch wenn die Tausende Kilometer weit weg sind“, sagt sie. Fast täglich bekomme die Redaktion Feedback: Fotos, Mails und handgeschriebene Briefe. Sogar eine Lied habe ihr ein Hörer einmal gewidmet. „Dann habe ich das Gefühl, dass ich ange-kommen bin.“ Auch wenn das Heimweh nach Brasilien immer da ist. „Ich vermisse die Leichtigkeit, mit der die Menschen mit dem Leben umgehen, aber vielleicht liegt das auch an der Sonne.“ Deshalb hofft sie auf einen warmen brasilianischen WM-Winter 2014: „Finale!“, ruft sie und lacht.

»Du brauchst nur ein Telefon

und kannst live berichten.«

3:0 für Afrika

text Julia hahn, freie mitArbeiterin

35Deutsche Welle

Page 36: Weltzeit 2 | 2012: Hallo Nachbar, hallo Afrika!

MitveranstalterschirMherrschaft unterstützt durch