west-ost-journal 1/2015

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WOJ 22. JG. - 1/2015 JANUAR/FEBRUAR/MÄRZ ISSN 0947-5273 Ist Gerhart Hauptmann heute noch aktuell? Neuinszenierung der »Ratten« am Düsseldorfer Schauspielhaus WEST-OST-JOURNAL 1 2015 JANUAR FEBRUAR MÄRZ © Sebastian Hoppe WWW.GERHART-HAUPTMANN-HAUS.DE

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Programmzeitschrift der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus

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Ist Gerhart Hauptmann heute noch aktuell? Neuinszenierung der »Ratten« am Düsseldorfer Schauspielhaus

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Liebe Leserinnenund Leser, liebe Freundedes Gerhart-Hauptmann-Hauses,

2 Editorial

Inhalt3 Interview mit Reinhard Grätz»Zukunft braucht Erinnerung«

5 Wir stellen vor: Dr. Sabine Grabowski

6 Vortrag: Die Habsburger Monarchie und der Erste Weltkrieg

9 Ausstellung: »Russen Juden Deutsche. Fotografien von Michael Kerstgens seit 1992«

9 Filmvorführung und Vortrag: »Jacobowsky und der Oberst« Zum 70. Todestag von Franz Werfel

11 Ausstellung:»Erinnertes Leben – Gelebte Erinnerung. Arno Surminski«

12 Ein Film nach Arnold Zweigs (1887-1968) Roman »Der Streit um den Sergeanten Grischa«

14 Kooperationsprojekt: Kinder- und Jugendorchester »Auf den Spuren Tschaikowskys«

14 Vortrag und Theaterbesuch: »Die Ratten« von Gerhart Hauptmann

15 Filmvorführung: »Doktor Schiwago«

16 Buchpräsentation:»Das preußische Arkadien. Schlesien und die Deutschen«

17 Buchpräsentation:»Grau« und »Schwarzes Eis« von Sergej Lochthofen

18 Studienreise nach Polen

19 Lesung: Franz Heinz liest aus seinem neuen Werk »Kriegerdenkmal«

21 Tschechische jüdische Komponisten im Zweiten Weltkrieg

21 Wiedereröffnung:Westpreußisches Landesmuseum

22 Gespräch mit dem Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Roland Jahn

23 Tagesexkursionen

24 Vortrag: Polnische Remigranten aus NRW in Polen in den Jahren 1948 bis 1950

24 Konzert:Ein musikalisches Porträt des Komponisten Erich Wolfgang Korngold

25 Bibliothek

26 Chronologie

27 Impressum

nicht ohne Beklemmung richtet sich unser Blick zu Beginn des Jahres 2015 siebzig Jahre zurück auf das Jahr 1945. Sieben Dekaden sind vergangen, seitdem der Untergang des histori-schen deutschen Ostens im vom NS-Deutschland begonnenen Krieg in seine letzte, grausigste Phase trat. Am 30. Januar ruhen die Tausende von Frauen, Kindern und Soldaten, die im eisigen Januar 1945 mit der versenk-ten »Gustloff« untergingen, sieben Jahrzehnte auf dem Grund der Ostsee. Nicht einmal einen ganzen Tag länger durften die Tausende Frauen leben, die als KZ-Häftlinge dem Massaker im ostpreußischen Palmnicken zum Opfer fielen. Auch ihr Grab wurde die Ostsee. An sie sei stellvertretend erinnert für all die anderen ungezählten Opfer von Krieg, Flucht, Vertreibung und ideolo-gisch bedingtem Massenmord. Arno Surminski, der große Erzähler, hat in seinem bewegenden Buch »Winter Neunzehnhundertfünfundvierzig oder Die Frauen von Palmnicken« (2010 erschienen) sicherlich sehr bewußt die Geschichte des Mordes an den wehrlo-sen, schon zuvor in der Haft entrechte-ten und gequälten Frauen mit der Ge-schichte des Untergangs Ostpreußens, seiner Heimat, verwoben. Beides ge-hört zusammen.Daran werden wir in diesem, jetzt neu beginnenden Jahr erinnern. Und wir können und dürfen dies gleich zu Be-ginn unseres neuen Jahresprogramms gemeinsam mit Arno Surminski tun, der am 19. Januar als wichtigster Gast an der Eröffnung einer Ausstellung über sein Leben und sein Werk zugegen sein wird. Das sollte sich niemand entgehen lassen.Das weitere Jahr 2015 wird, die Prog-nose wage ich schon jetzt, eigentlich zu kurz sein, um allen anstehenden wich-tigen Gedenkdaten gerecht zu werden. 200 Jahre wird etwa der Wiener Kon-gress zurückliegen, dessen Beschlüsse die Geschicke Europas wenigstens ein Jahrhundert lang mitbestimmt haben. Kurz vor dem Ende des Kongresses

kam im brandenburgischen Schönhau-sen ein Kind zur Welt, das als erwach-sener Mann wahrhaft Geschichte ma-chen sollte: Otto von Bismarck. Auch an ihn wird zu erinnern sein, natürlich. 2015 wird aber auch den 25. Jahrestag der deutschen Einheit mit sich bringen, an den ebenfalls zu erinnern sein wird. Mehr mag ich an dieser Stelle gar nicht aufzählen. Das Jahr wird jedenfalls eine ganze Reihe von Gelegenheiten bieten, gemeinsam zurückzublicken – kritisch, verantwortungsbewusst, zuweilen aber auch freudig.Aber der Blick zurück allein genügt na-türlich nicht. Er soll ja nicht zuletzt dazu dienen, der Gegenwart mit klarerem, aufmerksameren Blick entgegen zu tre-ten. Wir wollen insbesondere Ostmit-tel- und Osteuropa im Auge behalten, ja wir müssen das tun, darüber hat uns das Jahr 2014 allemal eindringlich belehrt. Es ist Europas Osten – damit auch un-ser Osten.Halten Sie, verehrte Freundinnen und Freunde, die Augen mit uns gemeinsam offen im Jahr 2015 – und dies nicht nur im Monat Januar, der seinen Namen von jener römischen Gottheit hat, die nach vorn und nach hinten zugleich blickte. Wir laden Sie für alle zwölf Mo-nate ein.Auf Ihr Interesse freue ich mich und bin mit Ihnen gespannt auf all das, was uns 2015 erwartet.

Herzlich

Ihr

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WOJ: Entsprechend § 96 des Bundes-vertriebenengesetzes von 1953 widmet das Gerhart-Hauptmann-Haus (bis zur Umbenennung 1992 Haus des Deut-schen Ostens) seine Tätigkeit vorrangig den deutschen Heimatvertriebenen und Spätaussiedlern. Als Begegnungsstätte und Erinnerungsort hat es Jahrzehnte hin-durch maßgeblich zur Pflege des ost- und südostdeutschen Kulturerbes beigetragen und zugleich die Integration der Heimatvertriebenen in Nordrhein-Westfalen geför-dert. Der gesetzliche Auftrag zur Pflege und Weitergabe des ostdeutschen Kulturguts war allerdings zu keinem Zeitpunkt auf die inzwischen zunehmend schwindende Erlebnisgenera-tion begrenzt, er bleibt folglich als Auftrag weiterhin bestehen. Wer gehört heute vorrangig zur Zielgruppe und wie wird diese erreicht?

Grätz: Mit der Generation der Enkel und Urenkel be-schäftigt sich das Gerhart-Hauptmann-Haus (Anm. d. Red.: im Folgenden GHH) ja schon in den Schulprojekten und in der Hochschulzusam-menarbeit. Diese Generation stammt oft nicht von Ver-triebenen ab. Ein Ausbau der Arbeit mit dieser Zielgrup-pe ist nur durch Lehrer und verstärktes Hochschulenga-gement möglich. Mühsame Wege dazu gäbe es.Die Hauptzielgruppen für die GHH-Angebote sind jedoch die-jenigen, die oft von Vertriebenen ab-stammen, aber in der Bundesrepublik geboren sind und diese oder genauer Nordrhein-Westfalen als ihre Heimat ansehen. Wie alle Einrichtungen, die sich der Kultur-, Bildungs- und Erin-nerungsarbeit widmen, hat das GHH kein Patentrezept. Die Suche nach Einzelschritten und Bausteinen ist im Gange. Am leichtesten scheint es mir

bei Kulturangeboten (Literatur, Musik, Reisen), wo sich immer wieder Ver-knüpfungen zu den Herkunftsgebieten und zu osteuropäischer Geschichte und Entwicklung herstellen lassen. Wirklich verstehen können wir die Ent-wicklung Deutschlands und Europas ja nur durch geschichtliche Reflexionen. Da reichen keine vordergründigen Völ-kerverständigungsfloskeln. Johannes

Rau sagte in Bezug auf die Kinder in sei-nem letzten Lebensjahr: »Sagt ihnen, dass ohne Kenntnis unserer Geschichte und unserer Tradition eine mensch-liche Zukunft nicht gebaut werden kann.« Neuartige Vermittlungs-, ins-besondere Veranstaltungsformen ange-sichts der allgemeinen Informationsflut zu finden, ist allerdings nicht Sache der Gremien, sondern der hauptberufli-chen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

WOJ: Die nachwachsende Generati-on weiß zumeist eher nur wenig über die ehemaligen deutschen Siedlungsgebiete in Mittelost-, Ost- und Südosteuropa. Viele, wenn nicht sogar die meisten, haben diese nur flüchtig oder auch noch gar nicht be-sucht. Sie sind, auch durch das Einheiraten von Vertriebenen in einheimische Famili-en, völlig integriert und fühlen sich heute in aller Regel regional anders zugehörig.

Die ostdeutschen Mundarten sind ih-nen fremd, und ihre landeskundlichen Kenntnisse beschränken sich allenfalls auf das familiäre Umfeld im Her-kunftsgebiet. Wie kann ihnen mehr vermittelt werden?

Grätz: Wir müssen betroffen, aber auch nüchtern konstatieren: Die großen Leistungen und Persön-lichkeiten der östlichen deutschen Siedlungsgebiete werden zwar ge-bührend im Bewusstsein Deutsch-lands erhalten bleiben. Doch das Gedächtnis an die östlichen Regi-onen und Subregionen, aus denen ja die meisten Menschen ihre Hei-matgefühle herleiten, wird in den nächsten Jahren weitgehend verlo-ren gehen. Punkt! Trotzdem sollten viele Nachgeborene eifrig reisen und erkunden. Das nach 1945 nach Deutschland mitgebrachte und das in den Herkunftsregionen ver-bliebene Kulturgut muss gesichert werden. Dies ist jedoch auch eine nationale und zugleich internatio-nale Aufgabe. Etwa das Schlesische Museum in Görlitz macht dazu wegweisende Angebote. Regionale Aspekte werden mit der Gesamtge-

schichte Schlesiens, seiner nachhaltigen Besiedlung und seiner hervorragenden Stellung unter den früheren deutschen Territorien verbunden. Die slawische Periode insbesondere in Oberschlesien wird dabei ausgewogen gewürdigt. An-haltspunkte für Revanchismus gibt es nicht. Das GHH wäre mit solchen Auf-gaben bei seiner jetzigen Ausstattung

Fortsetzung auf Seite 4

Gespräch mit Reinhard Grätz, dem Vorsitzenden des Kuratoriums der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus Düsseldorf

Zukunft braucht ErinnerungIn seiner Sitzung vom 30. Juni 2014 hat das Kuratorium der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus Düsseldorf ein 10-Punkte-Papier über die zukünftige Tätigkeit des Hauses einstimmig verabschiedet. Unter dem Titel »Erinnern – Lernen – Gestalten« wird dabei, unter Berücksichtigung aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen, die Zielrichtung der Stiftung umrissen. Diese hat seit ihrer Gründung 1957 eine vielseitige Tätigkeit zur kulturellen Integration der Heimatvertriebenen und zur lebendigen Vermittlung von Kultur und Geschichte des historischen deutschen Ostens entfaltet. Im nachfolgenden Gespräch erläutert Reinhard Grätz, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung, einige Grundgedanken des inzwischen veröffentlichten 10-Punkte-Programms.

Erinnern – Lernen – GestaltenDas 10-Punkte-Papier

Zur Zukunft der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus

Ergebnisse der Arbeitsgruppe Zukunft 2013/14

Stand: Juli 2014

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aber völlig überfordert.

WOJ: Das Zehn-Punkte-Papier des GHH vermerkt Veränderungen im Kommunika-tionsverhalten der heutigen Gesellschaft. Trachten, historische Ansichten ostdeut-scher Städte und Landschaften, Volks-kunst oder auch das Chorsingen haben als emotionale Erinnerungsträger an Be-deutung verloren. Aktualisierte Veranstal-tungsformen sollen nun vor allem jüngere Besucher ansprechen und zur Teilnahme am Bildungsangebot des Hauses veran-lassen. Welche modernen Veranstaltungs-formen haben sich in der Vermittlung der Zielsetzungen besonders bewährt?

Grätz: Tradierte Kulturangebote ha-ben generell an Boden verloren. Dies gilt besonders für solche, denen wie bei den östlichen Gebieten der gegenwär-tige regionale Bezug fehlt. Schade, z. B. beim gemeinsamen Singen, das nicht nur schön, sondern auch charakterbil-dend ist.Bei Jüngeren gelten die tradierten Formen schnell als altbacken. Hin-zu kommt, dass man gegen die starke Konkurrenz moderner Medien anar-beiten muss. Konsequenz: Die Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter müssen Vermittlungsformen entwickeln, die als zeitgemäß empfunden werden, die aber auf jeden Fall interaktiv sein sollten, was einem Haus wie der Stiftung GHH lan-ge Zeit eher fremd war.

WOJ: Das kulturelle Erbe in den alten östlichen und südöstlichen deutschen Siedlungsgebieten äußert sich auch in zahlreichen Gebäuden, Denkmälern und Einrichtungen, die heute in den benach-barten Ländern liegen und zum Teil zum Weltkulturerbe gehören. Im gleichen Kul-turraum sind durch die Grenzverschiebun-gen nach dem Zweiten Weltkrieg Kulturen anderer Völker heimisch geworden. Im Konzept für die zukünftige Ausrichtung der Tätigkeit Ihrer Stiftung werden hier - sowohl im europäischen wie im bilateralen Kontext - Ansatzpunkte für den Aufbau kultureller Wechselbeziehungen gesehen, die rückwärts über das Jahr 1914 hinaus und nach vorn bis in die jüngste Gegen-wart thematisch offen sind. Setzt das ein gesteigertes Interesse der jüngeren Genera-tion bei uns und unseren östlichen Nach-barn voraus?

Grätz: Hier läge eine hervorragende Aufgabe für Hochschulen, sowohl in den historischen Ostgebieten als auch in Deutschland. In den östlichen Staa-ten ist das Interesse an der Geschichte der neuen Heimatgebiete in der jün-geren akademischen Generation stark gestiegen. Sie will immer mehr wissen,

was vor dem scheinbaren »Jahr Null« 1945 war. Unsere Hochschulen be-schäftigen sich bisher jedoch leider zu wenig mit den Herkunftsregionen. Hier muss das halbe Dutzend Institutionen in Deutschland, das sich wie das GHH mit einschlägigen Fragen beschäftigt, anregend tätig sein. Mehr ist ohne zu-sätzliches Personal jedoch nicht zu leisten. Allerdings sähe ich hier große Aufgaben der Stiftung Preußischer Kul-turbesitz und möglicherweise weiterer Kulturinstitutionen. Auch die Außen- und nationale Kulturpolitik sind ge-fragt. So hat in Osteuropa Deutsch als Fremdsprache noch die besten Chan-cen.

Ansonsten leben ja diese Gebiete noch stark aus den von den Deutschen ge-schaffenen Landschaften und Bau-ten. Es ist ein hohes Verdienst der neu angesiedelten Bewohner, zahlreiche historische Innenstädte und andere Kulturdenkmäler gesichert zu haben. Gleichzeitig lässt man mancherorts noch immer Kulturlandschaften und viele entvölkerte Dörfer verfallen. An-sonsten hat sich, sieht man von dem weltweiten Phänomen der Betonsilos ab, noch keine eigenständige Baukultur der neuen Bewohner entwickelt. Dies wird auch in den nächsten Jahrzehnten absehbar so bleiben. Die neuen kultu-rellen Spuren scheinen mir noch relativ dünn zu sein.Es könnte viel geschehen durch Rei-sen und Seminare von Architekten, Denkmalpflegern, Historikern usw. und durch Abschluss- und Forschungs-arbeiten an Hochschulen. Das GHH kann dies z. Zt. personell nicht leisten, es wäre schon ein sprachkundiger »Au-ßenminister« nötig, der reist, hinweist, anregt, vermittelt.

WOJ: Schon immer hat das Gerhart-

Hauptmann-Haus die deutschen Minder-heiten im Ausland als wichtige Ansprech-partner betrachtet, die Kontakte zu ihnen gepflegt und ausgebaut und zur Erhaltung ihrer kulturellen Identität beigetragen. Re-gionale Vereinbarungen des Landes Nord-rhein-Westfalen mit der polnischen Woi-wodschaft Schlesien sowie die Patenschaft für die rumäniendeutschen Siebenbürger Sachsen ermöglichen weiterhin viele For-men der Zusammenarbeit. Welche Aufga-ben ergeben sich daraus perspektivisch für Ihre Stiftung?

Grätz: Von der Zahl her ist wohl nur die deutsche Minderheit in Oberschle-sien längerfristig relevant. Vielfach wird also die Brückenfunktion nicht mehr durch konkrete Menschen, sondern durch Geschichte erfüllt. Die deut-schen kulturellen »Netzwerke« fehlen heute weitgehend in Ostmitteleuropa. Dies wurde von den jetzigen Bewoh-nern sicher früher als »Entlastung« empfunden. Ich bin aber sicher, dass man es künftig mehr und mehr als Ver-lust empfinden wird. In Oberschlesien ist im Sinne der Aufgabenteilung natür-lich zuerst das Oberschlesische Landes-museum gefragt.

WOJ: In Nordrhein-Westfalen leben heute annähernd 700.000 Aussiedler russland-deutscher Herkunft. Nun soll, von der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus un-terstützt, ihre Geschichte exemplarisch in den Schulen vermittelt werden?

Grätz: Den Russlanddeutschen feh-len ja im Unterschied zu allen anderen Gruppen meist die konkreten land-schaftlichen und baulichen Ankerpunk-te. Ihre fassbare Heimat hat sich oft in den Weiten der ehemaligen Sowjet-union verflüchtigt. Seit fast 100 Jahren wurden sie Opfer staatlicher Repres-sion. Sie konnten in dieser Zeit wenig Bleibendes hinterlassen. Ihr bauliches Erbe an der Wolga und in der Ukraine ist überwiegend vernichtet. Ich hielte Schulprojekte in Verbindung mit dem russlanddeutschen Museum in Det-mold für interessant, gerade weil in Ostwestfalen-Lippe ein Teil der Russ-landdeutschen mit ausgeprägter eige-ner Identität, nicht zuletzt auf religiö-sem Gebiet, lebt.

WOJ: Politisch Verfolgte, Armutsflücht-linge und andere Zuwanderer suchen und finden Aufnahme in Deutschland. Allein in Nordrhein-Westfalen leben über vier Millionen Menschen mit Migrations-hintergrund, und ihre Zahl wird voraus-sichtlich zunehmen. Das wird, heißt es im 10-Punkte-Papier Ihrer Stiftung , »ver-stärkt Gegenstand einer generationsüber-

Reinhard Grätz,Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus.

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greifenden historisch-politischen Bildung sein«, wobei die bei der Integration deut-scher Heimatvertriebener und Spätaus-siedler gewonnenen Erfahrungen hilfreich sein können. Die Heimatvertriebenen aber wollten eine Heimat haben, kein Asyl, und Bedenken gegen die massive Aufnahme von Menschen aus anderen Kulturkreisen kamen zumeist gar nicht auf.

Grätz: In Veranstaltungen des GHH sollen die Erfahrungen der Nachkriegs-zeit und die neuen Herausforderungen der Zuwanderungen beleuchtet und diskutiert werden. Im Nachhinein er-scheint vielen Heutigen ja die Integra-tion der Vertriebenen vermeintlich wie ein Kinderspiel. Dabei werden oft zwei Erschwernisse vergessen: Die damalige allgemeine Armut und das Gefühl vie-ler Westdeutscher, dass sie den Krieg ja nicht verloren hätten. Für Letzteres seien die Leute aus der »Kalten Hei-mat« zuständig. Und viele Vertriebene kamen sich doch wie Asylsuchende vor. Insoweit hatte das kleiner gewordene Deutschland in den vier Besatzungszo-nen schon eine große Integrationsleis-tung hinter sich, als die Bundesrepublik 1949 gegründet wurde. Die Gesell-schaft hatte sich – nicht zuletzt im Zei-chen des »Wirtschaftswunders« im Westen – auch geöffnet, so dass ab den 1960er Jahren die Wirtschaftszuwande-rer aus Europa in der Regel problemlos integriert wurden.Das GHH sollte mit seinen Erfahrun-gen durch Kontakte und Veranstaltun-gen ausloten, inwieweit sich bei der heutigen Generation der Migranten und Asylsuchenden Parallelen und Un-terschiede zur Vergangenheit ausma-chen lassen.

Einschränkend gilt: Das kleine GHH kann sich nicht um die große Zahl der Armuts- und Wirtschaftswanderer kümmern. Es sollte den Kontakt mit Asylbewerbern suchen, die oft um Leib und Leben fürchten mussten. Ihnen müssen wir vermitteln, was manche Vertriebene anfangs vermisst haben: Anteilnahme.

WOJ: In den Zielsetzungen der Stiftung wird wiederholt darauf hingewiesen, dass Flucht und Vertreibung als Folge des Zweiten Weltkriegs integraler Bestandteil einer gemeinsamen Erinnerungskultur in Deutschland sind, die mitzugestalten zur Kernaufgabe des Gerhart-Hauptmann-Hauses gehört. Die Stiftung fördert ein europäisches Geschichtsverständnis und trägt dazu bei, aktuelle Migrationsbe-wegungen mit ihren Auswirkungen auf Deutschland besser verstehen und einord-nen zu können. Vor welchen Herausforde-rungen sieht sich hier die Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus und was kann sie in diesem Zusammenhang leisten?

Grätz: Natürlich stehen die Verbrechen der Diktaturen, insbesondere der NS-Diktatur, im Zentrum der Erinnerungs-kultur der Deutschen in Bezug auf das 20. Jahrhundert. Das mindert jedoch nicht das schwere Unrecht der Vertrei-bung. Denn massenhafte Vertreibung ist nicht die sich zwingend ergebende Bestrafung eines Volkes, in dessen Na-men großes Unrecht begangen wurde.Wie weit wir noch von einer gemeinsa-men europäischen Erinnerungskultur entfernt sind, zeigt z. B. die noch immer mangelnde Umsetzung der deutsch-polnischen Schulbuchempfehlungen in Polen.

Wir sollten in unserer Erinnerungskul-tur auch nicht »nach Europa flüchten«. Aber die über Deutschland und Europa hinausgreifende Dimension und Pers-pektive relativiert eigene Verluste und Erfahrungen ein wenig. Das ergibt sich auch aus der Beobachtung der weltwei-ten Flüchtlingsströme. Es gilt immer, ei-gene Erfahrungen und Befindlichkeiten angemessen einzubinden in rasant fort-schreitende weltweite Entwicklungen.Die Zusammenarbeit und Aufgaben-teilung des halben Dutzends ostorien-tierter Institute in Deutschland sollte aus programmatischen und finanziellen Gründen noch enger werden, obwohl der finanzielle Aufwand für sie ja im Verhältnis zu anderen aus öffentlichen Mitteln bestrittenen Unternehmungen geradezu marginal ist. Die Vertriebe-nen, Flüchtlinge und Spätaussiedler und ihre unmittelbaren Nachkommen liegen ja seit vielen Jahren niemandem auf der Tasche. Im Gegenteil, sie er-wirtschaften allein in NRW jährlich mindestens 100 Milliarden Euro vom Bruttosozialprodukt. Dagegen war der »Lastenausgleich« seit den 1950er Jah-ren fast eine Kleinigkeit.

Die Fragen stellte Franz Heinz

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Das 10-Punkte-Papier »Erinnern – Lernen – Gestalten« finden Sie auf unserer Internetseite www.g-h-h.de unter dem Punkt »Stiftung«. Sollten Sie Interesse an einem gedruckten Ex-emplar des Zukunftspapiers haben, dann senden wir Ihnen dieses gerne per Post zu. Bitte kontaktieren Sie uns dies-bezüglich unter Tel. 0211/16991-34 oder schreiben Sie uns eine Email an [email protected].

Wir stellen vorJugendarbeit der Stiftung personell verstärkt

Seit dem 1. September verstärkt Frau Dr. Sabine Grabowski das Team der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus. Gemeinsam mit Frau Dr. Katja Schlenker ist sie für die Jugend- und Bil-dungsprojekte unserer Stiftung verantwortlich und wird hier insbesondere den Exkursions- und Schulbereich betreuen. Frau Dr. Grabowski ist in Düsseldorf geboren und hat an der Heinrich-Heine-Universität Osteuropäische Geschichte, Neuere Geschichte und Politikwissenschaft studiert. In ihrer Pro-motionsarbeit aus dem Jahr 1997 beschäftigte sie sich mit dem deutschen und polnischen Nationalismus in der Zeit von 1894 bis 1914. Ihre weiteren Forschungsgebiete neben den deutsch-polnischen Beziehungen sind die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Polen, die Geschichte der Kaschubei sowie die deutschen Beziehungen zur Sowjetunion.

Sie ist außerdem assoziiertes Mitglied der Forschungs- und Dokumentationsstelle des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Geschichte der Diktaturen in Deutschland an der Universität Rostock. Nach ihrer Promotion arbeitete Frau Dr. Grabowski am Institut für Politische Wissenschaft an der RWTH Aachen und in der Redaktion der renommierten historisch-politischen Fachzeitschrift »Osteuropa«. Ihr wissenschaftliches und privates Interesse zu Osteuropa erklärt sie folgendermaßen: »Meine Familie väterlicherseits stammt aus Ostpreußen, mütterlicherseits aus dem Rheinland. Die vielfältige Geschichte des deutschen Ostens war bei uns immer ein aktuelles Thema. Ich wollte die Zusammenhänge verstehen und die Perspektiven der osteuropäischen Nachbarn kennenlernen, um mir selbst ein Urteil bilden zu können. Meine Wurzeln liegen in Ost und West, ich selber verstehe mich als masurische Nie-derrheinerin.« Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit Frau Dr. Grabowski.

Dr. Sabine Grabowski

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6 vortrag

Vortrag von Prof. Dr. Matthias Stickler

Weggewaschen ohne Spur? Die Habsburger Monarchie und der Erste Weltkrieg

Maßstäben kaum zu fassende Größe und Vielfalt des Landes und gewiss nicht zuletzt die enthusiastische Auf-nahme des international berühmten, jedoch aus seiner deutschsprachigen Heimat vertriebenen, im nationalsozi-alistischen Deutschland ob seiner jüdi-schen Herkunft verfemten Autors durch die brasilianische Bildungsschicht be-geisterten Zweig. Allzu schroff war für ihn offenbar der Kontrast zu Europa: Zwar lebte er in Großbritannien eini-germaßen sicher, aber die öffentliche Meinung dort war einer harten Haltung gegen NS-Deutschland mehrheitlich abgeneigt, obwohl die Regierung Hit-ler den Versailler Vertrag von 1919, zu dessen Garantiemächten Großbritan-nien zählte, mittlerweile schon ganz unverhohlen unterlief. Zwar amtier-

te in der Londoner Downing Street noch der außenpolitisch verhältnismäßig ent-schiedene Konserva-tive Stanley Baldwin als Premierminister, ihm sollte aber schon bald (Mai 1937) der » A p p e a s e m e n t « -Politiker schlechthin folgen, nämlich Ne-ville Chamberlain. Das Drama um Kö-nig Edward VIII., der erst im Januar 1936 den Thron bestiegen hatte, zugleich jedoch offen in einer Bezie-hung zu der geschie-denen Amerikanerin Wallis Simpson lebte,

und dessen Absicht diese zu heiraten in scharfem Widerspruch zu landläu-figen Moralvorstellungen und den Traditionen des Königshauses stand, beschäftigte viele Briten weit mehr. Erst die Abdankung Edwards zuguns-ten seines jüngeren Bruders Albert (als König dann George VI.) im Dezember 1936 schuf eine relative Entspannung in der Situation der britischen Monar-chie. Und wenn schon für Deutschland, dann interessierten sich viele Briten (wie andere Europäer auch) im Som-mer 1936 für die Olympischen Spiele in Berlin (1.-16. August), bei denen Großbritannien nach Deutschland und den USA die drittgrößte Mannschaft stellte. Der Goebbelssche Propaganda-

Im August 1941 kam Stefan Zweig einmal mehr nach Brasilien. Ziemlich genau fünf Jahre zuvor hatte seine ers-te Visite in dem gewaltigen südame-rikanischen Land (dem fünftgrößten der Erde) stattgefunden. Seinerzeit war Zweig, der international bekannte, welterfahrene und polyglotte Autor der Einladung in die damalige brasiliani-sche Hauptstadt Rio de Janeiro beinahe widerwillig und jedenfalls ohne große Erwartungen gefolgt. Da er aber auch einen PEN-Kongress im argentinischen Buenos Aires besuchen wollte, ließ sich der Brasilien-Aufenthalt verhältnismä-ßig einfach in seine Reisepläne integrie-ren: Zweig, der zu diesem Zeitpunkt be-reits in Großbritannien lebte, nutzte im August 1936 einen Passagierdampfer, der von Southampton nach Lissabon und dann über den Atlantik nach Rio verkehrte. In Bra-silien wollte Zweig nur acht bis zehn Tage bleiben, um dann ins benach-barte Argentinien weiterzureisen.In einem bereits kurz nach seiner Rückkehr nach Großbritannien im Oktober 1936 ver-öffentlichten Auf-satz räumte Zweig freimütig ein, seine Vorstellung von Brasilien vor der ersten realen Be-gegnung mit dem Land sei die eines durchschnittlichen, gebildeten Euro-päers gewesen: Er erwartete »eine der südamerikanischen Republiken (die man weiter nicht genau voneinander unterscheidet), in heißem, ungesun-dem Klima, mit unruhigen politischen Verhältnissen, unordentlich verwaltet und im kulturellen Sinne arg zurückge-blieben, aber landschaftlich schön und mit vielen ungenutzten Rohstoffen, ein Land also für verzweifelte Auswanderer und Siedler.«Schon der erste brasilianische Aufent-halt hatte indes Zweigs Wahrnehmung des Landes vollkommen verändert. Die Schönheit Rios, der unbändige Farben-reichtum der wuchernden tropischen Natur, die gewaltige, mit europäischen

Apparat tat um diese Zeit alles, das wah-re Ausmaß der rassistischen und politi-schen Verfolgung und Unterdrückung in Deutschland zu verschleiern. Nicht wenige ließen sich täuschen. Frankreich und die meisten anderen europäischen Staaten waren im Zeichen der andau-ernden Weltwirtschaftskrise und in-stabiler innenpolitischer Verhältnisse weitgehend mit sich selbst beschäftigt, in Spanien hatte Mitte Juli 1936 mit dem Putsch des rechtsradikalen Ge-nerals Francisco Franco das Blutbad des Bürgerkrieges begonnen. In Italien hatte sich bereits seit 1922 Benito Mus-solini als Diktator etabliert. Österreich wurde nach gewaltsamen Auseinander-setzungen, bei denen auch Kanzler En-gelbert Dollfuß von österreichischen Nationalsozialisten ermordet worden war, seit 1934 von einem autoritären, »austrofaschistischen« Kabinett unter Kurt Schuschnigg regiert, das zwar ver-suchte, NS-Deutschland auf Distanz zu halten, zugleich aber nicht minder anti-demokratisch war.Stefan Zweig selbst hatte sich – noch in seiner österreichischen Heimat lebend – zu Beginn der NS-Diktatur einstwei-len Illusionen hingegeben: Als Goeb-bels unmittelbar nach seiner Berufung zum »Reichsminister für Propaganda und Volksaufklärung« (Mitte März 1933) begann, das deutsche Kulturle-ben einer rigiden ideologischen Steue-rung zu unterwerfen, und in einer Rede den »Juden Zweig« scharf angriff, tröstete er sich damit, dass damit ge-wiss sein Namensvetter Arnold Zweig gemeint gewesen sei, der ebenfalls jüdi-scher Herkunft und obendrein beken-nender Sozialist war. Außerdem glaubte er – wie viele andere auch – der »Na-zispuk« werde schnell vorübergehen.Im Sommer 1936, als Gast in Brasilien weilend, aus größerer Distanz denn je nach Europa zurückblickend, war Ste-fan Zweig längst von dergleichen Fehl-einschätzungen kuriert. Europa stellte sich ihm als dunkler, in Selbstzerstö-rung begriffener Kontinent dar. Umso heller erstrahlte für ihn im tropischen Sonnenlicht das Gastland, in das ihn zu-nächst wenig gezogen hatte, das Zweig nun jedoch in beinahe jeder Beziehung überraschte, ja überwältigte. Die aus der europäischen Misere resultieren-den Depressionen des zutiefst erschro-ckenen und enttäuschten Humanisten Zweig ließen ihn dabei freilich manche

Stefan Zweig

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brasilianische Schattenseite übersehen – so wuchs sein Entschluss zurückzu-kehren rasch.Nach einer weiteren Brasilienreise in der zweiten Jahreshälfte 1940 – Zweig lebte inzwischen in den USA und hatte die britische Staatsbürgerschaft erhal-ten – besaß er eine ansonsten selten erteilte unbeschränkte Aufenthaltsge-nehmigung für das Land; die Aufnah-me seiner Vorträge und Lesungen in verschiedenen brasilianischen Städten, darunter Rio de Janeiro und Sao Paolo, war nicht weniger euphorisch ausgefal-len als 1936. Schon nach wenigen Mo-naten kam Zweig zum dritten Mal nach Brasilien, eben im jenem August 1941 – dies Mal um zu bleiben.Der Mann, der da wie-derkam, hatte inzwi-schen durchaus etwas von einem »verzwei-felten Auswanderer«. Zwar befand sich Zweig in einer materi-ell privilegierten Lage – außer ihm war wohl Thomas Mann der einzige deutsche Au-tor, der schon vor 1933 ein über die deutschen (Sprach-)Grenzen hi-nausreichendes, inter-nationales Publikum erreicht hatte. Die Emigration bedeute-te daher für ihn nicht den Absturz in Armut, vielmehr konnte sich Zweig sogar weiterhin finanzielle Großzügig-keit gegenüber Freun-den erlauben, die we-niger glücklich waren. Darüber hinaus begleitete ihn seine zweite Ehefrau Charlotte, die nahezu 30 Jahre jünger war als Zweig selbst. Charlotte Zweig, geboren 1908 im oberschlesischen Kattowitz, war zuvor bis 1939 seine Sekretärin gewesen und blieb ihm eine unentbehrliche Hilfe bei seiner schriftstellerischen Arbeit. Er konnte für sich und Lotte in Petrópolis, der einstigen, europäisch zugeschnitte-nen Sommerresidenz der kurzlebigen brasilianischen Kaiserdynastie, etwa 60 Kilometer nördlich von Rio, ein Haus mieten.Die Voraussetzungen für einen gemein-samen Neuanfang in Brasilien schienen demnach vorderhand nicht schlecht zu sein. Indes: Trotz der neuerlich überaus freundlichen Aufnahme in Brasilien war Zweig tief deprimiert. Als er Ende November 1941 60 Jahre alt wurde, bedrückte ihn die Situation in Europa mehr denn je. Anfang 1938 hatte die

7 vortrag

Fortsetzung auf Seite 8

deutsche Wehrmacht Zweigs öster-reichische Heimat besetzt, immerhin nicht unbeträchtliche Teile der Bevöl-kerung jubelten ihr zu. Viele Freunde und Bekannte Zweigs, die nicht so frühzeitig emigriert waren wie er, hat-ten Hals über Kopf fliehen müssen oder waren in die Fänge der Gestapo geraten. Bald darauf folgte die Zerschlagung der Tschechoslowakei, hingenommen von den westeuropäischen Mächten. In Spa-nien siegte Franco mit deutscher Hilfe endgültig im Frühjahr 1939. Dann be-gann Hitler den Krieg zu führen, den er längst geplant hatte. Polen, große Teile Skandinaviens, selbst Frankreich, der Balkan gerieten mit bestürzender Ge-schwindigkeit unter die Herrschaft Hit-

lers und seiner Paladine. Die Fähigkeit Großbritanniens, das sich unter dem neuen Premier Winston Churchill end-lich kompromisslos für »Blut, Schweiß und Tränen« im Kampf gegen NS-Deutschland entschieden hatte, diese Auseinandersetzung militärisch durch-zustehen, schien fragwürdig. Zweig war dementsprechend von einer Vortrags-reise in den USA 1940 nicht ins mitt-lerweile bombardierte London zurück-gekehrt. Im Juni 1941, wenige Wochen bevor er wieder in Rio eintraf, hatte die unselige und von vornherein unglaub-würdige »Freundschaft« zwischen den Diktaturen Hitlers und Stalins mit dem deutschen Angriff auf die Sowje-tunion ihr natürliches Ende gefunden. Als Zweig 60 Jahre alt wurde, stand die Wehrmacht vor Moskau, wenige Tage später griffen japanische Luftstreitkräfte den amerikanischen Flottenstützpunkt Pearl Harbour auf Hawaii an und Ja-

pans Bündnispartner NS-Deutschland erklärte den USA den Krieg. Weltkrieg, schon wieder.Zu den politischen Katastrophen, die Zweig mit wachsender Bestürzung und Entsetzen mit ansehen musste, kamen die persönlichen. Stefan Zweig war ein eminent zur Freundschaft befähigter Charakter – die Fülle der Briefe, die er mit ungezählten anderen Menschen, insbesondere aus der künstlerischen Lebenswelt tauschte, zeigt dies bis heute. Der enge Freund Joseph Roth, wie Zweig selbst als habsburgischer Untertan geboren (1894 im ostgalizi-schen Brody) und zeitlebens persönlich und literarisch der untergegangenen Doppelmonarchie verbunden, Roth,

Journalist und R o m a n c i e r , den Zweig immer wie-der ermutigt und diskret finanziell un-terstützt hat-te, war Ende Mai 1939 als Emigrant in Paris an seiner Alkoholsucht zugrunde ge-gangen. Zweig hatte ihn im-mer wieder freundschaft-lich gedrängt, das Trinken w e n i g s t e n s einzuschrän-ken, Roth in-des – ähnlich v e r z w e i f e l t wie zuletzt

Zweig – konnte von diesem Selbst-mord auf Raten nicht lassen. Ernst Tol-ler, geboren in der preußischen Provinz Posen, einer der bis 1933 meistgespiel-ten zeitgenössischen Dramatiker in Deutschland, einige Monate älter als Roth, überlebte diesen nur um wieder-um ein paar Monate. Anfang Dezember 1939 nutzte Toller in einem ärmlichen New Yorker Hotelzimmer schließlich den Strick, den er als Emigrant schon seit Jahren mit sich führte. Max Her-mann-Neiße, der großartige Lyriker, der seinem Nachnamen den Namen seiner oberschlesischen Heimatstadt angehängt hatte, war im April 1941 als Emigrant in London verstorben, fünf Jahre jünger als Zweig und bis zuletzt angewiesen auf die Großzügigkeit eines Gönners, der ihn unterstützte. Die Liste ließe sich unschwer verlängern.Vor diesem Hintergrund schrieb Stefan

Karte des Habsburger Reiches

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8 vortrag

Zweig seine beiden letzten Bücher, ein merkwürdiges Zwillingspaar. Da ist sein weithin bekanntes Erinnerungsbuch »Die Welt von gestern«, ein schmerz-licher Abgesang auf das Europa vor 1914, in dem Stefan Zweig aufgewach-sen war. Als Sohn einer vermögenden Unternehmerfamilie mit Fabrikbesitz in Nordböhmen 1881 in Wien gebo-ren, hatte Zweig schon vor dem Ersten Weltkrieg fast ganz Europa, darüber hinaus Indien und die USA bereist, zugleich seine ersten Erfolge als junger Autor feiern können. Diese »Welt von gestern« zerstörte der Krieg von 1914. Während Zweig in seinen Erinnerun-gen seiner Welt vor der »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« ein literarisches Denkmal setzte, schrieb er zugleich ein Buch gänzlich anderer Art: »Brasilien – ein Land der Zukunft«. Sich von der beklemmenden europäischen Misere abwendend, verfasste Zweig hier einen emphatischen Lobpreis auf sein letztes Gastland, das vermeintlich vor allem das nicht kannte, was der Humanist Zweig für die Wurzel allen europäi-schen Übels hielt: ideologisch beding-ten Rassismus und Intoleranz.Für das »helle« Brasilien-Buch, das noch 1941 zeitgleich in deutscher Spra-che im Exil-Verlag Bermann-Fischer in Stockholm sowie in englischer, por-tugiesischer, spanischer, französischer und schwedischer Sprache erschien, ist Zweig sogleich viel gescholten wor-den – eine gewisse Realitätsferne da-rin ist sicherlich unabweisbar. Indes wird Zweigs zur Literatur geronnene Brasilien-Euphorie wohl erst vor dem Hintergrund des parallel geschriebe-nen, »dunklen« Erinnerungsbuches verständlich.Kurz nach seinem 60. Geburtstag schloss Stefan Zweig das Manuskript von »Die Welt von gestern« ab. Nach-dem dieses an den Verlag gegangen war, beging er am 22. Februar 1942 in Petrópolis gemeinsam mit seiner Frau mit Hilfe einer Überdosis Schlaftab-letten Selbstmord. Bis zuletzt ein höf-licher Mensch, entschuldigte er sich in einem seiner Abschiedsbriefe bei seinem brasilianischen Verleger für die Unannehmlichkeiten, die diesem durch seinen Freitod entstehen könnten. In seinem letzten Schreiben, das keinen di-rekten Adressaten trug, heißt es: »Ehe ich aus freiem Willen und mit klaren Sinnen aus dem Leben scheide, drängt es mich eine letzte Pflicht zu erfüllen: diesem wundervollen Lande Brasilien innig zu danken, das mir und meiner Arbeit so gute und gastliche Rast gege-ben. Mit jedem Tag habe ich dies Land mehr lieben gelernt und nirgends hätte ich mir mein Leben vom Grunde aus

neu aufgebaut, nachdem die Welt mei-ner eigenen Sprache für mich unterge-gangen ist und meine geistige Heimat Europa sich selber vernichtet. Aber nach dem sechzigsten Jahre bedürfte es besonderer Kräfte, um noch einmal völlig neu zu beginnen. Und die meinen sind durch die langen Jahre heimatslo-sen Wanderns erschöpft. So halte ich es für besser, rechtzeitig und in aufrechter Haltung ein Leben abzuschließen, dem geistige Arbeit immer die lauterste Freu-de und persönliche Freiheit das höchste Gut dieser Erde gewesen. Ich grüße alle meine Freunde! Mögen sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht! Ich, allzu Un-geduldiger, gehe ihnen voraus.«Wenige Monate später erschien in Stockholm die deutsche Erst-ausgabe von »Die Welt von gestern«. Gleich zu Beginn legte Ste-fan Zweig noch einmal dar, dass seine persönliche Katastrophe in enger Ver-bindung zum Untergang der österrei-chisch-ungarischen Doppelmonarchie stand; er empfand sich schlechterdings als »losgelöst von allen Wurzeln und selbst von der Erde, die diese Wurzeln nährte, – das bin ich wahrhaftig wie sel-ten einer in den Zeiten. Ich bin 1881 in einem großen und mächtigen Kaiser-reiche geboren, in der Monarchie der Habsburger, aber man suche sie nicht auf der Karte: sie ist weggewaschen ohne Spur.« Das erste Kapitel, in wel-chem Zweig seine Kindheit und frühe Jugend im kulturell pulsierenden Wien schildert (seit 1897 stand etwa Gustav Mahler als Chefdirigent am Pult der k. u. k.-Hofoper, auch Johannes Brahms und Anton Bruckner waren noch Wie-ner Zeitgenossen des jungen Zweig), trägt nicht von ungefähr die Überschrift »Die Welt der Sicherheit«.Rückschauend wird man Stefan Zweig auch bei Teilen der »Welt von gestern« nicht von einer gewissen Verklärung freisprechen können. Denn eine »Welt der Sicherheit« war die späte Habsbur-ger Monarchie sicherlich nicht mehr. Gustav Mahler etwa gab 1907 seine Stellung an der Hofoper – die er als junger Musiker als den »Traumberuf« schlechthin angesehen hatte – zermürbt von unablässigen antisemitischen An-griffen auf und ging in die USA. In Wien gedieh auch die dumpfe, ressen-timentgeladene Ideenwelt des jungen Adolf Hitler, der als völlig erfolgloser »Künstler« freilich weit außerhalb des Gesichtskreises von Stefan Zweig blieb. Und politisch stellte sich das zur Jahr-hundertwende bereits seit mehr als 50 Jahren vom greisen Monarchen Franz Joseph regierte »große und mächtige Kaiserreich« längst als eine »Versuchs-

station des Weltuntergangs« dar, wie der 1874 in Böhmen geborene, jedoch schon lange als Zeitgenosse Zweigs in Wien lebende Satiriker Karl Kraus im Sommer 1914, unmittelbar vor Kriegs-ausbruch, schrieb.Die letzte Phase der Geschichte der vielhundertjährigen Habsburger Mo-narchie bis zu ihrem Auseinanderbre-chen 1918 ist nicht leicht auf einen Nenner zu bringen. Allzu heterogen stellt sich der gewaltige Herrschafts-komplex dar, der von der Wiener Hof-burg aus gesteuert werden sollte. Eine

Übersichtskarte weist allein zehn Ethnien auf, die unter dem einen Dach der Doppelmonar-chie vereint bleiben sollten – grob vereinfachend freilich, weil die Vielzahl der kleineren Bevöl-kerungsgruppen unter den rund

51 Millionen habsburgischen Unter-tanen (1910), die Kaiser Franz Joseph als »meine Völker« in deutscher, un-garischer, tschechischer, ukrainischer, polnischer, jiddischer, rumänischer, ita-lienischer, slowenischer, slowakischer oder kroatischer Sprache ansprach, einfach weggelassen wird. War also das habsburgische Reich vor 1914 über-haupt noch zu retten? War der Kurs, den die Wiener Regierung im Sommer 1914 (mit deutscher Rückendeckung) steuerte, selbstmörderisch? Musste der Krieg verloren gehen?Keine einfachen Fragen, die gewiss keine einfachen Antworten erlauben. Mit Prof. Dr. Matthias Stickler steht uns jedoch ein herausragender Exper-te zur Verfügung. Stickler studierte seit 1988 Geschichte, Germanistik und Sozialkunde an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Nach der Pro-motion (1997) wurde er dort Wissen-schaftlicher Assistent. Seit 2010 lehrt Stickler in Würzburg als außerplanmä-ßiger Professor, darüber hinaus nahm er Lehraufträge an den Universitäten Bonn und Mainz an. Seine Hauptfor-schungsgebiete sind Flucht und Ver-treibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa 1945-1950 und ihre Integra-tion in Westdeutschland. Weitere For-schungsgebiete Prof. Sticklers sind die Geschichte der Habsburger Monarchie, Vergleichende Völkermordforschung, Widerstand gegen den Nationalsozia-lismus sowie Universitätsgeschichte. Er hat zahlreiche einschlägige Veröffentli-chungen vorgelegt. Matthias Stickler ge-hört verschiedenen wissenschaftlichen Gremien an, darunter dem Wissen-schaftlichen Beirat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung in Berlin. In unserem Haus ist er seit langem als un-gewöhnlich bewanderter und lebendi-ger Referent bekannt. Winfrid Halder

do, 26.02. 19.30 Uhr

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9 aUsstEllUng & Kino

Jüdische Kulturtage im Rheinland – Unser Beitrag 2015

»Russen Juden Deutsche. Fotografien von Michael Kerstgens seit 1992«

Am 9. März wird anlässlich der Jü-dischen Kulturtage die Fotoausstel-lung zur Einwan-derung russisch-sprachiger Juden aus der ehemaligen Sowjetunion in der Stiftung Ger-hart-Hauptmann-Haus eröffnet. Die knapp 40 Arbeiten des Fotografen Michael Kerstgens befassen sich vor allem mit den sozi-alen und religiösen Herausforderungen der jüdischen Zuwanderer sowie der Situation der alteingesessenen Gemeindemitglieder innerhalb der letzten 20 Jahre.Die in der Ausstellung gezeig-ten Arbeiten sind Teil einer größeren Serie, die insgesamt 162 Schwarz-Weiß-Aufnahmen umfasst und seit Anfang 2011 Teil der Fotografischen Sammlung des Jüdi-schen Museums Berlin ist. Die Aus-stellung versteht sich als Erweiterung

des historischen Blickes auf das Thema Migrati-on und möchte der Frage nach-spüren, wie sich jüdisches Leben in Deutschland mit der Zuwan-derung russisch-sprachiger Juden in den letzten 20 Jahren gewandelt hat.Michael Kerst-gens arbeitet im Bereich Bildjour-

nalismus und Dokumentarfotografie und realisierte Foto-Reportagen für na-

tionale und internationale Zeit-schriften, unter anderem für den »Stern« und für »Geo«. Er lebt in Oberhausen im Rheinland und lehrt seit 2007 als Professor für Dokumentarfotografie an der Hochschule Darmstadt.

In Kooperation mit

»Jüdische Kulturtage« Vom 22. Februar bis 22. März steht das Rheinland ganz im Zeichen der »Jüdischen Kulturtage«. Unter dem Motto »angekommen – jüdisches (er)leben« zeigt die Veranstaltungs-reihe »Jüdische Kulturtage« die Dynamik der stetig wachsenden jü-dischen Gemeinden auf und bietet den spannenden Veränderungen und integrativen Herausforderungen eine künstlerische Plattform.

Ausstellungseröffnung:Montag, 09.03. um 19.00 Uhr mit Rahmenprogramm Ort: Ausstellungsraum GHHLaufzeit der Ausstellung: 09.03. bis 30.04.2015Öffnungszeiten der Ausstellung: vgl. S. 27, Eintritt frei

Rituelle Beschneidung in der Synagoge Joachimstaler Straße in Berlin-Charlottenburg, 1992

Mo, 09.03. 19.00 Uhr

Zum 70. Todestag von Franz Werfel (1890-1945)

Flucht als Komödie – »Jacobowsky und der Oberst«Filmvorführung und Vortrag mit Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Volkmar Hansen

Nein, zum Lachen war ihm gewiss nicht zumute. Zwei Tage nach seinem 50. Ge-burtstag stapfte der herzkranke Schrift-steller Franz Werfel in der glühenden Hitze des 12. September 1940 über den äußersten östlichen Pyrenäen-Ausläu-fer, blicklos für die atemberaubenden Ausblicke auf das nahe Mittelmeer. Werfel und seine Begleiter versuchten, reichlich erfolglos, als Touristen zu er-scheinen, aber wohl kaum jemand aus der örtlichen Bevölkerung wird daran geglaubt haben, dass der nach Atem rin-gende, nicht eben sportlich wirkende Mann und sein deutlich älterer Beglei-ter, der seinerseits keuchend von einer der beiden nicht mehr jungen Frauen gestützt werden musste, wirklich um der schönen Aussicht willen den stei-len Aufstieg über steinige Pfade auf sich nahmen. Allenfalls der Fünfte im Bun-de, ein junger Mann, der augenschein-lich die Dreißig kaum überschritten

haben mochte, konnte als Wanderer durchgehen.Der wahre Grund für den beschwerli-chen, für Werfel wo-möglich gar lebens-gefährlichen Marsch war denn auch ein ganz anderer. Aus-gangspunkt der »Wanderung« war das südfranzösische Städtchen Cerbère – das, als hätte sich das jemand passend aus-gedacht, den Namen des dreiköpfigen, hundeartigen Ungeheuers Kerberos trägt, welches in der griechischen My-thologie am Eingang zur Hölle darüber wacht, das niemand unbefugt dort ein- oder ausgeht. Der klassisch gebildete Werfel, der 1909 in seiner Heimatstadt Prag am »k. k. Deutschen Neustädter

Gymnasium in der Stefansgasse« Abi-tur gemacht hatte, mag über dergleichen

Bezüge grimmig gelächelt haben. Das Ziel war Port-bou, unweit eines Ortes, der vielver-sprechend Colera heißt. Zwischen Cerbère und Port-bou aber liegt noch heute die französisch-spani-sche Grenze.Über diese woll-

te, ja musste die Gruppe um Werfel. Bei dem älteren Mann an seiner Seite handelte es sich um den Schriftsteller-kollegen Heinrich Mann, damals 69 Jahre alt, dem von seiner 42-jährigen Ehefrau Nelly geholfen wurde. Werfel wurde seinerseits von seiner Frau be-

Fortsetzung auf Seite 10

Oberst Prokoszny (Curd Jürgens), S.L. Jakobowsky (Danny Kaye), Szabuniewicz (Akim Tamiroff)

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10 Kino

gleitet, Alma, 11 Jahre älter als er, Wit-we Gustav Mahlers, Ex-Freundin Oskar Kokoschkas, Ex-Frau von Walter Gropi-us. Der einzige, dem der Weg über den Gebirgszug wenig auszumachen schien, war Golo Mann, gerade 31 Jahre alt, studierter Historiker, zweiter Sohn von Thomas und folglich Neffe von Hein-rich Mann. Alle fünf waren dringlichst bestrebt, Frankreich, das erste Aufnah-meland ihrer Emigration, zu verlassen. Denn Frankreich war bereits – nach der erschreckend raschen Niederlage gegen NS-Deutschland im Mai/Juni 1940 – zu großen Teilen von der deut-schen Wehrmacht be-setzt worden. In Artikel 19 des Frankreich am 25. Juni 1940 aufgenö-tigten Waffenstillstands-vertrages heißt es: »Die französische Regierung ist verpflichtet, alle in Frankreich […] be-findlichen Deutschen, die von der Deutschen Reichsregierung nam-haft gemacht werden, auf Verlangen auszulie-fern.«Die französische Regie-rung hatte tatsächlich sogleich nach Kriegs-beginn im September 1939 begon-nen, »feindliche Ausländer« – und als solche galten nun auch Tausende Deutsche, die als politisch oder ras-sisch Verfolgte seit 1933 nach Frank-reich emigriert waren – unter misera-blen Bedingungen zu internieren. Lion Feuchtwanger, Kollege, Freund und Schicksalsgenosse von Franz Werfel, gebürtiger Münchner jüdischer Her-kunft, konnte ein Lied davon singen, aber kein schönes. In bezeichnender Weise gab er seinem Erinnerungsbuch, in dem er später seine Haft in und seine Flucht aus dem berüchtigten Lager Les Milles beschrieb, den Titel »Der Teu-fel in Frankreich« (1942 im US-ame-rikanischen Exil zuerst publiziert). In ähnliche Lager kamen die Deutschen, die im soeben beendeten Spanischen Bürgerkrieg auf republikanischer Seite gegen Franco (etwa als Angehörige der Internationalen Brigaden) gekämpft hatten und denen es gelungen war, sich nach der endgültigen Niederlage der Republik nach Frankreich zu retten. Im Lager Le Vernet saß mit Hermann Axen, Franz Dahlem, Gerhart Eisler, Walter Janka, Paul Merker und Hein-rich Rau ein erheblicher Teil der späte-ren DDR-Elite, dort fanden sich auch die Schriftsteller Arthur Koestler und Gustav Regler wieder. Alma und Franz Werfel sowie die meisten Mitglieder

der Familie Mann entgingen dem früh-zeitigen Freiheitsverlust, da sie öster-reichische beziehungsweise tschecho-slowakische Staatsangehörige waren. Die NS-Machthaber hatten der Familie Mann insgesamt bereits 1936 die deut-sche Staatsbürgerschaft aberkannt, da-raufhin hatte die Tschechoslowakei sie eingebürgert.Dass der aus einem jüdischen Eltern-haus stammende Werfel und die Manns in Gefahr waren, stand außer Frage. Allzu gerne hätten sich die NS-Macht-haber der prominenten Regimegegner bemächtigt. Heinrich Mann etwa hatte

aus seiner entschiede-nen Gegnerschaft zur NS-Bewegung nie ein Hehl gemacht. Sofort nach seiner Emigrati-on schon im Frühjahr 1933 hatte er sich mit Verve politisch enga-giert, erheblich früher und entschiedener als sein jüngerer Bruder Thomas, der sich mit politischen Äußerun-gen nach der Bildung der Regierung Hitler zunächst einige Zeit abwartend zurückhielt.Der Weg über die Py-

renäen stellte lediglich die letzte Fluch-tetappe durch ein im Chaos der raschen und vollständigen Niederlage versin-kendes Land dar. Durch in Auflösung befindliches Militär und andere Flücht-linge verstopfte Straßen, unterbrochene Post- und Bahnverbindungen, nicht funktionierende Telefon- und Telegra-phenleitungen, eine in der Furcht vor dem Kommenden unberechenbar wer-dende, paralysierte Bürokratie, nicht wenig Antisemitismus: Frankreich im Sommer 1940. Dass die kleine »Reise-gruppe« überhaupt bis nach Cerbère und dann weiter gelangt war, grenzte an ein Wunder. Der junge amerikanische Journalist Varian Fry, der bei einem Deutschland-Aufenthalt 1935 von der Judenverfolgung schockiert gewesen war, half ihnen und Tausenden anderer Menschen im Auftrag einer privaten Hilfsorganisation in den USA. Und noch wunderbarer: Nachdem der erste Versuch des Grenzübertritts zwischen Cerbère und Portbou gescheitert war, winkte der »Chef« des französischen Grenzpostens – der gewiss verstan-den hatte, was vorging – nach kurzem Zögern, vielleicht aus Mitleid, das ver-schwitzte, um seine bürgerliche Nob-lesse gekommene, Verzweiflung aus-strahlende Grüppchen weiter. Die nicht unbeträchtliche Bargeldsumme, die Alma zum Entsetzen Werfels zu Beginn

der Flucht von der Bank abgehoben und mitgenommen hatte, war nahezu aufgebracht, verwendet für schlagartig astronomisch teure Taxifahrten und andere Handsalben. Die aus dem Be-sitz Gustav Mahlers stammende Ori-ginalpartitur von Anton Bruckners 3. Sinfonie, die war freilich noch in Almas Tasche. Und man war, enfin, in Spanien.Die spanischen Behörden waren in dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land vor allem daran interessiert, die ungeliebten Gäste so schnell und so geräuschlos wie möglich wieder loszuwerden. Daher stellten sie der Durchreise nach Por-tugal zumeist nichts in den Weg. Auch dort herrschte wenig Begeisterung, aber von Lissabon aus waren Schiffspassagen in die USA möglich. Am 13. Oktober 1940, fast genau vier Wochen nach dem dramatischen Grenzübertritt, trafen die Werfels, das Ehepaar Mann und deren Neffe Golo in New York ein.Franz Werfel ließ sich mit seiner Frau schließlich in Kalifornien nieder. Ver-hältnismäßig rasch erhielt er die ame-rikanische Staatsbürgerschaft und war in Sicherheit. Am 26. August 1945 ist er, erst 54 Jahre alt, in Beverly Hills an Herzversagen gestorben.Die Erfahrungen der Flucht durch und aus Frankreich hat Werfel rasch litera-risch verarbeitet. Nach dem Eintref-fen in den USA schrieb er in nur fünf Monaten den Roman »Das Lied von Bernadette«. Eine der Stationen des Ehepaars Werfel auf seinem Weg durch das zusammenbrechende Frankreich war der Wallfahrtsort Lourdes gewe-sen. Dort gelobte Werfel, der seit seiner Kindheit mit der katholischen Fröm-migkeit eng vertraut war ohne je das eigene Judentum aufzugeben, im Falle einer glücklichen Rettung vor der Ver-folgung durch die NS-Machthaber ein Buch über die in Lourdes verehrte Hei-lige Bernadette Soubirous (1844-1879) zu schreiben. »Das Lied von Berna-dette«, noch 1941 publiziert, wurde auf dem amerikanischen Buchmarkt sofort ein Renner, ja Werfels erfolgreichstes Werk überhaupt. Es hielt sich mehr als ein Jahr auf der Bestseller-Liste der New York Times, davon 13 Wochen auf Platz 1. Bereits 1943 wurde es aufwendig ver-filmt, bei der »Oscar«-Verleihung 1944 heimste der Film vier der begehrten Auszeichnungen ein, darunter die für die beste Hauptdarstellerin.Die Erlebnisse des Sommers 1940 ha-ben Werfel jedoch noch zu einem ande-ren Werk inspiriert, und zwar zu einem ganz anderer Art. Das Theaterstück »Ja-cobowsky und der Oberst«, 1941/42 geschrieben und am 17. Oktober 1944 in Basel uraufgeführt, nannte Werfel im Untertitel »Komödie einer Tragödie«.

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11 Kino & aUsstEllUng

Die amerikanische Fassung des Stücks erlebte ihre Premiere in New York be-reits am 14. März 1944. Dabei spielte Oskar Karlweis die Hauptrolle des Ja-cobowsky – der gebürtige Österreicher Karlweis war dem deutschen Publikum spätestens seit dem Kinohit »Die Drei von der Tankstelle« (1930) bestens bekannt. Den »Jacobowsky« konnte er auch deswegen überzeugend spielen, weil er selbst 1940 auf einem ähnlichen Weg wie die Werfels aus Frankreich geflohen war. In der Emigration in den USA trafen sich außer Karlweis aus dem Filmteam der »Drei von der Tankstelle« Wilhelm Thiele (Regie), Franz Schulz und Paul Frank (Drehbuch), Erich Pommer (Produzent), Werner Richard Hey-mann und Robert Gilbert (Musik und Liedtexte), Franz Planer (Kamera), Lili-an Harvey (weibliche Hauptrolle) und Felix Bressart (Darsteller) wieder. Der Film, eine der erfolgreichsten frühen Tonfilmproduktionen in Deutschland

mit Hits wie »Ein Freund, ein guter Freund« oder »Liebling, mein Herz läßt dich grüßen«, wurde in seinem Ursprungsland auf Geheiß von Propa-gandaminister Goebbels im Oktober 1937 verboten. An allzu viele bekannte

Namen darin mochte er offen-bar nicht mehr erinnert werden.Die französische Katastrophe des Sommers 1940 bildet den Rahmen der Handlung von Franz Werfels Erfolgsstück, in deren Verlauf er zwei gänzlich verschiedene Charaktere aufei-

nander prallen lässt: Einerseits den klu-gen, menschenfreundlichen Jacobows-ky, der als Kleinkind mit seiner Mutter vor einem Pogrom aus dem noch zum Zarenreich gehörenden Polen geflohen ist, der in Deutschland aufgewachsen ist, »von der festen Überzeugung ge-wiegt, ein kleiner strammer Deutscher zu sein«, bis dieser »Irrtum« durch Hitler »aufgeklärt« wurde und er zunächst nach Wien, dann Prag und schließlich Paris fliehen musste. Ande-

rerseits den polternden, konfliktfreudi-gen polnischen Oberst Tadeusz Boles-lav Stjerbinsky, Kommandeur eines von den Deutschen längst aufgeriebenen Kavallerieregiments. Beide nötigt das Schicksal, das französische Chaos ge-meinsam zu durchqueren ( Jacobowsky hat ein Auto, kann aber nicht fahren, bei Stjerbinsky ist es umgekehrt), wobei sie zahlreichen anderen Figuren begegnen. Darauf beruht die »Komödie der Tra-gödie«, ein Spiel, das letztlich um die menschliche Natur kreist.Wir zeigen die US-amerikanische Ver-filmung des Stücks von 1958 mit Dan-ny Kaye (1911-1987) in der Rolle des Jacobowsky und Curd Jürgens (1915-1982) als Oberst. Erläuterungen zu Autor und Stück gibt Prof. Dr. Dr. h. c. Volkmar Hansen, der als Wissenschaft-ler und ehemaliger Direktor des Düssel-dorfer Goethemuseums nicht nur mit Person und Werk des Weimarer Genius bestens vertraut ist, sondern auch mit der deutschen Exilliteratur nach 1933.

Winfrid Halder

Arno Surminski, geboren in Jäglack im Kreis Rastenburg in Ostpreußen (heu-te Jegławki im Landkreis Kętrzyn /Po-len), feierte im vergangenen Jahr seinen 80. Geburtstag. Seit Jahrzehnten setzt er sich als Autor für die Aufarbeitung des Ge-schehens in Ostpreu-ßen während des Jah-res 1945 und für eine Aussöhnung zwischen den früheren und den heutigen Bewohnern ein. Er hat dafür brei-te Anerkennung gefunden. Romane wie »Jokehnen«, »Polninken« oder »Sommer 1944« haben inzwi-schen Generationen von Lesern – auch solchen, die Ostpreu-ßen nicht kannten – den Weg in eine Landschaft eröffnet, die in vielen Herzen und Köpfen weiterlebt. Arno Surminski ver-lor seine Eltern 1945, als sie in die Sowjetunion verschleppt wurden. Als Flüchtling kam er zunächst nach Thüringen und 1947 nach Schleswig-Holstein. Heute lebt er als freier Schrift-steller in Hamburg.Die Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus ehrt Arno Surminski mit einer Ausstellung in deutscher und polni-scher Sprache, die einen Überblick über sein Leben und seine wichtigsten Wer-

Wie man sich an Ostpreußen erinnern kann

»Erinnertes Leben – Gelebte Erinnerung. Arno Surminski« ke bietet. Kuratiert wurde die Ausstel-lung von dem Literaturwissenschaftler Dr. Martin Maurach und von Christian von Redecker für das Ostpreußische

L a n d e s m u s e u m . Sie wurde bereits in Polen gezeigt, auch in Surmins-kis ostpreußischer Heimat. Unter der Überschrift »Erin-nertes Leben – Ge-lebte Erinnerung« werden aus Sur-minskis wichtigsten

Büchern Schlüsselszenen präsentiert, die neugierig machen sollen aufs Lesen

und Wiederlesen. Persönliche Erinnerungsstücke, z.B. aus sei-ner Zeit in Kanada, bereichern die Tafeln.Zu entdecken ist das Leben und Werk eines scharfsichtigen Zeit-genossen, der sein persönliches Schicksal in ansprechende, le-

bendige Erzählungen ohne moralische Aufdringlichkeit verwandelt.Arno Surminski wird die Ausstellung im GHH am 19. Januar persönlich er-öffnen. Ebenso dürfen wir die Kultur-referentin für Ostpreußen, Frau Agata Kern, und den Direktor des Ostpreu-ßischen Landesmuseums Lüneburg, Herrn Dr. Mähnert, zur Ausstellungser-öffnung begrüßen. Katja Schlenker

Mo, 19.01. 19.00 Uhr

Arno Surminski

BegleitprogrammFilmvorführung: »Im Herzen von Ostpreußen«

Arno Surminski stammt aus dem Herzen von Ost-preußen. Er ist am 20. August 1934 in Jäglack im Kreis

Rastenburg geboren, verbrachte dort bis 1945 seine Kindheit.1991 ist er für die ZDF-Reihe »Ganz per-sönlich« mit einem Fernsehteam in seine alte Heimat gefahren. Die Do-kumentation visualisiert Arno Sur-minskis Bild von Ostpreußen.

Mi, 04.02. 15.00 Uhr

Ausstellungseröffnung: 19.01. – 19.00 UhrIn Anwesenheit von Arno Surminski Begrüßung:PD Dr. Halder, Direktor Stiftung Ger-hart-Hauptmann-HausDr. Mähnert, Direktor des Ostpreußi-schen Landesmuseum LüneburgMusikalische Umrahmung: Damian Ostwald, Klavier

Laufzeit der Ausstellung: 19.01. bis 25.02.2015 Öffnungszeiten der Ausstellung: vgl. S. 27, Eintritt frei

Mi, 25.03. 18.00 Uhr

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Ein Film nach Arnold Zweigs (1887-1968) Roman »Der Streit um den Sergeanten Grischa«

FilM

Victor Klemperer, geboren 1881 in Landsberg an der Warthe, ist einem großen Publikum vor allem durch die Veröffentlichung seiner Tagebücher aus der Zeit nach 1933 bekannt geworden. In beklemmender Weise hat Klemperer darin die fortschreitende Diskriminie-rung und Entwürdigung beschrieben, die er als Deutscher jüdischer Herkunft erfahren hat, angefangen vom Verlust seiner Romanistik-Professur an der damaligen Techni-schen Hochschule Dres-den bis nahe an den Rand des Hungertodes 1945. Klemperer, zweifellos ein »homme de lettres«, hat aber auch über andere Pha-sen seines Lebens geschrie-ben, etwa über seine Erfah-rungen im Ersten Weltkrieg. 1915, schon promoviert und habilitiert, hatte er sich, ganz deutscher Patriot, frei-willig zum kaiserlichen Heer gemeldet. Nach einem Einsatz an der Westfront war Klemperer im Frühjahr 1916 zur deutschen Besatzungsverwal-tung »Ober Ost« (Oberbefehlshaber der gesamten deutschen Streitkräfte im Osten – also das militärische Haupt-quartier der deutschen Truppen an der Ostfront) ins litauische Kowno (Kau-nas) kommandiert worden. An der Spit-ze von Ober Ost standen bis zu ihrer Berufung zur Obersten Heeresleitung im August 1916 Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg und General Erich Ludendorff. Danach war formal der bayerische Generalfeldmarschall Prinz Leopold der Chef von Ober Ost, in Wahrheit aber dessen Stabschef, Ge-neral Max Hoffmann. Hoffmann war bis Kriegsende 1918 die vielleicht wich-tigste Schlüsselfigur des militärischen und politischen Agierens von deutscher Seite im Osten. Der Zuständigkeitsbe-reich von Ober Ost umfasste fast das gesamte heutige Litauen sowie erheb-liche Teile Polens und Weißrusslands, die formal noch zum Zarenreich gehör-ten. Es handelte sich um ein Gesamtge-biet von über 108.000 Quadratkilome-tern – das entspricht nicht ganz einem Drittel der heutigen Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutschland.Victor Klemperer arbeitete in Kowno für die Militärzensur von Ober Ost und traf als Kollegen eine ganze Reihe ande-rer Intellektueller mit zumeist akademi-scher Ausbildung. Bei Ober Ost lebte man verhältnismäßig sicher und fern

des unmittelbaren Kriegsgeschehens, die mörderischen Materialschlachten der Westfront mit massenhaftem Tod und Verstümmelung schienen weit entrückt. Umso bemerkenswerter er-scheint eine Szene, die Klemperer in seiner Autobiographie der Jahre 1881 bis 1918 festgehalten hat. Klemperer nahm 1917 mit anderen an der Beiset-zung eines verstorbenen Soldaten teil,

die vom zuständigen Mi-litärgeistlichen routiniert »abgespult« wurde. Er berichtet: »Da trat Arnold Zweig aus dem Glied. Er ging zwei Schritte abseits und weinte heftig und laut schluchzend. Die Tränen liefen ihm in den Mund, sein armseliger Körper zuckte, der viel zu große Helm wackelte ihm auf dem Kopf. Er zog ein rotes Taschentuch, warf es mit der einen Hand breit aus-

einander, während die andere bemüht war, den verrutschten Helm wieder in den vorschriftsmäßigen Sitz zu brin-gen. Und schnäuzte sich, er begann noch einmal zu weinen und schnäuzte sich noch einmal laut und energisch, dass sogar der eilige Geistliche einen erstaunten Blick auf ihn richtete, er machte eigentlich eine durchaus ko-mische Figur. Aber mich rührte er tief. Der Geistliche war ein Arbeitsgaul, der die Gräberreihe entlang seinem Stall zutrabte, wir anderen standen stumpf, allenfalls angewidert da, nur dieses Männchen war noch eines Gefühls-sturms fähig. Ich fragte ihn nachher, ob ihm der Verstorbene besonders nahegestanden. Das nicht, ein Kamerad wie viele andere auch, antwortete er, aber das ganze Elend des Krieges habe ihn der herzlosen Szene gegenüber noch einmal überwältigt.«Arnold Zweig, zu diesem Zeitpunkt 28 Jahre alt, hatte sich seine menschli-che Berührbarkeit bewahrt – dies wird auch in seinen Büchern deutlich. Dabei hatte Zweig im Sommer 1914 auf den Kriegsausbruch reagiert wie viele an-dere deutsche Intellektuelle auch: mit Begeisterung und nationalistischem Furor. Freiwillig zum Kriegsdienst meldete er sich nicht, weil er durch ein Augenleiden, das ihn sein Leben lang begleiten sollte, schlecht sah und des-wegen glaubte, zum Waffendienst nicht zu taugen. So setzte er einstweilen sei-

ne gerade von ersten Erfolgen gekrönte junge Schriftstellerkarriere fort, auch durch das Verfassen sehr pathetischer und patriotischer Texte. Zweig war 1881 in einem jüdischen Elternhaus im niederschlesischen Glogau gebo-ren worden. Nachdem sein Vater, ein Sattlermeister, gezwungen war, einen geschäftlichen Neuanfang zu suchen, wuchs er im oberschlesischen Kat-towitz auf. Nach dem Abitur begann Zweig ein ausgedehntes Studium unter anderem der Philosophie, Germanistik, Kunstgeschichte und Psychologie in Breslau, München, Rostock, Göttingen, Tübingen und Berlin, das niemals ein formelles Ende finden sollte; dies wohl auch, weil Zweig inzwischen bereits be-gonnen hatte, zu schreiben.Ende April 1915 wurde Zweig ein-berufen. Da er in Anbetracht seiner Sehschwäche nicht »felddienstver-wendungsfähig« war, kam er in ein »Armierungsbatallion«. Die Soldaten in diesen Einheiten wurden vor allem zu militärischen Bau- und Nachschub-zwecken eingesetzt. Zu Beginn war Zweig noch ganz patriotischer preußi-scher Untertan, der nun eben auf diese Art seine vaterländische Pflicht erfüllte. Die Ausbildung schilderte er in seinen Briefen noch positiv, stationiert war er zunächst in Küstrin an der Oder, wo »alles die glorreiche Vergangenheit Preußens« atme, wie er schrieb.Anfang 1916 jedoch wurde Zweigs Ein-heit an die Westfront verlegt und für ihn begann das, was er später als Titel eines seiner Romane nahm, nämlich die »Erziehung vor Verdun«. Mit dem Angriff deutscher Truppen auf die Fes-

tungsanlagen im Raum Verdun am 21. Februar 1916 begann die bis dahin gewaltigste und ver-lustreichste Schlacht des Ersten Weltkriegs. In den folgenden Monaten bis Mitte Dezember 1916 fielen auf einem Schlacht-

feld von wenigen Quadratkilometern Ausdehnung rund 167.000 französi-sche und etwa 150.000 deutsche Sol-daten, verwundet wurden auf beiden Seiten jeweils deutlich über 200.000 Mann. Das Armierungsbatallion, dem Zweig angehörte, wurde zwar nicht in vorderster Front eingesetzt, jedoch im-mer dicht dahinter, zum Stellungsbau, zur Heranschaffung der gigantischen Munitionsmengen, die verschossen wurden (zeitweilig gingen etwa 10.000 Artilleriegranaten und Minen auf dem Schlachtfeld nieder – pro Stunde!)

»Mit einem vielleicht ruchlosen und unerhörten Buche die Wahrheit gestalten«

Mi, 28.01. 15.00 Uhr

Arnold Zweig, ca. 1916

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oder zur Ausbesserung beziehungs-weise dem Bau der unverzichtbaren Feldeisenbahnen. Dabei befanden sich Zweig und seine Kameraden wenigs-tens zeitweise im Wirkungsbereich der gegnerischen Artillerie, so dass die Ver-luste auch der »Schipper« groß waren. Arnold Zweig erlebte so aus nächster Nähe die »Blutpumpe« von Verdun, mit der die deutsche Oberste Heeres-leitung glaubte, die französische Armee in die Knie zwingen zu können. Sehr schnell war er in den Schützengräben und auf den Verbindungswegen, im blutigen Sumpf des industriellen Tö-tens aller Illusionen des »dulce et deco-rum est pro patria mori« ledig.Als Zweig im Frühjahr 1917 infolge der Intervention von Freunden aus dem Armierungsbatallion weg zur Zensur-abteilung von Ober Ost versetzt wur-de, kam dies für den körperlich und psychisch vor dem Zusammenbruch stehenden 27-Jährigen einer Rettung gleich. Abgesehen von der physisch un-anstrengenden Arbeit kam er hier mit Klemperer und anderen ähnlich einge-stellten Gesprächspartnern zusammen, war endlich wieder in einem ihn intel-lektuell anregenden Umfeld, konnte sogar wieder mit dem Schreiben anfan-gen. Doch zugleich setzte sich Zweigs Desillusionierung durch die Realität des Krieges fort, wenngleich in anderer Form. Wenn er bei Ober Ost auch nicht mehr mit den Leichenbergen der Gefal-lenen und dem Elend der Verwundeten unmittelbar konfrontiert war, so machte er hier andere niederdrückende Erfah-rungen: Nämlich mit der Korruption und der Willkür vor allem der Besat-zungsoffiziere gegenüber Untergegebe-nen, Kriegsgefangenen und nicht zu-letzt der Zivilbevölkerung, nicht selten einhergehend mit antisemitischen und anderen rassistischen Einstellungen.Schon im August 1917 schrieb Zweig an einen Freund: »Ich bin ausgelaugt, fast verzweifelt und nach 28 Monaten, in denen ich ganze 14 Tage Urlaub hatte, am Ende meiner Kraft. So ist es. Ich habe keinen Grund es zu leugnen. Ich will Ihnen nur sagen, dass das gan-ze Heer von der hintersten Etappe bis zum vordersten Graben von den gif-tigsten und niedrigsten moralischen Fäulnisstoffen durchseucht ist, und dass ich eines Tages mit einem vielleicht ruchlosen und unerhörten Buche die Wahrheit gestalten werde. Als Rache, das leugne ich nicht – als Rache dafür, dass man mein bis dahin reines und zu-rückgezogenes Leben in diese Kloake gezerrt hat.«Bis dieses Buch tatsächlich fertig war, ging ein Jahrzehnt ins Land. 1918 zu-rückgekehrt aus dem Krieg, lebte Zweig

13 FilM

als freier Schriftsteller in Starnberg und Berlin. 1927 erschien dann »Der Streit um den Sergeanten Grischa« – das »ruchlose und unerhörte Buch«, das Zweig seit seinen Erfahrungen bei Ober Ost beschäftigt hatte. Angeregt durch die Kenntnis eines realen Falles, in des-sen Verlauf ein gänzlich argloser russi-scher Kriegsgefangener in die Mühlen der deutschen Militärjustiz und in den Machtkampf unterschiedlicher militä-rischer Instanzen geriet, schrieb Zweig seine Geschichte von Missgunst, Eigen-nutz, Machtgier, Skrupellosigkeit, Feig-heit, aber auch von Rechtschaffenheit, Hilfsbereitschaft, Mut und Empörung über Unrecht. Der große Vorzug von Arnold Zweigs Erzählkunst ist, dass er keine Schwarz-Weiß-Bilder entstehen lässt, sondern Menschen zeichnet, die eben Menschen sind: niemals nur auf einen einzigen Nenner zu bringende Wesen.»Der Streit um den Sergeanten Gri-scha« ist zugleich eines der recht sel-tenen Beispiele, in denen die Ostfron-terfahrung in der deutschen Literatur zum Ersten Weltkrieg in Erscheinung tritt. Ein Stück weit ist das Buch daher auch eine immer noch notwendige Ergänzung etwa zu Erich Maria Re-marques »Im Westen nichts Neues« (zuerst 1928/29) und erst recht zu Ernst Jüngers »In S t a h l g e w i t t e r n « (zuerst 1920). In einer ausführli-chen Besprechung des »Grischa« in der »Weltbühne« schrieb Kurt Tu-cholsky im Dezem-ber 1927: Das Buch »wird wahrschein-lich mehr Men-schen zum Nach-denken über das Wesen des Krieges bringen als alle Propagandaaufsätze der letzten Jahre – es bohrt sehr tief und wendet sich an ganz einfache Empfin-dungen; es sagt gewissermaßen: ‚Wir beide wollen uns doch nichts vorma-chen, wie –?‘ Endlich einmal wird der Krieg gar nicht diskutiert, sondern mit einer solchen Selbstverständlichkeit ab-gelehnt, wie er und seine Schlächter das verdienen. Erst heute –? […] Arnold Zweig unsern Gruß! Sein Buch ist voll wärmster Güte und voller Mitgefühl, voller Skeptizismus und voller Anstän-digkeit, voller Verständnis und oft vol-ler Humor. Sanft hat er das getan, was im November [1918] durch die Schuld und das Unverständnis der Arbeiterfüh-rer versäumt worden ist: er hat einem

seelenlosen Götzen die Achselstücke und die Knöpfe abgetrennt, nein, sie fallen von selbst ab, so gleichgültig sind sie ihm, und nackt und dumm steht das Ding da und glotzt mit blinden Augen in die Welt. Keine Sorge, die ‚Tradition‘ wird es schon wieder mit rauschendem Leben anfüllen und mit Blut. Mit dem Blut der andern.Dieser ‚Streit um den Sergeanten Gri-scha‘ ist ein schönes Buch und ein Mei-lenstein auf dem Wege zum Frieden.«Dass sich Arnold Zweig mit dieser Art Kriegsbuch auch viele Feinde gemacht hat, liegt auf der Hand. Unverdrossen stellte er seinem ersten Buch über den Ersten Weltkrieg in den folgenden Jah-ren eine ganze Reihe weiterer Romane zur Seite – so dass insgesamt der wohl gewichtigste und facettenreichste er-zählerische Zyklus eines deutschen Autors zu den Jahren 1914 bis 1918 entstanden ist, dem er später den Ge-samttitel »Der große Krieg der weißen Männer« gab. 1931 folgte »Junge Frau von 1914«, der Rest des Zyklus konn-te dann in Deutschland nicht mehr er-scheinen, sein Autor wurde ins Exil ver-trieben – für Arnold Zweig, den Juden und Sozialisten war in NS-Deutschland kein Platz. Zweig ging zunächst in die Tschechoslowakei, dann nach Frank-

reich, schon 1934 aber nach Palästi-na, genauer nach Haifa. Dort schrieb er weiter, unter prekären materi-ellen und persön-lichen Bedingun-gen. 1935 erschien im Amsterdamer Querido-Verlag – einem der wichtigs-ten für emigrierte deutsche Autoren – »Erziehung vor Verdun«, 1937 folgte »Einsetzung

eines Königs«. Die beiden abschlie-ßenden Bände (»Die Feuerpause« und »Die Zeit ist reif«) erschienen 1954 beziehungsweise 1957 zunächst in der DDR. 1948 war der Sozialist Arnold Zweig nach Deutschland zurückge-kehrt und ließ sich in Ost-Berlin nieder. Die SED-Oberen in der wenig später gegründeten DDR ließen dem bekann-ten Romancier Zweig eine ganze Reihe von Ehrungen zuteilwerden. Ein pro-minenter DDR-Autor? Für viele West-deutsche im Zeichen des Kalten Krie-ges allemal Grund genug, dessen Werk zu ignorieren. Wohl heute noch haben nicht wenige Literaturinteressierte da einiges nachzuholen und zu entdecken.

Josef Karlík (Grischa) und Jutta Wachowiak (Babka)

Fortsetzung auf Seite 14

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14 14 vorträgE & thEatErBEsUch

1968 – im gleichen Jahr, in dem Arnold Zweig in Ost-Berlin kurz nach seinem 81. Geburtstag verstarb – brachte die DDR-Filmgesellschaft DEFA die ers-te von insgesamt drei, durchweg sehr werkgetreuen und aufwendigen Ver-filmungen nach Romanen aus Zweigs Weltkriegs-Zyklus heraus. Anfang Juni 1968 lief der zweiteilige Streifen »Der Streit um den Sergeanten Grischa« im Fernsehen. Wir zeigen die technisch überarbeitete Fassung. In der Rolle des Grischa ist der tschechische Schauspie-ler Josef Karlik zu sehen. Die Figur des Werner Bertin, die in allen Romanen von Zweigs Weltkriegszyklus erscheint und stark autobiographische Züge trägt, spielte der aus Schlesien stam-mende Klaus Piontek. Eine besondere Stärke des Films liegt in seiner Musik: Sie stammt von Siegfried Matthus. Der 1934 im ostpreußischen Mallenuppen (heute Sadoroschje in der Oblast Ka-liningrad, Russland) geborene Matthus ist einer der bedeutendsten zeitgenössi-schen Komponisten Deutschlands.

Winfrid Halder

Mit Geige, Gitarre und Flöte haben sich rund 15 Kin-der und Jugend-liche in einem Kooperationspro-jekt der Stiftung G e r h a r t - H a u p t -mann-Haus mit dem Verein Kin-Top e.V. in Garath auf den Weg gemacht, aus Anlaß des 150. Geburtstages von Peter Iljitsch Tschai-kowsky seinen Spuren zu folgen. Das neu gegründete Jugendorchester wird Stücke des russischen Komponisten einüben und im Sommer in einer Aufführung auf der großen Bühne im Gerhart-Hauptmann-Haus präsentieren. Die regelmäßigen Pro-ben finden in den Räumen von Kin-Top, Stettiner Straße 120 statt. Begleitet wird

die musikalische Erarbeitung von einem kulturell-historischen Begleitprogramm. Am Samstag, 7. Februar 2015, 17 Uhr wird Dr. Katja Schlenker mit einem Vortrag über Kindheit und Jugend Tschaikowskys in Garath zu Gast sein. Interessierte Zuhörer sind herzlich willkommen. Das Orchester ist noch offen für weitere junge Musikerinnen und Musiker. Anmeldungen über www.kin-top-foerderungszentrum.de.

Kooperationsprojekt: Kinder- und Jugendorchester

»Auf den Spuren Tschaikowskys«

sa, 07.02. 17.00 Uhr

Das Kinder- und Jugendorchester in Aktion

Vortrag und Theaterbesuch

»Die Ratten. Berliner Tragikomödie« von Gerhart Hauptmann

Eine heruntergekommene Berliner Mietskaserne: Auf dem Dachboden hat sich der Ex-Theater-direktor Hassenreuter mit seinem Fundus einquartiert. Im Stock-werk darunter wohnen die Johns. Herr John ist zumeist beruflich unterwegs. Seine Frau arbeitet als Putzfrau für Hassenreuter. Seit dem Tod ihres Sohnes nur wenige Tage nach seiner Geburt wünscht sie sich nichts sehnli-cher als ein Kind. Da trifft es sich recht, dass das Dienstmädchen Paulike Piperkarcka hochschwanger vom Kindsvater sitzen ge-lassen wird. Frau John überredet sie, ihr das Kind nach der Geburt zu überlassen und gibt es als ihr eigenes aus. Doch das Glück währt nicht lange: Schon bald taucht die Piperkarcka wieder auf und will ihr Kind zurück... Nach der Uraufführung 1911 avancierte die Tragikomödie schon bald zu einem der erfolgreichsten

Stücke Gerhart Hauptmanns. Haupt-mann zeigt in seiner Tragikomödie eine

verfallende Gesell-schaft und wir fragen uns heute, ist er mit dieser Sichtweise im-mer noch aktuell? Exakt zehn Jahre nach seiner berühmten Dresdner Inszenierung von »Die Weber« istabermals ein von Vol-ker Lösch inszeniertes H a u p t m a n n - S t ü c k Anlass für eine Refle-xion gegenwärtiger ge-sel lschaftspolitischer Themen. Die Figuren Jette John, Pauline Pi-perkarcka und Selma Knobbe erwachen zu neuem Leben, wenn

alleinerziehende Frauen aus Düsseldorf gemeinsam mit Schauspielerinnen und Schau-spielern des Ensembles die Vorlage Hauptmanns mit ihren persönlichen Geschichten auf-laden. Denn, wie schon Gerhart Hauptmann sagte: Echte Dra-men sind immer Gegenwart!

Sonntag, 18.01.16.30 bis 17.15 Uhr

Einführung in Gerhart Hauptmanns Tragikomödie »Die Ratten«Vortrag von PD Dr. Winfrid HalderGerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstr. 90, 40210 DüsseldorfEintritt frei

Im Anschluss daran gemeinsamer Besuch der Aufführung von »Die Ratten« im Düsseldorfer Schau-spielhaus 18.00 bis 19.45 Uhr

Düsseldorfer SchauspielhausGroßes Haus

Gustaf-Gründgens-Platz 140211 Düsseldorf

Es gibt die Möglichkeit, Karten zum Preis von ca. 35,00 € für die Auffüh-rung über das Gerhart-Hauptmann-Haus vorzubestellen.

Verbindliche Bestellung bitte bis 07.01.2015 schriftlich oder telefonisch bei:

Margarete Polok Tel.: 0211/16991-29

E-Mail: [email protected]

so, 18.01. 16.30 Uhr

Szene aus »Die Ratten. Berliner Tragikomödie«

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mussten noch bis zum Jahr Drei der Gorbatschowschen Ära von »Glasnost und Perestroika«, nämlich bis 1988 warten, bis sie erstmals Gelegenheit erhielten, ihn als legal gedrucktes und zu erwerbendes Buch in die Hand zu bekommen. Vorsichtshalber war Boris Pasternak zuvor rehabilitiert und wie-der in den Schriftstellerverband aufge-nommen worden. Posthum, versteht sich.Glücklicher die Menschen im Kapita-lismus: Seit 1965 mussten sie die rund 700 Seiten nicht mehr lesen, sondern konnten Schiwago und Lara auf der Kinoleinwand um ihre Liebe ringen sehen. Unter der Regie des auf monu-mentale Bilder spezialisierten Briten David Lean (zuvor u.a. Regisseur von »Die Brücke am Kwai«, 1957, und »Lawrence von Arabien«, 1962) spiel-ten Omar Sharif – der dadurch zum internationalen Star wurde – und Julie

Christie die beiden Hauptrol-len. In der bis dahin wohl auf-wendigsten und teuersten Hol-lywood-Produktion (ach, allein schon all die Pferde und die als Wölfe maskierten Schäferhun-de) waren daneben etwa Alec Guinness, Rod Steiger und in

einer Nebenrolle auch der aus Zoppot bei Danzig stammende Klaus Kinski zu sehen. Das alles kostete rund 11 Milli-onen Dollar, damals wahrhaftig noch keine Peanuts. Trotz seiner nicht unan-strengenden 197 Minuten Laufzeit ging

die Rechnung der Produktionsf irma Metro - Gold w y n-Mayer auf: Bei der »O s c a r « -Ve r l e i -hung von 1966 wurde der Film mit gleich fünf der Trophäen des cineastischen Rit-terschlages in den

USA überschüttet. An den Kinokassen der (westlichen) Welt wurde er zu-gleich der gewinnträchtige Renner des Jahres. Das lag sicher nicht zuletzt auch an der Filmmusik, für die der Franzose Maurice Jarre einen der goldenen Os-cars erhielt. Und richtig: Auch 50 Jahre nach dem Kinostart des »Schiwago« bekommt niemand, der den Film je gesehen hat, die Melodie von »Lara’s Theme« je wieder aus dem Kopf. Garantiert. Winfrid Halder

15 FilM

Sein größter Triumph als Autor wurde ihm vergällt: 1958, nur ein Jahr nach dem ersten Erscheinen seines einzigen Romans »Doktor Schiwago«, wurde Boris Pasternak der Literaturnobelpreis verliehen – »für seine bedeutende Leis-tung sowohl in der zeitgenössischen Lyrik als auch auf dem Gebiet der gro-ßen russischen Er-zähltradition«, wie es in der offiziellen Begründung des No b e l p re i s ko m i -tees hieß.Nach Iwan Bunin (1933) war Paster-nak damit erst der zweite russisch-sprachige Autor, der den weltweit ren o m m i er te sten Literaturpreis erhielt – und zugleich der erste Sowjetbürger, dem diese Ehre zu-teil wurde. Beinahe allerdings nur, oder jedenfalls nicht richtig.Denn die kommunistischen Macht-haber der Sowjetunion unter Führung Nikita Chruschtschows zwangen Pas-ternak, die bereits erfolgte Zusage, den Preis anzunehmen, zurückzuziehen. Entgegengenommen hat er ihn also nie – erst 1989 konnte Pasternaks Sohn, stellvertretend für seinen nahezu drei Jahrzehnte zuvor verstorbenen Vater in Stockholm die Urkunde nachträglich in Empfang nehmen.Sogenanntes »Tauwetter« nach Stalins Tod am 5. März 1953 hin oder her: Pas-ternak hatte dem »liberalen«, durchaus literaturinteressierten Chruschtschow und den anderen Mächtigen einiges zugemutet. Der Roman, an dem er nach längeren Vorüberlegungen nahezu ein Jahrzehnt gearbeitet hatte, erschien 1957 zunächst in einer italienischen Übersetzung in Mailand. Der Autor hatte das 1955 fertiggestellte Manu-skript einem Verlagsvertreter aus Italien überlassen, also, horribile dictu, einem Ausländer aus dem »kapitalistischen Ausland.« Eine erste russische Ausgabe erschien ein Jahr später in, schlimmer noch, New York, im Lande des kapita-listischen Erzfeindes USA selbst also. Das Epos vom intellektuellen Arzt und Dichter Schiwago, von dessen privaten Leidenschaften und religiösen Ansich-ten, aber auch von der Zerrissenheit des Lebens Schiwagos in der höchst gewalttätigen Ära der Oktoberrevoluti-

on und des folgenden Bürgerkrieges in der entstehenden Sowjetunion, passte den Moskauer Herren nicht. Denn die Revolution beziehungsweise deren Protagonisten, mit denen Schiwago in Berührung kommt, erscheinen keines-wegs nur als strahlende Helden. Und Pasternak lässt deutlich werden, wie

unbedenklich die neuen Machthaber auch in privateste Le-benszusammenhänge eingriffen, wenn sie dies aus politischen Gründen für geboten hielten.Pasternaks Versuch, Chruschtschow von seiner Treue zur So-wjetunion zu über-zeugen, fruchtete

nicht. Er wurde aus dem sowjetischen Schriftstellerverband ausgeschlossen, was gleichbedeutend mit dem beruflichen Aus war. Am 30. Mai 1960 ist Boris Pasternak, ver-femt und isoliert, in Peredelkino, unweit von Moskau gestorben. Seine letzte Lebensphase hat er darauf verwendet, seine Autobio-graphie zu schreiben. Diese ließ er jedoch, vorsichtig geworden, im Jahr 1914 – also mit seinem 25. Lebensjahr enden. Pasternak vermied es demnach, noch einmal über das untergehende Zarenreich und die Oktoberrevoluti-on und deren Folgen zu schreiben. Er endete mit dem Satz: »Man muß über diese Welt so schreiben, dass das Herz erstarrt und die Haare zu Berge stehen. Über sie wie auswendig gelernt und ge-wohnheitsmäßig zu schreiben, blasser als Gogol und Dostojewski Petersburg beschrieben haben, wäre nicht nur sinn- und zwecklos, wäre niedrig und gewissenlos. Wir sind noch weit von diesem Ideal entfernt.« 1973 erschien der erste Band von Alexander Solsche-nizyns »Archipel Gulag« (wiederum im kapitalistischen Ausland, natürlich). Das hätte Pasternak, vielleicht, gefallen.Die eigentlichen Adressaten des Ro-mans »Doktor Schiwago«, die Lese-rinnen und Leser in der Sowjetunion,

Aus Anlass des 125. Geburtstags von Boris Pasternak (1890-1960)

»Man muß über diese Welt so schreiben, dass das Herz erstarrt und die Haare zu Berge stehen«

Filmvorführung »Doktor Schiwago« (USA 1965)

Mi, 21.01. 15.00 Uhr

Filmzene aus »Doktor Schiwago«

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16 16 BUchPräsEntation

Buchvorstellung mit Bildern und Filmausschnitten

Friedrich Bergius (Nobelpreis für Che-mie 1931), Max Born (Nobelpreis für Physik 1954), Eduard Buchner (No-belpreis für Chemie 1907), Rudolf Bultmann, Robert Wilhelm Bunsen, Felix Dahn, Wilhelm Dilthey, Norbert Elias, Paul Ehrlich (Nobelpreis für Medizin 1908), Gustav Freytag, Fritz Haber (Nobelpreis für Chemie 1919), Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Jochen Klepper, Ferdi-nand Lassalle, Philipp Lenard (Nobelpreis für Physik 1905), Bernhard Lichtenberg, Theodor Mommsen (Nobelpreis für Lite-ratur 1902), Friedrich von Raumer, Eugen R o s e n s to c k-Hu e s s y, Ferdinand Sauerbruch, Erwin Schrödinger (Nobelpreis für Phy-sik 1933), Edith Stein, Otto Stern (Nobelpreis für Physik 1943) und, und, und … Allesamt waren sie als Studie-rende oder Hochschullehrer der Uni-versität in Breslau verbunden – und allesamt schwerlich aus der deutschen Geistes-, Kultur- und Wissenschafts-geschichte wegzudenken. Die alte schlesische Metropole mit ihrer 1702 begründeten und 1811 zur Schlesi-schen Friedrich-Wilhelms-Universität umformierten Hochschule war ihr geis-tiger Nährboden. Und damit ist nur ein Teil derjenigen genannt, die in Breslau studiert oder akademisch gelehrt ha-ben. Wollte man wenigstens noch die-jenigen in den Blick nehmen, die ihre Schulzeit ganz oder teilweise dort absolviert oder die sonst wichtige Teile ihres Lebens in Breslau zugebracht haben, wird die Liste schon bei einem ersten oberflächlichen Blick ungleich länger: Günther Anders, Dietrich Bonhoeffer, August Borsig, Ernst Cassirer, Willy Cohn, Jo-seph von Eichendorff, Friedrich von Gentz, Peter Hacks, Gerhart Haupt-mann (Nobelpreis für Literatur 1911), Otto Klemperer, Käthe Kruse, Kurt Masur, Adolph von Menzel, Hans Poel-zig, Hans Scharoun, Friedrich Daniel Schleiermacher, Reinhard Selten (No-belpreis für Wirtschaftswissenschaften 1994), Angelus Silesius, Carl Maria von

Schlesien, ganz neu

Weber, Christian Wolff, Michael Zeller und, und, und … Würden wir nun den Blick noch über Breslau hinaus auf ganz Schlesien richten, so würden wir mit unserer Liste der Großen der deutschen Geistes-, Wissenschafts- und Kultur-geschichte gewiss kein rasches Ende finden, jedenfalls nicht in diesem Heft. Das geht nicht, schade. Begnügen wir uns also damit: Schlesien war stets auch

ein intellektuell und künstlerisch befruch-tender Raum (und ist es noch) – so soll Johann Wolfgang von Goethe nach seiner Schlesien-Reise im Sommer und Herbst 1790 den Wunsch gehegt haben, nach Schlesien überzu-siedeln. Er hatte eben »das preußische Ar-kadien« kennen- und schätzen gelernt. Indes: Goethe blieb in Wei-mar, bei Frau und Kind (dem einzigen 1789 ge-borenen Sohn August)

und seinem überaus großzügigen Lan-desherrn und Freund Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach, der ihm 1792 das prachtvolle Haus am Frauen-plan zunächst als »Dienstwohnung« überließ und später schenkte. Sonst hätte Goethe womöglich den geistigen Ruhm Schlesiens noch gemehrt – aber der ist auch so allemal imponierend genug, auch wenn Goethe dort nur als allerdings tief beeindruckter Durchrei-sender auftrat. Mag er also heute von Thüringen für sich beansprucht wer-

den, der Frankfurter Goethe. Den vollen Glanz des geis-tigen Ruhmes Schlesiens als Kultur- und Gedankenwelt gilt es wohl heute wiederzuentde-cken, gemeinsam mit unseren polnischen Nachbarn, die jetzt in Schlesien leben. Eine große

Hilfe bei diesem Unterfangen ist das neue Buch von Hans-Dieter Rutsch. Er selbst wurde 1954 als Kind aus Schle-sien vertriebener Eltern geboren – in der DDR wohlgemerkt und unterlag so als Kind und Heranwachsender dem Spannungsfeld zwischen offiziösem »Erinnerungsverbot« an den histo-rischen deutschen Osten in Schulen und Öffentlichkeit und der gleichwohl natürlich präsenten innerfamiliären

»Das preußische Arkadien. Schlesien und die Deutschen« mit Autor Hans-Dieter Rutsch

do, 19.02. 19.00 Uhr

Erinnerung an die verlorene Heimat. Zwar waren ihm die Objekte dieser Erinnerung (etwa das angeschlagene, gleichwohl sorgsam aufbewahrte Bunz-lauer Geschirr) zunächst fremd, den-noch entstand bei Rutsch, wie er selbst schreibt, irgendwann der Wunsch, mehr zu erfahren über dieses für ihn in den wehmütigen Erzählungen der Älteren nebelhaft bleibende Schlesien. Wirklich kennengelernt hat er es dann durch Reisen mit seinen Eltern – aber auch durch polnische Freunde. Über seine Entdeckungen in der »terra inco-gnita« Schlesien hat er nun ein wunder-bares, liebevolles Buch geschrieben, in dem uns Goethe, Caspar David Fried-rich, Gerhart Hauptmann und viele und vieles mehr begegnen.Hans-Dieter Rutsch ist noch in der DDR zu einem profilierten Dokumen-tarfilmer geworden. Und das tut er immer noch: filmen, aber eben auch schreiben. So liest er nicht nur aus seinem neuen Buch über Schlesien, sondern er zeigt auch Bilder und Filmausschnitte. Wir freuen uns auf einen vielfältigen Abend.

Winfrid Halder

Rowohlt, Berlin 2014

Hans-Dieter Rutsch, geboren 1954, arbeitete als Dramaturg , Autor und Regisseur beim DEFA Studio für Do-kumentarfilme in Babelsberg. 1995 be-gründete er die Havel-Film Babelsberg. Er realisierte über fünfzig Dokumen-tationen, Features und Reportagen vor allem zu Themen der ostdeutschen und osteuropäischen Zeitgeschichte. 2012 erschien sein Buch «Die letzten Deut-schen. Schicksale aus Schlesien und Ost-preußen».

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1717 BUchPräsEntation

Ein Abend mit Sergej Lochthofen

Schwarzes Eis und graues Land

»Dass ich im Gulag auf die Welt kam und doch eine behütete Kindheit hat-te, dass ich von dort nach Deutschland kam und nicht irgendwohin in die Step-pe, dass es der Osten war und nicht der Westen, Gotha und nicht Berlin, dass ich in eine russische und nicht in die deutsche Schule ging, einen sow-jetischen Pass und nicht einen Ausweis der DDR besaß. Nichts davon ist selbstverständlich. Ver-mutlich auch nicht, dass ich keine Heimat habe.« (Grau, S. 16) Sergej Lochthofen, Journalist und jahre-lang Chefredakteur der »Thüringer Allgemei-nen«, hat mit seinen 2012 und 2014 erschie-nen Romanen »Schwar-zes Eis« und »Grau« nicht nur die ungewöhnliche Geschich-te seiner Familie aufgeschrieben, son-dern beschreibt zugleich ein Leben der doppelten Identität in zwei untergegan-genen Staaten. Geboren in der Sowjet-union, in Workuta, lebte Sergej Loch-thofen dort als deutsches Kind, kam nach Thüringen/DDR, wo er immer als Russe galt, den sowjetischen Pass behielt, dann später auf der Krim Kunst studierte und vor der Einberufung in die Sowjetarmee zurück in die DDR floh. Die doppelte Identität der ganzen Familie beginnt schon zwei Generatio-nen vorher, wovon der erste Roman »Schwar-zes Eis« handelt. Sergej Lochthofen beschreibt im »Lebensroman mei-nes Vaters« das System von Willkür und De-nunziation aus der Sicht eines Betroffenen – Lorenz Lochthofen – auf eine packend-detaillierte, jedoch sub-tile, den Humor nicht ausblendende Art und Weise, als Geschichte auch für solche Leser fesselnd, die weit weg sind von dem Thema Stalinismus und Gulag. Lorenz Lochthofen, ein Mann, der in den bluti-gen politischen Glaubenskämpfen des 20. Jahrhunderts seinen Idealen treu blieb, obwohl sie ihn fast das Leben kos-

teten, und der später in der DDR einen der größten Betriebe des Landes leitete und als einziger Gulag-Häftling ins ZK der SED berufen wurde.»Mein Vater, Lorenz Lochthofen, floh aus dem sich braun färbenden Deutsch-

land in die rote Sowjetuni-on. Ein Land, das vorgab, ihn schützen zu wollen. Als einfacher Schlosser aus dem Ruhrgebiet konnte er in Moskau studieren. Schien das nicht Beweis genug, dass ab sofort alles möglich war? Die bittere Zweideutigkeit musste er am großen Terror erfahren. […] Beide, Vater und Großvater, begegneten sich hinter dem Lagerzaun von Workuta. Dem Schick-salsort unse-rer Familie, der drei Ge-n e r a t i o n e n

verbindet. Dort im ho-hen Norden wurde ich geboren. […] Gemein-sam sind wir Zeugen ei-nes Jahrhunderts, das mit einer blutigen Revoluti-on 1917 begann und mit einer friedlichen Revolu-tion 1989 endete. Und nicht Marx, der geniale Utopist, oder Lenin, der wendige Pragmatiker, nein der stupide Stalin hat dieser Zeit seinen

Stempel aufgedrückt.« (Grau, S. 17)In den vergangenen Jah-ren sind einige Famili-enromane von Kindern deutscher Gulag-Häft-linge erschienen, die Zeugnis von der Geschich-te ihrer Väter geben, so von Eugen Ruge in »In Zeiten des a b n e h m e n d e n Lichts« und von ande-ren, die auf detailliertes Archivmaterial zurück-greifen. Während es in Russland in der Zeit von Glasnost eine aus-geprägte Lagerlitera-

tur gab, blieb in der DDR das Thema weitgehend tabu. Lediglich Ende der 1980er Jahre kursierte Solschenizyns

»Archipel Gulag« in oppositionellen Kreisen. Das gewachsene Interesse an diesen Geschichten und der Beschäftigung mit der Vätergeneration bringt differen-ziertere Betrachtungen der Ereignisse jenseits von Schwarz-Weiß hervor. Das gilt auch für Sergej Lochthofens Schil-derungen seiner Lebensgeschichte »Grau«, die sich bis in die Zeit der DDR fortsetzte und mit den Ereignissen der friedlichen Revolution 1989 wieder die Verschränkung von Deutschland und Sowjetunion deutlich macht.»Nicht wenige blicken heute auf das Leben von damals durch ein grobes Raster: Schwarz und Weiß. Mehr nicht. Es gibt Gründe dafür. Doch in mei-ner Erinnerung waren es vor allem die Grautöne, die das Leben in der Deut-

schen Demokratischen Republik prägten. [...] Grau in allen Schattie-rungen.«Was nach dem Lesen beider Romane erstaun-lich einleuchtend wird, formuliert Lorenz als Er-kenntnis, Botschaft und Aufgabe für seine Leser und Mitmenschen:»Ich habe keine Hei-mat. Aber ich bin des-halb nicht traurig. Sie fehlt mir nicht. Goethe ist mir genauso lieb wie Puschkin, Dostojewski wie die Mann-Brüder,

Tschechow wie Brecht. […] Habe ich vielleicht nicht nur eine Heimat, sondern zwei? Jedenfalls sind sich die Deutschen und die Russen viel näher, als sie es wahrhaben möchten. Schaut man auf das vergangene Jahrhundert

zurück, so sind wir Zwillinge.« (Grau, S. 18)Sergej Lochthofen ist Journa-list. 1953 wurde er als Sohn des deutschen Kommunisten Lorenz Lochthofen und einer russischen Mutter in Workuta geboren. Bis 2009 war er Chef-

redakteur der Thüringer Allgemeinen. Sein Vater Lorenz Lochthofen ging 1930 in die Sowjetunion. 1938 wurde er zu fünf Jahren Zwangsarbeit in Wor-kuta verurteilt. 1958 siedelte die Fami-lie in die DDR um. Am 11. Februar 2015 wird Sergej Lochthofen aus seinen Romanen lesen und Musik aus Workuta spielen.

Katja Schlenker

Rowohlt Verlag, Berlin 2012.

Rowohlt Verlag, Berlin 2014.

Sergej Lochthofen

di, 17.03. 19.00 Uhr

Page 18: West-Ost-Journal 1/2015

18 stUdiEnFahrt

Studienreise nach Polen vom 15. bis 22. April 2015

Auf den Spuren deutsch-polnischer Geschichte

1. Tag: Mittwoch, 15. AprilFlug von Düsseldorf nach Posen (Poznań). Transfer zum Hotel. An-schließend Stadtbesichtigung von Po-sen. Den großen Markt (Stary Rynek) säumen reizvolle Bürgerhäuser, darun-ter Krämerläden aus dem 16. Jahrhun-dert. Zu den wichtigsten Sehenswür-digkeiten der Stadt zählt das Rathaus am Altmarkt. Es entstand um 1550 und gilt als wichtigstes Bauwerk der Renais-sance in Polen. Anschließend Besuch der Dominsel (Ostrów Tumski) öst-lich der Altstadt. Die Insel wird von der Peter- und Paul-Kathedrale dominiert, die im 15. Jahrhundert ihre endgültige Form erhielt. In den Kellergewölben finden sich Überreste einer vorroma-nischen Kirche aus dem 10. und 11. Jahrhundert. Im Dom finden sich die Grabmäler der ersten beiden polni-schen Könige, Mieszko I. und Bolesław Chrobry.

2. Tag: Donnerstag, 16. April Heute heißt es: »Theo, wir fahr‘n nach Lodz.« Lodz (Łódź) wird wegen seiner Textilindustrie auch das »polnische Manchester« genannt. Der ehemalige Reichtum der Stadt lässt sich an den Pa-lais und prächtigen Bürgerhäusern able-sen, die die Piotrkowska, die 4 km lange Hauptstraße der Stadt, säumen. Maß-geblichen Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung im letzten Jahrhundert hatten jüdische und deutsche Indust-rielle. Im Rahmen der Stadtrundfahrt besuchen Sie den jüdischen Friedhof in Lodz. Mit 40 ha und 180.000 Grä-bern ist er der größte erhaltene jüdische Friedhof Europas.

3. Tag: Freitag, 17. April Am Morgen fahren Sie nach Żelazowa Wola, in den Geburtsort von Fryde-ryk Chopin. Besuch seines Geburts-hauses. Das ehemalige Herrenhaus ist von einem herrlichen Park umgeben und beherbergt heute eine Chopin-

Gedenkstätte. Ein Konzert bildet den Höhepunkt des Besuches. Weiterfahrt nach Warschau (Warszawa). Bummel mit der Reiseleitung zum Schlossplatz und durch die Warschauer Altstadt.

4. Tag: Samstag, 18. April Ganztägige Be-sichtigung von Warschau. Am Morgen zunächst Spaziergang im Ł a z i e n k i - Pa r k . Die heutige Park-anlage war einst Sommerresidenz des letzten pol-nischen Königs Stanisław II. Au-gust Poniatowski. Anschließend Stadtbesichtigung von Warschau. Sie besuchen das Königs-schloss und die königliche Sommerre-sidenz Schloss Wilanów.

5. Tag: Sonntag, 19. April Heute geht es weiter Richtung Osten an die Weichsel. In Puławy an der Weich-sel besuchen Sie das Schloss der Fürs-ten Czartoryski. Danach geht es weiter nach Kazimierz Dolny. Das wunder-schöne Städtchen trägt den Beinamen »Perle der polnischen Renaissance«. Touristen und Künstler aus der ganzen Welt zieht es in seinen Bann. Nördlich von Lublin liegt das Schloss Kozłówka, Ihr nächstes Ziel. Weiterfahrt nach Lublin. Stadtführung in Lublin. In der historischen Altstadt mit ihrer original erhaltenen Anlage finden sich zahlrei-che Kirchen, Bürgerhäuser und Stadtto-re. Nördlich der Altstadt befindet sich das Schloss aus dem 14. Jh. Von großer kunsthistorischer Bedeutung ist die kö-nigliche Kapelle im Schloss, in der alte byzantinische und altrussische Malerei-en aus den Zeiten der Jagiellonen erhal-ten sind. Möglichkeit zum Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers Maj-danek, direkt vor den Toren von Lublin.

6. Tag: Montag, 20. April Das erste Ziel des heutigen Tages ist Sandomierz. Am hohen Weichselufer gelegen, gehört die Altstadt von Sando-mierz zu den besterhaltenen in Polen. Weichselaufwärts besuchen Sie das Örtchen Baranów Sandomierski, das wegen seines im Renaissancestil erbau-ten Leszczyński-Palastes bekannt ist. Am späten Nachmittag erreichen Sie Krakau (Kraków).

7. Tag: Dienstag, 21. April Stadtbesichtigung von Krakau, der schönsten und traditionsreichsten Stadt Polens. Besichtigung des Wawel-hügels mit der Kathedrale der Tuchhal-len am Hauptmarkt und der Marienkir-che mit dem weltberühmten Altar von

Veit Stoß. Der S p a z i e r g a n g endet mit dem Besuch der Kra-kauer Universität. Am Nachmittag besuchen Sie das jüdische Stadt-viertel Kazimierz, das ab 1495 die Wohnstätte der Krakauer Juden war, eine Insel

jüdischer Tradition. Hier steht die äl-teste Synagoge Polens. Auch der heute noch erhaltene jüdische Renaissance-friedhof R´emuh befindet sich hier. Im Anschluss besuchen Sie »Schindlers Emaillewarenfabrik«. Diese gehör-te einst Oskar Schindler. Kultureller Abend mit koscherem Abendessen in einem jüdischen Restaurant in Krakau mit Klezmer-Musik.

8. Tag: Mittwoch, 22. April Am Morgen fahren Sie nach Wielicz-ka, das vor den Toren von Krakau liegt. In Wieliczka befindet sich das älteste Salzbergwerk Europas, ein absoluter touristischer Leckerbissen. Der Rund-gang führt bis in eine Tiefe von 135 m. Bizarr geformte Stollen und Kammern und sogar eine unterirdische Kapelle mit aus Salz geformten Figuren machen Wieliczka zu einem Ziel ersten Ranges. Freie Zeit in Krakau. Transfer zum Flug-hafen Kattowitz. Rückflug nach Dort-mund; Abflug um 15.30 Uhr, Ankunft um 17.10 Uhr. Heimreise.Änderungen vorbehalten.Anmeldefrist: 15.01.2015

Der Preis für die Reise beträgt 1.149,00 € mit Halbpension und Unterbringung im Doppelzimmer. Einzelzimmerzuschlag: 220.00 €.

Information und Anmeldung:Stiftung Gerhart-Hauptmann-HausHerr Matthias LaskBismarckstr. 9040210 Düsseldorf Tel: 0211 - 16 99 118E-Mail: [email protected]

Altstadt von Warschau

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Tuchhallen auf dem Krakauer Markt

Page 19: West-Ost-Journal 1/2015

19 lEsUng

Vom Zufall in einem Temeswarer Hotel zusammengeführt, begeben sich drei westliche Reisende, jeder mit eigenen Erfahrungen hinter und mit jeweils an-deren Zielvorstellungen vor sich, auf ge-meinsame Fahrt zur östlichen Schwelle dessen, was vor hundert Jahren Mittel-europa gewesen ist. Marlen, mit dreißig die jüngste, reist gewissermaßen um zu reisen, von sich weg und ohne anderen Vorsatz als den eines beiläufigen Tape-tenwechsels. Betty, eine vom Schicksal nicht gerade verwöhnte Endfünfzi-gerin, bricht aus ihrer »geordneten Salzburger Bedeutungslosigkeit« nach Czernowitz auf, um dort für sich die »nicht öffentlich gewordene Fragwürdigkeit« einer Affä-re ihrer verstorbenen Freun-din Maindl zu ergründen. Phil schließlich, ein Mann mit »Sinn für das, was nicht lohnt«, der seiner Vergangen-heit hinterherläuft, »um alles in eine Ordnung zu bringen, die dann doch nicht weiter-hilft«, ist zwischen Werschetz und Lemberg auf Spurensu-che seines Banater Großvaters Franz Potichen, im August 1914 als Honvéd eingezogen, schon im Dezember in Gali-zien gefangengenommen und dreiunddreißigjährig in Omsk an der Ruhr verstorben.

Ein jegliches hat seine Zeit

Ein Reiseroman also? Gewiss, und gleich in mehrfachem Sinn. Zunächst eine textge-genwärtige Reise als tragendes äußeres Gerüst des Romans, mit zwanglosen Aufenthalten unter-wegs, mit oft nur beiläufigem Interesse an landeskundlichen und kulturhisto-rischen Erkenntnissen, mit weiteren menschlichen Begegnungen wie mit dem orthodoxen Kirchenmaler Paul oder dem in eine Naphtalinwolke »ein-gemotteten halben Landsmann Alfred Roth«, der mehr an die alte Monarchie erinnert, als es die Hofburg in Wien ver-möchte.Zum anderen ist es, hundert Jahre später, eine virtuelle historische Reise durch die »Konkursmasse eines unter-gegangenen Imperiums«. Ihren Anfang nimmt auch diese im Banat, wo alle Flüsse schicksalhaft westlich abrinnen

Franz Heinz liest aus seinem neuen Werk »Kriegerdenkmal«

»Es war ein Tag, an dem die leisesten Wörter barsten wie dünnes Eis«

und die Bahnhöfe, »zeitlich entrückt und leicht verkommen«, noch ihre habsburgische Abkunft verraten; ihren End- und Höhepunkt stellt Czernowitz dar, eine Stadt, »die sich gegen ihr eige-nes Verständnis aus der europäischen Erinnerung gekippt vorkommt«. Atmo-sphärisch weht ein eisiger Wind durch die Stadt, dünner Schnee liegt »wie Schimmel auf Dächern und Simsen«, und im Text häufen und wiederholen sich Endzeitvokabeln wie »verhaucht«, »verklungen«, »verblasst«, »verlo-ren«, »erstorben«. »Es stirbt etwas aus in dieser Stadt, das nicht mehr zählt und seltsamerweise trotzdem fehlen wird«,

meint der Kellner des ehemaligen Café Habsburg, und Alfred Roth glaubt zu wissen: »Der Messias würde, wenn er einst käme, sich für Czernowitz nicht die Zeit nehmen.« Eine Stimmung endzeitlicher, resignativer Schwermut legt sich über den Text, und die emp-fundene Agonie der Stadt mag man als Endzeitmetapher für all das lesen, was in dem punktuell besichtigten Jahrhun-dert versunken oder versenkt worden ist, letztlich für einen Gestaltwandel der erfahrenen Welt, dessen Anfänge ad libitum auf das Ende Habsburgs bezo-gen werden können: »Beiläufiges und Anrührendes, Vertrautes und Kurioses überwölbt von einer nachträglichen, je-

doch keineswegs fragwürdigen Freund-lichkeit des Herzens« (S. 177).

»Draußen keine Landschaft«

Dieser rahmend wiederholte Satz so-wie der sich gleichfalls durch Wieder-holungen zum Topos verfestigende verwehrte Blick durch beschlagene, »in den Winkeln verfleckte Scheiben« der Abteilfenster legt nahe, dass es sich zum dritten um eine innere Reise handelt, auf der in scheinbar beiläufig unver-bindlichem, tatsächlich aber in gezielt gelenktem Diskurs viel menschlicher Innenraum – eigener und als Bewusst-

seinssubstrat mitgeführter frem-der – nach außen gekehrt wird und sich in Mutmaßungen, Betrachtungen, Erkenntnissen und – ja doch: in Sentenzen als eigentliche Substanz des Buchs niederschlägt. Von drei unter-schiedlichen Protagonisten samt ihren mental mitgeführten und beständig zur Zeugenschaft aufgerufenen Bezugsfiguren vertreten, zeichnen sich diese Mentalitätsentwürfe durch po-lyphone Orchestrierung aus: Die Geschichte sei vielstimmig, meint Phil, auch die geäußerten Standpunkte sind es, zugleich werden diese in einer toleranten Unschärfe belassen, den undeut-lich flüchtigen Fensterbildern nicht unähnlich.Mir ging während der Lektüre Fontanes Bemerkung zu seinem Stechlin nicht aus dem Sinn: »Zum Schluss stirbt ein Alter, und zwei Junge heiraten sich – das ist so ziemlich alles, was auf

500 Seiten geschieht. Von Verwick-lungen und Lösungen, von Herzens-konflikten oder Konflikten überhaupt, von Spannungen und Überraschungen findet sich nichts.« Und doch, was für ein Roman, der Stechlin! Was für ein Roman aber auch dieser, möchte ich sagen. Zunächst freilich ein eingegan-genes Risiko, denn Bücher wie dieses, so ganz ohne äußere Sensationen, wo wohl gestorben, aber am Ende nicht einmal geheiratet wird, verheißen we-nig Erfolg in den heutigen literarischen Feuchtgebieten. Es kommt in vorgebli-cher Anspruchslosigkeit daher und ist in Wahrheit ein sehr genaues, hinter-

Kriegerdenkmal 1914-1918 in der Banater Gemeinde Kowatschi

Fortsetzung auf Seite 20

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20 lEsUng

gründig erzähltes und gehobenes Buch, wie der Stechlin eben, ein Altersroman im besten Sinne des Begriffs: ein nach-denkliches, stilles und behutsames Buch, weise und anrührend, das in zu-rückgenommener Textur leise gesetzte Wörter beziehungsreich zum Klingen bringt. Solche Bücher setzen einen Le-ser voraus, der bereit ist sich einzulas-sen, die Nachdenklichkeit in Zustim-mung und Widerspruch zu teilen und auch mal zurückzublättern oder wie-derholt zu lesen.

Kriegerdenkmal

Es gibt im Roman nicht das eine titel-gebende Kriegerdenkmal, auch nicht jenes in den Waschzetteltext der vierten Umschlagseite verwiesene mit dem Na-men des Großvaters, dafür aber mehrere auf der Reise gestreifte. Sie mahnen an üble Vergangenhei-ten, und unter den Reisenden herrscht Konsens darüber, dass ein Denkmal verdient hat, wer eine befohlene Schlacht mit seinem jungen Leben be-zahlt hat. Bedenklich ist es freilich, dass Denkmäler politisch instrumentalisiert und von jeder neuen Macht genau dort aufgestellt werden, wo früher an-dere standen, bedenklicher noch, dass Siegeszeichen den Patriotismus nach-träglich als machtgefügigen Applaus inszenieren, so dass schließlich keiner mehr so richtig hinsieht und man das ernüchternde Fazit des Czernowitzer Droschkenkutschers über alte Denk-mäler und gegenwärtige Touristen zu teilen bereit wird: »Mochten sie sich doch ansehen, was übriggeblieben war von den Habsburgern und den Roma-nows. Nicht einmal ein Stiefelabdruck auf dem Kasernenhof, kein nachhallen-des ‚Habt Acht‘. Verklungen waren die teutonischen Märsche, die russischen Trommeln erstorben, der Fahneneid verhaucht, die Denkmäler gestürzt. Mochten sie die historische Wahrheit suchen, die Geschichte dreimal durchs Sieb werfen und dreimal die Gerech-tigkeit – sie werden heimfahren mit Brosamen im Gepäck, in ihrem neuen Wohlstand verkommen und auch wie-derkommen als Gäste« (S. 170). Auch Denkmäler haben ihre Zeit, wie alle Strebsamkeit schließlich nach ehernem Gesetz »ins Erdreich versenkt« wird. So gewinnt auch Phil am nicht gekenn-zeichneten frischen Grab Alfred Roths das Gefühl, am Endpunkt seiner ge-schichtlichen Erkundungen angelangt zu sein. »Es brächte nicht weiter als bis zum nächsten unbestimmbaren Grab

und zur Einsicht, dass darüber hinaus mehr nicht zu erfahren sein dürfte.« Seine Weiterfahrt nach Lemberg wird beliebig, »der Zug raste aus der Zeit«, führt »vorbei an der Geschichte«.

»Wir haben alle Mühe mit der Ge-genwart«

Der regional empfängliche Leser dürfte besonders von Phils eingeblendeten Er-zählungen über seine früheren Reisen berührt werden, und auch ich vermute an diesen unterschiedlich ausgelegten Schnittstellen realer Reisen und virtu-eller Fahrten zurück in die Geschichte eines der Atemzentren des Romans. Hier erreicht er anrührende Aktualität mit seinen exemplarisch vielstimmigen Lagebefunden der halben Landsleute Phils, sowohl derer, die vor Ort geblie-ben sind, als auch derer, die westwärts abgeflossen sind.Auf Erkundung des großväterlichen To-desortes trifft Phil im sibirischen Omsk auf Maria, in der örtlichen deutschen Restgemeinde zupackend »zustän-dig für alles, was für ein Vergelt’s Gott zu tun war«. Über den Mühen ihrer Gegenwart ist sie bereit, Fragen zur ei-genen Geschichte aufzuschieben, ihr Wissen um Vertreibung und Willkür-drangsalierungen hintanzustellen, sich sogar mit der Anpassung ihres Namens-klanges an den örtlichen Zungenschlag abzufinden und zu bekennen: »Nur wer vergisst, wagt einen Anfang«.Anders Alfred Roth, der von sich sagt, er habe nur noch eine Vergangenheit, und der den Eindruck macht, »als wäre ihm alles genommen worden – Wür-de, Bedeutung, Vermögen, Geschichte und Zukunft«. Er ist unterwegs in die geschichtliche Utopie des alten Czer-nowitz, weil er Mühe hat, mit einem verunsicherten Selbstgefühl in seiner Gegenwart klarzukommen: »Meine Tochter, sehn Sie, spricht mit ihrem Mann polnisch, das Kind geht in die ukrainische Schule und ich träume jiddisch. Es ist alles gut, verstehen Sie, doch nichts ist richtig« (S. 159). Was Wunder, dass auch in seinem Tod nichts »richtig« wird.Und schließlich Phil. Sein Großvater, dem er nachspürt, war tüchtiger Hand-werker und stolz auf sein Haus in Perja-mosch, »ein Herrenhaus nahezu«, das er »seine Insel« nannte. Bei dem, was noch davon übrig ist, hat der westliche Enkel Mühe, »die alte Wahrheit und die neue Wirklichkeit« zusammenzu-bringen: »[…] die Ecktür vermauert und grob mit Mörtel beworfen, die Fenster blind, sieben insgesamt, Blech-stücke ins schadhafte Dach geschoben, die Rauchfänge angenagt, Schimmel im

Gemäuer. […] War das noch Heimat? Jenes Fleckchen Erde, das dich nicht loslässt und zu dem du immer wieder zurückfindest, weil die ganze übrige Welt nur Fremde sein kann, die sich dir verweigert und dich abweist? […] Gehst durch dein Dorf und fragst dich, ob du da bist« (S. 33 - 35).So mancher, der Räume bereist hat, die ihm oder seinen Vorfahren Heimat waren, dürfte ähnliche Erfahrungen ge-macht und sich gefragt haben, ob nicht auch da etwas ausstirbt, das nicht mehr zählt und trotzdem fehlen wird. Perja-mosch zum Beispiel – nur noch »ein gedachter Ort, verkümmert und über-wuchert vom Wildwuchs der Zeit« wie das alte Czernowitz? – »historisches Dekor vermengt mit einem Endzeit-gefühl, das noch keinen Namen hatte und weder aufzuhalten noch vorstellbar war. Schicksal in seiner Vollendung« (S. 153)? »Weißt es und begreifst es nie. Hältst es aus.«

Michael Markel

Franz Heinz stammt aus Perjamosch im Banat. Nach dem Studium der Ge-schichte und Geographie in Bukarest arbeitete er als Journalist bei der in Bu-karest erscheinenden deutschsprachigen Zeitung »Neuer Weg«, war Mitarbeiter des deutschen Programms des rumäni-schen Fernsehens und Rundfunks und veröffentlichte auch erste literarische Texte. 1976 erfolgte die Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland, wo Franz Heinz u.a. als Chefredakteur der Zeitschrift »Der gemeinsame Weg« und von 1990 bis 1995 des »Kultur-spiegels« tätig war. Seit 1995 war er Chefredakteur der von der Stiftung Mit-teldeutscher Kulturrat herausgegebenen Zeitschrift »Kultur-Report«. Franz Heinz ist Herausgeber und Verfasser von Erzählungen, Essays, Theaterstücken und Hörspielen.

Fr, 06.02. 19.00 Uhr

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20 lEsUng 21 KonzErt & MEldUng

Tschechische jüdische Komponisten im Zweiten Weltkrieg

Zuflucht in der Musik Theresienstadt, Auschwitz, Buchen-wald – konnte es an diesen Orten des Grauens Musik geben? Wohl kaum. Aber wer so denkt, der irrt. In den Kon-zentrationslagern machten Menschen Musik. Es existierten Orchester, Chö-re, Kammermusikzirkel. Insbesondere in Theresienstadt gab es so etwas wie eine »lebendige« Musikkultur. Man spielte Oper und Jazz, Kabarett und Neue Musik. Für die in den Konzentrati-onslagern gefange-nen Menschen war Musik eine tempo-räre Zuflucht vor der sie umgebenden Finsternis. Das aus Prag stammende Janáček Trio hat ein Konzertprogramm mit Wer-ken jüdischer Komponisten, die in den Konzentrationslagern Theresienstadt, Auschwitz, Fürstengrube, Wülzburg und Buchenwald gefangen waren, zu-sammengestellt. Die meisten von ihnen haben die Gefangenschaft nicht über-lebt. Sie wurden in Auschwitz ermordet. Zu ihnen zählten der aus Přerov stam-mende Gideon Klein (1919-1945), der Brünner Pavel Haas (1899-1944) und der in Prag geborene Erwin Schulhoff

(1894-1942). Der einzige Überleben-de war Petr Eben (1929-2007), der in Buchenwald inhaftiert war. Ih-ren Willen, komponieren und musizieren zu können, ließen diese Musiker sich auch nicht im Konzentrationslager neh-

men. Ihre Werke sind nach dem Krieg in Vergessenheit gera-ten und wurden erst in den 90er Jahren »wiederentdeckt«. Dieses vergessene Stück Musikge-schichte will das Janáček Trio mit sei-nem Konzert wieder in Erinnerung rufen. Das Janáček Trio

wurde von der tschechischen Klavier-spielerin Markéta Janáčková im Jahr 2001 gegründet. Markéta Janáčková (geb. 1974) studierte am Konservatori-um in Teplitz und an der Akademie der musischen Künste in Prag (AMU). Seit 2009 ist Markéta Janáčková Musikdi-rektorin des Tschechischen Rundfunks und Vizepräsidentin des Jugendforums. Sie befasst sich seit 1999 mit der The-matik Komponisten im KZ Theresien-stadt. Sie nahm an dem internationalen Projekt »Zum Gedenken an die The-

Das Janáček Trio: v.l.n.r. Jan Keller (Violoncello), Irena Herjanová (Geige), Markéta Janáčková (Klavier)

Neuanfang im ehemaligen Franziskanerkloster in Warendorf

Westpreußisches Landesmuseum am neuen Standort wiedereröffnet

Nach dem Umzug aus Münster-Wol-beck hat das Westpreußische Landes-museum am 9. Dezember 2014 wieder seine Tore geöffnet. Im ehemaligen Franziskanerkloster am Rande des historischen Kerns der westfälischen Kreisstadt Warendorf können nun die Besucherinnen und Besucher die um-fassende Sammlung des Museums in den neubezogenen Räumlichkeiten be-sichtigen. Bereits am 6. Dezember fand im Rahmen der Wiedereröffnung ein Festakt statt, an dem auch die Kultur-staatsministerin Prof. Monika Grütters teilgenommen hat. Die Besucher finden im Museum eine völlig neu konzipierte Dauerausstel-lung: Die Geschichte und Kultur des historischen Westpreußen, dessen Ge-biet heute Teil der Republik Polen ist, wird in Warendorf nun unter dem Mot-

to »Begegnungen mit einer deutsch-polnischen Kulturregion« präsentiert. Dabei werden unterschiedliche Aspekte der vielschichtigen Kultur-, Wirtschafts- und politischen Geschichte dieser Region ausgeleuch-tet; der zeitliche Rahmen reicht von der Vor- und Früh-geschichte bis in die Gegenwart. Gezeigt werden u.a. Gemäl-de und kostbare Arbeiten des Kunsthandwerks, anhand derer die kulturelle Blüte Preußens, insbesondere im 16. und 17. Jahrhun-dert, sowie der für Deutsche wie Polen wichtige »Erinnerungsort Westpreu-ßen« erfahrbar gemacht werden. Die

Alltagskultur der Region repräsentie-ren Möbel, Textilien und eine Vielzahl an Objekten des täglichen Gebrauchs;

Fotos und Doku-mente machen die wechselvolle und auch konfliktreiche interkulturelle Ge-schichte Westpreu-ßens zugänglich. Über Medienstati-onen werden Ein-drücke der Region heute vermittelt, eine zeitgemäße

Ausstellungsarchitektur schafft zusätz-liche Dimensionen des Verstehens und führt den Besucher schlüssig durch die Ausstellung. Die Präsentation will sich

Fortsetzung auf Seite 22

Kreuzgang

In Kooperation mit

resienstadter Komponisten« im Ham-burg und Prag teil und trat mit ihrem

Programm in Theresienstadt sowie in Dänemark auf.Irena Herajnová (geb. 1979) studierte am Konservatorium in Pilsen und an der Akademie der musischen Künste in Prag (AMU). Im European Union

Youth Orchestra repräsentierte sie die Tschechische Republik. Sie war Mit-glied der Prager Kammerphilharmonie und des Quartetts Martinů und ist die Stellvertreterin des Konzertmeisters der Tschechischen Philharmonie.Jan Keller (geb. 1975) studierte an der Akademie der musischen Künste (AMU) in Prag. Er absolvierte weite-re Studienaufenthalte in Tschechien und England. Keller war Mitglied des Symphonieorchesters des Tschechi-schen Rundfunks. Zurzeit spielt er in der Tschechischen Philharmonie und unterrichtet am Jaroslav Ježek Konser-vatorium in Prag.

Fr, 06.03. 19.00 Uhr

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22 MEldUng & BUchPräsEntation

insgesamt nicht nur auf die historische Rückschau beschränken, vielmehr soll die Auseinandersetzung mit Geschich-te als Orientierung und Herausforde-rung auch für die Gegenwart und Zu-kunft verstanden werden. Zu diesem Anspruch trägt auch die Tatsache bei, dass die Archive und die 12.000 Titel umfassende Biblio-thek des Museums sich noch stärker für Besucher öffnen werden; sie dienen somit ebenfalls als Ort des Wissens-austauschs und der Kommunikation.Die grenzübergreifende Arbeit bildet einen wichtigen Schwerpunkt der Auf-gaben, die das Westpreußische Lan-desmuseum übernommen hat. Der Austausch auf wissenschaftlicher und künstlerischer Basis wird gefördert,

Westpreußisches LandesmuseumFranziskanerklosterKlosterstraße 2148231 WarendorfTel.: 02581/92777-0

Öffnungszeiten: Di. bis So. 10.00 – 18.00 Uhr, Mo. geschlossen

Sonderausstellungen entstehen häufig in Zusammenarbeit mit polnischen Partnerinstitutionen. Zudem existiert eine Außenstelle des Westpreußischen Landesmuseums in den Räumen des Regionalmuseums in Krokowa/Krockow, unweit von Gdańsk/Danzig.

Die kulturelle Brei-tenarbeit wird maß-geblich getragen durch das Kulturre-ferat Westpreußen, das ebenfalls am Museum angesie-delt ist. Die Tätig-keit der Kulturrefe-rentin widmet sich, eigens gefördert

von der Beauftragten der Bundesregie-rung für Kultur und Medien, der Ver-mittlung von Kultur und Geschichte Westpreußens nach § 96 BVFG. In den Programmen und Veranstaltungen, insbesondere auch solchen für Kinder

und Jugendliche, wird das historische Westpreußen in den Kontext einer ge-samteuropäischen Geschichts- und Er-innerungskultur integriert.Trägerin des Westpreußischen Lan-desmuseums ist die Kulturstiftung Westpreußen, gefördert wird das West-preußische Landesmuseum durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie den Land-schaftsverband Westfalen-Lippe, das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Warendorf.

Danzigzimmer

Gespräch mit dem Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Roland Jahn

»Wir Angepassten. Überleben in der DDR«Wie war das Leben in der DDR? Men-schen, die das nicht »am eigenen Leib« erlebt haben, können es sich kaum vor-stellen, wie es ist, in einer Diktatur zu leben. Roland Jahn erzählt in seinem Buch »Wir Angepassten« von seinem Alltag in der DDR. 1953 in Jena ge-boren, läuft er als Kind zunächst mit. Seine Eltern gehören nicht zur Partei, haben sich aber mit dem System arran-giert und verlangen das auch von ihrem Sohn. Nur wenn man sich anpasst und nicht widerspricht, hat man ihrer An-sicht nach eine Chan-ce in diesem Staat. Jahn schildert in sei-nem Buch die ver-schiedenen Formen der Anpassung als Überlebensstrategie: »sich durchlavieren«; das eine sagen und das andere meinen; das Geforderte bedienen, ohne sich selbst zu ver-raten. Anhand von Alltagssituationen beschreibt Jahn den Spagat zwischen Anpassung und Widerspruch, den er, wie viele DDR-Bürger auch, dabei voll-führen musste. Zur Wahl gehen oder den Studienplatz riskieren? Den Kon-takt zur Tante im Westen abbrechen oder den beruflichen Aufstieg gefähr-den? Am 1. Mai die DDR-Fahne raus-hängen oder nicht? Je älter Jahn wird, desto schwerer fällt es ihm, nicht zu wi-dersprechen und desto weniger mag er

sich mit der staatlichen Gängelung ab-finden. 1975 beginnt er in Jena das Stu-dium der Wirtschaftswissenschaften und verliert seinen Studienplatz 1977, als er öffentlich in einem Seminar die Ausbürgerung Wolf Biermanns kritisiert. Frei seine Meinung zu äußern ist in der DDR nicht gestattet. Jahn wird Transportarbeiter bei Carl Zeiss Jena. Ende der 1970er Jahre beginnt er sich in der Friedensbewegung zu enga-gieren, protestiert gegen fehlende Mei-

nungsfreiheit und die zunehmende Militari-sierung in der DDR. Mit 29 Jahren wird er wegen »staatsfeindli-cher« Aktivitäten von der Staatssicherheit verhaftet und 1983 gegen seinen Willen aus der DDR gewor-fen. In der Bundesrepublik

arbeitet Jahn als Journalist. Für die ZDF-Redaktion »Kennzeichen D« und das ARD-Magazin »Kontraste« berichtet er über Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in der DDR. Nach dem Fall der Mauer werden die Folgen der SED-Diktatur eines seiner zentralen Themen als ARD-Redakteur. 2011 wird er vom Deutschen Bundes-tag zum neuen Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen gewählt. Roland Jahn, selbst ein »Rädchen im

Mechanismus der Diktatur«, bevor er sich verweigerte, geht es in seinem Buch nicht um Schuldzuweisungen,

sondern um die Frage nach der Verantwortung des Einzelnen. Wie ausgeliefert ist der Einzelne dem System der Diktatur? Hätte man auch anders handeln kön-nen? Was wäre der Preis gewe-sen? Es gibt für diese Fragen kei-

ne einfachen Antworten. Jahn versucht sie dennoch zu beantworten und zeigt insbesondere denjenigen, die nicht in der DDR gelebt haben, den Westdeut-schen und den nach dem Mauerfall vor 25 Jahren Geborenen, dass das Leben unter den Bedingungen einer Diktatur Menschen oft vor unmögli-che Entscheidungen stellt: »Das eigene Menschsein wird auf eine bisweilen ab-surde Art getestet.«

Semestereröffnung VHSVeranstaltungsort: VHS Düsseldorf, Bertha-von-Suttner-Platz 1, Saal 1Eintritt: 6,00 €Kartenreservierung unter Tel. 0211-8992427

In Kooperation mit

Mi, 11.02. 19.00 Uhr

Roland Jahn

Page 23: West-Ost-Journal 1/2015

23 ExKUrsionEn

Gespräch mit dem Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Roland Jahn

Treffpunkt für beide Exkursionen: Hauptbahnhof »Servicepoint«, 8.40 Uhr (pünktlich), Abfahrt 8.58 UhrFahrtkosten werden vor Fahrtbeginn auf die Teilnehmer umgelegt (Gruppenticket Schöner-Tag-NRW/VRS-Gruppenticket)Anmeldung über die VHS Düsseldorf, Info unter 0211/899-4150, www.duesseldorf.de/vhs/service/an_und_abmeldung.shtml

Das schlesische Kreisau, einst Wohnsitz der Familie von Moltke, ist zum Inbe-griff nicht nur für den Widerstand gegen die NS-Diktatur, sondern auch für die Vision einer friedlichen europäischen Neuordnung nach dem Krieg geworden. Einstmals Gutshof und Schloss beherbergt Kreisau heute eine internationale Jugendbegegnungsstätte, in deren Fokus die deutsch-polnische Verständigung steht. Eine Sonderausstellung des Hauses Schlesien bei Königswinter im Sie-bengebirge zeigt die Facetten des Widerstands gegen das nationalsozialistische Regime und lädt ein, sich mit den Überlegungen des »Kreisauer Kreises« für eine neue europäi-sche Friedensordnung auseinanderzusetzen. Nach einer Führung durch die Ausstellung wird Dr. Inge Steinsträßer, die in den 1990er Jahren Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung Kreisau war, in einem Vortrag über die Wurzeln und Perspektiven der Begegnungsstätte informieren.

Teilnehmergebühr: 25 € (Anmeldeschluss: 18.02.2015)

Mi, 25.02. 8.40-18 Uhr

Tagesexkursion zur Sonderausstellung in Haus Schlesien, Königswinter

Der »Kreisauer Kreis«

Neuordnung im Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn hat sich zum Zentrum internationaler Organisationen gewandelt. Im »Langen Eugen«, wo einstmals die Bundestagsab-geordneten ihre Büros hatten, residieren nun die Vereinten Nationen mit 17 ver-schiedenen Organisationen. Von Katastrophenvorsorge bis Klimaschutz reichen die Themen der hier ansässigen Referate. Eine Führung durch die neu gestalteten UN-Gebäude gibt Einblicke in die vielfältige Arbeit der Vereinten Nationen, ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den friedenserhaltenden und sicher-

heitspolitischen Maßnahmen der internationalen Organisation. Am Nachmittag folgt ein Besuch der aktuellen Sonderausstellung »Aufbruch im Osten« im Haus der Geschichte.

Teilnehmergebühr: 15 € (Anmeldeschluss: 12.03.2015)

do, 26.03. 8.40-18 Uhr

Langer Eugen

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»In Vielfalt geeint« lautet das Motto der Europäischen Union. Abgeordnete aus 28 Nationen gestalten im Europäischen Parlament die politischen Rahmenbedin-gungen für das tägliche Leben in ganz Europa mit. Doch unsere gewählten Vertre-ter sind nur ein Teil im Institutionengeflecht der EU: Kommission, Europäischer Rat, Rat der EU, viele sind an den Entscheidungen beteiligt und noch mehr versu-chen als Lobbyisten Einfluss auf die Ergebnisse zu nehmen. Bei einem Gespräch mit dem Europaabgeordneten Karl-Heinz Florenz (CDU) im Europäischen Parlament wollen wir Chancen und Grenzen der europäischen Politik hinterfragen. Ein Besuch in der NRW-Vertretung in Brüssel gibt uns einen Einblick in die Lobbyarbeit unseres eigenen Landes und ein Rundgang durch das Europäische Viertel Brüssels macht die Dimensionen europäischer Bürokratie deutlich.

Teilnehmergebühr: 35 € inkl. Fahrt mit dem Reisebus (Anmeldeschluss: 27.03.2015)

di, 14.04. 7.30-21 Uhr

Politik vor Ort

Tagesexkursion zum Europäischen Parlament nach Brüssel

Treffpunkt für diese Exkursion: Neuss Hauptbahnhof, Busparkplatz, 7.30 Uhr (pünktlich) Anmeldung über die VHS Düsseldorf, Info unter 0211/899-4150, www.duesseldorf.de/vhs/service/an_und_abmeldung.shtml

Europäisches Parlament in Brüssel

In Kooperation mitTagesexkursion

Auf dem Weg zum Weltfrieden?

Besuch des UN-Campus in Bonn

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24 24 vortrag & KonzErt

Vortrag von Arkadiusz Wełniak

Polnische Remigranten aus Nordrhein-Westfalen in Polen in den Jahren 1948 bis 1950

Ende des 19. Jahrhunderts wanderten im Zuge der Industrialisierung hun-derttausende Menschen polnischer Herkunft ins Ruhrgebiet ein. Auf der Suche nach Arbeit wurden sie von der Schwerindustrie angelockt, die ihnen bessere Lebensbedingungen in Aus-sicht stellte. Häufig stammten sie aus dem sogenannten Preußisch-Polen, jenem Teil des polni-schen Staates, der nach den drei Teilun-gen Polens 1772, 1793 und 1795 und dem damit verbundenen faktischen Ende des polnischen Staates an Preußen gefallen und nun preußisches Staatsgebiet war. Die-se Einwanderer waren daher Preussen und ab 1871 deutsche Staatsbürger. Um Ar-beiter gezielt anzuwerben, reisten pro-fessionelle Agenten in die ländlichen Gebiete der preußischen Ostprovinzen. Die preußische Statistik erfasste 1880 rund 28.500 Ostauswanderer, vor dem Ersten Weltkrieg lebten ca. 350.000 (ethnische) Polen im Ruhrgebiet. Ihre Spuren lassen sich heute noch an vielen Familiennamen im Ruhrgebiet able-sen. Die Einwanderung der Polen ins

Ruhrgebiet, die de facto eine Binnenmigration war, ist ein wichtiges Kapitel der deutschen bzw. nordrhein-westfälischen Einwanderungsgeschichte. Was allerdings nur wenigen bekannt ist, ist die Tatsache, dass in der Zeit von 1948 bis 1950 ein Teil dieser Einwan-derer bzw. ihrer Nachfahren als Remi-

granten wieder nach Polen zurückkehrte. Sie folgten damit dem Aufruf der polnischen Regierung, die zur Be-siedlung der ehemals deutschen Gebiete Menschen mit be-ruflichen Fachkennt-nissen brauchte. Die staatliche Propaganda versprach den soge-nannten Repatrianten

bessere Lebensbedingungen, Arbeit, eine Wohnung. Dem Aufruf folgten in den ersten Nachkriegsjahren ca. 38.000 Polen aus Deutschland. Insbesondere 1948 erfolgte eine große Auswande-rungswelle, nachdem der Bund der Po-len in Deutschland (1922 in Berlin ge-gründet) auf Einladung des polnischen Staatspräsidenten Bolesław Bierut nach Polen gereist war und sich dort über mögliche Rückkehrbedingungen in-

formiert hatte. Der erste organi-sierte Transport mit polnischen Heimkehrern aus NRW starte-te in Wanne-Eickel. Zwischen 1948 und 1950 machten sich Remigranten u.a. aus Duisburg,

Oberhausen, Essen, Mülheim an der Ruhr, Gelsenkirchen, Rheinhausen, Dortmund, Hagen, Herne, Bottrop, Bo-chum und Recklinghausen auf den Weg in ein neues Leben. In seinem Vortrag ordnet Arkadiusz Wełniak diese Migration in den histori-schen Kontext ein, erläutert die Motive für eine Rückkehr nach Polen sowie die Lebensbedingungen der Remigranten in der »neuen alten Heimat«. Nicht im-mer lief diese Rückkehr problemlos ab und nicht alle Rückwanderer fanden in Polen ihr Glück. Margarete Polok

Mi, 04.03. 19.00 Uhr

Herbst 1948: Remigranten aus dem Rheinland mit Delegierten vom Bund der Polen in Deutschland A r k a d i u s z

Wełniak, 1973 in Dirschau geboren, studierte Geschich-te an der Universi-tät Danzig. Seine Promotion schrieb

er über »Die Gestaltung der Bevölke-rungsverhältnisse im Kreis Elbing in den Jahren 1945 bis 1950«. Bis 2011 war er als Archivar im Stadtarchiv Elbing mit Sitz in Marienburg tätig.

Ein musikalisches Porträt des Komponisten Erich Wolfgang Korngold

»Licht! Kamera! Korngold!«Der Komponist Erich Wolfgang Korn-gold wurde 1897 in Brünn geboren und gilt heute als das letzte musikali-sche Wunderkind. Mit nur elf Jahren komponierte er seine erste Ballettmusik »Der Schneemann«, die an der Wiener Staatsoper uraufgeführt wurde. Erste Opernkompositionen waren bereits von Publikum und Pres-se wohlwollend aufgenommen worden, als ihm 1920 mit der Oper »Die Tote Stadt« der ganz große Durchbruch gelang. Innerhalb weniger Jahre wurde die Oper an nahezu allen großen und kleinen Opernhäusern aufgeführt und Korngold erlangte Weltruhm. 1934 holte Max Reinhardt, einer der führen-den Regisseure seiner Zeit, Korngold nach Hollywood, wo es dem Komponisten gelang, innerhalb weniger Filme die Filmmusik von Grund auf zu revolutionieren. Die

Erfindung Korngolds, die bis dahin unbe-kannte symphonische Filmmusik, wirkt bis heute in allen großen Hollywoodprodukti-onen nach. Mit dem

Anschluss Ös-terreichs an Nazideutschland 1938 wurde für die Familie Korngolds eine Rückkehr nach Hause unmöglich. Korngold verblieb in den USA und schrieb zahlreiche Filmmusiken, darun-

ter die zu dem berühmten Film »Die Abenteuer des Robin Hood« mit Errol Flynn, für die er einen Oscar erhielt.Iris Marie Kotzian (Sopran), Christoph

Weber (Klavier) und Phi-lipp Moschitz (Sprecher) präsentieren bei ihrem Abend »Licht! Kamera!

Korngold!« Stationen aus dem Leben Korngolds – musikalisch wie szenisch-

filmisch – von seinen »goldenen« Wie-ner Jahren bis zu den großen Hollywood-Erfolgen. Hautnah wird »die musikali-sche Persönlichkeit Erich Wolfgang Korn-

golds anhand der unterschiedlichsten Kompositions-Kostproben und mit verschiedenen Stilmitteln lebendig« (Sudetendeutsche Zeitung). »Origi-neller Höhepunkt des Abends war die Vorführung von Filmausschnitten aus Hollywood-Produktionen der 30er Jahre (…), zu denen Iris Marie Kotzian den originalen Gesang und der Pianist Christoph Weber die Begleitung liefer-ten, (…) ein faszinierender und amü-santer Eindruck von den damaligen Filmerlebnissen« (Kulturpolitische Korrespondenz).

Eine gemeinsame Veranstaltung mit der Sudetendeutschen

Landsmannschaft Düsseldorf

Iris Marie Kotzian (Sopran)

do, 26.03. 19.00 Uhr

In Kooperation mit

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25 25 BiBliothEK

Geschichte der Russlanddeutschen

György Dalos verfolgt in seinem neuesten Werk die Schicksalswege der deutschen Minderheit in Russland. Dorthin waren seit der Mitte des 18. Jahrhunderts viele Deutsche mit ihren Familien aufgebrochen, die in ihrer Heimat keine Zukunft für sich sahen.Katharina II. hatte sie durch wirtschaftliche Anreize und mancherlei Vergünstigungen in das Russi-sche Reich gelockt, in dem Bestreben, auf diese Weise die enormen Weiten und Ressourcen ihres Landes zu erschließen. So veranlasste sie die Gründung deutscher Kolonien insbesondere in den Gegenden an der Unteren Wolga. Laut einer Volkszählung lebten 1897 bereits rund 1,7 Millionen Deutsche im Russischen Reich, beinahe 20 Jahre lang existierte sogar eine »Autonome Sozialis-tische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen«. In seiner meisterhaften Darstellung erzählt Györ-gy Dalos die Geschichte der Russlanddeutschen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Einen Schwerpunkt legt er darauf, wie sie den Ersten Weltkrieg, die Oktoberrevolution, die Stalinistische Diktatur und im Anschluss daran Kollektivierung, Deportationen und Zwangsarbeit erlebten, ehe allmählich ihre Rehabilitierung einsetzte und schließlich die Perestroika für nicht wenige wieder die Möglichkeit zur Rückkehr nach Deutschland schuf.

György Dalos: Geschichte der Russlanddeutschen. Von Katharina der Großen bis zur Gegenwart. München, C. H. Beck, 2014.

Siebenbürgen, das sagenumwobene Transsilvanien, ist die bekannteste Region Rumäniens. Hier im Karpatenbogen vermischen sich seit Jahrhunderten rumänische, deutsche und ungarische Tra-ditionen, was sich in der Fülle von pittoresken Städten und Dörfern zeigt. Hermannstadt, Kron-stadt, Schäßburg und Klausenburg bilden die kulturellen Zentren Siebenbürgens. Daneben gibt es auf dem Land unzählige Kirchenburgen, Burgruinen und Holzkirchen, die eine Reise wert sind, viele davon zählen zum Weltkulturerbe. Aber nicht nur für Kulturtouristen lohnt sich eine Reise nach Siebenbürgen. Die wilde und ur-sprüngliche Karpatenlandschaft ist ein ideales Ziel für abenteuerlustige Wanderer und Skifahrer.

Dieser von Birgitta Hannover Moser herausgegebene und 2013 aktualisierte Reiseführer ist ein optimaler Begleiter für alle, die Siebenbürgen mit seinen Kunst- und Naturschätzen kennenlernen und erleben wollen. In vier größeren Kapiteln stellt sie die unterschiedlichen Regionen Siebenbür-gens vor, beschreibt in kleinen Essays Besonderheiten der Kulturlandschaft und gibt praktische Tipps für Übernachtung, Essen & Trinken sowie örtliche Kulturveranstaltungen.

Reiseführer durch Siebenbürgen

Brigitta Hannover Moser: Siebenbürgen. Rund um Kronstadt, Schäßburg und Hermannstadt. Trescher Verlag, 2., aktuali-sierte Auflage, Berlin 2013.

Mit ihrem Buch legt die Literaturwissenschaftlerin Roswitha Wisniewski erstmalig eine Gesamt-darstellung der Literaturgeschichte Pommerns vor und schließt damit eine empfindliche Lücke. Das Buch stellt die deutsche Literatur Pommerns von ihren Anfängen im Mittelalter bis zur Ge-genwart dar und verankert sie in den kulturellen und politischen Entwicklungen der einzelnen Epochen. Bekannte Autorinnen und Autoren wie Sibylle Schwarz, Hans Fallada, Uwe Johnson oder Alfred Döblin findet man in dem Buch genauso wie kaum oder weniger bekannte Literaten. Interessant ist Wisniewskis Ansatz, in ihre Literaturgeschichte auch Werke aufzunehmen, die sich mit Pommern als literarischem Motiv beschäftigen oder in denen Pommern als Schauplatz eine Rolle spielt. Dies gilt für Werke Theodor Fontanes oder Gerhart Hauptmanns. Das Buch ist in einer verständlichen Sprache geschrieben. Fachwissenschaftler wie interessierte Laien gewinnen so gleichermaßen Zugang zu den literarischen Zeugnissen eines »verschwiegenen Landes«. Wisniewski, Roswitha:

Geschichte der deutschen Literatur Pommerns. Vom Mittelalter bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts.Weidler Verlag, Berlin 2013.

Geschichte der deutschen Literatur Pommerns

Vortrag von Arkadiusz Wełniak

Ein musikalisches Porträt des Komponisten Erich Wolfgang Korngold

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26 chronologiE

Mi jeweils 18.00 bis 20.30 UhrProbe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft Ostpreußen-Westpreußen-SudetenlandLeitung: Radostina Hristova

Mi 07.01., 04.02., 04.03.jeweils 15.00 UhrOstdeutsche Stickerei mit Helga Lehmann und Christel KnackstädtRaum 311

Do 08.01., 05.02., 05.03. jeweils 19.30 UhrOffenes Singenmit Barbara SchochRaum 412

Mi 07.01. | 19.00 UhrKarl Kraus »Die letzten Tage der Menschheit«Vortrag von Jonas KrüningVeranstaltungsort: Haus der Universität, Schadowplatz 14, großer Vortragssaal

Do 15.01. | 10.00 bis 16.00 UhrTagung der Arbeitsgemeinschaft Ostdeutscher Museen, Heimatstuben und Sammlungen in NRWRaum 412

So 18.01. | 16.30 bis 17.15 Uhr»Die Ratten« von Gerhart HauptmannVortrag von PD Dr. Winfrid HalderKonferenzraumIm Anschluss daran gemeinsamer Besuch der Aufführung von »Die Ratten« im Düsseldorfer Schauspielhaus 18.00 bis 19.45 Uhr

Mo 19.01. | 19.00 UhrAusstellungseröffnung: »Erinnertes Leben – Gelebte Erinnerung. Arno Surminski.«Ausstellungsraum

19.01. bis 25.02. Ausstellung: »Erinnertes Leben – Gelebte Erinnerung. Arno Surminski.«Ausstellungsraum

Mi 21.01. | 15.00 UhrFilm: »Dr. Schiwago« (USA 1965)Eichendorff-Saal

Mi 28.01. | 15.00 UhrFilm: »Der Streit um den Sergeanten Grischa« (DDR 1967/68)Eichendorff-Saal

Mi 04.02. | 15.00 UhrFilm: »Im Herzen von Ostpreussen«Eichendorff-Saal

Fr 06.02. | 19.00 Uhr »Kriegerdenkmal. 1914 – Hundert Jahre später«Lesung mit Franz HeinzKonferenzraum

Mi 11.02. | 19.00 Uhr»Wir angepassten. Überleben in der DDR« Buchpräsentation mit Roland Jahn Veranstaltungsort: VHS Düsseldorf, Bertha-von-Suttner-Platz 1, Saal 1Entgelt: 6,- EuroKartenreservierung unter Tel. 0211/899-2427

Do 19.02 | 19.00 Uhr»Das preußische Arkadien«Buchvorstellung mit Hans-Dieter RutschKonferenzraum

Mi 25.02. | 8.40 bis 18.00 UhrDer »Kreisauer Kreis« (vgl. S 23)Tagesexkursion zur Sonderausstellung in Haus Schlesien, Königswinter

Do 26.02. | 19.30 Uhr»Weggewaschen ohne Spur? Die Habsburger Monarchie und der Erste Weltkrieg«Vortrag von Prof. Dr. Matthias Stickler Konferenzraum

Mi 04.03. | 19.00 Uhr »Die Ansiedlung polnischer Remigranten aus Nordrhein-Westfalen in Polen in den Jahren 1948-1950«Vortrag von Arkadiusz WełniakKonferenzraum

Fr 06.03. | 19.00 Uhr»Zuflucht in der Musik« Musik tschechischer jüdischer Komponisten im Zweiten WeltkriegKonzert mit dem Janáček TrioEichendorff-Saal

Mo 09.03. | 19.00 UhrAusstellungseröffnung: »Russen Juden Deutsche« Fotoausstellung von Michael KerstgensAusstellungsraum

09.03. bis 30.04.Ausstellung: »Russen Juden Deutsche« Fotoausstellung von Michael Kerstgens

Di 17.03. | 19 Uhr »Grau« und »Schwarzes Eis«Buchvorstellung mit Sergej Lochthofen Konferenzraum

Fr 20.03. | 15.00 Uhr *Vorbesprechung Studienreise nach Polen (15.04.-22.04.)Konferenzraum

Mi 25.03. | 18.00 Uhr »Jakobowsky und der Oberst« nach dem Theaterstück von Franz Werfel, Filmvorführung mit Einführung und Diskussion, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Volkmar Hansen (zum 70. Todestag von Franz Werfel)Konferenzraum

Do 26.03. | 19.00 Uhr»Licht! Kamera! Korngold!« Ein musikalisches Porträt des Komponisten Erich Wolfgang KorngoldEichendorff-Saal

Do 26.03. | 8.40 bis 18.00 Uhr»Auf dem Weg zum Weltfrieden?«Tagesexkursion zum UN-Campus in Bonn (vgl. S 23)

* vorbesprechung der studienreise nach Polen

Die diesjährige Studienreise der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus findet vom 15. bis 22. April 2015 statt.

Auf den Spuren deutsch-polnischer Geschichte reisen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer u.a. nach Posen, Lodz, Warschau, Kazimierz Dolny, Lublin, Sandomierz und Krakau.

Die Vorbesprechung der Studienreise findet am Freitag, den 20.03. um 15.00 Uhr in der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90, Düsseldorf im Konferenzraum statt.

Anfragen bzgl. Restplätzen für die Reise:Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus, Herr Mattias Lask, Tel. 0211/1699118, E-Mail: [email protected]

Fr, 20.03. 15.00 Uhr

Page 27: West-Ost-Journal 1/2015

27

Herausgeber:Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus •Deutsch-osteuropäisches ForumBismarckstr. 9040210 Düsseldorf

Vorsitzender des Kuratoriums:Reinhard Grätz

Vorsitzender des Vorstandes:Helmut Harbich

Postanschrift:Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus •Deutsch-osteuropäisches Forum Postfach 10 48 6140039 DüsseldorfTelefon: (02 11) 16 99 111Telefax: (02 11) 35 31 18Mail: [email protected]: www.g-h-h.de

Chefredakteur:PD Dr. Winfrid Halder

Redaktion:Margarete Polok

Satz und Layout:Ilona Gonsior

Herstellung:Griebsch & Rochol Druck GmbH & Co. KGVertriebsbüro OberhausenMusikweg 246047 Oberhausen

Servicezeiten der VerwaltungMo-Do 08.00 – 12.30 Uhr und 13.00 – 17.00 Uhr

Fr 08.00 – 14.00 Uhr

Servicezeiten der BibliothekMo-Mi 10.00 – 12.30 Uhr und 13.30 – 17.00 Uhr

Do 10.00 – 12.30 Uhr und 13.30 – 18.30 Uhr

Öffnungszeiten der AusstellungenMo -Do 10.00 – 17.00 UhrFr 10.00 – 14.00 UhrSa auf AnfrageSonn- und feiertags geschlossen

Weitere Informationen über das Gerhart-Hauptmann-Haus und zu den im Heft behandelten Themen finden Sie – rund um die Uhr – auch im Internet unter: www.g-h-h.de.

West-Ost-JournalDas »West-Ost-Journal« er-scheint vierteljährlich. Abo-Bezugsmöglichkeit durch die nebenstehende Bestellkarte zum Jahresbezugspreis (Versandkos-tenpreis) von 6,50 Euro

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Titelbild

Szenenfoto aus der Tragi-komödie »Die Ratten« von Gerhart Hauptmann in der Inszenierung von Volker Lösch am Düsseldorfer Schauspielhaus 2014.

© Sebastian Hoppe

Die Schülerinnen und Schüler der St.-Benedikt-Hauptschule freuen sich über den Anerkennungspreis in der Kategorie »Update«. Dieser ist mit 250 Euro dotiert.

Schulprojekt gewinnt Anerkennungspreis

Am 5. Dezember wurden die Schülerinnen und Schüler der St.-Benedikt-Hauptschule für ihr Projekt »Gurkenland – wo in Düsseldorf die Häuser wuchsen« mit dem Lf M-Bürgermedienpreis für besonders kreative Programmleistungen in den nordrhein-westfälischen Bürgermedien ausgezeichnet. In Zusammenarbeit mit Dr. Katja Schlenker vom Gerhart-Hauptmann-Haus hatten die Jugendlichen einen Radiobeitrag über das nach dem Zweiten Weltkrieg in Eller neu entstandene Wohngebiet, in dem sich viele Flüchtlinge und Vertriebene niederließen, erarbeitet. Für ihren Beitrag recherchierten die Schüler im Archiv, führten Zeitzeugengespräche und machten Straßeninterviews. Entstanden ist ein lebendiger, informationsreicher Radiobeitrag, auf den die Jugendlichen zu Recht stolz sein können.

Wir gratulieren den Schülerinnen und Schülern der St.-Benedikt-Hauptschule zu ihrer Auszeichnung!

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