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Wie ist nach aktuellem Forschungsstand die Qualität der Pflege zu beurteilen? Und: Welchen Beitrag leisten die Ergebnisse der externen stationären Qualitätssicherung in Bezug auf die Pflegequalität im Krankenhaus? Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde durch den Promotionsausschuss Dr. phil. der Universität Bremen vorgelegt von Karen Pottkämper Kleinmachnow, den 01.06.2018

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  • Wie ist nach aktuellem Forschungsstand die Qualität der Pflege zu beurteilen? Und: Welchen

    Beitrag leisten die Ergebnisse der externen stationären Qualitätssicherung in Bezug auf die

    Pflegequalität im Krankenhaus?

    Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde durch den

    Promotionsausschuss Dr. phil. der Universität Bremen

    vorgelegt von

    Karen Pottkämper

    Kleinmachnow, den 01.06.2018 


  • Inhaltsverzeichnis Seite

    Einleitung 7

    1. Forschungsfrage und Literaturrecherche 10

    1.1 Forschungsfrage 10

    1.2 Suchstrategie 10

    2. Gesellschaftliche und politische Einflüsse auf die Pflegequalität im Krankenhaus 13

    2.1 Die Einführung einer diagnosebezogenen Vergütung im Krankenhaus und die Einführung von Qualitätsmanagement 13

    2.2 Aktuelle Gesundheitsreformen und Normsetzung durch die Politik 14

    2.3 Richtlinien des G-BA bezüglich der Qualität von Pflege im Krankenhaus 15

    2.3.1 Verpflichtende Qualitätsvorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses 


    – Hintergrund 15

    2.3.2 Richtlinie zum Qualitätsmanagement (QM RL) und Bestimmung von Anforderungen an

    einrichtungsübergreifende Fehlermeldesysteme (üFM-B) 16

    2.3.3 Richtlinie zur externen Qualitätssicherung im Krankenhaus (QSKH RL) 17

    2.3.4 Richtlinie zur einrichtungs- und sektorenübergreifenden Qualitätssicherung 


    (Qesü-RL) 18

    2.3.5 Richtlinien zu Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität nach § 136 Absatz 1 


    Satz 1 Nummer 2 SGB V 18

    2.3.6 Richtlinie zu planungsrelevanten Qualitätsindikatoren der 


    Krankenhausplanung (plan.QI-RL) 20

    2.3.7 Regelungen zum Qualitätsbericht der Krankenhäuser 20

    2.3.8 Fortbildungspflichten im Krankenhaus (FKH-R) 21

    2.4 Politische Maßnahmen zur Pflege-Personalsituation im Krankenhaus 21

    3. Internationale Entwicklungen und politische Steuerungsaktivitäten 23

    4. Veränderungen des Berufsbildes der Pflege, Professionalisierung und die Auswirkungen auf die Qualität der Pflege im Krankenhaus 29

    4.1 Veränderungen der Qualifizierung und Ausbildung in der Pflege 29

    4.2 Aktueller Bedarf zur akademischen Qualifizierung der Pflegenden 30

    5. Definitionen und theoretische Konzepte zur Qualität 
im Gesundheitswesen 33

    5.1 Theoretische Konzepte und internationale Empfehlungen der WHO und OECD 34

    6. Qualitätsmanagement-Modelle und -Konzepte als Einflussfaktoren auf die Pflegequalität 37

    6.1 Entwicklung und Ursprung der ersten Qualitätsmodelle 37

    6.2 Donabedians Qualitätskonzepte 39

    6.3 Total-Quality-Management und das EFQM-Modell 40

    6.4 Anwendung der Modelle zum Qualitätsmanagement im Krankenhaus 41

    6.4.1. Zertifizierungen des Qualitätsmanagements im Krankenhaus 42

    %2

  • 6.5 Anwendung der Modelle des Qualitätsmanagements mit einem direkten Bezug zur Pflege im Krankenhaus 43

    6.6 Studien zum Qualitätsmanagement und dessen Auswirkungen auf die Ergebnisqualität im Krankenhaus 46

    6.7 Die Entwicklung von Qualitätsmanagement in deutschen Krankenhäusern 50

    6.8 Studien zur Umsetzung des Qualitätsmanagements im Krankenhaus 


    in Deutschland 50

    6.9 Kritik zu den Konzepten der DRG-Finanzierung und der Einführung von

    Qualitätsmanagement 53

    6.9.1 Kritik zum Einfluss der diagnosebezogenen Vergütung und ihren Auswirkungen auf die Qualität der

    Versorgung 53

    6.9.2 Kritik an dem Begriff Kunde im Krankenhaus und der Ökonomisierung 54

    6.9.3 Kritik an der kausalen Schlussfolgerung von Donabedians zur Struktur-, 


    Prozess- und Ergebnisqualität 56

    6.9.4 Kritik am EFQM-Modell 56

    6.9.5 Kritik an der Umsetzung des Qualitätsmanagements in der Pflege 57

    6.10 Auswirkungen der Veränderungen auf ethische Werte und Verhalten in der Pflege 57

    7. Einflüsse der Organisations- und Sicherheitskultur auf die Qualität der Pflege 62

    7.1 Definition der Begriffe Organisationskultur und -klima 62

    7.1.1 Organisationskultur 62

    7.1.2 Organisationsklima 63

    7.2 Konzepte und Studien zur Organisationskultur 63

    7.2.1 Organisationskultur 63

    7.2.2. Einzelne Aspekte von Organisationskultur und deren Einfluss auf die Patientenversorgung 67

    7.2.3 Einflüsse der Organisationskultur auf die Arbeitszufriedenheit und Gesundheit 


    von Pflegenden 68

    7.3 Sicherheitskultur, Klima und Patientensicherheit 72

    7.3.1 Definition Sicherheitskultur und Sicherheitsklima 72

    7.3.2 Definition Patientensicherheit und Fehler 73

    7.3.3 Theoretische Konzepte zur Patientensicherheit 74

    7.3.4 Konzepte des Risikomanagements 81

    7.3.5 Konzept zum sicherheitsfördernden Verhalten 84

    7.4 Studienergebnisse zum Fehler- und Risikomanagement 86

    7.5 Instrumente zur Sicherheitskultur 89

    7.5.1 Kritik und Diskussion zur Messung von Kultur und Patientensicherheit 90

    7.6 Studien zur Fehlerhäufigkeit mit Auswirkungen auf die Qualität der Pflege im

    Krankenhaus 91

    7.7 Internationale Studien zu Fehlern der Medikation und Fehlermeldesystemen 93

    7.8 Studien zur Sicherheitskultur und Fehler im Zusammenhang mit dem 


    Patienten-Outcome 95

    7.9 Studien zur Sicherheitskultur und Fehler im Zusammenhang mit 


    Pflegepersonen bezogenen Ergebnissen (Nurse outcome) 96

    7.10 Evaluation von Studien zur Reduktion von Fehlern 96

    7.11. Zusammenfassung 98

    8. Einflussfaktor Arbeitsbedingungen auf die Qualität der Pflege im Krankenhaus 100

    8.1 Übersicht über die deutschen Studien und Gutachten 102

    %3

  • 8.1.1 Ergebnisse der Studien zu allgemeinen Arbeitsbedingungen der Pflege 
im Krankenhaus 103

    8.1.2 Studien zur Arbeitszufriedenheit und deren Auswirkungen auf die Pflegenden 
im Krankenhaus 105

    8.1.3 Studien zur Kommunikation und Zusammenarbeit 106

    8.1.4 Studien zur impliziten Rationierung von pflegerischen Tätigkeiten 107

    8.1.5 Studien zur Selbsteinschätzung der Pflegenden in Bezug auf ihre Arbeit und Qualität 108

    8.1.6 Studien zur Kultur der Patientenorientierung und einem professionellen 


    Pflegeverständnis 109

    8.1.7 Evaluationsstudien zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Verbindung 


    mit den Ergebnissen der Pflege 110

    8.1.8 Zusammenfassung 110

    8.2 Internationale wissenschaftliche Studien zu den Arbeitsbedingungen 


    und den Auswirkungen auf die Qualität der Pflege 111

    8.2.1 Theoretische Konzepte, Modelle und Instrumente 111

    8.2.2 Reviews zu den allgemeinen Arbeitsbedingungen der Pflegenden 112

    8.2.3 Arbeitsbedingungen 113

    8.2.4 Reviews zur Arbeitszufriedenheit und den Auswirkungen auf die Pflegenden 115

    8.2.5 Studien zur Arbeitszufriedenheit und ihren Auswirkungen 116

    8.2.6 Rationierung von pflegerischen Tätigkeiten 119

    8.2.7 Teamarbeit als Einflussfaktor 123

    8.2.8 Führung als Einflussfaktor 125

    8.2.9 Reviews und Studien zur Arbeitsorganisation, Dienstgestaltung und spezifischen

    Versorgungsmodellen als Einflussfaktoren 126

    8.2.10 Studien zur professionellen Haltung, Kultur und Kompetenz als Einflussfaktoren 128

    8.2.11 Studien zu Einflüssen von Arbeitsbedingungen auf die Patientenerfahrungen, 


    Patientenzufriedenheit und Patientensicherheit 128

    8.3 Zusammenfassung 129

    9. Pflegekapazität und die Auswirkungen auf die Patientenversorgung
und die Pflegenden 131

    9.1 Pflegekapazität 131

    9.1.1 Definition und Messgrößen zur Pflegekapazität 131

    9.1.2 Reviews zur Pflegekapazität 132

    9.1.3 Studien zur Pflegekapazität mit Auswirkungen auf die Mortalität einschließlich der 


    30-Tage-Mortalität und verspäteter Hilfe im Notfall 134

    9.1.4 Reviews und Studien zur Pflegekapazität mit Auswirkungen auf die Häufigkeit 


    von unerwünschten Ereignissen und die Patientensicherheit 135

    9.1.5 Reviews und Studien zur Pflegekapazität und der Rationierung von 


    pflegerischen Tätigkeiten 137

    9.1.6 Studien zur Pflegekapazität und ihren Auswirkungen auf die Verweildauer 


    im Krankenhaus 138

    9.1.7 Studien zu Modellen spezifischer pflegerischer Qualifikationen und Versorgung 


    und dem Patienten-Outcome 138

    9.1.8 Zusammenfassung Pflegekapazität 138

    9.3 Nationale Gutachten und Diskussion zur Personalkapazität 141

    9.4 Zusammenfassung 145

    10. Beschreibungen von Pflegequalität (Definition) 146

    %4

  • 11. Modelle zur Pflegequalität und ihren Einflussfaktoren im Krankenhaus 151

    11.1 Quality of Nursing Work Life Modell von O‘Brien-Pallas und Baumannn 151

    11.2 Die vier Work Life Dimensionen von Brooks 152

    11.3 Das verhaltensbezogene Modell von Michie und West 152

    11.4. Theoretisches Konzept der personenbezogen Dienstleistung am Menschen 


    von Badura und Gross 153

    11.5. Steuerungsmodell des Pflegeprozesses von Görres und Reif 153

    11.6 Zürcher Pflege Qualitätsmodell von Schmid-Büchi 155

    11.7 Modell zur Anwendung und Förderung der Patientensicherheit und 


    Qualität der Pflege von Jenzig und Spirig 156

    11.8 Multilevel Human Factors Framework of Nursing Workload von Holden 157

    11.9 Qualitätsmodell zu den Zusammenhängen zwischen den 


    organisationsbedingten Faktoren der Pflegequalität und 
den Outcomes nach Tvedt 157

    11.10 Theoretisches Modell der Pflege Outcome Classification (NOC) 159

    11.11 Nurses care performance Framework von Dubois 160

    11.12 Einflüsse von Konzepten der Patientenorientierung auf die Ergebnisqualität 


    der Pflege 161

    11.12.1 Definitionen 161

    11.12.2 Inhalte der Modelle zur Patientenorientierung 162

    12. Qualität messen 165

    12.1 Qualitätsindikatoren 165

    12.1.1 Definition 165

    12.1.2 Methodische Anforderungen an Qualitätsindikatoren 165

    12.1.3 Einteilung und Differenzierung von Qualitätsindikatoren 166

    12.1.4 Outcome-Instrumente 168

    12.1.5 Risikoadjustierung von Qualitätsindikatoren 170

    12.1.6 Datenerhebung und Datenqualität von Qualitätsindikatoren 171

    12.1.7 Die Bewertung von Ergebnissen der Qualitätsindikatoren 172

    13. Messung der Dekubitus-Inzidenz im Krankenhaus 173

    13.1 Historie und Entwicklungen zur Messung der Dekubitus-Inzidenz 
im Krankenhaus 173

    13.1.1 Die erste Phase der Datenerhebung 2004–2006 173

    13.1.2 Ergebnisse der Datenerhebung 2004–2006 173

    13.1.3 Zweite Phase der Datenerhebung 2007–2013 174

    13.1.4 Ergebnisse der Datenerhebung 2007–2013 175

    13.2 Gutachten zur Prüfung der Nutzung von im Krankenhaus vorliegenden Codier- und

    Abrechnungsdaten für die Datenerhebung zur Dekubitus-Inzidenz 176

    13.2.1 Dritte Phase der Datenerhebung 2011–2016 176

    13.2.2 Ergebnisse der Datenerhebung 2011–2016 177

    13.3 Das System der Qualitätsverbesserung in der ESQS und die Bewertung 


    der Qualitätsindikatoren 179

    13.3.1 Das Verfahren der ESQS zur Qualitätsverbesserung 179

    13.3.2 Festlegung von Referenzbereichen und Bewertung durch Fachexperten 180

    %5

  • 13.3.3 Die Bewertung der Ergebnisse zur Dekubitus-Inzidenz 180

    13.4 Anträge und Vorschläge für die Entwicklung von weiteren Qualitätsindikatoren 


    der Pflege im Krankenhaus 181

    13.5 Daten – Pflegedatensurvey 182

    13.6 Instrumente und Messungen zur Dekubitus-Inzidenz im internationalen Bereich 182

    14. Zusammenfassende Schlussfolgerungen und ein Ausblick 184

    14.1 Zusammenfassende Schlussfolgerungen 184

    14.1.1 Wissen zu den Einflussfaktoren Qualitätsmanagement, Fehler- und Risikomanagement 184

    14.1.2 Wissen zu den Einflussfaktoren der Arbeitsbedingungen und Pflegekapazität 185

    14.1.3 Wissen zur Messung von Qualität und Dekubitus-Inzidenz 186

    14.2 Schlussfolgerungen 187

    14.3 Ausblick 190

    Tabellenverzeichnis 193

    Abbildungsverzeichnis 194

    Literaturverzeichnisse 197

    Anhänge 1-10 238

    Schriftliche Erklärung zur Dissertation 318

    %6

  • Einleitung

    Der Gesundheitsbereich hat sich in den letzten Jahren stark verändert und ist einem kontinuierlichen Wandel ausgesetzt. Die Schlagworte Effizienz und Qualität dominieren die Diskussionen und Gesetze im Gesundheitswesen und somit auch im Krankenhaus.

    Das Spannungsfeld zwischen geringen finanziellen Ressourcen sowie der Aufrechterhaltung von Qualität stellt für die Krankenhäuser und das Pflegemanagement eine tägliche Herausforderung dar. Auf der einen Seite steht der verantwortungsvolle Umgang mit den Ressourcen der solidarisch finanzierten Krankenkassen und den zur Verfügung stehenden Leistungen, die allen gleichermaßen zur Verfügung stehen sollen, und die Leitungen sollen dem Anspruch einer qualitativen guten Versorgung erfüllen.

    Die Qualität der Versorgung sollte dem Stand der Wissenschaft entsprechen und eine gemeinsame Entscheidungsfindung sowie eine Einbeziehung der Wünsche und Präferenzen des Patienten enthalten.

    Das Sachverständigengutachten der konzertierten Aktion im Gesundheitswesen von 2000/2001 (SVR 2000/2001) deckte gravierende Mängel in der Gesundheitsversorgung auf und beschrieb eine Über-, Unter- und Fehlversorgung. Die Autoren empfehlen neue Formen der Versorgung zu entwickeln, Case-Management und ein Qualitätsmanagement einzuführen sowie die Prozesse im Krankenhaus effizienter zu gestalten. Mit der Folge, dass eine diagnosebezogene Vergütung eingeführt und Qualitätsmanagement-Konzepte aus der Industrie auf das Krankenhaus übertragen wurden. Eine wissenschaftlich und empirische Grundlage dieser Konzepte mit Bezug zum Krankenhaus und einer Verbesserung der Ergebnisqualität fehlte und bis heute liegt nur wenig gesichertes Wissen vor.

    Die Schwierigkeit, Qualität zu beschreiben und zu definieren, besteht bis heute, da die Betrachtung von Qualität vonseiten der Politik der Krankenkassen, der Krankenhäuser der Berufsgruppe der Pflegenden und der Patienten und ihrer Bezugspersonen stark variieren kann, es kommt also auf die Perspektive des Betrachters an. Zudem gibt es eine technisch und wissenschaftlich fundierte Qualität von Leistungen, Behandlungen und Interventionen auch im pflegerischen Bereich. Die Wirksamkeit und das Nichtschaden sind im Idealfall wissenschaftlich belegt und werden in Leitlinien und Expertenstandards als Empfehlung niedergelegt. Die wissenschaftliche Profession der Pflege ist noch relativ jung und es fehlt an fundiertem wissenschaftlichem Wissen in vielen Bereichen, auch wenn international die Pflegewissenschaft schon sehr viel länger besteht als in Deutschland und viele Studien sich auch problemlos auf den deutschen Versorgungskontext übertragen lassen. Ein einheitliches Qualitätsverständnis der Pflege besteht bislang nicht. Für den ambulanten Pflegebereich ist mit dem Konzept des „Pflegebedürftigkeitsbegriffes“ ein erster Schritt erfolgt, für die Pflege im Krankenhaus liegen bisher keinen Konkretisierungen vor. Des Weiteren ist die Definition von Qualität individuell und subjektiv und jede Pflegende und jeder Patient hat eigene Erwartungen und Vorstellung hinsichtlich der Qualität der Pflege.

    Daher ist die Frage dieser Arbeit – nach der Qualität der Pflege im Krankenhaus und wie diese gemessen und dargestellt werden kann –sehr aktuell. Um sich der Thematik zu nähern, wurden Einflussfaktoren auf die Qualität der Pflege im Krankenhaus und theoretische Konzepte und Modelle gesucht, die die Qualität der Pflege beschreiben und definieren sowie fördernde Faktoren für eine verbesserte pflegerische Patientenversorgung darstellen.

    Die Qualität der Pflege kann nur umfassend dargestellt werden, wenn alle unterschiedlichen Einfluss-Ebenen und Rahmenbedingungen einbezogen werden (Görres 1999). Diesem Grundsatz folgend, werden in dieser Arbeit der Kontext und die Einflussfaktoren auf die Qualität der Pflege im Krankenhaus beschreiben.

    Gesetzliche Vorgaben und Richtlinien wurden ebenfalls als Einflussfaktoren einbezogen. Wenige nationale Studien zur Qualität der Pflege im Krankenhaus wurden gefunden, jedoch viele internationale Studien zu vielen einzelnen Aspekten und Einflussfaktoren, sodass sich die Frage anschließt, was sich von den internationalen Erfahrungen lernen lässt.

    %7

  • Im ersten Teil dieser Arbeit werden der Hintergrund der Situation im Krankenhaus und die politischen Vorgaben und Richtlinien dargestellt. Die vielen Gesundheitsreformen, insbesondere die Einführung einer Diagnose-bezogenen Krankenhausvergütung in Verbindung mit mehr Wettbewerb und Qualitätssteuerung prägte die Veränderungen in den Krankenhäusern und wirkte sich somit auch auf die Pflege im Krankenhaus aus. Grundsätze wie „ambulant vor stationär“ sowie neue Versorgungsformen, insbesondere im ambulanten Bereich, haben das Gesundheitssystem geprägt. Die Liegezeiten im Krankenhaus haben sich stark verkürzt. Gesellschaftlich wurde der Patient zum „Kunden" und er soll Wahlentscheidungen für sich treffen, zum Beispiel in welchem Krankenhaus er einen geplanten Eingriff durchführen lassen möchte. Patienten sollen in die Entscheidungen, welche Diagnostik, Behandlung, Therapie und Pflege für sie individuell geeignet erscheint, einbezogen werden. Dadurch entstehen Informations- und Beratungsbedarfe, bei den Patienten und ihren Bezugspersonen.

    Hinzu kommt eine Alterung der Gesellschaft, mit einer große Gruppe an chronisch Erkrankten und gebrechlichen Patienten mit Symptomen der Demenz, die eine hohe Kompetenz und Anforderung an die Versorgung im Krankenhaus stellen. Um diese Anforderungen zu bewältigen, erweisen sich neue Konzepte der Versorgung und eine hohe Qualifikation und Kompetenz der Pflegenden als erforderlich. Veränderungen der Organisation Krankenhaus mit Veränderungen der Arbeitsteilung und Aufgaben der einzelnen Berufsgruppen wirkten ebenfalls auf den Beruf der Pflegenden ein. Auch der sich verändernde medizinisch technische und pflegerische Fortschritt im Bereich der Technik und Wissenschaft, vor allem die Evidenz basierte Medizin und Pflege, zeigen einen Einfluss auf die Definition und Betrachtung von Qualität der Pflege im Krankenhaus. Wie können wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis übertragen werden, ist nur eine der vielen neuen Fragen, denen sich die professionelle Pflege im Krankenhaus stellen muss. Die Änderungen des Berufsbildes, neue akademisch ausgebildete Kollegen und damit einhergehende Änderungen der Aufgaben und Rollen im Krankenhaus stellen für viele eine Verunsicherung dar.

    Die weiteren Teile der Arbeit legen die Einflussfaktoren auf die Qualität der Pflege im Krankenhaus mit Bezug zum Qualitätsmanagement einschließlich des Risiko- und Fehlermanagements dar. Konzepte und Modelle mit einem Bezug zur Ergebnisqualität werden vorgestellt und die Studien ausgewertet und das vorhandene Wissen dargestellt. Neben der Darstellung von fördernden und hemmenden Faktoren für eine Qualitätsverbesserung gelangen ebenso die kulturellen Aspekte der Einstellungen, Werte und des Verhaltens zur Betrachtung, dabei haben eine organisatorische Unterstützung, Führung, Kommunikation und Zusammenarbeit eine große Bedeutung. Auch hier liegt wenig nationales Wissen insbesondere zu Fehlern mit Bezug zur Pflege vor.

    Als weitere Einflussfaktoren wurden die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus identifiziert.

    Viele internationale Forschungsergebnisse liegen zu den Arbeitsbedingungen im Krankenhaus vor und werden auf der einen Seite mit den Auswirkungen auf die Patientenversorgung dargestellt. Gemessen werden in der Regel in den Studien objektivierbare Parameter, wie die Mortalität und unerwünschte Ereignisse in Form der Häufigkeit von nosokomialen Infektionen, Dekubitus-Inzidenz, Sturz-Inzidenz, Komplikationen, einer verspäteten Hilfe im Notfall, der Rationierung von pflegerischen Tätigkeiten und der Verweildauer im Krankenhaus, eher selten wird auch die Patientenzufriedenheit erfasst. Auf der anderen Seite werden die Ergebnisse in Bezug auf die Pflegenden selbst betrachtet, in Form von Arbeitszufriedenheit, Arbeitsgesundheit einschließlich der Häufigkeit von Burn-out und des Wunschs, den Beruf zu verlassen. Diese Ergebnisse auf die Pflegenden haben nach den Studien wiederum einen nativen Einfluss auf die Ergebnisqualität der Patientenversorgung. Besonders viele Studien liegen zur Personalausstattung, der Anzahl an Pflegenden, die für die Patientenversorgung zur Verfügung stehen, und zur Qualifikation – hier in erste Linie die akademische Qualifikation und ihren Auswirkungen auf die Qualität der Patientenversorgung und die Pflegenden – vor.

    Im nächsten Teil der Arbeit geht es um die Möglichkeiten der Messung von Qualität, um Qualitätsindikatoren sowie die Darstellung von Qualität. Seit 2004 wird national die Inzidenz von Dekubitus im gesetzlichen Qualitätssicherungsverfahren durch Qualitätsindikatoren erhoben. Das Verfahren der externen Qualitätssicherung wird vorgestellt und die Ergebnisse zur Dekubitus-Inzidenz über die Jahre und mit den Veränderungen der Messung und Datenerhebung dargelegt. Dieses stellt

    %8

  • aktuell die einzige Datenbasis zur Qualität der pflegerischen Versorgung im Krankenhaus dar. Internationale pflegerische Qualitätsindikatoren-Sets werden vorgestellt und beschrieben.

    Am Ende erfolgen die Diskussion, Schlussfolgerungen sowie ein Ausblick, um Antworten auf die gestellte Forschungsfrage geben zu können.

    Anmerkung

    In dieser Arbeit wird für Gesundheits- und Krankenschwestern, Gesundheits- und Krankenpfleger, Gesundheit und Kinderkrankenschwestern und Gesundheit- und Kinderkrankenpfleger mit einer dreijährigen staatlichen Ausbildung sowie weiteren Qualifizierungen (z.B. Fachweiterbildungen) und/oder einer zusätzlichen oder dualen Qualifikation mit einem Bachelor-, Master-Abschluss und Promotion einheitlich der Begriff „Pflegende“ verwendet.

    Für die personelle Anzahl der Pflegenden, ihrer Qualifikation und Erfahrung, findet zusammenfassend der Begriff „Pflegekapazität“ im Rahmen dieser Arbeit Verwendung.

    Der nicht lösbare Konflikt zwischen der sprachlichen Gleichstellung von Männern und Frauen sowie der Lesbarkeit des Textes stellt sich auch für diese Arbeit dar. Es wurde die männliche Form verwendet, die Mitglieder des anderen Geschlechtes sind auch dann mitgemeint, wenn nur eine Form verwendet wurde.

    %9

  • 1. Forschungsfrage und Literaturrecherche

    1.1 Forschungsfrage

    Der Titel der Arbeit lautet: Wie ist nach aktuellem Forschungsstand die Qualität der Pflege zu beurteilen? Und: Welchen Beitrag leisten die Ergebnisse der externen stationären Qualitätssicherung in Bezug auf die Pflegequalität im Krankenhaus?

    Effizientes Arbeiten bei minimalen Kosten und hoher Qualität, ist der Leitgedanke vieler Gesundheitsreformen und auch für die Krankenhäuser und die Pflege im Krankenhaus bindend, doch wie wird die Qualität der Pflege im Krankenhaus definiert und wann kann von einer guten oder sogar exzellenten Pflegequalität gesprochen werden und was ist fehlende oder schlechte Qualität? Welche Einflussfaktoren auf die Qualität der Pflege im Krankenhaus im Krankenhaus werden konzeptionell beschrieben? Welche Einflussfaktoren fördern und hemmen eine gute Qualität? Wie kann Pflegequalität verlässlich gemessen werden? Welche Rolle spielen dabei die Struktur- Prozess und Ergebnisqualität? International gibt es eine Vielzahl an Qualitätsindikatoren und ein Set an pflegesensiblen Qualitätsindikatoren mit dem Bezug zur Ergebnisqualität und auf die Patientensicherheit. Lassen sich die Instrumente und Ergebnisse auf den nationalen Versorgungskontext übertragen? Welche Instrumente und Qualitätsindikatoren liegen international vor und welche Erfahrungen wurden damit gemacht?

    Welchen Beitrag leisten die internationalen Studien zur Frage nach der Qualität im Krankenhaus und sind internationale Ergebnisse mit deutschen Ergebnissen zu vergleichen? Was können wir von den Erfahrungen der internationalen Forschung lernen? Sind die Studien insbesondere aus dem angloamerikanischen Raum auf die deutsche pflegerische Versorgungssituation im Krankenhaus übertragbar?

    Um den Stand des wissenschaftlichen Wissens zur Qualität der Pflege im Krankenhaus zu benennen und die vielen begleitenden Fragen zu beantworten, fand eine systematische Literaturrecherche zu den einzelnen Themenblöcken statt.

    Auf der Grundlage eines systematischen Reviews lassen sich aus einer national wie international vergleichenden Perspektive und Sichtweise grundlegende Erkenntnisse gewinnen, die zur Beantwortung der Fragestellungen von Bedeutung sind.

    1.2 Suchstrategie

    Im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses des systematischen Reviews zur Qualität der pflegerischen Versorgung im Krankenhaus stehen

    - die theoretischen Konzepte und Modelle zur Qualität der Pflege im Krankenhaus,

    - die Einflussfaktoren auf die Qualität der Pflege im Krankenhaus und

    - die Möglichkeiten der Messung und Darstellung von Qualität der Pflege im Krankenhaus.

    Zur Vorbereitung der Suchstrategie war es erforderlich sich mit den Einflussfaktoren auf die Qualität der Pflege im Krankenhaus zu beschäftigen. Angefangen bei den politischen Gesetzen, Richtlinien und Fördermaßnahmen. Gesellschaftliche Einflüsse, in Form von Änderungen der Ausbildung und des Pflegeberufes, sowie eine stärkere Informiertheit, Verantwortung für die Gesundheit und Erwartungen der Patienten im Krankenhaus und Anforderungen einer alternden Gesellschaft und pflegerischen Versorgung im Krankenhaus. Einflüsse der diagnosebezogenen Vergütung, der Einführung von Qualitätsmanagement im Krankenhaus einschließlich eines Risiko- und Fehlermanagements mit Einflüssen auf die Ergebnisqualität der pflegerischen Arbeit und das Versorgungsergebnis.

    %10

  • Auf der Ebene des Krankenhauses stehen als Messgrößen: Qualitätsmanagement, die Organisation der Arbeit, die Kultur, insbesondere die Führungs- und Teamkultur, Partizipation der Pflegenden an Managemententscheidungen, klare Rollenbilder und Aufgaben, Pflegeorganisation, Qualifikationen und Personalausstattung, Arbeitszufriedenheit und Arbeitsgesundheit und der Verbleib im Beruf als pflegerische Ergebnisqualität und auf der anderen Seite die Patientensicherheit und Ergebnisqualität der Patienten, Partizipation der Patienten in die Pflege, die Mortalität, die Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen, die Verweildauer im Krankenhaus, die Selbstpflegefähigkeit nach dem Krankenhausaufenthalt sowie die Patientenzufriedenheit, Patientenwohl.

    Es wurde nach theoretische Konzepten und Modellen sowie Instrumenten gesucht in den mit den Begriffen von guter Pflege, Qualitätsmanagement, Qualitätsverbesserung, Fehler und Risikomanagement und Patientenorientierung. Qualitätsindikatoren wurden ebenfalls in die Suche einbezogen, als ein Instrument und mit dem Bezug zur Qualität der Pflege im Krankenhaus.

    Zwei Qualitätsindikatoren zur Dekubitus-Inzidenz sind seit Jahren verpflichtend in der Qualitätssicherung verankert. Aus diesem Grunde bezieht sich die Forschungsfrage auch auf das Beispiel dieser Qualitätsmessung. Die Suchstrategie bezogen sich auf die Qualitätsindikatoren und ihre Ergebnisse zur Dekubitus-Inzidenz als Ergebnisparameter und wurde gesondert aufgeführt.

    Die systematische Recherche erfolgte in einschlägigen Fachdatenbanken (PubMed, Embase, Medline, The Cochrane Library, CINAHL) sowie in unsystematischer Form im Internet auf einschlägigen Homepages von Fachgesellschaften und Institutionen des Gesundheitswesens.

    Die Grundlage für die Suche in verschiedenen Datenbanken bildeten folgende Fragestellungen:

    Welche Einflussfaktoren auf die Qualität der Pflege im Krankenhaus werden beschreiben, einschließlich Ihrer theoretischen Konzepte und Modelle? Welche Instrumente werden für die Messung der Qualität in der pflegerischen Versorgung genutzt? Was sind Hindernde und was sind Fördernde Faktoren um die Qualität der Pflege im Krankenhaus zu beeinflussen? Welche Möglichkeiten bestehen um die Qualität der Pflege im Krankenhaus zu erfassen zu bewerten und zu verbessern? Wie wird die Dekubitus-Inzidenz international erfasst und bewertet. Sind die Ergebnisse mit den Nationalen Ergebnissen zu vergleichen?

    Dabei wurden folgende Suchbegriffe verwendet:

    hospital organization, organizational culture, Patient safety culture, nurses participation in hospital affaires, personnel staffing and scheduling, nurse clinicians, hospital staffing, nurse staffing, nursing staff, nursing care, hospital management, nursing staff mix models, staffing models, educational level, skill mix, bachelor, RN Nurses, competence, nursing unit characteristics, hospital care environment, primary nursing, organizational features, ward organization, nursing care delivery system, theoretical framework, quality management system, quality assurance, quality involvement, risk management, nursing care errors,

    in Kombination mit:

    quality of care, hospital mortality, treatment outcome, outcome assessment (health care), quality of health care, quality of nursing care, patient outcome, patient safety outcome, nursing outcome, staff-related outcomes, nursing sensitive indicators, quality indictors, decubitus, presser ulcer,, nurse errors, missing nursing care, patient satisfaction, nurse work-satisfaction.

    Eingeschlossen wurden Studien ab dem Jahr 2000, um eine Aktualität sicherzustellen und um den Umfang der Studien einzugrenzen. Für die Literaturrecherche der theoretische Konzepte und Modelle erfolgte keine zeitliche Begrenzung, da nur wenige Arbeiten gefunden und grundlegende Konzepte vor dem Jahr 2000 veröffentlicht wurden.

    Es fanden ausschließlich Studien in deutscher und englischer Sprache Berücksichtigung.

    %11

  • Die Recherche fokussierte zunächst auf Quellen mit aggregierten Studienergebnissen in Form von Metaanalysen und Übersichtsarbeiten (Reviews). Dementsprechend erfolgte die Suche nach solchen Arbeiten in der Cochrane Library (Cochrane Collaboration) und hier insbesondere nach Reviews, die nach den Gütekriterien für Cochrane Reviews erstellt worden sind.

    In der Cochrane Library wurde jedoch lediglich ein Titel gefunden: Hospital nurse staffing models and patient and staff-related outcomes (Review) 2011 von Butler M, Collins R, Drennan J, Halligan P, O’Mathúna DP, Schultz TJ, Sheridan A, Vilis E.

    Mit Blick auf das bestverfügbare Wissen zu komplexen Versorgungsthemen sind Cochrane Reviews häufig nicht ausreichend, da sie überwiegend auf die Effektivität medizinischer oder pflegerischer Prozeduren fokussieren. Diese sind oft beschränkt auf Randomized Controlled Trials (RCTs) oder analoge Studientypen. Da Pflegequalität aus vielen Einflussfaktoren besteht und diese nur sehr schwer zu kontrollieren sind, sind eher Quer- und bestenfalls Längsschnittanalysen wie klinische Fallstudien, schriftliche Befragungen und Datenanalysen im Bereich der quantitativen Forschung zu erwarten. Im Bereich der quantitativen Forschung sind zu den Forschungsfragen Interviews, Beobachtungen und Fokusgruppen zu erwarten.

    Nach einem Abstractscreening und der Entfernung von Dopplungen wurden 198 Studien, 58 Reviews und 47 theoretische Modelle und Konzeptpapiere in die Literaturanalyse eingeschlossen. Zudem lagen für den deutschen Versorgungsraum 14 nicht wissenschaftlich veröffentliche Gutachten insbesondere zur Personalsituation und zu Auswirkungen auf die Ergebnisqualität vor.

    Diese Texte wurden im Volltext beschafft und zusätzlich anhand verfahrensspezifisch definierter Einschlusskriterien bewertet.

    Es wurden solche Studien ausgeschlossen, die inhaltlich nicht relevant waren. Dazu zählten:

    - Studien mit einer geringen Übertragbarkeit auf die deutsche Versorgungssituation,

    - insbesondere Studien aus Afrika,

    - Studien, die sich ausschließlich auf die ambulante Pflege bezogen,

    - Studien, die ausschließlich die medizinisch ärztliche Qualität untersuchten, oder

    - Studien ohne einen Bezug zur Ergebnisqualität,

    - Studien, die den methodischen Ansprüchen nicht genügten;

    - ein nicht nachvollziehbares und unangemessenes Forschungsdesign,

    - keine ausreichende Größe des Samples,

    - unklare Mess- und Auswertungsverfahren.

    Die gefundenen Studien wurden kritisch analysiert und bewertet sowie die Ergebnisse zusammengefasst. Eine Darstellung erfolgt in den einzelnen Kapiteln und zusätzlich als tabellarische Darstellung in den Anhängen.

    So komplex wie die Qualitätsbegriffe und die Anzahl an Einflussfaktoren auf die Qualität der Pflege im Krankenhaus gestaltete sich auch die Literaturrecherche. Wird der Begriff „Qualität der pflegerischen Versorgung im Krankenhaus“ in die Suchmaschinen eingegeben, werden drei Treffer angezeigt. Wird Pflegequalität im Krankenhaus angegeben, ergibt das über 50.000 Treffer.

    Selbst die Reviews zu einer Thematik nutzen unterschiedliche Schlagworte zur Recherche und es stellte einen Unterscheid dar, ob die Pflegedatenbank CHINAL in die Recherche einbezogen wurde oder nicht. Dadurch wurden sehr unterschiedlichen Studien in die Reviews eingeschlossen mit Auswirkungen auf die Ergebnisse.

    %12

  • 2. Gesellschaftliche und politische Einflüsse auf die Pflegequalität im Krankenhaus

    2.1 Die Einführung einer diagnosebezogenen Vergütung im Krankenhaus und die Einführung von Qualitätsmanagement

    In den 80er- und 90er-Jahren des letzten Jahrtausends entwickelte sich in der Politik immer stärker der Wunsch in Bezug auf einen konsequenten Einsatz von Wirtschaftlichkeit und Zielen der Effektivität und Effizienz im Gesundheitssystem (SVR-Sondergutachten 1987, 1988, 1989). Unternehmen des Gesundheitswesens sollten nach dem Vorbild von industriellen Managementprinzipien geführt werden. Gleichzeitig gab es Bewegungen, die sich für eine Humanisierung des Arbeitslebens stark machten (vgl. European Social Charta, Stand: 1996). Neben den Begriffen von Effizienz und Effektivität erfuhren auch der Wettbewerbs-, Qualitäts- und Kundenbegriff eine immer stärkere Bedeutung im Gesundheitswesen, Gutachten machten umfangreiche Vorschläge zur Veränderung des Gesundheitswesens (SVR 1999, 2000-2001, 2004, 2007, 2009, 2012) und viele dieser Vorschläge fanden Eingang in die Gesetzgebung sowie in das Sozialgesetzbuch V für die Gesundheitsversorgung im Krankenhaus.

    In den Krankenhäusern wurde ein neues Finanzierungssystem eingeführt, das sich an medizinischen Diagnosegruppen orientiert und nicht mehr, wie zuvor, Belegungstage im Krankenhaus finanziert. Krankenhäuser sollten von nun an als Wirtschaftsbetriebe geführt werden. Es bestand jedoch politisch die Sorge, dass sich mit der Finanzierungsänderung die Qualität der Versorgung verschlechtern könnte (Begründung zur Gesetzesänderung, SVR Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit 2000/2001). Daher wurden Maßnahmen zum Qualitätsmanagement und zur Qualitätssicherung gesetzlich verankert (insbesondere die § 135–137 SGB V). Gemäß dem Vorbild aus der freien Wirtschaft wurde davon ausgegangen, dass sich auch im Krankenhaus Effektivitätsreserven ausschöpfen ließen (SVR Gutachten zur Über-, Unter- und Fehlversorgung 2000/2001). Vom Prinzip her sollten Krankenhäuser wirtschaftlicher werden, jedoch ohne einen Verlust an Versorgungsqualität.

    Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) hat 1999 „Ziele einer einheitlichen Entwicklung im Gesundheitswesen“ beschlossen, diese wurden von der GMK weiterentwickelt in einer Version für das Jahr 2011, mit Beteiligung von Vertreter der Selbstverwaltung im Bereich des SGB V als „Weiterentwicklung der Ziele für eine einheitliche Qualitätsstrategie im Gesundheitswesen“. Auch die Gutachten des Rates der Sachverständigen zur Begutachtung im Gesundheitswesen (SVR), insbesondere das Gutachten zur Über-, Unter- und Fehlversorgung aus dem Jahre 2000/2001 sowie alle folgenden Gutachten, stellen die Entwicklung der Gesundheitsversorgung unter dem Aspekt von Effizienz, Wettbewerb und Qualität in den Vordergrund ihrer Betrachtung und Empfehlungen.

    Im SGB V wird die Erbringung von Leistungen, zu der auch die Krankenhausleistungen zählen, unter das Gebot der Wirtschaftlichkeit gestellt. Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und ausschließlich im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden (vgl. §2 SGB X). Die Wirtschaftlichkeit wird in § 12 SGB V noch weiter ausgeführt. Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dem wissenschaftlichen Stand entsprechen.

    Mit der Messung von Qualität und Sicherheit setzt sich das Gutachten des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen 2007 ausführlich auseinander und empfiehlt unter anderem, Qualitätsindikatoren zur Patientensicherheit zu entwickeln und einzusetzen und neue Konzepte und Versorgungsformen zu entwickeln sowie die Kommunikationskompetenz zu fördern, außerdem die Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen zu stärken und zu multidisziplinären Teams weiterzuentwickeln.

    Anders als die Forderungen in den USA und GB wird in den deutschen Gutsachten des Sachverständigenrats nur selten zu kulturellen Aspekten der Organisationskultur und auch zur Änderung der Kultur der Professionen Bezug genommen. Alle Gutachten sind sehr stark von rationalen Zielen geprägt und fokussieren nicht so stark auf die kulturellen Aspekte des Change Managements, wie das in den USA und England der Fall ist (Davies et al. 2000). Außerdem hinzugekommen ist in den letzten

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  • Jahren die Stärkung der Patientenrechte mit einer stärkeren Transparenz der Leistungen im Krankenhaus zur Ermöglichung von Wahlentscheidungen für die Patienten und ihre Angehörigen.

    Die Thematik der Patientensicherheit als Teil des Qualitätsmanagement tritt in den letzten Jahren stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit. Auch die Bundesregierung macht das Thema Patientensicherheit zu einem prioritärem Thema: So fand im März 2017 der 2. Internationale Ministergipfel zur Patientensicherheit in Bonn statt, mit Workshops rund um die Patientensicherheit. Im Krankenhaus ist inzwischen ein Beschwerdemanagement, Fehler- und Risikomanagement verpflichtend, dies spiegelt sich auch in den Richtlinien des G-BA zur Qualitätssicherung wider.

    Als zusätzliches Zeichen der Politik und vieler Akteure im Gesundheitswesen, sich mit der Patientensicherheit stärker zu befassen, wurde 2007 das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. als gemeinnütziger Verein gegründet.

    Der Verein setzt sich für eine sichere Gesundheitsversorgung ein und widmet sich der Erforschung, Entwicklung und Verbreitung dazu geeigneter Methoden. Die Grundregeln der Vereinsarbeit sind: Glaubwürdigkeit durch Unabhängigkeit, Bündelung von Fachkompetenzen, multidisziplinäre Vernetzung und das Prinzip „Von der Praxis für die Praxis“ (http://www.aps-ev.de/kurzportrait/ letzter Zugriff am 28.08.2017).

    Arbeitsgruppen wurden eingerichtet, um Checklisten für die Patientensicherheit in der Praxis zu erarbeiten. Eine Stiftungsprofessur bis 2017 wurde am Institut für Patientensicherheit eingerichtet, diese fand inzwischen eine Angliederung an die Universität Bonn. Zahlreiche Studien wurden vom Aktionsbündnis unterstützt sowie in Auftrag gegeben (Schrappe et al. 2008, Lauterberg et al. 2009, McDemott et al. 2016). Die Durchführung von Kongressen sowie ein Preis zur Patientensicherheit, der jedes Jahr ausgelobt wird, zählen ebenfalls zu den Aufgaben des unabhängigen Vereins. Es entwickelten sich mit Unterstützung der Professionen freiwillige anonyme Fehlermeldesysteme, eine Teilnahme an diesen Systemen ist auch Bestandteil vieler Akkreditierungs- und Zertifizierungssysteme zur Qualität im Gesundheitswesen.

    Ein weitere Kooperationsverband in Deutschland zur Förderung der Qualität im Gesundheitswesen "gesundheitsziele.de" hat 2013 die Patientensicherheit als nationales Gesundheitsziel ausgerufen, um weitere Maßnahmen zur Umsetzung zu befördern sowie weitere Forschung zu imitieren (Hölscher et al. 2014). Die AOK brachte 2014 den jährlichen erscheinenden Krankenhaus-Report unter dem Thema Patientensicherheit heraus, überdies gibt es viele weitere Projekte, die hier nicht alle genannt werden können.

    2.2 Aktuelle Gesundheitsreformen und Normsetzung durch die Politik

    Die vielen Gesundheitsreformen der letzten Jahre verdeutlichen den stetigen Wandel des Gesundheitssystems. Die letzten Reformen, die größere Auswirkungen auf die Krankenhäuser hatten, waren: das Gesetz zu Patientenrechten, insbesondere mit der Verpflichtung von Krankenhäusern, ein Beschwerdemanagement einzuführen; dieses wurde inzwischen vom G-BA in der Richtlinie zum Qualitätsmanagement aufgenommen. 2016 kam ebenfalls durch eine gesetzliche Änderung eine G-BA Richtlinie für die Anforderungen an ein Risikomanagement und an ein systematisches Fehlermeldesystem hinzu.

    Das Gesetz zur Versorgungsstärkung 2015 hat Vorgaben zum Entlassungsmanagement erlassen, zu dem die Krankenhäuser verpflichtet sind, sowie die Einholung von Zweitmeinungen vor einen elektiven Eingriff hervorgehoben, zusätzlich wurde ein Innovationsfonds gegründet, um die Versorgungsforschung zu unterstützen. Das Gesetz zur Krankenhausstruktur 2016 hat ein Pflegestellen-Förderprogramm eingerichtet, das durch einen Pflegezuschlag ab 2017 ersetzt wird, eine bessere Abbildung in den DRG der pflegerischen Tätigkeiten angestoßen, Maßnahmen zur Weiterbildung im Bereich der Krankenhaushygiene unterstützt sowie die Qualität der Krankenhausversorgung stärker in den Vordergrund der Versorgung gerückt. Die Krankenhausplanung soll zukünftig ebenso Qualitätsaspekte einbeziehen, der G-BA hat auch hier inzwischen erste Planungsrelevante Qualitätsindikatoren

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    http://gesundheitsziele.de

  • ausgewählt und ist in den Vorbereitungen für einen Richtlinie-Beschluss. Außerdem wird geprüft, ob durch einzelne Verträge der Krankenkassen eine weitere Qualitätssteigerung möglich ist.

    Dieser kurze Absatz beschreibt lediglich die letzten Gesundheitsreformen und macht deutlich, wie stark vonseiten der Politik Veränderungen und Steuerungsmöglichkeiten genutzt wurden und welchen Druck und wie vielen Veränderungen die Organisation Krankenhaus sowie die Praktiker vor Ort ausgesetzt waren.

    Fazit

    Es bestehen viele politische Steuerungsaktivitäten, die sich in den vielen Gesundheitsreformen und Gesetzesänderungen der letzten Jahre widerspiegeln. Diese haben direkte Auswirkungen auf die Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses, im Bereich der Qualität der Patientenversorgung und in den Aufgaben des G-BA des § 135a–137 SGB V auf die Richtlinien zum Qualitätsmanagement und die zusätzlichen Bestimmungen zum Fehler und Risikomanagement. Weitere Richtlinien fokussieren auf Anforderungen an die Strukturqualität und an die datengestützte Verfahren der externen und sektorenübergreifenden Qualitätssicherung mit der Messung von Qualitätsindikatoren zur Qualität im Krankenhaus. Die Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses wurden in den letzten Jahren kontinuierlich erweitert sowie durch den Gesetzgeber konkretisiert.

    Neben den Pflichtaufgaben gibt es jedoch auch freiwillige Initiativen zu der Thematik Patientensicherheit, dazu gehören die Initiative gesundheitsziele.de und das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V., an denen sich auch die Politik und die Partner der Selbstverwaltung aktiv beteiligen.

    2.3 Richtlinien des G-BA bezüglich der Qualität von Pflege im Krankenhaus

    2.3.1 Verpflichtende Qualitätsvorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses 
– Hintergrund

    Die jeweiligen Gesundheitsreformen durch den Gesetzgeber haben dem Gemeinsamen Bundesausschuss beinahe jährlich neue Aufgaben im Bereich der Qualitätssicherung übertragen. Nachdem anfänglich die Sektoren in den G-BA Gremien getrennt waren, wurde nach den ersten Jahren ein gemeinsames Beschlussgremium geschaffen. Aus diesem Grund bestanden unterschiedliche Entwicklungen zum Qual i tätsmanagement sowie drei verschiedene Richt l in ien zum Qualitätsmanagement (eine für Krankenhäuser, eine für Ärzte und Psychotherapeuten und eine für Zahnärzte) und ebenfalls unterschiedliche Ansätze zur externen Qualitätssicherung im Bereich der Vertragsärzte und Psychotherapeuten sowie im Bereich der Krankenhäuser.

    Erst in den letzten Jahren wurde eine gemeinsame Richtlinie zum Qualitätsmanagement für sämtliche Versorgungsbereiche des SGB V beschlossen. Ähnliche Entwicklungen gab es für die datengestützte externe Qualitätssicherung, die sich unterschiedlich im ambulanten ärztlichen Bereich und im Krankenhaus entwickelt hat. Auch hier hat der Gesetzgeber dem G-BA den Auftrag erteilt, eine sektorenübergreifende Richtlinie zur Qualitätssicherung zu fassen. Seit kurzem sind die ersten sektorenvergleichenden Verfahren zur Qualitätssicherung implementiert. Durch die starke sektorale Gestaltung des Gesundheitssystems sind viele Barrieren deutlich geworden, die eine sektorenübergreifende Qualitätssicherung und Richtlinienerstellung erschweren.

    Folgende Tabelle führt die Richtlinien des G-BA auf, die für die Krankenhäuser relevant sind. Inwieweit auch die Pflegenden durch die Richtlinien direkt betroffen sind, ist aus der rechten Spalte ersichtlich.

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    http://gesundheitsziele.de

  • Tabelle 1: Vorgaben aus den G-BA Richtlinien des Qualitätsmanagements bezogen für die Pflege, 
eigene Darstellung

    2.3.2 Richtlinie zum Qualitätsmanagement (QM RL) und Bestimmung von Anforderungen an einrichtungsübergreifende Fehlermeldesysteme (üFM-B)

    Die Richtlinie des G-BA konkretisiert die gesetzliche Vorgabe (§ 135a SGB V), dass Krankenhäuser verpflichtet sind, ein Qualitätsmanagement einzuführen (G-BA QM-RL). Die Richtlinie nimmt dabei Bezug auf die Modelle des Qualitätsmanagements, siehe auch Kapitel 6. So wird in der Konkretisierung der G-BA RL die Anwendung des PTCA-Zyklus nach Deming genannt. § 3 der QM-RL sieht folgende grundlegende Elemente vor:

    - Patientenorientierung einschließlich Patientensicherheit

    Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, die die Krankenhäuser betreffen

    Abkürzung für die Pflege relevant?

    Richtlinie zum Qualitätsmanagement QM RL für alle Berufsgruppen im Krankenhaus

    Bestimmung von Anforderungen an einrichtungsübergreifende Fehlermeldesysteme

    Mn-üFMS-B für alle Berufsgruppen im Krankenhaus

    Richtlinie zur externen stationären Qualitätssicherung

    QSKH RL 2 pflegerelevante Qualitätsindikatoren von über 400 medizinischen Qualitätsindikatoren

    Richtlinie zur Einrichtungs- und sektorenübergreifenden Qualitätssicherung

    Qesü-RL im Bereich der Hygiene gibt es Prozessindikatoren an denen die Pflege beteiligt ist, die Prozessindikatoren beziehen sich auf das Krankenhaus und die Organisation und nicht auf einzelnen Berufsgruppen

    Mindestmengen-Vereinbarung Mm-R kein direkter pflegerischer Bezug

    Vereinbarung zum Qualitätsbericht der Krankenhäuser

    Qb-R Information zu Pflege-Personal Anzahl Qualifikation auf der Ebene der Abteilung, besondere pflegerische Angebote, Kompetenzen, Projekte und Aktivitäten können beschrieben werden

    Richtlinien zur Struktur-, Prozess und Ergebnisqualität NICU

    BAA

    invasive Herzinterventionen

    Kinderonkologie

    Kinderherz

    PET beim NSCLC

    Protonentherapie beim Rektumkarzinom

    QFR-RL

    QBAA-RL

    MAI-RL

    KiOn-RL

    KIHe-RL

    Ja, siehe extra Tabelle

    Richtlinie zu planungsrelevanten Qualitätsindikatoren

    plan.QI-RL aktuell wurden keine pflegerelevanten Qualitätsindikatoren ausgewählt, bisher wurden nur medizinisch ärztliche Qualitätsindikatoren einbezogen

    Fortbildungspflichten im Krankenhaus FKH-R die Fortbildungspflichten beziehen sich nur auf die Ärzte und Psychotherapeuten, nicht auf das Pflegepersonal

    %16

  • - Mitarbeiterorientierung einschließlich Mitarbeitersicherheit

    - Prozessorientierung

    - Kommunikation und Kooperation

    - Informationssicherheit und Datenschutz

    - Verantwortung und Führung

    Die Richtlinie schließt zudem ein Fehler- und Risikomanagement als Bestandteil des Qualitätsmanagements ein, auch wenn eine weitere Bestimmung des G-BA die konkreten Anforderungen sowie die verbindliche Teilnahme an einem Fehlermeldesystem regelt (üFMS-B 2016). Ebenfalls wurden als Verpflichtung der Krankenhäuser ein Beschwerdemanagement und die Verbesserung der Barrierefreiheit aufgenommen. Seit 2016 ist eine gemeinsame Richtlinie zum Qualitätsmanagement für Krankenhäuser, Vertrags-Ärzte, -MVZ und -Psychotherapeuten und Vertragszahnärzte gültig. Zuvor waren über zehn Jahre lang drei unterschiedliche Richtlinien des G-BA zum Qualitätsmanagement jeweils für Krankenhäuser, niedergelassene Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten und MVZ und für niedergelassene Vertragszahnärzte getrennt gültig. Die Verpflichtung zum Qualitätsmanagement im Krankenhaus besteht nun seit fast 15 Jahren. Eine Evaluation zum Stand der Einführung eines QM im Krankenhaus ist nicht bekannt.

    Die ergänzende Bestimmung zu den Anforderungen an Fehlermeldesystemen beschreibt, dass die Einsage in das System anonym und sanktionsfrei erfolgt, und legt die Mindestanforderungen an das Fehlermeldesysteme dar, wie das Vorhandensein einer Falldatenbank und die Möglichkeit der Verwendung dieser Daten für Weiterbildung und Forschungszwecke. Die Teilnahme an den Fehlermeldesystemen muss dem Krankenhaus bescheinigt werden können, die Teilnehme an dem Fehlermeldesystem ist vom Krankenhaus im Qualitätsbericht der Krankenhäuser zu veröffentlichen.

    2.3.3 Richtlinie zur externen Qualitätssicherung im Krankenhaus (QSKH RL)

    Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses legen konkrete Inhalte zur Qualitätssicherung in ihren Richtlinien fest. Dazu zählt insbesondere eine Teilnahme an dem Verfahren der externen stationären Qualitätssicherung. Dieses Verfahren ist in der „Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung im Krankenhaus“ (QSKH-RL) beschrieben. In Verbindung mit der Richtlinie zum Qualitätsbericht der Krankenhäuser (Qb-R) erfolgt eine Veröffentlichung von Ergebnissen aus der externen stationären Qualitätssicherung eines jeden Krankenhauses im Qualitätsbericht. Grundsätzlich wird in den Richtlinien und Vereinbarungen des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht unterschieden, ob es sich um medizinische oder pflegerische Qualität handelt. Die Ausrichtung der Qualitätsvorgaben und Messungen im Krankenhaus orientiert sich in der Regel an medizinischen Diagnosen und Leistungsbereichen.

    Die externe Qualitätssicherung für die Krankenhäuser wurde zeitgleich mit der Einführung einer diagnosebezogenen Vergütung (DRG-Finanzierung) gesetzlich verankert. Während sich international eher Generalindikatoren und Ergebnisindikatoren nach der DRG-Einführung zur Qualitätsmessung und Transparenz durchgesetzt haben (Owens et al. 2015), entwickelten sich in Deutschland Qualitätsindikatoren, die sich an spezifischen medizinischen Diagnosen, Fachbereichen und den medizinischen Leitlinien orientierten. So wurden sehr spezifische und zum Teil auch sehr umfangreiche Qualitätsindikatoren entwickelt. Für das Jahr 2016 erfolgten Auswertungen von über 400 Qualitätsindikatoren, die hauptsächlich die chirurgischen Disziplinen im Krankenhaus abbilden. Von diesen 400 Qualitätsindikatoren bilden nur zwei Qualitätsindikatoren die Qualität der pflegerischen Versorgung im Krankenhaus ab. Diese zwei Qualitätsindikatoren betreffen die Dekubitusprophylaxe im Krankenhaus, ein Qualitätsindikator erfasst sämtliche im Krankenhaus erworbenen Dekubitus von Grad 2–4 und eine gesonderter Sentinel Event QI erfasst den im Krankenhaus erhobenen schwerwiegenden Dekubitus Grad 4 separat. Detailliert werden die Qualitätsindikatoren in Kapitel 12 beschrieben. Zu dem System der externen Qualitätssicherung gehören eine Beschreibung zur Datenerfassung, die Spezifikation, eine Daten-Annahmestelle und -Auswertungsstelle, eine Rückmeldung der Ergebnisse an das Krankenhaus und eine Bewertung durch ein Gremium von Fachexperten und – wenn rechnerisch

    %17

  • auffällig Datenergebnisse vorliegen – ein Verfahren zur Qualitätsverbesserung. Dieses wird in Kapitel 12 am Beispiel der Dekubitus-Inzidenz näher beschrieben.

    2.3.4 Richtlinie zur einrichtungs- und sektorenübergreifenden Qualitätssicherung 
(Qesü-RL)

    Diese Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses soll die Qualität zwischen den Sektoren vergleichen, wenn beide die Leistung erbringen. Vom Prinzip folgt diese Richtlinie dem Vorbild der QSKH Richtlinie und schließt die Vertragsärzte mit ein. Zwei Bereiche wurden bislang in diese Richtlinie mit aufgenommen: das Verfahren zur Perkutanen Koronarintervention (PCI) und Koronarangiographie als ausschließlich ärztliche Qualitätsindikatoren und zur Hygiene mit den Schwerpunkten Wundinfektionen, dem Umgang mit resistenten Erregern, Prozessbeschreibungen zur hygienischen Verhalten und zum Verbrauch von Desinfektionsmittel. Außer den Wundinfektionen, die Ergebnisindikatoren darstellen, handelt es sich überwiegend um Prozess-Qualitätsindikatoren, die dem Krankenhaus und der Organisation zugeordnet werden. Während international die nosokomialen Infektionen wie Harnwegsinfektionen, Wundinfektionen, Pneumonien, Sepsis und Infektionen, die auf einen zentral investiven Katheter zurückzuführen sind, der pflegerischen Qualität im Krankenhaus zugeordnet werden, erfolgt dieses in der Richtlinie des G-BA nicht.

    2.3.5 Richtlinien zu Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität nach § 136 Absatz 1 
Satz 1 Nummer 2 SGB V

    - Qualitätssicherungsrichtlinie Früh- und Reifgeborene (QFR-RL)

    - Qualitätssicherungsrichtlinie Bauchaortenaneurysma (QBAA-RL)

    - Qualitätssicherungsrichtlinie minimalinvasive Herzklappeninterventionen (MAI-RL )

    - Richtlinie zu Kinderherzchirurgie (KiHe-RL)

    - Richtlinie zu Jugend- und Kinderonkologie (KiOn-RL)

    - Richtlinie zur Positronenemissionstomographie (PET) beim nicht kleinzelligen

    Lungenkarzinom (NSCLC)

    - Richtlinie zur Protonentherapie beim Rektumkarzinom

    - Mindestmengen-Vereinbarung

    Die Richtl inien sind stark geprägt von medizinischen Diagnosen oder spezifischen Versorgungsbereichen, wie die gesamte gesetzliche Qualitätssicherung nach § 135–137 SGB V. In den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Anforderungen für bestimmte Versorgungsbereiche festgelegt worden.

    Die Mindestmengen-Vereinbarung regelt medizinische Eingriffe, die nur als Leitung erbracht werden dürfen, wenn eine Erfahrung mit diesen Eingriffen besteht und im Jahr eine in der Vereinbarung festgelegte Menge an Eingriffen erbracht wird. Einen direkten Bezug zur Pflege gibt es nur indirekt durch die Erfahrung und Pflege nach diesen Eingriffen.

    Neben der strukturellen, baulichen und technischen Ausstattung sind insbesondere fachliche Anforderungen an Ärzte und Pflegende definiert worden. In der Tabelle sind die Anforderungen an die pflegerische Qualifikation, der Pflegepersonalschlüssel sowie einige wenige Prozessparameter dargestellt. Es bestehen zwei Richtlinien für die Versorgung von kranke Kindern im Bereich der Herzchirurgie und Onkologie sowie eine Richtlinie zur Versorgung von Früh- und Reifegeborenen, zudem zwei Richtlinien für die Versorgung von Erwachsenen für minimal invasive Katheter gestützte Eingriffe und Implantationen und die Versorgung von Patienten nach einer Operation eines Abdominalen-Aorten-Aneursyma. Zwei weitere Richtlinien, § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V, zur

    %18

  • Positronenessissionstomographie (PET) beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) und zur Behandlung der Protonentherpie beim Rektumkarzinom beschreiben keine pflegerischen Anforderungen.

    Tabelle 2: Richtlinien zu Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität nach § 136 Absatz 1 Satz 1 
Nummer 2 SGB V bezogen auf die Anforderungen an Pflegende, in eigener Darstellung

    In allen Richtlinien, bis auf die beiden zuletzt genannten RL, werden Quoten für die Anzahl an Pflegenden mit einer entsprechenden fachspezifischen Fachweiterbildung und eine Weiterbildung für Stationsleitungen eingefordert. Für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen wird ein Personalschlüssel von 1:1 (je eine Pflegekraft pro Patient, pro Schicht) für den Level I und 2:1 für den

    Versorgung von Frühgeborenen Level I und Level II

    Versorgung von Patientinnen und Patienten nach OP eines Abdominalen-Aorten-Aneurysma

    Versorgung von Patientinnen und Patienten, mit minimal-invasiven Herzkatheter- Eingriffen

    Herzchirurgische Versorgung von Kindern und Jugendlichen

    Versorgung onkologisch erkrankter Kinder und Jugendlicher

    Level I 40 %

    Level II 30%

    der Pflegenden

    (bezogen auf Vollzeitäquivalente) müssen eine Fachweiterbildung im Bereich „Pädiatrische Intensivpflege“ auf der Frühgeborenen Intensivstation nachweisen.

    50 % der Pflegenden (bezogen auf Vollzeitäquivalente) müssen eine Fachweiterbildung im Bereich Intensivpflege und Anästhesie auf der Intensivstation nachweisen.

    25 % der Pflegenden (bezogen auf Vollzeitäquivalente) müssen eine Fachweiterbildung im Bereich Intensivpflege/Anästhesie auf der Intensivstation nachweisen.

    40 % Prozent der Pflegenden (bezogen auf Vollzeitäquivalente) müssen eine Fachweiterbildung im Bereich „Pädiatrische Intensiv- und Anästhesiepflege“ auf der herzchirurgischen Intensivstation nachweisen.

    Der Pflegedienst des Zentrums besteht in der Regel aus Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflegern. Davon müssen mindestens zwei eine Fachweiterbildung in der Onkologie haben.

    In jeder Schicht muss eine Pflegende mit Fachweiterbildung vertreten sein

    In jeder Schicht muss eine Pflegende mit Fachweiterbildung vertreten sein

    In jeder Schicht muss eine Pflegende mit Fachweiterbildung vertreten sein

    Jederzeit sollen Pflegenden mit einer Fachweiterbildung eingesetzt werden

    In jeder Schicht ist im Zentrum die Besetzung von mindestens zwei ausgebildeten Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen oder Kinderkrankenpflegern zu gewährleisten.

    Die Stationsleitung muss zusätzlich einen Leitungslehrgang absolviert haben.

    Pflegepersonalschlüssel

    1:1 bei Frühgeborene unter 1500 g

    1:2 bei Frühgeborenen über 1500 g

    Das interdisziplinäre Team besteht aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit mehrjähriger Erfahrung in der Versorgung von herzkranken Kindern und Jugendlichen, es gibt dokumentierte Teamsitzungen und Qualitätszirkel.

    Das multiprofessionelle Team ist zu einer engen und strukturierten Zusammenarbeit verpflichtet, deren Ergebnisse zu dokumentieren sind.

    Personalmanagementkonzept, um Engpässe abzufedern und geburtenstarke Zeiten abzudecken

    Die Versorgung erfolgt auf einer fachgebundenen kinderkardiologischen Pflegestation.

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  • Level II gefordert und zudem ein Personalkonzept, um Arbeitsspitzen abzudecken. Außerdem werden Daten zur Ergebnisqualität zur Mortalität und Morbidität erhoben und für die letzten fünf Jahre veröffentlicht www.perinatalzentren.org. In zwei weiteren Richtlinien der Herzchirurgie werden als Qualifikation auch Prozessanforderungen definiert, in Form von interdisziplinären Teams, Fallbesprechungen und Qualitätszirkeln, die dokumentiert nachzuweisen sind. In der Jugend- Kinderherzchirurgie wird zusätzlich im Team eine mehrjährige Erfahrung der Mitarbeiter eingefordert und es muss eine Versorgung auf einer speziellen Kinder-Jugendlichen-Herz-Station sichergestellt werden.

    Für die Quoten der Fachweiterbildung gab es im Anfangszeitraum Übergangszeiten mit der Anerkennung von langjähriger Berufserfahrung statt einer Fachweiterbildung, da die Quoten häufig noch nicht von den Krankenhäusern erfüllt werden konnten, inzwischen sind diese ausgelaufen. Ein Gutachten des Deutschen Krankenhausinstituts (Blum 2017) beschreibt den Umsetzungsgrad der Quoten der Pflegenden mit Fachweiterbildung in den Krankenhäusern und ebenso die Probleme der Gewinnung von Fachpersonal in einem Gutachten, das im Sommer 2017 veröffentlicht wurde. Interessanter Weise sind in der Richtlinie noch keine Qualifikation in Form eines Pflegestudiums aufgenommen worden, obwohl Studiengänge des Pflegemanagements bereits seit über 20 Jahren bestehen und zunehmend Stationsleitung über diese Qualifikation verfügen. Weitere Bachelor- und Master-Studiengänge in der Pflege qualifizieren die Pflegenden weit höher, als dies im Rahmen von Fachweiterbildungen möglich ist. Auch wenn die Anzahl der akademischen Pflegenden in der direkten Patientenversorgung in Deutschland noch sehr gering ist und in einer Studien von Tannen et al. 2017 mit 1 % beschrieben wurde, nimmt die Anzahl dieser qualifizierten Pflegenden zu. Dieses hat allerdings noch keinen Eingang in die G-BA RL gefunden.

    2.3.6 Richtlinie zu planungsrelevanten Qualitätsindikatoren der 
Krankenhausplanung (plan.QI-RL)

    Aus den bestehenden Qualitätsindikatoren der externen Qualitätssicherung wurden Qualitätsindikatoren ausgewählt, um diese für die Krankenhausplanung in den einzelnen Bundesländern zu nutzen. Ausgewählt wurden bisher nur Qualitätsindikatoren mit einem medizinischen Schwerpunkt.

    2.3.7 Regelungen zum Qualitätsbericht der Krankenhäuser

    Im Qualitätsbericht der Krankenhäuser berichten die Krankenhäuser über ihr Leistungsspektrum, dazu zählen auch Fallzahlen und Informationen über ärztliches, pflegerisches und weiteres therapeutisches Personal und spezielle Qualifikationen. Besonderheiten im Versorgungsauftrag wie die psychiatrische Versorgung, besondere Schwerpunkte und/oder zu Forschung und Lehre können dargestellt werden. Viele Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind mit dem Qualitätsbericht verknüpft, da eine Berichtspflicht zu bestimmten Themen und Daten in dem Qualitätsbericht aufgenommen wurde. So sind in dem Qualitätsbericht die Aktivitäten des QM mit dem zuständigen Ansprechpartner sowie dem zuständigen Lenkungsgremium und dessen Aktivitäten aufzuführen. Das gilt ebenso für ein Risikomanagement und insbesondere für Aktivitäten zur Hygiene und zur Teilnahme an einem Fehlermeldesystem, dem Beschwerdemanagement und der Barrierefreiheit im Krankenhaus.

    Des Weiteren sind Daten und Ergebnisse zur Einhaltung der Mindestmengen im Qualitätsbericht vorgesehen. Weitere Daten der zu veröffentlichenden Qualitätsindikatoren aus der Richtlinie zur externen stationären Qualitätssicherung (QSKH-RL) und zur einrichtungs- und sektorenübergreifenden Richtlinie (Qesü RL) sind darzustellen. Es besteht die Möglichkeit einer Kommentierung des Krankenhauses, wenn Ergebnisse von Qualitätsindikatoren außerhalb der festgelegten Referenzbereiche liegen. Weitere Veröffentlichen betreffen die Richtlinien zur Strukturqualität des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 136 Absatz 1 Nummer 2 SGB V (Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität der durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen, insbesondere aufwendiger einschließlich Mindestanforderungen an Ergebnisqualität). Zwar werden Daten zur Anzahl von Pflegepersonal veröffentlicht, jedoch auf der Ebene der Abteilung und nicht von Stationen. Dadurch ist kein Rückschluss möglich, wie viel Pflegepersonal mit welcher Qualifikation auf einer Station tatsächlich für wie viele Patienten zur Verfügung steht.

    %20

    http://www.perinatalzentren.org/

  • Zur akademischen Qualifikation der Pflegenden im Krankenhaus gibt es Empfehlungen des Wissenschaftsrates. Er empfiehlt eine Quote von 10–20 % an akademisch ausgebildetem Pflege-Personal in der Praxis der Patientenversorgung einzusetzen. Dieses findet bisher jedoch noch keine B e r ü c k s i c h t i g u n g i n d e n R i c h t l i n i e n d e s G - B A ( s i e h e K a p i t e l 1 . 4 . 5 z u d e n Strukturqualitätsanforderungen).

    2.3.8 Fortbildungspflichten im Krankenhaus (FKH-R)

    In dieser Regelung des Gemeinsamen Bundesausschusses werden die Fortbildungspflichten für Ärzte und Psychotherapeuten festgelegt, jedoch nicht für Pflegepersonal oder anderes therapeutisches Personal im Krankenhaus. Die verantwortlichen Ärzte müssen im Qualitätsbericht der Krankenhäuser darlegen, ob die Fachärzte sich weitergebildet haben, dies erfolgt durch Punkte, die für Fortbildungen von der Ärztekammer je Fort- und Weiterbildung vergeben werden. Diese Regelung ist analog für die Ärzte im vertragsärztlichen Bereich geschaffen worden, in dem ebenfalls Punkte in der Fort- und Weiterbildung gesammelt werden müssen.

    Die Pflegenden sind inzwischen freiwillig dazu übergegangen, ebenfalls ihre Fortbildungspunkte zu sammeln, nach dem Vorbild des ärztlichen Systems werden Punkte gesammelt. Pflegekammern befinden sich derzeit im Aufbau, bislang gibt es nur in zwei Bundesländern eine Landes-Pflegekammer (Rheinland Pfalz und Schleswig Holstein) und ein weiteres Bundesland (Niedersachsen) steht kurz vor der Errichtung einer solchen. In weiteren Bundesländern gibt es aktuell viele Initiativen für eine Pflegekammer. Den beiden bestehenden Pflegekammern sind Aufgaben im Bereich der Fort und Weiterbildung übertragen worden.

    Gesetzlich vorgeschrieben und als Aufgabe an den G-BA gegeben, ist bisher lediglich die Reglung zu den Fortbildungspflichten der Ärzte im Krankenhaus, in Bezug auf nicht ärztliches Personal und die berufsspezifischen Weiterbildungen bestehen aktuell keine konkreten Regelungen. Eine Dokumentationspflicht herrscht im Qualitätsbericht der Krankenhäuser – hier können die Krankenhäuser freiwillig auch die Fortbildungen der nichtärztlichen Mitarbeiter und des Pflegepersonals dokumentieren, eine Pflicht zur Dokumentation besteht jedoch für nichtärztliches Personal nicht.

    2.4 Politische Maßnahmen zur Pflege-Personalsituation im Krankenhaus

    Die Bundesregierung befasst sich vor einigen Jahren mit dem Problem der Pflege-Personalsituation im Krankenhaus. Die Diskrepanz zwischen Angebot von freien Stellen sowie der Nachfrage stellt ein wachsendes Problem dar. Die Studienlage zu der Problematik der Pflegekapazität und ihren Auswirkungen auf die Qualität der Pflege im Krankenhaus wird in einen extra Kapitel dargestellt.

    Die Bundesregierung stellte durch ein Pflegestellen-Förderprogramm von 2009–2011 den Krankenhäusern Gelder zur die Aufstockung des Pflegepersonals zur Verfügung. In diesem Zeitraum kam es jedoch nur zu einer Steigerung des Pflegepersonals von 3  %, diese Steigerung wurde von Reiferscheid et al. 2016, Simon 2015 Graß und Stegmüller 2014 als eindeutig zu gering bewertet. Als ein schwerwiegendes Problem wurde erkannt, dass die in die Kalkulation der DRG einfließenden Anhaltszahlen aus der Pflegepersonal-Verordnung lediglich dazu dienen, das vorhandene Personal auf die DRG zu verteilen, es aber keine Bedarfsermittlung oder Berechnung des tatsächlichen Pflegebedarfs und Pflegepersonalbedarfs gibt. Eine Pflege-Bedarfsermittlung ist in den DRG nicht vorgesehen, dort geht es beinahe ausschließlich um ärztliche Diagnosen und Prozeduren, jedoch nicht um den Pflegeaufwand und Pflegeleistungen. Seit einigen Jahren gibt es in dem DRG-System den OPS-PKMS (Pflege Komplex Maßnahmen Score). Die Kodierung dieses Scores ist allerdings aufgrund des hohen Dokumentationsaufwandes sowie der begrenzten Anwendbarkeit nicht geeignet, um den Pflegebedarf zu ermitteln (Simon 2015, Greß und Stegmüller 2014).

    Mit dem Krankenhaus-Strukturgesetz KHSG 2016 werden bis 2018 kurzfristig weitere Geldmitteln in Form eines Pflegestellen Förderprogramm bereitgestellt, das ab 2019 in einen Pflegezuschlag umgewandelt werden soll. „Eine gute Versorgung von Patientinnen und Patienten im Krankenhaus kann

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  • nur mit ausreichend Personal gelingen. Deshalb sorgen wir für mehr Pflegepersonal am Krankenbett. Mit dem Pflegezuschlag und dem Pflegestellen-Förderprogramm erhalten die Krankenhäuser bis zu 830 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr, um dauerhaft mehr Personal zu beschäftigen“, so die Bundesregierung zum Pflegestel len-Förderprogramm auf ihrer Internetseite https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2017.html (letzter Zugriff 20.08.2017).

    Zusätzlich soll zukünftig in den DRG eine bessere Abbildung der Pflege erfolgen und neben dem bestehenden OPS „PKMS – Pflege Komplex Maßnahmen Score“ gibt es seit 2016 den OPS 9-984 „Pflegebedürftigkeit“. Fraglich bleibt, ob diese beiden OPS in der Lage sind, den Pflegebedarf zu ermitteln. In den Wahlprogrammen, aller Parteien, der Bundestagswahl 2017 und auch in dem Koalitionsvertrag 2018 ist das Problem des geringen Pflegepersonals im Krankenhaus von den politischen Parteien aufgegriffen worden. Die gemeinsame Selbstverwaltung wurde beauftragt, innerhalb kurzer Zeit eine am Pflegebedarf orientierte Berechnung zu entwickeln sowie in das DRG- System zu implementieren.

    Der runde Tisch der Bundesregierung zum Thema „Pflegepersonal im Krankenhaus“ beschloss am 07.03.2017, dass die gemeinsame Selbstverwaltung Pflegepersonal-Untergrenzen für besonders pflegesensible Bereiche, wie die Intensivpflege und den Nachdienst, bis zum 30.06.2018 vorzulegen hat. Der Koalitionsvertrag sieht inzwischen von den pflegesensiblen Bereichen ab und es sollen für sämtliche Bereiche im Krankenhaus Personaluntergrenzen festgelegt werden https://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf, (letzter Zugriff 16.02.2018).

    Die politische Steuerung besteht aus drei Teilen, sodass als Sofortmaßnahme Geld für mehr Pflegekräfte zur Verfügung gestellt wird. Die hohe Summe ergibt jedoch auf die Krankenhäuser im Durchschnitt verteilt pro Krankenhaus nur wenige zusätzliche Stellen. Dadurch wird die Dimension des Problems deutlich, jedoch noch nicht das Problem zwischen dem hohen Angebot an freien Stellen sowie der geringen Nachfrage im Pflegebereich gelöst.

    Der zweite Teil der politischen Sofortmaßnahmen besteht in der Aufgabe an die Selbstverwaltung, den Pflegebedarf zu ermitteln und dies in das DRG- System zu integrieren.

    Die dritte Maßnahme bezieht sich auf die Festlegung von Personaluntergrenzen. Es bleibt abzuwarten, wie das Problem des Pflege-Fachkräftemangels in Verbindung mit Personaluntergrenzen gelöst wird. Was fehlt, ist ein Gesamtkonzept zur Weiterentwicklung der Pflegeberufe, ihrer Ausbildung und der Professionalisierung ihrer Aufgaben und Kompetenzen und wie sich ein „skill mix“ im Krankenhaus ausgestalten könnte.

    Zwei aktuelle Gutachten, der Universität Bremen von Darmann-Finck et al. 2016 „Qualifikationsmix im Krankenhaus“ und ein Gutachten der Robert Bosch Stiftung „ Mit Eliten Pflegen - 360 Grad Qualifikationsmix für den Patienten“, machen deutlich, dass sich die Berufsgruppe selbst intensiv mit der Thematik und möglichen Lösungen beschäftigt. Auch das Problem des mangelnden Pflegepersonals im Krankenhaus mit seinen Auswirkungen auf die Qualität der Pflege im Krankenhaus kann nicht isoliert betrachtet und geregelt werden, sondern ist im Zusammenhang mit vielen anderen Einflussfaktoren – insbesondere der Qualifikationen der Pflegenden, den Arbeitsbedingungen und der Attraktivität des Pflegeberufes im Krankenhaus – zu sehen. Mehr Pflegende im Krankenhaus und Personaluntergrenzen allein lösen die bestehenden Probleme der Arbeitsorganisation, Führungsunterstützung, Arbeitsgesundheit und die Differenz der beruflichen Erwartungen der Pflegenden und der aktuellen Arbeitssituation, diese Erwartungen an die berufliche Tätigkeit umzusetzen, noch nicht.

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    https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2017.htmlhttps://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2017.html

  • 3. Internationale Entwicklungen und politische Steuerungsaktivitäten

    Das deutsche Gesundheitswesen unterscheidet sich im Vergleich zu dem Gesundheitssystem in den USA, Kanada und Europa. Die Zielsetzungen und Probleme sind jedoch, trotz der Unterschiedlichkeit, vergleichbar.

    So fordert das US-amerikanische Institute of Medicine „eine Kultur, in der Excellence gedeihen kann“. Davies et al. 2000 setzen sich damit auseinander, dass die Politik Änderungen in der Kultur in Gesundheitsorganisationen einfordert. Drei wesentliche Punkte gelten in den USA als Ziele für eine Kulturänderung in der Gesundheitsversorgung: die konsequente Orientierung an der Wissenschaftlichkeit und fachlichen Evidenz, die Ausrichtung und Orientierung des gesamten Versorgungsgeschehens am Patienten und das Setzen der Patientensicherheit an erste Stelle. Davies et al. 2000 und Battles und Lilford 2003 weisen darauf hin, dass kulturelle Änderungen zum einen Zeit benötigt und zum anderen auch nicht angeordnet werden können. Die Regierung der USA sowie der europäische Rat stellen Gelder für die Forschung zur Verfügung, um Kulturänderungen zu begleiten sowie die Patientensicherheit zu fördern.

    Auch Wissenschaftler fühlten sich international aufgerufen, eine Forschungsagenda zu erstellen. So entwickelten die Niederländer Grol, Benwick und Wensing 2008 Forschungsfragen in Form einer Agenda, rund um das Thema Förderung der Qualität und Sicherheit im Gesundheitssystem. Auch die britische Regierung fordert von den staatlichen Gesundheitseinrichtungen eine stärkere Ausrichtung an der Entwicklung von Qualität sowie eine Änderung der Organisations- und Fehlerkultur. Das NICE soll Standards entwickeln, unter Evidenz basierten Kriterien und der Einbeziehung von Patienten und ihrer Perspektive. Die Gesundheitsorganisationen sollen ein „Lebenslanges Lernen“ sicherstellen. Standards für die Praxis sind zu entwickeln und die einzelnen Berufsprofessionen sollen eine Selbstkontrolle einführen, alles zusammen soll die Organisationskultur und Qualität der britischen Patientenversorgung nachhaltig verbessern. Als Monitoring sind umfangreiche Audits sowie eine Veröffentlichung von Ergebnissen vorgesehen (Davies et al. 2000).

    Diese beispielhafte Darstellung soll aufzeigen, dass es international sehr ähnliche Entwicklungen und Ziele in der Gesundheitsversorgung gibt. Die Modelle der WHO und der OECD machen diese Ziele und Visionen deutlich und werden in Kapitel 4.1 dargestellt.

    Buetow und Roland 1999 beschreiben einen Prozess, der sich auf Analysen von Qualitätsmängeln stützt und beschreibt, welche Zuständigkeiten und Tätigkeiten sich zur Vermeidung von Qualitätsmängeln für die unterschiedlichen Ebenen ergeben. Die Kluft zwischen der Politik und der Normsetzung sowie der Praxis und Umsetzung ist groß. Häufig setzt die Praxis die Normen und Vorgaben zwar um, jedoch ohne eine innere Haltung und Überzeugung als Pflichtprogramm.

    McCormack 2009 teilt die Praxisentwicklungen zur Qualitätsverbesserung in drei Gruppen ein: in die Top-down-Programme der Regierung und des Krankenhausmanagements, in die Umsetzung von Standards und Leitlinien aus der eigenen Berufsgruppe und in Bottom-up-Projekte, die sich aus der Praxis entwickelt haben. Pfaff 2009 spricht in diesem Zusammenhang von einem durch Normgebung erzeugten erwünschten Verhalten, wenn Mitarbeiter etwas umsetzen, das nicht ihren Überzeugungen und Werten entspricht. Auf der anderen Seite können auch Vorgaben und Normsetzungen von außen einen Anstoß geben zu Veränderungen und zum Hinterfragen der bestehenden Praxis, um Qualitätsverbesserungen einzuleiten. Die Kunst, Veränderungen in die Praxis zu bringen und eine kulturelle Veränderung zu vollziehen, liegt bei den Praxisentwicklern, Projektleitern und Change Agents.

    Buetow und Roland 1999 beschreiben am Beispiel des englischen und amerikanischen Gesundheitssystems die unterschiedlichen Ebenen von der Qualitätsbewertung bis zur kontinuierlichen Qualitätsverbesserung. Auf der einen Seite stehen für sie die Ziele, die Philosophie, die Methoden und Verantwortungsbereiche und auf der anderen Seite finden sich die kontinuierliche Qualitätsentwicklung, die klinische Überprüfung, die Qualitätssicherung und die Qualitätsbewertung. Diese stehen sich als Ebenen gegenüber, die ausgefüllt werden müssen, um in der Praxis anzukommen.

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  • Tabelle 3: Ebenen der Qualität als Steuerungsinstrument in Anlehnung an Buetow und Roland 
 1999 in eigener Übersetzung

    Davis et al. 2000 beschreiben für England ein System mit unterstützenden Institutionen und Entwicklungsaufgaben, um eine kontinuierliche Verbesserung der Qualität zu unterstützen. So ist das NICE (National-Institut-for-Clinical-Excellence) damit beauftragt, Standards in Form von National Service Frameworks unter der Einbeziehung von Patienten und der Öffentlichkeit zu entwickeln (Bennett et al. 2014); diese sollen den Einrichtungen in der Praxis helfen (Clinical Governance), eigene klinische Standards daraus zu entwickeln, die von den einzelnen Professionen umgesetzt werden. Ein lebenslanges Lernen im Systems steht in einer Wechselbeziehung zum Monitoring, dem Nationalen Performance Framework, der Commission for Health Improvement und dem Nationalen Patienten und Nutzer Service. Alles zusammen stellt die Qualitätsstrategie in England dar. Gewollt und gefördert wird von der Regierung, dass ein Klima entsteht, in dem sich Excellence entfalten kann. Die Autoren vertreten die Annahme, dass Kultur veränderbar ist, jedoch nicht anzuordnen, sondern von innen kommen muss, da es anderenfalls zu einer Differenz zwischen dem Management und den Klinikern in der Praxis kommt.

    In England gibt es eine Vielzahl an Institutionen, die sich mit der Steuerung und Qualität der Versorgung im Krankenhaus und im staatlichen Gesundheitssystem befassen. Diese haben sich in den letzten Jahren häufig geändert und weiterentwickelt, wobei für einen Außenstehenden nicht zu erkennen ist, wer für die einzelnen Kontrollen und Veröffentlichungen verantwortlich ist.

    Das NHS Safety Thermometer in England berichtet zum Beispiel über Ergebnisse von Qualitätsindikatoren der einzelnen Krankenhäuser zu den Qualitätsindikatoren Dekubitus- und Sturzinzidenz, der Häufigkeit von Venenthrombosen und von nosokomialen Infektion, die durch zentral venöse Kater hervorgerufen wurden (http://harmfreecare.org/wp-content/files_mf/CQUIN-GUIDE-2012.pdf). Auditberichte in England berichten unterdessen zu vielen unterschiedlichen Aspekten der Pflegequalität im Krankenhaus, wie zum Beispiel zur mangelnden Einhaltung von Hygienestandards, zur Mangelernährung, zum Schmerzmanagement, zu Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen, der

    Qualitätsbewertung Qualitätssicherung Klinische Überprüfung

    Kontinuierliche Qualitätsentwicklung

    Ziele Identifikation zwischen der angestrebten und erwarteten Qualität und der erbrachten Qualität

    Das Erreichen und Aufrechterhalten der Qualität

    Steigerung der Leistung in einem Bereich nach den lokalen Bedürfnissen

    Kontinuierliche Verbesserung des gesamten Systems als Teil der täglichen Aktivitäten

    Philosophie Durch Kennzahlen können Experten die Lücken in der Versorgung und Qualitätsmängel erkennen.

    Ausreißer können identifiziert werden und Hinweise auf eine qualitativ nicht ausreichende Versorgung geben.

    Selbstevaluation und Weiterentwicklung innerhalb der Profession können die Praxis verbessern.

    Was gut ist, kann besser gemacht werden durch den Prozess des kontinuierlichen Verbesserung.

    Methoden Leistungsmesssung mit Standards und die Förderung von Weiterbildung und Training

    Definition von Problemen durch interne und externe Inspektionen und die Behebung dieser Probleme, wenn das erforderlich ist. Eine systematische Beschreibung von Aktivitäten.

    Beratung und Überprüfung durch Experten

    Prävention von Problemen und Kontrolle der Prozesse

    Verantwortungsbereich Fachpersonal ab einem definierten Level

    Versicherte (Krankenkassen) in den USA oder der NHS in (GB)

    Teams, die an der direkten Patientenversorgung beteiligt sind

    Leitungskräfte in allen Bereichen

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  • Qualifikation des Pflegepersonals und ihrer Arbeitszufriedenheit und den Patientenerlebnissen. Die Auditberichte geben auch eine Bewertung der Ergebnisse ab, zur Qualität eines jeden Krankenhauses und Trust. Bestehen Missstände, werden diese inzwischen öffentlich gemacht.

    Ausgelöst durch den Bericht des Institute of Medicine in den USA und Fehlerskandale in England, wurden die Steuerungsaktivitäten zur Patientensicherheit international in der Politik verstärkt. Es erfolgten vielfältige Diskussionen der verschiedenen Professionen im Gesundheitswesen zur Fehlerkultur im Gesundheitswesen. Sowohl in den USA, England als auch Deutschland wurden Förderungen zur Fehlervermeidung und neue Managementstrategien im Krankenaus verlangt.

    In England und den USA wurde nach einer neuen Kultur und einem offenen und transparenten Umgang mit Fehlern aufgerufen. Bisher war das Verhalten von Ärzten und Pflegenden im Krankenhaus dadurch geprägt, dass es öffentlich im Krankenhaus keine Fehler gab. Wurden Fehler bekannt, wurden diese nach Möglichkeit verschwiegen und das Thema war tabu. Eine aktive Auseinandersetzung mit Fehlern fand nicht statt. Wurden Fehler öffentlich, erfolgten häufig personenbezogene Schuldzuweisungen. Die hohe Anzahl an Fehlern und auch an Patientenleid, die öffentlich im IOM Bericht beschrieben wurden, waren der Auslöser für eine grundsätzlich neue Diskussion und ein grundsätzliches Umdenken, der Ruf nach Kulturänderungen wurde immer lauter. Die Politik, aber auch die Standes-Vertretungen der Professionen riefen nach neuen Werten und einem veränderten Verhalten im Umgang mit Fehlern auf. Nach dem Vorbild der Luftfahrtindustrie und weiteren sicherheitssensiblen Bereichen, wie der Atomindustrie, sollten Konzepte zur Fehlervermeidung und zum Risikomanagement im Krankenhaus übernommen werden. (siehe auch Kapitel 7).

    Die Forderungen nach einer neuen Fehlerkultur und Patientensicherheit wurden begleitet von der Forderung, sich stärker an evidenzbasiertem Wissen zu orientieren und den Patienten in den Mittelpunkt aller Aktivitäten zu stellen. Alle drei Forderungen beinhalten Änderungen des Verhaltens der Berufsgruppen und der Organisationskultur insgesamt im Krankenhaus und betreffen dadurch auch die pflegerische Versorgung und Qualität. Begriffe wie Evidence based, Medicine Nursing und Caring fanden Eingang in die Versorgung und es wurden Konzepte entwickelt, wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Pflegewissenschaft in die Praxis zu bringen.

    Auf dem Wissen aufbauend, wurde eine stark an evidenzbasierten Kriterien ausgerichtete Leitlinienentwicklung und Standardisierung vorangetrieben, auch die Entwicklung von klinischen Patientenpfaden im Krankenhaus zählte dazu. Es wurden neue wissenschaftliche Institute gegründet, um die Ziele einer veränderten Patientenversorgung zu unterstützen. Die Förderung der Forschung und Initiierung von Forschungsprojekten zur Patientensicherheit, Evidenzbasierung und Patientenorientierung gehören ebenfalls zu den Steuerungsaktivitäten auf der politischen Ebene.

    In Deutschland gibt es ausgehend von den gesetzlichen Grundlagen des SGB V konkrete Anforderungen an die Qualität der Leistungen des Krankenhauses in Form von Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Die Richtlinien werden in Kapitel 1.4 detailliert beschrieben und vorgestellt, bezüglich der Anforderungen, die die Qualität der pflegerischen Versorgung betreffen. Unterstützt wird der Gemeinsame Bundeszuschuss durch zwei Institute, die im Auftrag des G-BA wissenschaftliche Erkenntnisse aufarbeiten und zusammenstellen.

    Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln ist insbesondere im Bereich der Arzneimittel -und der Methodenbewertung in der Medizin tätig und unterstützt den G-BA durch seine wissenschaftlichen Gutachten in der Entscheidungsfindung. Das IQWiG ist bislang noch nicht zu Themen der Methodenbewertung in der Pflege beauftragt worden, dies stellt aktuell eine Lücke im System dar. Des Weiteren besteht im IQWiG eine Abteilung für wissenschaftsgestützte Gesundheitsinformation für Bürger und Bürgerinnen, diese ist als Internet-Plattform und App verfügbar.

    Das zweite Institut ist das Institut für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen IQTiG in Berlin, dieses arbeitet ebenfalls im Auftrag des G-BA und übernimmt Aufgaben im Bereich der Qualitätssicherung und der 400 Qualitätsindikatoren, die aktuell spezifiziert, erhoben, angenommen, ausgewertet und bewertet werden. Das Institut wurde überdies mit einer ganzen Reihe an Weiterentwicklungsaufträgen zu unterschiedlichen Themen der Qualitätssicherung vom G-BA beauftragt.

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  • Wie das IQWIG stellt auch das IQTIG wissenschaftlich aufbereitetes Wissen für die Entscheidungsfindung im G-BA zur Verfügung und zudem übernimmt das IQTIG auch Aufgaben in der Durchführung der Qualitätssicherung.

    Die Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) entwickelt Leitlinien im ärztlichen Bereich, einige wenige Leitlinien wurden dabei interdisziplinär erstellt. Das Deutsche Netzwerk für die Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) entwickelt Expertenstandards für die Pflege, auch diese werden von der eigenen Berufsgruppe entwickelt. Patienten und Betroffenen werden mittlerweile von beiden Berufsgruppen mit in die Entwicklung von Leitlinien und Expertenstandards einbezogen. Die Expertenstandards der Pflege sind für die Bestimmung der objektiven Qualität in der Pflege essenziell, da in diesen Expertenstandards ein Qualitätsniveau bestimmt wird, das für eine gute Pflegequalität steht. Leitlinien und Expertenstandards mit systematischen Literaturrecherchen sind neben Health Technology Assessments (HTA), Reviews und Metaanalysen eine gute Grundlage, um Qualitätsindikatoren zu entwickeln. Immer häufiger werden bei der Entwicklung von Leitlinien und Expertenstandards auch Qualitätsindikatoren erarbeitet, um die Implementierung der Leitlinien und Expertenstandards zu unterstützen.

    Anders als in England erfolgt in Deutschland eine Entwicklung von Leitlinien und Standards aus den Professionen heraus und wird nicht durch ein staatliches Institut, wie das NICE in England, unterstützt.

    Abbildung 1: Der G-BA und seine wissenschaftlichen Qualitätsinstitute und die Verbindung zur wissenschaftlichen Leitlinien- und Expertenstandard-Entwicklung, in einer Darstellung

    Battles 2006 beschreibt für die USA die Systemvoraussetzungen, um Qualität und Sicherheit im Gesundheitssystem zu gewährleisten sowie die Qualitätslücke zwischen den einzelnen Ebenen von der Politik über die Krankenhäuser bis zu den Akteuren der direkten Patientenversorgung zu schließen. Battles (2006) nutzt dazu die sechs vom Institute of Medicine beschriebenen Dimensionen, die für ein erfolgreiches Gesundheitssystem verantwortlich sind. Die Organisationen müssen sicher, effektiv, patientenorientiert, zeitgerecht, effizient und gerecht sein. Er fasst die sechs Dimensionen in drei Kreisen zusammen und beginnt mit der Patientenzentrierung, dies stellt für ihn den Kern für die gesamte weitere Patientenversorgung dar. Die Patientenzentrierung steht im Mittelpunkt allen Denkens und Tuns. Der nächste Level stellt die Sicherheit dar. Dem Patienten nicht zu Schaden und dieses Sicherzustellen durch gesichertes wissenschaftliches Wissen und einer Fehlerminimierung. Sämtliche Strukturen und Prozesse sind darauf ausgerichtet, die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten. Erst im dritten Level folgen die anderen vier Dimensionen, zeitnah, effektiv, effizient und angemessen, die nachrangig nach der Patientenorientierung und Sicherheit zu sehen sind. Battles (2006) spricht sich dafür aus, die Realität als Leistungsmessung