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w ortstark aktuell Informationsbrief 2 zum Projekt „wortstark – Sprachliche Bildung in Frankfurter Kitas“ für Träger, Fachkräfte und Eltern Dezernat Bildung und Frauen

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wortstarkaktuell

Informationsbrief 2 zum Projekt „wortstark – Sprachliche Bildung in Frankfurter Kitas“ für Träger, Fachkräfte und Eltern

Dezernat Bildung und Frauen

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Page 2: wortstarkaktuell Informationsbrief 2 - frankfurt.de · Deutsch als zweite Sprache. Sie haben also kaum eine Chance, bei ihren gleichaltrigen Freun- Sie haben also kaum eine Chance,

wortstarkaktuell2

DEZEMBER 2010

InhaltsverzeichnisDie Erzieherin als Sprachvorbild Mit sprachfördernden Strategien den Kindern Lust aufs Sprechen machen 3

Die vielen Fragen der Mütter Start der Elternarbeit im katholischen Kindergarten St. Dionysius 6

„Ich lerne für meine eigene Erziehungsarbeit sehr viel“ Interview mit der Elternbegleiterin Aicha Bentalab über ihren Einsatz im Elterncafé 7

Elterncafé: Mehr als Kaffee und Austausch 8

TitelbildSabiha Celen, eine Elternbegleiterin von wortstark, stellt den anderen Elternbegleiterinnen das Elternpro-gramm „Kess-erziehen“ vor. Kess steht für kooperativ, ermutigend, sozial und situationsorientiert.

ImpressumStadt Frankfurt am Main / Stadtschulamt40.51.1 Trägerübergreifende Kita-AufgabenSeehofstraße 4160594 Frankfurt am Main

Kontakt: Rita Spanier Telefon: +49 (0)69 212 744 14Telefax: +49 (0)69 212 310 61E-Mail: [email protected]

Kontakt: Mechthild Dörfler Telefon: +49 (0)69 212 403 43E-Mail: [email protected]: www.stadt-frankfurt.de/kinderbetreuung (hier unter Pädagogische Projekte; mit Link zum Projekt „wortstark“)

Redaktion: Mechthild Dörfler, PFIFF - PresseFrauen In FrankFurtGestaltung: GAMB Cross-Media-DesignBilder/Photos: Jessica Mollenhauer, Meryem Tasan

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QUALIFIZIERUNG FÜR FACHKRÄFTE

Dezember 2010wortstarkaktuell

DIE ERZIEHERIN ALS SPRACHVORBILDMit sprachfördernden Strategien den Kindern Lust aufs Sprechen machen

Sieben von zehn Kindern in den Kitas, die sich am Projekt wortstark beteiligen, haben Deutsch als zweite Sprache. Sie haben also kaum eine Chance, bei ihren gleichaltrigen Freun-den gutes Deutsch zu hören. Um bereits vor der Schule Deutsch lernen zu können, brauchen sie die Erzieherinnen als Sprachvorbild. Nur, wie kann das gelingen? Denn Sprachförderung ist mehr, als einen großen Wortschatz zu vermitteln. Es ist vor allem Beziehungsarbeit. Wie verhalte ich mich also als Erzieherin, was kann ich tun, um ein Kind beim Deutschlernen zu un-terstützen? Wie trete ich in Beziehung, um Sprache zu fördern? Besonders, wenn Kinder eher zurückhaltend sind in ihrem Kontakt zu den Erzieherinnen?

Um die Erzieherinnen in dieser sprachfördernden Beziehungsarbeit zu stärken, arbeitet wortstark mit dem Sprachförderprogramm „Learning Lan-guage and Loving it“ des kanadischen gemein-nützigen Hanen Centers. Geschult werden sie dabei von zwei Hanen-zertifizierten Trainerinnen, der Frankfurter Logopädin Ute Limbarth und der in Deutschland lebenden, kanadischen Sprach-therapeutin Guylène Colpron. Sie qualifizieren die Erzieherinnen, bestimmte Methoden in der pädagogischen Arbeit mit Vorschulkindern an-zuwenden, um die Kommunikation mit ihnen zu fördern. Sechs aufeinander aufbauende Schritte – eine regelrechte Interventionsstrategie – för-dern vor allem zwei Bestandteile der Kommuni-kation: Zum einen die Interaktion mit dem Kind, zum anderen die sprachliche Information. Diese „sechs Schritte, um sich von den Kindern leiten zu lassen“, wie es im Programm heißt, haben das Ziel, dass Kinder im Dialog mit der Erzieherin oder dem Erzieher Spaß daran haben, sich mit-zuteilen; sich trauen, Fragen zu stellen; lernen,

EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, zählen Sie doch einmal bis zehn und stellen sich dabei vor, so lange auf die Antwort ei-nes Kindes zu warten, das Sie gerade ange-sprochen haben. Manche Kinder brauchen diese Zeit, um ihre Antwort zu formulieren, vor allem, wenn Deutsch nicht die Familien- sprache des Kindes ist. Nichts anderes zu tun, als sich mit einem Kind hinzusetzen, abzuwarten und zuzuhören, das war daher die erste Aufgabe, die die Erzieherinnen der Projektgruppe zu erledigen hatten, als sie begannen, mit dem kanadischen „Hanen-Programm“ zu arbeiten. Das Herzstück des Programmes ist die Interaktion zwischen der Erzieherin und dem Kind, die systematisch und gezielt für die alltägliche sprachliche Förderung genutzt wird. Auf welche Strate-gien es dabei besonders ankommt und wie groß die Wirkung von kleinen Gesten sein kann, das erfahren Sie in unserer zweiten Ausgabe von wortstarkaktuell.

Außerdem berichten wir von einer Premiere: Der Baustein „Eltern für Eltern“ ist nicht länger nur Idee, sondern mittlerweile Praxis. Und zwar in der Kita St. Dionysius in Sindlin-gen-Süd, in der seit Juli die erste Elternbe-gleiterin ein Elterncafé anbietet. Das Interes-se der Mütter ist geweckt.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen

Mechthild Dörfler Projektleitung

„Story-Teller“ im Einsatz: Jessica Mollenhauer, Erzieherin aus der Kita Kunterbunt, ermuntert die Kinder, mit Hilfe eines Tellers eine eigene Geschichte zu erfinden.

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DIE ERZIEHERIN ALS SPRACHVORBILD

etwas zu erklären; sich mittels Sprache behaup-ten können, und sich dabei beachtet und anerkannt fühlen. „Das Wunderbare an dem Hanen-Programm ist dabei“, so Projektleiterin Mechthild Dörfler, „dass es auch den Erziehen-den Lust macht, sich um Sprachförderung zu kümmern und dies in den Alltag einzubauen.“

Beobachten, warten und zuhören

Erster und wohl wichtigster Schritt des Qualifi-zierungsprogramms ist es, viel bewusster wahr-zunehmen, was die Kinder beschäftigt, und nicht selbst zu schnell zu sein in der Bewertung oder Kommentierung. Dabei hilft „OWL“ (übersetzt: die Eule). Das heißt: beobachten (observe), was das Kind interessiert; warten (wait), um dem Kind die Chance zu geben, sich an einer Aktion zu beteiligen oder sie zu initiieren; und zuhören (listen), was die Botschaft des Kindes ist. In den Alltag übersetzt bedeutet das, die Erzieherin-nen müssen den Kindern einen Grund geben zu sprechen. Über die Aufforderung: „So jetzt ist es 10 Uhr, wir machen Sprachförderung“ passiert das nicht. Stattdessen müssen die Kinder selbst Lust bekommen, mit einer Erzieherin zu sprechen. „Im Verlauf der Qualifizierung“, so Mechthild Dörfler, „haben die Erzieherinnen über Selbstbeobachtung und Videoaufnahmen von sich erkannt, dass sie oftmals zu schnell wei-terreden, so dass die Kinder gar keine Chance hatten, ihnen zu antworten.“ Die erste Aufgabe der Trainerinnen für sie war deshalb, nichts anderes zu tun, als sich mit einem Kind hinzuset-zen – mit Blickkontakt – , abzuwarten und dabei nur zu beobachten und zuzuhören. Das hört sich leicht an. Doch in der Praxis ist es schwer, solche Pausen zuzulassen.

„Zählen Sie bis zehn“, heißt es daher im Pro-gramm, „schauen Sie erwartungsvoll und neigen Sie sich dem Kind dabei zu.“

Die „Eule“ ist immer dabei: auch beim Bilderbuchlesen

Auch für Ines Köllner, Erzieherin in der Kita Lindenviertel in Unterliederbach, war „OWL“ der erste Schritt. „Ich habe bei mir gemerkt, wie viel ich selbst immer rede. „Beobachten, warten und zuhören, das hat sie inzwischen ganz bewusst in ihren Alltag eingebaut. Zum Beispiel, wenn sie mit einem Kind ein Bilderbuch anschaut und vorliest. „Das kann bedeuten, dass wir eine Viertelstunde lang nur mit einer einzigen Seite beschäftigt sind. Erst wenn Bedarf ist, blättere ich um. Früher hatte ich den Anspruch, das Buch zu Ende vorzulesen, und habe viel zu schnell von mir aus weitergemacht. Jetzt lasse ich mich vom Kind leiten und erfahre dabei sehr viel über seine Interessen und seine sprachlichen Fähig-keiten.“

Was dabei passiert, beschreibt die Erzieherin nicht nur im Hinblick auf die Sprachförderung als spannend und bereichernd, auch für sich selbst: „Meine innere Einstellung hat sich verändert. Ich bin gelassener und lasse mich nicht verrückt machen, ausgerechnet im tollsten Alltags-Chaos, ein Projekt starten zu wollen. Ich warte den ge-eigneten Moment ab, setze mich zu einem Kind und lass mich darauf ein. Und dann ist es auch egal, ob das Frühstück vielleicht zehn Minuten später beginnt.“

Erst die Beziehung, dann das Benennen

Nach der Beziehungsarbeit und dem bewussten Wahrnehmen kommt das Benennen von Dingen, Tätigkeiten oder Gefühlen. In der Qualifizierung haben die Erzieherinnen gelernt, die Kinder zu-nächst zu imitieren, d.h. zu wiederholen, was sie gesagt haben. Die nächsten sprachfördernden Schritte sind das Interpretieren und Kommentie-ren. Viele von ihnen haben in ihrer Selbstbeob-achtung jedoch festgestellt, dass sie zu viel fra-gen. Fragen können auch eine Sackgasse sein, denn nach der Antwort ist Schluss, es geht nicht weiter mit dem Gespräch. Ines Köllner umgeht das inzwischen, indem sie erst einmal von sich selbst erzählt. „Ich gehe quasi als Vorbild voraus und dann warte ich wieder ab.“ Dabei hat sie festgestellt, dass das die Kinder wirklich animiert, mit ihr in Aktion zu treten, von sich zu erzählen oder etwas zu fragen.

QUALIFIZIERUNG FÜR FACHKRÄFTE

Anteil der Kinder mit Zweitsprache Deutsch

Die 14 wortstark-Projekteinrichtungen

10 %

20 %

30 %

40 %

50 %

60 %

70 %

80 %

90 %

100 %

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5Dezember 2010wortstarkaktuell

Unterschiedliche Rollen einer Erzieherin

So wirkungsvoll die sechs Strategien zur Sprach-förderung auch sind, der schwierige Kita-Alltag verhindert es manchmal, sie anzuwenden. Doch das Hanen-Programm nimmt auch die Situation der Erzieherinnen und ihre unterschiedlichen Rollen in den Blick. Da gibt es zum Beispiel die Direktorin, die etwa bei einem Ausflug klare Anweisungen gibt, und die „Hüterin der Zeit“, die im Blick hat, was als Nächstes geschieht. Oder es gibt die Helferin, die vieles erklärt und mit anpackt oder die Unterhalterin, die mit den Kindern Quatsch macht und selbst das Meiste redet.

Am meisten sprachförderlich: Die „zugewandte Partnerin“

Alle Rollen gehören im Kita-Alltag dazu und sind (mehr oder weniger) notwendig. Doch wenn es darum geht, die Interaktion mit dem Kind zu fördern, ist vor allem eine Rolle besonders geeignet: Die der „zugewandten Partnerin“. Das bedeutet u.a., in direktem Kontakt mit dem Kind zu sein, aktiv, aber nicht dominant zu sein, ein anregendes Umfeld herzustellen und auf Augenhöhe zu kommunizieren – all das sind Kompetenzen, die die Erzieherinnen bereits haben. „Das Programm“, so Mechthild Dörfler, „entlastet sie also auch. Das Weitergehende ist nun, im Hinblick auf Sprachförderung bewusst zu schauen, wie kann ich Sprechsituationen nutzen oder überhaupt erst schaffen.“

Unterschiedlicher Kommunikationsstil von Kindern

Doch es sind nicht nur die sprachfördernden Strategien der Erzieherinnen, die die Interaktion bestimmen. Auch der Kommunikationsstil der Kinder beeinflusst das Geschehen. Ist ein Kind kontaktfreudig und ergreift gerne die Initiative oder zurückhaltend, d.h. es reagiert eher als selbst initiativ zu sein. Oder ist es wirklich passiv und macht nichts von beidem? Hier gilt es, ge-nau hinzuschauen und darauf mit der passenden Strategie zu reagieren. Denn es sind die feinen Unterschiede in der Intervention, die große Wirkung zeigen. Vorausgesetzt, die Erzieherin-nen wissen darum, können es wahrnehmen und dann in ihr Handeln umsetzen. Möglich ist solch eine Vorgehensweise allerdings nur mit maximal drei bis vier Kindern. Zu wortstark gehört also mit dazu, sich selbst die Erlaubnis zu geben, sich auch nur mit einem einzigen Kind oder einer

sehr kleinen Gruppe von Kindern zu beschäfti-gen, statt mit zu großen Gruppen oder gar der ganzen Gruppe von etwa 25 Kindern.

Diese Vorgehensweise macht deutlich, dass wortstark kein Sprachlernprogramm für zwei Stunden pro Woche ist. Alle unterstützenden Maßnahmen und Strategien werden im Dialog mit den Kindern in Alltagssituationen eingesetzt: Beim Spielen, Essen, Anziehen, Vorlesen usw. – individuell angepasst an Sprachstand und Kommunikationsverhalten des Kindes. Um fest-gelegte Zeiteinheiten geht es dabei nicht, aber jede dem Trubel abgerungene, ruhige Minute lohnt sich, wie der Kommentar einer Erzieherin zeigt, die sich nur kurz, aber sehr zugewandt zu einem Kind gesetzt hatte: „Diese drei Minuten haben mir mehr gebracht als eine halbe Stunde Stuhlkreis.“

Diese Freiheit zu entscheiden, wann ein guter Zeitpunkt ist und wie dann je nach Kind vor-gegangen wird, entlastet die Erzieherinnen. Sprachförderung wird nicht als Extra-Aufgabe verstanden, sondern ist integriert in den Alltag. An dem Programm schätzt Projektleiterin Mecht-hild Dörfler denn auch besonders, „dass es so systematisch und differenziert bei den Erziehe-rinnen, ihren Rollen, ihrem Alltag anknüpft. Das ist seine Stärke. Denn schließlich sagt auch die Hirnforschung: ‚Die Menschen lernen dann am besten, wenn es bei ihnen selbst anknüpft.“ Das gilt für die Kinder – und die Erzieherinnen.

Abgeschirmt vom Alltagstrubel: Unterm Zelt lässt sich s gut vorlesen.

wortstark ist ein trägerübergreifendes Projekt des Stadtschulamtes der Stadt Frankfurt. Daran beteiligt sind 14 Frankfurter Kindertageseinrichtun-gen aus den westlichen Stadtteilen. Ziel ist es, das Angebot der sprachlichen Bildung und Sprachför-derung in der Kita zu verbessern. Hauptbestand-teile des Projektes sind die Qualifizierung der Erzieherinnen und die Arbeit mit den Eltern.

QUALIFIZIERUNG FÜR FACHKRÄFTE

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ELTERN FÜR ELTERN

DIE VIELEN FRAGEN DER MÜTTERStart der Elternarbeit im katholischen Kindergarten St. Dionysius

Neben der Qualifizierung der beteiligten Erzieherinnen ist die Arbeit mit Eltern die zweite wich-tige Säule von wortstark. Denn nicht nur ihre Kinder, auch sie selbst sollen ermutigt werden, sich die deutsche Sprache anzueignen. Premiere war im katholischen Kindergarten St. Diony-sius in Frankfurt Sindlingen – eine Einrichtung mit 63 Kindern aus 17 Ländern. Viermal haben sich hier Mütter aus der Kita inzwischen schon zu einem „Elterncafé“ getroffen. Ein weiteres Treffen ist bis zum Ende des Jahres 2010 noch geplant. .

Sechs Mütter der Sindlinger Kindertageseinrich-tung hatten sich in einem ersten Elterncafé kurz vor den Sommerferien getroffen, um sich über das Projekt wortstark in ihrer Einrichtung zu informieren. Angeleitet wurde das Treffen von der „frisch gebackenen“ Elternbegleiterin Aicha Bentalab. Die Marokkanerin lebt seit vielen Jahren in Deutschland, spricht Berberisch und Deutsch. Für Ilona Getzin, die Leiterin des katholischen Kindergarten St. Dionysius, ist dies ein Grund für den guten Start des Projekts in ihrer Einrichtung: „Die Mütter fanden es gut, dass eine Frau zu ihnen sprach, die einen ähnlichen Hintergrund hatte wie sie selbst.“

Der andere Grund: Die Frauen, die aus Marok-ko, Äthiopien oder Sri Lanka stammen, hörten hier wohl zum ersten Mal, wie sie ihren Kindern beim Deutschlernen helfen können. Wie das gehen kann, wenn sie selbst kaum Deutsch

sprechen, das erfuhren sie hier. „Die Zweispra-chigkeit, und wie sie damit umgehen sollen“, so Getzin, „ist für sie ein ganz großes Thema.“

Entlastung für die Eltern

Hier konnten Elternbegleiterin Bentalab und Sprachwissenschaftlerin Tasan die Mütter be-ruhigen: Denn Kinder, so die wissenschaftlich belegte Auskunft, lernen eine Sprache dann besonders gut, wenn sie sicher in ihrer eigenen Herkunftssprache sind.

Diese Auskunft entlastet die Mütter. Ganz ähn-lich wie bei der Sprachförderung durch die Er-zieherinnen kommt es auch bei Eltern darauf an, dass sie sich ihren Kindern zuwenden, mit ihnen spielen und sich die Kinder so den Wortschatz ihrer Muttersprache aneignen können.

Ilona Getzin, die Leiterin des St. Dionysius Kindergartens, ist über den ganzen Prozess, den wortstark im Hause angestoßen hat, hoch erfreut.

„Schon nach dem ersten Treffen waren die Mütter so begeistert, dass sie viel Werbung dafür gemacht haben.“ Der Erfolg: Beim nächsten Treffen nach den Sommerferien waren statt sechs bereits neun Mütter da.

Mütter werden offener und mutiger, auch selbst Deutsch zu reden

„Die Mütter merken“, so Ilona Getzin, „dass sie auf ihre Fragen und Unsicherheiten im Elterncafé eine Antwort finden. Ihr Interesse ist auf jeden Fall geweckt und wer weiß, was sich in Zukunft noch alles gemeinsam entwickeln lässt. Schließ-lich lernen wir alle voneinander bei diesem Projekt: Die Kita, die Elternbegleiterin und die Mütter.“ Was die Kita-Leiterin bereits jetzt positiv sieht, ist, dass die Mütter durch die persönliche Ansprache selbst „offener und mutiger im Um-gang mit der fremden Sprache Deutsch werden.“

Elternbegleiterinnen bei einer Schulung; Ulrika Ludwig (1. v. li.), Leiterin der Kita Rosengarten, vermittelt den Müttern, wie Kinder lernen.

In der Kita St. Dionysius treffen sich die Elternbe-gleiterin und die Eltern jeweils am letzten Dienstag im Monat von 9.30 bis 11.30 Uhr. [email protected]

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7Dezember 2010wortstarkaktuell

ELTERN FÜR ELTERN

„ICH LERNE FÜR MEINE EIGENE ERZIEHUNGSARBEIT SEHR VIEL“Interview mit der Elternbegleiterin Aicha Bentalab über ihren Einsatz im Elterncafé

Aicha Bentalab, 33 Jahre alt, Mutter zweier Kinder (3 und 4 Jahre alt) lässt sich zur Elternbe-gleiterin ausbilden. Ihr war in ihrer Kita Rosengarten der Aushang von Meryem Tasan aufge-fallen, der Eltern suchte, die sich in dem Projekt wortstark als ehrenamtliche Elternbegleiter/innen engagieren wollen. Angesprochen von der Leiterin der Kita ließ sich Aicha Bentalab be-geistern und ist seither eine von zehn Elternbegleiterinnen, die in den beteiligten Kindergärten in Elterncafés über den Spracherwerb von Kindern aufklären. Die Marokkanerin, die gerade eine Ausbildung zur Heilpraktikerin macht, lebt seit 31 Jahren in Deutschland und spricht Ber-berisch und Deutsch. Mit Meryem Tasan hat sie die ersten Elterncafés im katholischen Kinder-garten St. Dionysius in Frankfurt Sindlingen angeleitet und führt sie seitdem selbstständig fort.

Frau Bentalab, wie war die Resonanz?

„Die Mütter waren begeistert von dem Projekt – deshalb wa-ren sie auch gleich so teilneh-mend dabei. Sie waren hoch erfreut, dass sie ins Elterncafé nicht nur zum Kaffeetrinken kamen, sondern dass sie dort

Informationen bekommen haben, eine richtige kleine Schulung mit Vortrag und anschließender Fragerunde. Wie entwickelt sich eigentlich Spra-che bei den Kindern?

Wie geht der Spracherwerb vor sich? Das war der Inhalt des ersten Treffens, das ich alleine geleitet habe. Und die Resonanz war wunderbar. Auch für mich selbst. Ich kann ja auch von die-sen Müttern lernen, deren Kinder zum Teil schon viel älter sind als meine.“

Was haben die Mütter aus dem Eltern-café bislang mitgenommen?

„Neben den Informationen ist für die Mütter vor allem auch wichtig, dass sie ihre Erfahrungen mit der Mehrsprachigkeit untereinander austauschen können. Dass ihnen jemand zuhört bei den Fra-gen, die sie haben, und dass sie Bestätigung da-für bekommen, dass das, was sie tun, richtig ist. Diese Rückmeldung zu hören war für die Frauen ungemein beruhigend. Dass sie in ihrer eigenen Muttersprache mit ihren Kindern reden können und dass ihre Ängste aufgefangen wurden, nicht perfekt zu sein. Die Idee, wenn ich nicht perfekt mit meinem Kind Deutsch rede, verbaue ich meinen Kindern die Zukunft’, – diese Idee ist ja gerade nicht die Idee, die hinter dem Projekt wortstark steht. Und noch eine Botschaft kam bei den Müttern an. Nämlich: Verwendet so viel Worte mit euren Kindern wie möglicht, redet mit ihnen, erzählt, berichtet, damit sie so viel aufneh-men wie möglich.“

Was hat Sie selbst denn bewogen, ehrenamtliche Elternbegleiterin werden zu wollen?

„Das Projekt kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich steckte voller Selbstzweifel, weil meine da-mals dreieinhalbjährige Tochter gerade erst mit dem Sprechen begonnen hatte. Ich war schon

Aicha Bentalab

Die Elternbegleiterinnen Nadja Amaina, Zeynep Akca, Mariam Sabani und Amina Hassout während einer Schulung (von links nach rechts)

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ELTERN FÜR ELTERN „ICH LERNE FÜR MEINE EIGENE ERZIEHUNGSARBEIT SEHR VIEL“

ganz verzweifelt und habe mich gefragt, was ich falsch gemacht habe. Genau das hat mich bei dem Projekt angezogen: Eine Antwort zu bekom-men auf die vielen zweifelnden Fragen, ob ich nicht alles falsch mache in der Spracherziehung meiner Tochter.“

Welche Themen haben Sie dabei vor allem interessiert?

„Alle Themen sind hoch interessant, doch zuletzt habe ich in der Fortbildung etwas über das The-ma Konzentration erfahren. Wie lange können sich Kinder eigentlich auf eine Sache konzen-trieren? Genau diese Frage habe ich gerade bei meiner Tochter: Ich dachte vorher, sie müsse sich doch länger als nur 15 Minuten konzen-trieren können: Aber in der Schulung habe ich

gelernt, dass diese kurzen Zeiten für Kinder ganz natürlich ist. Das war wichtig zu hören. In dieser Schulung habe ich auch gelernt, dass Fernsehen den Kindern nicht hilft, sich zu konzentrieren, da es hier zu einer großen Reizüberflutung kommt. Und auch, dass bei zuviel Zucker in der Ernäh-rung die Konzentration ebenfalls leidet.“

Als Elternbegleiterin profitieren Sie also auch selbst?

„Dass ich erst einmal selbst geschult werde, finde ich toll. Ich lerne für meine eigene Er-ziehungsarbeit sehr viel. Was ich hier erfahre, kommt ja auch meinen eigenen Kindern zugute. Ich werde damit viel sicherer. Und je sicherer ich werde, desto bereiter bin ich auch, dieses neue Wissen an andere zu vermitteln.“

Die Elternbegleiterinnen feiern gemeinsam Bayram, das Fest des Fastenbrechens.

Elterncafé: Mehr als Kaffee und AustauschDass sich Eltern in ihrer Kita treffen können, um bei einer Tasse Kaffee miteinander ins Ge-spräch zu kommen, ist so weit bekannt. Dass sich solch ein Elterncafé jedoch vor allem um ein Thema dreht – die Zweitsprache Deutsch zu lernen – das ist neu und mit ein Kernpunkt des Sprachförderprojektes wortstark. Angeleitet werden diese monatlichen Treffen von so genannten Elternbegleiterinnen. Das sind z. T. selbst Mütter aus den wortstark-Kitas oder aber externe Ehrenamtliche. Einmal im Monat an einem Vormittag informieren sie interessierte Eltern eine Stunde lang über das Projekt. Dabei geht es immer auch um das Thema: Wie können Eltern, auch wenn sie selbst nicht oder nur wenig Deutsch sprechen, ihre Kinder beim Deutschlernen unterstützen? Zur Zeit engagieren sich zehn Elternbegleite-

rinnen ehrenamtlich für die anderen Eltern in den Projekt-Kitas. Die türkische Sprachwissen-schaftlerin Meryem Tasan bildet die Mütter für diese Aufgabe aus. Alle zwei Wochen wech-seln sich Fortbildungen und Reflexionstreffen ab. In den Fortbildungen geht es um das deutsche Schulsystem, pädagogische Ansätze im Kindergarten, um Mehrsprachigkeit und Konzentration und die Frage: „Wie lernen Kinder überhaupt eine Sprache?“.

Was sie hier gelernt haben, geben die Frauen anschließend in den Elterncafés an die inter-essierten Eltern, bislang ausschließlich Mütter, weiter. Dank dieses festen Repertoires für die thematischen Elterncafès können die Kitas gut planen und die Eltern besser einschätzen, was auf sie zukommt.