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    p i c t u r e - a

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    - i m a g e s

    Für die deutsche Kriegführung nach 1941 kam den sowjetischen Ölfel-dern von Majkop, Baku und Grosny entscheidende Bedeutung zu. 1942begann mit der »Operation Blau« der militärische Vorstoß auf dem Kau-kasus – das Propagandafoto aus der französischen Ausgabe der Zeit-schrift »Signal« zeigt eine Panzerbesatzung der Wehrmacht vor Hochge-birgskulisse –, der allerdings seine strategischen Ziele verfehlte.

    Anders als in den übrigen besetzten Gebieten der Sowjetunion be-mühte sich die deutsche Führung im Kaukasus von Anfang an darum,die einheimische Bevölkerung auf ihre Seite zu ziehen. Der Oberbefehls-haber der Heeresgruppe A, Generaloberst Ewald von Kleist, zitierte am15. Dezember 1942 in einer Ansprache einen Befehl Adolf Hitlers, nachdem eine besondere Behandlung der kaukasischen Bevölkerung gebo-ten sei, um sich diese im Kampf gegen die Sowjets gewogen zu halten.Ein Unterschied zwischen »Bergvölkern, Kosaken und Russen« könnedabei grundsätzlich nicht gemacht werden.

    Während in der kurzen Zeit deutscher Herrschaft die kaukasischenBevölkerungsgruppen des okkupierten Territoriums teils erheblicheSelbstverwaltungsrechte erhielten, verfolgte die nationalsozialistischeFührung insgesamt doch auch im Kaukasus ihre rassenideologischenZielsetzungen mit aller Brutalität. Insbesondere Juden und Kommunistenbefanden sich unter den Opfern der Besatzer. Nach dem Sieg der Roten

    Armee bestrafte dann Josef Stalin die kaukasischen »Kollaborateure«

    und deportierte ganze Völkerschaften als »Vaterlandsverräter«.

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    Gebirgsjäger am Elbrus:Der Kaukasus als Zielnationalsozialistischer Eroberungspolitik

    Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg rückte der Kaukasuszunächst wieder in den Hintergrund deutscher Politik. Solangesich die Reichswehr auf die Landesverteidigung beschränkenmusste, Geheimkontakte mit Moskau pegte und außerdem auf

    eine mögliche Neutralität Großbritanniens setzte, war die Regi-on bedeutungslos. Mit der Machtübernahme der Nationalsozia-listen veränderte sich ab 1933 jedoch die Perspektive.

    Wenn Deutschland Groß- und Weltmachtpolitik betreibenwollte, dann galten drei Prämissen. Erstens musste ein kün�i-ger Krieg offensiv geführt und schnell entschieden werden, weildas Reich als Kontinentalmacht nicht blockadefest war. Zweitenserforderte eine schnelle Entscheidung den Einsatz modernsterKriegstechnik und Transportmi el. Durch die Rückkehr zumBewegungskrieg konnte dri ens der deutsche Generalstab seinetraditionell größte Stärke zur Geltung bringen: die operativeFührungskunst.

    Das alles sprach dafür, die Motorisierung in Deutschlandzu forcieren, aber die Geologie ha e dem Reich nun einmal vielKohle und nur wenige Erdölquellen geschenkt. Die Industriewies einen Ausweg: Die Kohlehydrierung. Mit Beginn der Wie-deraufrüstung wurde diese hochmoderne Technik aus militäri-schen Gründen gefördert. Sie rechnete sich volkswirtscha�lichnur bei einer Autarkie- und Kriegspolitik, und es gab ein weite-res Handikap. Trotz seiner reichen Kohlevorräte würde Deutsch-land niemals im Stande sein, seine gesamte Energiepolitik aufdie Kohle abzustützen. Der kostspielige Bau der Hydrierindus-trie führte zwangsläug in einen weiteren Engpass. Es mussteentschieden werden, ob die geförderte Kohle in den Hochöfender Stahlproduktion verbrannt wurde, der Eisenbahn zur Ver-fügung stand oder ob man die Kohle in üssigen Treibstoff um-wandelte. Natürlich nutzte man dann im Zweiten Weltkrieg alledenkbaren Alternativen, da die Kohleförderung nur geringfügiggesteigert werden konnte, und die rasch wachsende Hydrier-

    industrie lediglich einen kleineren Teil des Bedarfs deckte. Auf

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    welcher »Woge« wollte man also im nächsten Krieg zum Siegschwimmen?

    Aufrüstung und Rohstoffe

    Carl Krauch, der Chef des mächtigen IG-Farbenkonzerns undzugleich der staatliche Beau�ragte für den Mineralölsektor, er-innerte im Frühjahr 1939 daran, dass es im Kriegsfalle darauf

    ankomme, wie bereits im Ersten Weltkrieg die Hände auch nachden kaukasischen Quellen auszustrecken. Niemand verstandihn besser als Adolf Hitler, der sein ganzes politisches Programmzur Erringung der Weltherrscha� auf die Eroberung der russi-schen Ressourcen gesetzt ha e. Hitler – der Diktator war einAutomobil-Enthusiast! – verschlang alle Informationen über dieErdölpolitik und -technik. Auf keinem anderen wirtscha�lichenGebiet war er später so gut informiert, ja geradezu besessen.

    Und Hitler gelang das Kunststück: Er überließ Josef Stalinim Herbst 1939 die Häl�e Polens und das Baltikum, um von derSowjetunion die notwendigen Öllieferungen für die deutscheKriegsmaschine zu erhalten. So schuf er eine kleine »Woge anÖl«, die deutsche Panzer nach Paris, Torpedougzeuge nachNorwegen und Fallschirmjäger nach Kreta beförderte. Nur mitdem Öl konnte die neue Blitzkriegstaktik erfolgreich sein. Moto-risierte Stoßkeile rissen im Zusammenwirken mit den Schlacht-iegern der Lu�waffe die feindliche Front auf, manövrierten inkühnen Vorstößen die Hauptkrä�e des Gegners aus, kesseltensie ein und vernichteten sie.

    Der deutsche Übefall auf die Sowjetunion, das »UnternehmenBarbarossa«, wurde seit Juli 1940 unter anderem auch deshalb vor- bereitet, um sich nach Niederwerfung der UdSSR in den sicherenBesitz der kriegswichtigen Ölquellen zu bringen. Da Stalin einenhohen Preis für sein Öl gefordert ha e, schien es aus deutscherSicht billiger zu sein, 1941 mit dem Schwert einkaufen zu gehen.Auch wenn Hitler »seinen« Krieg als rassenideologischen Kampfum »Lebensraum« verstand, so waren ihm die ökonomischen Vor-aussetzungen für seine Kriegführung doch stets präsent.

    Die Planungen für den Krieg gegen die UdSSR richteten sich

    deshalb von Anfang an auf die Eroberung der Wirtscha�szent-

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    ren, wozu natürlich auch die Ölquellen des Kaukasus zu rech-nen waren. Die Fachleute im Oberkommando der Wehrmacht

    (OKW) waren ernstha� besorgt darüber, dass die Anlagen vonder Roten Armee zerstört werden könnten. Angesichts der Me-chanisierung der sowjetischen Landwirtscha� würden die Deut-schen dann keine Möglichkeit haben, das begehrte Getreide derUkraine einzubringen. Die Eroberung der kaukasischen Ölfelderwar also auch eine unbedingte Voraussetzung für die Beherr-schung und Ausbeutung kün�iger Kolonien im Osten.

    Man dachte deshalb vorsorglich an den Einsatz von Fall-schirmjägern, um die Förderanlagen unzerstört in die Hand zu bekommen. Nach dem Desaster der deutschen Lu�landetruppenim Mai 1941 in Kreta war diese Option aber erst dann zu reali-sieren, wenn die Bodentruppen wie im Sommer 1918 wenigstensTaganrog oder besser noch den Kuban erreicht haben würden.Das OKW legte großen Nachdruck auf eine schnelle Eroberungvon Baku, denn alle Wehrmach eile planten bereits gigantischeRüstungen für den »Kampf um Kontinente«: Die Lu�waffe woll-te ihren Umfang vervierfachen, die Marine dachte an Flo enbauin riesigen Dimensionen und das Heer wollte in den nächstenfünf Jahren seine Panzerstreitmacht verzehnfachen. Für denKampf um die Weltherrscha� brauchte man dann auch eine ent-sprechende »Woge von Öl«.

    Wenige Tage vor Beginn des Überfalls auf die UdSSR erklärteHitler seinem Rüstungsminister: Aus eigener Kra� werde manniemals genügend Treibstoff produzieren können. »Man musseinen anderen Weg gehen und muss das, was man benötigt undnicht hat, erobern.« Für den Generalstab des Heeres waren dies jedoch keine vordringlichen Ziele: Hitlers Generale wollten soschnell wie möglich Moskau einnehmen, weil man annahm, dassder Sowjetstaat nach einer Besetzung seiner Hauptstadt zusam-menbrechen würde und der Ostkrieg beendet werden könnte.Dieser Grundwiderspruch überscha ete das gesamte »Unter-nehmen Barbarossa«. Denn für Hitler war Moskau nur ein »geo-graphischer Begriff«. Die »Lebensquellen« des Feindes zu ero- bern war aus seiner Sicht wichtiger als die politischen Zentren.Er blickte deshalb stärker in Richtung Ukraine und Kaukasus.Daraus resultierte ein permanenter Streit um die Führung des

    Feldzuges.

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    Krieg gegen die Sowjetunion

    Im August 1941 dirigierte Hitler nach einer he�igen Auseinan-dersetzung mit dem Oberkommando des Heeres (OKH) seinestärkste Panzerarmee von der Mi e der Ostfront nach Süden.Dadurch wurde es möglich, in der Kesselschlacht von Kieweinen fulminanten Sieg über die Rote Armee zu erringen. DasTor zum Kaukasus schien fast geöffnet. Doch nun gab Hitlerdem Drängen des Generalstabes nach und war – entgegen seiner

    bisherigen Einsicht – bereit, die letzte Entscheidung vor Moskauzu suchen. Generaloberst Heinz Guderians Panzer drehten umund überließen den Vormarsch im Süden allein der Panzergrup-pe 1, die nach schweren Kämpfen Taganrog erreichte, mit letzterKra� und quasi mit dem letzten Tropfen Treibstoff sogar nochRostow an der Mündung des Don. Dort konnte sie sich jedochnur zwei Tage halten und wurde mit Beginn der sowjetischenGegenoffensive, die im Dezember 1941 die ganze Ostfront insWanken brachte, zurückgeworfen. Die Heeresgruppe Süd ha etrotz ihrer schwierigen Lage an dem illusionären Plan festgehal-ten, sogar noch über den Kuban zu gehen und zumindest Maj-kop mit seinen Ölquellen einzunehmen.

    Vergeblich waren die intensiven Vorbereitungen des OKWgeblieben, durch die Aufstellung von Spezialeinheiten und dieSchaffung spezieller organisatorischer Strukturen das Kauka-sus-Öl erfassen und sofort ausnutzen zu können. Die früherenMineralöl-Lieferungen Stalins, 1940 in Deutschland verarbeitetund gelagert, reichten 1941 im Benzintank der Panzer Guderians bis zum Einmarsch in die Ukraine. Dann aber mussten operati-ve Vorstöße immer häuger aus Mangel an Treibstoff gebremst, begrenzt und schließlich eingestellt werden. Am 7. November1941, als die Truppen der Roten Armee von ihrer Parade auf demRoten Platz direkt an die Front fuhren, um die Hauptstadt zuverteidigen, entschied Hitler, dass Baku erst im nächsten Jahr er-obert werden sollte. So gewann er Zeit, für einen neuen Feldzugzu rüsten. Doch dieser stand von Anfang an unter schwierigerenBedingungen als das »Unternehmen Barbarossa«.

    Das »Dri e Reich« stand mi en in einer globalen Auseinan-dersetzung, ohne dafür ausreichend gerüstet zu sein. Die Wirt-

    scha�sexperten machten eine deprimierende Rechnung auf: Die

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    Erdölreserven des angelsächsischen Raumes wurden auf rund300 Millionen Tonnen geschätzt, die des deutschen Machtberei-

    ches auf etwa zehn Millionen. Im europäischen Teil Russlandsvermutete man weitere 30 Millonen Tonnen! Nun ging es nurnoch darum, die »Festung Europa« zu verteidigen. Im Westensollte ein gigantisches Bunkerprogramm den Feind abschre-cken, im Osten galt es das eroberte Terrain so abzusichern, dasses – gestützt auf die Ressourcen des Landes – mit vermindertenKrä�en verteidigt werden konnte.

    »Operation Blau«: Der Vorstoß im Kaukasus

    Auch dieser defensive Kriegsplan war ohne Zugriff auf den Kau-kasus langfristig nicht zu realisieren. Die Planung für die »Opera-tion Blau« wurde deshalb nur auf ein Ziel ausgerichtet: den Kau-kasus. Und anders als beim »Unternehmen Barbarossa« warensich Hitler und der Generalstab zunächst einig. Der Diktatorha e mehrere gute Gründe vorzuweisen: Erstens erklärte Hitlerin der Erkenntnis, dass er ohne die Ölquellen den Krieg verlie-ren würde: »Wenn ich das Öl von Majkop und Grosny nicht be-komme, dann muss ich diesen Krieg liquidieren« – was er späternach dem Scheitern dann doch nicht tat. Zweitens würde Stalinwahrscheinlich seine letzten Reserven au ieten, um die Ölfel-der zu verteidigen. Immerhin stammten bis Kriegsbeginn etwa90 Prozent des sowjetischen Rohöls aus der Kaukasus-Region.So konnte sich der Wehrmacht vielleicht die Chance zu neuengroßen Kesselschlachten bieten. Schließlich würde dri ens dieWegnahme Bakus aller Voraussicht nach zur Lahmlegung derRoten Armee führen, was die Verteidigung an einem kün�igendeutschen »Ostwall« erleichtern würde.

    Trotz der Anfangserfolge der Kaukasus-Offensive entwickel-ten sich die militärischen Aussichten keineswegs günstig. Durchrechtzeitiges Ausweichen konnte sich die Rote Armee der Ein-kesselung immer wieder entziehen. Dennoch blieb man in Berlinoptimistisch. Nun zeigte sich, dass der Generalstab eben docheinem engeren Verständnis von operativer Führungskunst an-hing. Man gab der Verfolgung in Richtung Stalingrad den Vor-

    rang, während Hitler aus gesamtstrategischer Sicht die Priorität

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    bei den Ölquellen sah. Wieder rückte er im Streit von seiner Posi-tion ab, entließ jetzt aber den Generalstabschef des Heeres Franz

    Halder und traf die verhängnisvolle Entscheidung zur Aufspal-tung der Offensive. Das Ergebnis: beiden Angriffskeilen ging bald der Treibstoff aus – und der Gegner konnte die gewonneneZeit zur Verstärkung seiner Positionen nutzen.

    Die geschwächte Heeresgruppe A marschierte über denKuban und erreichte bei Majkop die ersten Ölquellen, ein rie-siges Trümmerfeld. Die eigens aufgestellte Technische Brigade

    Mineralöl der Wehrmacht sollte dafür sorgen, dass die Zerstö-rungen rasch beseitigt und der erho e große Ölstrom spätes-tens im Sommer 1943 ießen würde. Gestützt auf Baku, konnteman dann nicht nur an einen Vorstoß zu den Ölfeldern des Iranund des Irak denken, sondern auch an das im Ersten Weltkrieggescheiterte Projekt eines Angriffs über Afghanistan gegen die britische Position in Indien. Dafür wurde bereits die 162. Infan-teriedivision aus ehemaligen Kriegsgefangenen der Turktatari-schenVölker aufgestellt. Daneben konnte die deutsche Führungauf zahlreiche weitere einheimische Freiwilligen-Verbände zu-rückgreifen. An der Seite der Wehrmacht dienten in speziellenLegionen u.a. Georgier, Aserbaidschaner und Kosaken.

    Eine wichtige Rolle bei dieser Mobilisierung einheimischerKrä�e spielte der damalige Major im Generalstab Claus GrafSchenk von Stauffenberg, der spätere Hitler-A entäter. Nachden Erfahrungen des Vorjahres und des überall aufflammendenPartisanenkrieges war man in der NS-Führung bereit, durch Än-derungen in der Besatzungspolitik um die Mitarbeit der Kauka-sus-Völker zu werben. Auch für die Fanatiker der Rassenideo-logie galten zumindest einige dieser Völker als für Hilfszwecke brauchbar. Innerhalb der Wehrmacht stand der militärische Nut-zen im Vordergrund. Für Stauffenberg waren Turktataren, Kau-kasier und Kosaken »gleichberechtigte Mitkämpfer«, die auchan vorderster Front eingesetzt werden konnten.

    Die NS-Propaganda verstand bei der einheimischen Bevöl-kerung Illusionen von nationaler Eigenständigkeit zu wecken,die rasch en äuscht und von der Kriegsentwicklung überrolltwurden. Mit der politischen, kulturellen und religiösen Vielfaltder Region ha en die Nationalsozialisten ohnehin erhebliche

    Schwierigkeiten. In einer Hinsicht bestand allerdings Klarheit:

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    »Unternehmen Schamil« 1942

    Im Rahmen der Vorbereitungen für den Russlandfeldzug gab es inner-halb des Amtes Ausland/Abwehr Planungen, die im nordkaukasischenRaum ansässigen Stämme gegen die sowjetische Herrscha� aufzuwie-geln. Es galt, sich die Unzufriedenheit der Nordkaukasier zu Nutze zumachen und sie zum bewaffneten Aufstand gegen die Rote Armee zu bewegen. Auf Initiative und unter Führung des AbwehrangehörigenOberleutnant d.R. Erhard Lange begannen die Vorbereitungen für ein

    Sonderunternehmen, welches nach dem tscherkessischen Freiheits-kämpfer und Imam Schamil benannt war, der im 19. Jahrhundert ander Spitze der muslimischen Bergvölker Dagestans und Tschetscheni-ens den Russen vernichtende Niederlagen beibrachte.

    Lange beabsichtigte, mit einer kleinen Gruppe besonders befähig-ter und bestens ausgebildeter Soldaten hinter der russischen Front imKaukasus mit Fallschirmen abzuspringen, um dort möglichst viele ein-heimische Stämme zur Insurrektion gegen die Sowjets zu gewinnen.Den Kern seiner Truppe bildeten hochgebirgserfahrene Südtiroler undrussisch sprechende Balten, die Lange vom Regiment »Brandenburg«angefordert ha e. Ergänzt wurde die Truppe durch übergelaufeneTschetscheno-Inguschen und Dagestaner. Sie waren gleich zu Beginndes Russlandfeldzuges in Kriegsgefangenscha� geraten und meldetensich nun freiwillig, um ihre Heimat von der sowjetischen Herrscha�zu befreien.

    Ende Juli 1941 versammelte Lange alle unterstellten Krä�e und be-gann mit einer umfangreichen Ausbildung, die fast ein Jahr dauerteund überwiegend im Hochgebirge sta fand. Am 28. Juni 1942 startetedie deutsche Wehrmacht im Südabschni der Ostfront die großeSommeroffensive, welche vor allem die Eroberung der kaukasischenÖlfelder zum Ziel ha e. Wenige Tage später verlegte das KommandoLange nach Stalino, von wo aus es in der Nacht zum 26. August 1942in Richtung Einsatzraum abog. Nach dem vermeintlichen Erreichendes Absetzplatzes etwa 30 Kilometer südlich von Grosny sprangen dieMänner in einer Höhe von mehr als 2000 Metern ab.

    Aufgrund der großen Absetzhöhe landeten die Kommandoangehö-rigen weit voneinander entfernt und waren nach der Landung tagelang

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    auf sich allein gestellt. Zudem gingen beim Absprung etwa 85 Prozentaller Lasten verloren. Bei Sonnenaufgang zeigte sich, dass sich die Sol-daten weit entfernt vom ausgewählten Absetzplatz befanden. Mithilfeder einheimischen Bevölkerung gelang es erst nach mehreren Tagen,das Kommando weitgehend zusammenzuführen. Unterstützt vonBauern, Stammesführern und lokalen Widerstandsgruppen verstecktesich das Kommando an ständig wechselnden Orten, während sowjeti-

    sche Suchtrupps das Gebiet nach den Spezialkrä�en durchkämmten.Der eigentliche Au�ragkonnte nur bedingt wahr-genommen werden. DieVerbindung zur Einsatz- basis kam wegen des Ver-lusts der Funkunterlagennicht zu Stande, und dieBa erien des einzigen ein-satzbereiten Funkgeräteswaren früher als erwartetverbraucht. Durch wie-derholte Gefechte mitsowjetischen Patrouillenverlor das Kommandomehrere Männer, wes-halb sich Lange letztendlich dazu gezwungen sah, zu den eigenenLinien zurückzukehren. Nach einer Marschleistung von etwa 550 Kilo-metern erreichten die Soldaten am 10. Dezember 1942 bei Werchniy-Kurp, westlich von Malgobek, deutsche Truppen. Kurz darauf lieferteLange einen ausführlichen Bericht, der jedoch angesichts des wenigeWochen später eingeleiteten Rückzugs der deutschen Armeen ausdem Kaukasus an Bedeutung verlor. Die ursprüngliche Absicht, mit»Schamil« und ggf. noch weiteren Sonderunternehmen Aufständegegen die Sowjets auszulösen, wurde nicht weiter verfolgt. Langeselbst erhielt für den insgesamt dennoch als Erfolg gewerteten Einsatzdas Ri erkreuz. (tg)

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    Sowjetischer Spähtrupp im Kaukasus, 1942.

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    Mordaktionen gegen Juden und Kommunisten wurden auchhier rücksichtslos durchgeführt.

    Das XXXXIX. Gebirgsarmeekorps war 1941 auf einem lan-gem Fußmarsch kämpfend durch die Ukraine gezogen. DieHochgebirgsregion des Kaukasus erreichte diese Spezialtruppeerst ein Jahr später. Sie war nun am Ende ihrer Krä�e und nichtin der Lage, die letzten 50 Kilometer nach Suchumi und damitan die Küste des Schwarzen Meeres durchzubrechen. Die fürdie Propaganda inszenierte Besteigung des Elbrus lenkte von

    diesem Scheitern ab. Am weitesten kam die 1. Panzerarmee mitihrem Vorstoß auf der Grusinischen (Georgische) Heerstraße.Sie kämp�e gegen die sowjetische Transkaukasusfront, die nichtnur das Vorfeld von Baku, sondern auch den strategisch wich-tigen Versorgungsstrang abdeckte, auf dem britische Hilfsliefe-rungen über den Iran in die UdSSR gelangten. Die deutschenPanzer erreichten schließlich den Terek. Dann waren auch siemit ihren Krä�en am Ende. Auf der Jagd nach dem fossilen Roh-stoff Öl ging der Wehrmacht der Sprit aus.

    Im August 1942 hä e sichfür Hitler, so argumentierenheute manche Experten, fürkurze Zeit die Gelegenheitgeboten, zumindest einen er-folgreichen Schlag gegen diesowjetische Ölversorgung zuführen und so Stalins Krieg-führung für Monate lahm zulegen. Mit einer Konzentra-tion seiner Lu�angriffsver- bände am Kuban wäre einvernichtender Schlag gegenBaku und Grosny möglich

    picture-alliance/dpa

    Eine Kampfgruppe der 1. Gebirgs-Division erreichte nach zweitägigem

    Aufstieg am 21. August 1942 denGipfel des 5633 Meter hohen Elbrusund hisste dort die Reichskriegs-

    agge.

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    gewesen. Sta seine Bomber gegen Stalingrad einzusetzen, wosie die Ruinenwüste umwühlten und den eigenen Truppen den

    Vormarsch eher erschwerten, hä e er die sowjetische Hauptba-sis in Baku vernichten können.Als Hitler im Oktober eine solche Operation anordnete, weil

    nun auch der Vormarsch im Kaukasus zum Erliegen kam, war eszu spät. In seinem Schwanken zwischen politisch-ideologischenund kriegswirtscha�lichen Erwägungen ha e er die letzte Chan-ce verspielt, im Osten einen größeren Erfolg zu erzielen und die

    Ausgangsposition für die erwartete Auseinandersetzung mit denWestmächten zu verbessern. Sta die Heeresgruppe A auf güns-tige Winterstellungen am Don zurückzuziehen, sollte sie sich inaussichtsloser Lage an den Hängen des Kaukasus festklammern.Sie konnte im Dezember 1942/Januar 1943 unter großen Verlus-ten mit knapper Not über den Kuban entkommen. Hitler opferteschließlich der besessenen Idee, mit Hilfe der kaukasischen Öl-quellen den Krieg zu gewinnen, auch die 6. Armee in Stalingrad,um am Ende alles zu verlieren.

    Dem Rückzug der Deutschen aus dem Kaukasus schlossensich viele einheimische Legionäre mit ihren Familien an. IhrSchicksal verlor sich an den Fronten in Italien und Frankreichsowie im Kampf gegen die Tito-Partisanen. Das georgische In-fanteriebataillon 822 wagte im April 1945 auf der holländischenInsel Texel den Aufstand gegen das deutsche Rahmenpersonalund ho e auf die Ankun� der Briten. Sta dessen landeten mehrals 2000 Soldaten der Waffen-SS, die jeden Widerstand brutalniederwarfen. Es war der letzte Sieg Hitlers.

    Die Rache Stalins el nicht minder hart aus. Nach der Rück-eroberung der Kaukasus-Region Anfang 1943 wurden mehr alsHunder ausend Menschen als »feindliche Elemente« liquidiert.Auf Beschluss des Politbüros deportierte man die Völker der Kal-müken, Karatschaier, Tschetschenen, Inguschen, Balkaren sowieeinen Teil der Karbadiner aus ihren angestammten Heimstä ennach Sibirien oder Mi elasien. Ihre Autonomen Gebiete wurdenaufgelöst. Die Überlebenden dur�en erst nach dem Tode des Ge-orgiers Stalin in die Heimat zurückkehren.

    Rolf-Dieter Müller