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52 3 Fachleute – 3 Behandlungsstrategien. Rezidivierende Aphthen. zkm 2016; 4: 52–53 zkm Praxis 3 mal 3 3 Fachleute – 3 Behandlungsmethoden Rezidivierende Aphthen Dr. med. Jochen Gleditsch Hetzendorfer Str. 92a 2/1 1120 Wien Österreich [email protected] 1 Gerhard Bleul Arzt für Allgemeinmedizin Homöopathie, Chirotherapie Neukirchner Str. 9a 65510 Hünstetten [email protected] Lokale Injektionen und Akupunktur Homöopathische Behandlung Rezidivierende Krankheiten gel- ten in der homöopathischen Krankheitslehre als chronisch und werden individuell behan- delt. Zur Mittelfindung dienen die jeweiligen Auslöser (z. B. Grippeinfekte, Menstruation, Stillzeit), Art und Modalitäten der Schmerzen (z. B. brennend, wund, splitterartig, schmerzlos; Essen bestimmter Speisen), Loka- lisation und Aussehen (z. B. Lip- pen, Gaumen, Uvula, Tonsillen; weiß, gelblich, bläulich, blutend) sowie begleitende Beschwerden (z. B. veränderter Geschmack, Mundgeruch, Risse der Zunge oder Mundwinkel, Magenbe- schwerden, innere Unruhe, Reiz- barkeit, Schweiß, Kältegefühl). In den Repertorien werden über 200 Arzneimittel unter dem Stichwort „Aphthen“ auf- geführt, weitere Rubriken im Kapitel „Mund“ sind Stomatitis, Geschwüre, „Hautausschläge“, Schleimhautexkoriation. Die in der Literatur genann- ten Hauptmittel mit ihren Be- sonderheiten sind: Arsenicum album. Brennende Schmerzen, Zahnfleischbluten. Viel Durst, Unruhe und Ängst- lichkeit, allgemein besser durch Wärme und warme Getränke. Borax. Weiß belegte und blu- tende Aphthen, bitterer Ge- schmack. Gemüt: ängstlich bei Abwärtsbewegungen, Ge- räuschempfindlichkeit. Mercurius solubilis. Schwam- miges Zahnfleisch, starker Spei- chelfluss, süßlich-eitriger Mundgeruch, geschwollene Halslymphknoten. Nächtlicher Schweiß, Zittern. Natrium muriaticum. Aphthen der Zunge, Brennen, Vibrieren, Taubheit. Zahnfleischbluten, beißt sich auf die Zunge, Ge- schmack bitter, salzig, faulig oder Geschmacksverlust. Nux vomica. Kleine Aphthen, geschwollenes blutendes Zahn- fleisch, rissige Zungenränder, Kiefer verkrampft, Zahnschmer- zen durch Eis oder kalte Geträn- ke. Gemüt: Reizbarkeit, Zorn- ausbrüche. Nitricum acidum. Die Ge- schwüre bluten leicht, splitter- artiger Schmerz. Stinkender Mundgeruch. Oft rissige Mund- winkel, Furche in der Zungen- mitte. Sulfuricum acidum. Übler Mundgeruch, dunkle Blutung. Sodbrennen, saures Aufstoßen. Die Patienten sind frostig, hastig und geschwächt. Es gilt, nicht nur den Allgemein- zustand des Patienten, sondern auch den der Mundhöhle zu be- urteilen: Liegt eine Parodontitis vor? Finden sich tiefe Zahn- fleischtaschen im Aphthen-Be- reich? Bei Aphthen, die wiederholt im gleichen Mundareal auftre- ten, sollte an ein funktions- schwaches Organ gedacht wer- den, das im Wechselbezug zum betreffenden Zahn-Kiefer-Be- reich steht. Nach meiner Erfah- rung finden sich rezidivierende Aphthen gehäuft vor den unte- ren Prämolaren: Der Wechselbe- zug weist in diesem Fall auf den Magen-Milz / Pankreas-Funkti- onskreis der Akupunktur hin. Doch kann ebenso jedes der 5 anderen Wechselbeziehungssys- teme, z. B. Lunge-Dickdarm bei entzündlichen Darmerkrankun- gen, betroffen sein. Es sind also nicht nur exogene Faktoren wie Viren zu beachten. Es gilt, die en- dogene Schleimhaut-Vorbelas- tung in die Behandlung einzube- ziehen. Lokal eignen sich Chlor- hexidin, Lidocainlösung, Bepan- then, Myrrhetinktur, sodass Cor- ticoide oft gar nicht nötig sind. Als Therapie kann bei deutli- chem Hinweis auf eine solche Störung im Wechselbezug eine lokale Injektion im gleichen Kie- ferquadranten erfolgen, evtl. nur kontralateral (exakt symmet- risch zum Ort der Aphthe); be- währt haben sich mir Injektio- nen von Traumeel, Engystol, aber auch von einem schwach- prozentigen Lokalanästhetikum wie Procain bzw. Lidocain. Die entzündungshemmende Wir- kung der Lokalanästhetika ist hilfreich. Regelmäßig finden sich bei rezidivierenden Aphthen ein oder mehrere auffällig druck- sensible Punkte ipsilateral am ventralen Lymphbelt (unter der Klavikula). Diese Punkte sollten unbedingt in die Therapie ein- bezogen und mittels Injektionen oder Nadel-Akupunktur behan- delt werden. Dem Hinweis auf eine eventuelle funktionelle Or- ganbelastung (i. S. der Akupunk- tur-Funktionskreise) sollte auch anamnestisch nachgegangen werden samt evtl. internisti- scher Abklärung. Bei rein funk- tioneller Symptomatik kann zu- sätzlich mittels Meridian- bzw. MAPS-Akupunktur behandelt werden. 2 Autoren-PDF für private Zwecke des Autors

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52 3 Fachleute – 3 Behandlungsstrategien. Rezidivierende Aphthen. zkm 2016; 4: 52–53

zkm Praxis 3 mal 3

3 Fachleute – 3 Behandlungsmethoden

Rezidivierende Aphthen im Mundbereich

Dr. med. Jochen GleditschHetzendorfer Str. 92a 2/11120 WienÖ[email protected]

Gerhard BleulArzt für Allgemeinmedizin Homöopathie, ChirotherapieNeukirchner Str. 9a65510 Hü[email protected]

Lokale Injektionen und Akupunktur Homöopathische BehandlungRezidivierende Krankheiten gel-ten in der homöopathischen Krankheitslehre als chronisch und werden individuell behan-delt. Zur Mittelfindung dienen die jeweiligen Auslöser (z. B. Grippeinfekte, Menstruation, Stillzeit), Art und Modalitäten der Schmerzen (z. B. brennend, wund, splitterartig, schmerzlos; Essen bestimmter Speisen), Loka-lisation und Aussehen (z. B. Lip-pen, Gaumen, Uvula, Tonsillen; weiß, gelblich, bläulich, blutend) sowie begleitende Beschwerden (z. B. veränderter Geschmack, Mundgeruch, Risse der Zunge oder Mundwinkel, Magenbe-schwerden, innere Unruhe, Reiz-barkeit, Schweiß, Kältegefühl).

In den Repertorien werden über 200 Arzneimittel unter dem Stichwort „Aphthen“ auf-geführt, weitere Rubriken im Kapitel „Mund“ sind Stomatitis, Geschwüre, „Hautausschläge“, Schleimhautexkoriation.

Die in der Literatur genann-ten Hauptmittel mit ihren Be-sonderheiten sind:Arsenicum album. Brennende Schmerzen, Zahnfleischbluten. Viel Durst, Unruhe und Ängst-lichkeit, allgemein besser durch Wärme und warme Getränke.

Borax. Weiß belegte und blu-tende Aphthen, bitterer Ge-schmack. Gemüt: ängstlich bei Abwärtsbewegungen, Ge-räuschempfindlichkeit.Mercurius solubilis. Schwam-miges Zahnfleisch, starker Spei-chelf luss, süßlich-eitriger Mundgeruch, geschwollene Halslymphknoten. Nächtlicher Schweiß, Zittern.Natrium muriaticum. Aphthen der Zunge, Brennen, Vibrieren, Taubheit. Zahnfleischbluten, beißt sich auf die Zunge, Ge-schmack bitter, salzig, faulig oder Geschmacksverlust.Nux vomica. Kleine Aphthen, geschwollenes blutendes Zahn-fleisch, rissige Zungenränder, Kiefer verkrampft, Zahnschmer-zen durch Eis oder kalte Geträn-ke. Gemüt: Reizbarkeit, Zorn-ausbrüche.Nitricum acidum. Die Ge-schwüre bluten leicht, splitter-artiger Schmerz. Stinkender Mundgeruch. Oft rissige Mund-winkel, Furche in der Zungen-mitte. Sulfuricum acidum. Übler Mundgeruch, dunkle Blutung. Sodbrennen, saures Aufstoßen. Die Patienten sind frostig, hastig und geschwächt.

Es gilt, nicht nur den Allgemein-zustand des Patienten, sondern auch den der Mundhöhle zu be-urteilen: Liegt eine Parodontitis vor? Finden sich tiefe Zahn-fleischtaschen im Aphthen-Be-reich?

Bei Aphthen, die wiederholt im gleichen Mundareal auftre-ten, sollte an ein funktions-schwaches Organ gedacht wer-den, das im Wechselbezug zum betreffenden Zahn-Kiefer-Be-reich steht. Nach meiner Erfah-rung finden sich rezidivierende Aphthen gehäuft vor den unte-ren Prämolaren: Der Wechselbe-zug weist in diesem Fall auf den Magen-Milz / Pankreas-Funkti-onskreis der Akupunktur hin. Doch kann ebenso jedes der 5 anderen Wechselbeziehungssys-teme, z. B. Lunge-Dickdarm bei entzündlichen Darmerkrankun-gen, betroffen sein. Es sind also nicht nur exogene Faktoren wie Viren zu beachten. Es gilt, die en-dogene Schleimhaut-Vorbelas-tung in die Behandlung einzube-ziehen. Lokal eignen sich Chlor-hexidin, Lidocainlösung, Bepan-then, Myrrhetinktur, sodass Cor-ticoide oft gar nicht nötig sind.

Als Therapie kann bei deutli-chem Hinweis auf eine solche

Störung im Wechselbezug eine lokale Injektion im gleichen Kie-ferquadranten erfolgen, evtl. nur kontralateral (exakt symmet-risch zum Ort der Aphthe); be-währt haben sich mir Injektio-nen von Traumeel, Engystol, aber auch von einem schwach-prozentigen Lokalanästhetikum wie Procain bzw. Lidocain. Die entzündungshemmende Wir-kung der Lokalanästhetika ist hilfreich.

Regelmäßig finden sich bei rezidivierenden Aphthen ein oder mehrere auffällig druck-sensible Punkte ipsilateral am ventralen Lymphbelt (unter der Klavikula). Diese Punkte sollten unbedingt in die Therapie ein-bezogen und mittels Injektionen oder Nadel-Akupunktur behan-delt werden. Dem Hinweis auf eine eventuelle funktionelle Or-ganbelastung (i. S. der Akupunk-tur-Funktionskreise) sollte auch anamnestisch nachgegangen werden samt evtl. internisti-scher Abklärung. Bei rein funk-tioneller Symptomatik kann zu-sätzlich mittels Meridian- bzw. MAPS-Akupunktur behandelt werden.

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3 Fachleute – 3 Behandlungsstrategien. Rezidivierende Aphthen. zkm 2016; 4: 52–53 53

3 mal 3 Praxis zkm

3 Fachleute – 3 Behandlungsmethoden

Rezidivierende Aphthen im MundbereichOnline zu finden unter http://dx.doi.org/10.1055/s-0036-1587998

Prof. Dr. med. Sigrun Chrubasik-HausmannUniversität FreiburgInstitut für RechtsmedizinAlbertstr. 979104 [email protected]

Die phytotherapeutische Be-handlung rezidivierender Aph-then gliedert sich in die topische Behandlung sowie die Immun-stimulation. Allgemein sollte auf scharf gewürzte Speisen, Saures oder Knuspriges verzichtet wer-den. Ebenso auf harte Brotrin-den, Knäckebrot, Biskuits oder Obstprodukte, die einen hohen Fruchtsäuregehalt aufweisen.

Topische BehandlungMyrrhentinktur wirkt adstrin-gierend und antientzündlich (z. B. Myrrhentinktur Hetterich).Gewürznelkenöl wirkt desinfi-zierend und schmerzlindernd (lokalanästhetisch).

Australisches Teebaumöl wirkt entzündungshemmend und desinfizierend (z. B. Tebo-dont® Gel).

Kamillentinktur wirkt anti-bakteriell und entzündungs-hemmend (z. B. Kamillosan®).

Salbeiextrakt wirkt desinfi-zierend (z. B. Aperisan® Mund-gel).

Melissentinktur wirkt antivi-ral und entzündungshemmend (z. B. Parodontal-Mundsalbe®).

Ratanhiatinktur (z. B. Ratio-sept® unverdünnt, Ratanhia comp®) wirkt adstringierend,

Phytotherapieentzündungshemmend und des infizierend.

Mischpräparate mit synthe-tischen Substanzen sind per WHO-Definition keine pflanzli-chen Präparate.

Bei Aphthen bewährt hat sich das Präparat Pyralvex® Tinktur, das 50 mg Rhabarberwurzelex-trakt (standardisiert auf 4,8 mg Rhein) und 10 mg Salicylsäure enthält. Die topische Applikati-on wirkt entzündungs- und schmerzlindernd.

Ebenso bewährt hat sich Kamistad®-Gel, das 185 mg Ka-millenblütenextrakt und 20 mg Lidocain-HCl, 1 g pro Anwen-dung enthält; oder ein Gel mit 12 g Kamillenblütenextrakt, 12 g, Salbeiblätterextrakt und 1 g Lidocain pro 100 g oder Paro-dontal-Mundsalbe® mit 120 mg Kamillenblütenextrakt, 120 mg Salbeiblätterextrakt und 10 mg Lidocain pro Gramm. Die Präpa-rate wirken desinfizierend und antientzündlich.

Auch Kombinationen mit isolierten Phenolen sind per WHO-Definition keine pflanzli-chen Präparate, z. B. Repha-Os® Mundspray. Es enthält ätheri-sche Öle aus Pfefferminze, Euka-lyptus, Anis und Nelke, Extrakte

aus Myrrhe, Blutwurz und Rathaniawurzel sowie die Phe-nole Menthol, Eugenol, Limonen und Linalool.

Ätherische Öle, z. B. Pfeffer-minz-, Eukalyptus-, Thymian- und Teebaumöl, je 5–10 Tr. pro Glas, ½ min spülen, 2–3-mal tgl.

Die Mischung Salviathymol N®-Tropfen enthält 2 mg Salbei-öl, 2 mg Eukalyptusöl, 23 mg Pfefferminzöl, 2 mg Zimtöl, 5 mg Nelkenöl, 10 mg Fenchelöl, 5 mg Sternanisöl, 20 mg Levomenthol und 1 mg Thymol. Erwachsene und Kinder > 12 Jahre spülen 3-mal tgl. mit 20 Tr. (= 1 g) in ei-ner Tasse mit ca. 100 ml lauwar-mem Wasser.

Kamillenextrakt, z. B. Kamil-losan®, 1 TL auf 1 Glas Wasser, mehrfach tgl. spülen.

Ratanhiaextrakt, z. B. Ratio-sept® Tinktur, 50 Tr. auf 100 ml Wasser, oder Ratanhia-Mund-wasser®, 1 Spritzer pro 100 ml Wasser.

Eibisch wirkt stark reizlin-dernd, z. B. mit dieser Rezeptur: 55 g Eibischblätter, 25 g Eibi-schwurzeln, 15 g Süßholzwur-zeln und 5 g Malvenblüten. Ein-zeldosis: 1,5 g pro Tasse (ca. 150 ml) als Mazerat (in kaltem Wasser ansetzen) oder als Auf-

guss (hoher Schleimgehalt; Zu-sammensetzung nach dem Ös-terreichischen Arzneibuch).

ImmunstimulationDie im Obst und Gemüse ent-haltenen pflanzlichen Antioxi-danzien besitzen immunstimu-lierende Wirkung. Beispiele:Im Milieu der Hagebutte ver-mehren sich probiotische Bakte-rien wie z. B. Lactobacillus plan-tarum.

Eine Tasse (100 ml) Aronia-Muttersaft pro Tag wirkt anti-mikrobiell. Auf ausreichende Ei-senzufuhr achten (z. B. fördern Fleisch, Geflügel, Fisch, Gersten-graspulver, Zitrusfrüchte und Hagebuttenpulver die Eisenauf-nahme; Schwarz- und Grüntee hemmen sie). Bei Durchfallnei-gung 1:1 verdünnt mit Wasser zur Mahlzeit trinken, am besten mit Strohhalm, da der Saft ähn-lich wie Rotwein die Zähne dun-kel färben kann.

Propolis (Bienenharz) 500 mg pro Tag besitzt eine antimikrobi-elle Wirkung.

Echinaceatinktur wirkt anti-viral, z. B. Echinaforce Tropfen. Erwachsene und Kinder ab 12 Jahre nehmen 3 × 20 Tr. tgl. ein.Literatur bei der Verfasserin.

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