zu h. driesch's »analytischer theorie der organischen entwickelung«

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Zu H. Driesch's >>hnalytischer Theorie der organischen Entwickelung<< '), Von Wilhelm Roux. Wir haben lange gezaudert, dieses rein theoretisehe Werk des vow uns als bedeutenden Experimentator geseh~tzten Antors hier zn besprechen~ theils weil es sich bei dem g'egenw~trtig'en Stand unserer Disciplin seiner Aufgabe naeh sehr welt yon dem Boden der That- saehen entfernt, theils weft wir den u noch sehr in der Wandlung seiner Ansiehten begriffen glanbten, and andererseits, well sieh manche der yon ihm ausgesproehenen Ansichten trotz der apo- diktisehen Form ihrer Darstellung bei genauerem Durchdenken doch als noeh recht unbestimmt erweisen, so dass man in Zweifel dartiber bleibt, was der Autor eigentlieh ftir eine Meinung vertritt. Seit den zwei Jahren des Erscheinens dieser Schrift hat DnIESeI~ nun einen Theil seiner Ansichten wiederholt ausgesprochen und vertreten, sic damit also als fester, dauernder bezeiehnet, auch Manches bestimmter formulirt2), so dass wir nun wohl an eine kritisehe Bespreehung herantreten und damit zngleieh dem yon ihm ausgesprochenen Vor- wm'f ~,der Ignorirung~, seines Werkes begegnen kSnnen. Doch empfinden wit es auch jetzt noeh bei der Beurtheilung sehr stbrend, dass selbst in einer und derselben Schrift einander theilweise nieht entspreehende ja theilweise widersprechende Fassung'en tiber dew- selben Gegenstand vorkommen, so dass der Autor sparer eine erheb- liche Wahlfreiheit in dem hat~ was er vertreten will. Aueh kommen in den neneren Sehriften bereits einige Xngerung'en vor, die nicht recht zu dem Gedankengeftige dieses Buches passen. 1) Leipzig 1S94. 184 Seiten. 2) Dies ist besonders in der Sehrift: Die 1VIaschinentheorie des Lebens (Biolog. Centr~lblatt. 1896. Bd. 16. pag. 353--36S) geschellea.

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Zu H. Driesch's >>hnalytischer Theorie der organischen Entwickelung<< '),

Von

Wilhelm Roux.

Wir haben lange gezaudert, dieses rein theoretisehe Werk des vow uns als bedeutenden Experimentator geseh~tzten Antors hier zn besprechen~ theils weil es sich bei dem g'egenw~trtig'en Stand unserer Disciplin seiner Aufgabe naeh sehr welt yon dem Boden der That- saehen entfernt, theils weft wir den u noch sehr in der Wandlung seiner Ansiehten begriffen glanbten, and andererseits, well sieh manche der yon ihm ausgesproehenen Ansichten trotz der apo- diktisehen Form ihrer Darstellung bei genauerem Durchdenken doch als noeh recht unbestimmt erweisen, so dass man in Zweifel dartiber bleibt, was der Autor eigentlieh ftir eine Meinung vertritt. Seit den zwei Jahren des Erscheinens dieser Schrift hat DnIESeI~ nun einen Theil seiner Ansichten wiederholt ausgesprochen und vertreten, sic damit also als fester, dauernder bezeiehnet, auch Manches bestimmter formulirt2), so dass wir nun wohl an eine kritisehe Bespreehung herantreten und damit zngleieh dem yon ihm ausgesprochenen Vor- wm'f ~,der Ignorirung~, seines Werkes begegnen kSnnen. Doch empfinden wit es auch jetzt noeh bei der Beurtheilung sehr stbrend, dass selbst in einer und derselben Schrift einander theilweise nieht entspreehende ja theilweise widersprechende Fassung'en tiber dew- selben Gegenstand vorkommen, so dass der Autor sparer eine erheb- liche Wahlfreiheit in dem hat~ was er vertreten will. Aueh kommen in den neneren Sehriften bereits einige Xngerung'en vor, die nicht recht zu dem Gedankengeftige dieses Buches passen.

1) Leipzig 1S94. 184 Seiten. 2) Dies ist besonders in der Sehrift: Die 1VIaschinentheorie des Lebens

(Biolog. Centr~lblatt. 1896. Bd. 16. pag. 353--36S) geschellea.

Zu H. Driesch's ~Analytischer Theorie der organischen Entwickelung,<. 467

l~ier Verfasser beabsiehtigt in dieser Schrift: ,)die Vorgi~nge der Formbildung der Organismen, besonders, der thierisehen Form- bildnng in ihre letzten Elemente zu zerlegen, so welt dies zur Zeit mSglich ist<

Da DsIEscH, wie er s~gt, 7, d~s Werthlose der historisehen'Forsehung erkannt hatte,<, so wurde ),nieht das Werden, sondern das Seth, oder das Sein im Werden~,. ihm Problem der Naturforsehung. Er erkannte~ ,,d~ss ex~kte Biologie n e b e n die Physik als ,selbst~tndige Grund- wisse~sehaft' zn stellen set, dass die rein meehanischen Methoden der Forschnng unzureichend zur Bew~tltignng der Lebensprobleme sin&<, u n d e r erkannte weiterhin ,,die Berechtigung und die Be- dentung der Teleologie und ihr Verh~ltnis zum Cansalbegriff,,.

Din- Antor bezeiehnet selber seine Arbeit als das Beste, was bisher tiber dus behandelte Thema geschrieben worden ist. Gelegent- lieh sehaltet er zwar einmal ein~ dass eine speeielle Ausftihrung nnr hypothetiseh set; gleiehwohl geht doeh ~us dem selbstbewussten Tone seiner ganzen Darstellnng nnd arts der geringen Bewerthung der beztigliehen Leistungen der frtiheren Antoren hervor~ dass cr aneh diesen Ableitungen einen sehr grol]en Werth zuschreibt, und dass er yon der Riehtigkeit seiner Darlegungen in hohem MaBe tiber- zeugt ist.

Der erste Absehnitt behandelt kritisch die L e i s t u n g e n d e r V o r g ~ n g e r und zwar blol] die ,)verbreitetste Theorie,,, die er als die ROUX-WEIS~A~s'sehe Theorie bezeichnet.

Er sehildert, wie er g'laubt~ die Ansichten dieser Autoren riehtig~ nnd ist bald damit fertig, dieselben in ether ftir den Unkundigen vielleieht Uberze.ugenden Weise als unbrauchbar darzuthun.

Ieh glaube kaum, dass WEISMANN g~nz mit dieser Darstellung einverstanden ist; yon mir gilt dasselbe.

Ieh meinerseits will aus dem frtiher bereits erw~hnten Anlass~) Gelegenheit nehmen, hier die yon DRIESCH mir unterstellten IrrthUmer zu berichtigen and aueh manehes yon DRIESCH Vergessene meiner

~) Siehe dies Archiv. Bd. IV. pag. 341. Du die Berichtigungen tier yon DRIESCH gegebenen Darstellung meiner

theoretischen Ansiehten sieh auf fast ~lle Theile dieser Ansichten zu beziehen haben, und da das Verst~indnis yon Auffassungen dutch Anfiihrung yon Unter- schieden and Gegensi~tzen erleichtert wird, so gewinnt der Leser des naeh- stehenden Beriehtes zugleich einen Uberb l ick fiber die h~upts i tch- l iehs ten meiner t h e o r e t i s c h e n A u f f a s s u n g e n yon der 0n togenese , den er leicht durch I~aehschlagen der angezogenen Stellen meiner gesammeltela Abhandlungen im Detail vervollst~indigen kann.

468 Wilhelm Roux

Ansiehten wieder zur Geltung zu bringen. Die hauptsi~ehlichsten der

Irrthtimer babe ieh sehon vor Jahren O. HERTWIG gegeniiber t)e-

richtigt, ohne dass jedoeh D~IESCH diese Berichtigungen in der vor-

lieg'enden Schrift verwendet h~ttte.

Zun~ehst wird mir immer noeh die Ansicht zugesehrieben, dass am E n d e d c r F u r e h u n g der Keim aus einer Anzahl Z e l l e n be-

steht, yon denen jede s i e h ftir s ich , also jede selbstandig" sieh za

ihrem speeifisehen Resaltat entwiekelt: d ie E n t w i c k e l u n g �9 d e s

K e i m e s se i M o s a i k a r b e i t iu d i e s e m Sinne.

In Wirkliehkeit habe ich gesagt, dass solehes fiir die z w e i und

die v i e r e r s t e n Furchungszellen des F r o s c h e s g'ilt; habe aber

weiterhin naehgewiesen, dass dies sehon n i c h t m e h r flit die a e h t

ersten Zellen zutrifftl),, sondern dass nut die den Furehung'szellcn

entsprechenden g ' a n z e n V i e r t e l des Eies noch g'enti~end der Selbst-

differenzirung" f~hig sind, um sich zu entspreehenden Stricken des

sehr j u n g ' e n Embryo entwiekeln zu kSnnen, dass die Viertel des

Eies in i s o l i r t e m Zustande sieh aueh n i e h t so w e l t entwiekeln

als die ganzen H S l f t e n , und dass dig isolirte vordere H~lfte des

Keimes sieh welter als dig isolirte hintere H~lfte ausbildet.

Ge~en die fheils unriehtig'e, theils unerwiesene V e r a l l ~ e m e i n e -

r u n g dieser yon mir ermittelten Thatsaehen der Selbstdifferenzirung"

yon Furehung'szellen 2) habe ieh bereits im Jahre 1892 O. HERTWI(~

gegentiber protestirt 3). Der ersten Formulirung dieser Mosaik aus v ie r

1) Uber d~s entwickelungsmeehanische VermSgen j eder tier be idea ersten Furchungszellen des Eies. Verhandl. d. anat. Gesallsch. zu Wien. 1S92. pag. 34. Meina Ges. Abh. Bd. II. p~g. 782.

2) l~ber eina vielleieht (?) fiir den ~ersten,, Anfang n(ithige Einschriinkung der aus den am Froschei beobachteten Th~tsachen ~bgeleiteten ~Selbstdifferen- zirung<~ der HS~[ften und Viertel des Froseheies siehe maine Abhandlung ~>Uber die versahiedene Entwiakelung isolirter erster Bl,~stomeren,, Dies Archly. Bd. I. Haft 4. 1S95. pag. 603.

3) 0rt der Anm. 1 pag. 53, Ges. Abh. Bd. II. pag. S07. 0. H~TWm stellt noch in der diesj~hrigen Auflage (1896) seines Lehr-

buehes der Entwiekelungsgesahiehte meina yon ihm bek~mpfte Auffassung yon der M o s a i k a r b e i t wesentlieh unriehtig dar, indam er unterlSsst mitzutheilen, dass naeh meiner Auffassung nur die un te r ~mormalen<< Verh:~tltnissen g e b i l d e t e n vier e rs ten F u r e h u n g s z e l l e n des Froscheias derartiges Material erhalten, class jede derselben (NB. auch nut, wenn sie d~trch die Iso- lation oder ~elegentlich dersalban niaht wesentlich in tier A n o r d n u n g ihrar Theile gestiirt wird) sich zu bestimmtan Vie r t e ln des Embryos entwickeln. Das Verhaltan nnter abnormen Varh~ltnissen, z.B. bei Pressung der Eier, ffebildeter Furehungszellen bewaist daffeffen natiirlich gar niahts; und ieh selbst babe solehe Abwaichungen (s. Ges. Abh. Bcl. II. pag'. 426, Anm., and

Zu H. Drieseh's ~Analytiseher Theorie der organisehen Entwiekelung<~. 469

StUcken im Jahre 1888 ~) habe ich sogleid~ die weitere Bemerkung hinzugeftlgt: ,)Wie welt diese Mosaikbildung bei der weiteren Ent- wickelung dutch d i f f e r e n z i r e n d e K o r r e l a t i o n e n umgearbeitet und in der Selbst~ndigkeit ihrer Theile beschrankt wird,, ist erst noch zu ermitteln.,< Daraus, dass nur, wie ich betonte, der ~Kom- p lex, , a l l e r ~ a c h k o m m e n jeder einzelnen der v i e r ersten Furchungszellen eine so erhebliche Strecke welt der Selbstdifferen- zirung fi~hig ist, folgt schon, dass die The i l e dieses Komplexes e i n a n d e r nb th ig s ind und somit der E n t w i c k e l u n g d i enende W i r k u n g e n au f e i n a n d e r ausi iben.

Die unrichtige Unterstellung der Mosaikarbeit der ,,einzelnen Zellen,< und als eines eine ganze Entwickelungsperiode beherrschenden Principes dehnt nun DRIESCH, wieder angeblich in meinem Sinne,

pag. 963) und weiterhin auch bereits vor HERTWIG und I)RIESC~ festgestellt, dass die einzelnen Furehungszelien t o t i p o t e n t sind, wenn sie in geniigend ab n o r m e Verh:~ltnisse kommen (indem durch diese Verhiiltnisse, wie ieh an- nehme, ihr Reserveidioplasson aktivirt wird). 0. H~nTWI~ dagegen stellt fort- gesetzt dar, class nach meiner Meinung eine der vier ersten FurehnngszeUen u n t e r a l l e n U m s t l i n d e n ,)nur,~ e i n e n V i e r t e l e m b r y o produeiren kiinnte, obsehon dieser Irrthum bereits zweimal rektifieirt worden ist. Auf diese billige Weise wird es 0. HEI~TWIG leieht, ,)Roux's Auffassung,< als durch die Ergeb- nisse gepresster Eier widerlegt erseheinen zu lassen; doch wird durch solches Verfahren wissenschaftlich kaum viel gewonnen.

In der Darsteliung yon M. VERWORN (Allgemeine Physiologie. Jena 1895) kehrt dann die Verwirrung wieder; und der Antor vermehrt dieselbe noeh er- heblich dm'eh selbstiindige Ausdehnung der Irrthiimer auf weitere Gebiete. Herr VERWOR~ theilt mir in Bezug auf eine in meiner Schrift )~Uber die Selbstord- nung (Cytotaxis) sich ,, bertihrender ,< Furchungszellen des Froseheies dutch Zellenzusammenftigung, Zellentrennung and Zel]engleiten<: (dies 'Archly. Bd. III. pag. 428) ausgesproehene Vermuthung mit, dass er die unriehtigen Darstellungen meiner Auffassungen und thatsiiehlichen Ergebnisse nicht den Publikationen 0. HERTWIG'S and H. DRIESCH'S, sondern meinen eigenen Arbeiten entnommen babe. In diesem Falle mnss er es sich aber gleiehfatls, wie ich sagte, sehr ))bequem,~ gemacht haben. Das zeigt sich auch in dem ganzen iibrigen Inhalt des sogen. ))entwickelungsmechanisehen<< Abschnittes, und zwar gleieh in der Verwendung des Wortes ~Entwickelungsmeehanik<~ selber. Mit diesem Titel tiberschreibt der Autor ein Kapitel yon ganz engem morphologisehen Inhalt, welches den Kapiteln fiber Wachsthum und iiber Struktur der Zelle k o o r d in i r t ist. VERWORN hat also yon der in der Einleitung zu meinen Beitriigen zur Entwickelungsmechanik (Zeitschr. f. Biologie. Bd. XXI. 1885) und in der Ein- leitung des Archivs fiir Entwickelungsmechanik gegebenen, die g anze c au - s a l e ~ f o r p h o l o g i e der 0 r g a n i s m e n umfassenden Definition des Wortes E n t w i c k e l u n g s m e c h a n i k keine Kenntnis erhalten.

~) Beitrag V zur Entwickelungsmechanik. pag. 142; Ges. Abh. Bd. II. paff. 455.

470 Wilhelm Roux

yon dem gefurchten Keim aueh noch auf die gauze noeh n i e h t miter der Wirkung" ~funkt ionel ler , , Re ize sieh vollziehende Onto- genese, auf die Periode der ~o rganb i l de nden Entwiekelung~,. aus, indem er in einer AuBeruug" des Jahres 1881 das Wesentliehe Ubersieht und die spSteren, einer solehen Deutung direkt wider- spreehenden 3_ullerungen ig'norirt.

Meine Distinction einer P e r i o d e de r , , f u n k t i o n e l l e n En t - wiekelung,~ und einer vorhergehenden ,,ohne f u n k t i o n e l l e Re ize , stattfindenden nnd in d i e s e m Sinne ,,selbstEndigen~, Entwickelung" sehlieBt nEmlieh nieht ein, dass in dieser Periode, wie DRIESC[~I an- nimmt, iiberhaupt ke ine ~,Reize% sondern nnr keine sog. f nnk t io - ne l len Reize wirken, und ebenso wenig', dass die einzelnen Zellen sieh dutch S e l b s t d i f f e r e n z i r u n g ' entwickelten; dies geht aus der beigefiigten Begrtindung' dieser Unterscheidung deutlich hervorl). Doch habe ich reichliehes Material zusammengestellt und zum Theil selbst experimentell ermittelt, welches S e l b s t d i f f e r e n z i r u n g yon mancherlei Ze l lkomplexen der ,~organbildenden Periode~.., also M o s a i k a r b e i t beweist (Ges. Abh. Bd. II. pag. 203--210. Jahr 1885). Dasselbe ist jiingst dureh BoRe's ansgezeiehnete Verwachsungsver- suche (dies Archly. Bd. IV) in hohem MaBe vermehrt worden.'

Da DRIESCII tr0tz wiederholten Protestes mir immer noeh eine welt tiber unsere Kenntnis hinaus ansg'edehnte und zum Theil sogar yon mir selber als unriehtig erwiesene Mosaikarbeit unterstellt, so muss er also wohl glauben, sic folgere mit Nothwendig'keit aus anderen meiner Annahmen. Er dcnkt vielleicht, well ieh (yon in- differenten Zellen~ z. B. reinen Dotterzellen, abgesehen) jeder Zelle der Morula oder Blastubt sehon zum Theil strnkturell, eventuell auch chemiseh b e s o n d e r s beschaffenes, der t y p i s e h e n Entwiekelung" dienendes Kern- und Zellleibmaterial zuertheilt werden lasse, mttsste 2) naeh meiner Meinung j e d e e inze lne dieser Zellen sich aneh dureh S e l b s t d i f f e r e n z i r u n g zn dem ihrer Lag'e und Aus- dehnung" im ganzen Eie entspreehenden typischen Sttiek des Embryo entwiekeln.

Das fo lg t aber d u r c h a u s n i eh t d a r a n s , and widerspricht meiner Auffassung, wie schon arts obigem Citat (pag. 469) hervorgeht

1) Siehe Ges. Abh. Bd. II. pag. 251--283. 2) Dies ist in der That DRIESCH~S Gedanke, wie aus seiner diesj~hrigen

Nittheilung >>Bemerkungen zu den yon T. It. MORGAN nnd mir angestellten Versuehen an Ctenophoreneiern und ihrer Kritik<~ IZool. Anz. Nr. 499. Sep.-Abdr. pag. 4) hervorgeht.

Zu B. Driesch's ,)Analytischer~gheorie der organischen Entwickelung,,. 47 l

(s. aueh Ges. Abh. Bd. H. pug. 455); sondern ich nehme an, dass d i f f e r e n z i r e n d e n resp . a u s l S s e n d e n W i r k u n g e n d i e s e r t y p i s c h v e r s e h i e d e n e n Z e l l e n au f e i n a n d e r e in s e h r we- s e n t l i e h e r A n t h e i l an der E n t w i c k e l u n g zukoramt.

Ebenso wenig folgt femer daraus, dass alle diese sp~tterhin vor- handenen strukturellen und eventuell chemisehen Versehiedenheiten bereits i n f f l e i c h e r Z a h l ira u n g e t h e i l t e n Ei vorhanden sein raiissten; sondern es g'enilgt eine relativ ger ing 'e Anzahl (s. Ges. Abh. Bd. II. pug. 8, Aura, und pug. 1024) anf~tnglieher, t y p i s e h besehaffener und typiseh geordneter Verschiedenheiten~ ura naeh ihrer Aktivirung typische Mannig'faltigkeiten zu produciren, welche bei den Zelltheilungen~ besoaders bei den Kerntheilungen, in typischer Weise vertheilt werden. Es ist also denkbar, dass die angenommenen typischenVersehiedenheiten der Furehungszellen groBentheils erst kurze Zeit vor oder w:~ihrend der Bildung dieser Zcllen produeirt werden.

Diesel" anf~ngliehen Einfaehheit wird abet eine gewisse Grenze dra'ch das rait Reeht yon WEIS~fA~S hervorgehobene Argument ge- setzt, dass jeder se lbs t~ndig in vererbbarer Weise v a r i i r e n d e Theil schon durch eine Besonderheit im Keiraplasma vertreten sein muss. Doeh kennen wit leider diese selbst~ndig variirenden Theile nieht, da wir geg'enw~rtig nicht wissen, ob nieht raorphologiseh auffi~llige Ver~nderungen yon Theilen rait nieht auff~iliffen Ver~nderungen anderer Theile in Causalnexus stehen.

Meine Betonung der q u a l i t a t i v e n K e r n t h e i l u n g schl ie l ] t also w e d e r ;~Selbstdifferenzirung',< der Z e l l e n noeh ein Uber - w i e g e n yon E v o l u t i o n t iber die E p i g e n e s i s ein; auch gegen die mir unterstellte hoehgradige oder g'ar aussehlieBliche Evo lu t ion habe ieh bereits raehrfaeh protestirt.

Uber den s p e c i e l l e n Antheil dieser Gestaltungsweisen der Epigenesis und Evolution (ira Sinne der yon rair gegebenen Definition) an der Ontogenese, habe ieh raieh absiehtlieh unbestirarat~ nur beide unterschiedenen MSg'lichkeiten offenhaltend ge~uBert~ d a e s uns naeh raeiner Meinung daraals (und zura allergrSl~ten Theile auch jetzt noeh) an thatsKehliehen Kenntnissen raangelt~ ura bestimratere Urtheile begrtinden zu k~innen.

Weiterhin verleugnet D~IESCI~ die yon rair theoretisch als sehr wiehtig verwertheten, direkt siehtbaren Thatsachen der R e g e n e - r a t i on , ,ohne W a c h s t h u r a , ohne Sprossung,~ z. B. die yon NUSSBAUM beobachtete rasehe Regeneration k l e i n e r Hydrastiicke zu ganzen~ aber an Masse nieht verraehrten Individuen~ und die yon

472 Wilhelm Roux

mir daraus mit Nothwendigkeit abgeleitete R e g e n e r a t i o n dureh , ,Umdifferenzirung" yon Zellen, , . Die zur Ableitung d iese r Thatsaehen von mir gemaehten Annahmen bezeiehnet DI~IESCH zun:~ehst unriehtiger Weise als fur yon ihm herriihrende Beob- aehtungen an F u r e h u n g s z e l l e n neu aufgestellt, und danaeh als tiberfltissig; w~ihrend ieh diese ftir die Regeneration dureh Um- d i f f e r e n z i r u n g gemaehten Annahmen einfaeh auf DIr Thatsachen gepresster Eier tibertrug, nnd dieselben dadureh ohne neue Annahme ableitete. Diese Ableitung erseheint mir einfaeher als die- jenige DRIESCH'S~ welcher ganz besondere Annahmen fiir seine That- saehen maehen muss neben denjenigen ftir die Entstehung tier H a l b b i l d u n g e n nnd weleher augerdem die Regel-ieration dureh Um- differenzirung nieht erkliiren kann und sie daher verlengnet. Viel- leieht kommt DaI~:SCI~ sp[tter noeh zn derselben Ansieht, wenn er einmal nieht mehr dem Prineipe huldigt, alle zu seinen Theorien nieht passenden Thatsaehen als nieht existirend anzusehen, sondern wenn er es sieh zur Aufgabe stellt, nieht blog einig% sondern a l I e vorliegenden Thatsaehen abzuleiten.

Als einen besondereu Naehtheil yon WEIS~A~'s und meinen Auffassungen ftihrt DalESCI~ an, dass man die angenommenen ver- s eh ieden strukturirten Stoffe im Kern n ieh t sehen k'mn. DI~IESCI~ nimmt abet ebenfalls unsiehtbar versehiedene Stoffe im Kern und im Zellleib an, ohne dies jedoeh bei sieh ftir einen Naehtheil zu halten; aueh wird wohl hie Jemand ohne solehe Annahme auskommen, denn wit kSnnen doeh z. B. den Kern des SamenkSrpers nieht seinem Sehein ent- spreehend bloB als gleiehm~tBig' aus homogenem Stoff g'ebildet annehmen.

DRIESCH'S unriehtig'e Auffassungen meiner Ansiehten beruhen vielleieht zum Theil aueh darauf, dass er voraussetzt, ieh mUsste gleieh ihm und O. HEI~TWm in allen Fragen e ine ganz b e s t i m m t e Ansieht als einzig mSgliehe oder einzig wahrseheinliehe heg'en. Das ist abet entspreehend unserer erst minimalen Th'ttsaehenkenutnis bei mir nieht tier Fall. Sondern ieh habe aus diesem Grunde iiber viele Vorg'iinge nut die versehiedenen, besonders die e x t r e m e n M S g l i e h k e i t e n erSrtert, auf mSgl iehe K o m b i n a t i o n e n und Z w i s e h e n s t u f e n beider hingewiesen und seblief~lieh immer gesagt: >,den wirktiehen Antheil mtissen wir erst ermitteln<<. Dies seheint mir aueh jetzt noeh and dauernd die bessere Methode der Forsehung zu sein.

Ftir diese Ermittelung habe ieh einige all~emeine FingerzeiF, e gegeben und in deren Anwendung aueh bereits einige W i r k u n g s -

Zu H. Driesch's ~)Analytisehe'r Theorie der organisehen Entwiekelung*. 473

we i sen , aber nut erst fur einen gefingen U m f a n g ihrer Wirkung erforscht. An diese E r m i t t e l u n g e n wurden dann einige spe- e i e l l e t t y p o t h e s e n yon mir angesehlossen und fur zur Zeit, d. h. bei dem gegenw~rtigen (resp. damaligen) Stand unserer Kenntnisse Ms wahrseheinlieher als beztigliehe andere M~igliehkeiten bezeiehnet. AuBerdem ve r suche ieh, wie weir man mit der rein eausalen, nieht-teleologiscben Ableitun~ der organisehen Gestaltungen gelangen kann. Ti-otzdem ieh immer unsere U n k e n n t n i s auf diesem Ge- biete betont und ein exaktes Urtheil fur sehr lauge, wenn nieht fur immer als unmSglieh bezeiehnet habe (s. Ges. Abh. Bd. II. pag. 60--66)~ so werde ich yon DalESC~ fur einen D o g m a t i k e r des reinen Materialismus erkl~trt, da ieh DlCIESCIt's teleologische Auffassung nieht als erwiesen ansehe. Dem werden yon D. noeh _~uBeruugen tiber die V e r w e r f l i e h k e i t des D o g m a t i s i r e n s tiberhaupt ang'e- reiht, denen ich ganz zustimme. D~IESCrI weiB sieh also yon diesem Fehler vollkommen frei.

DRIESCI=I glaubt dutch diese Kritik der >~Ro~x-WEIS~A~'sehen Theorie~ im Wesentliehen t a b u l a r a s a mi t den t h e o r e t i s c h e n Le i s t ungen der V o r g a n g e r g e m a e h t zu habeu und danaeh in den Haupttheilen aus eigenem Materiale einen Neubau, wie er meint nun- mehr yon b l e ibendem Werthe, erriehtet zu haben. Vieles Wesentlich~ an diesem Bau kommt mir jedoch ans meinen und anderen Arbeiten schon bekanut vor. In einigen Itauptpunkten, in denen DRIESCn wirklich mein G.egner ist, nieht bloB irrthUmlieher Weise es zu sein glaub~, vertritt er die Ansiehten Gcs'rAv PLATNER~SI), weleher bereits im Jahre 1887, vorzugsweise auf Grund der kurz znvor yon PFLt)GER, m ir und BoaN am Frosehei ermittelten Thatsaehen, als erster dem P r o t o p l a s m a , dem ~,Zellleibr den g e s t a l t e n d e n H a n p t a n t b e i l an der 0 n t o g e u e s e zuschrieb; die Kerne der Zellen des Individuums lieB aneh PLATNER gleieh den Pflanzen- physiologeu a l le einander qualitativ g l e i c h sein. Der Gedanken- gang und aueh die Sehlussweise PLAT~Ea'S seheinen-Vorbilder DalESCH'S geworden zu seiu. (Bereits PLATNER gegenUber habe ieh, wie hier gleieh eiugesehaltet sei, bemerkt [Ges. Abh. Bd. II. pag. 514. Jahr I8881, dass ieh die D i f f e r e n z i r t t n g nieht ausseh l i e i ] l i eh Yore K e r n ausgehen lasse.)

DRIESCU'S Theor i e , zu weleher wir nun ilbergeheu, behaudelt zun~ehst die ,~Furehnngszellen,~. Seine Grundansicht ist: ~Das

1) G. 1)LAT:NER, Kern und Protoplasma. Habilitationsschriff. Breslau 1887.

474 Wilhelm Rottx

Schieksal jeder Furchungszelle ist eine Funktion ihrer Lage im Ganzen, das heiBt, dies Sehieksal resultirt aus ihrer Lage zum typisehen p r o t o p l a s m a t i s e h e n Ban des ganzen Keimes.~ Der Autor ftigt bei: ~Dass dabei nut yon Furehungszellen gesproehen wird, ist eine willkUrliehe BesehrSnkung, die in dem nnr yore Prineipiellen handelnden Kapitel erlaubt isL,, Dasselbe soil also wohl aueh fur sp~ttere Zellen g'elten. Die typisehen Vorg'~tnge der 0ntog'enese werden yon typisehen ,pro toplasmat i sehen , , Ver- seh iedenhei ten dieser Zellen ausgelSst, und vollziehen sich unter Weehselbeziehungen.

Der yon mir dureh willkUrlieh lokalisirte Befruehtung am Frosehei erbraehte und aus Beobaehtungen yon I:)FL]~GER, BORN nnd mir an in Zwangslage gehaltenen Froseheiern abgeleitete Naehweis, dass die Anordnung der Zelll e i b substanzen des Froseheies die Riehtungen kopf-sehwanzw~trts des Embryo am Ei und damit aueh reehts und links bestimmen, wird hier also zu dem un ive r se l l en Pr ineip der Bestimmung a l le r Gestaltung'en dutch die Anordnung der versehiedenen Theile des Zel l le ibes erweitert. Da DmEscIr dabei dem Kern keinen direkt g e s t a l t e n d e n Antheil zuerkennt, w~hrend naeh meiner Auffassung der Ze l l le ib dabei auslSsend auf spee i f i s eh - s t ruk tu r i r t e gestaltend wirkende Kernbes t and- thei le wirkt , so ist DRIESCH'S Ansicht naeh seiner Neinung total versehieden yon der meinen, friiheren. Arts dem gIeiehen Grunde sind aueh die yon mir erkannten und yon DmEsc~I aeeeptirten Anaehronismen der Furehung bei DRIESCI~ ang'eblieh total andere, da naeh DRIESCI~ dabei die Kerne night betheiligt sind.

Das mir oder Anderen einerseits und ihm andererseits Gemein- same, dutch DRIESCI-I Ubernommene, hier die bes t immende Wirkung der Theile, speeiell der Anordnung versehiedener Theile des Zel l le ibes ftir wieht ige Gestaltungsvorg:.tnge des Embryo, kommt D~I~SCI~ in Fol~e yon Versehiedenheiten der speeiellen Vermittelung dieser Wirknng nieht zum Bewusstsein. Das kehrt fortw~hrend in seinen Darlegungen wieder nnd ist grogen- theils die Grundlage seiner Meinung, dass er ganz Neues, Selbst~n- diffes produeirt habe.

Von allen den GrUnden, die yon deskriptiver und experimenteller Seite ftir die bevorzugte id ioplas t i sehe Bedeutung des Zell- kerns aufgestellt worden sind, h~lt DRIESC~ nieht viel, wohl weil er zur Produktion typiseher, d. h dem Typus tier Art entspreehender Gestaltung keine typisehe phys ika l i sehe Strnktur, keine Meta-

zu H. Drieseh's ,~Analytische~: Theorie der organischen Entwiekelung,,. 475

strukturt)~ sondern, wie wir sehen werden, in letzter Instanz bloB typische chemisehe Stoffe und chemische Vorgitnge als Ausgang ftir nSthig halt. Aueh der befl'uchtende Theil des SamenkSrpers besteht nach ihm bloB aus chemisehem, physikalisch nieht typiseh struk- turirten Stoffgemenge.

Wcnn in Wirl(lichkeit den Substanzcn des Zel l leibes so tiberaus groBe Bcdeutung fiir al le G c s t a l t u n g c n der Organismen zukgme, so seheint mir, mtisste aueh flit se ine Theilung ein ~thnlieh sieherer, zu bestimmter q .ual i ta t iver , und zwar ftir t y p i s c h e qual i ta t ' iv , u n g l e i e h e ~ Theilung geeigneter, auf L~ingshalbirung yon F:~tden oder auf Halbirung yon zu Fgdcn aufgereihten KSrnern beruhender Mechanismus (Ges. Abh. Bd. II. pag. 310) vorhanden sein, wit ftir den Zellkerm Aus dem alleinigen Vorhandensein eines solchen Theilungsmechanismus fur den Kern schloss ich seiner Zcit (18S3) auf eine viel grSi~ere idioplastische Bedeutung des Zcllkerns als des Zellleibes.

Es ist unzweifelhaft, dass durch die schSncn, zu cinem wesent- lichen Theil yon DRIESCI~ angestellten experimentellen Arbeiten der letzten Jahre unsere Kenntnisse tiber den G e s t a l t u n g b e w i r k e n d e n Anthe i l des Z e l l l e i b e s (aber nut der B las tomeren) sehr erheblieh vermehrt worden sind.

Desshalb darf man aber den Zellleib noch n ieh t als den a l l c in igen d i r e k t g e s t a l t e n d e n F a k t o r auf fassen , lXToch we- niger aber darf man die bloB an F u r c h u n g s z e l l e n gemachten Erfahrungen gleich auf die ganze individuelle Entwiekelung, oder auch nur auf die yon mir unterschiedene groBe erste Abtheilung derselbefi, auf die ganze ,>organbi ldende Entwiekelung,~ (Ges. Abh. Bd. II. pag. 281)ausdehnen.

Im Jahre 1885 (Ges. Abh. Bd. II. pag. 306) habe ieh die Hypo- these ausgesproehen, dass mSgl iche r Weise die hShere Ent- wiekehmg der M e t a z o en als der Protozoen mehr auf Neuerwerbungen yon Eigensehaffen des Zel lkernes , so auch auf Erwerbung der typisch ~lual i tat iv u n g l e i e h e n Theilung desselben als auf Neu- erwerbungen vom Kern unabh~ngiger Eigenschaften des Zel l le ibes beruhe.

') In der jtingsten Nummer (21) des Biologischeu Centralblattes (Bd. XVI. 1896) spricht G. SCHL~TER YOn den ~Metastrukturtheilchem~ Roux's. Dieser Name ist mir nicht bekannt. Der Autor meint wohl die yon mir unterschiedenen le tz ten Elementarorgane: Idioplassonten, Autokineonten und Automerizonten; doch wtirde der Name Metastrukturtheilehen flit sie kein passender sein.

476 Wilhelm Roux

Wer die Wachs~humsgrSBe yore Kern aus bestimmt werden lasst, wird dem vielleieht zuzustimmen geneigt skin, da die typisehe 0ntogenese zu einem groBen Theil dutch t y p i s e h l o k a l i s i r t e W a e h s t h u m s g r 0 B e n bewirkt wird; das Gleiehe gilt bei Annahme vorzugsweiser Bestimmung der g e w e b l i e h e n Differenzirnng yore Zellkern aus.

Es erseheint mir nun wohl mSglieh, dass bloB in den ,,ersten<< o n t o g e n e t i s e h e n E n t w i e k e l u n g s s t a d i e n der ~ e t a z o e n der Ze l l l e i b so s t a rk G e s t a l t u n g b e s t i m m e n d w i r k t wie bei den e r s t en Thieren, den Protozoen, dass aber a u f h S h e r e r S tu fe der E n t w i e k e l u n g d i e se r An the i l mehr und mehr zur t ick t r i t t . Und ieh habe weiterhin sehon vor langer Zcit darauf hingewiesen, dass gerade ,,erste~< Bes t immung 'en der O n t o g e n e s e noch die am l e i c h t e s t e n und daher sogar zum Theil yon a u g e n her zutreffenden sind, so die Bestimmung der Richtungen der Median- ebene, des kopf- und sehwanzwiirts und so neuerdings aueh, ob Ganz- oder Halbentwiekelung' stattfindet (Ges. Abh. Bd. II. pag. 300, 3507 119).

Zum mindesten aber wissen wir tiber den Gestaltung bestimmenden Antheil des Zel l le ibes an der Entwiekelung naeh der F u r c h u n g zur Zeit gar niehts; es ist daher voreilig', die beziig'liehen Gestaltungen als allein vom Zellleib ausgehend aufzufassen.

L~brigens werden wir noah erfahren, dass auch DRIESCn, zum Theil in Widersprueh zu dem friiher yon ihm Gesagten, dem Kern einen sehr erhebliehen Antheil an der typisehen Ausgestaltung zu- sehreibt (s. u. pag. 489), womit er sich denn, ibm-selber wieder un- bewusst, meiner Auffassung ansehlieBt; doch denkt er sieh wieder das S p e c i e l l e anders als ich und sprieht dem Kern die I n i t i a t i v e bei der Produktion der Gestaltungen ab; diese Initiative zu jedem Geschehen verbleibt naeh ihm dem Zellleib.

Die Umbildung der S e m i m o r n l a zu einer ttoloblastula glaubt DI~tEscI~ einfach ,,physikaliseh~ verstEndlich gemaeht zu haben. Ieh habe aber g'elegentlieh einigerAbhandlungen t) wohl gentigend dargelegt,

1) W. Roux, Uber die Selbstordnung (Cytotaxis) sich >,beriihrenderr Fur- chungszellen des Froscheies durch Zellenzusammenfiigung, Zellentrennung und Zetlengleiten. Dies Archly. Bd. III. Heft3, sowie Derselbe, Uber die Be- deutung ,)geringer~, Verschiedenheiten der relativen Griif3e der Furchungszellen fiir den Charakter des Furchungssehemas nebst Er0rterung tiber die niiehsten Ursaehen der Anordnung und Gestalt der ersten Furehungszellen. Dies Archly Bd. IV. Heft 1.

Zu H. Driesch's *Anaiytischer Theorie der organischen Entwickelung,,. 477

dass eiue solehe einfaeh physikalische Ableitung, wie er sic sieh denkt, nicht mSglieh ist. Und jUngst (siehe dies Archly. Bd. IV. pug. 78 u nd 343) hat sich aueh DRIESCIt ZU meiner Auffassung be- kehrt, dass die Zdlenumordnungen yon inne ren Zustiinden der Zellen abh~tngen.

{Jber DRIESCH'S Auffassung der Entstehung der H a l b f u r e h u n g aus einer der beiden ersten Blastomeren babe ieh schon in diesem Archly berichtet'). Dass DRIESCH die >)relative Lage der Massen- theilchen<~ dabei als ,,minimal gestSrt~ bezeiehnet hat und den !xTaehdruek aUf min imal , nicht wie ieh glaubte, auf ges t~r t gelegt wissen will, hat er selber :sehon ausgesprochen. Nach der Beseitignng dieses Missverstttndnisses sind wit dann in Bezug auf die Ableitung der Halbfurchung yon der A n o r d n u n g der D o t t e r m a s s e n zun~tchst derselben Meinung, indem DRIESCIt mit mir diese Anordnung aueh auf den Kern wirken l~sst, und dieser dann an der weiteren Gestal- tung wesentlichen Antheil nimmt; dicsen Antheil denkt sieh jedoch DRIESCI~ in anderer Weise als ieh (s. nnten pug. 489).

Bei den Eehiniden sind naeh DlemscI~ die e r s t en F u r c h u n g s - ze l len e i n a n d e r v o l l k o m m e n g le ieh , so dass also die beson- dere Gestaltung des Ganzen erst sp~tter nnd plStzlieh wie durch einen deus ex maehina in das Ei kommt.

Mit dem Fortsehreiten der Furehung nimmt DRIESCH gleieh mir ein V e r s e h i e d e n w e r d e n der Zellen an; er lehnt jedoch wi~der ausdrtieklieh jede Ahnlichkeit mit meiner Auffas~nng ab, da yon mir die die spee ie l le Gestaltung bewirkende Versehiedenheit ttber- wiegend.iim Kerne liegend angenommen wird. (Doeh schreibt auch DmESr dem Kern eine wenn auch nur indirekt gestaltend wirkende Bedeutung zu (s. unten pag. 489.) DRIESCIt sieht (pag. 25): ,,dieses Versehiedenwerden wie den ganzen Vorgang der Selbstregulation als eine in d u r e h s i e h t i g e r Weise ph3-sikaliseh vermittel~e Funktion der (sei]~. protoplasmatisehen) Eistruktur<,, ni eh t a 1 s e in ' etwa dureh Kerntheiluug vermittel*es r:~ithselhaftes v it a 1 e s Phttnomen an. Gleichwohl nimmt aueh er an~ dass dabei die v e r s e h i e d e n e n Substanzen des ungetheilten Eies auf die versehiedenen Zellen nn- g le ieh vertheilt werden. Naeh meiner Auffassung werden die Ver- sehiedenheiten dabei vermuthlieh zug le i eh ve rmehr t , so dass jede

*) w. Roux, {)ber die verschiedene Entwiekehmg isolirter 'erster Bl~sto- meren. Dies Archiv. Bd. I. Heft 4. -- {Jber die Bedeutllng der neueu Ver- suehe an gefurchten und ungefurchten Ctenophoreneiem. Dies Archiv. Bd. PI.. Heft 3.

krchiv f. Entwickelungsmech~nik. IV. 32

478 Wilhelm Roux

einzelne F u r e h u n g s z e l l e n i e h t nothwendig der u e n t - s p r e e h e n d w e n i g e r Quali t i ten zn enthalten braueht.

Zum Sehlusse des Kapitels bezeiehnet DRmscr~ seine Auffassung der Entwickelung als , , e p i g e n e t i s e h e E v o l u t i o n , , , was ganz der meinigen entspricht, da ieh die Ontogenese als Kombination yon Evolution nnd Epigenesis bezeiehnet habe. Trotzdem sagt DmESCH wieder, ieh h~ttte reich aussehlieglieh ftir die Evolution entsehieden. Ieh hoffe, dass diese dritte Beriehtigung genttgen werde, diese Un- riehtigkeiten endlieh auszumerzen.

Der folgende ,~erste ttaupttheil,, enth~lt die e a u s a t e A n a l y s e d e r O n t o g e n e s e .

Der erste Satz ist der, dass alle Zellkerne der Blastula gleieh- werthig, also >>vertausehbar,.' sind. Der Satz wird ohne Beweis alf~ feststellend angenommen, ist also das e r s t e D o g m a oder Axiom. Aus ihm wird abgeleitet:

Da alle Kerne der Blastula gleieh sin& m u ss der ,)Ba.ur der Zellen versehieden sein.

Unter den im ganzen Buehe oft isolirt wiederkehrenden Wbrtern ,)Ban,, (der Zelle), ,Eibau,~ wird immer NoB der Bau des Ze l l l e ibes , der p r o t o p l a s m a t i s e h e Bau verstanden, wie zwar nieht besouders hervorgehoben ist, wie aber aus dem Zusammenhang dieses Kapitels hervorgeht. Solehe willkttrliehe Besehr~tnkung der Bedeutung eines Wortes ftihrt sehr leieht zu Missverst~ndnissen; diese kSnnten immer- bin vermindert werden, wenn diese Besehr~tnkung bestimmt ausge- sproehen, im Druek hervorgehoben und oft wiederholt wird. Das hat der Autor unterlassen. Nattirlieh erhalten mit der Kenntuis dieser beabsiehtigten Einsehr~tnkung viele Stellen einen wesent- lich auderen Sinn, als wenn man die WSrter ,,Bau der Zelle,, und Eibau in ihrer Ubliehen Ausdehnung auffasst'). Wir setzen daher

1) Auf dieser gegen den allgemeinen Gebraueh verstof3enden Beschr~nkung der Bedeutung des Wortes ,E ibau~ blo$ auf den Bau des Zellteibes des Eies beruht bereits ein Nissverstindnis. Ich hatte (Ges. Abh. Bd. II. pag. 2019) gesagt: ,>DRIEsc~ denkt sich die Lebensvorg~inge und den typisehen Eibau ,sehr e infach ' , grob physikalisch-chemiseh; er leugnet ferner eine specifische Struktur des Ze l lke rns , indem er ihn NoB als ein Gemisch chemischer Sub- stanzen auffasst<<. Dagegen protestirte DRIESCH unter Citirung der ersten H~ilfte des Satzes mit den Worten: ,>Wo babe ich denn solchen Nonsens gesagt~. In meiner Erwiderung darauf (Biolog. CentralbL 1896. Nr. 14. pag. 556) lief3 ieh den ga.nzen Satz wieder abdrucken, da mir der E i k e r n aueh ein The i l des Ei e s, und zwar ein sehr wesentlicher TheiI ist, nnd sein Bau daher zum Eibau geh(irt, also fib reich das fiber ihn Gesagte eine specielb Ausftihrung

Zn H. Driesch's ,,Analytischer Theorie tier organisehen Entwiekelung< 479

im Folgenden diese~ wesentliehste, bei DRIESr fast immer fehlende Wort ,>protoplasmaiisehenr dem B.au stets hinzu.

NaehDRIESCH hat der K e r n keinen besonderen p h y s i k a l i s e h e n , sondern bloB einen e h e m i s e h e n Bau; er ist blog ein tiberaus kom- plieirtes e h e m i s e h e s S t o f f g e m i s e h yon nieht typischer Struktur (Dogma 2).

Die folgende Analyse der eellnlaren Elementarvorg~tnge besehr:.ankt sieh auf die Annahme yon I{AUBE~'S Unterseheidung der Zellfnnktionen in Zellvermehrung, kellvergrSBerung, Zellwanderung nnd Zelldifferen- zirnng.

Der Absehnitt enthSlt niehts Eigenes, als dass D~IESCg ftir Z e l l e n d i f f e r e n z i r u n g , wenig zweekm:aBig, die Bezeiehnung Z e l l e n - s e k r e t i o n gebraueht; die M u s k e l f a s e r n , die S e h n e n sind naeh ihm , S e k r e t i o n e n r des Protoplasma. Die Analyse dieser Zell- funktionen, eine Hauptaufgabe der Forsehung, wird nieht versueht.

{Tber die yon mir im Jahre 1881 als e in : C h a r a k t e r i s t i k u m , , , d e r o r g a n i s e h e n F n n k t i o n e n eingefUhrte , , S e l b s t r e g u l a t i o n , ~ sagt DRIESCtt (wie der Leser vermuthet gegen reich geriehtet): ,>Die unter dem Namen der ~Selbstregulation ~ eingeftihrte Elementar- leistung des Organisehen darf n n t e r k e i n e n U m s t g n d e n als den iibrigen Leistungen g l e i e h w e r t h i g aufgefasst werden.~ Das ist ganz m d n e Auffassung, der ieh gentigenden Ausdruek gegeben zn haben glaubte, indem ieh als die eharakterisirenden G r u n d f u n k t i o n e n des 0 r g a n i s e h e n : die S e l b s t a s s i m i l a t i o n , die S e l b s t b e w e g u n g mit ihrer speeiellen, typiseh koordinirten Unterart: der S e l b s t t h e i l u n g ferner die S e l b s t a u s s e h e i d u n g sowie sehlieglieh die S e l b s t r e g u - i a t i o n ,,in d e r Aust~bung d i e s e r F u n k t i o n e n , bezeiehnete (Ges. Abh. Bd. I. pag. 405. Bd. II. pag. 78).

des iiber den ,,Eibau,~ Gesagten darstellte. Da nan abel wie ieh tier Deutlich- keit wegen bier yon Anfang an hervorgehoben habe, DRIESCH nnter Eibau nur den Bau des Zellleibes (also unter Ei nut den Dotter) verstehen will, so l~g seinem obigen Proteste, wie er mir mittheilt, in der That keine ~naehtriigliche Umdeutung eines frtiher yon ihm Gesagtenr zu Grnnde; wohl aber beruhte das Missverst~ndnis auf seiner willktirlichen Umdeutung eines in bestimmter Be- deutung eingebtirgerten Wortes. [Jber das Sachliche der Differenz siehe unten pag. 483.

In einem spiiteren Abschnitt, pag. 124, findet sieh eine Analogie zu diesem abweichenden Gebrauch des Wortes ,,Eibaur Hier spriehtDRI~SCH veto ~Ein- fluss des Kerns auf die Zelle, welche ihn umschliel3tr Unter Zelle versteht DmESCH also tiberhanpt nut den Zellleib. Das ist doeh wohl etwas zu selbsti~ndig vorgegangen.

32*

4S0 Wilhe'~m Roux

Ich halte also die Selbstregulution nicht fUr e i n e ) , s e l b s t S n -

dig'e, , F u n k t i o n , wohl abe t ftir eine s e l b s t a n d i g e E r w e r b u n g

des die vorgenannten Funkt ionen vollziehenden organischen Grund-

komplexes ; g'enaner bezeiehnet sehlieBt sie nach meiner Auffassung,

wie j ede der anderen Grundfunktionen, eine g a u z e R e i h e einzelner

neuer E rwerbungen ein (Ges. Abh. Bd. I. pug. 415). FUr die e lementaren Bildungsvorg:~tnge der beschreibenden Embryo-

logen wie Fal tung, Absehntirung" aeeeptirt ]-)RIESCH meine Auffassung,

dass sie nieht e lementar sind; doeh ist nicht nSthig~ dass, wie er meint, au~er den eben nnterschiedenen cellnlaren Grundfunkt ionen stets

noch physikal isehe , ,~assenwirkungem, dabei bethei l igt seien. Ieh

habe dargelegt, dass aueh rein eellul~tre Vorg~tng~'e ausreiehen kSnnen

(Gcs. Abh. Bd. II . pug. 233--239) . Den eben genannten~ speeifisch vitalen VorgSngen, die den

~ k o m p l e x e m , , V o r g t t n g e n meiner Definition zug'ehSren~ folgen die

einfach physikal isehen Vorgang'e der Massenkorrelat ion, der Kapi l -

larit~t und 0smose ; sie werden indess blol~ :~phoristiseh behandelt .

Die unricht ige Anwendung~ die D a m s c H yon der Kapillarit~tt macht~

wurde sehon vor Kurzem 1) yon mir widerlegt'-).

i) Uber Selbstordnung (Cytotaxis) etc. Dies Arehiv. Bd. III. pug. 435. 2) Neuerdings hat DnIEso~ versueht, die Wirkung tier K a p i l l a r i t S t

noeh erheblich welter auszudehnen, indem er sich zweimal (Die taktische Reiz- barkeit der Mesenehymzellen yon Echinus micromberculatus. Dies Archly. Bd. III. pug. 363; sowie: Betraehtungen fiber die 0rganisation des Eies und ihre Genese. Dies Archly. Bd. IV. pug. 77 Anm.) dahiu geSu•ert hat, dass mein C y t o t r o p i s m u s der F u r c h u n g s z e l l e n sehr wohl ~llein a u f K a p i i l a r i t i t t beruhen kiinne, so dass meine an komplexe Komponenten ankntipfende Ab- leitung dieses Gescheheus fiberfliissig w~ire. DI~mscI< nimmt nSmlich als allgemeine Thatsache an, dass zwei in eiuem fltissigen Medium befindliche einander sehr nahe Tropfen einfach zufolge der K a p i 11 a r i t ii t ~scil. 0berfi5chenspannung) nShernd auf einander wirkten. Solches geschieht aber nur bei Tropfe2, welche die 0 b e r- fl~ c h e des Mediums fi b e r r a g e n und blol~ in Fo!ge dieses Uberragens. Bei voil- kommen untergetauchten Tropfen ist dagegen fiir die Kapillarit~it keine Getegen- heit zu so[chen Wirknngen gegeben, da die Vorbedingtmgen dazu g~inzlich fehleu

In unseren Versuchen aber h andelt es sich stets um v ol i komm e n unter- getauchte Gebilde; die fiberstehende Fliissigkeit hatte, wie mitgetheiit wordeu war, die zwei- bis vierfache HShe des Zelidurchmessers.

Ebenso wenig kann natiirlieh, wie hier gleich in Folge einer mir gegeniiber ausgesprochenen Auffassung eingeschaltet sei, der Cytotropismus yon Wirkungen abgeleitet werden, wie sie 0. BOTSCHLI bei Gasblasen sah, die in Bin warmes, fliissiges, danach sich abktihIendes uud erstarrendes Medium (Gallerte) einge- better waren; da diese Wirkungen auf der starken V o l u m e n v e r k ! e i n e r u n g der Gasblasen bei der Abkiihiung-beruhen.

Aui~erdem .geht sehon aus den dureh Kurven yon mir dargestellten f e ine r en Vorgiingen der eytotropisehen N~iherungen das Unzutreffende der- artiger Deutungen hervor.

Zu H. Drieseh's ,,Analytiseher Theorie tier organisehen Entwiekelung,~. 48I

Es folgt die Bespreehung des Chemismus. Hier wird ohne jeden Beweisversucl~ der fundamentale Satz aufgestellt, dass ,,alle m o r p h o l p g i s e h e n E l e m e n t a r e r s e h e i n u n g e n i n l e t z t e r I n s t a n z e h e m i s c h e W i r k u n g e n s ind (Dogma 3). Wit haben bereits in dem Artikel tiber Augltisung darauf hingewiesen~ wie tiberaus un- wahrseheinlieh diese Behauptung ist, und dass vielmehr in typiseher Weise physikaliseh stnlkturirte und auf Grund dessen gestaltend wirkende Theile als vorhanden und als an der typischen Gestaltnng der Organismen betheiligt anzunehmen sind (s. auch Ges. Abh. Bd. I. pag. 450~ 208, 214. Bd. II. pag. 868 u. f.).

Es folgt die weitere Grundannahme, dass , , jeder e l e m e n t a r e Vorgang der 0 n t o g e n e s e ,,AnslSsnng~, sei (Dogma 4}. Die Besehr~tnkung der Ausltisung auf ,, elementare ,< Vorggnge f:,tllt sp~tter weg; und DRIESCH l~tsst in seiner neuesten Arbeit ,>jedes e inze lne E n t w i e k e l u n g s g e s e h e h n i s dureh ein ihm vorhergehendes oder dutch einen im Ei gegebenen Faktor , , ausgelSs t , werden. Das Unbewiesene und Unzutreffende dieser Behauptung babe ieh gleieh- falls bereits im vorigen Hefte dieses Archivs in dem Artikel i~ber den Antheil der Ausltisung an der Ontogenese &trgethan.

Dutch diese beiden letzten Dogmen wird yon vorn herein D~I~SCH's ganze Analyst eingeengt nnd in eine falsehe Bahn gebracht; freilieb gewinnt sie dadurch zugleieh sehr an der yon den Un- kundigen gesehgtzten Kt~rze und Bestimmtheit.

Eingesehaltet findet sieh dann eine zusammenhangende ErSrte- rung tiber die Rolle des K e r n s in der 0ntogenese. DRI~SCH lttsst eine :d~nderung der Kernsubstanz als AuslSsung jeder Organbildung vor sieh gehen. Diese A n d e r n n g des K e r n s i s t j e d o e h ~,keine bleibende~a), was einen wesentliehen Untersehied yon -WEIS~IAX~'S und m e i n e r Auffassung darstellt. Wie er sich diese nicht bleibende VerSnderung de~akt, erfahren wir sp~iter (s. unten pag. 4S9). Dem ',wird die weitere Annahme beigeftigt, dass die speeifisehe Besehaffenheit des Kerns in allen Kernen tines sieh bilden- den gleiehartigen Organs so lange die gleiehe - - und zwar diejenige des zuerst yon der AuslSsung betroffenen Kerns ist ~ bis d~s Organ ferfig gebildet ist. Danaeh seheinen doeh die Kerne in versehiedenen 0rganen v e r s e h i e d e n zn sein, nnd somit eine erhebliehe Zeit lang b ] e ib en (l e Ver~tnderungen eingegangen zu sein.

~j ]3etrachtnngen fiber die Organisation des Eies und ihre Genese. Dies Archly. Bd. IV. Heft 1, und Aaalyt. Theorie. pag. 4S.

482 Wilhelm Roux

Der angenommenen Gleiehheit aller Kerne desselben Organs wttrde ieh in Bezug auf die s p e e i f i s e h e n und zu einander gleiehen Gestaltungen dienenden Zellen des Organs abet nut mit der Ein- sehrgnkung zustimmen, dass, so weir bei diesen ZelIen trotz der gleiehen Struktur, die sic produeiren, die ,>immanente~ also nieht yon auBen veranlasste W a e h s t h u m s g r b B e e ine v e r s e h i e d e n e ist, wohl aueh der aktivirte Theil des Kerns, yon welehem die WaehsthumsgrSBe abh~tngig ist, eine entspreehende Verschiedenheit darbietet.

DRIESCH fUgt nun noeh bei, dass er die Kerne so lange gleieh sein lgsst, wie die Zellen dieser Bildung s i e h t b a r e r Weise gleiehen (histolog-ehemisehen) Charakters sind; w~thrend er einen sehr wesent- lichen Unterschied dieser Auffassung yon der WEIS~fANN'S und yon mir darin sieht, class wit aueh in Zellen s i e h t b a r g l e i e h e n Banes, wie vielen Furehungszellen, u n g l e i e h e K e r n e annehmen, was ihm eine Unwahrseheinliehkeit einsehlieBt (s. oben pag. 472).

Eine ihm unbewusste Ubereinstimmung mit uns besteht darin, class er dem K e r n t i b e r h a u p t (pag. 47) e inen f o r m a t i v e n E in - f luss a u f die Z e l l e zusehreibt. Dem ftigt sieh eine weitere l~bereinstimmung hinzu, indem aueh Dx~mscH die Ursaehe der MSg- liehkeit vollstandiger R e g e n e r a t i o n in den Kern tier Zelle ver- leg't. Die Kerne behalten ferner aueh bei DR~Sc~ ihre To ta l i t~ t trotz der speeifisehen Ver~tnderung, die bei der Organ- und Gewebe- bildung stattfindet.

Das entsprieht wieder ganz unserer Auffassung. Wit nehmen aber einen ver:~tnderten, der n o r m a l e n Entwiekelung dienenden The i l und einen noeh die Totalit~tt reprSsentirenden, unver~tnderten Theil des Kerns an; un(l man k~nnte glanben, DRIESCr~ mtisste aueh dieser Auffassung zustimmen. Doeh wird diese Auffassung g~tnzlieh yon ihm verworfen. Wie er sieh dis speeiellen Verh~tltnisse denkt, sagt er spitter (s. pag'. 489).

DieZellkerne sind ihm, wie erw:~thnt, ehemisehe Gemenge, strnktur- lose Ferment gemisehe . Es giebt darinnen nun so vie1 Fermentarten, ,organogene Stoffe% wie sieh Zellarten im Laufe der Ontogenese finden. Ein Beweisversueh wird nieht angetreten. Aueh in seiner ,,Masehinen- theorie,< wird wiederholt, class tier K e r n ein nieht typiseh strukturirtes Gemiseh yon Fermenten sei, und dass in d i e sem G em i seh alas e i g e n t l i c h S p e e i f i s e h e j e d e r Form g e g e b e n sei. Da vertritt D~ESC~ also wieder die Entstehung der typisehen Struktur und Gestalt rein aus e h e m i s e h e n Proeessen, was wir lange aufgegeben haben.

Zu H. Driesch's >,Analytischer Theorie der orgunischen Entwickelung~. 483

Uns erseheint diese Annghme, wie oben citirt, ,,sehr einfach,<, jg �9 zu einf~eh<<; denn wc~n DalESCg aueh dieses Stoffgemisch mls >,augerordentlieh vielen<< Stoffen sieh zusammengesetzt denkt, so fehlt doeh jedes i ) h y s i k a l i s e h G e o r d n e t e , Ges tg l te te . Letzteres denkt er sich zwar im Zellleib bereits vorh~nden; aber hiervon sagt er selber, dass er sieh dessen typische Struktm" relgtiv einfaeh vorstel]~, womit er sieh meiner Auffassnng ~nsehlieBt.

Eben w e g e n d ie se r E i n f ~ e h h e i t der m o r p h o g e n ' e t i s e h e n S t r n k t n r d e s Z e l l l e i b e s abe t ha l t e ich noch m e t a s t r u k t u r i r t e , m o r p h o g e n e t i s e h e T h e i l e im K e r n znr typisehen Reprodnktion der Millionen feiner Formeneharaktere jeder Species und desshalb much typisehe >>qnalitativ nng le iehe~ K e r n t h e i l u n g ftir nSthig'. Dieser Hauptgrund meiner Anffassung ist DI~IESCH abet anseheinend unbekannt; dasselbe gilt ftir die weiteren Grtinde, dass die Ver- theilnng der s i ch tba r versehiedenen Dotterarten anf die einzelnen Furehnngszellen (bei Zwangslage der Froseheier) auf das augen- f~tllig'ste abnorm ver~indert sein kann (G. Bout), ohne dass die Ent- wiekelung aufgehoben wird, nnd ohne dass siehtbar abnorme Em- bryonen zn entstehen brauehen; ferner dass bei den meisten Thieren sehon sehr frtihe Entwiekelungsstnfen frei leben nnd dabei die Zell- leiber uuBer den anzunehmenden formbildenden , E n t w i e k e l u n g s - funk t ionen , , noeh die , ,Erhal tungsfnnkt ionen<< (Ges. Abb. Bd, I. pag. 4(19, Amn. Bd. II. pag. 979) auszuiil)en haben und dnreh diese sehr i n Ansprneh genommen sind; letzteres naeh nnserer gegen- w:,trtigen. Auffassung erheblieh mehr als die Kerne. Alle diese grtinde habe i eh wiederholt dargelegt.

~I)ieses Kapitel vom Kern enth~tlt wieder eine sehr groBe Z a h l yon ,,knnahmen,,, yon denen die Mehrzahl zur Zeit fast ganz ohne Begriindung bleibt. Indess wollen wir, dR wir toleranter sind als DP~InsCH, darauf zur Zeit kein groites Gewiebt legen, obgleieh er es~ nieht in Ubereinstimmung mit den Thatsaehen, als einen wesentliehen Yorzug seiner Theorie vor der meinigen bezeiehnet, dass erstere viel weniger Annahmen nSthig habe tds letztere. Eine dieser Annahmen h~tlt er allerdings night ftir eine solehe, sondem~, Nr eine >>ersichtliehe Tha t saehe , , , n:~tmlieh diG, dass die Zel l - ke rne so lange einander g l e i ch seien, als aneh die Zellleiber s ieht - bar g l e i eh seien. Da er doeh sonst mit dem Prineip arbeitet, duss im Organisehen oft s i eh tba r C41eiehes u n s i e h t b a r e V e r s e h i e d e n - h e i t e n besitzen kann (z. B. der Kern die yon ihm angenommenen ver- sehiedenen Fermente)~ so ist diese Auffassung nieht folgeriebtig.,

484 Wilhelm Roux

DalESCH l:~tsst weiterhin seinen yon mir angefoehtenen Begriff der , ,Posit ionswirknng'en,< ,,wenigstens als einheitliehen Begriff,< fallen und begrUndet dies (angeblieh im Widersprueh zu mir und reich reetifieirend [pag'. 53], denn ,~seine,'. Griinde ~>]iegen% wie er sagt, ~tiefer,< als die meinigen), indem er meine eigene Ansieht aus- sprieht (s. Ges. Abh. Bd. II. p. 891,913, 914), dass mit seiner frtiheren Bezeiehnung W i r k u n g der Lage an sieh noeh niehts Oentlgendes gesagt ist, sondern dass selbstverstSndlieh bei a b h i i n g i g e r Diffe- renzirnng yon Zellen die L a g e derselben yon Bedeutung ist und dass wit diese d i f f e r e n z i r e n d e n resp. a u s l S s e n d e n W i r k n n g e n benaehbarter oder aueh entfernter Theile auf einander erforsehen mtissen; DI~IESCI~ gebraueht abet daNr andere Worte als ieh, indem er sag't: >>wir mtissen die Position in Induktionswirkungen auflSsen,:.

[~brigens ist DnlESCI~ sieh der anf das bier behandelte Thema beztigliehen Konsequenzen seines oben mitgetheilten Dogmas, dass j e d e r Entwiekelungsvorgang nut >ausgelSst,.: werde, nieht hewnsst; denn es kbnnte jede Zelle doeh nur anf eine oder einige wenige tleak- tionen ,,eingestellt~ sein; nnd es kSnnte daher nnr in sehr geringem Grade yon ihrerLage zu der n~theren oder entfernterenNaehbarsehaft oder ~,im Ganzen,, abh~,tngen, was aus ihr wird. Erstere Annahme ftihrt tiberhaupt, wie ieh gezeigt babe (dies Arehiv. Bd. IV. Artikel Aus- lbsung), mit Nothwendigkeit dazu, dass alle Gestaltungen naeh meiner Definition ~>unvollkommene S e l b s t d i f f e r e n z i r u n g e n , , der mi der betreffenden Gestaltung betheiligten Zellen w~tren, was jedoeh seiner Auffassung nieht entsprieht.

Ftir alas Wort E i n w i r k u n g tibernimmt tier Verfasser aus der Pflanzenphysiologie das Wort I n d u k t i o n . Das ist nieht nSthig, sehadet eher, indem man vermuthet, es sollte damit etwas Be- s o n d e r e s gesagt werden, was nieht der Fall ist. Da naeh DRIESCH alles ontogenetisehe Gesehehen bloB Ausl5sung ist, so erhalten dann seine Definitionen der Unterarten yon Wirkungen yon vorn herein etwas sehr Einseitiges.

Dieser Absehnitt wgre nun eigentlieh das Hauptkapitel tier ganzen Analyse der Ontogenese; denn die Erforsehnng derWirknngen, also der W i r k u n g s w e i s e n , ist unsere Hauptanfgabe (s. dies Arehiv. Bd. I. pag. 2, 3 und 8). Dutch die dogmatisehe Einsehr~Lnkung abet wird jede wahre Analyse ausgesehlossen; Mlerdings wird dabei aneh der Forsehungsweg Uberaus abgekilrzt. Denn w~hrend w i t immer erst zu ermitteln haben: ist die betreffende lokale Umbildung, z.B. dig Urmundbildung~ die Darmbildung ,,unvollkommene S e lbs t -

Zu It. Driesch's ,,Analytischer Theorie der organischen Entwickelung~. 485

d i f f e r e n z i r u n ~ der siehtbat; betheiligten Zellen oder soge- nannte ,~abh~tngige Differenzirung?% so ist das bei DglgSCH Alles sehon ents@ieden, denn es giebt ja blog das eine yon diesen beiden: die >,Ausl5snng,~, eine ,unvolll[ommene Selbstdifferenzirung,.. ; also w~re yon den yon mi rvor 1 1 Jahren programmatiseh als zu- n a e h s t anzugreifend aufgestellten Frag, en naeh der Zeit , dem 0 r t und den W i r k u n g s w e i s e n der U r s a e h e n fast nur noeh die Prage naeh dem O r t e tier ~auslSsenden<< Ursaehe zu ermitteln. Das wttrde die Behandlung" der Probleme in tier That sehr verein- faehen; und eine wohlthuende, auf den Laien sehr anziehend wirkende Bestimmtheit k~tme in die Urtheile. Nut ist es noeh nieht ganz entsehieden, ob nieht der grSgte Theil dieser Urtheile falseh ist, und was im Speeiellen davon falseh ist.

D~mSCH unterseheidet wie alle anderen Autoren natUrlieh ,,~tuBere Einwirknng'en,< (sire Induktionen) nnd innere Wirkung'en (s. Induktionen). Erstere theilt er in Nassen-, Zug-, Druek-, Be- rtihrungs- nnd ehemisehe Induktion. Dabei bringt er etwas Eigenes, indem er Org ' anb i ldung yon Spannungsdifferenzen some yon Be- rtihrung wandernder Zellen (HERBST) ausgelSst werden l~tsst. Am Sehluss ftig't er die Bemerkung" hinzu, class seine Indnktion ,>etwas ganz Anderes als jene hypothetisehen l~ocx'sehen Agentien<< seien (se. yon denen I~oux seine d i f f e r e n z i r e n d e n N a e h b a r s e h a f t s - wi rkung 'en ableitet) ,..weil, yon allem Anderen abgesehen, diese naeh ihrem Urheber h u sna hm an, meine Induktionen 12egel sind,<. Dass d'iese letztere Angabe total unriehtig" ist, ist sehon in dem Artikel iiber Ausl0sung yon mir erw:,~hnt worden.

]~ei den e h e m i s e h e n Wirkungen (Induktionen) f~llt DglESCH etwas aus tier Rolle der reinen ~AuslSsungen,~ alles ontogenetisehen Ge- sehehens, indem er ihnen einen ,,korrelativen #harakter~ zuerkennt: also ist d ~ h wenigstens eine Art wirklieher abh~ngiger Differenzirung mSglieh, die abet bei seinen Ableitungen nieht weiter bertieksiehtig't wird.

Ftir die ,,Sugeren Einwirkungen,< wird nut auf die Sehwerkraf' exemlolifieirt.

Danaeh wird die , , f u n k t i o n e l l e Anpassung',< behandelt. W~thrend, wie DRIESCI~ formulirt (pag'. 64), in der P e r i o d e de r org'anb i l d e n d e n En tw i e k e l u n g , ,>die Intensit~tt aller Elementar- proeesse konstant (soll wohl heigen typiseh bestimmt, P~ef.) ist~, gilt dies selbstverst~tndlieh nieht mehr ft~r die funktionelle Periode, da tier Punktion imeh meiner Annahme ein trophiseher, Waehsthum anreg'ender Einflnss zukommt.

486 Wilhelm Roux

Beztiglieh meiner Ableitung' der, bekanntlieh formell a uBerordent- lieh mannigfaehen nnd als ,~zweekm~gig,~ bezeiehneten Wirknngen der funktionellen Anpassung yon dieser trophisehen Wirkungsweise der Funktionirung sagt Dr~IEsc~: ~Roux versueht also eine ~tugerst zweek- miiBige Erseheinung' am Ban gewisser Organe arts einer sehr zweek- m~tBigen anderweit bekannten Erseheinung' abzuleiten. Von einer ,meehanisehen' Erkl:,trung' ist dabei selbstverst~tndlieh keine Reds, denn es handelt sieh nm die Ableitnng" einer Zweekm~Bigkeitsein- riehtnng ans einer anderen.~

Zun'~tehst ttbersieht DRIESC~ dabei das Wesen der ~Erkl~rung'% n~tmlieh die Ableitnng nieht eine% sondern hier m i l l i o n e n f a e h e r v e r s e h i e d e n e r Einzelvorg~tnge yon einem einzig'en Gestaltungs- prineip. Da wit die ,,Assimilation~ und damit aueh das auf ihr be- ruhende ~Waehsthum~ ftir einen rein meehaniseh bedingten Vorg'ang auffassen, so haIten wir aneh nnsere anf die Anreg'nng" desselbell dnreh die Funktion gegrtlndete Ableitnng" resp: Erkl',trung" ftir eine ,,meeha- nisehe~.,. Dass die Leistnngen s o g e n a n n t ~,.zweekm~[~ige~: (oder~ wie ieh sage, daner f i th ige , Daue r f~ th igke i t h e r s t e l l e n d e nnd er- h0hende) sind, ~tndert nattirlieh an diesem m e e h a n i s e h e n Charnkter des Gesehehens als solehem gar niehts (so weir diese ~feehanismen nieht dureh zweekth~ttigen Willen in Th~ttigkeit gesetzt werden); sondern es ist gerade das Wesentliehe und Eigenartig'e meiner Er- kl~trnng, dass seheinbar nnr anf zweekth~ttige Weise Hervor- zubringendes.doeh yon einem so einfaehen, nieht nothwendig" teleo- log'isehen Prineip geleistet werden kann. Frtihere Generationen haben vergeblieh eine solehe Ableitung gesueht. Die erste meeha- nisehe, aber, wie ieh gezeigt babe, durebaus unznreiehende nnd angerdem nieht riehtige derartige Ableitung' war die yon der ~:fnnk- tionellen Hyper~tmie~, die sp[tter yon H~RB~:~'c SP~xcER adoptirt nnd ausgedehnt verwendet wnrde (Ges. Abh. Bd. I. pag. 305 u. f.).

Wenn unser Antor sp~tter vielleieht selber einmal eine solehe Ableitnng" millionenfaeher versehiedener und anseheinend ~zweek- m~tgiger;~ Einriehtungen vdn einem derartigen meehanisehen Prineip gegeben haben wird (start wie bisher, was allerdings leiehter i s t - dan Etat des ,~Teleologisehen~ nnn0thigerweise zn vergr0Bern) wird er vielleieht aneh anders t~ber derartige ~Erkl~trung'en,~ denken, die jetzt naeh ibm keine Erkl~trungen sin&

Der Autor geht nun znr Er0rterung" der ze i t l i ehen Ordnung" der o n t o g e n e t i s e h e n Vorg~tnge weiter. Die Ursaehen und Effekte mtissen natUrlieh eine typisehe Zeitordnnng innehalten. Jedes Organ

Zu H. Drieseh's )>Analytischer Theorie der organisehen Entwiekelnng~. 487

entsteht in einem bestimmten Zeitpunkt auf einem Mutterboden, aus dem oft in gese~zliehem Rhythmus noeh andere Organe entstehen. Der ausgelSste Process dauert eine bestimmte Zei t . . Der erste mor- phogene Elementarproeess ist naeh DRIESCg die Furchung; >>sie ist r e i n e Z e l l t h e i l u n g ; die G l e i e h h e i t der F u r e h u n g s - z e l l en ist direkt dutch Versuehe bewiesen, ~. (?); s. pug. 488. Die Furehung ftihrt oft zur Bildung einer Blastula.

Als B l a s t u l a bezeichnet DRIESCt~ wieder willktirlieh vorgehend und in Abweiehung yore Vater des Namens: HAECKEL (Keimblase), das Resultat elnes am Sehluss der Furehung eintretenden :>ehemiseh- h i s t o l o g i s e h e n V e r s e h i e d e n w e r d e n s ; eine Blastula kommt also nur wenigen Gruppen zu~ (pug. 69). Im n:~tehsten Kapitel aber sieht D. yon dieser Beschranknng wieder ab~ um sich ,,der Bequemlichkeit halber stets des Wortes Blastula zu bedienen~ wenn wit" yore Resul- tare der Furchung reden,,, ohne Rticksicht, ob solche qualitative Differenzirung stattf~nd. Es ist nattirlich, dass aueh diese Willktir in der Definition yon WSrtern und dann noeh augerdem im Gebraueh derselben wieder zu Missverst:~tndnissen ftihren muss, die denn aueh nicht ausgeblieben sind, deren Schuld yon Dl~InscIt aber mit Ent- sehiedenheit stets der anderen Partei zugesehriebefi wirdt).

Die Grundlage der weiteren Ab]eitungen ist nun der als sieher hing'estellte, abet dutch niehts ,>bewiesene~ Satz: ,,dass erst die vollen-deten B l ~ s t u l a z e l l e n f~hig" Mud, einem Induktionsreize dureh E i n l e i t n n g morphogener Elementarvorg:~tnge zu entsprechen, da~s abet nieht etwa schon im Verlaufe der Farehung die einzelnen Zellen eine ihrer sp~tteren relativen Lage entsprechende Determi- nation erfahren,,. Er f:~thrt fort: ,Meine Versuche der Tren'nung des animalen und vegetati~'en Furchungsmaterials mit naehfolgender Lieferung normaler Produkte b e w e i s e n diesen Satz.~<

Diese Versnehe beweisen in dieser Hinsieht leid~r gar niehts; denn wir wissen, wie ieh schon wiederholt betont habe, die Haupt- sache dabei nieht, n:~tmlieh, ob die Entwiekelungsvorg:~tnge dabei die n o r m a l e n sind, wie DRIEscl-~ ohne jeden Beweisversueh als sieher

~) Wir verstehen unter Blastula, Keimblase, mit ItAECKEL dan in viele ZelIen zerlegten rundlichen Keim mit schon groBer H(ihle im Inneren. Das habe ich direkt erldi~rt; und dem entsprechend hubert ,~ul~er mir WEIS~{A-~ and Wmso~ das beziigliche, yon FIEDLER und DRIESC~ erhMtene ttalbgebilde des Seeigels als Semiblastula bezeichnet. Trotzdem behauptet DRI~SCH immerfort wieder, wit h:~itten ihm eine Semiblastula sein er Definition unter- stellt, and ist davon nicht abzubringen.

4 8S Wilhelm Roux

annimmt, oder ob nieht dabei U m d i f f e r e n z i r u n g e n der Zellen statt- finden, wie sie bei jeder Regeneration, die nieht aussehl ie l~ l ieh dureh Sprossung erfolgt, vorkommen. D~IESCI~ verschweigt in seinen Arbeiten konsequent diese siehergestellte Thatsache des Vorkommens der Regeneration dureh U m d i f f e r e n z i r u n g yon Zellen, dureh die alle seine angeblieh ,,sieherenr Sehliisse tiber die Vorgange bis zur ausgebildeten Blastula zu bloBen Vermuthungen herabsinken.

DRIESCH arbeitet auch hier wieder wie frUher sehon haufig mit der petitio prineipii. Aus soleher unriehtigen Argumentationsweise folgt nattirlieh noeh nieht, dass ihr Resultat nothwendig falseh ist: es kann ja auch aus ganz falsehen Argumenten zufallig thatsaehlieh Riehtiges gefolgert werden; aber es ist dutch solehe Argumentation jedenfalls niehts ~>bewiesen,,. Es ware sehr erfreulieh, wenn die Frage naeh tier Speeifikation der Furehungszellen etc., sei es im einen oder anderen Sinne, wirklieh entsehieden ware; aber wit dtirfen nieht auf Grund eines falsehen Sehlusses ein Problem ftir erledigt ansehen.

Ntttzlieh ist dag'egen DRIESC[t'S seharfe Unterseheidung des S c h i c k s a l s der Zellen, des ktinftigen Geschehens an denselben, und die b e s o n d e r e Bezeiehnung desselben als , , p rospek t ive Be- deutung<< fur das wirkliche Schieksal, und , ,prospekt ive Potenz~ ftir das mSgl iehe Schieksal, wenn aueh die Bezeiehnungen selber zu wtinsehen lassen.

In der speeifisehen P lasmanatur der Zellen jedes ,,Elementar- organs,, (z. B. des Urdarmes, Mesenehyms etc.) ist die prospektive Potenz begriindet.

~,Das Geheimnis unserer Theorie liegt darin, dass wir im Ei zwei D inge als gegeben annehmen, das A n l a g e g e m i s e h des Kerns und den (seil. protoplasmatisehen, Res E ibau , yon denen nut letz- terer fo rmal , aber n ieh t k o m p l i e i r t formal ist.,<

Die Blastula besitzt noch im Ganzen den (protoplasmatisehen) >>Bau<~ des ganzen Eies; und dieser Bau bestimmt nunmehr das specielle Gesehehen an den einzelnen Zellen unter Betheiligung des Kernes.

Von den sichtbaren, hoehgradig a b n o r m e n Vertheilungen der Dottersubstanzen auf die versehiedenen Furchungszellen bei Zwangs- lage tier Froseheier (BoRon), trotz weleher Vertheihng normal ge- staltete Embryonen entstehen, - - eine Thatsache, auf welehe ich meine Ansieht yon der grSBeren idioplastisehen Bedeutung des Kern- materials tier Furehungszellen gestUtzt habe -- , wird niehts mitgetheilt.

Zu H. Driesch's ~)Analytischer Theorie der organischen Entwickelunff~, 4S9

,,Die Pahigkeit der l:~izantwort ~-erlegen wir in den Kern, die- jenige des Reizempfanges aber in das P r o t g p l a s m a , welches ja in jedem Elementarorgan chemisch s p e c i f i c i r t ist. Das Protoplasma ist tier Mittler (die ,Perceptionszone') zwischen AuslSsungsursache und dem Kern'(,Aktionszone').<,

~,Der Kel"n, obsehon Tr.Xger aller MSglichkeiten. brancht diese doch nicht in einer besonderen F o r m zu besitzen.~< >>Der Kern ist uns ein S t o f f g e m e n g e , wit redeten n ieh t yon einer S t r u k t u r des Kerns.

~>Wir lassen alle Elementarprocesse ~) durch cinch (yore Proto- plasma, Ref.) auf die Zellkerne ausgetibten Reiz ausge15st werden.~ ,Der Kern muss dabei in einer Weise in Aktion gesetzt werden, class er trotzdem unver~tnder t seine Totalititt bewahrt. Wit kSnuen diesen scheinbaren Widerspruch 15sen, wenn wir anuehmen, dass die o r g a n o g e n e n , den eiuzelnen Elementarprocess bestimmenden S to f fe gar n ieht u n m i t t e l b a r aus dem Kern hervorgehen, sondern nur un t e r s e ine r L e i t u n g im Protoplasma entstehen. Diese Lei- tung des Kerns aber sehen wir als einc f e r m e n t a t i v e Wirkung an.~ ~Wir lassen also den K e r n ein G e m e n g e yon f e r m e n t - a r t i gen S to f fen sein, dereu jeder eine Elementarproeessart der vorliegenden Ontogenese reprasentirt. Durch einen Ausl(isungsvor- gang" ~;fi'd nun ein b e s t i m m t e s diese~ Fermente in Aktion gesetzt, weil j~ der Protoplasmaleib, tier als Reizempfi~ng~r, als Mittler zwisehen Reiz und Antwort fungirt, oinen sp e ci fi s e h e n Chemismus besif~t.<, >>Es ist weiter klar, dass bei Annahme dieser fermentativen Wirkung des Kerns auf das Protoplasma, welghes sie vorher (als ~iittler) hervorrief, eine fernere Annahme gemacht werden muss, u:~imlich ~lie, dass dieses Plasma jener Fermentwirkung auch jedes Mal ,uganglich sei, dass es also jedes Mal den dutch sie gegebenen Reiz sowohl e m p f a n g e n als ihm a n t w o r t e u k0une.,<

Wie viel Hypothesen sehlieBt allein diese Ausftthrung wieder ein? Welches sina die Argumente far ibre Richtigkeit?

Wir werden ja vielleicht genSthigt sein, mannigfache morpho- g e n e t i s c h e W i r k u n g e n z w i s c h e n Le ib und K e r n d e r s e l b e n Z e l l e ' s o w i e auch v e r s e h i e d e n e r Ze l l en anzunehmen . Ieh habe entspreehend unserer geringen Thatsachenkeuntuis reich tiber

1) Unter ~Elementarprocessen,~ versteht DI~IESCtt willkiirlich: Furchung, Mesenchymbi[dung, Urdarmbildung, Wimperringbildung" etc., also nicht let z t e, allg-e m e i nsi~e Pr0cesse des orgaaischen Gestaltens, wie man nach dem nor- malen debrauche des Wortes anzunehmen geneigt ist.

490 Wilhelm Roux

diese Saehen mSgliehst nnbestimmt nnd eingeengt geitugert, indem ieh nur die N o t h w e n d i g k e i t solcher Beziehungen beg'rtlndete und filr den behandelten speeiellen Fall ((~es. Abh. Bd. II. pag. ~17, Jahr ]885) folgerte: >,Ieh vermuthe also sowohl einen q u a l i t a t i v e n and zugleieh r i c h t e n d e n Causalnexus zwisehen der qualitativen Natnr der K e r n - and der P r o t o p l a s m a t h e i l u n g einerseits, wie aueh dieser beiden mit der B e s e h a f f e n h e i t nnd L a g e r u n g tier N a e h b a r - ze l l en andererseits. Letzterer Cansalnexus hittte zu bewirken, dass bei einem fJberwiegen eines bestimmt >> q aalifieirten Sonderungst)estrebens<: in einer Zelle yon den Naehbarzellen aus bestimmt werd% ~elehe ,lr '~ die Kernspindel bei dieser Sondernng einzunehmen habe; wiihrend vielleieht aueh nmgekehrt bei einer dnreh die Lage der Naehbarzellen meehaniseh gegebenen Zwangslage ftir die Kernsl?indel (s. Bd. II. pag. 303, we ieh als Erster e x p e r i m e n t e l l n a e h g e w i e s e n hatte, dass die Ges t a l t der Zellen die Furehnngsr iehtung be- einflusst) mit tier so yon der Naehbarsehaft bestimmten Theilungs- riehtung aneh zugleieh ein gewisser, wenn aueh vielleieht blog innerhalb pr~disponirter Alternativen answShlender Einfluss auf die Qualit~tt der sieh vollziehenden Sonderung ansgeflbt werden kSnne.,, (Einsehr:,tnkungen finden sieh 1. e. Bd. II. pag. 931.) Das ist nattir- lieh Alles sehon sehr zweifelhaft, obsehon es sieh nur an Einzelnes ansehlieBt. DRIESOH aber nimmt eine a l l geme ine , bestimmte, auf n n i v e r s e l l e r p r ~ s t a b i l i r t e r H a r m o n i e beruhende Wirkung zwisehen Zellleib und Zellkern an, ohne die seine ganze sog. Theorie zusammenf~llt (Dogma 5). Ein Beweis ftir die Riehtigkeit wird wieder nieht zu erbringen versueht.

Anf diese geheimnisvolle and offenbar yon ihm selber nieht voll- kommen dnrehdaehteWeise also h~lt er es aneh ftir mbglieh,WEisstANN's and meine Annahme zn umgehen, dass der Kern bei der normalen 0ntogenese znm einen ,,Theil<< t yp i s eh and bleibend ver:.tndert, zum anderen unver~tnderten The i l (Reserveidioplasson des Kerns) seine Totipotenz behalte. Zum Sehluss wendet er sieh noeh einmal ans- drtieklieh gegen unsere Auffassung mit den Worten (pag. 102): >>Abet selbst, wenn der Kern des Somatoblast sog l e i eh naeh seinem Ein- sehluss in den speeifisehen PlasmakSrper~ also sehon w~thrend der Furehung versehieden (n~tmlieh speeifiseh aktivirt) wiirde, so wtirde damit doeh~ and das ist nns das Wiehtigste, n ie nnd n immer die E x i s t e n z wah re r , q n a l i t a t i v e r u n g l e i e h e r K e r n t h e i l u n g im Sinne yon WEIS~AN~ and Roux aueh nut irgendwie wahrseheinlieh gemaeht.

Zu It. Driesch's ,,Analytischer Theorie de~ organischen Entwickelung,<. 491

Die Lsser werden aus der bisberigen auf das Einzclns ein- gehenden Darstellung bereits zur Gentige erschen haben~ wie rasch DRIESClt aueh in dieser Sehrift wieder, die er sslber als sehr bc- dcutend bezeichnet, vorgeht. Einige Dogmcn und zahllose Hypothesen werden aufgcstcllt, lctztere ohue Weiteres als wahrseheinlich, oder gar als sieher,' ja zum Theil als Thatsashen bezeichnet; wider- spreehcnde Thatsaehen und Ableitungen werdcn theils verschwiegen, theils einfaeh als minderwerthig bezeichnet.

Wir wollen weitcrhin nur noeh die Hauptsharaktsrc dieses Phantasiegeb~tudcs schildern.

Dcr Autor ist jctzt, wie er sagt, am ,,Gipfclpunkte~ sciner ,,Analyss-~ angekommcn. Seine Auffassung sctzt allenthalbcn und jeder Zcit sine >,Harmonic zwisehen Ursaehsn und prospcktiven Potenzenr voraus, sine >,Causalharmonie,,. ,>Diese H a r m o n i c als solche ist Thatsache<,, bchauptet der Autor, start zu s~gen: >>msine Theorie kann ohns sis nicht bestetien, da sic auf dem Dogma beruht, dass Alles bloB dureh ,AuslSsung ~ geschieht<:.

Wenn aueh bei jedcr ontogenstisshen Entwickelungsthsorie mansherlei Vcrsehicdenes und Gctrenntss als mit einandcr in Har - monic stehsnd ang'enommen werden muss, so ist doch d icse sps- eiellc, yon DIUESC~Z angsnommene Harmonie wedcr als Thatsaehe erwicscn noah aueh nut nSthig. Beispisle, wie Harmonien ohne solehe Grundannahmen produeirt wsrden kSnncn, liefsrt msine Theorie der E n t s t e h u n g der f u n k t i o n s l l e n S t r u k t u r h a r m o n i s dcr T h s i l s des Organismus dureh funktionslle Anpassung, welehe Theorie.blofl ein Glicd meincr Auffassung yon den >>morphologisehen Selbstregulationsn<< ist.

Zu der von D. angeuommenen Harmonie kommt der , ,ontogene- t i sehe lChythmus<< Ms dis zcitliehe Ordnung der VorgSnge; d. h. sin Elementarvorgang wird singelsitet, dauert bestimmte Zeit, wird be- cndet und kann dann selbst den Boden ftir ncue Elementarproeesse abgeben. Danaeh tritt DRmSCH, mir zustimmend, Nr dis >>Sslbst- d i f f s r enz i rung , ( der c inma l a n g e l e g t s u The i l e sin; geht abet dutch ungeprtifte a l l g e m s i n e Auwenduug dieses Prineiloss wiedcr gleieh viel weiter als ieh (s. obenp. 470). Er ftigt aueh bier ErOrterungen bei, die seiner Form naeh dcm Lescr als gcgen reich geriehtetc Ilekti- fikationsn und ErgSnzungen srseheinsn~ w~thrend sic rosins eigencn Ausieh~en reprodueirsn. Er sprieht tibrigens bloB yon, wic ieh sagcn wUrde, >>qualitativ vollkommcner Selbstdiffsrenzirung<< ; die andcrcn Arten dsr Selbstdiffercnzirung wcrdsn iibergangen; ebsnso wic sr

492 V~ilhelm Roux

sich nieht klar g,emaeht hat, dass alle Entwickelung dureh AuslS- sung` unvollkommene >>Selbstdifferenzirung~< des angeregten Theiles ist.

Es folgt ein Absehnitt tiber Ursaehe und Wesen der Reg,ene- r a t i on , der sieh g`eniig,end dureh den Einleitungssatz eharakterisirt: >,Wenn ieh nun sagen wiirde, Reg ,ene ra t ion sei d ie W i e d e r h e r - s t e l l u n g n o r m a l e r Z e l l e n z a h l , so wtirde das naturg`em~B eine Umsehreibung der Regeneration sein.(~ Ftir uns fehlt dabei die Hauptsaehe: die Wiederherstellung der normalen Form und Struktur, zu weleher wir nicht bloB die ,,Sprossung,,<, die >~Vermehrung der Zellenzahl,< sondern die D i f f e r enz i rung , and, wie oben erw:,thnt, meist aueh die U m d i f f e r e n z i r u n g , brauehen. Die zweite der auf Grund dieser Thatsachen yon mir analytiseh untersehiedenen Arten der Regeneration: a) dutch Sprossung, und prim~tre Differenzirang,, b) durch Umordnung, and Umdifferenzirung bereits differenzirt g,e- wesenen Materials, sowie e) die Kombination beider (Ges. Abh. Bd II. pag. 836 u. f., 899), sind DRIESCH 7 wie wit oben schon sahen~ un- bekannt.

Zur ~>Eibildung und Vererbung,~ tiberg,ehend, wird uns mit- getheilt, dass aueh die Eier im ,AuslSsungsweg`<~ entstehen. ~Das Ei muss einen >>speeifisehen Ban,< (d. h. protoplasmatisehen sire Zellleibbau, Ref.) und aueh einen speeifisehen Kern besitzen; und zwar muss der Kern derart besehaffen sein, dass er and seine Deseen- denten allen sic treffenden AuslSsungen in riehtig'er Weise ent- spreehen kSnnen. Ein soleher Kern wird aueh im Spermatozoon vorhanden sein; aber da ihm (dem Spermotozoon) der typisehe (protoplasmatisehe) Ban fehlt, so mttssen seine Anlag'en latent bleiben, wenn nieht ein (protoplasmatiseher) Eibau auf sie wirkt.

SehlieBlieh polemisirt DRIESCI~ in einem besonderen Kapitel noeh einmal g,egen WHs~A~'s und meine ang,ebliehen Ansiehten und resumirt: ,..Aueh wenn sie nieht endgttltig ist, hat meine Theorie einen g,rogen Vortheil vo~" derjenigen Roux's, denn sie o p e r i r t l e d i g l i e h mi t t t ypo t -hesen , die d e r V e r i f i k a t i o n z ng~tng,- l i eh sind: Knrz, sie ist f r u e h t b a r ; die Theorien yon Roux und W s l s M ~ aber, welehe mit ad hoe ersonnenen Phantasieg,ebilden operiren, sind unfruehtbar.<< So, Sol

Zum Sehluss des Buehes folgt das Endnrtheii: dass Roux und WEIS~A~ eine sieh typiseh entfaltende Struktur dureh eine andere (NB. viel e i n f aehe re , Ref.), typiseher Entfaltung fghige Struktur erklgren, ist als u n f r u e h t b a r zu ve rwe r f en . DRIESCIt'S Theorie leistet also etwas Anderes? Doeh nieht; sie thut im Gegentheil

Zu H. Driesch's ))Analytischer Theorie der organischen Entwickelungr 493

dasselbe; nur nimmt sic, u ie wit gteieh sehen werden, die Ausgangs- struktm" als yon. einer z w e c k t M t t i g e n In t e l l i genz g e s e h a f f e n an und l:~isst diese Struktm" start typisch physikalisch, bloB typisch

% chemisch sein; w'Xhrend wir uns auch diese Stmktur als allmahlich und zwar, bis zum Bcwei~ von anderem, als m e c h a n i s c h entstanden denken.

Da Abteitung des komplicirten Typischen yon einfacherem Typischen nach DRIESCII ,,unfruchtbar< ~. ist, so ist nach ihm die ganze ontogenetische Entwickelungsmeehanik als ,,unfruchtbar( ~, zu bezeiehnen, denn mchr wird sie kaum leisten kOnnen. Unsere Nachkommen wtirden sich sogar sehr fl-euen dUrfen, wenn sie in einer Reihe yon Jahrtausenden nur diese ~>unfruchtbare Aufgabe,, gelSst h:~itten, was wallrscheinlich aber hie in einer ihre Wtinsehe befriedigenden Weise geschehen wird.

Dieses Urtheil DRIESCH'S tiberrascht uns Ubrigens. Denn die bisherigen e m p i r i s c h e n Untersuchungen dieses Autors stehen auf dem Boden des yon mir vor 1l Jahren aufgestellten P r o g r a m m e s : die Zei t , den Oft und die W i r k u n g s w e i s e der U r s a e h e n der typis .ehen (und regulatorischen) o n t o g e n e t i s e h e n G e s t a l t u n g e n zu e rmi t t e ln und so jede typische Form aus vorher gegebenen ty- pisehen Komponenten abzuleiten.

Da DaIEsc~jetzt diese Methode als u n f r u c h t b a r verwirft, ver- heiBt er uns also wohl ganz Neues yon seiner Seite? Oder wird er sigh beztiglieh der e x a k t e n Forsehung aueh femerhin mit dieser ~ unfruehtbaren << )Iethode begntigen und ,~ blo[~ <.. ftir philosophisehe ErSrterungen sieh einer ,~ergiebigerem~ Methode bedienen?

Wit gelangen nun zu dem mehr p h i l o s o p h i s e h e n The i l e der Abhandlung, yon dem wit hier nut das Wesentliehste bertieksiehtigen werden.

Der B e g r i f f der E n t w i e k e l u n g ist naeh Damsci-i blog ar.- wendbar, wenn ein vorgesteektes Z ie l dutch an die T M t t i g k e i t el.her I n t e l l i g e n z ermahnende Proeesse erreieht wird (Dogma 6). Wit d agegen verstehen unter Entwickelung die ~,Produktion yon )Ianuigfaltigkeit% ohne jede RUcksicht auf die Ursaehe derselben (Ges. Ab'h. Bd. II. pag. 5--8).

DRmSCH sagt: ,Well bei der Ontogenese immer ein t y p i s e h e s Resultat erreieht wird, mtissen wir alle Vorgiinge derselben aueh yon diesem R e s u l t a t e aus beurtheilen. Die Dinge l i e g e n durchaus , wie wenn wit eine Werft besuchen, auf der man ein Sehiff baut: nut aus-dem, was werden soil, ktinnen wit bcgreifen, was geschieht.<~

ArchL- f. Entwickel,ungsmechanik. IV. 33

494 Wilhelm Roux

Wir wollen eine Hilfsvorstellung einftthrcn: wir woilen jene Intel l igGnz, welche die organisehen Bildungen zu fGrtigen seheint , als th~tiges Subjekt dGnken und B i l d u n g s t r i e b nennen.<< Den darauf folgenden Vergleich dieses ,,Triebes~ mit einGr ,~Kraft~< des Physikers zieht Verf. glticklicher Weise neuerdings (Maschinen- theoriG) zurUck und sprieht sieh zugleieh tiber die angenommGne In t e l l i genz bestimmter aus, indem er sagt, dass sic Alles ge- maeht , Alles v o r g e s e h e n hat.

Das , ,absolut GegGbene(< ist (Masehinentheorie pag. 363) dig organisehe U r s t r u k t u r (oder mehrere soleher Strukturen).

I n dieser Struktur muss Alles vorberGi te t gGdaeht werden, was Uberhaupt Ginmal biologiseh geschehen ist, odGr geschieht oder gesehehen wird~ - - digs weil DRIESCIt willktirlieher Weise in jedem onto- und phylogenetischen Entwiekelungsffesehehen nut AuslSsungen, nur Anregungen vorhandener Meehanismen sieht und weil daher aueh (anffeblich) nights Neues urspriinglieh dutch ~tuBere Einwirkungen, sagen wir auf das Keimplasma, hervorgebracht sein kann.

Das Besonderste abet ist: ~jede phylogenetisehe und onto- genetisehe U m w a n d l u n g is t zweekm~Big, jede hat Anpassungs- und ttarmonieneharakter~. ~In ganz ungeheuer komplieirter Weise zweekm~tBig muss also jede Durehgangsstruktur erseheinen, und in der Urstruktur, die nun wirklieh das absolut ,Gegebene' darstellt, nimmt diese ,gegebene' Zweckm~Bigkeit geradezu ungeheuerliehe Formen an. ,<

Ist es wirklieh ganz gewiss, dass alles entstehende Organisehe ,>zweekm~tBig<< aueh nur im Sinne der >~Dauerfghigkeit<< ist? dass nieht UnzweekmgBiges, ja sehr viel Unzweekm~tBiges gebildet und theilweise wieder ausgemerzt wird? Die bezilgliehen That- sachen, auf ~vGlehe DARWI~ seine Zttehtnngslehre grtlndetG, wgren also plStzlieh falseh.

Die auf anthropomorpher Anffassung beruhende, yon Autoren aller Zeiten angenommene Intelligenz, welche das Organisehe ge- schaffen habe und yon ARISTOTELES an naeh vielen Autoren a ls >,gestaltende SGele<< fort und fort jedes einzelne Individuum sehaffe, kSnnen wir wohl als ,,Entwickelungsintelligenz<< bezeiehnen und der wenigstens bei den hSheren Thieren und dem Mensehen sieher er- kennbaren ,>Er~altungsintelligenzr gegenUberstellen, welehe das Geb i lde te dnreh Leitung yon Erhaltungsfunktionen zu erhalten sucht, en~spreehend wie ieh frUher schon die E n t w i e k e l u n g s f u n k t i o n e n

Zu H. Driesch's ,~Analytischer Theorie der organischen Entwickelungr 495

der Organismen den E r h a 1 t u n g s fun k t i o n e n gegentibergestellt habe (Ges. Abh. Bd. I. pag. 409, Anm. Bd. II. pag. 079).

Da~ESCH'S teleologisehe Ansieht erinnert reich besonders an die yon CARL S~ELL vertretene Auffassung~), welehe aber direkter auf den+ Mensehen zugesehnitten ist.

SNELL sagt: Weil der Menseh, dan h L e h s t e der Lebewesen, aus dem organisehen Keim hervorgehen konnte und hervorgegangen ist, war der Keim yon vorn herein auf ihn angelegt, also zur Bi ldunf f des ~[ensehen g e s e h a f f e n worden. Dis anderen Lebe- wese+n sind naeh SNELL bloB verdorbene Keime, rudiment~tre Seiten- zweige yore Hauptstamm.

SNELL bertieksiehtigt in seiner geistvoll und anziehend ge- sehriebenen Abhandlung besonders das Geistige und l~sst das Physisehe wesentlieh dureh dieses bewirkt werden. Er l~sst in Folge dessen aueh die ,~Seh~pfung,, der Organismen nieht b161~ wie DRIESCH eine einmalige, initiale~ sondern eine fortw~hrende sein. Bei ibm finder sieh (pag. 28) zur Demonstration der angebliehen Insufficienz der bloB e a u s a l e n Untersuehung der Organismen aueh bereits dan yon DRIESCtt wieder verwendete Gleiehnis yon der bloB physikaliseh- ehemiseh untersuehten Bildergalerie - - aber aueh bei ihm schon zu nieht riehtigen Folgerungen angewandt. Es ist riehtig, w e n n etwas, wie jedes Bild tier Galerie, zu einem Z w e e k gemacht, also yon einem zweckth~tigen Agens hervorgebraeht ist, dann kLnnen wlr dasselbe natiirlieh nut unter Bertieksiehtigung dieses Zweekes roll verstehen.

Beziig'lich der Organismen aber ist es erst die Hauptfrage, dei Hauptaufgabe unserer Forsehung, zu e r m i t t e l n , ob sie auf d i e s e Weise oder anders entstanden sind, und wie sie dem entspreehend aufgefasst werden mtissen.

Beide Autoren, wie viele andere beider Parteien, Vertreter der teleologisehen wie der rein eausalen Auffassung verfallen in die bei sehwierigen Fragen Ubliehe petitio prineipii.

So sagt DRIESCtt in Bezug auf die versuehte ,,rein meehanisehe,, d. h. ,,eausale, Auffassung der organisehen VorgKnge:

>,Die ,causale Erkl~rung der Zweekm~gigkeit', ein Wort, das weir grLBeren Nonsens einsehlieBt als,< etc. ~Man glaubt gar dadureh, dass man zeigt, wie UnzweekmKgiges nieht existiren kLnne, zugleieh gezeigt zn haben, ,warnm' Z w e e k m a B i g e s existire!~ Er fKhrt fort:

~) CA~L S~ELL, Dio Schi~pfung des Menschen. Jent~ 1863. 159 Seiten. 33*

496 Wilhelm Roux

:~Ist denn unse re Genera t iOn d e r a r t i g degener i r t , dass sie die ,Kritik der Urtheilskraft~ absolut nieht mehr verstehen kann?<<

DaIESCI-I maeht, wie man sieht, seinerseits eine nieht zu billigende Anwendung yon der Urtheilskraft, denn er l~sst die Hauptsehwierig- keit des Problems unbertieksiehtigt: ~Ob<< die organisehen Einrieh- hmgen w a h r e oder blog s ehe inba re Z w e e k m ~ g i g k e i t e n , bloBe >>Dauerf~thigkeiten~ meiner Definition sind, das ist eben der Gegenstand der Forsehung, das mt~ehten wir gem wissen. DRIESCtt abet nimmt einfaeh die Streiffrage fur in se inem Sinne e n t s e h i e d e n an und dedueirt dann daraus, wie er sagt, den ~Nonsens~ der Gegner.

Naeh meiner Auffassung kSnnen zur Zeit beide Parteien niehts Anderes thun, als m~gliehst viel Grtinde Nr ihre Auffassung zu sammeln; die Entseheidung der hSheren Werthigkeit der einen Gruppe als der anderen bleibt ferner Zukunft iiberlassen. Das ist ein sehmerz- lieher Verzieht ftir uns. Aber es ist wissensehaftlieh, das Pragezeiehen genau an die Stelle zu setzen, an der unser Wissen aufhSrt. Und dieser Yerzieht ist immer noah geringer als der u Jener, welehe jetzt sehon als sieher annehmen, dass alles Organisehe yon einer Intelligenz gesehaffen sei. Die exakte Forschung abet wird einstweilen und m0gliehst lange (d. h. his zum Beweise des anderen) aus rein prak- tisehen Grtinden das f i i r sie GUnst igere ~annehmen<<, hier also die bloge, Dauerfiihigkeit~ statt tier yon einer Intelligenz hervorgebraehten ,Zweekm~gigkeit~ der organisehen Gestaltungen. Von dieser Annahme sind jedoeh die vom zweekthi~tigen Willen: yon der E r h a l t u n g s - i n t el 1 i g e n z (unter Vermittelung der funktionellen Anpassung) her- vorgebraehten Gestaltungen auszunehmen; da bei ihnen die Er- h a l t u n g s i n t e l l i g e n z du t ch den e inen, t y p i s e h b e s e h r K n k t e n 3{eehanismus der f u n k t i o n e l l e n A n p a s s u n g innerhalb gewisser Grenzen zug'leieh als E n t w i e k e l u n g s i n t e l l i g e n z fungirt (s. Ges. Abh. Bd. II. pag. 1020).

Wit werden, wie jeden wissensehaftliehen Portsehritt, aueh jeden naeh der teleologisehen Riehtung hin gemaehten wahren Fortsehritt mit Freude begriigen, .nut muss er ein wahrer, d. h. sieher fundirter~ nieht blog seheinbarer sein.

Mir seheint aber, unsere gegenwiirtigen Teleologen sind sieh gleieh den frUheren der eminenten Sehwierigkeit eines derartigen Naehweises tiberhaupt nieht gentigend bewusst.

DRIESCH verfiihrt geradezu leiehthin, indem er ohne jeden Be- weisversueh die Behauptung aufstellt:

,>Sehon das a l l e r e i n f a e h s t e G e o r d n e t e , und in diesem Sinne

ztt H. Driesch's ,Analytischer Theorie tier organischen Entwickelung,<. 497

F o r m a l e ist e a u s a l e r E r k e n n t n i s nieht zugangl ich . Ganz allgemein gesprochen sind also ,Krafte' und ,Stoffe' das Areal des Causalen, , F o r m e n ' daffegen dasjenige der teleologischen Betrach= tung. ~

Diesen wie DRIESClt selber sagt: >>Aufbau der ungeheuerliehsten Hypothesen,~ betraehtet der Autor aber nieht bloB. als ein Phantasie- ffespenst, sondern er grtindet auf ihn seine Grundauffassung yon der principiellen Unerforschbarkeit, Nicht-Cansalitat des Biologischen im Ganzen. Naeh ihm ist bloB das E i n z e l g e s e h e h e n causal verst~tnd- lich; das Ganze ist gegeben , und nieht causal, sondern nur te leo- log i sch zu verstehen, nur besehreibbar.

Da die Voraussetzungen dieser ganzen Auffassung witlkUrliche Fiktionen sind: dass a l les Organisehe zweckm~Big ist, dass alles organisehe Gestaltungsgeschehen bloB ~unvollkommene Selbstdifferen- zirung,, bloB ~>AuslSsungr g e g e b e n e r G e s t a l t u n g s m e c h a n i s m e n ist, so ist aueh die Lehre selber bloB ein Phantasiegebilde.

Die ganze Auffassung DRIESCIt'S beruht, wie alle solche be- s t i m m t e n Ableitungen aus dem Gebiete des U n b e k a n n t e n , auf der w i l l kUr l i ehen e i n s e i t i g e n Ausdeu tunf f d ieses Unbe- k a n n t e n . Das sieht jedoeh I)RIESCH nieht ein, denn er sagt (Zoolog. Anz. 1896. I~r. 499. Sep.-Abdr. pag. 5 und 6): ~,Gerade das H y p o t h e s e n f r e i e , Voru r the i l s l o se sehe ich als Hauptvorzug meiner Theorie an.<< >>Unter ,hypothesenfrei' verstehe ieh: frei ~"on einer Alles b eherrschenden Grundhypothese.~ Man vergleiehe dazu dig Dogmata 1--6.

Zufolge der yon der gedaehten Intelligenz geschaffenen Urstruktur lguft nun seitdem alles Organische in der damal s v o r g e s e h e n e n Weise re in maseh ine l l ab: alas ist DRIESCH~S ~Masehinen- theor ie ,< des Lebens.

Naeh unserer Hypothese konnten die ersten G r u n d f u n k t i o n e n des Organisehen: Assimilation, Selbstbewegung, Selbsan-sseheidung, Selbsttheilung: Selbstgestaltung succes s ive gezt~ehtet werden, das heiBt, es konnten immer neue Eigensehaften durch ~uflere Einwir- kangen auf alas vorhandene bezUgliehe Substrat entstehen and, so weir sit a s s imi l a t ions fah i f f waren (s. Ges. Abh. Bd. I. pag. 452), erhalten werden; and es .konnte aus ihnen das aueh unter den auBeren Verh~tltnissen D a u e r f a h i g e zu l~ngerer Darter sieh er- halten und so a u f g e s p e i e h e r t werden.

Die P h y l o g e n i e ersehien DRIESCH in seiner analytisehen Theorie >>zweifelhaft,< ; jetzt in tier Sehrift: Masehinentheorie erkennt

498 Wilhelm Roux

er sie sch0n an , muss abet ftir sie z w e i p r ~ s t a b i l i r t e H a r m o n i e n ~ eine Causalharmonie und eine Adaptionsharmonie, einfUhren.

Fassen wir unser Urtheil zusammen, so hat DRIESCH in dieser Sehrift das zur Zeit nieht entfernt in exakter Weise MSgliehe ver - sueht und daher nicht entfernt erreieht; und bei dem Mangel an Beweisen bleibt GS vollkommen fraglich, ob er mit seiner Behandlung" der Probleme der W a h r h e i t an irgend einer Stelle n~her gekommen ist als tier clue oder andere seiner Vorg~nger. Immerhin ist tier u sowie das Streben naeh Erkenntnis, aus dem der Versueh hervorgegangen ist, sehr anerkennenswerth.

Die Leser werden sich aus dem Vorstehenden bereits iiberzeugt haben, dass DRIESCH'S Schrift night, wie er sagt (pag. 176): >>4er e r s t e Versuch einer ontogenetischen Analysis(( ist; sie ist nut eine der ersten zusammenh:~tngenden Darstellnngen solehen Versuches. Der Grund, aus dem ich, um in der Spraehe der Herren Nachfolger zu reden, meine )>Theorie<< nicht gesondert und im Zusammenhange dargestellt habe, ist, wie yon mir wiederholt ausgesproehen wurde~ der i dass clue solehe Theorie zur Zeit tiberhaupt noeh nicht mSglich ist, well dig wichtigsten Glieder noch fehlen und nur durch vorlaufig nicht zu begrUndende Vorstellung'en, also durch reine Phantasien ersetzt werden kSnnen. So welt zur Zeit einige Begrtindung miiglieh sehien, habe ich reich ausgesprochen 1) (siehe aueh dies Archly. Bd. IV.

long. 43S, u DELAGE).

~) Ich bedauere sehr, class meine Ansichten bisher ttberwiegend un r i ch t ig aufgefasst und daher aueh unzutreffenddargestellt und beurtheilt worden sind. So welt die Ursaehe davon bei mir gelegen war, glaube ieh sie dureh die Her- steUung und die d~s Zusammengeh~rige dureh vielfaehe ttinweise zu einander in Beziehung setzeade 0rganisation der Gesammtausgabe meiner Abhandlungen sowie dutch die Beigahe eines sehr detaillirten Inhaltsverzeiehnisses beseitigt zu haben. Es ware zu wUnsehen, class die betreffenden Herren Kollegen nun aueh den angemessenen Gebraueh yon dieser 0rganisation maehten, was jedoeh unser Autor in seinen seitdem ersehienenen Sehriffen noeh nieht gethan hat; denn ~ueh in diesen wird noeh wie vordem sowohl wesentlieh unriehtig tiber meine Ansiehten beriehtet, wie manchmal angeblieh ein sehroffer Gegensatz zu mir konstatirt, w~hrend DRmSCH ZU Dreiviertel oder mehr meine eigene Ansieht vertritt, und gelegentlieh eine yon mir wiederholt vertretene Auffassunff yon ihm als neu aufstellt. Ieh hoffe, dass die vorstehende ausgiebige Rekti- fikatioa den Autor veranlassen wird, den gereehten Forderungen ia Zukunft za entsprechen.

Es wird ohnedies t~nge w~hren, bis all das viele Fulsehe, was Dm~scH,

Zu H. Driesch's ,Analytischer Theorie der organischen Entwickelung~. 499

DRIESCH hat die A n a l y s e , die Zeflegung der ontogenetisehen Vorggnge, nut wenig und nur naeh einer Riehtung" hin etwas tiber das bereits Vorgefun'c~ene fortgesetzt; naeh anderer Seite hin aber hat er dureh seine dogmatischen Behauptungen, dass alle organischen Gestaltungen in letzter Instanz ehemisehe Vorggnge seien und nut dureh AuslSsung'en veranlasst wiirden, die bereits vorgefundene Analyse irrthtimlieher Weise eingesehr:,tnkt. Die versuehte Wieder- verwerthung eines metaphysisehen Ausgang'sg'liedes ftir die organisehe Entwiekelung, einer sehaffenden Intelligenz, welche die Anlage der Orga.nismen, die ,,Urstrnktur<< ,,gemaeht hat<c, halten wir ftir min- destens einige tansend Jahre verfrtiht, da wit so lange oder wohl noeh l~tnger nieht sieher werden beurtheilen kSnnen, ob diese An- nahme wirklieh nSthig ist. Jetzt zum Beg inne entwiekelungs- meehaniseher Untersuehungen solehe Behauptungen aufstellen, ent- sprieht - - ex contrario - - etwa dem, dass der Wilde behauptet~ die Lokomotive sei nieht dureh die mensehliehe Intellig, enz, sondern vom Teufel gemacht, da erstere so etwas nieht vermSge. Ebenso Weni~ wissen wit, ob zufiillig entstandene Komplexe der Elementarstoffe nieht aueh ohne eine diese Stoffe ordnende Intelligenz a s s imi l a t i ons - f~thig sein und damit zur A u f s p e i e h e r u n g neuer Eigensehaften hie zur hSehsten Mannigfaltigkeit etc. sieh eig'nen konnten (s. Ges. _~bh. Bd. II. pag. 1021).

Eine Analyse der Elementarfunktionen: Assimilation, Selbst- tl~eilung', Selbstregulation wird yon ibm nieht versueht. Bei der Analyse der Bildung" der s i e h t b a r e n Fo rmen hat er einige vorge- fundene Glieder der Analyse mit anderen ibm besser seheinenden zu vertausehen versueht, so beztiglieh der bisher ang'enommenen Be- ziehungen zwisehen Zellleib und Zellkern und der eigenen Leistmagen beider Theile. Er vertritt so im Speeiellen einig'e eigene Wirkungs- arten. Dieselben beruhen aber auf einigen Dogm en und einer i iber- g'rogen Zahl yon I t y p o t h e s e n nnd sind der Verifikation dureh exakte Forsehnng grogentheils nieht zugrmglieh.

0. HERTWIC. und jiingst VEI~WOa~ tiber meine Ansiehten verbreitet haben wieder ~usgemerzt sein wird.

So weit jedoch die Missverst~ndnisse darauf beruhten, dass die Autoren meine Ansichten nicht verstehen konnten, well ich mir die organischen Ge- staltungsvorgiinge zumeist nicht so erquickend ,,einfach~ vorstelle wie sie, und weiL ich tiber Vorg~nge, zu deren Beurtheilung uns noch jede Kenntnis fehlt, tiberhaupt keine ,,bestimmte,~ Ansicht hege, konnte ich weiterem Missverstehen nieht vorbeugen. Doch ist wohl zu hoffen, dass sich allmiihlich aucll fiir diese Art wissenschaftlichen Denkens ein besseres Versti~ndnis ausbilden wird.

500 Wilhelm Roux

Gleiehwohl halten wir D~mscH's Schrift ftir ntitzlich, denn sie wird, vielleieht gerade ihrer dogmatisehen Bestimmthcit wegen auf Manche anregend wirken; und ~ndererseits mtissen wir uns ja zumeist start des Besitzes des Wahren mit dem Streben naeh ihm beg'ntigen. Aber schon die Anregung Anderer zu einem Streben ist verdienstlich. Unscr Antor selber ist yon dem Strcben naeh Erkenntnis der orga- nischen Gestaltungsvorg~tnge offenbar ganz erftillt; dieses Strebcn ist die Ursaehe seiner Schrift. Und die sehr versehiedenartigen Ausstellungen, die wir seiner Arbeit zu maehen batten and mit der ihm selber eigenen Offenheit zum Zwecke dcr Anfkl:~trung aus- gesprochen haben~ leiten wit ausnahmslos yon dem t~us der ganzen Abhandlung erkennbar werdenden Umstande t~b, dass der Autor so sehr yon diesem Streben erftillt war, dass er nieht t iber seincm Stoff stand, nieht ihn kritisch beherrsehte, sondern dass der Stoff ihn beherrsehtc.

Gleichwohl sehen wir den Autor bet dem Vergleich dieses Werkes mit seinen frtiheren theoretisehen Sehriften bereits auf dem Wege yon der reinen, das Thatsitehliehe raissaehtenden Spekulation (siehe seine Sehrift: Die mathematisch-meehanische Betrachtung morphologischer Probleme der Biologie. Jena iS91. pag. 27) zu dem Streben naeh wirklicher Erkenntnis des Thats~tehl ichen, also auf dem reehten Wege, wenn aueh noch welt entfernt yon der far die exakte Forsehung auf so schwierigem Gebiete nnerl~tsslieh nSthigen Werthseh~ttzung des Thats:~tehlichen.

Den Hauptnutzen des Bnehes ~.erspreehen wit nns davon, dass der Autor sieh dutch das Aussprechen so vieler Hypothesen and dutch die nnverhohlen knndgegebene subjektiv htihere Bewerthung derselben als deljenigen seiner Vorggnger sieh selber die Verpfliehtung aufer- legt hat, dutch lebensl~tngliehe experimentelle Arbeit die Riehtigkeit dieser Angerungen darzuthun zu suchen.

Es w~h:e sehr erfreulieh, wenn DaIsscI~ z. B. die Riehtigkeit seiner 6 Dogmen oder Axiome darth~tte, wenn er n a e h w i c s % dass rein c h e m is e h e Processe ohne 5[ithilfe sehon typiseher phys ] : - k ~ 1 i s e h e r Gestaltungsmomente die typischen organisehen Gestal- tungen hervorbringen, wenn er ferner die -yon ihm augenommenen O r g a n f e r m e n t e im Kerne darstellte and zcigte, dass sie die specifisehe Organgestaltung bedingen, wenn er die drei ~'on ihm aufgestellten pritstabilirten Ansltisungsharmonien wirklieh darlegte, and wenn er eine d i r e k t zweekthi~t ig g e s t a l t e n d e E n t w i e k e - lungs in te l l i genz im Organisehen so sicher kennbar maehte, wie

Zu H. Driesch's ,,Analytischer Theorie der organischea Entwickelung,,. 501"

wir die alas Entwjekelte e r h a l t e n d e und dureh den Meehanismus der f u n k t i o n e l l e n A n p a s s u n g noeh etwas wditer ausbildende Intelligenz kennen. Aber wenn er aueh wohl die Verifikationen dieser Seiner Grundauffassungen unterlassen wird, so enthalten doeh seine speeiellen hypothetisehen Auffassungen so manehes der experi- mentellen Prtifung' Zug~ngliehe, dass wit uns yon dem ingeniSsen Experimentator bei dem Bestreben~ sie zu beweisen, eine reiehe Ernte neuer Kenntnisse verspreehen dtirfen.