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I Int. Revueges. Hydrobiol. 1 66 I 1 I 1971 I 49-67 I DIETER MULLER und HERBERT KNOPP Referat fur Hydrobiologie der Bundesanstalt fur Gewiisserkunde Koblenz Zur Messung der Primarproduktion und der Biogenen Beliiftung in FlieBgewassern 1. Ein Laborvergleich der MeBmethodenl) On the Measurement of Primary Production and Biogenic Reaeration in Flowing Waters. 1. Laboratory Comparison of the Methods Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ............................... 2. Die Versuchsanordnung .......................... 3. Versuchsdurchf uhrung .......................... 4. Die Beziehung der mit den verschiedenen Methoden ermittelten ProduktionsgroBen zueinander ............................... 5. Die Vor- und Naehteile der einzelnen MeSmethoden ............. 6. Das Netto-Brutto-Produktionsproblem ................... 7. SchluBfolgerungen fur die MeSpraxis 8. Zusammenfassung, Summary ....................... .................... 9. Literatur ................................ 49 50 52 56 59 61 63 65 66 1. Einleitung Die Messung der Primiirproduktion findet in der stoffwechseldynamischen Betrachtung der Seen seit Jahrzehnten groBes Interesse. Das ist verstlndlich, ist doch die biochemische Transformation anorganischen Kohlenstoffs zu orga- nischem Kohlenstoff unter gleichzeitiger Freisetzung von Sauerstoff eine der Hauptfunktionen limnischer Lebensgemeinschaften und damit ein Hauptfaktor der ,,Bioaktivitat" (OHLE 1956). In der Seenkunde interessiert dabei ganz uber- wiegend die ,,Brutto"-Produktion organischer Substanz, berechnet als Menge des durch Pflanzen in einer bestimmten Zeit je Fliiche eines Gewllssers trans- formierten Kohlenstoffes. Bei der stoffwechseldynamischen Betrachtung von FlieBgewassern, insbeson- dere der organisch verunreinigten Flusse, wie sie zuerst mit der abwassertech- nischen Analyse und Berechnung des Sauerstoffhaushalts von ,,Vorflutern" entwickelt wurde, hat man die Rolle der Photoassimilation (Biogene Beluftung) zugunsten der physikalischen Sauerstoffaufnahme bis in die jungste Zeit weit- gehend iibersehen. Hier interessiert ubrigens - im Gegensatz zur Seenkunde - 1) Als Beitrag zur hydrologischen Dekade der UNESCO von der Deutschen Forschungs- gemeinschaft gefordert. 4 Internationale Revue, Bd. 56, H. 1

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Page 1: Zur Messung der Primärproduktion und der Biogenen Belüftung in Fließgewässern. 1. Ein Laborvergleich der Meßmethoden

I Int. Revueges. Hydrobiol. 1 66 I 1 I 1971 I 49-67 I

DIETER MULLER und HERBERT KNOPP

Referat fur Hydrobiologie der Bundesanstalt fur Gewiisserkunde Koblenz

Zur Messung der Primarproduktion und der Biogenen Beliiftung in FlieBgewassern

1. Ein Laborvergleich der MeBmethodenl) On the Measurement of Primary Production and Biogenic Reaeration

in Flowing Waters. 1. Laboratory Comparison of the Methods

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Versuchsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Versuchsdurchf uhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Beziehung der mit den verschiedenen Methoden ermittelten ProduktionsgroBen

zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Vor- und Naehteile der einzelnen MeSmethoden . . . . . . . . . . . . . 6. Das Netto-Brutto-Produktionsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. SchluBfolgerungen fur die MeSpraxis 8. Zusammenfassung, Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49 50 52

56 59 61 63 65 66

1. E i n l e i t u n g Die Messung der Primiirproduktion findet in der stoffwechseldynamischen

Betrachtung der Seen seit Jahrzehnten groBes Interesse. Das ist verstlndlich, ist doch die biochemische Transformation anorganischen Kohlenstoffs zu orga- nischem Kohlenstoff unter gleichzeitiger Freisetzung von Sauerstoff eine der Hauptfunktionen limnischer Lebensgemeinschaften und damit ein Hauptfaktor der ,,Bioaktivitat" (OHLE 1956). In der Seenkunde interessiert dabei ganz uber- wiegend die ,,Brutto"-Produktion organischer Substanz, berechnet als Menge des durch Pflanzen in einer bestimmten Zeit je Fliiche eines Gewllssers trans- formierten Kohlenstoffes.

Bei der stoffwechseldynamischen Betrachtung von FlieBgewassern, insbeson- dere der organisch verunreinigten Flusse, wie sie zuerst mit der abwassertech- nischen Analyse und Berechnung des Sauerstoffhaushalts von ,,Vorflutern" entwickelt wurde, hat man die Rolle der Photoassimilation (Biogene Beluftung) zugunsten der physikalischen Sauerstoffaufnahme bis in die jungste Zeit weit- gehend iibersehen. Hier interessiert ubrigens - im Gegensatz zur Seenkunde -

1) Als Beitrag zur hydrologischen Dekade der UNESCO von der Deutschen Forschungs- gemeinschaft gefordert. 4 Internationale Revue, Bd. 56, H. 1

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weniger die Menge des biochemisch transformierten Kohlenstoffs, als vielmehr die Netto-Produktion des pro Zeit und AbfluBmenge durch Assimilation frei- gesetzten Sauerstoffs. Unter ,,Netto"-Produktion ist dabei die Gesamtmenge des durch Photosynthese freigesetzten Sauerstoffs abzuglich des gleichzeitig durch griine Pflanzen veratmeten, aber einschlieBlich des von heterotrophen Organismen (Bakterien, Pilze, Tiere) veratmeten Sauerstoffs zu verstehen.

In einer Reihe fruherer Arbeiten konnten wir zeigen, daB diese Biogene Beluf- tung zumindest in der Vegetationszeit erhebliche Bedeutung fur den Sauerstoff- haushalt von FlielJgewassern hat, mit welchen Gesetzmiifiigkeiten sie jahreszeit- lich sowie in Abhiingigkeit von Lichtklima, AbfluB, Temperatur, Intoxikationen und Saprobienzustand der Gewiisser variiert ( K N ~ P P 1959, 1960, 1963, 1965, 1966, 1967, 1968). Wenn diese Untersuchungen auch interessante neue Befunde lieferten und vor allem zeigten, daB man bei der Bilanzierung des Sauerstoff- haushalts nicht auf eine Berucksichtigung der Biogenen Beluftung verzichten kann, so bleiben ihre Ergebnisse doch solange unbefriedigend fur die abwasser- technische Praxis, als nicht entweder allgemein gultige Richtwerte fur den ab- soluten Umfang dieser biogenen Sauerstoffquelle zur Verfugung stehen oder praktikable Methoden fur eine - moglichst kontinuierliche - Messung der Bio- genen Beluftung zur Anwendung kommen konnen. Ersteres durfte bei der Varia- bilitiit der Assimilationsraten in Abhangigkeit von einer Unzahl abiotischer Parameter nur sehr schwer moglich sein. Fur eine Messung kommen grundsatz- lich die aus der Limnologie bekannten Methoden der Primiirproduktionsmessung in Frage, niimlich Hell-Dunkelflaschen-Versuche in situ anhand des Gasstoff- wechsels (0,) oder mit Messung der Aufnahme radioaktiven Kohlenstoffs ((3-14- Methode) sowie die Analyse des durch die Assimilation verursachten Tag- Nachtganges der Sauerstoffgehalte im Gewiisser. Die erstgenannten zwei Ver- fahren erfordern einen sehr hohen MeBaufwand und liefern dennoch nur Einzel- werte; das letztgenannte Verfahren ist fiir die Messung der Biogenen Beliiftung noch kaum angewandt worden, bietet aber bei der heute bestehenden Moglichkeit der kontinuierlichen elektrometrischen Sauerstoffmessung in Gewassern, die bereits hier und da in ,,MeBkammern" oder in ,,Wassergute-Kontrollstationen" ausgenutzt wird, die verlockende Moglichkeit, auch die Biogene Beluftungsrate und die Primarproduktion von FlieBgewassern kontinuierlich uber liingere Zeit- raume hinweg zu messen.

Wir haben daher die drei genannten Verfahren in einer Serie experimenteller Untersuchungen eingehend verglichen und legen im folgenden die Ergebnisse dieses Vergleichs vor. Die Diskussion dieser Ergebnisse im Kreis der Fachkolle- genl) gab Veranlassung, einige fruhere - auch unserer eigenen - Vorstellungen insbesondere iiber die Beziehungen zwimhen Biogener Beluftung und Diffusion sowie iiber das Problem ,,Brutto-Netto-Produktion" zu korrigieren.

Mag auch diese Darstellung dazu dienen, daB man in Zukunft der Biogenen Beluftung insbesondere im Rahmen der abwassertechnischen Betrachtung noch mehr Aufmerksamkeit schenkt als bisher.

2. D i e V e r s u c h s a n o r d n u n g Urn die verschiedenen Verfahren zu prufen, die fur die Messung von Primarproduktion

und Respiration geeignet erscheinen, wurde folgende Versuchsanordnung zusammengestellt :

1) Fur interessante Diskussionsbeitriige danken wir besonders Friiulein G. RUDOLF, Di- plom-Biologin in Magdeburg, und Herrn Dr. W. v. TUMPLINQ, Erfurt.

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I I U

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S

E - Elektrode rnit Thermistor P - Umwalzpumpe R - Registriergerat V - Verstarker mit Temperaturkompensationsschaltung S - Sauerstoffganglinie

Abb. 1. Versuchsanordnung

Als Gewiissermodell dient ein 150 1-Aquarium (Abb. l), dessen Inhalt durch zwei kleine Kreiselpumpen so umgewiilzt wird, d a l die im Becken entstehende Turbulenz etwa der Turbulenz eines langsam flielenden oder gestauten Flusses entspricht. Die Glasabdeckung dieses Aquariums liegt nicht direkt auf dem Rand des Beckens auf, um einen naturlichen Gasaustausch zu ermoglichen.

Durch vier seitlich angebrachte Leuchtstoffrohren (40 W, 32- 1 Osram) wird das Aqua- rium so ausgeleuchtet, d a l in der Mitte des Beckens etwa 2000 Lux erreicht werdenl). Die Leuchtstoffrohren werden mit einer Schaltuhr auf Tag-Nachtrhythmus gesohaltet. Um die durch die Tag-Nachtschaltung periodisch auftretende Wiirmeabgabe der Leuchtstoffrohren in das Wasserbecken zu verringern, sind die Leuchtstoffrohren in ein Wasserkuhlbecken mit Glaswiinden eingebaut, welches von Leitungswasser durchflossen wird.

Zur Durchfuhrung der Hell-Dunkelflaschenversuche werden in das Wasserbecken Jenaer- glasflaschen eingehiingt, deren Inhalt etwa 41 ml betriigt. Die Hellflaschen werden in der Mitte des Beckens symmetrisch so aufgehiingt, d a l jeweils eine C-14-Flasche und eine Sauerstoffflasche dieselben Lichtbedingungen haben.

Um die VerPnderung des Sauerstoffgehalts im freien Wasser des Versuchsbekens fest- zustellen, ist am Auslauf einer der beiden Pumpen eine membranbedeckte Sauerstoffelek- trode mit Temperaturfiihler so eingebaut, daD an der Elektrode eine konstante Stromung herrscht. Der von der Elektrode erzeugte Strom wird iiber einen Verstarker und eine Tem- peraturkompensationsschaltung auf ein Registriergerat geleitet. Dieses Registriergeriit schreibt den Sauerstoffgehalt des Aquariums in mg pro 1 auf. Es wird ein Sauerstoffregi- striergeriit verwendet, bei dem eine Sauerstoffelektrode eigener Konstruktion rnit einer

1) 2000 Lux werden im Rhein bei Koblenz an klaren Sommertagen in einer Tiefe zwischen 0,7 und 1 m erreicht. 4'

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Temperaturkompensationsschaltung versehen wurdel). Wie die Erfahrungen bei der Eichung der Apparatur zeigten, erlaubt diese Anordnung bei abgeschalteter Kompensation und thermostatisierter Messung bei Verwendung von MeBgeriiten der Klasse 0,l (Spiegel- galvanometer) eine Meljgenauigkeit von ca. 0,02 mg O.$, bei variabler MeDtemperatur und automatischer Temperaturkompensation unter Verwendung einfacher Schreiber eine Regi- striergenauigkeit von ca. 0,3 mg O,/l.

Fur die Versuche wird das Versuchsbecken mit einer Suspension von Griinalgen (Ankistro- desmue fulmtus CORDA~)) gefiillt. Die Algenkonzentration betrug zuniichst lo4 - lo6 Zellen pro ml, wodurch Sauerstoffproduktionswerte in einer Gronenordnung erreicht wurden, wie sie unter gleichen Bedingungen auch bei im Sommer frisch entnommenem Moselwasser ge- messen wurden. Im Verlauf der Experimente wurde die Algenkonzentration und damit die Hohe der Produktionswerte variiert.

Die Probeflaschen werden in die Mitte des Wasserbeckens eingehiingt. Die Beleuchtungs- verhiiltnisse sind an dieser Stelle urn den Faktor 1,26 gunstiger als im Durchschnitt des ge- samten Beckens. Bei dem Vergleich der mit den verschiedenen MeDmethoden erhaltenen Produktionswerte wird dieser Korrekturfaktor beriicksichtigt.

3. V e r s u c h s d u r c h f u h r u n g

I n dem beschriebenen Versuchsbecken wurden an Hand der drei Methoden jeweils iiber 24 Stunden Produktionsgroaen ermittelt.

H ~ l l - D u n k e ~ ~ a s ~ ~ e n ~ e t h o ~ e Diese Methode ist aus der Seenkunde als Messung der Primiirproduktion all-

gemein bekannt und wird zum Beispiel bei SCHWORBEL (1966) beschrieben. Nach KNOPP (1959, 1960, 1965, 1967, 1968) wird diese Methode zur Bestimmung der ,,Biogenen Beliiftungsrate" verwendet.

Zur Ermittlung der Sauerstoffproduktion im Versuchswasser wurden, nach- dem dieses kriiftig durchgeriihrt worden war, zwei Glasflaschen rnit Wasser luftblasenfrei gefiillt und gasdicht verschlossen. Eine der Flaschen blieb hell ; in ihr wurde der Sauerstoffgehalt bestimmt, der sich durch Assimilation und Respiration der im Wasser enthaltenen Organismen ergibt. Eine zweite Flasche wurde verdunkelt ; in ihr verandert sich der Sauerstoffgehalt als Folge der Respi- ration. Die Differenz aus Hell- und Dunkelwerten ergibt die Bruttoproduktion an Sauerstoff. (Das Netto-Bruttoproduktionsproblem wird spiiter noch be- sprochen.) Zu Versuchsende wurde der 0,-Gehalt der Proben durch Vergiften mit 20 mg HgCl,/l fixiert. Aus unseren anderweitigen Untersuchungen steht fest, da8 mit dieser Fixierung biochemische Stoffumsetzungen schlagartig ge- stoppt werden. Bei der nachfolgenden Aufarbeitung der Proben ist jedoch darauf zu achten, da13 untersiittigte Proben nicht ohne gasdichten VerschluB bleiben und da13 iibersiittigte Proben zur Vermeidung von Gasverlusten moglichst sofort - evtl. unter Kiihlung bis auf die dem 0,-Gehalt entsprechenden Siittigungs- temperaturen - ausgemessen werden. Der Sauerstoffgehalt in den einzelnen Flaschen wurde mit einer Elektrode eigener Konstruktion und Fertigung be- stimmt. Die MeIjgenauigkeit ist dabei im Vergleich zur Winklerrnethode nahezu urn den Faktor 10 erhoht, wenn die elektrometrische Messung thermostatisiert

l) Herrn Diplom-Physiker F. GUNNEBERQ, Koblenz, danken wir fur seine wertvollen

2) Fur die Bestimmung der Algenart danken wir Herrn Priv.-Doz. Dr. H. E. KLOTTER, Ratschlage zur Auslegung der Kompensationsschaltung.

Mainz.

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Primiirproduktion und Biogene Beliiftung in FlieDgewiissern. 1. 53

durchgefiihrt wird. AuBercdem wird der Arbeitsaufwand auf einen Bruchteil reduziert .

G-1CMethode Entsprechend der Sauerstoffmethode wurde die Primiirproduktionsmessung

mit NaH14C0, als Hell-Dunkelflaschenmethode durchgefuhrt. Hier wird als MeBgroBe die in den Algen bei der Assimilation fixierte C-14-Menge verwendet. Der Methode liegt die Arbeit von STEEMANN NIELSEN (1952) zugrunde. Bei der Durchfiihrung der Arbeiten wurden die Ratschliige der UNESCO (1966) beriick- sic htigt .

Die Ampullenaktivitiit muBte nicht bestimmt werden, da von einer NaH14C0,- Losung ausgegangen wurde, deren Aktivitlit von der Lieferfirma (Buchler u. Co. Braunschweig) genau angegeben wird. Als Detektor diente ein Geiger-Muller- Zahlrohr mit einem extrem dunnen Fenster (Fliichenbelegung 1,13 mg/cmz)l). Die Wirkungsgradbestimmung wurde mit Algenmaterial in Anlehnung an STEEMANN NIELSEN (1965) durchgefuhrt.

Im einzelnen wurde folgende Arbeitsweise angewandt : Die Flaschen fur die Produktionsbestimmung nach der C-14-Methode wurden

parallel zu den Flaschen fiir die Sauerstoffmethode mit dem algenhaltigen Was- ser &us dem Versuchsaquarium gefullt. I n jede der Flaschen wurde 1 ml einer NaH14C0,-Losung zugegeben, deren Aktivitiit 20 pCi)ml betrug. Diese Flaschen wurden als Hell- und Dunkelflaschen in das Becken eingehiingt. Nach Versuchs- ende wurden aus den C-14-Flaschen jeweils 5 ml durch ein Membranfilter mit der PorengroBe 0,6 pm filtriert. Die Algenmenge die hierbei auf das Filter gelangte war so gering, daB noch keine Selbstabsorption berucksichtigt werden muote. Erst bei einer Filtration von mehr als 10 ml wurde die MeDrate durch Selbst- absorption verringert.

Da bei Vorversuchen eine Behandlung des Filterruckstands rnit HC1 keine Auswirkung auf die MeBrate hatte, wurde auf eine Siiurespulung verzichtet, zumal eine derartige Spulung die gleichmaI3ige Belegung der Filterpliittchen storen kann. Bevor die Filter ausgemessen wurden, wurden sie mindestens 24 Stunden im Exsikkator uber Silikagel getrocknet.

Aus der Impulsdifferenz aus Hell- und Dunkelflaschen wird die C-14-Auf- nahme und aus dieser wiederum die C-Aufnahme errechnet. Da nach STEEMANN NIELSEN (1955) 1*CO, etwa 6% langsamer assimiliert wird als 12CO,, wurde eine entsprechende Korrektur der Versuchsergebnisse vorgenommen. Fur die Er- mittlung der Kohlenstoffaufnahme ist die Bestimmung der Kohlenstoffkonzen- tration (anorg.) Bedingung. Zu Beginn eines jeden Versuchs wurde deshalb der pH-Wert sowie das Saurebindungsvermogen bestimmt. Aus diesen Werten wurde nach den Zahlenangaben von HARVEY und RRODE der Kohlenstoffgehalt berechnet.

Wie bei der Sauerstoffmethode wurde auch bei der C-14-Methode mit Doppel- proben gearbeitet.

Auswertung von Sauerstoffganglinien Die Auswertung der Ganglinien wurde zuniichst nach der Formel von BRUJE-

WITSCH (1936) vorgenommen. ,,Nach dieser Formel betriigt die innerhalb von

1) Hier sei dem Leiter des Referates fur Radioaktivitiitsfragen bei der Bundesanstalt fur Gewasserkunde, Herrn Dr. BLOCK, fur seine Beratung und die Bereitstellung der MeO- einrichtung herzlichst gedankt.

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24 Stunden entwickelte Sauerstoffmenge:

Dabei sind AO,,,, der Unterschied zwischen maximalem und minimalem 0,-Gehalt im Verlauf von 24 Stunden; doznachts die Sauerstoffabnahme wiih- rend der Nacht, n die Lllnge des Tages in Stunden und K ein Koeffizient ; dieser ist gleich dem Verhaltnis zwischen der Zeit von Sonnenaufgang bis zum nachmit- taglichen Maximum und der Liinge des Tages in Stunden und wird zu 0,85 angenommen." (Aus ALEKIN 1962, S. 251)

I m Verlauf der Untersuchungen zeigte sich jedoch, da13 zur Auswertung der Sauerstoffganglinien die Methode von MCCONNELL (1962) vorteilhafter ist. Die Vorteile dieser Methode sollen erst spiiter besprochen werden.

Wie BRUJEWITSCH und auch ODUM (1956) setzt MCCONNELL voraus, daS die Respiration, so wie sie in den Nachtstunden gemessen wird, auch wahrend der Tagstunden weiterlauft.

- gemessene Sauerstoffkonzentrotion --- unter Berucksichtigung der Diffusion ermittelte

Sauer stoffganglinie

Abb. 2. Dreipunkteauswertung nach MCCONNELL

Abb. 2 zeigt, wie aus den Sauerstoffwerten von Sonnenuntergang, Sonnenauf- gang und dem nachsten Sonnenuntergang innerhalb einer 24-Stundenperiode die Bruttoproduktion graphisch ermittelt werden kann (Dreipunkteauswertung).

Stehen fiir die Produktionsermittlung s ta t t der Sauerstoffganglinien nur die MeSwerte an den drei fiir diese Dreipunkteauswertung wesentlichen Punkten zur Verfugung, so l a D t sich die Sauerstoffproduktion auch direkt nach folgender Formel errechnen:

In dieser Formel ist Po, die Sauerstoffproduktion, 0, sul der Sauerstoff- gehalt bei Sonnenuntergang, 0, s1J2 der Sauerstoffgehalt nach Ablauf einer 24-Stundenperiode und 0, sA der Sauerstoffgehalt bei Sonnenaufgang.

Insgesamt wurden 24 Vergleichsversuche durchgefiihrt. Ihre Ergebnisse sind i n Abb. 3 dargestellt.

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Bei den Versuchen 1-8 war das Versuchswasser an 0, iibersiittigt. Um den EinfluR der Diffusion auf den Verlauf der Sauerstoffganglinien zu untersuchen, wurde bei den Versuchen 9- 16 eine Sauerstoffsiittigung von etwa 50% ange- strebt, wie sie in abwasserbelasteten Fliissen hiiufig ist. Durch kontinuierliche Zudosierung einer sterilen Niihrlosung (0,57 g Pepton und 0,57 g Glukose in 57 ml Wasser pro Tag) konnte diese Untersiittigung gesteuert werden. Die Ver- suche 17-23 wurden durch Verkiirzung der Lichtphasen so durchgefiihrt, daR sich die Sauerstoffkonzentration moglichst um den Sattigungspunkt bewegte.

4. Die B e z i e h u n g der rn i t d e n v e r s c h i e d e n e n M e t h o d e n e r m i t t e l t e n P r o d u k t i o n s g r o f i e n z u e i n a n d e r

Die nach den verschiedenen Methoden ermittelten Produktionswerte liegen bei den einzelnen Versuchen etwa in derselben GroRenordnung. Stiirkere Ab- weichungen treten vor allem bei den Versuchen 9-16 auf. Diese hohen Abwei- chungen konnen aber nicht allein auf die hier erhohte Diffusion von Sauerstoff in das an Sauerstoff untersiittigte Wasser zuriickgefiihrt werden, vielmehr scheint durch das erhohte Bakterienwachstum bei diesen Versuchen die Sedimentations- rate der Algen erhoht worden zu sein (Mitflockung). Dadurch setzte sich ein Teil der Algen am Boden ab und wurde nicht mehr optimal belichtet. I m Gegensatz zu den Algen im freien Wasser wurden aber die Algen in den Flaschen im optimalen Licht gehalten. Die Assimiletionswerte liegen deshalb zwangs- laufig in den Flaschenproben hoher. Es ware im weiteren von Interesse, zu unter- suchen, ob dieser Effekt der Mitflockung auch in abwasserbelasteten Fliissen eine erhebliche Bedeutung fur die biogene Beliiftung hat.

Hell-Dunkelflaschenwerte - C-14- Werte Um die Sauerstoff- und Kohlenstoffwerte miteinander vergleichen zu konnen,

miissen diese Werte zuniichst auf eine gemeinsame GroRe umgerechnet werden. Die Umrechnung kann mit demAssimilationsquotienten 1,21 erfolgen, der fiir die Griinalge Scenedesnzus obliquus bestimmt wurde (BROWN 1948).

Dieser Assimilationsquotient wurde von BROWN aus folgender experimentell ermittelter Assimilationsgleichung errechnet :

6 CO, + 5,5 H,O 3 C,H,,O, + 7,25 0, Nach dieser Gleichung entspricht 1 mg an aufgenommenem Kohlenstoff

3,22 mg in das Medium abgegebenem Sauerstoff. Wie das Korrelationsschaubild (Abb. 4) zeigt, liegen die (3-14- und Sauerstoff-

werte zum Teil recht weit von der Korrelationsgeraden entfernt. Die Streuung der Werte scheint regellos, wenn insgesamt die C-14-Methode auch etwas hohere Produktionswerte ergab. Dieses Ergebnis ist deshalb verwunderlich, da, wie noch zu besprechen sein wird, die C-14-Methode Werte zwischen Netto- und Bruttoproduktion liefert. Auch eine eventuelle Ausscheidung von markierten Assimilaten hiitte zu niedrige C-14-Werte zur Folge. Da aber die Ermittlung des Wirkungsgrades wie auch des Assimilationsquotienten nie sehr zuverlassig sein kann, sollte diesem Ergebnis keine groRere Bedeutung zugemessen werden, zu- ma1 sich ja die Korrelation von Versuch zu Versuch stark andert.

Will man Produktionswerte miteinander vergleichen, so sollten diese stets mit der gleichen Methode aufgenommen worden sein. Wurden verschiedene Methoden angewandt, so liegt in der Umrechnung stets ein Unsicherheitsfaktor,

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der eigentlich bei jeder Algenpopulation neu kontrolliert werden miiBte. Selbst bei verschiedenen physiologischen Zustiinden einer Algenpopulation kann sich dieser Umrechnungsfaktor iindern.

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5 10 QmgI" Mc CONNELL -3-Punkte-Auswertung der QGangkurven unter Berucksichtigung der Diffusion

Abb. 5. Vergleich der Hell-Dunkelflasohenwerte mit den MCCONNELL- Werten

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Da die Korrelation der 0,-Werte zu den aus den Sauerstoffganglinien ermittel- ten Werten wesentlich besser ist (Abb. 5 ) ) mu13 man die groBe Streuung in Abb 4 wohl auf die Ungenauigkeit der C- 14-Methode und deren Durchfuhrung zuruck- fuhren. Durch Verwendung von hoheren Aktivitiiten und vor allem bei Verwen- dung einer empfindlicheren MeBapparatur, z. B. MethandurchfluRziihler, lieBe sich eine geringere Streuung erreichen. Der fur die Messung der Primiirproduk- tion in Seen offenkundige Vorteil der C-14-Methode, auch kleinste Produktionen noch erfassen zu konnen, spielt fur die Analyse der biogenen Beluftung hingegen keine Rolle, da hier ohnehin nur grol3ere Produktionsraten interessieren.

Abb. 5 zeigt die Korrelation der Sauerstoff-Hell-Dunkelwerte zu den Werten, die nach der McCoNNELL-Dreipunkteauswertung gewonnen wurden. Die Streuung dieser Werte urn die Korrelationsgerade ist gleichmiiBig, wenn man von den Werten 10-17 absieht. Wie schon besprochen, wurden diese Werte ge- messen, wiihrend der Sauerstoffgehalt im Versuchsbecken durch die Zugabe einer Nahrlosung gesenkt worden war, wodurch sich die Sedimentationsrate im freien Wasser des Beckens stark erhohte. Die Werte, die nach der BRuJEwITscH-Formel aus den Sauerstoffganglinien ermittelt wurden, weichen von den Hell-Dunkel- flaschenwerten stiirker ab als die Werte nach MCCONNELL. Der Koeffizient K der BRuJEwITScH-Formel konnte bei der Auswertung dieser Versuche nicht gleich 0,85 gesetzt werden. Bedingt durch die konstante Beleuchtungsstiirke bis zum ,,Sonnenuntergang" betrug er stets 1. Durch die gleichmiifiige Beleuch- tung von ,,Sonnenaufgang" bis ,,Sonnenuntergang" entsprach der Verlauf der Sauerstoffganglinien fast einer Zickzacklinie, wahrend bei natiirlicher Beleuch- tung der Tagabschnitt mehr an eine Sinuslinie angenahert ist.

Beriicksichtigung der Diffusion Die Sauerstoffganglinien werden auBer von Produktion und Respiration vom

physikalischen Sauerstoffaustausch durch die Wasseroberfliiche beeinflul3t. Die Diffusionsrate hiingt stark vorn Gewiissertyp ab, insbesondere vom Verhiiltnis von Gewiisservolumen bzw. Gewiisserquerschnitt zur Gewiisseroberfliiche, von der Turbulenz und auch von der Windeinwirkung auf die Gewiisseroberfliiche.

Nach der Tabelle von IMHOFB (1963, S. 304) kann man die Diffusionsrate bei 20" C fur einzelne Gewassertypen in Abhangigkeit vom Sattigungsgrad ab- schatzen. Bei Ubersattigung erfolgt die Sauerstoffabgabe mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Sauerstoffaufnahme bei entsprechender Untersiittigung. Im Prinzip wird also die Schwingung des Tag-Nacht-Ganges der Sauerstoff- gehalte durch die Diffusion ,,gediimpft". Diese Diimpfung erfolgt so, da13 die Sauerstoffgehalte zur Siittigung hin veriindert werden.

Fur das Versuchsaquarium wurde die Diffusionsrate bei eingeschalteter Um- wiilzung experimentell bestimmt. Hierzu wurde der im Wasser geloste Sauerstoff mit Stickstoff ausgetrieben, wodurch sich der Sauerstoffgehalt von 9,6 auf 2,8 mg/l senkte. Die Sauerstoffkonzentration wurde durch ein Registriergerat kontinuierlich aufgeschrieben. Nach 48 Stunden war der 0,-Gehalt wieder auf 9,3 mg/l angestiegen. Bei 40% Sattigung betrug die Sauerstoffaufnahme 2,94 g/mZ Tag gegenuber 2,9 g/mZ Tag bei einem groBen See und 4,O g/ma Tag bei einem langsam fliel3enden Flu13 (Werte fur See und Flu13 nach IMHOFF). Nachdem fur das Versuchsbecken die Diffusionsrate bekannt war, war es mog- lich, die Sauerstoffganglinien so zu errechnen, wie sie bei fehlender Diffusion regi- striert worden wiiren. Hierfiir wurde aus der IMHoFFschen Tabelle die Diffusions-

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rate pro Tag bei dem jeweiligen Sittigungsgrad entnommen bzw. interpoliert, und in Diffusionsrate pro Stunde umgerechnet. Mit Hilfe dieser Diffusionsrate konnte der Kurvenverlauf dann jeweils fur einen Stundenschritt korrigiert werden. Bei Kurven im Bereich der Unterslittigung wird dabei die Steigung negativer und bei Ubersiittigung entsprechend positiver. Aus den so korrigierten Kurven liiBt sich die Produktion ohne Diffusionsfehler ermitteln. Andert sich die Wassertemperatur wahrend der Versuchszeit stark, so mu13 dies bei der Ermitt- lung des jeweiligen Sattigungsgrades beachtet werden.

der untersuchten Kurven war der Diffusionsfehler bei der Produktions- berechnung kleiner als 10 % des Produktionswertes, der ohne Beriicksichtigung der Diffusion ermittelt wurde. In Einzelfiillen betrug die Abweichung bis zu 30%. Die Zahl der zu hohen Werte entsprach etwa der Zahl der zu niederen Werte.

Nimmt man bei der Diffusionsberechnung wesentlich hohere Diffusionswerte an, dann ergeben sich kaum grol3ere Diffusionsfehler, denn die Diffusionskorrek- tur wirkt sich auf beide Teile der Sauerstoffganglinie, deren Steigungen in der Regel gegenliufig sind, aus ; diese beiden Teile werden so gleichsinnig verandert, daB sich der Abstand P in Abb. 2 nicht wesentlich von P unterscheidet. Wenn eine derartige Ganglinie genau symmetrisch ist, das heiBt, wenn die Lichtzeit gleich der Dunkelzeit und der Respirationsabfall gleich dem Anstieg der Kurve wahrend der Lichtzeit ist, iindert sich der Produktionswert bei Beriicksichtigung der Diffusion hochstens minimal. Die Entscheidung, ob und wie Diffusionsfehler bei der Auswertung von Tag-Nachtganglinien zu beriicksichtigen sind, hangt daher von den Symmetrieverhiiltnissen der gemessenen Ganglinien ab.

Bei

5. Die Vor- u n d N a c h t e i l e der e i n z e l n e n Mef i rne thoden Sowohl die Limnologie als auch die Wasserwirtschaft interessieren sich bei der

Primiirproduktionsforschung in erster Linie fiir die Nettoproduktion und nur in zweiter Linie fur die Bruttoproduktion. Die Bruttoproduktion gibt Eiir den Limnologen an, wieviel organische Substanz durch Assimilation gebildet wird, wobei jedoch ein Teil dieser Produktion gleichzeitig auch wieder ,,veratmet" wird ; dem Wasserwirtschaftler sagt sie, wieviel des von der Gesamtbiozonose benotigten Sauerstoffs durch ,,biogene Beliiftung" von Algen gebildet wird.

Die Nettoproduktion hingegen ist einerseits ein MaB fiir den Zuwachs orga- nischer Substanz (Organismen) im Gewasser, andererseits gibt sie aber auch an, wieviel Sauerstoff durch ,,biogene Beliiftung" den heterotrophen Oi-ganismen, d. h. im ubertragenen Sinne der Selbstreinigung, zur Verfiigung gestellt wird. Dieser ,,biogenen Beluftung" kommt gerade im FlieBgewiksser, aber auch im Oxydationsteich besondere Bedeutung fur den Sauerstoffhaushalt zu.

Leider liil3t sich weder fur die Netto- noch fur die Bruttoproduktionsmessung eine vollkommene Methode angeben. Bei siimtlichen ProduktionsmeBmethoden mussen niimlich vereinfachende Annahmen gemacht werden. Die Hell-Dunkel- flaschenmethode setzt die Atmung in der Hellflasche gleich der Atmung in der Dunkelflasche. In Wirklichkeit diirfte die Atmungsaktivitlit aber der Menge der angesammelten Assimilate proportional sein, d. h. in der Hellflasche wird sie wiihrend der Belichtung zunehmen und in der Dunkelflasche vom Beginn des Versuchs an abnehmen. Die Differenz aus den Sauerstoffgehalten der beiden Flaschen ist also etwas kleiner als die tatsiichliche Produktion.

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60 DIETER MULLER und HERBERT KNOPP

Andere Unsicherheiten kennzeichnen die C-14-Methode : 1. Ein Teil der markierten Assimilate kann an das Medium abgegeben werden.

Wie hoch die Menge dieser Exkrete ist, wird stark von der jeweiligen Stoffwech- sellage abhiingen. FOGG (1958) konnte nachweisen, daB die Exkretion (2-14- haltiger Substanzen in das AuBenmedium von der Lichtintensitat abhiingig ist, eine Erscheinung, die in der Stoffwechselphysiologie der Mikroorganismen als Uberflutungsstoffwechsel bekannt ist (MULLER, 1966).

2. Zwischen noch nicht aufgenommenem und durch Atmung wieder abgege- benem (3-14 kann nicht unterschieden werden. Daher liegen samtliche mit der C-14-Methode ermittelten Produktionswerte intermediar zwischen Brutto- und Nettoproduktion (STEEMANN NIELSEN 1952, HUBEL 1966). Bei Kurzzeitver- suchen entsprechen diese Werte mehr der Bruttoproduktion, bei Langzeit- versuchen mehr der Nettoproduktion. Der Fehler wird dann grol3, wenn $e Bruttoproduktion die Atmung nicht wesentlich ubersteigt. 1st die Bruttopro- duktion jedoch ein Vielfaches der Atmung, wie dies in der Regel bei starker Be- lichtung der Fall ist, so wird dieser Fshler vernachliissigbar klein (STEEMANN NIELSEN 1952). Hieraus folgt, daI3 der groBe Vorteil der C-14-Methode, niimlich ihre groBe, mit der eingesetzten Aktivitiit fast beliebig steigerbare Empfindlich- keit bei schwacher Belichtung, also z. B. im - relativ zu Seen - schlechten Lichtklima der groI3en zurneist stark getrubten FlieBgewiisser, nicht voll aus- genutzt werden kann. Durch gleichzeitige Kurz- und Langzeitversuche konnte man die Verschiebung der Produktionswerte von Brutto- zu Nettoproduktion zwar verfolgen, wenn hier nicht die Fehler hinzukiimen, die den Wert jedes Flaschenexperiments vermindern. I n der Flasche konnen physiologische Vor- giinge im Vergleich zum freien Wasser gebremst oder beschleunigt ablaufen. Die Fehler der Flaschenexperimente beschreibt zum Beispiel SCHWOERBEL (1966).

Diese Fehler des Flaschenexperiments lassen sich vermeiden, wenn man im freien Wasserkorper produktionsabhiingige Stoffkonzentrationen untersucht. Aus der Abnahme der Sauerstoffkonzentration wiihrend der Nacht liiBt sich der Sauerstoffverbrauch durch Atmung pro Stunde oder pro Tag bestimmen. Dies wird in den FormeIn von BRUJEWITSCH, MGCONNELL und auch bei ODUM (1956) gemacht. Vereinfachend wird dabei angenommen, die Atmung wiire wiihrend 24 Stunden konstant. Wie in Abb. 2 angedeutet ist, gleiohen sich die positiven und die negativen Abweichungen der Atmungskurve fur die Nacht von der ein- geqeichneten Durchschnittsatmung etwa aus. Die Abweichungen wiihrend des Tages diirften sich ebenfalls ausgleichen. Die Atmung am Vormittag wird nie- derer als die Durchschnittsatmung sein. Am Nachmittag, wenn wieder mehr Assimilate zur Verfiigung stehen, wird die Atmung wieder ansteigen.

Nach BRUJEWITSCH und MCCONNELL errechnet sich die Bruttoproduktion aus der Differenz des Sauerstoffgehalts, der bei Dauerdunkel erreicht worden ware, und dem tatsachlich am Tag erreichten Sauerstoffgehalt. BRUJEWITSCH benutzt als MeBzeitpunkt das Sauerstoffmaximum des Tages, wiihrend MGCON- NELL den Zeitpunkt des Sonnenuntergangs benutzt. Bei der BRUJEWITSCH- Methode wird ein Teil der nachmittiiglichen Produktion dann vernachlassigt, wenn das Sauerstoffmaximum schon vor Sonnenuntergang erreicht wird. Dies ist unter natiirlichen Lichtbedingungen haufig der Fall. Die tatsachliche Pro- duktion erhalt man also am besten mit der ,,3-Punkte-Auswertung" nach MCCONNELL. Diese Werte lassen sich direkt mit den Werten der Hell-Dunkel-

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Primarproduktion und Biogene Beliiftung in E’lieBgewiissern. 1. 61

flaschenmethode vergleichen. Verlauft die Kurve deutlich unsymmetrisch und herrscht wiihrend der Versuchszeit deutlich Uber- oder Untersattigung, so mull zunachst die Diffusion beriicksichtigt werden.

Die Rechenmethode nach ODUM (1966), bei der zunachst die Anderungsrate der Sauerstoffkonzentration ermittelt wird, mu8 die gleichen Werte ergeben wie die 3-Punkte-Auswertung, sie ist aber wesentlich komplizierter (MCCONNELL).

6. Das N e t t o - B r u t t o - P r o d u k t i o n s p r o b l e m Wie schon besprochen, laBt sich die C- 14-Methode im kritisch kontrollierten

Kurzzeitexperiment zur Messung der Nettoproduktion verwenden. Mit keiner der anderen Methoden ist es moglieh, die Nettoproduktion einer natiirlichen Algenpopulation zu bestimmen. Da sich hieriiber in der Literatur unklare Angaben finden, sol1 das Netto-Bruttoproblem hier ausfiihrlich besprochen werden.

Zur Vereinfachung denken wir uns zunachst eine Algenrein kultur, bei der wir keine Bakterienrespiration beriicksichtigen miissen. Wenn wir mit dieser KuItur einen Hell-Dunkelflaschenversuch ansetzen, so steigt der Sauerstoff- gehalt in der Hellflasche uber den Anfangsgehalt hinaus. In der Dunkelflasche nimmt der Sauerstoffgehalt durch die Atmung der Algen ohne gleichzeitige Photosynthese ab. Hier errechnen wir die Algenrespiration aus der Differenz zwischen Anfangssauerstoffgehalt und dem Sauerstoffgehalt der DunkeIflasche. Die Algennettoproduktion, d. h. der Produktionsanteil, den die Algen nicht wahrend des Experiments selbst veratmen, wird entsprechend aus der Differenz zwischen dem Sauerstoffgehalt der Hellflasche und dem Anfangssauerstoffgehalt errechnet. Die Summe aus Respiration und Nettoproduktion ergibt hier die Bruttoproduktion, diese konnen wir auch direkt als Differenz zwischen den Sauerstoffkonzentrationen der Hell- und der Dunkelflasche errechnen.

I m natiirlichen Gewiisser, wo mit den autotrophen Organismen stets hetero- trophe vergesellschaftet sind, kommen wir mit dieser Rechenmethode zu einer falschen Beurteilung der Produktionsverhaltnisse und damit der Biogenen Beliiftung. Die Differenz aus Anfangssauerstoffgehalt und dem Dunkelflaschen- wert entspricht hier der Respiration von Algen und Heterotrophen zusammen. Die Algenatmung 1aSt sich isoliert ebensowenig bestimmen wie die Respiration der Heterotrophen. Wie bei der Algenreinkultur gibt die Differenz aus Hell- und Dunkelflaschenwert die Bruttoproduktion an, denn beide MeSwerte sind gegeniiber dem Anfangssauerstoffgehalt um die Summe des von autotrophen u n d heterotrophen Organismen veratmeten Sauerstoffs vermindert. Man darf allenfalls annehmen (s. o.), da8 man auf diesem Wege auch die Bruttoproduktion grundsatzlich zu niedrig bestimmt, weil die Respiration der Algen im Hellen bei stiindiger Neubildung von Assimilaten wahrscheinlich groSer ist, als bei liingerer Dunkelheit.

Da sich die Algenatmung nicht isoliert bestimmen IiiBt, konnen wir auch keine exakten Angaben iiber die Nettoproduktion machen. Die Differenz aus Hell- flaschenwert und Anfangssauerstoffgehalt sagt bei einer natiirlichen Population nichts uber die Algennettoproduktion BUS. Sie kann allenfalls zur Beurteilung des Einflusses der 0,-Ausscheidung auf die Sauerstofflinie eines FlieSgewlssers herangezogen werden.

Um zu veranschaulichen wie groS der Fehler sein kann, den man macht, wenn man aus der Differenz von Hellflaschenwert und Anfangssauerstoffgehalt auf die

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Produktion schlieBt, sei folgendes - allerdings erwas extremes - Zahlenbeispiel aufgefiihrt: Anfangssauerstoffgehalt 6 mg/l, Hellflaschenwert nach 24 Stunden 6 mg/l ,Dunkelflaschenwert nach 24 Stunden 2 mg/l. Die Bruttoproduktion ist hier gleich der Respiration von Algen und heterotrophen Organismen zusammen, nllmlich 6 - 2 = 4 mg/l. Diese Bruttoproduktion leistet einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung des Sauerstoffhaushalts des hier als stark mit Abwasser belastet angenommenen Gewiissers und darf also nicht vernachllissigt werden.

Wie die Hell-Dunkelflaschenmethode erlaubt auch die Auswertung von Tag- Nachtganglinien des Sauerstoffgehalts keine Trennung von Algenatmung und der Atmung der Heterotrophen. Daraus folgt, dal3 auch mit dieser Methode nur die Bruttoproduktion bestimmt wird. ,

Versuche, die wir unternommen haben, mit chemischen Mitteln (Antibiotica, Sulfonamide) entweder die mikrobielle Atmung oder die Respiration der Algen bei Hell-Dunkelflaschenversuchen selektiv auszuschalten , brachten bislang keine befriedigenden Ergebnisse ; zwar erwies sich die mikrobielle Atmung bei Vergif- tung mit Bacteriostatica zumeist als empfindlicher als die Algenatmung, fiir ihre vollige Ausschaltung muB man jedoch stets Giftstoffkonzentrationen anwenden, die zumindest eine Teilvergiftung auch der Algenatmung verursachen.

Respiration ( BSBl in situ)

I P IDJ I I [OH9 [OH'I

O D OA O H 02-Gehalt

Resp. der

Hetero troph.

Resp. der

troph. Auto-

Abb. 6. Zur Diakuaaion der Grundwerte im Hell-Dunkelflwwhenverauch

1st hiernach der Weg zur exakten Messung der vornehmlich interessierenden Nettoproduktionsraten noch verschlossen, so erscheint es doch interessant zu untersuchen, ob man sich diesem Wert nicht unter Zuhilfenahme anderer Me& daten weiter nahern kann. Bezeichnen wir im Konzentrationsbereich eines Hell- Dunkelflaschenversuchs (Abb. 6) den Anfangssauerstoffgehalt als O g , den 0,- Gehalt der Dunkelflasche als OD und den der Hellprobe als OH, so ist 0~ - 0, gleich der Respiration der Biozonose, Oa - O D (= OH- - OA) entspricht der Rruttoproduktion an Sauerstoff. Die Respirationsrate OA - 00 setzt sich aus der Respiration der griinen Pflanzen (z. B. OA - OD,) und der Respiration heterotropher Organismen (z. B. OD. - O D ) zusammen. Die Nettoproduktion ware demnach OH - OD,, ein Wert, der sich nicht exakt bestimmen IiiBt, weil OD, mel3technisch vorerst nicht fal3bar ist. Halten wir aber fest, daB die Netto- produktion und damit die Biogene Beluftung auf jeden Fall groBer als OH - OA und kleiner als OH - OD sein mul3. Die Werte Oat und OH,, wiiren iibrigens i n der Hellflasche erreicht worden, wenn die Respiration von Autotrophen und Heterotrophen ohne Storung der Photosynthese selektiv ausgeschaltet worden wke .

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Primarproduktion und Biogene Beluftung in FlieDgewlssern. 1. 63

Es gilt nun zu uberlegen, wie das Verhaltnis der Heterotrophenatmung (OD* - O D ) zur Atmung der Autrotophen (0, - 00.) in Einzelfiillen aussehen mag. Man darf annehmen, dalj im relativ niihrstoffarmen (oligosaproben) Gewiisser die Algenatmung ( O A - O D , ) groljer als die Atmung der Heterotro- phen ( O D , - OD) ist, weil hier zumeist nicht alle produzierte Substanz in den heterotrophen Stoffwechsel einbezogen wird. Der Quotient aus Produktion und Respiration ist hier auf niedrigem trophischen Niveau groljer als 1 (PIR 1). Mit steigendem Trophiegrad (= Verschmutzung) steigt der Anteil der Hetero- trophen an der Gesamtrespiration und diese nimmt exponentiell zu. Zur hoch- sten Saprobiestufe hin, in der Biogene Beluftung noch eine Rolle spielen kann (KNOPP 1968), dem a-mesosaproben Bereich, ist die Atmung der Heterotrophen ( O D , - O D ) wesentlich gro13er als die Atmung der Algen (0, - O D , ) ; dann wird die Nettoproduktion groljer als die Differenz aus der Bruttoproduktion und der Hiilfte der Gesamtatmung, oder ausgedriickt in den Symbolen der Abb. 6:

Ganz dem entsprechend haben wir schon fruher in Modellversuchen gefunden, da13 nur bei ausgesprochenen Wasserblutenbildungen mehr als 50% des BSB auf die Respiration von Algen zuruckzufuhren war (KNOPP 1959a).

Diese Uberlegungen mogen vor allem dem Seenkundler fremd erscheinen, der gewohnt ist zu folgern, dal3 die Menge organischer Stoffe, die im geschlossenen See durch Photosynthese gebildet wird, auch im See und mit dessen 0,-Vorrat wieder destruiert werden musse, soweit sie nicht unabgebaut ins Sediment ein- gehe. Deshalb sei hier darauf hingewiesen, dalj fur den ,,offenen" Stoffwechsel eines groljen Flieljgewiissers grundstitzlich einige andere Beziehungen gelten als fur den geschlossenen Stoffkreislauf des Sees. I m Flieljgewiisser - zumindest gilt das fur das mit der flieljenden Welle transportierte Phytoplankton - voll- zieht sich der aus dem stehenden Gewiisser bekannte zeitliche Ablauf von Pro- duktion und Destruktion gleichzeitig in riiumlicher Trennung. Die Produktions- stiitte (Flulj) wird nur inAusnahmefallen(Obergang zum Winter, Staue mit groljer Aufenthaltszeit, Vergiftung durch toxische Abwasser) auch zum Ort der Destruk- tion der durch Photosynthese gebildeten organischen Substanz. Deren Haupt- menge stirbt erst im marinen Mundungsbereich mit der Aussalzung ab und wird uberwiegend erst hier destruiert. Es erscheint uns daher erlaubt, die vorstehen- den Uberlegungen als Basis fur eine Diskussion der Beziehungen zwischen Brutto- und Nettoproduktion zu verwenden.

Fur die Praxis der Messung diirfen wir vorerst den SchluB ableiten, man solle zur Bestimmung der Nettorate der Biogenen Beluftung und der Primiirproduk- tion mit Hell-Dunkelflaschenversuchen oder der Analyse von Tag-Nachtgang- linien auch den BSB beriioksichtigen (Dunkelflasche, Nachtabfall der Sauerstoff- ganglinie). Dann kommt man der Nettoproduktion bei Analysen am verun- reinigten Flieljgewiisser am niichsten, wenn man diese fur 24 h mit

BSB, PNetto 2 PBrutto - 2 ansetzt.

7. S o h l u B f o l g e r u n g e n fur die M e B p r a x i s Die C-14-Methode wird sich dort bewiihren, wo nur sehr niedere Produktions-

werte erreicht werden, die sich rnit den Sauerstoffmethoden nicht mehr fest-

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stellen lassen. Dies wird vor allem fur oligosaprobe Gewasser und fur die Messung der Primiirproduktion in nur schwach durchlichteten Gewiissern, z. B. unter eine schneebedeckten Eisschicht der Fall sein.

Die Menge der bei in-situ-Experimenten in ein Gewiisser eingebrachten radio- aktiven Substanz kann so gering gehalten werden, dal3 durch die bei einem even- tuellen Bruch von Glasflaschen eintretende Verdiinnung die Radioaktivitiit des Gewassers weit unter der Toleranzgrenze bleibt.

Die Hell-Dunkelflaschenmethode mit Produktionsmessung anhand des Gas- stoffwechsels liiBt sich in allen Gewiissern einsetzen, in denen eine fur die Wasser- wirtschaft interessante Primiirproduktion stattfindet. Da sie in der Durchfiih- rung zuverliissiger und apparativ wenig aufwendiger ist, sollte man diese Methode der C-14-Methode in der Regel vorziehen (auch wenn man dann liingst nicht so ,,modern" arbeitet).

Wie die C- 14-Methode ist die Hell-Dunkelflaschenmethode dann mit einem sehr groBen technischen Aufwand verbunden, wenn man gleichzeitig Messungen iiber eine groBere Gewiisserregion verteilt durchfiihren will, da ja meist Tiefen- profile aufgenommen werden mussen. ,,Man benotigt fur jede Probestelle schweres Geriit zum Aushiingen der Probeserien und damit groBere Schiffe zum Ausbringen dieses Geriites" (KNOPP 1968, Abschnitt Biogene Beluftungsrate). Da der Einsatz dieser Schiffe gleichzeitig an riiumlich voneinander entfernten Probestellen erfolgen sollte, wird die Durchfiihrung derartiger Untersuchungen meist unmoglich.

Hier bringt der Einsatz von Sauerstoffregistriergeriiten und die Auswertung der Sauerstoffganglinien eine wesentliche Verbesserung . So ist es einem Be- arbeiter moglich, mit vier oder fiinf MeBgeriiten die Produktion und Biogene Beliiftung eines grooeren FluBabschnitts iiber mehrere Tage aufzunehmen. (Der- artige Produktionsaufnahmen werden von uns zur Zeit an einer Reihe west- deutscher Fliisse durchgefiihrt.).

Voraussetzung fur diese Produktionsmessungen ist : 1. Die Sauerstoffkonzentration mu13 sich in Abhangigkeit von der Assimila-

tion veriindern und darf nicht durch periodische Abwassereinleitungen be- stimmt sein. Diese Methode wird also in Gewiissern der oligosaproben, und vor allem der beta-mesosaproben und der alpha-mesosaproben Stufe moglich sein, jedoch ist im Einzelfall zu priifen, ob hderungen der 0,-Konzentrationen nicht etwa auf diskontinuierliche Abwassereinleitung zuriickgehen. Hierzu konnen parallel stichprobenweise durchgefuhrte Hell-Dunkelflaschenversuche dienen (KNOPP 1968, SCHMASSMANN 1955).

2. Wenigstens innerhalb einer TagesflieBstrecke sollten die Gewiisser einen einheitlichen Charakter haben, d. h. das im Laufe eines Tages abflieBende Was- ser sollte stets die gleiche Vorgeschichte haben (ODUM 1956). Bei groBeren Fliis- sen findet man stets solche Abschnitte. Bei kleineren Gewiissern wird man aber haufig nach der 2-Stationen-Methode von ODUM arbeiten mussen.

3. Das FluBwasser mu13 vollstiindig durchmischt sein. Diese Bedingung ist auch in unseren gestauten Fliissen annahernd erfullt. Die MeDstellen diirfen aber nicht in FluBabschnitte gelegt werden, in denen Zuflusse oder groBe Ab- wasserleitungen die Homogenitiit des Wasserkorpers storen.

Die Produktionsmessung in gestauten Flussen nach diesem Verfahren birgt nach unseren Erfahrungen weitere Fehlerquellen, die daraus resultieren, daB

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Primiirproduktion und Biogene Beliiftung in FlieDgewiissern. 1. 65

Staubereiche mit ihrer erhohten Aufenthaltsdauer bevorzugt als Reproduktions- stiitte des Phytoplanktons fungieren, aber wegen ihres ungunstigen Lichtklimas (Tiefe) nur bescheidene mittlere Produktionen je Einheit des Abflusses aufwei- sen, wiihrend die Bereiche im Unterwasser der Staustufen fiir rasch flieBende Gewiisser eine ungewohnlich hohe Planktondichte bei optimalem Lichtklima besitzen und entsprechend hohe Produktionsraten erreichen. Dadurch kann sich je nach MeBstelle im gestauten FlieSgewiisser der Tag-Nachtgang der 0,-Gehalte so stark verschieben, daB 0,-Maxima erst nach Mitternacht auftreten. Die Aus- wertung der 0,-Gangkurven aus gestauten Fliefigewassern bedarf daher noch naherer Untersuchungen.

4. An den jeweiligen Mefistellen muB, wenn man mit Elektroden arbeiten will, eine fur den Betrieb der Elektroden ausreichende Stromung herrschen oder her- gestellt werden konnen (Unterwasserriihrgerat, Pumpen). An den Aus- und Einliiufen der Turbinen von Wasserkraftwerken herrscht auch in gestauten Flussen meist eine ausreichende Stromung .

Es zeigte sich also, daB die Auswertung von Sauerstoffganglinien sich ganz besonders fur grofiere Fliefigewasser eignet. Erleichtert wird die Produktions- bestimmung dieser Gewiisser noch dadurch, daB an diesen Gewiissern immer mehr MeDkammern mit Sauerstoffregistriergeriiten eingerichtet werden, die dann die Ermittlung ganzer Jahreszyklen der Primarproduktion erlauben.

SchlieBlich konnen wir empfehlen, uberall dort, wo dies moglich erscheint, den Tag-Nacht-Gang der Sauerstoffgehalte in Pliissen zu registrieren und durch eine Bestimmung der tiiglichen Raten der Biogenen Beliiftung und der Primiir- produktion weiter auszuwerten als dies bisher bei solchen Registrierungen iiblich war ; nur auf diesem Wege wird man schlieBlich ein ausreichendes Material uber die Biogene Beliiftung und die Primiirproduktion unserer Oberfliichengewiisser erlangen, was fur eine exakte Beurteilung von Sauerstofflinien abwasserbe- lasteter Vorfluter dringend erforderlich ist.

8. Zusammenfassung 1. Im Stoffhaushalt der FlieDgewiisser spielt die durch die Assimilation gruner Pflanzen

(Primiirproduktion) erzeugte 0,-Menge eine erhebliche Rolle: Bei ihrer Bilanzierung inter- essiert - insbesondere unter wasserwirtschaftlichen Gesiehtspunkten - weniger die 0,- Bruttoproduktion als vielmehr der Nettoanteil der Primiirproduktion, die Biogene Beluf- tung. Diese Nettoproduktion kann jedoch nicht direkt meDtechnisch erfadt werden.

2. In simultanen vergleichenden Laborversuchen wurden drei fur die Produktionsermitt- lung mogliche Untersuchungsmethoden auf ihre Eignung zur Ermittlung der Sauerstoff- nettoproduktion gepruft: die Hell-Dunkelflaschenmethode und die C-14-Methode nach den in der Limnologie ublichm Verfahren; ferner die Aufnahme von Sauerstoff-Tag-Nacht- ganglinien mit einer membranbedeckten Elektrode und Registrieranlage. 3. Versuchsserien, die in verschiedenen 0,-Indexbereichen durchgefuhrt wurden, ergaben

folgende Befunde:. Mit den drei Methoden erhiilt man Produktionswerte, die in der GroDenordnung uber-

einstimmen. Die Korrelation der mit der C-14-Methode ermittelten Werte zu den Werten der Sauer-

stoffmethoden iat ungenau. Die Werte der Hell-Dunkelflaschenmethode und die aus Sauerstoffganglinien ermittelten Werte stimmen ausreichend uberein.

4. Fur die Produktionsermittlung in groDeren FlieDgewassern ist die Registrierung der Sauerstoffganglinien besonders vorteilhaft. Die Auswertung dieser Sauerstoffganglinien erfolgt am besten ale Dreipunkteauswertung nach MCCONNELL. Die Auswirkungen des 5 Internationale Revue, Bd. 56, H. 1

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Gasaustausches an der Wasseroberfliiche auf die Produktionswerte kompensieren sich im Laufe einer Tagesperiode weitgehend und miissen nur bei einem stark unsymmetrischen Kurvenverlauf beriicksichtigt werden. 5. Die Zusammenhiinge zwischen Brutto- und Nettoproduktion und ihre Beziehung zur

Biogenen Beliiftung werden diskutiert. Die Nettoproduktion liiflt sich im Gegensatz zur Bruttoproduktion nicht exakt bestimmen. Bei Analysen am verunreinigten Flu13 kommt

man ihr am niichsten, wenn man sie fur 24 h mit PNetto > PBrutto - ~ ansetzt . 6. Es wird empfohlen, in vermehrtem Umfange mit den seit einiger Zeit zur Verfiigung

stehenden elektrometrischen 0,-Schreibgeriiten den 0,-Gang in Flieflgewiissern kontinuier- lich zu registrieren und die Ergebnisse solcher Aufnahmen auch hinsichtlich der Biogenen Beliiftungsrate auszuwerten. Entsprechende Daten sind fur die Korrektur abwassertech- nischer Berechnungen des Sauerstoffhaushalts dringend erforderlich.

BSB, 2

Summary 1. The amount of oxygen produced by green plants (primary production) is of con-

siderable importance in the metabolism of flowing waters. Mainly from the sanitary en- gineering point of view the gross production of oxygen is not as important as the net pro- duction by the photosynthesis, the “biogenic reaeration rate”. This net production, how- ever, cannot be measured by direct methods.

2. Three possible methods for primary production measurements were used in simul- taneous laboratory experiments, and were investigated as to their suitability for measure- ments of net oxygen production: the light-dark-bottle and C-14 methods currently used in limnology, as well as the electrometrical registration of diurnal oxygen curves with membrane covered electrodes.

3. Series of tests carried out in different ranges of oxygen concentration gave the fol- lowing results: the production values obtained by these three methods coincided fairly.

The correlation between values obtained by the C-14 method and the two oxygen methods was not very satisfactory. The coincidence of values obtained by the light-dark-bottle method with those calculated from registration of diurnal curves was fairly good.

4. The registration of diurnal curves proved to be especially convenient for the estimation of the primary production of larger flowing waters. The interpretation of diurnal curves according to MCCORNELL’S method should be preferred. The influence of gas transfer through the water surface on production values almost compensates itself during a oneday period; only in the case of very unsymmetrical diurnal curves should allowance be made for this diffusion.

5. The relationship between gross and net productions and their relation to biological aeration are discussed. Contrary to gross production, net production cannot be determined with exactitude. In the analysis of polluted rivers, the net production is approximated as follows:

BOD, Pnet 24 h > Pgross - 2 -

6. The use of recorders now available for the oxygen registration of diurnal curves is recommended, as well as the interpretation of the curves in calculating the “biogenic reaeration rate”. The results are required in sanitary engineering for the correction of oxy- gen metabolism calculations in flowing waters.

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Primiirproduktion und Biogene Beluftung in FlieBgewiissern. 1. 67

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Regierungsdirektor Dr. HERBERT KNOPP und Diplom-Biologe DIETER MULLER, Bundesanstalt fur Gewlsserkunde, 54 Koblenz, Kaiserin-Augusta-Anlagen 15

5’