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Zurück zum Player, aber wie?
Prof. Dr. Klaus-Dirk Henke,Technische Universität Berlin
IKK Gestalten oder Verwalten? Zukunftsrolle der Krankenkassen. 15. Plattform Gesundheit des IKK e.V., 9.11.2016, 15.00 Uhr, Kalkscheune
AMNOG-Umsetzung: Zusatznutzen, Bewertung und Preise von Innovationen
IQWIG: Allgemeine Methoden zur Bewertung medizinischer Maßnahmen
IQTiG: Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen
G-BA: Gemeinsamer Bundesausschuss
GKV-Spitzenverband
GKV-FQWG: Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der GKV
Gematik; e-health Gesetz NBA: Module des Neuen Begutachtungsassessments
Innovationsfonds
Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG
Drei Pflegestärkungsgesetze – PSG
GKV-Versorgungsstärkungsgesetz
GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz – GKV SVSG
Planung, Zentralisierung und neue Rahmenbedingungen
stehen politisch im Vordergrund
Das bleibt heute im Hintergrund
1. Neues Verständnis von Gesundheit
2. Gesundheitswirtschaft: Vom „economic footprint“ zur Gesundheitsdividende
3. Zur paritätischen Finanzierung der GKV
4. Krankenkassen als regionale Zukunftswerkstätten: Gesundes Kinzigtal
5. Zunahme der Pflegebedürftigen und Mangel an Fachkräften
6. Grenzen aufsichtsrechtlichen Handelns
7. Wie geht es weiter?
Diesseits und jenseits vom Tellerrand
Zurück zum Player – Aber wie?
Ein neues Gesundheitsverständnis
1) Vom Reparaturbetrieb zur Wertschöpfung
NEUES VERSTÄNDNIS
1. Mehr Qualitäts- und Ergebnisorientierung
2. Mehr Wachstum, Lebensqualität und
Beschäftigung (neue Berufe)
3. Höhere Investitionen in das Humankapital
(Gesundheit und Bildung)
4. Gesundheit in allen Lebensbereichen
und lebenslang
5. Gesundheitswirtschaft als Wirtschafts-
zweig (Mittelstand, Handwerk, Industrie)
6. Zweiter Gesundheitsmarkt gewinnt an
Bedeutung
ALTES VERSTÄNDNIS
1. Inputorientierung
2. Kostenfaktor
3. Konsum
4. Fragmentierung
5. Gesundheitswesen
6. Öffentliche Finanzierung
Eckzahlen der Gesundheitswirtschaft in Deutschland, 2005 - 2014
2) Ökonomischer Wert der Gesundheitswirtschaft
Quelle: Ostwald, Henke, Kim et al. (2014).
rund 20 % zum Konsum
rund 11 % zur Bruttowertschöpfung
rund 15 % zur Beschäftigung
rund 7 % zum Export
Im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ein
Wirtschaftssektor wie jeder andere.
Der sog. Erste Gesundheits“markt“ (der Umfang der erstattungsfähigen
Leistungen) kennt im Kernbereich (KGW) und im Erweiterten Bereich (EGW)
überwiegend hoheitlich fixierte Preise.
Der Zweite Gesundheitsmarkt ist im KGW und EGW stärker
marktwirtschaftlich organisiert.
Kritik und Forschungsbedarf:
Ergebnisse zur Wertschöpfung und zur Beschäftigung erlauben nur wenig
Aussagen über die Effizienz der Gesundheitswirtschaft
2) Gesundheitswirtschaft: Vom „economic footprint“ zur
Gesundheitsdividende
8 | XX© TU Berlin/WifOR Der gesellschaftliche Nutzen der Gesundheitswirtschaft
Management von Innovationen
Wofü
r?W
as?
Wer?
Bessere Gesundheit länger – besser – selbstbestimmt
Mehr WohlstandWertschöpfung – Beschäftigung –
Steuern – Exporte
Prozesse Produkte
Partner im
Gesundheitswesen
z.B. IKK, BKK, KBV Gesundheitswirtschaft
z.B. Roche, Siemens
Forschung und
Entwicklung, z.B.
Charité, Fraunhofer
Strukturen
Politik und
Gesellschaft
Innovationen durch
erfolgreiche Kooperation
Quelle: Riederer (2015)
Elemente einer neuartigen Gesundheitspolitik
• Mehr aktive Teilhabe
• Mehr Investitionen in die Gesundheit
• Mehr Transparenz
• Mehr Ergebnisorientierung und Indikationsqualität
• Mehr Nachhaltigkeit
• Mehr Integration
• Mehr Subsidiarität
• Mehr gesamtwirtschaftlicher und gesellschaftlicher Nutzen
Gesundheit ist nicht als separater Handlungsbereich zu verstehen, sondern als
gesamtgesellschaftliches Handlungsziel (Health in all policies). Gesundheit als
Voraussetzung für Produktivität und Wachstum.
Prof. Dr. Klaus-Dirk Henke | „Krankenversicherung neu denken“ 9
MetaForum, Innovation für mehr Gesundheit, 2. Aufl.,Fraunhofer, Stuttgart 2014
2) Permanente Einsatzfelder für Innovationen
Aus der Sicht der Gewerkschaften: Krankenkassenbeiträge,
Pflegeversicherungsbeiträge, Zusatzversicherungen, weitere
Gesundheitsausgaben, Einkommensdifferenz beim Krankengeld
Aus der Sicht der Arbeitgeber: Krankenkassenbeiträge, Entgeltfortzahlung (6
Wochen, danach Krankengeld), Gesetzliche Unfallversicherung
(risikoorientierte Prämien in voller Höhe beim Arbeitgeber)
Weitere Finanzierungsbeiträge: Krankheitskosten mindern die Steuerlast
(durch Abzug der Versicherungsprämien und außergewöhnlichen
Belastungen); Versicherungsfremde Leistungen der GKV (Steuerfinanzierung
über den Gesundheitsfonds)
Lohnnebenkosten in der GKV durch die Produzententätigkeit „besser“ als in
GRV
Wer zahlt wieviel für die Gesundheit?
3) Zur paritätischen Finanzierung der GKV
Die Erfolgsfaktoren
Regionale Managementgesellschaft mit Beteiligung eines Ärztenetzes
Sektorenübergreifende Versorgung – durch IT-Vernetzung inkl. elektronischer
Patientenakte, Fallkonferenzen, Behandlungspfade
Gesundheits- und Versorgungsmanagement – vor allem für chronisch Kranke
durch effiziente, standardisierte Analyse von GKV-Routinedaten, Daten aus
Arztinformationssystemen
Aktivierung von Versicherten –Shared Decision Making, therapeutische
Zielvereinbarungen, Patientenbeirat
Innovatives Finanzierungsmodell – der erzielte Gesundheitsnutzen wird belohnt,
finanziell motivierte Leistungsausweitungen werden überflüssig
Beteiligung der regionalen Akteure an dem Gesundheitsnetz – Vereine, Schulen,
Betriebe und Kommunen werden einbezogen
Gesundes Kinzigtal als Modell?
4) Krankenkassen als regionale Zukunftswerkstätten?
Quelle: Gesundes Kinzigtal.
Prognosen zur Entwicklung des professionellen Pflegepotentials
5) Zunahme der Pflegebedürftigen und Mangel an Fachkräften
als gesonderte Herausforderung
Quelle: Zentrum für Qualität in der Pflege.
Einheitliche ex post Aufsicht („level playing field“) statt Genehmigungsverfahren
Weniger Reglementierungen durch die Aufsicht; maßvolles Aufsichtshandeln
Mehr Raum für Krankenkassen, Korsett lockern ( siehe die Positionen zur
Bundestagswahl 2017 des IKK e.V. zu den Anforderungen an eine
zukunftsorientierte Gesundheitspolitik )
Handlungsspielräume für die 19. Legislaturperiode öffnen (Siehe dazu die neue
Studie des MetaForums)
Dauerhafte Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen aus Steuern
Betriebliche Prävention als Gruppentarife ausbauen; genehmigungspflichtig?
Verwalten oder Gestalten?
6) Grenzen aufsichtsrechtlichen Handelns (1)
1. Innovationsfonds: aus Beitragsmitteln finanziert, aber vom BVA verwaltet
2. Experimentelle Kultur und wettbewerbliche Freiheit in der Versorgung
3. wer zahlt gestaltet: Freie Erprobung von Selektivverträgen
4. Mehr Kooperation mit den Gemeinden, Vereinen, Betrieben, Schulen etc.
5. Ein neuer und dauerhafter Wettbewerbsrahmen ist unverzichtbar
6. Annäherung von GKV und PKV? In der Pflege, bei den Arzneimittel, im
Krankenhausbereich und den Zusatztarifen gibt es sie bereits
7. Genossenschaften/VVAGs als Optionen einer „Entkörperschaftung“ der
GKV?“
Verwalten oder Gestalten?
6) Grenzen aufsichtsrechtlichen Handelns (2)
Ausgangslage: Krankenbehandlung und gesundheitliche Betreuung
der gesamten Bevölkerung als Grundversorgung
1. Sicherstellung der Leistungserbringung
2. Versicherungspflicht und Kontrahierungszwang über Beiträge/Prämien
3. Zu viel „gemeinsam und einheitlich“ und zu viel Sozialgesetzgebung
4. Unternehmerische Freiheiten und Wettbewerb, vor allem in der Leistungserbringung
5. Vergütung/Honorierung/Bezahlung von erbrachten Leistungen/Preisbildung
6. Krankenversicherungen mit eigenen Leistungserbringern (preferred provider)
7. Grundgesetz, Rechtsrahmen (VVag, Genossenschaft, Körperschaft )
8. Zukünftige Rolle der Selbstverwaltung, des G-BA und des Spitzenverbandes
9. Indikations- und Ergebnisqualität als zentrale Wettbewerbsparameter
10. Angleichung von GOÄ/EBM
10 ausgewählte Baustellen
6) Zurück zur Realität
Gesundheitsreform weiter in der Kompromissfalle
oder „disruptive innovation“?
„Auf der grünen Wiese“ (Jahrhundertreform) versus hohe Flexibilität in der politischen
Willensbildung? (Systemzerstörende Interventionsspirale)
Gibt es überhaupt eine rationale Gesundheitspolitik?
Wege aus der Kompromissfalle durch mehr experimentelle Kultur und mehr
Modellversuche; mehr Politik- und Verbandsferne durch ein unabhängiges Gremium
für die GKV als dem kompliziertesten Zweig der Sozialversicherung
Vom Leistungs-/Wohlfahrtsstaat zum Gewährleistungs-/Aufsichtsstaat
7) Wie geht es weiter?
AMNOG-Umsetzung: Zusatznutzen, Bewertung und Preise von Innovationen
IQWIG: Allgemeine Methoden zur Bewertung medizinischer Maßnahmen
IQTiG: Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen
G-BA: Gemeinsamer Bundesausschuss
GKV-Spitzenverband
GKV-FQWG: Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der GKV
Gematik; e-health Gesetz NBA: Module des Neuen Begutachtungsassessments
Innovationsfonds
Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG
Drei Pflegestärkungsgesetze – PSG
GKV-Versorgungsstärkungsgesetz
GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz – GKV SVSG
Planung, Zentralisierung und neue Rahmenbedingungen
stehen politisch im Vordergrund
7) Das blieb heute im Hintergrund
• das Gesundheitswesen vor den Politikern und Verbandsfunktionären
schützt und die Versicherten und die Patienten mit ihren Angehörigen stärkt
• eine nachhaltige Finanzierung gewährleisten,
• mehr sozial gebundenen Wettbewerb in der Leistungserbringung
ermöglichen,
• die Gesundheitswirtschaft als Wachstumsbranche anerkennen und
• das “muddling through” (Lindblom), step by step (Tinbergen), social
piecemeal engineering (Popper) erübrigen.
Mit neuen und konstanten Rahmenbedingungen, die
7) Wie geht es weiter?
Alscher, M. und Priller, E. (2007): Zu Neugründungen von Genossenschaften in Deutschland 2000-
2006 – eine Analyse zu den Ressourcen und Potentialen. Studie des Wissenschaftszentrums
Berlin für Sozialforschung, Berlin. Online verfügbar unter: http://www.b-b-
e.de/uploads/media/nl1707_neu_genoss_00-06.pdf, zuletzt geprüft am 05.07.2013.
Bührlen, Bernhard; Hegemann, Thomas; Henke, Klaus-Dirk; Kloepfer, Albrecht; Reiß, Thomas;
Schwartz, Friedrich Wilhem (2013): Gesundheit neu denken. Fragen und Antworten für ein
Gesundheitssystem von morgen.Stuttgart: Fraunhofer Verlag (ISI-Schriftenreihe
Innovationspotenziale).
Bungenstock, Jan M. und Podtschaske, Beatrice (2011): Qualität, Vielfalt und Effizienz - Bestehende
und visionäre Formen genossenschaftlicher Zusammenarbeit in Gesundheitsmärkten. In:
Michaela Allgeier (Hg.): Solidarität, Flexibilität, Selbsthilfe. Zur Modernität der
Genossenschaftsidee. 1. Aufl. Wiesbaden: VS-Verlag, S. 105–119.
Handlungsempfehlungen, MetaForum e.V. (Hrsg): Gesundheit neu denken - Handlungsempfehlungen
für die 19. Legislaturperiode. Fraunhofer Verlag 2016 (in Druck).
Literatur
Henke, K.-D., Wer steuert das Gesundheitswesen?, in Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften zu
Göttingen, 2012, S: 161-175
Henke, Klaus-Dirk; Friesdorf, Wolfgang; Bungenstock, Jan M. und Podtschaske, Beatrice (2008): Mehr
Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen durch genossenschaftliche Kooperationen.
1. Aufl. Baden-Baden: Nomos Verlag (Europäische Schriften zu Staat und Wirtschaft, 26).
Henke, Klaus-Dirk (2007): Zur Dualität von GKV und PKV. In: Jahrbücher für Nationalökonomie und
Statistik, 227/5+6, S. 502 -528.
Henke, Klaus-Dirk, Friesdorf, W., Marsolek, I. (2005): Genossenschaften als Chance für die
Entwicklung der Integrierten Versorgung im Gesundheitswesen, 2. Aufl. Neuwied:
Raiffeisendruckerei (Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V. (DGRV)).
IKK e.V., Positionen zur Bundestagswahl 2017, Anforderungen an eine zukunftsorientierte
Gesundheitspolitik, Berlin 2016
Literatur
Maio, F., Geschäftsmodell Gesundheit – Wie der Markt die Heilkunst abschafft. , Suhrkamp, Berlin
2014
Pflüger, Elke (2006): Chancen und Grenzen der eingetragenen Genossenschaft im
Gesundheitssektor. Nürnberg : Forschungsinstitut. für Genossenschaftswesen.
Reiß, Thomas (2013): Vorwort Gesundheit neu denken. In: Bührlen, Bernhard; Hegemann, Thomas;
Henke, Klaus-Dirk; Kloepfer, Albrecht; Reiß, Thomas; Schwartz, Friedrich Wilhem (2014):
Gesundheit neu denken. Fragen und Antworten für ein Gesundheitssystem von morgen. 2.
Auflage, Stuttgart: Fraunhofer Verlag (ISI-Schriftenreihe Innovationspotenziale), S. 1-2.
Scherf, Henning, Altersreise. Wie wir als sein wollen.HERDER, Freiburg 2013
Schneider, M. et al. Gesundheitswirtschaftliche Gesamtrechnung 2000-2014, NOMOS, Baden-Baden
2016
Thaler, R.H., Sunstein, C.R., Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstößt, Ullstein, Berlin 2011
Literatur