20 |12 · diener & diener architects have developed a vision for the here and now, as well as...
TRANSCRIPT
DAM PREIS FÜR ARCHITEKTUR
IN DEUTSCHLAND
DAM AWARD FOR ARCHITECTURE
IN GERMANY
20 |12
Treppenhalle | Staircase Hall
PETER CACHOLA SCHMAL
Diener & Diener haben einen neuen Klassiker für den Umgang mit dem Bestand geschaffen, wie schon Hans Döllgast vor 54 Jahren mit dem Wiederaufbau der Alten Pinakothek in München. Diener & Diener have created a
new classic in the treatment
of existing buildings, just like
Hans Döllgast did 54 years ago
with the reconstruction of the
Alte Pinakothek in Munich.
Fassadenausschnitt mit Einschusslöchern in der Sockelzone | Façade excerpt
with bullet holes in base zone
Ostfassade | East façade
Vorhergehende Seite: Wiederaufbau Ostfl ügel, Gesamtansicht mit ablesbarer
Nahtstelle zwischen Ziegel- und Betonrekonstruktion
Previous page: Reconstruction of East Wing, general view with readable seam bet-
ween brick and concrete reconstruction
Ostfassade | East façade
Fassadenausschnitt mit ablesbarer Nahtstelle zwischen Ziegel- und
Beton rekonstruktion | Façade excerpt with readable seam between brick and
concrete reconstruction
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Ruine des Ostfl ügels, 2006 | Ruined East Wing, 2006
CORINNA SEIDE
Behutsamer lässt sich kaum eine Lücke schließen: Mit dem Ostfl ügel des Naturkundemuseums gelang eine wunderbare Rekonstruktion – modern und geschichtsbewusst zugleich. A gap could hardly be closed with greater sensitivity:
the East Wing of the Natural History Museum represents
a wonderfully successful reconstruction – at once modern
and fully aware of its history.
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Montage eines Betonfertigteils
Mounting of a prefabricated concrete part
Fassadenausschnitt mit eingebautem Betonfertigteil
Façade excerpt with installed prefabricated concrete part
MICHAEL MARTEN
Ein in der Stadt verstecktes Puzzleteil – ein Kammerstück der Architektur. A puzzle piece hidden in the
city – and a chamber piece
of architecture.
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KRISTIEN RING
Das zuvor Bestehende fest im Blick, hat das Architekturbüro Diener & Diener eine Vision des Hier und Jetzt sowie des Zukünftigen entwickelt. By looking to the former and previously existing,
Diener & Diener Architects have developed a vision
for the here and now, as well as for the future.
ALEXANDER SCHWARZ
Ein Vexierspiel der Zeit und der Materie. In das Neue, welches das verlorene Alte ersetzt, wird die Spur des Alten gegossen. Die Fassade bedeutet sich selbst und ist doch nicht, was sie bedeutet. An optical illusion of time and material. The trace
of the old is poured into the new, which replaces
what has been lost. The façade signifi es itself and
yet is not what it signifi es.
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Ostfl ügel hofseitig | East Wing from courtyard
GIULIA ANDI
Zwischen dem Alten und dem Neuen gibt es immer Unterschiede. Hier ist diese Dichotomie subtil vereint worden, so dass die Identität des Bauwerks über die Zeiten hinweg bewahrt wurde. There are always
incompatible differences
between the old and
the new. Here this
apparent dichotomy is
transformed into a subtle
unity, preserving the
identity to the building
simultaneously of past
and present.
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Neu eingerichtete „Nass-Sammlung“, öffentlicher Bereich
Newly installed “Wet Collections”, public area
Neues Glas-Treppengeländer mit Lederhandlauf vor der historischen
Brüstung | New glass stair balustrades with leather handrail in front of
historic parapet
SANDRA DANICKE
Es klingt wie ein Widerspruch, doch die Rekonstruktion wirkt auf radikale Weise subtil und auf subtile Weise radikal. Entstanden ist ein Bau, der den Eindruck von Geschlossenheit vermittelt, ohne seine historischen Wunden zu verleugnen.It may sound like a contradiction, but the
reconstruction is subtle in a radical way and
radical in a subtle way. A building has been
created that conveys the impression of
fi nality without denying its historical scars.
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Haupthalle des Museums, denkmalgerecht saniert
Main hall of the museum, restored in accordance with monument preservation guidelines
Neu eingerichteter Forschungsbereich, nicht öffentlicher Teil
Newly installed research area, non-public section
ANNEKE BOKERN
Hier wird gezeigt, dass Rekonstruktion mit Abstraktion einhergehen kann. Es ist ein durch und durch zeitgenössischer Bau entstanden, der seinen Kontext nicht negiert, sondern ihn um eine Bedeutungsebene erweitert. Here it is shown that reconstruction can go
hand-in-hand with abstraction. A completely
contemporary building has been created,
which does not negate its context, but rather
adds to it another layer of meaning.
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ARCHITEKTEN | ARCHITECTS
Diener & Diener ArchitektenRosenthalerstraße 40/41
10178 Berlinwww.dienerdiener.ch
Diener & Diener ArchitektenHenric Petri-Strasse 22
4010 Baselwww.dienerdiener.ch
WETTBEWERB UND ENTWURF COMPETITION AND SCHEMATIC
DESIGN
Diener & Diener Architekten
HAUSTECHNIK | M & E ENGINEERS
Dr. Ing. Bernd Kriegel Ingenieure GmbH, Berlin
BAUHERR | CLIENT
Humboldt-Universität zu Berlin
AUSFÜHRUNGSPLANUNG EXECUTION PLANNING
Diener & Diener Architekten
BAULEITUNG / PROJEKT-STEUERUNG | SITE MANAGEMENT /
PROJECT GUIDANCE
Bauleitung | site management
Busse & Partner Projektsteuerer Architekten Ingenieure, Berlin
Projektsteuerung | project guidance
eins bis neun gesellschaft von architekten und ingenieuren mbh,
Berlin
TRAGWERK | STRUCTURE
Hildebrandt und Sieber GmbH, Ingenieurbüro für Tragwerks-
planung, Berlin
ARCHITEKT | ARCHITECT
DIENER & DIENER ARCHITEKTENGEBÄUDE | BUILDING
MUSEUM FÜR NATURKUNDE BERLIN
TEXT PETER CACHOLA SCHMAL
AUSSTELLUNGSARCHITEKTUR EXHIBITION ARCHITECTURE
Diener & Diener Architekten
LICHTPLANUNG VITRINE LIGHTING CONSULTANT SHOWCASE
Kress & Adams – Atelier für Tages- und Kunstlichtplanung,
Köln | Cologne
KUNST AM BAU | ART
Erich Steinbrecher, Berlin / Zürich Titel der Arbeit | title of artwork
„Wiesengrafi k“
FERTIGSTELLUNG | COMPLETION
September 2010
STANDORT | LOCATION
Invalidenstraße 4310115 Berlin
www.naturkundemuseum-berlin.de
FOTOS | PHOTOS
Christian Richters, MünsterCarola Radke, BerlinStefan Müller, BerlinThomas Spier, Berlin
Lageplan | Site plan
Grundriss Erdgeschoss des Ostfl ügels mit „Nass-Sammlung“ | Floor plan
of ground fl oor of East Wing with “Wet Collections”
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Berlin sollte für das Basler Architekturbüro Diener & Diener
nicht nur eine Zwischenstation mit temporärem Baubüro
werden. Noch vor der Fertigstellung der kantigen, kompromiss -
los in grauem Sichtbeton gehaltenen Erweiterung der Schweizer
Botschaft, 2001 im Spreebogen zwischen Kanzleramt und
Hauptbahnhof, hatte das Büro 1995 den Auftrag erhalten, das
„Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und
Biodiversitätsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin“
umzubauen. Dieser Prozess sollte sich wegen Finanzierungs-
schwierigkeiten länger hinziehen, doch mit dem Ostfl ügel ist
nun der erste Bauabschnitt beendet und „Berlins letzte Kriegs-
ruine“ wiederhergestellt.
Dem Berliner – besonders Familien mit Kindern – sind der
bereits vor Jahren renovierte große Sauriersaal und vier weitere
Ausstellungshallen des Museums an der Invalidenstraße, direkt
neben dem Bundesbauministerium gelegen, bestens bekannt.
All dies ist das Werk von Diener & Diener, die sich jedoch demütig
hinter die Absicht stellten, eine Rekonstruktion des ursprüng-
lichen Raumeindrucks zu schaffen. Und der scheint eben nicht
wie Stülers Neues Museum farbenfroh geleuchtet, sondern
eine eher düstere, leicht bedrückend wirkende Farbpalette in
Ocker- und Erdtönen der 1890er-Jahre aufgewiesen zu haben.
Man muss den Architekten zugute halten, dass ihr Sauriersaal
eben nicht aussieht wie frisch restauriert, dass der Terrazzo-
boden sogar Patina ausstrahlt und die Glasscheiben mit ihren
fl irrenden Schlieren im Antikglas authentisch wirken. Man
könnte fast meinen, die Halle hätte den Zweiten Weltkrieg
unbeschadet überstanden. Doch stellt sich die Frage, ob man
jeden Originalzustand rekonstruieren muss, wenn der ursprüng -
liche Entwurf gestalterisch nicht vollkommen überzeugt? Edel
und elegant dagegen wirkt das zweite, höhere Geländer aus
Glas mit Lederhandlauf vor der historischen Brüstung der über-
dimensionierten Treppenanlagen. Die allerdings sind für Besu-
cher nur bedingt nutzbar. Die Obergeschosse nach dem öffent-
lichen ersten Stockwerk sind nur intern zugänglich.
Erst in der etwas versteckt im Ostfl ügel liegenden neuen
Nass-Sammlung spielen die Basler Architekten ihr ganzes
Können aus. Da für die über 270 000 Gläser mit den in Alkohol
eingelegten Tierpräparaten kein Tageslicht, sondern nur ein
gleichmäßiges Klima erforderlich war, benötigten die Räume
auch die früher vorhandenen Fenster nicht mehr. Das sechs
Meter hohe Schaulager ist daher eine geschlossene Kiste, die,
wie um den Schauder zu erhöhen, innenseitig sauerkirschrot
(„Caput mortuum“) gestrichen ist. Dort hineingestellt ist eine
von innen leuchtende, zweigeschossige Glasvitrine, bestückt
mit den Körpern der absurdesten Wesen. Um das außen im
Dunkel vorbeidefi lierende und sich freudig gruselnde Publikum
von den im Inneren im hellen Licht arbeitenden Forschern
aus Sicherheitsgründen zu separieren, werden beide nicht nur
räumlich durch die Scheiben, sondern auch zeitlich voneinander
getrennt, was sehr schade aber verständlich ist. Diese Insze-
nierung einer Schausammlung ist einzigartig und jeden Besuch
wert. Denn die Humboldsche Sammlung war jahrzehntelang
nur Forschern zugänglich. Berlins Bürger und Besucher haben
jetzt endlich die Gelegenheit, diese Schätze zu entdecken.
Über der Schausammlung folgen zwei weitere perfekt ausge-
stattete und klimatisierte, allerdings nicht öffentliche Sammlungs -
räume. In den obersten Geschossen herrscht Funktionalität vor:
Hinter schlichten Türen entlang heller, kahler Flure werden die
eigentlichen Präparate mit komplizierten Apparaten hergestellt.
Hier unterstreicht die Sachlichkeit der Architektur die Notwen-
digkeit, Abstand zum eigentlich grausigen Treiben zu wahren.
For the Basel architects Diener & Diener, Berlin would turn out to be
more than just a way station with a temporary offi ce. Long before they
put up, in 2001, their boxy, uncompromisingly grey exposed concrete
extension to the Swiss Embassy, at the bend of the River Spree
between the Kanzleramt (Federal Chancellery) and Hauptbahnhof
(Main Station), the offi ce had received the commission in 1995 to
restore the “Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions-
und Biodiversitätsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin”
(Natural History Museum – Leibniz Institute for Research into
Evolution and Biodiversity at Berlin Humboldt University). Due to
fi nancing diffi culties, this job would prove to be a long-drawn-out
process, but now the fi rst building phase, the new East Wing, is
complete, and “Berlin’s last war ruin” has at last been restored to its
former glory.
Berliners – particularly families with children – are quite familiar
already with the great World of Dinosaurs that was renovated several
years ago along with four additional exhibition halls at the Natural
History Museum, which is located on Invalidenstraße directly adjacent
to the Federal Ministry of Transport, Building and Urban Development.
All of this is the work of Diener & Diener, who however claimed only
the humble intention to reconstruct the original impression made by
the spaces. Indeed, back in the 1890s those interiors seem not to have
been awash in brilliant colours like Stüler’s Neues Museum, but rather
to have exhibited a slightly oppressive palette of ochre and earth
tones. The architects must be given credit for the fact that the World
of Dinosaurs does not look freshly restored, that the terrazzo fl oor
even exudes patina, and the antique glass panes with their shimmer -
ing streakiness make an authentic impression. One would almost think
the hall had survived the Second World War unscathed. But then
the question arises of whether it was really necessary to reconstruct
its original state when that design was not completely satisfactory
in the fi rst place? The second, higher balustrade of glass with a leather
handrail placed in front of the historic one in the oversized staircase
looks dignifi ed and elegant. But visitors can only enjoy it to a limited
extent because the levels above the public fi rst fl oor are open to
staff only.
It is only in the new “Wet Collections”, housed in the somewhat hidden
East Wing, that the architects from Basel display their full range of
skills. As the over 270,000 jars holding animal specimens preserved
in ethanol do not require daylight but rather a consistent climate, the
rooms no longer need the windows that were once here. The six-
metre-high showcase holding the research collections is therefore a
closed box, and, as if to increase the viewer’s shudder, it’s painted a
violet red (“caput mortuum”) on the inside. A two-storey glass case
Grundriss Erdgeschoss und Umgebung
Floor plan of ground fl oor and environs
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Der Höhepunkt der Museumserweiterung ist
aber das, was der Besucher des Museum von
innen nicht sehen kann, an dem auch die
Passanten draußen normalerweise nicht vorbei -
laufen. Es ist die vorgehängte und hinterlüftete
Außenhaut des wieder aufgebauten Gebäude-
fl ügels, die einem vom Haupteingang an der
Invalidenstraße nicht einsehbaren Hof auf der
östlichen Seite zugewandt ist. Diese Fassade
könnte sich bald zu einem Architektenmekka
mausern. Was Roger Diener hier, im Kontext
der hin- und herwogenden deutschen Rekon-
struktionsdebatte beigetragen hat, kann nicht
hoch genug eingeschätzt werden.
Künstler wie Rachel Whiteread haben die
Methode penibler Kopien einer Fassadenober-
fl äche mittels aufgetragenem Silikon zur
Herstellung einer Gussform vorgemacht, aller-
dings zu anderen Zwecken. Die Berliner
Architekten von Diener & Diener verzahnen
hingegen die geschosshohen und tonnen-
schweren Abgüsse mit den bestehenden Klin-
kerschichten derart präzise, das ihre serielle
Fertigung nicht mehr erkennbar ist. Auf
irritierende Weise und durch die Einfarbigkeit
noch überhöht, scheint das Wesenhafte der
früheren Klinkerwand mit ihren Holzfenster-
profi len präsent zu sein. Dabei bleibt der
Verlust des Originals deutlich spürbar. Dies
ist ein großer Verdienst, der in der heutigen
Debatte um die Wiederauferstehung ganzer
Altstädte gern ignoriert wird.
Diener schreibt dazu: „Die Reproduktion in
Beton soll für sich stehen und die ganze
Fassade wieder vergegenwärtigen wie in der
Restaurierung des während einem Feuer
beschädigten Gemäldes ‚Tierschicksale‘ von
Franz Marc, in der Paul Klee die zerstörten
Formen unbunt ergänzte.“ Dieses Gemälde ist
Roger Diener wohl vertraut, hängt es doch im
Original im Kunstmuseum Basel, für dessen
künftige Erweiterung er kürzlich eben nicht
beauftragt wurde, sondern Zweiter wurde.
Die Analogie der farblosen Betonfassade zur
monochromen Restauration des farbigen
Marc-Bildes ist evident. Der Eingriff hier wie
da vereint das Gesamtbild visuell und schließt
die formalen Gesetzmäßigkeiten, erinnert aber
trotzdem an die Zerstörungen der Geschichte
und betont damit das Unwiederbringliche und
somit Authentische des Originals. Diener
beruft sich zudem auf das Münchener Vorbild
der „Schöpferischen Sicherung“ der Alten
Pinakothek durch Hans Döllgast, das die
Kriegszerstörungen sichtbar ließ und daher
bis heute in der Bevölkerung umstritten
und bei Fachleuten hoch geschätzt ist. Er ist
sich dabei der Gefahr einer späteren Rekon-
struktion bewusst und formuliert seine Version
daher so deutlich aus, dass sie endgültig ist.
Hier lassen sich keine neuen Fenster mehr
einfügen oder neue Ziegelverbände hochmauern,
has been placed within it, lit from inside and fi lled with the bodies of
the most absurd creatures. For security reasons, the general public
fi ling by in the dark and cheerfully shivering at what they see had to be
separated from the researchers working inside in bright light, so the
two groups are divided not only by the panes of glass, but also by a
different time schedule, which is very unfortunate but understandable.
This display of a research collection is unique and defi nitely worth a
visit, for the Humboldt Collection was for decades accessible only to
scientists. Berlin’s citizens and visitors now fi nally have a chance to
discover these hidden treasures.
On the fl oors above the showcase collection are two further perfectly
equipped and climate-controlled collection rooms, which are however
not open to the public. On the top fl oors, functionality prevails: behind
plain doors lining brightly illuminated, bare corridors the actual speci-
mens are produced using complex apparatus. Here, the sobriety of the
architecture underscores the necessity for maintaining a mental
distance from what are actually quite gruesome goings-on.
The highlight of the museum extension is something the visitor cannot
see when inside, nor is it located in an area that passers-by on the
street are likely to come across: it is the ventilated curtain wall of the
restored wing, which faces a courtyard on the east side of the building
not visible from the main entrance on Invalidenstraße. Despite its
sequestered site, this façade might very well soon blossom into an
architects’ mecca. What Roger Diener has accomplished here in the
face of all the ups and downs of the German reconstruction debate
cannot be praised highly enough.
Artists such as Rachel Whiteread have already demonstrated a
method for making painstaking copies of façade surfaces by applying
silicon to make a mould – but in their case with a completely different
purpose in mind. By contrast, the Berlin architects from Diener &
Diener interlocked the storey-high, multi-ton casts they made of the
façade so precisely with the existing brick layers that their identity as
serial productions is no longer discernible. The essence of the former
brick wall with its wooden window frames thus still seems to exert its
presence, in a perplexing manner that is enhanced further by the
monochromatic surfaces. And yet the loss of the original can nonethe-
less be felt keenly. This sense of the past is of great merit, and some-
thing that many ignore in today’s debate on the resurrection of entire
old quarters.
Diener has this to say: “The reproduction in concrete should stand on
its own and call to mind again what the entire façade once looked like,
just as Paul Klee restored a fi re-damaged Franz Marc painting called
‘Tierschicksale’ by monochromatically completing the destroyed
fi gures.” Roger Diener obviously knows this painting, because he
recently came in second in a competition to extend the Kunstmuseum
Basel, where the original hangs. The analogy between the colourless
concrete façade and the monochromatic restoration of the colourful
Marc painting is clear. In both cases, the intervention unites the image
visually and completes its formal patterns while also reminding the
viewer of the ravages of history, emphasising the irreclaimable loss,
and hence the authenticity, of the original. Diener also invokes the
Munich model of “creative securing” of the Alte Pinakothek by Hans
Döllgast, who left the building’s war scars visible – a move that is still
controversial today amongst Munich’s citizenry and yet highly
acclaimed by experts. Diener is cognisant here of the risk of a subse-
quent reconstruction, and has therefore formulated his version in such
a distinctive manner as to ensure that he has the fi nal say. No new
windows can be inserted here or new brick walls put up, as happened
in Munich with the ruined dome of the former Army Museum, which in
its conversion into the Bavarian State Chancellery forfeited every trace
of its history and its function as a reminder to future generations of
the disasters of war.
Längsschnitt der rekonstruierten
Fassade | Longitudinal section of
reconstructed façade
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Once again, public funding has managed here to restore a museum buil-
ding in a way that represents a major contribution to the future treatment
of monuments – and not only in Germany. The jury members, among
them Alexander Schwarz, head of design at last year’s award-winner
David Chipperfi eld Architects Berlin, voted unanimously for the extension
to the Natural History Museum Berlin as winner of this year’s DAM Award
for Architecture in Germany.
THE RESTORATION OF THE WAR-RUINED EAST
WING OF THE NATURAL HISTORY MUSEUM
FROM THE POINT OF VIEW OF THE CLIENTS
In September 2010 the Museum of Natural History and the Humboldt
University of Berlin had the pleasure of celebrating an important occasion:
the offi cial ceremony, after several years of construction, to dedicate the
reconstructed East Wing including the two restored frontage buildings. For
the museum, and the university as client, a major milestone has now been
reached in the process of completely renovating the museum complex.
The reconstruction of the war-ruined East Wing of the Natural History
Museum, a project that has been in planning since 1945, is an essential
step in the urgently required restoration sequence for the museum complex
on Invalidenstraße. The building was erected from 1886 to 1889 by the
architect August Tiede as a purpose-built structure to house the rampantly
growing research collections of what was at the time known as Friedrich
Wilhelm University and is today Humboldt University; a North Wing was
then added in 1913–1917. The natural history collections stored here have
in the meantime burgeoned to encompass some 30 million objects.
The central aim of the building work now carried out, comprising a con-
struction volume of 29.6 million euros – fi nanced with the help of the
University Construction Promotion Act (HBFG) and university funds – was
to gather the specimens preserved in ethanol together in their own display
tract. By housing the collection in a new building equipped with the latest
technology on the site of the ruined East Wing, a decisive improvement
was achieved in terms of conservation and fi re prevention, as well as in
the conditions for handling the specimens in the collection and examining
them in the lab. Berlin’s Senate Department for Urban Development took
charge of overseeing this complex undertaking on behalf of the university.
The architects Diener & Diener deserve credit for successfully seeing
through a diffi cult planning process in which the confl ict between the
requirements of a high-tech research and collection building and those of
a signifi cant architectural monument had to be reconciled over and over
again.
Now, after the fi rst months of operation, the reconstruction and new buil-
ding have proven their value both as part of the extended museum area
and as a component of the museum as research institution. The Natural
History Museum can now turn its attention with renewed optimism to the
further renovation projects that are in store.
Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz
President of Humboldt University of Berlin
Dr. Ferdinand Damaschun
General Director of the Natural History Museum Berlin
wie in München bei dem ruinösen Kuppelbau des früheren
Armeemuseums geschehen, welches in seiner Umwandlung zur
Bayerischen Staatskanzlei jegliche Geschichtlichkeit und seine
Mahnmalfunktion an den Weltkrieg verlor.
Wieder ist es der öffentlichen Hand mit einem Museumsbau
gelungen, einen großen Beitrag für den künftigen Umgang
mit Denkmälern zu leisten; nicht nur in Deutschland. Die Jury,
darunter als Vertreter des letztjährigen Preisträgers David
Chipperfi eld Architects Berlin, Entwurfschef Alexander Schwarz,
stimmte einstimmig für die Erweiterung des Museums für
Naturkunde Berlin als Gewinner des diesjährigen DAM Preises
für Architektur in Deutschland.
DER WIEDERAUFBAU DES KRIEGS- ZERSTÖRTEN OSTFLÜGELS DES MUSEUMS FÜR NATURKUNDE AUS SICHT DER BAUHERRENIm September 2010 konnten das Museum für Naturkunde und
die Humboldt-Universität zu Berlin ein wichtiges Ereignis feiern:
Nach mehrjähriger Bauzeit fand die feierliche Einweihung des
wiederaufgebauten Ostfl ügels einschließlich der sanierten
beiden Kopfbauten statt. Für das Museum und die Universität
als Bauherrin ist damit ein wichtiger Meilenstein in der Gesamt-
sanierung des Museums erreicht.
Der seit 1945 geplante Wiederaufbau des kriegszerstörten
Ostfl ügels des Museums für Naturkunde ist wesentlicher Teil
einer dringend notwendigen Sanierungssequenz des Komplexes
in der Invalidenstraße. Das Gebäude wurde 1886–1889 von
dem Architekten August Tiede als Zweckbau für die enorm
anwachsenden Forschungssammlungen der damaligen Friedrich-
Wilhelms-Universität, der heutigen Humboldt-Universität,
konstruiert und 1913–1917 um den Nordfl ügel erweitert. Die hier
untergebrachten naturkundlichen Sammlungen haben inzwi-
schen eine Dimension von etwa 30 Millionen Objekten erreicht.
Zentrales Ziel der jetzt durchgeführten Maßnahme mit einem
Bauvolumen von 29,6 Millionen Euro – fi nanziert aus HBFG-
Mitteln und Mitteln der Universität – war die Zusammenziehung
der alkoholkonservierten Präparate in einem eigenen Samm-
lungstrakt. Untergebracht in einem technisch hochgerüsteten
Neubau im Bereich der ehemaligen Ostfl ügelruine, konnte
eine entscheidende Verbesserung der konservatorischen und
Brandschutzbedingungen, der Handhabbarkeit und der labora-
tiven Bearbeitung der Sammlung erzielt werden. Die Durch-
führung dieses komplexen Vorhabens hat die Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung für die Universität übernommen. Für den
gelungenen Abschluss eines schwierigen Planungsprozesses,
bei dem es galt, den Konfl ikt zwischen den Anforderungen an
einen hoch technisierten Forschungs- und Sammlungsbau und
an ein bedeutendes Baudenkmal immer wieder neu zu lösen,
zeichnen die Architekten Diener & Diener verantwortlich.
Nach den ersten Monaten Betriebszeit hat sich der Um- und
Neubau sowohl als Teil des erweiterten Museumsbereichs als
auch als Teil der Forschungsinstitution Museum bewährt. Das
Museum kann sich nun optimistisch den weiteren Sanierungs-
projekten des Hauses zuwenden.
Prof. Dr. Jan-Hendrik OlbertzPräsident der Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Ferdinand DamaschunGeneraldirektor Museum für Naturkunde Berlin
Längsschnitt durch den rekonstruierten Ostfl ügel | Longitudinal section
through reconstructed East Wing
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Neu eingerichtete „Nass-Sammlung“, öffentlicher Bereich
Newly installed “Wet Collections”, public area
DEUTSCHES ARCHITEKTURMUSEUM FRANKFURT AM MAIN
PRESTEL VERLAG MÜNCHEN | LONDON | NEW YORK
20 12
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DEUTSCHES ARCHITEKTUR JAHRBUCH | GERMAN ARCHITECTURE ANNUAL
VORWORT | FOREWORD
PETER CACHOLA SCHMAL
CHRISTINA GRÄWE
Das Deutsche Architektur Jahrbuch 2011 | 12, vom Deutschen
Architekturmuseum (DAM) herausgegeben, bleibt dem
Anspruch seiner Vorgänger treu: Es zeigt einen vielseitigen
Querschnitt der besten Bauten, die kürzlich in Deutschland
realisiert wurden, und stellt darüber hinaus anhand von
vier Beispielen herausragende Gebäude deutscher Architekten
im Ausland vor. Und wieder wurde eines der nominierten
Gebäude mit dem DAM Preis für Architektur in Deutschland
gekürt, der – ein kleines Jubiläum – bereits zum fünften Mal
vergeben wird. Diener & Diener Architekten erhalten ihn für
den Ostfl ügel des Museums für Naturkunde Berlin. Sie haben
dort nicht nur die Ausstellungsfl ächen erweitert. Sie haben
vor allem auf höchstem handwerklichen Niveau den kriegs-
zerstörten östlichen Gebäudeteil des Museums durch ein
raffi nier tes Abgussverfahren mit Betonfertigteilen wieder
hergestellt. Die Nahtstelle zwischen Alt und Neu zeichnet sich
deutlich und zugleich subtil an der Fassade ab. Dieses Ver -
fahren interpretiert das Weiterbauen neu und ist in der immer
wieder auffl ammenden Rekonstruktionsdebatte natürlich
nicht unbemerkt geblieben. Diener & Diener sind mit ihren
Bauten keine Neulinge im Jahrbuch. So waren sie mit dem
Wettbewerbsbeitrag für das neue Ruhrmuseum auf der Zeche
Zollverein im Jahrbuch 2000 sowie dem „Neuen Bauen am
Horn“ in Weimar im Jahrbuch 2006 vertreten. Die Jury dieses
Jahrbuchs konnte sich einhellig für den Wiederaufbau des
Ostfl ügels begeistern, und wieder werden die Preisträger nicht
nur im Buch vorgestellt. Sie präsentieren sich auch Anfang
2012 in der Ausstellung „DAM Preis 2011. Die 23 besten
Bauten in/aus Deutschland“ auf der obersten Ebene des
„Hauses im Haus“ im DAM, umrahmt von den weiteren Bauten
dieses Jahrgangs. Erstmalig wurde aus dieser Ausstellungs-
reihe eine Wanderausstellung für die Goethe Institute weltweit
konzipiert; das Institut in Athen machte im Juli 2011 den
Anfang. Im November 2011 wurde diese Leistungsschau darüber
hinaus zum Deutschen Architektentag in Leipzig präsentiert.
ESSAYSZwei Essays zu übergeordneten Themen begleiten die Auswahl
der gebauten Beispiele.
The German Architecture Annual 2011 | 12, published by the German
Architecture Museum (DAM), remains true to the aspirations of
past editions: to show a varied cross-section of the best of recent
architecture in Germany in addition to four examples of outstanding
buildings executed by German architects abroad. This year once
again, one of the nominated buildings has been distinguished with
the DAM Award for Architecture in Germany, now celebrating its fi fth
anniversary. Diener & Diener Architekten received the award for the
East Wing of the Natural History Museum in Berlin. They have not
only extended the exhibition space available there; more importantly,
they have restored the war-ruined East Wing of the museum in a
manner displaying the highest possible level of workmanship using a
sophisticated casting process with prefabricated concrete parts.
The seams between old and new stand out clearly, and yet subtly,
from the surrounding façade. This procedure constitutes a whole new
take on what it means to build onto existing structures, one that
has not gone unnoticed in the recurring debates on reconstruction.
Diener & Diener are by no means new to the Annual. Their compe t-
ition entry for the new Ruhrmuseum on the grounds of Zeche
Zollverein was featured in 2000, and their “New Development am
Horn” in Weimar in 2006. The jury for this year’s Annual voiced
unanimous enthusiasm for the reconstruction of the East Wing. This
year once more, the award winners will be introduced not only in the
book; they will also be presented in early 2012 in the exhibition
“DAM Award 2011. The 23 Best Buildings in/from Germany” on the
top fl oor of the “House within the House” at the DAM, fl anked by the
other buildings of this volume. A travelling exhibition compiled from
this exhibition series to be presented at Goethe Institutes worldwide
makes its debut this year; fi rst stop is Athens in July 2011. In November
2011 this showcase of architectural achievement was also presented
at the Deutscher Architektentag in Leipzig.
ESSAYS
Two essays on overarching themes pertinent to architecture accompany
the selection of the nominated buildings.
Up-to-the-minute and of far-reaching signifi cance is the issue of
civil protest, in the context of which catchwords such as “enraged
citizenry” are bandied about and which, despite its prominence, is no
longer associated only with demonstrations against the “Stuttgart 21“
18
Brandaktuell und von weitreichender Bedeutung ist das Thema
„Bürgerprotest“, das von Schlagworten wie „Wutbürger“
gekennzeichnet ist und trotz aller Prominenz längst nicht mehr
ausschließlich mit der Bewegung gegen „Stuttgart 21“
verbunden wird. Was geht schief im Dialog zwischen Planern,
Politikern und Bürgern? Findet dieser Dialog überhaupt ausrei-
chend statt? Wie können Planer dazu beitragen, Fehler nicht zu
wiederholen, Vorgänge transparent zu gestalten und gleich-
zeitig den eigenen Expertenstatus behalten? Mit diesen Heraus-
forderungen beschäftigt sich der Stadtplaner Albert Speer. Er
ist seit Jahrzehnten in der Praxis mit diesen Fragen konfron-
tiert, entwickelt seine Verfahren ständig weiter und ist damit
international erfolgreich. Im Interview mit dem freien Architek-
turkritiker Oliver G. Hamm zieht er eine Zwischenbilanz und
blickt in die Zukunft.
Der Export des Know-how deutscher Planer und ihrer Gebäude,
damit verbindet man hauptsächlich Aktivitäten in China und in
den arabischen Ländern. Franken Architekten aus Frankfurt sind
wie ihre Kollegen von KSP Jürgen Engel Architekten und von
gmp Architekten von Gerkan Marg und Partner nach Vietnam
gegangen. Dort sammeln Erstere Erfahrungen ganz neuer Art.
Das Modell beginnt – wenn auch noch zaghaft – auch umgekehrt
zu funktionieren: Der Bauherr aus Vietnam investiert in Deutsch -
land, plant und baut hier mit seinen deutschen Kooperations-
partnern. Architektur-Export in zwei Richtungen; die Rollenver-
teilung und die Auswirkungen untersucht der FAZ Ressortleiter
Rhein-Main, Matthias Alexander, in seinem Beitrag.
DIE JURY DES JAHRBUCHSWieder fand nach der Vorauswahl und der Nominierung von
knapp 100 herausragenden Bauten die fi nale Auswahl durch
eine interdisziplinär besetzte Jury aus externen Experten und
DAM-Mitarbeitern statt. Zu der zweitägigen Sitzung Ende
Januar 2011 trafen sich: als Vertreter des letztjährigen Preisträ-
gers David Chipperfi eld Architects deren Entwurfschef Alexander
Schwarz, die Pressesprecherin der Bundesarchitekten kammer
Corinna Seide, Michael Marten vom Bundesministerium für
Verkehr Bau und Stadtentwicklung, Referat Baukultur und
Städtebaulicher Denkmalschutz, die ehemalige Direktorin des
project. What has gone wrong these days with the dialogue between
planners, politicians and citizens? Is such a dialogue even taking
place at all? How can planners help to ensure that mistakes are not
repeated, that processes are kept transparent, while at the same time
preserving their own status as experts? These are challenges with
which city planner Albert Speer occupies himself on a daily basis. He
has been confronted with such issues for years and has developed
methods for dealing with them that have proven internationally
successful. In an interview conducted by freelance architecture critic
Oliver G. Hamm, he takes stock of the current situation and looks
at what the future may bring.
When speaking of the export of German planning expertise and buildings
one automatically thinks mainly of China and the Arab countries.
But Franken Architekten from Frankfurt, like their colleagues from KSP
Jürgen Engel Architekten and gmp Architekten von Gerkan Marg
und Partner, are now working in Vietnam. They are gathering initial
experience there of an entirely new kind. And, although still
cautiously, the usual model is also beginning to function in reverse: a
client from Vietnam invests in Germany, planning and building here
with the help of his German cooperation partners. Architectural export
in two directions: in his essay, Matthias Alexander, editor-in-chief of
the Rhein-Main desk at the Frankfurter Allgemeine Zeitung newspaper,
examines the division of roles and responsibilities and the impact of
current developments.
THE JURY OF THE GERMAN
ARCHITECTURE ANNUAL
Once again this year, a shortlist of nearly 100 outstanding buildings
was compiled, after which an interdisciplinary jury of external experts
and DAM staff members made the fi nal selection. Convening for the
two-day session in late January 2011 were: representing last-year’s
award-winner David Chipperfi eld Architects, their design director
Alexander Schwarz; the press offi cer of the Federal Chamber of German
Architects, Corinna Seide; Michael Marten from the Department
of Building Culture and Urban Monument Protection at the Federal
Ministry of Transport, Building and Urban Development; former
director of the German Centre for Architecture (DAZ) Kristien Ring;
Giulia Andi from the Berlin architecture studio LIN Finn Geipel + Giulia
Andi (participants in last year’s Annual); freelance culture journalist
19
Deutschen Architektur Zentrums (DAZ) Kristien Ring, Giulia
Andi vom Berliner Architekturbüro LIN Finn Geipel + Giulia Andi
(Teilnehmer im letzten Jahrbuch), die freie Kulturjournalistin
Sandra Danicke und die freie Architekturkritikerin Anneke
Bokern aus Amsterdam. Das DAM war durch seinen Direktor
Peter Cachola Schmal, die Kuratorinnen Annette Becker und
Christina Budde, den Kurator Oliver Elser, die Archivleiterin Inge
Wolf sowie den Mitherausgeber des Vorjahres Yorck Förster
und die diesjährige Mitherausgeberin Christina Gräwe vertreten.
Die Diskussionen in der Bibliothek des DAM verliefen lebhaft
und – wie es sich für eine anständige Jurysitzung gehört –
stellenweise kontrovers. Dennoch kristallisierte sich mit
Diener & Diener Architekten rasch ein eindeutiger Gewinner
heraus. Ein zweites Gebäude, das Depotgebäude des Albertinums
in Dresden – von Staab Architekten auf ungewöhn liche Weise
erweitert, indem es als Hofüberdachung dem Bestandsgebäude
einen stimmungsvollen Raum hinzufügt –, erregte ebenfalls
besondere Aufmerksamkeit und wird deshalb hier etwas
ausführlicher als die anderen Bauten vorgestellt.
ARCHITEKTUR IN DEUTSCHLANDDie Bandbreite des Jahrbuchs 2011 | 12 reicht vom Einfamilien-
haus über soziale und Bildungseinrichtungen, Forschungsge-
bäude, Museen und einem Wohnhochhaus hin zu exotischeren
Bauaufgaben. So haben becker architekten in Kempten eine
Betonskulptur in den Fluss gegossen, die der Bewegung des
Wassers folgt und mit diesem poetischen Ansatz doch ein rein
technisches Gebäude geschaffen: das Iller-Wasserkraftwerk.
Ebenfalls skulptural und gleichzeitig sehr karg gestalteten AFF
architekten in Thüringen ein spartanisch ausgestattetes
Ferienhaus; als Schalung diente der Bestand, eine ehemalige
hölzerne Schutzhütte. Nicht nur sporadisches Wohnen bietet
eine großzügige, in Grüntönen gehaltene Einfamilienvilla mitten
im Frankfurter Westend – trotz der dichten Bebauung mit
Garten – von Meixner Schlüter Wendt. Ebenfalls in Frankfurt am
Main haben Stefan Forster Architekten ein leer stehendes Büro-
hochhaus aus den 1960er-Jahren in ein Wohnhaus verwandelt
und damit eine innovative Bauaufgabe formuliert. Fink + Jocher
bauten am ehemaligen Standort des Flughafens München-Riem
Sandra Danicke, and freelance architecture critic Anneke Bokern from
Amsterdam. The DAM was represented by its director, Peter Cachola
Schmal, the curators Annette Becker, Christina Budde and Oliver Elser,
archive director Inge Wolf, last year’s co-editor Yorck Förster, and
this year’s co-editor Christina Gräwe. Animated discussions were
conducted in the DAM library, some of them quite heated – as befi tting
a proper jury session. Nevertheless, the winner was soon clear:
Diener & Diener Architekten. A second building, the storage depot of
the Albertinum in Dresden – which Staab Architekten expanded in
an innovative manner by creating storage space as a roof above the
courtyard, thereby adding a unique new space to the existing building
– was likewise deemed particularly interesting by the jury, for which
reason it is described in somewhat more detail here than the other
selections.
ARCHITECTURE IN GERMANY
The spectrum covered by the 2011 | 12 Annual ranges from a single-
family home to social and educational institutions, from research
buildings and museums to a residential highrise and more exotic
building assignments. In Kempten, for example, becker architekten
poured a cast concrete sculpture, which follows the movement of the
water, into the river, achieving by means of this seemingly poetic
approach a purely technical building: the Iller hydroelectric power plant.
Also sculptural and at the same time extremely spartan is the
meagrely equipped holiday home designed by AFF architekten in
Thuringia; the prior building, a simple wooden shelter, was used here
as a shell. Offering greater comfort for year-round family living in
Frankfurt’s Westend is a spacious green-coloured villa conceived by
Meixner Schlüter Wendt, which, despite its inner-city location, features
its own garden. Frankfurt am Main is also where Stefan Forster
Architekten have demonstrated an innovative approach to conversion
by transforming a vacant 1960s offi ce highrise into an elegant
apartment building. On the former site of Munich-Riem Airport, Fink +
Jocher have erected an oblong primary school that, with its orange,
red and ochre-coloured concrete elements, one could also picture in
the Arizona desert. The MRT Research Building in Berlin-Buch is a
strict yet congenial block that Glass Kramer Löbbert equipped with a
cleverly conceived second skin made up of white expanded metal parts
that can in some cases be opened for light and ventilation. On the
20
eine lang gestreckte Grundschule, die man sich mit ihren
orange-rot-ockerfarbenen Betonelementen auch in der Wüste
Arizonas vorstellen kann. Das MRT-Forschungsgebäude in
Berlin-Buch ist ein streng-freundlicher Quader mit einer raffi -
nierten, teils zu öffnenden zweiten Fassade aus weißem Streck-
metall von Glass Kramer Löbbert. Am Berliner Spreeufer steht
das Modezentrum Labels 2 des Baseler Büros HHF architekten,
das Showrooms für Modelabels beherbergt und mit volantar-
tigen Fassadenelementen diese Nutzung nach außen trägt. Ein
besonders gelungenes Beispiel für den Umgang mit dem Erbe
„Plattenbau“ stellt die Bezirkszentralbibliothek Friedrichs hain-
Kreuzberg von Peter W. Schmidt Architekt dar. Ein viertes
Berliner Gebäude, wieder von AFF architekten, ist die Gemein-
schaftsschule Anna Seghers, die außen mit einer weißen
Lochmuster-Fassade und innen mit schwefelgelb gestrichenen
Räumen auffällt. Im Oderbruch steht ein anthrazitgraues
Ferienhaus der Architekten Heide & von Beckerath. Der Clou
sind haushohe Schiebeelemente, die dem Haus quasi die
Augen öffnen oder schließen. WEBERWÜRSCHINGER Archi-
tekten haben in Rehau ein Ausbildungszentrum (an)gebaut,
das das bestehende Ziegelgebäude behutsam verlängert und
doch eigenständig auftritt. Lederer + Ragnarsdóttir + Oei
haben ebenfalls ein bestehendes Gebäude erweitert und mit
dem Bildungszentrum Bestehornpark die Stadtmitte Aschers-
lebens ergänzt und aufgewertet. Die Cologne Oval Offi ces in
Köln stellen ein weiteres überzeugendes Beispiel im Umgang
mit Form und Farbe des Büros Sauerbruch Hutton dar. Auf
den ersten Blick unspektakulär und dem Ortsbild angemessen,
aber mit ganz eigenen ästhetischen und räumlichen Qualitäten
versehen, ist das katholische Gemeindezentrum St. Laurentius
von kaestle ocker roeder Architekten. Tadao Ando Architect
& Associates haben mit ihrem lokalen Partner Zapp Architekten
in Bad Münster ein Steinskulpturenmuseum geschaffen: oben
eine (translozierte) Scheune aus dem 18. Jahrhundert, unten
ein schlichter Betonbau mit Höfen in Ando-typischer Haptik
und Optik. Staab Architekten sind zweifach vertreten: neben
dem erwähnten Albertinum mit einem rostroten Erweiterungsbau
der Firma nya nordiska in Dannenberg, das sich dem Ortsbild
anpasst und gleichzeitig werbewirksam auffällt.
banks of the River Spree in Berlin stands the Labels 2 fashion centre
created by the Basel studio HHF architekten, which broadcasts the
showrooms for various fashion labels inside with fl ounce-like façade
elements. A particularly successful example of the treatment of the
“concrete slab” heritage in East Germany is the Central District Library
in Friedrichshain-Kreuzberg by Peter W. Schmidt Architekt. A fourth
Berlin building, once again the work of AFF architekten, is the Anna
Seghers Comprehensive School, which features a striking white perfo-
ration pattern on its façade and cheery sulphur-yellow walls within.
Oderbruch is the location of a charcoal-grey holiday retreat by the
architects Heide & von Beckerath. The highlight here consists of
house-high sliding elements that can be opened and closed as if they
were the house’s “eyes”. WEBERWÜRSCHINGER Architekten have
designed a new wing for a training centre in Rehau that carefully
extends the existing brick building and yet stands out as a new and
independent addition. Lederer + Ragnarsdóttir + Oei likewise extended
an existing structure, enhancing Aschersleben’s town centre with their
Bestehornpark Training Centre. The Cologne Oval Offi ces represent
another impressive example of Sauerbruch Hutton’s unique handling
of form and colour. Unspectacular at fi rst glance and melding well with
its surroundings, the Catholic Community Centre St. Laurentius by
kaestle ocker roeder Architekten boasts some unique aesthetic and
spatial qualities. Tadao Ando Architect & Associates have joined forces
with local partner Zapp Architekten in Bad Münster to create a Museum
of Stone Sculpture, with a (translocated) 18th-century barn on top and
a sleek concrete structure with courtyards below that exudes Ando’s
typical look and feel. Staab Architekten are recognised twice in this
year’s Annual: along with the Albertinum mentioned above, they are
also the authors of a rust-red extension to the headquarters of the nya
nordiska textiles company in Dannenberg that respectfully fi ts into
the townscape while asserting its own striking profi le.
EXPORT
Elegant and refi ned down to the last detail, the Cape Town Stadium by
the seasoned team of gmp Architekten von Gerkan Marg und Partner
and Schlaich Bergermann und Partner joins the already spectacular
landscape as a new local landmark. Similarly sleek and elegant, with a
well-planned spatial organisation, is the Centre des Sports in Luxem-
bourg’s city district of Belair designed by Auer + Weber + Assoziierte.
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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE
Peter Cachola Schmal, Christina Gräwe
Deutsches Architektur Jahrbuch 2011/12German Architecture Annual 2011/12
PaperbackBRSU, 218 Seiten, 22,0 x 28,0 cm243 farbige AbbildungenISBN: 978-3-7913-5135-3
Prestel
Erscheinungstermin: September 2011
Zukunftsweisend, herausragend, ausgezeichnet: Die 23 besten Bauten in und aus Deutschland Das diesjährige Deutsche Architektur Jahrbuch bleibt dem Anspruch seiner Vorgänger treu:Wieder zeigt es anhand von 23 Beispielen einen vielseitigen Querschnitt der besten Bauten,die jüngst in Deutschland oder im Ausland realisiert wurden. Der Band widmet sich dembrandaktuellen Thema „Bürgerprotest“, und das weit über die Bewegung gegen „Stuttgart 21“hinaus. Zudem befasst er sich neben dem Export des „Know-hows“ deutscher Planer mit einerneuen Tendenz: dem Reimport deutsch-asiatischer Kooperationen nach Deutschland.