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Z. Immun.-Forsch. vol. 151, pp. 374-379 (1976)

Institut fUr medizinische und biologische Statistik und Dokumentation der Universitat MarburgjL. und Institut fill Blutgruppenserologie der Universitat Freiburg i. Br.

Berechnung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit mit Blutgruppenbefunden unter Benutzung von Frequenzen Fremdstiimmiger

II. Mitteilung: Beschreibung eines Computerprogramms zur Berechnung von log Y IX und W

Calculation of the Plausibility of Paternity with Blood Group Results Using Gene Frequencies of Foreign Populations

II. Description of a Computer Programme to Calculate log YjX and W

P. IHM und K. HUMMEL

Mit 2 Abbildungen

Eingegangen am 4. Dezember 1975 . Angenommen in revidierter Fassung am 10. Marz 1976

Abstract

A previously described computer programme designed to include any given relatives was modified to such an extent that also the plausibility of paternity with blood group findings can be computed for cases involving aliens.

Einleitung

In der ersten Mitteilung (1) wurden Formeln fUr eine Handrechnung von Y IX angegeben, mit denen es moglich ist, in praktisch allen Blut­gruppensystemen (ausgenommen das Rh- und HL-A-System) die Vaterschaftswahrscheinlichkeit eines Mannes mit gegebenen Gen­Frequenzen in den betreffenden Systemen auszurechnen. Voraus­setzung zur Anwendung der Formeln ist, daB die Kindesmutter, der Putativvater und der (die) bekannte(n) bzw. in Frage kommende(n) Mehrverkehrer samtlich derjenigen Bevolkerungsgruppe angehoren, von welcher auch die Gen-Frequenzen stammen.

In der Begutachtungspraxis konnen die Formeln dann von Nutzen sein, wenn die am ProzeB (unmittelbar oder mittelbar) beteiligten Er­wachsenen nicht der mitteleuropaischen Bevolkerung angehoren, son­dern einheitlich einem anderen europiden (oder nicht europiden) Rassekreis, so daB die auf mitteleuropaischen Frequenzen basierenden Tabellen (2) nicht anwendbar erscheinen.

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Calculation of plausibility of paternity involving aliens . 375

Der haufigere Fall der Begutachtenspraxis im europaischen Raum ist jedoch, daB die am ProzeB beteiligten Erwachsenen aus verschiede­nen Bevolkerungsgruppen stammen, so daB auf die einzelnen unter­schiedliche Frequenzen anzuwenden sind. So kann z. B. die Mutter mitteleuropaischer Herkunft sein, der Beklagte Tfuke. Fur die Gegen­hypothese «Nichtvaterschaft des Beklagtem kann man von der An­nahme ausgehen, der wahre Vater sei ebenfalls Tfuke; man kann aber auch die Vermutung haben, ein Landsmann der Kindesmutter sei der Vater. SchlieBlich kann man mit jeweils gleicher Chance (bei ange­nommener Nichtvaterschaft des Beklagten) die Vaterschaft eines Mitteleuropaers wie die eines Turken annehmen.

1m Zweimannfall kann der Beklagte ein Tfuke, der (ebenfalls nicht ausgeschlossene) Mehrverkehrszeuge ein Italiener sein. Falls ein dritter, unbekannter Mann als Erzeuger in Frage kommt, kann dieser wieder­um einer anderen Population angehOren.

Zur Berechnung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit fur aIle diese verschiedenen Gegebenheiten bzw. Annahmen sind Handrechnungen nicht mehr moglich; man benotigt zur Auswertung einen Computer.

Material und Methoden

Als Basis fiir ein entsprechendes Rechenprogramm dient ein von lHM und HUMMEL (3) fiir den Computer entwickelter Algorithmus, der allen Moglich­keiten in spezifischer Weise Rechnung tragt. Fiir die zur Berechnung von X und Y giiltigen Hypothesen wird ein Stammbaum entwickelt, in den alle rele­vanten Personen mit ihren jeweiligen Verwandtschaftsverhaltnissen einbezogen sind_ Fiir jeden Stammbaum werden dann die Wahrscheinlichkeiten (= Haufig­keiten) der zu den beobachteten Phanotypen gehorenden kompatiblen Geno­typen berechnet, diese summiert und in die Formel fiir X bzw. Y eingesetzt. Phanotypisch unbekannte Probanden - im allgemeinen der hypothetische Mehrverkehrer, aber auch verstorbene Personen des Stammbaums - erhalten einen hypothetischen Phanotyp cJ>, der alle Genotypen im Verhaltnis ihrer Wahrscheinlichkeiten umfa13t. Bekannte, von der Vaterschaft nicht auszu­schlie13ende Mehrverkehrer gehen in den Stammbaum und damit in die Be­rechnung mit ihrem konkreten Phanotyp ein.

Dieses, fiir Familienuntersuchungen ausgearbeitete Verfahren ist so alIge­mein, da13 es auch den klassischen Ein-Mann-Ein-Kind-Fall umschlie13t.

1m Normalfall werden fur aIle im Stammbaum vertretenen Proban­den die gleichen (mitteleuropaischen) Gen-Frequenzen verwendet. Man kann das Programm aber so abandern, daB den einzelnen Personen jeweilige, der VolkszugehOrigkeit entsprechende Gen-Frequenzen zu­geordnet werden konnen.

Abbildung 1 zeigt den X-und Y-Stammbaumffu einen Ein-Mann­Ein -Kind -Fall. « 1 >) bezeichnet den hypothetischen Mehrverkehrer. Da­mit sind 4 Personen, 3 bekannte und 1 unbekannte (1 Kind und 3 Er­wachsene) an der Abstammungssache beteiligt. Wie erkennbar, be­steht der Stammbaum zur Berechnung von X aus 2 Teilstammbaumen,

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376 . P. IHM and K. HUMMEL

x y

KM KM

Kind Kind

Abb. 1. Stammbaume zu Y und X eines Ein-Mann-Ein-Kind-Falles unter Be­teiligung fremdstammiger Manner. PV = Putativvater; ?EV = unbekannter Eventualvater; KM = Kindesmutter.

fur die man getrennt die Wahrscheinlichkeiten Xl und X2 (letztere fur die Person" 1") berechnet, wobei dann X = Xl . X2 ist. Fur" 1" wird der Phiinotyp ifJ angenommen; dann ist X2 = 1 und X = Xl; dement­sprechend kann die Person ,,1" bei der Berechnung von X aus dem Stammbaum weggelassen werden.

Anderes gilt dagegen fur die Berechnung von Y: Als "Eingiinge" eines Stammbaums waren von IHM und HUMMEL (3) die Personen be­zeichnet worden, deren Eltern nicht mehr angegeben werden und die darum im Stammbaum ganz oben stehen.

Die Eltern einer Person brauchen im Stammbaum dann nicht zu erscheinen, wenn

1. die Person den Phiinotyp ifJ besitzt, 2. wenn von ihr nicht mehr als 1 Kind abhangt.

Dies wiirde bedeuten, daB im Stammbaum fur Y die Person" 1" ebenfalls weggelassen werden konnte. Doch ist dies im "Fremd­stiimmigenprogramm" nicht zulassig: 1m Fall von Y berechnet das "Verwandtenprogramm" z. B. im FaIle von K: AB; KM: AB, bei Gen-Frequenzen a und b in einem ersten Schritt p = 2 . ab, multipli­ziert in einem zweiten den Wert mit 1/2 . (a + b), woraus p = ab (a + b) folgt. Sind a', b' die zugehOrigen Frequenzen fur Fremd­stiimmige, so ergibt sich

p = ab (a' + b'),

und zwar aus folgender Rechnung: Mutter und Kind AB mit Gen-Haufigkeiten a und b; Vater yom Typ AA, AB,

BB, AC, BC, CC mit Gen-Haufigkeiten a', b' und c'.

2 ab Miitter mit a'a' Vatern AA; Kinder 0,5 AA; 0,5 AB 2 ab Miitter mit 2 a'b' Vatern AB; Kinder 0,25 AA; 0,5 AB; 0,25 BB

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Calculation of plausibility of paternity involving aliens . 377

2 ab Mutter mit b'b' Vatern BB; Kinder 0,5 AB; 0,5 BB 2 ab Mutter mit 2 a'e' Vatern AC; Kinder 0,25 AA; 0,25 AB; 0,25 AU;

0,25 BC 2 ab Mutter mit 2 b'e' Vatern BC; Kinder 0,25 AB; 0,25 AC; 0,25 BC;

0,25 BB 2 ab Mutter mit e'e' Vatern CC; Kinder 0,5 AC; 0,5 BC.

Haufigkeit aller Terzetten mit AB·Kindern: p = 2 ab . a'2 . 1/2 + 2 ab . 2 a'b' . 1/2 + 2 ab . b'b' + 2 ab . 2 a'e' . 1/4

+ 2 ab . 2 b'e' . 1/4 = 2 ab . 1/2 (a" + 2 a'b' + b" + a'e' + b'e') = 2 ab . 1/2 [a' (a' + b' + e') + b' (a' + b' + e')).

Da (a' + b' + e') = 1 ist, erhalt man p = ab (a' + b').

In Fallen, in denen die Mutter-Kind -Konstellation nicht AB = AB ist, gilt nach HUMMEL und IHM (4) die Dublettenwahrscheinlichkeit

p = glg~V,

wobei gl und g2 die Frequenzen der beiden bei der Mutter vorhande­nen Gene sind, wahrend gv die Frequenz desjenigen Gens ist, welches das Kind yom Vater geerbt hat. Bei fremdstammigem Vater muB statt der mitteleuropaischen Frequenz gv fur das vaterliche Gen Gv die fremde Frequenz g'v eingesetzt werden, bei fremdstammiger Mutter Gl mit g'l und G2 mit g'2.

Damit ist es nicht zulassig, Fremdstammige des Phanotyps qJ yom Stammbaum wegzulassen, ausgenommen FaIle, bei denen die qJ-Per­sonen in einem Ein-Personen-Teilstammbaum alleine stehen, etwa beim fremdstammigen unbekannten Mehrverkehrer in Abbildung 1 unter X (nicht aber unter Y). BelaBt man namlich die qJ-Person im Stammbaum, dann summiert der Rechner automatisch uber aIle mog­lichen Genotypen von" 1". Bei diesem Vorgehen ergibt sich dann z. B. auch die Formel ab (a' + b').

Diese besondere Prozedur ermoglicht - wie sich aus dem Beispiel der Abbildung 1 ergibt -, nicht nur dem unbekannten Mehrverkehrs­zeugen, sondern auch dem Eventualvater und der Kindesmutter eigene Frequenzen zuzuordnen.

Kommen fur einen nicht bekannten Mehrverkehrer mehrere Natio­nalitaten in Frage (z. B. Deutscher oder Turke), so muB man mit 3 oder noch mehr Stammbaumen (X, Y], Y2 ••• ) arbeiten und die erhal­tenen Y -Werte entsprechend den Bayesschem Postulat mitteln. Der Mittelwert wird dann zu X ins Verhaltnis gesetzt, urn damit zu W zu gelangen.

Mit entsprechend erweiterten Stammbaumen laBt sich auch beruck­sichtigen, daB der PV oder die Mutter Mischling ist (z. B. europid­negrid, 1. oder hOheren Grades). Fur eine Mischlingsbevolkerung ver­wendet man deren eigene Frequenzen.

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378 . P. IHM and K. HUMMEL

Das ({Fremdstclmmigenprogramm» wurde nun aus dem "Verwandfen­programm" auf folgende Weise erze'ugt;

Dem Rechenautomaten werden die zur VerfUgung stehenden Fremd­frequenzen (zu den bereits gespeicherten mitteleuropaischen) einge­geben. Jede Person erhalt die ihre Volkszugehorigkeit angebende Kennzahl, mit welcher die jeweils entsprechenden Frequenzen abge­ruffm werden. Liegen fUr ein System keine Fremdfrequenzen vor, so druckt die Maschine den Text « Statt ... Genfrequenzen werden deutsche verwendet» aus.

Die Abbildung 2 bringt (als Teilausdruck) einen Gerichtsfall mit 2 Kindem (Geschwister) und 2 nicht ausschlieBbaren Putativvatem,

BERECHNUNG DER VATERSCHAFTSWAHRSCHEINLICHKEiT BEl VERwANDTENUNTERSUCHUNG

PROIiRAMM NACH P.IHM' INSTITUT FUER MEOIlINISCH-BIOLOGISCHE STATlSTIK UND DOKUMENTATION DER UNIVERSITAET MAR BURG IN ZUSAMMENARBEIT MIT K. HUMMEL. INSTITUT FUER dLUTGHUPPEN SERO~OGIE DER UNIVERSITAET FREIBURG I. BR.

FALL NR. 501

PROBAND NR. 1 PROBAND NR. 2 PR06AND NR. ~ PH-QBANO NH. TlJEHK.lS. PROBAND NR.

BERECHNUNG '10..-., X

!U

KIND 1 KINU 2 MUTTER VON 1 UNO 2 P.-VATErt VON 1 UNO 2 ZEUGE

PHQdANO 1 HAt:NGT vON Pth')~ANO J lJNO PROBANl) 4 AB PkOdANO C r1At::I-'\JT vvN PK\)UANL .3 UNO PRuHANU 4 AB PHOdAND 3 rtAEt~~T vvN PkOdANO 0 UNO PROBAND 0 AB PriQIjAHD 1+ HAEt~\lIT yUf>.I PHQr3AND 0 U~JO PROBAtm 0 AS pt(OdAr~o 5 rtAE ..... :3T vJt~ PI"(UtiANO 0 UNO I-'RuBArm 0 AB

Bt:.R~CHNUNG 'lOll Y

PkQUAND 1 t1AENGT VON PriOuAND 3 uNO PROBAtm PRQLJANO ~ HAENGT vut~ PH.l,)tjAI~D j UI~D Pf-NBAfJU PHOt3ANQ , HA£r~GT vu'~ PHOtiAND U Ulm PHvOArJl) Pr(OtMf-.lC S tiAENGT IJvf\j PK(hjArm u I.mD PRuBAI jQ

PRQdAlm ~ HA£I~GT VllN PkObAr.D o UNO PRllBAN()

SY5T[M I\iR. PRuBA~uEi",-NR. 1 t!. :3 t'HAEr~OTYfl-r~R. If ~ 6

5 AB 5 A~ o AB o AB o AB

5 o

X = .£":335-03 Y = LOG{.IO + 1u = 6.]oBJ

.1531-0< LOGIY!X) + 10 = 9.~086 LOG(YI + 1u = 5.8769

5YO:;T[M NR.

~15T[M NR.

t'1~unAIJI.Jt:'~-lm. 1 , :5 PHAEI~OTYP-I~R. ~ ~ ~ ;. = .bl:4~-u2 Y = Lv,,;(;.) + 10 = 7.905~

_ 5

7 0 .~532-02 LOG(Y/X) + 10

LOGIn + 10 = 7.6563

PRuf\AiJilEN-NR. 1 2 3 4 5 t-lhAEI.QT yp-r~R. 2 t!. 2 2 0

,TATT TuEPKI~. GENFREGUENZEN ~ERDEN DEUTSCHE VERWENDET

9.7508

SU~~E 9.5086 • =

• =

.7561

.8_62

• = .8'19+00 Y = .802"00 LOGIYIX) + 10 = 9.97.0 SUMME = 9.2333 W = .8539 LOG,,) + 10 = 9.930_ LOGIY) + 10 = 9.90 ..

SYSTE~ NR. ~R()BAND(r~-I~R. 1 2 :5 4 5 t-'tlAEr-.lOTYP-I~R. 1 1 1 1 0

,TATT TuERKI>. GENFREGUENZEN WERDEN DEUTSCHE VERwENDET x = .2.946-01 y = .8631-02 ~OG(Y/X) + 10 = 9.~668 SllMME = 8.7001 'II = .9523 LOGIX) + 10 = 8 •• 693 LOGly) + 10 = 7.9361

SYSTEM NR. PHOHAIIDEN-NR. 1 2 3 • 5 PHAEI.OTyP-I~R. 1 1 1 1 0

~lATT TuERKIS,. GENFREQUENZE,,, WERD£N DEuTSCHE' VERWENDET ,( .:: .414~+uO Y = .4327+IlO LOGeY/XI + 10 = 9.Q600 SUM[IiIE = 8.6&01 w = .95ti3

Abb. 2. Computerausdruck mit einem Turken als PV und einem Deutschen als MVZ.

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Calculation of plausibility of paternity involving aliens . 379

der Beklagte ist Turke, der Zeuge Deutscher. Ein dritter unbekannter Mann kommt nach Ansicht des Gerichts als Vater praktisch nicht in Betracht. Nur in 2 der insgesamt auf dem Ausdruck erscheinenden 5 Erbsyskme standen turkische Frequenzen (fUr den Beklagten) zur VerfUgung. Der Rechenautomat brachte einen entsprechenden Ver­merk an.

Literatur

I. SZCZOTKA, H. und K. HUMMEL. 1976. Berechnung der Vaterschaftswahr­scheinlichkeit mit Blutgruppenbefunden unter Benutzung von Frequenzen Fremdstammiger. 1. Mitteilung: Formeln zur Handrechnung von Y/X-Wer­ten in Systemen mit 2, 3 und 4 Allelen. Z. Immun.-Forsch. 161: 359.

2. HUMMEL, K. Biostatistische Abstammungsbegutachtung mit Blutgruppen­befunden. Tabellenband 1 und 2. Gustav Fischer Verlag. Stuttgart 1971/73. Erganzungen Freiburg 1973/75.

3.IHM, P. und K. HUMMEL. 1975. Ein Verfahren zur Ermittlung der Vater­schaftswahrscheinlichkeit aus Blutgruppenbefunden unter beliebiger Ein­beziehung von Verwandten. Z. Immun.-Forsch. 149: 405.

4. HUMMEL, K. und P. IHM. 1961. Tabellenwerk zur Berechnung der Vater­schaftswahrscheinlichkeit im serologischen Gutachten. In: K. HUMMEL (Hrsg.). Die medizinische Vaterschaftsbegutachtung mit biostatistischem Beweis. Stuttgart.

Prof. Dr. med. K. HUMMEL, Hermann-Herder-Stra13e 11, Postfach 820, D -7800 Freiburg i. Br.