soziale natur – natur für alle - un-dekade biologische vielfalt · 2018-05-15 · die hier...
Post on 08-Aug-2020
4 Views
Preview:
TRANSCRIPT
SOZIALE NATUR – NATUR FÜR ALLE
IMPULSE STIMMEN PROJEKTE
IMPULSE
2
INHALT
IMPRESSUM
IMPULSE
Herausgeber: Geschäftsstelle UN-Dekade Biologische Vielfalt | nova-Institut GmbH Chemiepark Knapsack | Industriestraße 300 | 50354 Hürth
Tel.: 02233 481 463 geschaeftsstelle@undekade-biologischevielfalt.de www.undekade-biologischevielfalt.de
Verantwortlich: Arno Todt Fachl. Betreuung: Helena Ströher (BfN) Gestaltung: intention, Bonn Stand: April 2018
Foto Titel: iStock.com/Image Source. Stand: Mai 2018
04 Einleitung Prof. Dr. Beate Jessel
05 Grußwort Hans Scholten
06 Naturschutzpolitik: natürlich sozial
08 UN-Dekade Biologische Vielfalt 2011–2020
3
IMPULSE
STIMMEN10 Stimmen aus dem Kompetenzteam Soziale Natur –
Natur für alle.
PROJEKTE12 Vielfalt erhalten – soziales Miteinander fördern
13 A.L.M. – Alpen. Leben. Menschen.
14 Naturerfahrungsräume für Berliner Kinder
15 Heimatgarten Rheinhausen – Gemeinsam in Duisburg
16 Gemeinsam für eine sinnvolle Welt von morgen
17 Aktive Vielfalt, für alle
18 Barrierefreier Nationalpark
19 Das Landschaftshaus – Natur erleben, entdecken, erforschen
20 Wild auf Wald – Gemeinsam aktiv für Natur und Landschaft
21 faba – Familien in Balance
22 Mit Grabegabel und Kochlöffel – Jung und Alt auf dem Gemüseacker
23 Der soziale Garten
IMPULSE
4
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Sie möchten erfahren, was Natur uns allen bieten kann? Dann lade ich Sie ein, sich in die Welt
vielfältiger Projekte entführen zu lassen.
Wir haben für Sie im Rahmen des Sonderthemas „Soziale Natur – Natur für alle“ der UN-Dekade
Biologische Vielfalt 2011–2020 eine ganze Reihe vorbildlicher Projekte an der Schnittstelle von
Natur und sozialen Fragen zusammengestellt. Diese zeigen, wie wir alle gleichermaßen die Natur
erleben und gemeinsam genießen können. Sei es durch Gartenprojekte für Jung und Alt, den
Besuch von Nationalparks für Menschen mit und ohne Behinderungen oder durch interkulturelle
Sport- und Freizeitaktivitäten im Alpenraum. Natur in Deutschland hat viele Gesichter – ebenso
wie die Menschen, die sich in ihr aufhalten. Sie alle sind gemeinsam in und mit der Natur aktiv,
überwinden soziale Grenzen und Hindernisse.
Durch das offene Miteinander geschieht aber noch etwas anderes. Dies liegt mir als Präsidentin
des Bundesamtes für Naturschutz besonders am Herzen: Es wird ein Bewusstsein für das Erleben
in der Natur geschaffen. Natur wird als
Raum für wertvolle Erfahrungen begrif-
fen: Es lassen sich Neugierde und Interes-
se wecken. Das soziale Mit ein ander in
der Natur schafft somit auch Achtsam-
keit gegenüber unserer Umwelt, gegen-
über Tieren, Pflanzen und der biologi-
schen Vielfalt. Und letztendlich: Was uns wichtig ist, möchten wir gerne behalten. Wir möchten es
bewahren und schützen.
In der sozialen Natur befinden sich daher drei Chancen: Gemeinsames Erleben in der Natur und
das Überwinden von Grenzen und Hindernissen als Beiträge zu einem stärkeren sozialen Mitein-
ander sowie ein stärkeres Naturbewusstsein. Die hier vorgestellten Projekte fördern diese Chan-
cen. Die mitarbeitenden Menschen setzen sich vorbildlich für die biologische Vielfalt und das
gemeinsame Miteinander ein. Alle diese Projekte haben daher die Auszeichnung als „UN-Dekade-
Projekt“ erhalten. Ich danke diesen Projekten, den Projektleitenden, Mitarbeitenden und Teil-
nehmenden sehr für dieses Engagement – und auch allen weiteren Projekten der UN-Dekade.
Ebenso möchte ich mich ganz herzlich bei den Mitgliedern des Kompetenzteams für die fachliche
Begleitung der UN-Dekade bedanken.
Ihnen, liebe Leserinnen, liebe Leser, wünsche ich, dass Sie auch bereits Chancen hatten, für sich
zu entdecken, welche Möglichkeiten Natur uns nicht nur in biologischer, sondern auch in sozialer
Hinsicht bietet!
Ihre
Prof. Dr. Beate Jessel
[Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz]
OFFENES MITEINANDER SCHAFFT BEWUSSTSEIN FÜR DIE NATUR
5
IMPULSE
Liebe Freundinnen und Freunde der Natur,
die amerikanische Weltraumbehörde NASA stellte in Aussicht, dass um die Dekade 2030–2040
eine bemannte Expedition zum Mars durchgeführt wird. Noch ist nicht sicher, ob es bei dieser
Mission einen „Rückfahrschein“ zur Erde geben wird. Könnten Sie sich vorstellen als Freiwillige
oder Freiwilliger – und es gibt schon Anmeldungen – an diesem Vorhaben teilzunehmen? Ich, für
meine Person nicht! Ich brauche den Wechsel der Jahreszeiten, die Vögel am Himmel, Bachläufe
und Flusstäler, Wälder und Blumen, das Gesumm der Bienen und den treuen Blick meiner vier-
beinigen Weggefährten. In mir wohnt die feste Überzeugung, dass es vielen meiner Mitmenschen
und vielen der Leserinnen und Leser dieser Broschüre genauso geht.
Doch diese Schönheit und dieser Reichtum sind bedroht. „Die Veränderungen laufen drama-
tischer ab denn je. Seit ein Asteroideneinschlag die Dinosaurier vernichtet hat, sind die Arten
noch nie schneller verschwunden“, stellt Prof. Anthony D. Barnosky von der Berkeley University
of California fest.
Die Verletzlichkeit der Natur und die ökologischen Probleme, die menschengemacht uns in
schwierige Krisen bringen, lassen gleichzeitig die Loyalität zu unseren Mitgeschöpfen wachsen.
Zum Beispiel in meiner beruflichen Erfahrung in der Kinder- und Jugendhilfe registrierte ich mit
wachsender Klarheit die heilende Kraft von ursprünglichen Begegnungen mit Landschaften, Tieren
sowie im Engagement für unsere Umwelt. Mädchen und Jungen mit verletzten Biografien fanden
in natürlicher und herausfordernder Umgebung einen fördernden Background für pädagogische
Impulse und damit für persön-
liches Wachstum. Ein ge bettet
in das einfache Leben in der
Natur fällt oft die künstliche
Fassade, welche den Kindern
und Jugendlichen in ihrer
Sozi alisation aufgezwungen
wurde und sie der Natur entfremdete. Dann passieren zwar keine Wunderheilungen, aber das
Setting in der Natur ist ungemein förderlich für weitere erlebnisreiche und sensibilisierende
Erfahrungen. Was für die Mädchen und Jungen gilt, ist ein Potenzial für alle Generationen und
wird in Krankenhäusern, Altenheimen und Behinderteneinrichtungen zunehmend in das Spek-
trum von Alltag und therapeutischer Intervention integriert.
Diese Chancen vor Augen, schmerzt die Feststellung von Papst Franziskus, dass unsere Erde
schreit und wir in dem Spannungsverhältnis von explosiver sozialer Ungerechtigkeit und ökolo-
gischer Krise zerrissen werden. Der Wille zur Gerechtigkeit zwischen den Menschen und der
Wille zur nachhaltigen Behutsamkeit im Umgang mit der Schöpfung wird unser Schicksal – das
Schicksal unserer Kinder und Kindeskinder – bestimmen.
Die UN-Dekade Biologische Vielfalt ist ein wichtiger Impuls und bezieht die soziale Dimension in
diesen notwendigen ökologischen Auftrag mit ein. Die Vielzahl an Initiativen, die mir mit den
Kolleginnen und Kollegen in den Veranstaltungen der UN-Dekade begegnen, bestätigen das Wort,
dass viele Menschen an vielen Orten mit vielen Initiativen der Hoffnung eine Gasse bahnen
können. In ihrem Engagement kommt zum Ausdruck, dass jedes Teil des großen Ganzen wichtig
und erhaltenswert ist – der Eisbär wie die Wildbiene, der Blauflossenthunfisch wie der Stieglitz,
der Obstbaum wie die Brennnessel ...
Lassen Sie uns in diesem Sinne beitragen, unseren blauen Planeten in seiner verletzlichen Schön-
heit zu erhalten, bevor wir uns dem Mars zuwenden.
Hans Scholten
[ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands katholischer Einrichtungen und Dienste
der Erziehungshilfen e. V. (BVkE) sowie früherer Leiter des Jugendhilfezentrums Raphaelshaus
Dormagen und Mitglied der UN-Dekade-Fachjury]
BEHUTSAMKEIT IM UMGANG MIT DER SCHÖPFUNG WIRD UNSER SCHICKSAL
IMPULSE
6
NATURSCHUTZPOLITIK: NATÜRLICH SOZIAL
Was ist biologische Vielfalt?Die biologische Vielfalt umfasst die Diversität aller Tier-, Pflan-
zen- und Pilzarten, die auf der Erde vorkommen sowie ihre
Lebensräume und die genetische Vielfalt der einzelnen Arten
wie etwa Pflanzensorten und Tierrassen.
Die Biodiversität ist eine wichtige Grundlage unserer Existenz:
So bestäuben zahlreiche Insektenarten unsere Nutzpflanzen
und eine Fülle von Organismen sorgt für sauberes Wasser und
reine Luft. Darüber hinaus hat die biologische Vielfalt wichtige
soziale Wirkungen: Naturerlebnisse beeinflussen die Entwick-
lung von Kindern und Jugendlichen positiv; Aktivitäten in der
Natur tragen zum Wohlbefinden und zur Erholung bei und ver-
binden Menschen miteinander.
Die biologische Vielfalt ist weltweit und auch in Deutschland
bedroht. Zu ihrer Erhaltung sind verschiedene Abkommen und
Strategien verabschiedet worden, die auch den gesellschaft-
lichen Blickwinkel mit einbeziehen.
Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD)Das größte und bekannteste Abkommen zum Schutz der biolo-
gischen Vielfalt wurde 1992 im Rahmen der UN-Konferenz für
Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro geschlossen. Die-
sem „Übereinkommen über die biologische Vielfalt“ (Convention
on Biological Diversity, CBD) sind weltweit inzwischen 196
Staaten beigetreten, darunter auch Deutschland. Trotz des
Übereinkommens ließ sich der fortschreitende Verlust der Bio-
diversität nicht aufhalten. Aus diesem Grund wurden bei der
Vertragsstaatenkonferenz in Nagoya 2010 der „Strategische
Plan 2011 bis 2020“ mit den so genannten „Aichi-Zielen“ sowie
die „UN-Dekade für biologische Vielfalt 2011 – 2020“ beschlossen.
Zu den Zielen der UN-Konvention und den Aichi-Zielen gehört
eine deutlich bessere Wahrnehmung und höhere Wertschät-
zung biologischer Vielfalt in der Bevölkerung. Die UN-Dekade
ist ein wichtiges Instrument, um mehr Menschen für den
Schutz der biologischen Vielfalt zu gewinnen.
Eine Biodiversitätsstrategie in Deutschland mit sozialen BezügenDurch den Beitritt zur CBD verpflichten sich die Vertragspar-
teien, eigene Biodiversitätsstrategien zu entwickeln. Die deut-
sche Bundesregierung hat daher im Jahr 2007 die Nationale
Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) verabschiedet. Diese
umfassende Strategie hebt auch hervor, dass Naturerlebnisse Unser Häuschen im Wald. Foto: Miriam Dutschek
7
IMPULSE
für alle Menschen von heraus ragender Bedeutung sind und bezieht sich auf viele Aspekte von
sozialer Gerechtigkeit und Chancengleichheit. So formuliert sie als Ziel, dass die Rahmenbedin-
gungen für Bildungs- und Erleb nisangebote zum Schutz der Biodiversität zu verbessern sind.
Zudem soll bis 2020 eine ausreichende Zahl an barrierefreien Erholungsgebieten geschaffen
werden. Die Strategie liefert eine wichtige Grundlage, um soziale Fragen im Naturschutz zu ver-
ankern.
An der erfolgreichen Umsetzung der Strategie arbeiten Bund, Länder und Kommunen gemein-
sam mit Verbänden, Unternehmen und weiteren gesellschaftlichen Akteuren. Um die verschiede-
nen Gruppen zu vernetzen und den Austausch zu erleichtern, hat das Bundesumweltministerium
von Beginn an einen mehrjährigen, dialogorientierten Umsetzungsprozess gestartet. Dieser
bezieht sich auch auf Fragen an der Schnittstelle von Naturschutz und Gesellschaft. Projekte und
Dialogforen fanden und finden unter anderem mit Jugendlichen, verschiedenen Religionsge-
meinschaften oder Akteuren aus dem Bildungsbereich statt. Darüber hinaus werden im Rahmen
des „Bundesprogramms Biologische Vielfalt“ seit 2011 Projekte gefördert, die in Deutschland
erheblich zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen und das gesellschaftliche Bewusst-
sein für ihren Wert stärken. Projekte an der Schnittstelle zu sozialen Fragen, zu Teilhabe und
Naturerfahrung, werden ebenfalls finanziell unterstützt.
Handlungsprogramm „Naturschutz-Offensive 2020“Die Ergebnisse der vielfältigen Maßnahmen zur Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologi-
schen Vielfalt werden anhand eines Sets von Indikatoren regelmäßig überprüft. Der Indikatoren-
bericht 2014 hat gezeigt, dass es noch erheblicher Anstrengungen bedarf, um die Ziele der NBS
zu erreichen.
Um den Umsetzungsprozess bis zum Jahr 2020 deutlich voranzubringen, hat das Bundesumwelt-
ministerium im Oktober 2015 das Handlungsprogramm „Naturschutz-Offensive 2020“ gestartet.
Das Programm zeigt auf, in welchen Bereichen die größten Defizite bei der Erhaltung der biolo-
gischen Vielfalt in Deutschland bestehen. Hierbei wird abermals unterstrichen, dass die Teilhabe
sozial benachteiligter Gruppen an der Natur und am Dialog zur biologischen Vielfalt als Frage der
Gerechtigkeit in der Gesellschaft gestärkt werden soll.
Die soziale Dimension des Naturschutzes – ein Arbeitsprogramm des Bundesamtes für NaturschutzAuch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat die soziale Dimension des Naturschutzes in
seiner Arbeit aufgegriffen und zielt auf eine stärkere Teilhabe sozial benachteiligter Gruppen am
Naturerleben. Angestrebt wird, die vielfältigen Möglichkeiten des Naturschutzes für den gesell-
schaftlichen Zusammenhalt und die Integration besser zu erfassen und zu nutzen. Der Natur-
schutz soll damit auch auf auf ein breites gesellschaftliches Fundament gestellt werden und
mehr Rückhalt durch die Gesellschaft erfahren. Neue Forschungs- und Modellprojekte werden
dazu entwickelt sowie Partnerschaften mit gesellschaftlichen Gruppen aufgebaut und vertieft.
Fotos von oben: Stiftung Naturschutz Berlin,
Robbe: intention, Strand bei Prerow: intention
Hohes Venn. Foto: intention
IMPULSE
8
Auszeichnung von UN-Dekade-ProjektenIm Mittelpunkt der deutschen Aktivitäten stehen zwei Wettbewerbe und die Verbreitung vorbildlicher Dekade-Projekte. Mit der
Auszeichnung als „offizielles Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt“ wird das Ziel verfolgt, beispielhafte Projekte bundesweit
bekannter zu machen, ihnen zusätzliche Anerkennung und Reputation zu verleihen und andere Menschen zur Nachahmung anzu-
regen.
Im Rahmen des regulären Wettbewerbs „Biologische Vielfalt“ werden vorbildliche Projekte ausgezeichnet, die sich für die Erhal-
tung und nachhaltige Nutzung biologischer Vielfalt sowie für eine verbesserte Kommunikation einsetzen. Der 2017 begonnene
Sonderwettbewerb „Soziale Natur – Natur für alle“ würdigt Projekte, die soziale Aktivitäten und Naturvielfalt verbinden und Men-
schen für die biologische Vielfalt begeistern. Die in dieser Broschüre dargestellten Praxisbeispiele zeigen eine Auswahl an ausge-
zeichneten UN-Dekade-Projekten aus diesem Wettbewerb.
An beiden Wettbewerben können sich deutschlandweit lokale, regionale oder bundesweite Vereinigungen und Organisationen mit
kleineren oder größeren Maßnahmen beteiligen. Die Auswahl der UN-Dekade-Projekte trifft eine Fachjury mit zwölf Vertretern aus
unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen. Die Jury tagt zweimal jährlich und entscheidet über die eingegangenen Projekt-
bewerbungen. Bewerbungsfristen bestehen nicht.
Angesichts des weiterhin fortschreitenden Verlusts an Biodiversität weltweit haben die Vertrags-
staaten 2010 auf ihrer Konferenz in Nagoya beschlossen, die Jahre 2011 bis 2020 zur „UN-Dekade
für biologische Vielfalt“ zu erklären. Die Dekade soll die Umsetzung des UN-Übereinkommens
über die biologische Vielfalt unterstützen. Zu dessen Zielen zählt auch, die Wertschätzung für die
biologische Vielfalt in allen Teilen der Gesellschaft zu verbessern und ihre Erhaltung zu einem
Anliegen aller zu machen. Die Bundesregierung ist dieser Verpflichtung nachgekommen und hat
2011 die UN-Dekade Biologische Vielfalt in Deutschland ins Leben gerufen.
Foto: Thomas Hinsche
UN-DEKADE BIOLOGISCHE VIELFALT 2011–2020
9
IMPULSE
Angesichts des weiterhin fortschreitenden Verlusts an Biodiversität weltweit haben die Vertrags-
staaten 2010 auf ihrer Konferenz in Nagoya beschlossen, die Jahre 2011 bis 2020 zur „UN-Dekade
für biologische Vielfalt“ zu erklären. Die Dekade soll die Umsetzung des UN-Übereinkommens
über die biologische Vielfalt unterstützen. Zu dessen Zielen zählt auch, die Wertschätzung für die
biologische Vielfalt in allen Teilen der Gesellschaft zu verbessern und ihre Erhaltung zu einem
Anliegen aller zu machen. Die Bundesregierung ist dieser Verpflichtung nachgekommen und hat
2011 die UN-Dekade Biologische Vielfalt in Deutschland ins Leben gerufen.
Foto: Thomas Hinsche
Öffentlichkeitsarbeit der UN-DekadeDie ausgezeichneten Projekte und weitere wertvolle Informationen zur biologischen Vielfalt
werden über folgende Informationskanäle verbreitet:
• Internetseite – www.undekade-biologischevielfalt.de
• Facebook – www.facebook.com/undekadebiologischevielfalt
• Twitter – twitter.com/undekadebiodiv und einen regelmäßigen Newsletter
Botschafter/innen der UN-Dekade biologische VielfaltZahlreiche prominente Persönlichkeiten geben der UN-Dekade ein Gesicht und unterstützen die
Öffentlichkeitsarbeit. Sie wirken bei der Auszeichnung von UN-Dekade-Projekten mit und beteili-
gen sich an Social-Media-Aktionen. Darüber hinaus engagiert sich eine Gruppe von Jugendbot-
schafter/innen für die UN-Dekade, um auch jüngere Menschen für die Erhaltung der biologischen
Vielfalt zu gewinnen.
„Soziale Natur – Natur für alle“Mit dem Sonderthema „Soziale Natur – Natur für alle“ wird im Rahmen der UN-Dekade in Deutsch-
land von 2017 bis 2020 der Blick verstärkt auf die Chancen, die Natur für den sozialen Zusammen-
halt bietet, gelenkt. Die UN-Dekade möchte zu einem wachsenden Bewusstsein in der Bevölkerung
beitragen, dass Naturvielfalt Raum für Begegnung, Erholung und Erlebnis bietet. Dabei bringt Na-
tur Menschen zusammen und ermöglicht mehr offenes Miteinander; soziale Grenzen können über-
wunden werden.
Konkret geht es beim Sonderthema und dem damit verbundenen Wettbewerb um drei Themen-
felder: In der Stadt und auf dem Land schaffen Vereine und Kommunen grüne Orte, an denen
Menschen verschiedener Generationen, Kulturen oder einfach Nachbarn zusammenkommen und
gemeinsam in und mit der Natur aktiv sind. Auch Einrichtungen wie Zoos, botanische Gärten und
Erlebnisbauernhöfe sind wichtige Kontaktpunkte mit der Natur, die Menschen aus allen gesell-
schaftlichen Schichten Freude an der Naturvielfalt bereiten und das Thema Biologische Vielfalt in
die Mitte der Gesellschaft tragen. Spezielle Naturerlebnisse und Aktionen wie Freizeit- und Sport-
angebote in der Natur helfen, soziale Hindernisse zu überwinden und positive Naturerlebnisse zu
ermöglichen.
Netzwerke ausbauen – Synergien fördernGerade beim Thema „Soziale Natur – Natur für alle“ sind die Vernetzung und der fachüber-
greifende Austausch zwischen Vertreter/innen aus den verschiedenen Bereichen wichtig, um zu
neuen Kooperationen, Synergien und innovativen Aktivitäten zu kommen.
Hierfür wurde im Rahmen der UN-Dekade in Deutschland das „Kompetenzteam Soziale Natur –
Natur für alle“ eingerichtet.
Wilde Oasen: Naturerfahrungsräume für Kinder in der Großstadt (s. Projekt 2).
Foto: Stiftung Naturschutz Berlin
Thomas Graner (Mitte), Vizepräsident des BfN bei der Aus
zeichnung des Projekts „Naturerfahrungsräume in Großstädten
am Beispiel Berlin“. Foto: Stiftung Naturschutz Berlin
STIMMEN
10
STIMMEN AUS DEM KOMPETENZTEAM„SOZIALE NATUR – NATUR FÜR ALLE“
Im „UN-Dekade-Kompetenzteam Soziale Natur – Natur für alle“ treffen sich Vertreter/innen von
rund 25 Organisationen aus den sozialen Bereichen der Gesellschaft und dem Naturschutz zum
Aus tausch. Dazu gehören beispielsweise Sozial-, Jugend- und Umweltverbände ebenso wie
Vereinigungen in der Stadtentwicklung, der zoologischen und botanischen Gärten und der Lern- und
Erlebnis bauernhöfe. Bei den Treffen geht es
darum, die gemeinsamen Schnittstellen von
biologischer Vielfalt und sozialen Fragen zu
besprechen sowie Erfahrungen in den Arbeits-
feldern und Interessenlagen zu erörtern, um zu
einer positiven Entwicklung im Bereich „Soziale
Natur – Natur für alle“ beizutragen. Das Team
trifft sich regelmäßig einmal im Jahr.
„Die Natur ist ein Ort der Erholung und der
Begegnung. Ein Spaziergang im Wald lässt
aufatmen. Kinder fühlen sich draußen wohl. Sie sind spielend in Bewegung und
lernen miteinander. Auf einer Sitzbank mit Blick in die Natur sammeln nicht nur
alte Menschen Kraft und kommen ins Gespräch. Nicht alle Menschen haben
jedoch den gleichen Zugang zur Natur. In Städten ohne Geld verwahrlosen Parks
und sie werden von den Menschen gemieden. Die Rollstuhlfahrerin scheitert an
ungeeigneten Wegen. Und für den Ausflug in die Berge oder an die See fehlen
armen Familien die Mittel. Die Diakonie will Hürden abbauen und Zugänge
ermöglichen. Natur soll für alle erfahrbar sein, weil wir alle Natur brauchen.“
MARIA LOHEIDE, DIAKONIE DEUTSCHLAND
„Naturräume bedeuten
für viele Menschen
Lebensfreude, Gesundheit und soziales Leben. Wenn Kinder nicht mehr
wissen, was ein Wald ist, ist das eine Form von Armut und für unsere
Gesellschaft ein Armutszeugnis. Die Deutsche Umwelthilfe setzt sich
bereits seit vielen Jahren dafür ein, dass insbesondere Menschen in sozial
benachteiligten Gebieten in der Nähe des Wohnortes Naturräume erfahren
und erleben können.“
SILKE WISSEL, DEUTSCHE UMWELTHILFE (DUH)
DIE MITGLIEDER DES KOMPETENZTEAMS
• ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen e. V.
• AWO Bundesverband e. V.
• Bund der Jugendfarmen und Aktivspielplätze e. V.
• Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof e. V.
• Bundesinstitut für Bau, Stadt und Raumforschung
• Bundesverband der Natur und Waldkindergärten in Deutschland e. V.
• Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e. V.
• Bundesverband katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen e. V.
• Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V.
• Christlicher Verein Junger Menschen e. V.
• Deutsche Umwelthilfe e. V.
• Deutscher Städte und Gemeindebund e. V.
• DeutscherWildgehegeVerband e. V.
• Deutsches Jugendherbergswerk e. V.
• Deutsches Kinderhilfswerk e. V.
• Diakonie Deutschland – Evangelischer Bundesverband e. V.
• Die Stadtentwickler.Bundesverband e. V.
• EUROPARC Deutschland e. V.
• Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e. V.
• Malteser Hilfsdienst Diözese MünchenFreising
• Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e. V.
• Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis gGmbH
• Umweltbundesamt (Fachgebiet I 1.4 )
• Verband Botanischer Gärten e. V.
• Verband der Zoologischen Gärten e. V.
• Verband Deutscher Naturparke e. V.
Die Teilnehmer/innen des Kompetenzteams diskutierten in Berlin Praxis beispiele,
gemeinsame Arbeitsfelder und Perspektiven.
11
STIMMEN
„Die Naturparke wollen ihre Angebote und Aktivitäten
u. a. in den Handlungsfeldern Natur erleben,
Erholung und Freiwilligenengagement so gestalten,
dass sie für die gesamte Bevölkerung nutzbar sind.
Durch die Ermöglichung von Teilhabe und die
Förderung von Integration durch zielgruppengerechte Angebote für
Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen möchten wir den
Austausch und das gegenseitige Verständnis fördern und ein gemeinsames
En gagement für Natur und Naturschutz unterstützen.“
ULRICH KÖSTER, VERBAND DEUTSCHER NATURPARKE (VDN)
NaturparkeDeutschland
„Der Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) begrüßt den
Fokus der UN Dekade Biologische Vielfalt auf die sozialen
Aspekte des Natur und Artenschutzes ausdrücklich. Denn
mit jährlich mehr als 40 Millionen Besuchern aller Alters,
Gesellschafts und Bildungsschichten stellen VdZ Zoos
äußerst heterogene und besucherstarke außerschulische Bildungsorte
dar, in denen Bürgerinnen und Bürger unserer stark urbanisierten
Gesellschaft in naturnahem Umfeld und über emotionale Tiererlebnisse
soziale Brücken schlagen können.“
DR. JULIA KÖGLER, VERBAND DER ZOOLOGISCHEN GÄRTEN (VDZ)
„Natur zu erfahren und zu erleben ist ein
wertvolles, aber für viele auch knappes und
schwer zugängliches Gut. Wenn wir über
eine gerechtere Gesellschaft diskutieren,
müssen wir auch die Teilhabe an Natur als
ein Grundrecht für alle Menschen
mitdenken.“
„Rund acht Millionen Menschen in
Deutschland sind auf Barrierefrei
heit zwingend angewiesen. Viele von
ihnen sind an Natur interessiert. Gemeinsam mit ihnen entwickeln wir neue
Angebote, damit Naturerleben, Umweltbildung und freiwilliges Engagement
für alle zugänglich ist. Wir verbreiten als Dachverband der Nationalparks,
Biosphärenreservate, Naturparks und Wildnisgebiete gute Beispiele, wichtige
Erfahrungen und unterstützende Materialien, um Menschen mit Einschrän
kungen in den Nationalen Naturlandschaften willkommen zu heißen.“
KERSTIN EMONDS, EUROPARC DEUTSCHLAND
„Die gleichberechtigte Teilhabe in allen gesellschaft
lichen Bereichen ist ein Menschenrecht. Dabei sind
auch die Bedarfe von Menschen mit unterschiedli
chen Beeinträchtigungen zu beachten, wenn
Naturerlebnisse beispielsweise durch Wege oder
andere Angebote ermöglicht werden. Barrierefrei
heit in den Naturangeboten ist für viele behinderte
Menschen eine zwingende Voraussetzung, um teilhaben zu können, aber
gleichzeitig für alle Nutzer*innen komfortabel.“
DR. SIGRID ARNADE, INTERESSENVERTRETUNG SELBSTBESTIMMT LEBEN IN DEUTSCHLAND (ISL)
„Eine für alle lebenswerte Stadt kann
ohne ausreichend grüne Freiräume
nicht existieren. Doch insbesondere
für das gesunde Aufwachsen von
Kindern und Jugendlichen sind genügend Spiel und Bewegungsflächen
lebensnotwendig, denn sie erobern sich die Welt spielend. Deshalb setzt
sich das Deutsche Kinderhilfswerk für die Schaffung und den Erhalt von
Flächen ein, in denen das freie, möglichst selbstbestimmte Draußenspiel
auch im verdichteten Innenstadtgebiet erlebbar ist.“
CLAUDIA NEUMANN, DEUTSCHES KINDERHILFSWERK
„Die Stadtentwickler setzen sich für Grün in
der Stadt ein. Grüne Stadtoasen sind Orte der
Begegnung für alle Menschen im Quartier
und unterstützen den sozialen Zusammen
halt. Sie bilden Aktions und Rückzugsräume
für alle Generationen, Kulturen und Milieus.
Und Natur hilft, die Städte widerstandsfähiger gegen den Klimawandel zu
machen. Sie wirkt sich positiv auf Mensch und Gesundheit aus.“
ANNA STRATMANN, DIE STADTENTWICKLER.BUNDESVERBAND
‚Natur für alle‘ ist insbesondere in
Groß städten eine zentrale Dimension von
Umweltgerechtigkeit. Deshalb hat die
anstiftung gemeinsam mit urbanen
Gemeinschaftsgärten das Urban Gardening Manifest auf den Weg
gebracht. Es betont, wie wichtig ein frei zugänglicher öffentlicher
Raum ohne Konsumzwang für eine demokratische und plurale
Stadtgesellschaft ist.“
GUDRUN WALESCH, ANSTIFTUNG & ERTOMIS
STEFFEN LEMBKE, AWO BUNDESVERBAND
PROJEKTE
12
PROJEKTE
12
Gemeinsames Entdecken, Erleben und Handeln in der Natur verbindet und hilft Barrieren
abzubauen. Sozialer Hintergrund oder kulturelle Herkunft werden beim gemeinsamen
Tun in der Natur ebenso leicht überwunden wie Erfahrungsunterschiede zwischen Jung
und Alt. Wir stellen Ihnen auf den folgenden Seiten ausgewählte Projekte vor, die soziale
Ziele mit der Förderung der biologischen Vielfalt verbinden, zum Nutzen von Mensch und
Natur. Die Projekte wurden im Rahmen der UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeichnet,
weil sie die beiden Aspekte in vorbildlicher Weise verbinden.
Foto
: S. P
ompe
VIELFALT ERHALTEN – SOZIALES MITEINANDER FÖRDERN
13
PROJEKTE
01Viele Geflüchtete haben in den Gemeinden am bayerischen
Alpenrand Schutz gefunden. Damit sie mit der neuen Umgebung
und den Menschen vor Ort vertraut werden und sich schnell in-
tegrieren, haben der Malteser Hilfsdienst und der Deutsche
Alpenverein das Projekt „A.L.M. – Alpen.Leben.Menschen“ ge-
gründet. Dabei laden sie neu zugewanderte Menschen und Ein-
heimische zu gemeinsamen Aktivitäten im bayerischen Alpen-
raum ein. Das erleichtert den Start im meist völlig neuen
Lebensumfeld.
Das Projekt verfolgt den Ansatz der interaktionellen Integra-
tion, bei der Integration durch positive Interaktionen mit der
neuen Umgebung gelingt. Bei typischen alpinen Aktivitäten
wie Wanderungen, Klettertouren oder gemütlichen Hütten-
abenden lernen die Geflüchteten die Region und ihre Bewohner
besser kennen. Auch praktische Pflegemaßnahmen wie Wege-
sanierungen oder Schutzwaldpflanzungen werden durch ge-
führt. Durch die gemeinsamen Erfahrungen kommen neue und
langjährige Alpenbewohner miteinander in Kontakt und
Freundschaften entstehen. Für Kinder gibt es Angebote wie
Schnitzeljagden oder Rodelausflüge.
Als A.L.M.-Lotse die Bergwelt erklärenEin Schwerpunkt des Projekts ist die Umweltbildung. Bei den
gemeinsamen Aktivitäten lernen die neuen Nachbarn nicht
nur einander, sondern auch die Vielfalt der alpinen Natur
kennen und schätzen. Die Projektträger sorgen dafür, dass alle
Teilnehmer für einen Tag in den Bergen ausgerüstet sind. Als
„A.L.M.-Lotsen“ beteiligen sich viele Ehrenamtliche an den
Aktivitäten und zeigen den neuen Nachbarn die einzigartige
alpine Natur. Eine eintägige Schulung bietet ihnen die Möglich-
keit, sich in den Themen Flüchtlingsarbeit, Umweltbildung und
Gefahren im Bergsport weiterzubilden.
Gemeinsame Aktion zur Ausholzung einer Schneise für Skitourengeher um
ein Vogelschutzgebiet herum. Foto: Heidi Hesse
DIE NATUR ALS INTEGRATIONSHELFER
13
Beim Wandern die Landschaft erkunden, unbe-
kannte Arten entdecken und dabei Gespräche mit
den neuen Nachbarn führen: So geht Integration
in den Alpen. Das Projekt „A.L.M. – Alpen.Leben.
Menschen“ unterstützt Geflüchtete im ländlichen
Alpenraum dabei, in ihrem neuen Lebensumfeld
anzukommen und gleichzeitig die besonders
sensible alpine Natur schätzen zu lernen.
A.L.M. – ALPEN. LEBEN. MENSCHEN
Ansprechpartnerin: Anna Schober
Tel.: 089 43608 184
anna.schober@alpenlebenmenschen.de
http://www.alpenlebenmenschen.de
PROJEKTTRÄGER
Malteser Hilfsdienst e. V. / Deutscher Alpenverein e. V.
Zusammen in der Natur arbeiten – das stärkt den Zusammenhalt und die
Identifizierung mit der Umwelt. Foto: Leonhard Geißler
PROJEKTE
1414
02In Großstädten stehen Kindern immer weniger naturnahe
Freiflächen zur Verfügung und die Spielaktivitäten finden oft
drinnen statt. Dabei sind Naturerfahrungen gerade für Kinder
besonders wichtig: Das freie Spiel in der Natur stärkt die Koor-
dinations- und Konzentrationsfähigkeit und wirkt sich positiv
auf Kreativität, Risiko- und Sozialkompetenz aus. Auf Bäume
klettern, im Matsch spielen oder die Insekten auf der Wiese
erkunden – all dies trägt auch dazu bei, dass Kinder einen Zu-
gang zur Natur finden und ein Umweltbewusstsein entwickeln.
Auf kreative Weise die Natur entdeckenGemeinsam mit ihren Partnern hat die Stiftung Naturschutz
Berlin Naturerfahrungsräume auf drei Pilotflächen errichtet:
Die Flächen der „Wilden Welt“ am Spieroweg in Spandau, an
der Moorwiese in Pankow und am Kienberg in Marzahn-Hellers-
dorf wurden umwelt- und sozialgerecht ausgesucht, sodass
auch Kinder aus Stadtquartieren mit hohem Entwicklungsbe-
darf von den Naturerfahrungsräumen profitieren. Die Flächen
sind naturbelassen und strukturreich. Obstbäume, dichte Ge-
büsche und viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten laden
zum Klettern, Verstecken und Erkunden ein. Anders als ge-
wöhnliche Spielplätze fordern Naturerfahrungsräume mehr
Kreativität von Kindern. Sie finden hier keine Spielgeräte vor,
sondern gestalten ihr Spiel im Umgang miteinander und mit
natürlichen Materialien selbstständig. Die neuen Flächen
werden zudem von den Kindern aktiv mitgestaltet, denn das
gibt ihnen ein Gefühl für ihre Selbstwirksamkeit und sie fühlen
sich ernst genommen. So wurden bereits gemeinsam Brombeer-
gebüsche gerodet und Schichtholzhecken aufgesetzt.
Die Projektpartner kümmern sich darum, die Naturerfahrungs-
räume in die Quartiere einzubinden. Sie nehmen Kontakt zu
Kindergärten, Schulen und sozialen Einrichtungen auf und in-
formieren über die Nutzungsmöglichkeiten der Flächen. Ziel
des Projekts ist, das integrative Potenzial von Naturerfah-
rungsräumen gerade für Kinder aus sozial benachteiligten
Familien aufzuzeigen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden
von der wissenschaftlichen Begleitung in Leitfäden zusam-
mengefasst, die andere Städte und Akteure bei der Errichtung
von Naturerfahrungsräumen unterstützen sollen.
NATURERFAHRUNGSRÄUME FÜR BERLINER KINDER
Ansprechpartnerin: Irma Stopka
Tel.: 030 26 394 155
ner@stiftungnaturschutz.de
http://www.stiftungnaturschutz.de/unsereprojekte/
naturerfahrungsraeume/
PROJEKTTRÄGER
Stiftung Naturschutz Berlin
WILDE OASEN FÜR GROSSSTADTKINDER
Sich selbst ausprobieren macht sicher. Foto: Stiftung Naturschutz Berlin
Erfahrungen in der Natur sind für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern besonders wertvoll.
Damit auch Großstadtkindern ein alltäglicher Zugang zur Natur möglich ist, hat die Stiftung Natur-
schutz Berlin das Projekt „Naturerfahrungsräume für Kinder in Berlin“ ins Leben gerufen.
15
PROJEKTE
03Das Urban-Gardening-Projekt verbindet die Menschen im
Stadtteil Rheinhausen und trägt damit nicht nur zum Erhalt
der biologischen Vielfalt bei, sondern auch zur Integration
unterschiedlicher sozialer Gruppen. Der Gemeinschaftsgarten
erstreckt sich auf einer Fläche von ca. 6.000 Quadratmetern
mitten in Duisburg-Rheinhausen. Er liegt auf einem Grund-
stück der GEBAG Duisburger Baugesellschaft mbH, die dort 15
Mehrfamilienhäuser mit 156 Wohnungen betreibt, in denen seit
2015 auch viele Geflüchtete leben. Den Garten stellt die
GEBAG ihren Mietern und allen Duisburger Bürgerinnen und
Bürgern kostenfrei zur Verfügung. Durch das gemeinsame
Engagement für die Natur entsteht ein Austausch zwischen
langjährigen Anwohnern und Neu-Zugezogenen.
Auch das Jobcenter Duisburg zusammen mit der GfB (Gesell-
schaft für Beschäftigungsförderung) beteiligten sich am Pro-
jekt und geben Langzeitarbeitslosen die Möglichkeit, sich im
Heimatgarten zu engagieren. Sie bauen zum Beispiel neue
Beete aus recycelten Paletten und pflegen das Gelände. Durch
diese Erfahrungen und neu erlernte Fähigkeiten erhöhen sich
ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Neben den Hochbeeten
müssen auch die Bienenvölker im Heimatgarten versorgt wer-
den. Ein Imker des Kreisimkervereins und des Bienenmuse-
ums Duisburg kümmert sich um ihre Pflege und die Herstel-
lung des eigenen Heimatgarten-Honigs. Die Erlöse der Imkerei
kommen dem Heimatgarten zugute.
Mit Händen und Füßen für die NaturBeim täglichen Schneiden, Bewässern, Zupfen und Ernten
spielen Sprachbarrieren keine Rolle. „Es gibt immer einen regen
Austausch in unserem Garten. Da wird auch schon mal mit
Händen und Füßen kommuniziert“, sagt Petra Triesch von der
GEBAG. So wird der Heimatgarten für viele auch zur Sprach-
schule. Dabei lernen die Geflüchteten viel über die Artenviel-
falt in ihrer neuen Heimat. Gleichzeitig haben sie die Möglich-
keit, Pflanzen aus ihren Heimatländern anzubauen, die
wiederum für die Rheinhausener häufig unbekannt sind. Inzwi-
schen sind drei weitere Heimatgärten in Duisburg entstanden
und weitere sind geplant.
EIN GARTEN DER VIELFALTDer Heimatgarten Rheinhausen ist bunt: Hier treffen sich langjährige
Anwohner, Schüler, Rentner, Geflüchtete, Menschen mit oder ohne
grünem Daumen. Gemeinsam pflegen und bewirtschaften sie den
großen Garten mit 35 Hochbeeten, Insektenhotels, Igelunterschlüpfen
und Bienenstöcken für fünf Bienenvölker.Namensschilder schmücken jedes
Hochbeet. Foto: Petra Triesch
15
HEIMATGARTEN RHEINHAUSEN –
GEMEINSAM IN DUISBURG
Ansprechpartnerin: Petra Triesch
Tel.: 0203 6004173
petra.triesch@gebag.de
www.heimatgartenduisburg.de
PROJEKTTRÄGER
GEBAG Duisburger Baugesellschaft mbH
Gemeinsam werden aus Paletten Hochbeete errichtet. Foto: Petra Triesch
Der Gemeinschaftsgarten steht allen Duisburger Bürgerinnen und
Bürgern offen. Foto: Petra Triesch
sich ernst genommen. So wurden bereits gemeinsam Brombeer-
gebüsche gerodet und Schichtholzhecken aufgesetzt.
Die Projektpartner kümmern sich darum, die Naturerfahrungs-
räume in die Quartiere einzubinden. Sie nehmen Kontakt zu
Kindergärten, Schulen und sozialen Einrichtungen auf und in-
formieren über die Nutzungsmöglichkeiten der Flächen. Ziel
des Projekts ist, das integrative Potenzial von Naturerfah-
rungsräumen gerade für Kinder aus sozial benachteiligten
Familien aufzuzeigen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden
von der wissenschaftlichen Begleitung in Leitfäden zusam-
mengefasst, die andere Städte und Akteure bei der Errichtung
von Naturerfahrungsräumen unterstützen sollen.
NATURERFAHRUNGSRÄUME FÜR BERLINER KINDER
Ansprechpartnerin: Irma Stopka
Tel.: 030 26 394 155
ner@stiftungnaturschutz.de
http://www.stiftungnaturschutz.de/unsereprojekte/
naturerfahrungsraeume/
PROJEKTTRÄGER
Stiftung Naturschutz Berlin
PROJEKTE
16
04DER ETWAS ANDERE TIERPARKDer Tierpark Sommerhausen ist ein ganz besonderer Tierpark. Hier gibt
es nicht nur zahlreiche heimische Haus- und Nutztiere und einen
Wahrnehmungs- und Erlebnisspielplatz: Der Tierpark hat es sich
außerdem zur Aufgabe gemacht, Menschen mit und ohne Behinderung
über das gemeinsame Interesse an der Natur zusammenzubringen.
Schon seit vielen Jahren verfolgt die Umwelt-
station Tierpark Sommerhausen einen inte-
grativen Ansatz. Unter der Trägerschaft der
Mainfränkischen Werkstätten ist der Tierpark
auch ein Arbeitsplatz für Menschen mit Be-
hinderung. Im direkten Kontakt mit der Natur
können sie hier Arbeiten und Verantwortung
übernehmen. Zusätzlich bietet die Umwelt-
station ein umfassendes Bildungsangebot an.
Damit alle Interessierten, ob mit oder ohne
Behinderung, an den Programmen teilnehmen
können, wurde das Projekt „Gemeinsam für
eine sinnvolle Welt von morgen“ ins Leben
gerufen. Dabei sollen auch Kooperationen
zwischen unterschiedlichen Ein richtungen
für Kinder und Jugendliche mit und ohne
Beeinträch tigung geschaffen werden.
Mit Hilfe der Natur Vorurteile überwindenDamit Menschen mit und ohne Behinderung
einander begegnen, fanden im Rahmen des
Projekts Informations- und Kennenlerntage
statt, an denen sich Einrichtungen wie Grund-
und weiterführende Schulen, Förderschulen,
die Lebenshilfe Würzburg sowie verschiedene
Vereine beteiligten. So treffen sich zum Bei-
spiel Kinder von Regel- und Förderschulen im
Tierpark, die im Alltag vielleicht nicht aufei-
nander treffen würden. Über gemeinsame
Erfahrungen mit Tieren und positive Erlebnis-
se in der Natur kommen sie miteinander in
Kontakt. Dadurch werden Vorurteile über-
wunden und neue Freundschaften können
entstehen.
Die Umweltstation Tierpark Sommerhausen
bietet dafür ein abwechslungsreiches Pro-
gramm rund um das Thema Natur und die
Tiere im Park sowie Ferienaktionen und Frei-
zeiten an. Die Teilnehmer gehen zum Beispiel
gemeinsam auf Schatzsuche im Tierpark und
lernen, welche Tricks Tiere und Pflanzen zum
Überleben in der Natur nutzen. In der Wild-
kräuterküche lassen sich gesunde und
schmack hafte Wildkräuter entdecken und in
Kooperation mit dem Pflegekinderdienst des
Landratsamtes Würzburg findet ein einwöchi-
ges Tipilager statt. Bei den gemeinsamen Ak-
tivitäten lernen die Kinder und Jugendlichen
respektvoll miteinander und mit der Natur
umzugehen. Um alle Teilnehmer/innen mit
und ohne Behinderung betreuen und neue
Programme entwickeln zu können, nimmt das
Team der Umweltstation an regelmäßigen
Fortbildungen zum Beispiel zum Umgang mit
ADHS oder Asperger-Syndrom teil.
GEMEINSAM FÜR EINE SINN-
VOLLE WELT VON MORGEN
Ansprechpartner:
Thomas BiecheleKusch
Tel.: 09333 902810
umweltstation@
tierparksommerhausen.de
http://www.tierparksommer
hausen.de
PROJEKTTRÄGER
Umweltstation Tierpark
Sommerhausen
Kinder mit und ohne Behinderung
teilen gemeinsame Erfahrungen
mit Tieren. Foto: Projektträger
17
PROJEKTE
05Die Unabhängigkeit in der Freizeit ist ein entscheidendes
Kriterium für die gleichberechtigte Teilhabe am Leben. Doch
beliebte Freizeitaktivitäten wie Wandern oder Fahrradfahren
sind für Menschen mit Behinderung oft nicht möglich. Beson-
ders für Schulklassen mit Rollstuhlfahrer/innen ist es häufig
schwierig, Ausflüge in die Natur zu organisieren, an denen alle
EIN NEUER BLICK AUF DIE NATUR
Radtour auf dem WerraRadweg bei Eisenach. Foto: S. Pompe
Natur- und Nationalparks bieten zahlreiche Möglichkeiten, die Vielfalt der Natur zu erleben. Doch
der Zugang zur Natur ist für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen oft eingeschränkt. Das
Projekt „Aktive Vielfalt, für alle“ setzt sich dafür ein, die Freizeitangebote für Menschen mit Beein-
trächtigung zu verbessern.
teil haben können. Gemeinsam mit regionalen Partnern organi-
siert die Initiative „ILOH – Ich lebe ohne Hindernisse“
Freizeitprogramme in der Naturparkregion Eichsfeld-Hainich-
Werratal, die Menschen mit und ohne Behinderung durch
gemeinsame Aktivitäten in der Natur zusammenbringen. So
entsteht ein Netzwerk für Barrierefreiheit.
Mit neuester Technik zu mehr TeilhabeBei den Touren kommen neuartig konzipierte Wanderrollstüh-
le zum Einsatz, mit denen sich Wege erkunden lassen, die ein
gewöhnlicher Rollstuhl nicht befahren kann. „Wir möchten
Menschen im Rollstuhl die Gelegenheit geben, auch einmal ab-
seits asphaltierter Wege unterwegs sein zu können – das ver-
ändert automatisch das Naturbewusstsein“, so Marco Pompe
von ILOH. Auch Handbikes mit Elektroantrieb ermöglichen
Rollstuhlfahrern mittlerweile ein ganz neues Naturerlebnis. In
einem Pilotprojekt wurde auch eine geführte Schlauchboot-
tour getestet, die auf der Werra Rollstuhlfahrer/innen eine
neue Perspektive auf die Flusslandschaft bietet. Ziel ist, die
Ideen zu den inklusiven Ausflugstouren auch auf andere Regi-
onen in Mitteldeutschland auszuweiten.
Neben der Auswahl von geeigneten Routen ermittelt die Initiative
auch immer wieder neue Handlungsbedarfe in der Region, indem
sie mit Betroffenen, Gemeinden, Schulen und anderen Akteuren
vor Ort zusammenarbeitet. So wurde beispielweise mit Förder-
geldern des Landkreises Unstrut-Hainich das erste rollstuhlge-
rechte mobile WC an einem Radwanderweg angebracht.
AKTIVE VIELFALT, FÜR ALLE
Marco Pompe & Dr. Sven Pompe
iloh@gmx.net
http://www.rehasportvereinmhl.de/content/
engagement.php
PROJEKTTRÄGER
ILOH Ich lebe ohne Hindernisse
Rehasportverein Mühlhausen e.V.
Wanderausflug mit dem Wanderrollstuhl im Nationalpark Hainich.
Foto: S. Pompe
PROJEKTE
18
06Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald möchte
ein Nationalpark für alle sein. Deswegen be-
zieht er Menschen mit Behinderung von An-
fang an in die Planungen für neue Angebote
mit ein. Mindestens zweimal im Jahr kommt
eine Expertenrunde zusammen, an der Roll-
stuhlfahrer/innen, Seh- und Hörgeschädigte
sowie die Behindertenbeauftragten von
Rheinland- Pfalz und dem Saarland und Ver-
treter/innen verschiedener Einrichtungen wie
der Lebenshilfe und den Tourismusbehörden
teilnehmen. Gemeinsam prüfen und diskutie-
ren sie bestehende und neue Angebote des
Nationalparks, die die Bedürfnisse beein-
trächtigter Menschen berücksichtigen.
Im Projekt „Barrierefreier Nationalpark“ sind
auf diesem Weg viele attraktive Angebote ent-
standen. Bei der „Inseltour“ entdecken die Be-
sucher/innen die Natur und Geschichte rund
um Rodungsinseln – kleine, in Waldgebiete
eingestreute Siedlungsbereiche – und erleben
viele Besonderheiten des Nationalparks, wie
die Arnikawiesen oder Hochmoore. Die Wan-
derung führt über überwiegend ebene Stre-
cken, sodass auch Menschen mit Rollstuhl,
Rollator oder Kinderwagen teilnehmen kön-
nen. Für steilere Stellen verleiht der National-
park kostenfrei spezielle Zuggeräte für Roll-
stuhlfahrer/innen.
Ein umfassendes Angebot für Menschen mit verschiedensten BeeinträchtigungenFür Besucher mit einer Sehbehinderung wurde
ein Wanderführer in Brailleschrift entwickelt,
der alle Informationen zur Tour vermittelt.
Taktile Karten zum Streckenverlauf, eine
Audio-CD und haptisch auf Schwellpapier dar-
gestellte Pflanzen und Kleinstlebewesen er-
möglichen ein umfassendes Naturerlebnis.
Eine Broschüre zur Tour und auch die Web-
site des Nationalparks sind in Leichter Spra-
che verfügbar, sodass sich auch Menschen
mit kognitiven Beeinträchtigungen informie-
ren können. Für Schwerhörige werden bei
Rangertouren „FM-Anlagen“ bereitgestellt,
die Ton signale mittels Funkwellen über einen
Kopfhörer direkt in das Ohr bzw. auf das Hör-
gerät der Zuhörer/innen übertragen und so
die Kommunikation erleichtern. Einmal im
Monat findet zudem eine Rangertour in
Gebärdensprache statt. Damit Menschen mit
unterschiedlichsten Beeinträchtigung die Viel-
falt der Natur im Nationalpark erleben können,
werden die Angebote in Zusammen arbeit mit
Betroffenen kontinuierlich wei terentwickelt.
BARRIEREFREIER NATIONALPARK
Ansprechpartnerin: Anne Speicher
Tel.: 06782 8780205
annerose.speicher@nlphh.de
http://www.nlphh.de
PROJEKTTRÄGER
Nationalpark HunsrückHochwald
Für sehbehinderte Besucher
gibt es sogar einen Wanderführer
in Brailleschrift.
Foto: Mariam Landgraf
NATIONALPARK BARRIEREFREIHolprige Pfade, schmale Holzstege, Steigungen:
Ein Nationalpark ist von Natur aus meist nicht
barrierefrei. Damit Menschen mit körperlichen
oder kognitiven Beeinträchtigungen trotzdem
am Naturerlebnis Nationalpark teilhaben können,
werden in verschiedenen Nationalparks konkrete
Programme zur Verbesserung der Barrierefrei-
heit umgesetzt. Auch im jüngsten Nationalpark
Hunsrück-Hochwald entstehen verschiedene
Angebote.
Hilfsmittel wie das Zuggerät (oben) und Erläuterungen in Gebärdensprache
ermöglichen den Zugang für alle. Fotos: Konrad Funk
19
PROJEKTE
07Wie erkenne ich die Baumart an ihrer Rinde? Wie klingt ein
Specht? Der Wald und seine Bewohner lassen sich am besten
durch einen Ausflug in die Natur erkunden. Die Biologische
Station Oberberg qualifiziert dazu Mitarbeiter/innen der Be-
hinderten Werkstätten Oberberg als Umweltassistenten. Mit
geringer Unterstützung führen sie Besucher/innen mit Beein-
trächtigung durch den Wald und vermitteln die erlernten The-
men anschaulich und gut verständlich. Gleichzeitig geben sie
die gewonnene Wertschätzung für den Wald gerne und authen-
tisch an die Besucher/innen weiter. Sie stellen sich neuen Her-
ausforderungen und motivieren die Teilnehmer/innen, dies
ebenfalls zu tun. Die Umweltassistenten helfen auch bei anderen
Veranstaltungen des Landschaftshauses aktiv mit und können
so verantwortungsvollen Aufgaben in der Natur nachgehen.
Mit vielfältigen Angeboten gibt das Landschaftshaus der Bio-
logischen Station Oberberg allen Menschen, ob mit oder ohne
Beeinträchtigung, die Möglichkeit, die Natur zu erleben, zu
entdecken und zu begreifen. Im Modul „Ohrendschungel –
Natursymphonie auf der Spur“ erleben die Besucher/innen mit
Hilfe modernster Technik akustische Naturerlebnisse und er-
fahren zum Beispiel durch ein Tierstimmen-Quiz, wie sich
Artenvielfalt anhört. Naturkundliche Programme zu den
Themen Wasser, Wald, Streuobstwiese, Wildkräuter und Boden
sollen Kinder und Jugendliche für die heimische Natur sensibi-
lisieren und ihre Begeisterung für ökologische Themen we-
cken. Die inklusiven Naturerlebnisangebote tragen dazu bei,
Interesse für die Naturvielfalt zu wecken und gleichzeitig Men-
schen zusammenzubringen.
Lernen im Grünen KlassenzimmerDas Landschaftshaus arbeitet sowohl mit regulären Schulen
als auch mit Förderschulen in der Region zusammen, die die
Bildungsprogramme der Biologischen Station teils schon fest
in ihre Lehrpläne übernommen haben. So kommen Schüler/
innen aus verschiedenen Schulformen miteinander in Kontakt.
Im „Grünen Klassenzimmer“ lernen sie dann statt Mathe oder
Englisch heimische Wildkräuter oder die Lebensweise ver-
schiedener Tiere des Waldes kennen.
Ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene,
Menschen mit oder ohne Beeinträchtigung: Im
Landschaftshaus der Biologischen Station
Oberberg hat jeder die Chance, die Natur zu
entdecken und aktiv zu schützen. Der inklusive
Begegnungs- und Lernort bietet abwechslungs-
reiche Programme, die von der bergischen Agentur
für Kulturlandschaft durchgeführt werden.
Wasser – ein kostbares Gut: Schüler/innen suchen nach Gewässertieren.
Foto: Projektträger
DAS LANDSCHAFTSHAUS –
NATUR ERLEBEN, ENTDECKEN, ERFORSCHEN
Ansprechpartner: André Spans
Tel.: 02293 90 15 25
spans@agenturkulturlandschaft.de
http://Landschaftshaus.de
PROJEKTTRÄGER
Biologische Station Oberberg
Wildkräuterzubereitung während des BNEProgramms Gundermann, Giersch
und Co. Foto: Projektträger
NATURERLEBNISSE FÜR ALLE
PROJEKTE
20
08GEMEINSAM AKTIV FÜR DIE NATURDas Projekt „Wild auf Wald – Gemeinsam aktiv für
Natur und Landschaft“ gibt Kindern und Jugend-
lichen, die keinen alltäglichen Zugang zur Natur
haben die Möglichkeit, sich aktiv für die Natur
einzusetzen und von positiven Erfahrungen zu
profitieren. Bei gemeinsamen Arbeiten im Wald
lernen sie den respektvollen Umgang miteinander
und mit der Natur.
Die praktische Arbeit im Wald erfordert soziale Zusammenarbeit.
Foto: Johannes von Stemm
Die Natur bietet vielerlei Chancen, Kinder
und Jugendliche in ihrer Persönlichkeitsent-
wicklung zu unterstützen. Gemeinsam mit
Jugendhilfe, Jugendamt, Schulen und forstli-
chen Ausbildungszentren bietet das Forst BW
Kreisforstamt Schwarzwald-Baar-Kreis wald-
und erlebnispädagogische Angebote im
Rohrhards berg-Gebiet an. Besonders Kinder
und Jugendliche aus schwierigen sozialen
Verhältnissen profitieren von den gemein-
samen Aktivitäten in der Natur.
Gemeinsam anpackenGruppen von Kindern und Jugendlichen kom-
men über mehrere Tage zusammen, um ge-
meinsam Maßnahmen zur Pflege und zum
Erhalt des Waldes und der Tiere durchzufüh-
ren. Das Zusammenleben in einfachen Hütten
oder Zelten und die praktische Arbeit im Wald
erfordern den sozialen Zusammenhalt der
Gruppe. „Wenn ein Baum gefällt oder eine
Moorsperre gebaut wird, müssen alle mit an-
packen. Die Jugendlichen müssen sich unter-
einander absprechen und sich aufeinander
verlassen können“, sagt Förster Johannes
von Stemm. „Jeder im Team hat eine Aufga-
be – zum Beispiel darauf zu achten, dass die
benutzten Werkzeuge am Abend wieder voll-
ständig an ihrem Platz sind.“ So lernen die
Jugendlichen, Verantwortung zu überneh-
men – sowohl für die Gruppe als auch für die
Natur.
Unter fachlicher Anleitung pflegen sie Bio-
topflächen, bauen Weidezäune oder befreien
den Wald von Müll. Am Ende des Tages sehen
die Jugendlichen, was sie für die Natur und
die Gesellschaft geleistet haben. Diese Er-
folgserlebnisse geben ihnen neues Selbstver-
trauen, sodass sie ihren oft schwierigen All-
tag besser bewältigen können. Das Programm
richtet sich nach den Interessen, Fähigkeiten
und dem Alter der Teilnehmer/innen. Sind
Kinder und Jugendliche dabei, die wenig oder
kein Deutsch sprechen, wird der Wald über
die gemeinsamen Aktivitäten kurzerhand zur
Sprachschule. Auch Kinder und Jugendliche
mit Behinderungen können teilnehmen. Die
Erfahrungen aus dem Projekt werden im Rah-
men von Fortbildungen und Vorträgen weiter-
gegeben.
WILD AUF WALD –
GEMEINSAM AKTIV FÜR
NATUR UND LANDSCHAFT
Ansprechpartner:
Johannes von Stemm
Tel.: 0172 7202523
forst.triberg@lrasbk.de
PROJEKTTRÄGER
ForstBW Kreisforstamt
SchwarzwaldBaarKreis
Alle packen mit an, den frisch
gefällten Fichtenstamm
abzutransportieren.
Foto: Johannes von Stemm
21
PROJEKTE
09An 12 Terminen von März bis Oktober ist viel los im Faba-Natur-
garten. Eine Gruppe von acht Kindern im Alter von acht bis elf
Jahren erlebt in dieser Zeit die Natur im Wechsel der Jahres-
zeiten. Das 8.000 Quadratmeter große Gelände bietet dafür
vielfältige Möglichkeiten: Die Streuobstwiese und der große
Bauerngarten beheimaten Hühner, zehn Honigbienenvölker,
über 20 verschiedene typisch westfälische Dorfpflanzenarten
sowie Westfalens größte Feldsperlingspopulation. Lange Hecken
bieten Lebensraum für viele weitere Vogelarten, Nager und
Amphibien.
Der Kontakt mit und Tätigkeiten in der Natur helfen den Kin-
dern, Widerstandskräfte gegen Stress zu entwickeln und so
einer eigenen Suchtproblematik oder psychischen Erkrankung
vorzubeugen. Denn Kinder aus betroffenen Familien sind ge-
fährdet, ähnliche Krankheitsbilder später ebenfalls zu ent-
wickeln. Unter fachlicher Anleitung säen, pflanzen und ernten
die Kinder im Garten und erleben die Vielfalt der Natur mit
allen Sinnen. Im Umgang mit Werkzeugen und Naturmaterialien
entdecken sie ihre eigenen Fähigkeiten und nutzen ihre Kreati-
vität. Der Kontakt zu Hof- und Wildtieren und die Bewegung in
der Natur geben den Kindern neue Kraft, um gestärkt in den
Alltag zurückzukehren und diesen langfristig besser bewäl-
tigen zu können. Zudem haben sie die Gelegenheit, sich mit
Kindern in ähnlichen Situationen auszutauschen.
Das Unterstützungs- und Präventionsangebot ist ein Projekt
des Deutschen Kinderschutzbundes in Gütersloh unter der Lei-
tung von Renate und Rainer Bethlehem. Der Deutsche Kinder-
schutzbund organisiert Anschlussangebote für die Kinder und
steht ihnen und ihren Familien beratend zur Seite. Inzwischen
ist es gelungen, einen weiteren Faba-Standort auf dem Schul-
bauernhof Ummeln in Bielefeld zu gründen.
Wenn ein Familienmitglied von einer Sucht oder psychischen Erkrankung
betroffen ist, leidet meist die gesamte Familie. Gerade Kinder erleben in
dieser Zeit häufig eine gravierende Beeinträchtigung in ihrer persönlichen
Entwicklung. Oft erfahren sie Gewalt, sind unsicher und stehen unter
enormem Stress. Das Faba-Naturprojekt („Familien in Balance“) in
Güters loh unterstützt betroffene Kinder auf eine ganz besondere Art.
Bei gemeinsamen Aktivitäten auf einer großen Streuobstwiese mit
eigenem Nutzgarten und vielen Tieren können die Kinder den alltäglichen
Stress hinter sich lassen. Dabei lernen sie nicht nur sich selbst, sondern
auch die Vielfalt der Natur besser kennen.
FABA – FAMILIEN IN BALANCE
Ansprechpartner: Renate Bethlehem
Tel.: 05241 15151
info@fabanaturprojekt.de
http://www.fabanaturprojekt.de
PROJEKTTRÄGER
Deutscher Kinderschutzbund
Kreisverband Gütersloh e. V.
Beim Spielen und über den Kontakt zu Haus und Wildtieren blühen
Kinderseelen auf. Foto: Projektträger
ZURÜCK INS SEELISCHE GLEICH-GEWICHT MIT DER KRAFT DER NATUR
PROJEKTE
22
10
22
Auf den ersten Blick scheint es eine eher ungewöhnliche Kon-
stellation: Kindergartenkinder und Senioren/innen bewirt-
schaften gemeinsam einen Gemüseacker auf dem Gelände des
Vereins. Doch die generationenübergreifende Gruppe kann
viel voneinander lernen. „Unsere Senioren freuen sich, wenn
ihr Wissen wertgeschätzt wird, und die Kinder lieben die alten
Geschichten“, sagt Elisabeth Seiler von Heuhüpfer e. V. Ge-
meinsam entdecken sie die Vielfalt im Garten, bauen Gemüse
und Getreide an und verarbeiten ihre Ernte zu leckeren Gerich-
ten.
Neben den gängigen Gemüsesorten werden auf dem außer-
schulischen Lernort des Kampfelder Hof viele Kulturen ange-
baut, die heutzutage nicht mehr so oft auf dem Speiseplan
stehen. Dazu gehören beispielsweise Mangold, Pastinaken und
Steckrüben. Aber auch alte Getreidesorten wie Rotkorn weizen,
Emmer und Hirse sowie seltene Tomatensorten wachsen hier.
Durch das eigene Anbauen und Zubereiten wächst die Lust
daran, die eigene Ernährung abwechslungsreicher und saiso-
naler zu gestalten.
Was krabbelt, wächst und summt auf dem Acker?Die Senioren lernen die Grundlagen des ökologischen Land-
baus und der naturnahen Gartengestaltung kennen. Denn der
Gemüseacker wird nach Bioland-Richtlinien bewirtschaftet
und mit Kompost gedüngt. Das ist gut für die Regenwürmer
und viele andere Bodenorganismen und fördert die biologi-
sche Vielfalt. Im Mittelpunkt der Treffen steht daher neben
dem Anbau von Pflanzen auch das genaue Hinschauen, damit
alle wissen, was auf ihrem Acker wächst, krabbelt und summt.
Im Hummelkasten beobachten sie die Entwicklung eines Hum-
melvolks und mit Hilfe eines Bestimmungsschlüssels lernen sie
Kompostbewohner kennen. So lernen Jung und Alt den respekt-
vollen Umgang mit Nahrungsmitteln, Natur und biologischer
Vielfalt.
Der Gemüseacker des Vereins Heuhüpfer e. V. auf dem Kampfelder Hof in Hemmingen ist ein ganz
besonderer Ort: Von März bis Oktober trifft sich hier eine Kindergartengruppe regelmäßig mit
Senioren/innen, um alte Gemüse- und Getreidesorten anzubauen und gemeinsam zu kochen.
Im Austausch miteinander lernen Erwachsene und Kinder die biologische Vielfalt kennen und achten.
AUF DEM GENERATIONENACKER
MIT GRABEGABEL UND KOCHLÖFFEL – JUNG UND ALT AUF DEM GEMÜSEACKER
Ansprechpartnerin: Elisabeth Seiler
Tel.: 05101 9903399
seiler@heuhuepfer.de
http://www.heuhuepfer.de
PROJEKTTRÄGER
Heuhüpfer e. V.
Ein Hummelvolk nistet im Hummelkasten. Foto: Maier
23
11
23
MIT GRABEGABEL UND KOCHLÖFFEL – JUNG UND ALT AUF DEM GEMÜSEACKER
Ansprechpartnerin: Elisabeth Seiler
Tel.: 05101 9903399
seiler@heuhuepfer.de
http://www.heuhuepfer.de
PROJEKTTRÄGER
Heuhüpfer e. V.
Ein Hummelvolk nistet im Hummelkasten. Foto: Maier
Mit dem Projekt „Der soziale Garten“ richtet sich der Verein
Initial e. V. an langzeitarbeitslose und suchtkranke Menschen,
die häufig unter psychischen Erkrankungen und sozialer
Isolation leiden. Durch die Arbeit in der Gartennatur und den
Kontakt zu anderen Betroffenen erhält ihr Alltag eine neue
Struktur und soziale Verbindungen. Auf Ackerboden und im
Treibhaus legen sie gemeinsam Beete an, säen, pflanzen,
pflegen und ernten das Saatgut. Fachleute leiten die derzeit
35 Teilnehmer/innen an. Sozialpädagogische Betreuer/innen
stehen bereit, mit ihnen Problemlösungen und Perspektiven
für ihre persönliche Entwicklung zu finden.
Im Jahr 2009 hat der Verein eine stillgelegte Biogärtnerei in
Karlsruhe-Wolfartsweiler wiederbelebt. Heute bauen die Teil-
nehmerinnen und Teilnehmer hier verschiedene Kräuter- und
Gemüsesorten an. Dabei achten sie auf eine große Sortenviel-
falt und vermeiden künstliche Düngemittel. Die Pflanzenkisten
für die Beete stellen die Gärtner/innen selbst aus gebrauchten
Baumaterialien in der eigenen Holzwerkstatt her. Jedes Jahr
sind es mehr Pflanzen, die aus eigener Saatgutgewinnung an-
gezogen werden und im Garten wachsen. Allein 2016 konnte
der soziale Garten 56 verschiedene Tomatensorten präsentie-
ren und so zur biologischen Vielfalt beitragen. Die Ernte wird
an gemeinnützige Einrichtungen gespendet. Ein kleiner Teil
der Ernte wird täglich an das café initial geliefert. In dem Lern-
restaurant der Initiative können täglich bis zu 70 Menschen
gut und gesund essen.
EINE NEUE CHANCEDer „Soziale Garten“ in Karlsruhe bietet lang-
zeitarbeitslosen und suchtkranken Menschen
beim gemeinsamen Arbeiten in der Gartennatur
sinnvolle Beschäftigung und wichtige soziale
Kontakte. Das verschafft ihnen neuen Mut, die
schwierigen persönlichen Herausforderungen zu
bewältigen.
DER SOZIALE GARTEN
Ansprechpartnerin: Claudia Deufel
Tel.: 0721 933690
info@initialkarlsruhe.de
http://www.initialkarlsruhe.de
PROJEKTTRÄGER
Initial e. V.
Auf dem Acker, mitten in der Stadt und auch im Treibhaus
legen die Gärtner ihre Beete an. Fotos: Projektträger
Neue Kontakte durch interessierte Gartenbesucher„Der Soziale Garten“ lädt Anwohner/innen und Schulklassen
dazu ein, das Projekt zu besuchen und mitzumachen. Die
Pflanzen sind beschildert, sodass jeder die Vielfalt der Nutz-
pflanzenwelt leicht kennenlernen kann. Gleichzeitig tragen die
Besuche dazu bei, den Austausch mit den Nachbar/innen und
jungen Menschen zu fördern und den Teilnehmer/innen wieder
mehr persönliche Bezüge hinein in die Gesellschaft zu ermög-
lichen. Der soziale Garten ist ein einzigartiges Projekt, das von
der Stadt Karlsruhe unterstützt wird.
ENTDECKEN SIE DIE VIELFALT DER PROJEKTEWebseite, Newsletter, Facebook, Twitter: Die UN-Dekade sorgt über verschiedene Kanäle dafür, dass die
ausgezeichneten Projekte bekannt werden.
undekade-biologischevielfalt.de
Gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln
des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare
Sicherheit (BMU).
top related