analyse von netzwerken in gesundheitssystemen
DESCRIPTION
Analyse von Netzwerken in GesundheitssystemenTRANSCRIPT
Management in vernetzten Versorgungsformen
Band II: „Analyse von Netzwerken im Gesundheitswesen“
Seminararbeit der Studenten des FH Technikum Kärnten, Masterstudium Gesundheitsmanagement, Jahrgang 2010, Leiter: Dr. Wolfgang Moch, Jänner 2012
V o r w o r t Dieses weitere vorliegende Manuskript wurde wiederum in Form eines „Scrambled
Book“ von den Studierenden des nunmehr 3. Fachsemesters des 4.
Masterstudienganges „Gesundheitsmanagement“ erstellt.
Es versteht sich als Fortsetzung der im 2. Fachsemester stattgefundenen
Veranstaltung:
„Management in vernetzten Versorgungsformen“
und in Ergänzung zu den Arbeitsblättern des Seminars:
„Analyse von Netzwerken im Gesundheitswesen“
im Modul 11 – Netzwerksysteme -sowie der weitergehend dort bearbeiteten
wissenschaftlichen Textkonvolute und den Ergebnissen aus den Gruppenarbeiten
einer netzwerkbasierten Krankenhausstrukturanalyse als Praxisfallbeispiel.
Daraus ergibt sich, dass zum Beispiel die Zitierhinweise wie gehabt unterschiedlich
sind und zwangsläufig nicht einem einheitlichen Standard entsprechen, zumal die
jeweilige Arbeit Individualität selbstverständlich durch die persönliche, eigene Sicht
der Dinge erlangt.
Die im Seminar ausgeteilten Arbeitsblätter behandeln jeweils ein Unterthema, wie:
– Theorie und Definition sozialer Netzwerke
– Soziale und familiäre Netzwerke, soziale Unterstützung
– Formelle und informelle Netzwerke
– Laiensysteme
– Rechtsgrundlagen (Reformpool)
– Vernetzung verschiedener Versorgungssektoren
– Vernetzung innerhalb von Versorgungssektoren
– Organisations- und Netzwerkanalyse
und sollen künftig für Blendidlearning-Interessierte digital abrufbar sein.
Dies gilt auch für die zusätzlich ausgeteilten, verfassten, wissenschaftlichen
Textkonvolute, die der Zusammenführung der oben beschriebenen einzelnen
Unterthemata sowie der gedanklichen Verknüpfung und Weiterung des
Erfahrungshorizontes für dieses Themengebiet sowie als Quellengrundlage
bei weiteren Recherchen dienen sollen.
Die genaue Beschreibung der Lehrveranstaltung kann auch unter dem Rubrum
"Aktuelle Vorlesungen" des Studienbereiches Gesundheit und Pflege eingesehen
werden.
Nach nun erfolgter redaktioneller Überarbeitung sind die Arbeiten dieses Jahrganges
als 2. Ebook zum dargestellten Seminarthema zugänglich, sowohl als Grundlage für
Recherchen, als auch als sich permanent aufbauender Wissenspool zur Bedienung
für künftige Jahrgänge.
Eine Weiterung mit internationalem Bezug findet diese Arbeit durch den Beitrag
zweier italienischer Gaststudenten in englischer Sprache.
Dr. Wolfgang Moch
Impressum
A n a l y s e v o n N e t z w e r k e n i m G e s u n d h e i t s w e s e n
Projektdokumentation, realisiert von Studierenden, Lehrenden und der Studiengangsleitung des Fachbereichs Gesundheit und Pflege
für den Masterstudiengang Gesundheitsmanagement der Fachhochschule Kärnten.
R e d a k t i o n, L a y o u t & G e s t a l t u n g
Nedved Daniel, BSc Seidl Sabina, BA
V . I . S . d . P . Dr. Wolfgang Moch,
INHALTSVERZEICHNIS
THEORIE UND DEFINITION SOZIALER NETZWERKE (DÖRFLER KERSTIN, BA) ............................. .................................................... 8
Einleitung .....................................................................................................................8
Definition .....................................................................................................................8
Geschichte der “Sozialen Netzwerke” ....................................................................... 11
Das theoretische Konzept des sozialen Netzwerks ................................................... 13
Funktionen sozialer Netzwerke.................................................................................. 14
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................... 16
Literaturverzeichnis ................................................................................................... 17
THEORIE UND DEFINITION SOZIALER NETZWERKE (GASSER HEIDI, MA) ................................ ....................................................... 18
Einleitung ................................................................................................................... 18
Definition von des Begriffes „Soziales Netzwerk“ ...................................................... 19
Unterscheidungen von sozialen Netzwerken ............................................................. 20
Merkmale von sozialen Netzwerken .......................................................................... 22
Funktion von sozialen Netzwerken ............................................................................ 23
Methodische Überlegungen ....................................................................................... 25
Zusammenfasssung .................................................................................................. 25
Literatur ..................................................................................................................... 26
Internetquellen ........................................................................................................... 27
THEORIE UND DEFINITION SOZIALER NETZWERKE (SEIDL SABINA, BA) ................................ ........................................................ 28
Dimensionen der Netzwerk-Gesellschaft ................................................................... 28
Interorganisations-Netzwerke .................................................................................... 28
Beziehungs-Netzwerke .............................................................................................. 29
Daten-Netzwerke ....................................................................................................... 29
Die Macht der Daten-Netze ....................................................................................... 31
Mobiles Internet ......................................................................................................... 32
Datenpreisgeben im Internet ..................................................................................... 33
Steuerung und Manipulation von Individuen .............................................................. 33
Trendprognosen ........................................................................................................ 34
Wohin geht der Trend? .............................................................................................. 34
Die Verletzlichkeit der Echtzeit-Gesellschaft - Transformation der Gesellschaft ....... 35
Wie der Computer uns verändert (hat) ...................................................................... 36
Literaturverzeichnis: .................................................................................................. 37
THEORIE UND DEFINITION SOZIALER NETZWERKE (WEGSCHEIDER MICHAELA) ............................ ............................................. 38
Netzwerke.................................................................................................................. 38
Soziale Netzwerke ..................................................................................................... 39
Netzwerkforschung .................................................................................................... 39
Soziogramm .............................................................................................................. 40
Personale Netzwerke ................................................................................................ 40
Interorganisationale Netzwerke ................................................................................. 43
Policy-Netzwerke ....................................................................................................... 45
Literaturverzeichnis ................................................................................................... 48
SOZIALE UND FAMILIÄRE NETZWERKE, SOZIALE UNTERSTÜT ZUNG (IRNBERGER BERNADETTE, BA) ........................ .......................................... 49
Soziale Beziehungen ................................................................................................. 49
Formale Beziehungen versus informale Beziehungen .............................................. 50
Funktionen sozialer Beziehungen .............................................................................. 51
Beschreibung sozialer Beziehungen ......................................................................... 51
Starke und schwache Beziehungen .......................................................................... 53
System Familie .......................................................................................................... 54
Struktur von Netzwerken ........................................................................................... 56
Wichtige und funktionslose Netzwerkpersonen ......................................................... 58
Familiale Unterstützung ............................................................................................. 59
Fazit ........................................................................................................................... 60
Literatur ..................................................................................................................... 60
Weiterführende Literatur ............................................................................................ 61
SOZIALE UND FAMILIÄRE NETZWERKE, SOZIALE UNTERSTÜTZ UNG (DR. KAUFMANN EVA) ................................ .................................................... 62
Starke und schwache Beziehungen: ......................................................................... 63
Funktionen und Charakteristika von sozialen Netzwerken: ....................................... 66
Praktische Anwendbarkeit: ........................................................................................ 68
Literaturverzeichnis ................................................................................................... 70
SOZIALE UND FAMILIÄRE NETZWERKE, SOZIALE UNTERSTÜTZ UNG- (NEDVED DANIEL, BSC) .............................. ................................................... 72
Einleitung ................................................................................................................... 72
Familie- Definition des Begriffs .................................................................................. 73
Die Geschichte der Familie ....................................................................................... 74
Die Familie als Basis gesellschaftlicher Systeme ...................................................... 74
Ein Netzwerk im Wandel der Zeit .............................................................................. 75
Verwandtschaft- Definition des Begriffs ..................................................................... 76
Verwandtschaft als Normensystem ........................................................................... 77
Verwandtschaft gestern ............................................................................................. 78
Definition des Freundschaftsbegriffs ......................................................................... 78
Freundschaft als soziale Unterstützung ..................................................................... 79
Literaturverzeichnis ................................................................................................... 82
FORMAL AND INFORMAL NETWORK (STEFANIA SANTANGELO, FEDERICO VELTRI) ......................................................................................... 83
Introduction ................................................................................................................ 83
Social Network ........................................................................................................... 84
Social Network Analysis ............................................................................................ 85
Formal and informal Network..................................................................................... 86
Formal Network ......................................................................................................... 87
Disadvantage of formalizing ...................................................................................... 87
Create a formal network ............................................................................................ 88
Roles of formal network ............................................................................................. 88
Challenges................................................................................................................. 88
Informal Network ....................................................................................................... 89
Roles of individual in the network .............................................................................. 90
Informal Network in formal organization .................................................................... 91
Positive and Negative implications of informal networks for managers ..................... 91
An example: The informal network in job search activity ........................................... 92
Informal Network as a conflict preventive mechanism ............................................... 94
Benefits of formal and informal Networks .................................................................. 95
REFERENCES .......................................................................................................... 97
FORMELLE UND INFORMELLE NETZWERKE (MANDL ANGELIKA, BA) .. 99
Unterscheidung formelle und informelle Netzwerke .................................................. 99
Was bedeutet Kommunikation? ............................................................................... 100
Wie sieht die Kommunikation überhaupt aus? ........................................................ 100
Kommunikation in einem dynamischen Unternehmen ............................................. 101
Kommunikation und Beziehungen ........................................................................... 102
Kommunikationswege in Netzwerken ...................................................................... 103
Strukturen der Netzwerke ........................................................................................ 104
Literaturverzeichnis ................................................................................................. 107
FORMELLE UND INFORMELLE NETZWERKE (SANTER SARAH, B A).... 108
Formelle Beziehungen ............................................................................................. 109
Informelle Beziehungen ........................................................................................... 110
Netzwerke................................................................................................................ 111
Gemeinschaftsportale .............................................................................................. 112
Literaturverzeichnis ................................................................................................. 118
LAIENSYSTEME (SLAPNIK BETTINA, MA) ................ ................................. 120
Einleitung ................................................................................................................. 120
Die traditionelle Patientenrolle ................................................................................. 120
Der Patient als Koproduzent von Gesundheit .......................................................... 120
Formeller und Informeller Bereich ........................................................................... 121
Die wachsende Bedeutung des Laiensystem .......................................................... 123
Gesundheit und Laiensystem .................................................................................. 123
Laienkonzepte von Gesundheit ............................................................................... 125
Informelle Gesundheitssysteme .............................................................................. 125
Fazit ......................................................................................................................... 127
Literaturverzeichnis: ................................................................................................ 127
Internet: ................................................................................................................... 128
RECHTSGRUNDLAGEN – REFORMPOOL (MARTINZ HANNES, BA) ...... 129
Einleitung ................................................................................................................. 129
Gesundheitsreform 2005 ......................................................................................... 130
Der Reformpool ....................................................................................................... 133
Stand der Reformpoolprojekte ................................................................................. 136
Fazit ......................................................................................................................... 137
Literaturverzeichnis ................................................................................................. 138
REFORMPOOL- BRÜCKE ZWISCHEN INTRA- UND EXTRAMURALEN BEREICH ODER NEUE KOSTENSTELLE IM GESUNDHEITSWESEN? (HINTEREGGER STEFAN, BA) .......................... ........................................... 140
Einleitung ................................................................................................................. 140
Das österreichische Gesundheitssystem ................................................................. 141
Reformpool .............................................................................................................. 142
Bereitschaft für Reformpool-Projekte ....................................................................... 145
Vergleich mit Deutschland ....................................................................................... 146
Resümee ................................................................................................................. 147
Literaturverzeichnis ................................................................................................. 148
VERNETZUNG VERSCHIEDENER VERSORGUNGSFORMEN (LICHTENBERGER DORIS, BSC) ........................ ......................................... 149
Hintergrund zur Thematik ........................................................................................ 149
Warum Vernetzungen sinnvoll sind ... ..................................................................... 151
Vernetzung verschiedener Versorgungsformen ...................................................... 151
Integrierte Versorgung ............................................................................................. 152
Zusammenfassung .................................................................................................. 158
Literaturverzeichnis ................................................................................................. 159
VERNETZUNG INNERHALB VON VERSORGUNGSSTRUKTUREN (PICHLER CHRISTINA, BA) ........................... ................................................ 160
Einleitung ................................................................................................................. 160
Ziel und Aufbau der Arbeit ....................................................................................... 160
Intraorganisationale Vernetzung .............................................................................. 160
Klinische Pfade als Form der intraorganisationalen Vernetzung ............................. 162
Der Nutzen von klinischen Pfaden ........................................................................... 163
Entwicklung und Implementierung von klinischen Pfaden – Erfolgskriterien, Barrieren und Mängel .............................................................................................................. 166
Zusammenfassung .................................................................................................. 169
Literatur: .................................................................................................................. 170
VERNETZUNG INNERHALB VON VERSORGUNGSSEKTOREN IN ÖSTERREICH (RADITSCHNIG SIGRID, BA) ............... ................................. 172
Einleitung ................................................................................................................. 172
Integrierter Versorgung ............................................................................................ 173
Herausforderungen an die Gesundheitssysteme..................................................... 173
Ziele einer integrierten Versorgung ......................................................................... 174
Grad der Umsetzung der integrierten Versorgung in Österreich ............................ 175
Schlussfolgerung ..................................................................................................... 176
Literaturverzeichnis ................................................................................................. 177
ORGANISATIONS- UND NETZWERKANALYSE (HOCKE VICTORIA, BSC)179
Definition: Netzwerk ................................................................................................. 179
Netzwerkanalyse ..................................................................................................... 180
Bedeutung ............................................................................................................... 180
Netzwerkanalyse in der Anwendung ....................................................................... 182
Praxisbeispiele ........................................................................................................ 185
Fazit ......................................................................................................................... 187
Literaturverzeichnis ................................................................................................. 188
Theorie und Definition sozialer Netzwerke (Dörfler Kerstin, BA)
Einleitung
Durch die Modernisierung und unsere funktional differenzierte Gesellschaft, ist es vor
allem durch Massenmedien erst möglich, den Kontakt zur Umwelt in vielen Bereichen
erst herzustellen. Vor allem aber politische Informationen werden durch
Massenkommunikation erst in die Öffentlichkeit gebracht. Die Massenmedien teilen
uns so zusagen mit, was im Moment wichtig ist und worüber es sich lohnt
nachzudenken. Nach Schätzungen erreichen über 75 Prozent der Massenmedien
nicht das Publikum, dabei spricht man von einer einheitlichen und überschaubaren
„Tagesordnung der öffentlichen Kommunikation“. Die Inhalte, die die Massenmedien
nach außen transportieren, werden sehr häufig zum Inhalt der interpersonalen
Kommunikation. Bei den interpersonalen Kommunikationsprozessen wird dabei auf
„kleine Öffentlichkeiten“ verwiesen, bei denen Menschen heterogener Herkunft eher
zufällig miteinander in Kommunikation treten. Das sind zum Beispiel Gespräche im
Bus oder im Zug, am Arbeitsplatz, in Gastronomiebetrieben usw. Häufig sind es
einfach Unbekannte, die miteinander zu bestimmten Themen kommunizieren. Diese
Eingrenzung interpersonaler Kommunikation nimmt den Anschein, den Kern dabei
nicht zu treffen, da diese Kommunikation auch mit Familienmitgliedern, Freunden,
Bekannten und Verwandten ausgeübt wird. Es wird also vielfach in Frage gestellt, ob
die sozialen Gruppen und Netzwerke die ihnen zugeschriebenen Funktionen im
Kommunikationsprozess noch erfüllen. Demnach sei die interpersonale
Kommunikation in ihrer Bedeutung überschätzt worden. (vgl. Schenk, 1995)
Definition
Den Begriff „soziales Netzwerk“ wurde von Barnes in den 50er Jahren geprägt und
fand Anklang im Bereich der Unterstützungsforschung. Vorher galt der Begriff eher
als eine Metapher, bevor er als Instrument für den Aufbau sozialer Gefüge diente.
Das soziale Netzwerk wird ab diesem Zeitpunkt zum Beispiel auch im Kontext von
Organisationen verwendet. (vgl. Röhrle, 1994)
Es entstand die erste Grobdefinition des sozialen Netzwerkes, die da lautet:
„Soziale Netzwerke sind das Gesamt an sozialen Beziehungen zwischen einer
definierten Menge von Personen, Rollen oder Organisationen“ (Röhrle, 1994)
Umfassender wurden soziale Netzwerke von Mitchell (1996 zit. Nach Jannsen, 2003,
S. 43) definiert:
„A social network is a specific set of linkages among a defined set of persons, with
the additional property that the characteristics of these linkages as a whole may be
used to interpret the social behaviour of the persons involved.“
Virtuelle soziale Netzwerke warden von Boyd und Ellison (2007) wie folgt definiert:
„We define social network sites as web-based services that allow individuals to (1)
construct a public or semi-public profile within a bounded system, (2) articulate a list
of other users with whom they share a connection, and (3) view and traverse their list
of connections and those made by others within the system. The nature and
nomenclature of these connections may vary from site to site.“
Generell kann man sagen, dass soziale Netzwerke durch die Abwesenheit
klarer Grenzen gekennzeichnet sind. Der Ablauf ist eher zufällig und fließend
und nicht geplant oder steuerbar bzw. kontrollierbar. Anstatt eines
Steuerungszentrums entwickeln sie eine Vielzahl von Knoten, die in großer
Autonomie die wechselseitigen Verknüpfungen nutzen. Es ist schwierig, ihnen
einen klassischen Begriff zuzuordnen und dennoch sind sie nicht völlig
beliebig und unfassbar. (vgl. Boos, Exner & Heitger, 1992)
„Nicht alles, was irgendwie zusammenhängt, ist glei ch ein Netzwerk.“
(Boos, Exner & Heitger, 1992)
Merkmale, die soziale Netzwerke charakterisieren, sind:
• die Orientierung an einem Thema durch gemeinsame Intention
• die Person wird als Ganzes mit einbezogen und es besteht keine Möglichkeit
der Delegation an andere wie z.B. Stellvertreter (Personenorientierung); die
Netzwerke orientieren sich nicht an Rollen oder Funktionen;
• da es bei Netzwerken keine Rechte oder Pflichten gibt, besteht eine
Freiwilligkeit der Teilnahme;
bei aktuellen Anlässen können Tauschmöglichkeiten realisiert werden, da
soziale Netzwerke auch durch eine auf dem Tauschprinzip beruhende
Beziehung charakterisiert sind; (vgl. Boos, Exner & Heitger, 1992)
In gewisser Weise können soziale Netzwerke mit einem Markt ohne örtliche
Gebundenheit verglichen werden, auf denen Personen, die ähnliche
Basisinteressen haben, kommunizieren können, ohne überhaupt voneinander
wissen zu müssen. Soziale Netzwerke können spontan aktiviert werden und
auch ebenso schnell wieder aufgelöst werden. (vgl. Boos, Exner & Heitger,
1992)
Um ein Netzwerk aber überhaupt aktivieren zu können, bedarf es einigen
Voraussetzungen: (siehe Abbildung 1)
Abbildung 1: Merkmale sozialer Netzwerke (modifizie rt nach Boos, Exner & Heitger, 1992)
Basisintentionen werden als gemeinsame Interessen von Personen definiert.
Beispiele dafür sind das Aufziehen von Kindern, die Verhinderung von
Atomkraftwerden oder die Weiterentwicklung eines neuen Theorieansatzes.
Beziehungspotenial Aktueller Anlass
Basisintention /erwartbarer reziproker Tausch
Beziehungspotenial
Damit ein soziales Netzwerk aber erst sichtbar werden kann, bedarf es einer
gemeinsamen Basisintention oder zumindest eines wahrscheinlich erscheinenden
reziproken Tausch (zumindest in der Zukunft), sowie den aktuellen Anlass.
Durch den aktuellen Anlass wird dann das verfügbare Beziehungspotential
aktiviert (z.B. die Beschaffung von Babysittern). Nur wenn dieser Anlass
ausreichend Reiz für andere bietet, wird das Netzwerk aufflackern. Entweder
erlischt das Netzwerk danach gleich wieder, oder es kommt in einen Potential-
oder Organisationszustand in z.B. eine Gruppe, ein Projekt oder Institution.
(vgl. Boos, Exner & Heitger, 1992)
Kurz zusammengefasst lässt sich sagen:
„Ein Netzwerk ist ein personenbezogenes Beziehungsg eflecht, welches auf
einem gemeinsamen Basisinteresse beruht und durch a ktuelle Anlässe
aktiviert und sichtbar wird.“
(vgl. Boos, Exner & Heitger, 1992)
Geschichte der “Sozialen Netzwerke”
In Zeiten des wirtschaftlichen Wandels ist es sehr schwierig geworden, flexible und
anpassungsfähige Organisationsformen in vielen Bereichen zu finden. Es wird
vermutet, dass genau diese Merkmale – flexibel und anpassungsfähig – Netzwerke
charakterisieren. Der Begriff der „Sozialen Netzwerke“ hat in der Begriffswelt eine
sehr hohe Verbreitung eingenommen, die ansonsten nicht allzu häufig zu
beobachten ist. Unsere Gesellschaft neigt immer mehr zur Individualisierung und
somit versuchen Netzwerke so genannte Auffangnetze zu schaffen, um
gesellschaftliche Informationen verbreiten zu können. Eigentlich war es ein
technischer Zusammenhang, aus dem sich der Begriff „soziales
Netzwerk“ entwickelte (lokale Radiostationen haben sich in den Nachkriegs-USA zu
Netzwerken zusammengeschlossen) und etablierte sich in vielen Bereichen als
Metapher (Computernetzwerke, Engineeringnetzwerke, Selbsthilfe-Netzwerke in und
gegen hierarchische Organisationen, usw.). Vor allem für die späte
Informationsgesellschaft schienen soziale Netzwerke gerade zu erschaffen (siehe
Abbildung 2): (vgl. Boos, Exner & Heitger, 1992)
Gesellschaftliche
Entwicklungsphasen
Späte
Industrie-
gesellschaft
Frühe Informations-
gesellschaft
Späte
Informations-
gesellschaft
Jeweils neu hinzu
kommender
relevanter
Organisationstypus
Hierarchie
Mehrdimensionale
Organisationsformen
(Matrix,
Projektmanagement..)
Netzwerke
Jeweils neu
hinzukommende
Kapitaformen
Ökonomisches
Kapital
Wissenskapital
Beziehungskapital
Abbildung 2: Die Gesellschaft als harmonisches Ganz es (modifiziert nach Boos, Exner &
Heitger, 1992)
Die spätere Informationsgesellschaft präferiert dann schnelle, gelungene und
qualitätsvolle Kommunikation. Wie organisiert der Einzelne sein Leben. Natürlich
stellt dies auch eine Frage für Organisationen dar. Es besteht stetiges Wachstum für
Orientierungs- und Integrationsbedarf. Die Entwicklungs- bzw. Lebenschancen sind
von Optionen, Wahlmöglichkeiten und von Verankerungen und sicheren Bezügen
abhängig. Somit können soziale Netzwerke Optionen öffnen und Verankerungen
ermöglichen. Im Grunde besteht ein Klärungsbedarf der Netzwerkmetapher im
Zusammenhang mit sozialen Systemen wie Familen, Unternehmen oder
Organisationen. (vgl. Boos, Exner & Heitger, 1992)
Das theoretische Konzept des sozialen Netzwerks
Die Funktionen des sozialen Netzwerks beinhalten sowohl kulturelle, als auch
strukturelle und funktionale Aspekte. Während die kulturellen Aspekte durch das
Zugehörigkeitsgefühl zur sozialen Identität des Individuums beitragen, bieten die
strukturellen und funktionellen Aspekte Hilfe und Unterstützung bei der
Bedürfnisbefriedigung von physischen, symbolischen und materiellen Dingen. Diese
Aspekte wurden in der zeitgenössischen Soziologie in zwei unterschiedliche
Bereiche unterteilt, welche die unterschiedlichen Traditionen in der Soziologie wieder
spiegeln. Dabei wird der Netz-Zusammenhang in intersubjektive, psycho-kulturelle
und strukturelle Aspekte und parallel dazu in formelle und informelle Funktionen
getrennt. Es besteht bei solchen Trennungen jedoch die Gefahr, dass die Einheit
eines sozialen Phänomens aus den Augen verloren wird und dadurch künstliche
Gegensätze geschaffen werden. (vgl. Hennig, 2006)
Soziale Netzwerke können danach unterschieden werden, ob diese primär der
sozialen Unterstützung und der Freundschaft dienen, oder ob es sich um
instrumentelle Beziehungen handelt, welche vor allem innerhalb von Organisationen
oder bzw. im beruflichen Kontext auftreten. Natürlich ist es aber auch möglich, dass
Beziehungen beide Aspekte beinhalten. Es spiegeln sich unterschiedliche Formen
sozialer Netzwerke wieder. So lassen sich – unter anderem – soziale Netzwerke in
ihrer Ausprägung auf den Dimensionen informell-formell, sowie privat-beruflich
unterscheiden (siehe Abbildung 3). Ein formell angesiedeltes Netzwerk wäre
beispielsweise eine Selbsthilfegruppe, da soziale Kontakte in einem formellen
Rahmen aufgebaut werden. Ein informelles soziales Netzwerk wären dann im
Gegenzug dazu die Kollegen, mit denen man in der Organisation interagiert, was
dem beruflichen Kontext zuzuordnen wäre. (vgl. Denison, 2006)
Abbildung 3: Darstellung möglicher sozialer Netzwer ke auf den Dimensionen formell-informell
und privat-beruflich (modifiziert nach Denison, 200 6)
Somit beziehen sich soziale Netzwerke – welche als wesentlicher Teil unseres
gesellschaftlichen Daseins gelten – auf Interaktionen mit sowohl funktionalem
Austausch, als auch mit emotionalen Bindungen. Diese Interaktionen sind alle
Situationen, in denen sich Menschen miteinander verbunden fühlen. Also ist die
Gesellschaft ein äußerst komplexes und vielschichtiges System von miteinander
verbundenen Handlungsräumen. (vgl. Hennig, 2006)
Funktionen sozialer Netzwerke
Netzwerke übernehmen in multikulturellen, zersplitterten Gesellschaften vielfältige
Funktionen ein. Sie bieten dem Einzelnen Orientierung und sichern
Einflussmöglichkeiten gerade dort, wo Organisationen und Institutionen an ihre
Grenzen stoßen. Gerade deswegen sind Netzwerke so aktuell. Netzwerke sind in
gewisser Weise die evolutionäre „Weiterentwicklung der Gruppe, da sie das Face-to-
Organisationsgrad
Bereich beruflich
informell
formell
privat
Unterstütz- ungsnetz-
werke (z.B. Familie)
Freundschafts-Netzwerke
berufliche Kontakte
außerhalb der Organisation (Networking)
informelle Netzwerke in Unter-nehmen
old boys networks
Lern- netz-werke
net-working
clubs
berufliche Vereinigungen
Selbsthilfe-gruppen
face-Prinzip der Gruppe überwinden und die Möglichkeit eines „Weltdorfs“ entstehen
lassen.“ Netzwerke sind vor alle dort interessant, wo Menschen Lebensbrüche haben
(z.B. Studienbeginn, Jobwechsel, Scheidung, usw.)
Somit lassen sich Funktionen sozialer Netzwerke auf folgenden Ebenen beschreiben:
� gesellschaftliche Ebene:
Auf dieser Ebene dienen Netzwerke auf der einen Seite der sozialen Kontrolle
(Gleichgewichtigkeit der Austauschprozesse) und auf der anderen Seite der
Herausformung und Weiterentwicklung kollektiver Identitäten. Netzwerke
laufen über gesellschaftliche Funktionssysteme wie z.B. Recht, Wirtschaft,
Wissenschaft, Politik usw., in denen hohe Integrationspotentiale für z.B.
Netzwerke der Friedens-, Frauen-, und Umweltbewegung usw. liegen.
� organisatorische Ebene:
Die Netzwerke wirken grenzüberschreitend und kompensieren dadurch den
Nachteil einer strikten Grenzziehung zwischen Innen und Außen, indem Sie
unterschiedliche Organisationen wie z.B. Händlernetzwerke oder Netzwerke
alternativer Betriebe miteinander verknüpft. Grenzen in den Organisationen,
die durch Hierarchie geschaffen wurden, werden durch das Aufgreifen
organisatorisch (noch nicht) relevanter Themen überwunden. Außerdem
wirken diese Netzwerke entlastend für eventuell bestehende funktionale
Differenzierungen (Bürokratien).
� individuelle Ebene:
Hier übernehmen Netzwerke vielfältige Funktionen (z.B. emotionale
Unterstützung, Hilfe zur Leidverarbeitung, Vermittlung sozialer Kontakte,
Schaffung von Alternativen, Prüfung neuer Ideen, Vermittlung von praktischen
Hilfen, Orientierung oder Weiterentwicklungschancen). Sie gelten als
Kompromiss. Auf der einen Seite zwischen Zugehörigkeits- und
Einflussbedürfnissen –„Heimat“- und auf der anderen Seite die Autonomie.
Mann kann sagen, man kauft sich nicht nur Waren, sondern auch Optionen.
(vgl. Boos, Exner & Heitger, 1992)
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Merkmale sozialer Netzwerke (modifiziert nach Boos, Exner & Heitger, 1992) Abbildung 2: Die Gesellschaft als harmonisches Ganzes (modifiziert nach Boos, Exner & Heitger, 1992) Abbildung 3 : Darstellung möglicher sozialer Netzwerke auf den Dimensionen formell-informell und privat-beruflich (modifiziert nach Denison, 2006)
Literaturverzeichnis
Boos, F., Exner, A. & Heitger, B. (1992). Soziale Netzwerke sind anders. aus:
Organisationsentwicklung, 1992, Nr. 1.
Boyd, Danah, Ellison, Nicole (2007), Social Network Sites: Definition, History, and
Scholarship. In: Journal of Computer-Mediated Communication, 13(1), Artikel 11.
http://jcmc.indiana.edu/vol13/issue1/boyd.ellison.html
Denison, K. (2006). Netzwerke als Form der Weiterbildung: Erfolgsfaktoren für den
individuellen Nutzen. Kassel: Unidruckerei der Universität Kassel.
Hennig, M. (2006). Individuen und ihre sozialen Beziehungen. Wiesbaden: VS Verlag
für Sozialwissenschaften.
Röhrle, B. (1994). Soziale Netzwerke und soziale Unterstützung. Weinheim:
Psychologie Verlags Union.
Schenk, M. (1995). Soziale Netzwerke und Massenmedien: Untersuchungen zum
Einfluß der persönlichen Kommunikation. Tübingen: Gulde Druck.
Theorie und Definition sozialer Netzwerke (Gasser Heidi, MA)
Einleitung
Der Mensch lebt nicht allein. Er ist kein Einzelgänger sondern braucht zum Leben
Beziehungen zu anderen Menschen um überleben zu können. Für jeden
Einzelnen von uns stellt sich die Frage, wie er oder sie sein Leben organisiert, d.h.
wie geht man mit sich selbst und anderen um. Ganz natürlich bilden sich dabei
soziale Netzwerke, die uns Menschen Halt und Sicherheit geben. Soziale
Netzwerke sind die Voraussetzung für ein erfolgreiches wirtschaftliches und
persönliches Leben. In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat dieser Begriff
zunehmend an Bedeutung gewonnen. Aus einem ursprünglich technischen
Zusammenhang heraus hat sich dieser Begriff als leicht fassbare Metapher in
vielen Bereichen unseres Lebens etabliert (Computernetzwerke,
Engineeringnetzwerke, Selbsthilfenetzwerke, Gesundheitsförderungsnetzwerke,
Forschungsnetzwerke, Städtenetzwerke). In einer Gesellschaft, die immer mehr
zur Individualisierung neigt, scheinen diese Verbindungen Auffangnetze zu
schaffen, ohne die Voraussetzung einer allzu engen oder allzu verbindlichen
Bindung aneinander. Der Autonomiebedarf der Einzelnen und das
Anknüpfungsbedürfnis an andere geraten in eine zeitgemäße Balance (Lenz &
Nestmann, 2009). Die Breite und Multidisziplinarität des Begriffes bewirkt, dass
kaum eine Einigkeit darüber herrscht, was wirklich genau unter Netzwerken zu
verstehen ist und daher gibt es eine Vielzahl an Definitionen für den Begriff. Diese
Arbeit soll zeigen, dass es durch verschiedene Sichtweisen auch unzählige
Definitionen gibt. Bei näherer Betrachtung der Theorien hinter den Definitionen soll
ein umfassendes Bild des Begriffes „soziales Netzwerk“ gegeben werden.
Definition von des Begriffes „Soziales Netzwer k“
Der Netzwerkbegriff weist unterschiedliche historische Wurzeln auf. Zu nennen
sind hier insbesondere die Soziologie mit Georg Simmel, Leopold von Wiese,
Theodore Caplow und Paul F. Lazarsfeld sowie weitere Personen aus den
Bereichen der Sozialpsychologie und Sozialanthropologie. Von ihnen stammt
auch der Begriff „soziales Netzwerk“, sowie die erste Definition: „… a specific set
of linkages among a defined set of persons“ (Lenz & Nestmann, 2009, S. 76).
Wie in der Einleitung schon erwähnt, gibt es eine beträchtliche Menge an
Definitionen für den Begriff der sozialen Netzwerke. Im Folgenden werden nun
einige davon genannt:
Harro Kähler (1975) definiert den Netzwerkbegriff wie folgt: „Der Begriff des
sozialen Netzwerkes bezieht sich auf das Geflecht der sozialen Beziehungen, die
zwischen einer definierten Menge von einzelnen Einheiten, in der Regel
Individuen beobachtet werden können.“ Der Begriff soziales Netzwerk hat eine
weite Verbreitung in der Sozialen Arbeit gefunden, was durch seine vielseitige
Anwendbarkeit begründet ist. Er eignet sich für die theoretische Analyse, kann
aber auch zu diagnostischen Zwecken (Diagnose) oder zur Darstellung von
Unterstützungsstrukturen eingesetzt werden (Universität Hamburg, o.J.). Als
soziale Netzwerke bezeichnen Endruweit & Trommsdorff (1989) soziale
Beziehungen bzw. Beziehungsgeflechte von einer Menge sozialer Einheiten.
Soziale Einheiten wiederum sind einzelne Personen bzw. Individuen, Gruppen,
Organisationen oder auch Gesellschaften. Auch der betriebswirtschaftliche
Netzwerkbegriff geht auf die Soziologie zurück, wo der Begriff in den 30er Jahre
aufgetaucht ist und in Mode kam (Kröll, 2003). „Formal wird ein Netzwerk
definiert als ein Graph aus einer endlichen Menge Knoten und den Kanten
zwischen ihnen. Ein soziales Netzwerk ist dann ein Netzwerk, dessen Knoten
soziale Akteure (Personen, Gruppen) sind und dessen Kanten die Verhältnisse
der Akteure zueinander abbilden“ (Kecskes & Wolf, 1996, S. 34). Eine andere,
psychologisch geprägte Sichtweise, drückt Keul (1993) in einer anderen
Definition aus, wonach soziale Netzwerke als Systeme interpersonaler
Beziehungen zu sehen sind und es einen Zusammenhang zwischen sozialer
Unterstützung und sozialen Netzwerken gibt. Man kann also sagen, dass ein
soziales Netzwerk ein Beziehungsgeflecht bezeichnet. Gemeint ist damit, dass
sich Menschen mit anderen Menschen und Institutionen sowie Institutionen mit
anderen Institutionen verbinden. Menschen sind untereinander zum Beispiel
durch Beziehungen in der Familie und Verwandtschaft, aber auch mit der
Nachbarschaft und in der Arbeitswelt vernetzt (Universität Hamburg, o.J.). In
diesem Zusammenhang haben sich weitere Begriffe wie zum Beispiel
Netzwerkansatz, Netzwerkarbeit, Netzwerkförderung oder Netzwerkanalyse
entwickelt. Sozialarbeiter und Sozialpädagogen werden auch als Netzwerker
bezeichnet, wenn sie soziale Netze fördern und stützen. Eine letzte Definition
des Soziologen Ziegler (1984) beschreibt den Ablauf in Netzwerken wie folgt: „…
System von Transaktionen(…), in dem Ressourcen getauscht, Informationen
übertragen, Einfluss von Autorität ausgeübt, Unterstützung mobilisiert, (…),
Vertrauen aufgebaut oder durch Gemeinsamkeit Sentiments gestiftet
werden.“ (Ziegler, 1984, S. 435 zit. nach Kardoff, 1989, S. 35). Bei dieser Fülle
an Darlegungen kann frei nach Kappelhoff zusammenfassend gesagt werden,
dass das soziale Netzwerk ein nicht wegzudenkendes Element im sozialen
Zusammenleben darstellt. Auf der Grundlage von Beziehungen jeglicher Art und
Weise herrscht ein „Tauschsystem“, indem sich jeder bei Bedarf bedienen kann
um so einer Steuerungsproblematik entgegen zu wirken (Kappelhoff, 1999). Ein
Netzwerk ist also ein personenbezogenes Beziehungsgeflecht, welches auf
einem gemeinsamen Basisinteresse beruht und durch aktuelle Anlässe aktiviert
und sichtbar wird (Boos et al., 1992).
Unterscheidungen von sozialen Netzwerken
Wie in der Einleitung beschrieben gelten soziale Netzwerke als Systeme, die
Unterstützung in Situationen bieten, in denen man Hilfe braucht, bspw. in
Krisensituationen. Manchmal herrscht jedoch gar keine sichtbare Krise vor, es
bedarf lediglich eines Zuhörers oder eines Wortes der Motivation. Diese
praktische, emotionale und kognitive Unterstützung ist in verschiedenen
Bereichen verfügbar, jedoch lassen sich Netzwerke in drei Gruppen einteilen:
• Primäre oder persönliche Netzwerke auf der Mikroebene: Familie
und Verwandtschaft, nachbarschaftliche Netzwerke und
freundschaftliche, das heißt selbst gewählte Netzwerke. Aber auch
altersspezifische, frauenspezifische oder arbeitsplatzspezifische
Netzwerke fallen darunter
• Sekundäre oder gesellschaftliche Netzwerke auf der Makroebene:
Zum Beispiel Handwerksbetriebe, Versicherungsunternehmen,
Kaufhäuser, Industriebetriebe und öffentliche Einrichtungen der
Infrastruktur wie zum Beispiel Kindergarten, Schule, Hochschule,
Soziale Dienste, Verkehrssysteme (Boos et al., 1992)
• Tertiäre Netzwerke auf der Mesoebene: Sie sind zwischen den
primären und sekundären Netzwerken angesiedelt und haben eine
vermittelnde Funktion. Selbsthilfegruppen, Bürgerinitiativen und
professionelle Dienstleistungen wie Krankenpflegedienste,
Gesundheitsberatung oder Einrichtungen der Sozialen Arbeit
(Galuske, 2002).
Im sekundären und tertiären Bereich ist die Arbeit der Sozialarbeiter und
Sozialpädagogen angesiedelt. Sie bemühen sich um Einfluss auf Netzwerke, um
sie für Menschen zugänglich zu machen, die dies aus eigener Kraft nicht oder
noch nicht schaffen. Durch Vernetzung der Sozialen Dienste mit
Selbsthilfegruppen, Verbänden und unterschiedlichen Fachleuten auf regionaler
und überregionaler Ebene kann das Dienstleistungsangebot insgesamt erhöht
und effektiver zugänglich gemacht werden
(Uni Hamburg, o.J.). Soziale Netzwerke haben lt. Boos et al. (1992) keine klaren
Grenzen untereinander. Diese verlaufen eher zufällig und fließend, sie sind nicht
geplant oder steuerbar. Soziale Netzwerke sind unabhängig von
Beeinflussungsformen und haben statt eines Steuerungszentrums eine Vielzahl
von Knoten, die in großer Selbstständigkeit die wechselseitigen Verknüpfungen
nutzen. Netzwerke sind nicht mit den klassischen Begriffen der
Organisationstheorie (z.B. Strukturen, Kompetenzen, Macht, Kontrollspannen,
Mitgliedschaft) zu erfassen, dennoch verfügen sie über eine eigene Autonomie,
d.h. nicht alles, was irgendwie zusammenhängt, ist gleich ein Netzwerk (Boos et
al., 1992).
Merkmale von sozialen Netzwerken
Merkmale die Netzwerke charakterisieren sind:
• die Intention oder Homogenität (gemeinsames Thema) (Barth, 1998)
• die Freiwilligkeit und die Reziprozität der Teilnahme (keine Rechte oder
Pflichten) (Röhrle, 1994)
• die Personenorientierung (eine bestimmte Person ist miteinbezogen;
Delegation ist nicht möglich) und
• das Tauschprinzip (erwartete Möglichkeit eines Tausches, die bei Bedarf
in Anspruch genommen wird) (Boos et al., 1992).
Man kann Netzwerke mit einem Markt ohne örtliche Gebundenheit vergleichen,
auf dem Personen mit ähnlichem Basisinteresse, die nicht alle voneinander
wissen, fallweise miteinander kooperieren. Netzwerke haben nicht nur keine
Grenzen, sie entziehen sich auch der Regelmäßigkeit (z.B. „Markttage“). Sie
können plötzlich aktiviert werden. Das vorhandene Beziehungspotential der
Netzwerkpartner und deren Vorstellung über ein gemeinsames Thema sind der
Grund dafür, dass Netzwerke entstehen können. Um aus dem Ruhezustand, in
dem Netzwerke sich vorwiegend befinden, aufzuwachen, bedarf es eines
aktuellen Anlasses, zu dem das Beziehungskapital dann aktiviert wird. Ein
Netzwerk entsteht dann, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:
Basisintentionen sind gemeinsame Interessen, wie beispielsweise das Aufziehen
von Kleinkindern, die Weiterentwicklung eines neuen Theorieansatzes oder
Umweltschutz. Jeder Netzwerkpartner/In bringt nun etwas in die Beziehung ein,
z.B. Macht, Geld, Information, Emotion und wird so zum "Unternehmer seines
Beziehungskapitals". Das Paradoxe an Netzwerken ist, dass entferntere
Relationen im Netzwerk mehr Optionen, Informationen oder Chancen bringen als
Nahbeziehungen. Für das Sichtbarwerden eines Netzwerks ist allerdings die
gemeinsame Basisintention oder der wahrscheinlich erscheinende reziproke
Tausch (zumindest in der Zukunft) ein ebenso wichtiger Bestandteil wie der
aktuelle Anlass (Boos et al., 1992).
Funktion von sozialen Netzwerken
In Zeiten der Globalisierung und einer multikulturellen und gleichzeitig
individuellen Gesellschaft haben Netzwerke viele Funktionen. Einerseits geben
sie Orientierung da wo sie gebraucht wird, andererseits bieten Netzwerke auch
Einflussmöglichkeiten. Sie bieten Information, Tausch und Transfer von
Ressourcen und geben Hilfe, Orientierung und Unterstützung auf materieller,
kognitiver und emotionaler Basis (Nollert, 2006).
Netzwerke entwickeln ganz eigenständig eine Vielfalt an Gedanken und Ideen,
wenn Hierarchien den Anspruch geltend machen, die einzige Wahrheit zu sein.
Lt. Boos et al. (1992) sind Netzwerke die evolutionäre Weiterentwicklung der
Gruppe, da sie das Face- to- face-Prinzip der Gruppe überwinden und die
Möglichkeit eines "Weltdorfs" entstehen lassen. Netzwerke sind dann besonders
funktional, wenn turbulente und/ oder chaotische Zustände herrschen. In den
Netzwerken kann Neues leichter getestet werden, weil nichts den Charakter des
Dauerhaften hat. Deswegen sind Netzwerke auf der Ebene von Individuen dort
besonders interessant, wo es Lebensbrüche gibt (Studienbeginn, Jobwechsel,
Scheidung, Pension etc.).
Auf der Ebene von Organisationen sagen Boos et al. (1992) weiter, dass neue
Theorien, Produkte, revolutionäre Entwicklungen in der Regel außerhalb dieser
Organisationen entstanden sind und erst in erprobtem Zustand von diesen
aufgegriffen wurden. Selbst in den Fällen, wo Neues innerhalb einer
Organisation entstanden ist, ist fraglich, ob es nicht in einem Netzwerk, das quer
zur Organisation liegt, entwickelt wurde, welches sich später der
Organisationsöffentlichkeit bediente.
"Netze im hier beschriebenen Sinn erscheinen als etwas relativ
integrationistisches, relativ harmonisches, operieren nicht im Sinn von
Elimination von Fremdem und Widersprechendem, sondern im Sinn von
Einverleibung, Umfassung, Mitnehmen, Dulden von allem. Strukturen und
Konturen bilden fällt Netzwerken schwer. Wenn also die pyramidalen Strukturen
(Hierarchie etc.) überdeterminiert sind, sehr vieles verunmöglichen, so neigen
Netzwerke dazu, wenig Strukturen zu bilden und alles zu ermöglichen. Dazu
erzeugen sie aber sehr hohe Eigenkomplexität in den Punkten - das ist, wenn
man so will, ihr Funktionsproblem" (Fischer- Kowalski, 1991, S. 178).
In Bezug auf die Unterscheidungen von Netzwerken lassen sich folgende
Funktionen sozialer Netzwerke herausarbeiten:
• Auf individueller Ebene (primäre Netzwerke) übernehmen Netzwerke vielfältige
Funktionen, wie z.B. emotionale Unterstützung, Hilfe zur Leidverarbeitung,
Vermittlung sozialer Kontakte, Schaffung von Alternativen, Prüfung neuer Ideen,
Vermittlung von praktischen Hilfen, Orientierung oder Weiterentwicklungs-
chancen. In gewisser Weise sind sie ein Kompromiss zwischen Zugehörigkeits-
und Einflussbedürfnissen ("Heimat") einerseits und Autonomie (sich für
Zukünftiges offen halten) andererseits.
• Auf gesellschaftlicher Ebene (Sekundäre Netzwerke) dienen Netzwerke
einerseits der sozialen Kontrolle (Gleichgewichtigkeit der Austauschprozesse),
andererseits der Herausformung und Weiterentwicklung kollektiver Identitäten.
Vor allem laufen Netzwerke quer über Funktionssysteme der Gesellschaft
(Recht, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik etc.) und haben damit vor allem dort
Integrationspotentiale, wo die Eigenlogik auf der ganzen Linie nicht mehr
funktioniert (z.B. Netzwerke der Friedens-, Frauen-, Umweltbewegung).
• Auf organisatorischer Ebene (sekundäre und tertiäre Netzwerke) wirken sie
grenzüberschreitend und kompensieren so das Handicap einer klaren
Grenzziehung zwischen Innen und Außen durch die Verknüpfung verschiedener
Organisationen (z.B. Händlernetzwerk, Netzwerk alternativer Betriebe). Innerhalb
der Organisationen werden die durch die Hierarchie gesetzten Grenzen
überwunden, indem organisatorisch (noch nicht) relevante Themen aufgegriffen
werden. Darüber hinaus wirken Netzwerke entlastend für die bestehende
funktionale Differenzierung (Netzwerke in Bürokratien) (Boos et al., 1992).
Methodische Überlegungen
Wichtig für das Verständnis für die Methodik von sozialen Netzwerken ist eine
weitere Unterscheidung von Netzwerken: z.B. das informelle und formelle
Netzwerk (Ibarra, 1993). Ein formelles Netzwerk ist ein Netzwerk, das
„organisiert“ ist, d.h. ein Beziehungsgeflecht z.B. in einer Selbsthilfegruppe. Es
gibt einen Initiator/In und Mitglieder/Innen. Ein informelles Netzwerk ist aber
meist umfassender bei einer weniger starken Strukturierung, sowie einem stärker
sozialen Zweck dienlich (Ibarra, 1993). In der Folge ergeben sich partielle oder
totale Netzwerke, wobei aus praktischen Gründen wohl der Aufbau eines
partiellen Netzwerkes favorisiert wird. Bei partiellen Netzwerken ist die
Beziehung auf einen bestimmten Typus gerichtet, z.B. auf Freundschaften.
Totale Netzwerke hingegen umfassen Strukturen zwischen sozialen Einheiten
(Schenk, 1983).
Zusammenfasssung
Soziale Netzwerke und soziales Kapital haben einen großen Einfluss auf
unterschiedliche Aspekte des Lebens. Die Beobachtung, dass der
Netzwerkbegriff einerseits in den letzten Jahren innerhalb wie außerhalb der
Wissenschaften eine beispiellose Erfolgskarriere durchlaufen hat, er aber
andererseits gerade dadurch an begrifflicher Schärfe zu verlieren droht, liegt auf
der Hand. Blendet man die wissenschaftliche Sicht aus, so kann man sagen,
dass soziale Netzwerke aus dem gesellschaftlichen Leben nicht wegzudenken
sind. Was wären wir ohne Zuspruch von unseren engsten Familienmitgliedern
oder der besten Freundin? Was würden wir ohne die Nachbarin tun, die ab und
zu unseren Postkasten leert und die Blumen gießt, wenn wir in Urlaub sind?
Könnten wir uns ein Leben ohne den netten Kollegen vorstellen, der sich für ein
rauchfreies Büro beim Chef einsetzt? Oft denken Menschen zu abstrakt, wenn es
um solche für uns schon fast selbstverständlichen Dinge des Lebens geht. Das
in Kontakt treten mit unseren Mitmenschen bekommt eine neue Qualität auf der
Mikro-, Makro- und Mesoebene. Dabei ist es nicht wichtig, welche Methode
angewandt wird, sondern in wie weit wir uns mit unseren Netzwerken wohl fühlen.
Weiters ist es wichtig, viele Kontakte zu haben und auf die Qualität er Kontakte
zu achten. Da wir Menschen jedoch praktisch sind, hegen wir eher Beziehungen
zu Menschen, die ähnliche Themen und Interessen haben und auch auf
informeller Ebene mit uns harmonieren. Dabei sind formelle Kontakte genauso
wichtig, wenn es um Fragen z.B. in der Arbeitswelt geht. Nach dem Motto: Man
muss die richtigen Leute kennen! Nur wenn ausreichende und viele
unterschiedliche Kontakte vorhanden sind, ist ein Netzwerk als stabil zu
bezeichnen. Man kann ja nie wissen, in welche Lage man einmal kommt und wer
einem dann helfen könnte?! Abschließend liegt mir noch am Herzen: Ein gutes
soziales Netzwerk kann niemals durch ein virtuelles Netzwerk ersetzt werden.
Die Qualität der Kontakte und das Face- to- face Prinzip ist die Voraussetzung
für persönlichen und wirtschaftlichen Erfolg.
Literatur
Boos, F., Exner, A., Heitger, B. (1992): Soziale Netzwerke sind anders. In: Organisationsentwicklung, Jahrgang 11, Nr.1, S. 54- 61. Fischer-Kowalski, M. (1991): Das pyramidale und das unbegrenzte Netz. In: Pellert, A. (Hrsg): Vernetzung und Widerspruch. Zur Neuorganisation von Wissenschaft. München, Profil, S. 165 – 194. Endruweit, G., Trommsdorff, G. (1989): Wörterbuch der Soziologie. München, dtv Verlag. Kähler, H. D. (1975): Das Konzept des sozialen Netzwerks: Eine Einführung in die Literatur. In: Zeitschrift für Soziologie, Heft 3. Galuske, M. (2002): Methoden der sozialen Arbeit: eine Einführung. Weinheim, München, Juventa Verlag. Ibarra, H. (1993): Network Centrality, Power, and Innovation Involvement: Determinants of Technical and Adminstrative Roles. Academy of Management Journal 36: S. 471- 501. Kappelhoff, P. (1999): Der Netzwerkansatz als konzeptueller Rahmen für eine Theorie interorganisationaler Netzwerke. In: Sydow, J., Windeler, A. (Hrsg.): Steuerung von Netzwerken. Opladen, S. 25- 27. Kecskes, R., Wolf, C. (1996): Konfession, Religion und soziale Netzwerke. Zur Bedeutung christlicher Religiosität in personalen Beziehungen. Opladen, Leske & Budrich. Keul, A. G. (1993): Soziales Netzwerk- System ohne Theorie. In: Laireiter A. (Hrsg.), Soziales Netzwerk und soziale Unterstützung: Konzepte, Methoden und Befunde, S. 45- 54. Göttingen, Huber.
Kröll A. M. (2003): Interorganisationale Netzwerke: Nutzung Sozialen Kapitals für Markteintrittsstrategien. Wiesbaden, DUV. Lenz, K., Nestmann, F. (Hrsg.) (2009): Handbuch Persönliche Beziehungen. Weinheim, Juventa Verlag. Röhrle, B. (1994): Soziale Netzwerke und soziale Unterstützung, Weinheim, Beltz Verlag. Schenk, M. (1983): Das Konzept des sozialen Netzwerks. In: Neidhardt, F. (Hrsg.): Gruppensoziologie. Perspektiven und Materialien. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 25, S. 88- 104. Opladen, Westdeutscher Verlag. Ziegler, R. (1984). Norm, Sanktion, Rolle. Eine strukturale Rekonstruktion soziologischer Begriffe. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Ausgabe 3, S. 433ff. [zit. nach Kardoff,1989]
Internetquellen
Nollert, M. (2006): Soziale Netzwerke. Theoretische Konzepte, Analyseinstrumente und empirische Befunde. Online in: http://www.suz.unizh.ch/nollert/soznetzwerke.pdf, [11.01.2012]. Universität Hamburg, (o.J.): Soziales Netzwerk. Online in: http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/projekte/slex/seitendvd/konzepte/l53/l5385.htm, [11.01.2012]. Barth, S. (1998): Soziale Netzwerke und soziale Unterstützung. Online in: http://www.stephan-barth.de/Homepage-Aufsaetze/Soziale%20Unterstuetzung.pdf, [11.01.2012].
Theorie und Definition sozialer Netzwerke (Seidl Sabina, BA)
Dimensionen der Netzwerk-Gesellschaft Im 21. Jahrhundert scheint es eine Offline-Gesellschaft, wie beispielsweise
Postämter, Tageszeitungen und Funklöcher zu geben, welche sozusagen ein
Auslaufmodell sind. Man sagt, dass die sogenannte „Netzwerk Gesellschaft“ binnen
eines Jahrhunderts entstanden ist, welche Manuel Castells bereits im Jahr 1996 mit
jenem Begriff betitelte. Zwar fehlten ihm zu dieser Zeit konkrete Präzisierungen
dieser Gesellschaft, doch nannte er bereits wesentliche Inhalte, wie beispielsweise
die Trends, Dezentralisierung, Individualisierung, Flexibilisierung und Globalisierung.
Jene Kennzeichen lassen sich auch in anderen Definitionen von „Netzwerk-
Gesellschaften“ wie zum Beispiel bei Ulrich Beck (1986) finden. Diese Gesellschaft
prägt vor allem die technische Revolution des Internets, die die Transformation der
Gesellschaft in viele Bereiche anstößt und Prozesse ins Rollen bringt. Es ist jedoch
vor allem das Netzwerk, durch welches diese Gesellschaft geprägt wird, sei es nun
das „Unternehmens-Netzwerk“ oder die „virtuelle Gemeinschaft im Internet.“ Diese
Definition wird auch von anderen Ansätzen, die zur Charakterisierung von
beispielsweise Dienstleistung- Informations- oder Wissensgesellschaft verwendet
wird, akzeptiert (vgl. Weyer, 2011, S.3, zitiert nach Weingart, 2001, S.3f.).
Da es eine ganze Brandbreite von unterschiedlichen Facetten der Netzwerk-
Gesellschaft gibt, werden im Anschluss einige dieser verschiedenartigen Definitionen
beschrieben.
Interorganisations-Netzwerke
Interorganisations-Netzwerke sind grundsätzlich Teilbereiche von Netzwerk-
Gesellschaften. In jener Organisation arbeiten strategisch handelnde Akteure, die
Tätigkeiten koordinieren und Unsicherheiten bewältigen. Mittels dieser Gesellschaft
werden Leistungen erbracht, die ohne jenes Netzwerk überhaupt nicht möglich wäre.
Ein Beispiel für jene netzwerkförmige Kooperation ist die Entwicklung von Elektro-
Antrieben für Pkws. Diese Art von Netzwerken besteht aus einer überschaubaren
Anzahl von meist kooperativen Akteuren, deren Identität, klar vorgegeben und
geklärt ist. Weitere Arbeiter werden ausgeschlossen, das heißt hier sind strategische
Interaktionen exklusiv. In dieser Sichtweise ist die Organisation also ein neuartiger
Modus der Handlungskoordination neben Markt und Hierarchie, der sich in nicht
stabilen Situationen besonders eignet, um am Markt bestehen zu können (vgl. Weyer,
2011, S.4).
Beziehungs-Netzwerke
In den Netzwerken des 21. Jahrhunderts existieren jedoch auch Beziehungs-
beziehungsweise Freundschafts-Netzwerke, die in einem stark zunehmenden
Ausmaß über elektronische Kommunikationsmittel, wie beispielsweise Facebook,
XING oder Twitter realisiert und genutzt werden. Durch die technische Neuheit
gewinnt diese Kommunikation zunehmend an Qualität weil auch eine Face to Face
Kommunikation gewährleistet ist. Dieses neuartige Netzwerk besteht aus einer
Vielzahl von meist individuellen Akteuren, deren Identität fast nie geklärt ist. Virtuelle
Communities werden mittels formalen Netzwerk-Analysen beobachtet und erforscht
(vgl. Weyer, 2011, S.4).
Daten-Netzwerke
Weiters haben sich in der Netzwerk-Gesellschaft auch Daten-Netzwerke
herauskristallisiert. Von diesen Netzwerken sagt man, dass es sich hier um
unsichtbare Spinnennetze handelt, welche zunehmend in unserer Gesellschaft
Infrastrukturen für unser Handeln bilden. Dieses „Gebilde“ gewinnen zunehmend an
Qualität, weil soziale Akteure in den verschiedensten Lebenslagen beobachtet,
analysiert und durch vielfältige Feedback-Mechanismen beeinflusst werden.
Ein derartiges System besteht aus latenten, oft erst durch externe Beobachter
herauskristallisierten, Verbindungen zwischen Akteuren und Ergebnissen. Diese
Relationen ermöglichen eine Dechiffrierung von unterschiedlichen Strukturen, welche
jedoch von den Akteuren im System nicht als diese verstanden und kommuniziert
werden. Diese Connections bilden eine wichtige Ressource, um die Steuerung
individueller Verhalten, jedoch auch die Steuerung des Gesamtsystems, darstellt.
Mittels derartigen Analysen lassen sich Verhaltensänderungen und Anomalien
identifizieren, was in der Verbrechensbekämpfung Anwendung findet. Bereits 1997
hat Gene Rochlin in seiner Formel „Gefangen im Netz“ – „trapped in the net“ die
Gefahren der modernen Datenerhebung im Netz beschrieben. Auch hier kommt die
formale Netzwerk-Analyse zum Einsatz, welche jedoch mit einem noch moderneren
Netzwerk, welches Data-Mining genannt wird, verbunden sein kann (vgl. Weyer,
2011, S.4f.).
Übersicht über die verschiedenen Netzwerke
Interorganisations-
Netzwerke
Beziehungs-
Netzwerke
Daten-
Netzwerke
Komponenten korporative Akteure Individuen Daten,
Datenspuren
Anzahl geringe Zahl große Zahl große Zahl
Realität/
Virtualität
Real teils real,
teils virtuell
virtuelles Konstrukt
Status nicht anonym teils anonym vermeintlich
anonym
Mechanismus der
Vernetzung
strategische
Interaktion
Interaktion Formale Netzwerk-
Analyse
Abbildung 1: Dimensionen der Netzwerkgesellschaft (Weyer, 2011, S.5)
Diese tabellarische Aufstellung der drei unterschiedlichen Sichtweisen der Netzwerk-
Gesellschaft ist einer der ersten Versuche diese Drei miteinander zu vergleichen.
Mittels jener Darstellung wird deutlich, dass diese drei Netzwerke nicht auf einer
analytischen Ebene liegen und sich deshalb nicht innerhalb des theoretisch-
konzeptionellen Ansatzes vergleichen lassen. Somit lässt es sich auch erklären,
warum sich die sozialwissenschaftliche Netzwerkforschung schwer tut, diese
empirische Netzwerkvielfalt kategorisch zu erfassen und festzuhalten. Mittels dem
Buch von Weyer wird jedoch klar, dass auch neuartige Phänomene und
methodisches Repertoire der Soziologie bearbeitet werden um der Gesellschaft eine
grundlegende Einsicht der Strukturen zu geben. All jene beschriebenen Facetten
dienen der Bewältigung von Unsicherheit, zur Koordination der Handlungen, zur
Sozialintegration in schwierigen Zeiten in denen es einen Umbruch von Alt auf Neu
gibt (vgl. Weyer, 2011, S.5ff.).
All jene Netzwerkgedanken die in dem Buch von Weyer niedergeschrieben sind, sind
Selbstbeschreibungen von Netzwerken, die seit dem Jahr 2000 gesammelt wurden.
Hier kann ganz klar festgestellt werden, dass sich die Wahrnehmung und Bedeutung
von Netzwerken stark gewandelt hat (vgl. Weyer, 2011, S.5ff.).
Die Macht der Daten-Netze
Hören Menschen den Begriff Netzwerk, so wird dieses gleich mit dem Netz der Netze,
dem Internet assoziiert. Man denkt unwillkürlich an Facebook und andere
Internetplattformen, welche einen Großteil unserer täglichen sozialen Kommunikation
mittels Freudschafts-Netzwerken beispielsweise, ersetzen. Hier ist jedoch wichtig zu
erwähnen, dass Facebook sehrwohl mehr ist als ein Poesiealbum, in welches
Freunde aus alten Schul- und Studienzeiten schreiben.
Die Kombination der Daten, die die Nutzer der sozialen Netzwerke produzieren geht
weit über dem hinaus was man bislang mit dem Aspekt „sozialen
Netzwerk“ verbunden hat.
Das Internet hat sich jedoch in den letzen Jahrzehnten merklich gewandelt. Das heißt
die einfache Plattform, die Usern das Wissen der Welt zur Verfügung stellt, wie es in
den 1990er Jahren definiert wurde, ist zu einem mächtigen Tool geworden, welches
Firmen wie Google und Facebook eine Unmenge von Daten zur Verfügung stellt,
welche ihnen zudem eine immense Machtposition einräumt, die weit über das
hinausgeht, was Georg Orwell in seine Buch „1984“ zusammengefasst hat (vgl.
Weyer, 2011, S.6ff., zitiert nach Negroponte, 1997; Evans/Wurster, 2000).
Kurz und bündig kann folgendes über Google und auf was die Macht basiert gesagt
werden:
o Zunächst muss die immense technische Infrastruktur des Internets betrachtet
werden. (gigantische Serverfarmen, die Google in den letzten Jahren enorm
ausgebaut hat)
o Die soziale Interaktion, die wir als „Googler“ nutzen, wenn wir den Google-
Service als Suchmaschine oder das E-Mail Programm nutzen.
o Die zahlreichen ausgeklügelten methodischen Verfahren der Netzwerk-Analyse
die in Google stecken und seit der Entwicklung stetig perfektioniert und
ausgedehnt werden. (vgl. Weyer, 2011, S.6, zitiert nach, Surowiecki, 2005, S6f.)
Mobiles Internet
Das World Wide Web hat sich in den letzten Jahren so radikal verändert, die Daten
im Internet sind mobil geworden. Es ist zu einem drahtlosen
Mobilkommunikationssystem geworden, das es uns ermöglicht, Informationen per
Smart Phone an jedem nur erdenklichen Ort abzurufen. In vielen Museen kann man
beispielsweise Zusatzinformationen zu einem Künstler, dessen Kunstwerk man
gerade betrachtet, per Handy und Internet empfangen. Verfügt ein in Betracht
gezogenes Bild der Ausstellung auch noch über einen Barcode, so kann dieser
schnell und einfach mit dem Handy eingescannt werden und man erspart sich sogar
das lästige Eintippen. Vor allem Allergiker schätzen diese Innovation, wenn sie vor
dem Supermarktregal stehen und den Barcode eines beliebigen Produkts scannen
und sofort die darin enthaltenen Inhaltsstoffe auf Allergene prüfen.
Mittels smarter Objekte kann diese Option noch ausgeklügelter eingesetzt werden,
denn beim „electronic ticketing“ fällt das lästige Lösen von Fahrkarten am
Fahrkartenautomat weg, sofern das Lesegerät in Bus oder Bahn den elektronischen
Fahrschein erkennt. Dieser kann sowohl am Handy abgespeichert als auch in
Hardcopy gedruckt sein. Die Bezahlung kann mittels Nahfeld-Kommunikation
kontaktlos und bargeldlos über die Bühne gebracht werden (vgl. Weyer, 2011, S.7,
zitiert nach, Kurz/Rieger, 2009, S.31). Der neuste Schrei ist, dass jene Technologie
es teilweise sogar schon erlauben, das Portemonnaie mit der Chip-Karte
beziehungsweise das Smartphone in der Tasche zu lassen (vgl. Weyer, 2011, S.7).
Die Risiken jener Verfahren liegen in der großen Intransparenz der Prozesse, da
diese für den Nutzer nur äußerst schwer nachvollziehbar sind. Sowohl Problemen
des Datenschutzes als auch Datenspuren die derartige Transaktionen hinterlassen.
Mittels Satellitenortung via GPS sind sämtliche Informationen in Echtzeit verfügbar,
wodurch man sich beispielsweise lange Reiseplanungen sparen kann. Man steht
beispielsweise am Brandenburger Tor, schießt ein Foto und schickt dies per Handy
an Google. Binnen Sekunden erhält man essentielle Information, wodurch der Faktor
Zeit keine Rolle mehr spielt (vlg. Weyer, 2011, S.7).
Datenpreisgeben im Internet
Werden Informationen im World Wide Web abgerufen gibt jedes Individuum während
des Abrufens persönliche Daten von sich preis. Nicht nur über Interessen und
Absichten sondern auch über den Standort und die Verbindungsdaten der Personen
mit denen per Telefon oder SMS kommuniziert werden (vgl. Weyer, 2011, S.8, zitiert
nach, Bredow et al., 2010). In der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland werden
die Daten für sechs Monate gespeichert. Bei Festnetzanschlüssen sind die Standorte
der Geräte ohnedies bekannt, bei mobilen Geräten erfolgt die Lokalisierung mittels
Funkzellen, welche wie ein Raster über die Landkarte gelegt sind (vgl. Weyer, 2011,
S.8).
Steuerung und Manipulation von Individuen
Durch das Wissen über Verhaltensmuster von Individuen und die Position in
Netzwerken können jener Person zielgerichtet Interventionen zugesendet werden.
Dies reicht von der passenden Werbung bis hin zu präventiven Eingriffen, wie
beispielsweise die Vermeidung von Straftaten. Denn mittels der genauen Kenntnisse
der Verhaltensweisen eine Person lassen sich sogenannte Persönlichkeitsprofile
erstellen, die es möglich machen über personalisierte und individuelle Daten zu
verfügen. Hiermit geht der Traum jeder Werbebranche, zielgerichtet Werbung
betreiben zu können, in Erfüllung und man entfernt sich vom blinden Marketing. Wer
also gerne Pizza isst, wird auf sein Smartphone Werbung einer Pizzeria bekommen
und dazu einen Stadtplan auf welchem diese eingezeichnet ist (vgl. Weyer, 2011,
S.12). Das mobile Internet besitzt demnach ein großes Potential zur Steuerung und
Manipulation von Einzelpersonen (vgl. Weyer, 2011, S.12, zitiert nach Maurer et al.
2007, S.162). Aufgrund des technischen Fortschritts wird unser Wissen immer mehr
von Informationen geprägt, die wir von dem Großen Medium, World Wide Web
bekommen. Die Gesellschaft überlässt diesem oft, naiver Weise, private
Informationen, mittels welchen die großen Unternehmen ihre Macht zeigen und das
Individuum manipuliert wird (vlg. Weyer, 2011, S13).
Trendprognosen
Was an dieser Stelle noch erwähnt werden muss sind Zukunfts- beziehungsweise
Trendprognosen, die über bestimmte Gesellschaften oder Regionen getroffen
werden können. Google Trends ist beispielsweise ein solches Tool, mittels welchem
dies gemacht werden kann.
So hat man beispielsweise im Jahr 2008 in der Region Mid-Atlantic einen
Grippetrend, welcher aufgrund des deutlichen Anstiegs der Suchanfragen zu dieser
Thematik, feststellen können. Hiermit werden Verläufe von Grippeepidemien relativ
zuverlässig vorausprognostiziert. Während Google Trends im Jahr 2008 bereits eine
Epidemie vorhersagte, konnte das Center for Disease Control and Prevention (CDC)
noch keine Angaben zu dieser Problematik machen. Sie erreichte erst Wochen
später diese Nachricht, wodurch Google Trends eine präzise Trendprognose
nachgewiesen werden konnte. Die Leistungsfähigkeit dieses Instruments übertrifft
somit traditionelle Verfahren der staatlichen Gesundheitsbehörde. Dies liegt daran,
das jene Behörden nicht mit Echtzeit-Daten hantieren, sondern ihre Informationen
aus der Vergangenheit beziehen (vgl. Weyer, 2011, S15).
Wohin geht der Trend?
Das 1950/1960er Jahr war die Zeit der Großrechner, in welcher der Computer ein
Instrument der zentralen Planung und hierarchischen Steuerung war. Erst in den
1970/80er Jahre gab es die „Personal Computer“ die zur elektronischen Befreiung
des Rechenzentrums zählten. Mittels vernetzter Rechner war es möglich Prozesse
zu kontrollieren und koordinieren. Starre mechanische Organisationen waren somit
ein stückweit abgeschaffen (vgl. Weyer, 2011, S. 22ff.).
„Die Transformation von Unternehmen und Industrie, die der Computer ausgelöst hat,
hat dem Anschein nach den Trend Richtung Dezentralisierung sowie einer
Reduzierung sichtbarer Hierarchien und formaler Strukturen autoritärer Kontrolle
fortgesetzt, obwohl sie ihn effektiv und strukturell umgekehrt hat.“ (ebd.)
(Weyer, 2011, S.23)
Die Verletzlichkeit der Echtzeit-Gesellschaft - Tra nsformation der Gesellschaft
Nachdem sich innovative, leistungsfähige Technologien, welche elektronische
Netzwerke genannt wurden, in den letzen Jahrzehnten entwickelt hatten, unterzog
sich sowohl die Arbeitswelt als auch die private Lebenswelt der Individuen einer
fundamentalen Transformation. Der Traum der Wissensgesellschaften, mittels
Mausklick sämtliche Informationen abrufen zu können, hat sich somit bewahrheitet
(vgl. Weyer, 2011, S29). Heutzutage gibt es fast keinen gesellschaftlichen Bereich
mehr, in dem es keine elektronischen Netzwerke gibt. Denken wir nur einmal an die
Ticketbuchung via Smartphone, die geschäftlichen Transaktionen mittels
elektronischer Abwicklung, die vernetzte Kriegsführung und die kreative
Kommunikation und Kooperation von diversen Communities (vgl. Weyer, 2011, S29,
zitiert nach Kaufmann 2006; Traubert, 2008).
Ein Ausfall jenes Instruments würde zu einer Katastrophe sowohl im Zugverkehr als
auch in der Exportwirtschaft führen (vgl. Weyer, 2011, zitiert nach Kurz, 2010).
Aus der oben geschilderte Situation macht bereits deutlich in welch einer großen
Abhängigkeit wir uns begeben. Von dieser Abhängigkeit zum IT-System und der
damit geschaffenen Verletzlichkeit der Gesellschaft hat Gene Rochlin bereits 1997
plakativ mittels seiner Formal „trapped in the net“ aufmerksam berichtet. Aus der
anfänglichen Euphorie resultieren schön langsam auch die Risiken und Gefahren die
dieses Medium in sich trägt. Das Ausmaß und die Tragweiter dieser negativen
Aspekte sind jedoch noch nicht bekannt beziehungsweise werden sie von der
Gesellschaft bis dato unterschätzt (vgl. Weyer, 2011, S 30, zitiert nach Neogroponte
1997, Carr 2009).
Wichtig ist hier noch zu erwähnen, dass sich die Verletzlichkeit sowohl auf der
individuellen als auch auf die System Ebenen manifestiert (vgl. Weyer, 2011, S30).
Wie der Computer uns verändert (hat)
Klar ist, dass der Computer, beziehungsweise das Internet unsere
Kommunikationspraktiken und den Umgang mit Wissen nachhaltig verändert hat.
Das Leben und Arbeiten im World Wide Web ist für die meisten Menschen
mittlerweile etwas völlig normales, das tägliche Brot beziehungsweise schlichtweg
selbstverständlich. E-Mails, Bilder, Fotos, Freunde, Einkäufe, Musik, Filme,
Nachrichten uvm. alle diese Dinge findet man im Netz. Ein kurzfristiger Ausfall
bedeutet bei der Mehrheit der Menschen eine Katastrophe, weil wichtige Daten
verloren gegangen sein können oder weil man schlicht und einfach nicht erreichbar
ist. Stellt man sich vor, dass sich Intelligenz zunehmend ins Netz verlagert, kann man
sich nur die Frage stellen, wie es mit den menschlichen Fähigkeiten in Zukunft
aussehen wird und wie beispielsweise Probleme gelöst werden?
Anfänglich sah man das Netz noch als Kompetenzerweiterung, doch nach und nach
scheint es, dass menschliche Fähigkeiten verkümmern, weil die Netze bei jedem
Klick intelligenter werden (vlg. Weyer, 2011, S31).
Einer Studie nach zu Folge sind sich Hirnforscher und Psychologen einig, dass jede
praktische und kognitive Tätigkeit die Strukturen in unserem Gehirn verändert, da
sich neuartige Verknüpfungen der Synapsen bilden (vgl. Weyer, 2011, S31, zitiert
nach Korte 2010).
Manfred Spitzer (2010) verweist darauf, dass es einen negativen Zusammenhang
zwischen der Medien-Nutzung (TV, PC) und der Schulbildung gibt. Laut einer Studie
haben Schüler die einen Computer in ihrem Zimmer haben nachweislich schlechter
Noten, als jene Kids die über diesen „Luxus“ nicht verfügen.
Folgende Faktoren werden diesbezüglich angeführt beziehungsweise dafür
verantwortlich gemacht:
o Reizüberflutung
o Internet als Kollektivgedächtnis (Auslagerung von Wissen in ein „externes
Gehirn“)
o Such-Strategie (Kids verlieren die Fähigkeit systematisch nach Dingen zu
recherchieren)
o Kollektive Intelligenz (Verlagerung der Urteilsbildung)
o Zeitersparnis vs. Zeitvergeudung
o Individuelle Allzuständigkeit (in vielen Bereichen brauchte es früher noch
Experten, wie beispielsweise Fotostudios, was mittlerweile selbst gemacht
wird)
(vgl. Weyer, 2011, S31f.)
Literaturverzeichnis: Weyer, J. (2011). Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der
sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung. München: Oldenbourg
Wissenschaftsverlag GmbH
Theorie und Definition sozialer Netzwerke (Wegscheider Michaela)
Netzwerke
Abb. 1: Netzwerksysteme1
Anderes beschrieben, besteht ein Netzwerk aus einer Vielzahl von Kontaktsysteme,
die durch die Verknüpfung von sozialen Systemen stabilisierte, produzierte Kontakte
hervorrufen. Ein vollständiger Überblick der beteiligten Systeme kann jedoch niemals
gewährleistet werden.2 Holzer sieht ein Netzwerk als Systeme- in- einer-Umwelt:
„Das Netzwerk ist dann eine auf das jeweilige System bezogene Repräsentation und
Reduktion dieser überschaubaren Komplexität der sozialen Umwelt: Unter den
besonderen Gesichtspunkt des Netzwerks wird diese Umwelt beobachtet als
Systeme-in-einer-Umwelt.“ 2
1 Netzwerksystem (2011, [online])
2 Holzer (2000, S. 157)
„Als Netzwerke werden Systeme
bezeichnet, deren zugrunde liegende
Struktur sich mathematisch als Graph
modellieren lässt und die über
Mechanismen zu ihrer Organisation
verfügen. Der Graph besteht aus einer
Menge von Elementen (Knoten), die
mittels Verbindungen (Kanten)
miteinander verbunden sind. Ein
geschlossener Zug aus Kanten und
Knoten heißt Masche. Dass der Großteil
der Knoten zu einer oder mehreren
Maschen gehört, ist das eigentliche
Kennzeichen eines Netzwerks gegenüber
anderen Typen von Strukturen.“ 2
Soziale Netzwerke Kähler (1975) definiert „Der Begriff des sozialen Netzwerks bezieht sich auf das
Geflecht der – in der Regel: sozialen – Beziehungen, die zwischen einer definierten
Menge von einzelnen Einheiten – in der Regel: Individuen – beobachtet werden
können“. In der Regel weist darauf hin, dass in der Netzwerkforschung nicht nur
soziale Beziehungen von Einzelpersonen, sondern auch von sozialen Einheiten
analysiert werden. Die Netzwerkanalyse repräsentiert das Kernstück des
Netzwerkansatzes. 3 Mit dem Thema Soziale Netzwerke beschäftigen sich die
Anthropologie und Ethnologie, die Soziologie, die Ökonomie, die
Politikwissenschaften, die Psychologie, die Kommunikationswissenschaften, aber
auch die Geschichtswissensschaft oder sogar die Medizin. Die Besonderheit in der
Netzwerkforschung ist in den Blick auf die Gesamtheit der sozialen Beziehungen und
in der Kontextgebundenheit zu finden. Zusätzlich zu den einzelnen Beziehungen
analysiert die Netzwerkforschung die Relationen zwischen den verschiedenen
Beziehungen in einem Netzwerk und die Bedeutung der Strukturmerkmale des
Netzwerks und der sozialen Beziehungen für die soziale Integration. Beispielsweise
zeichnen sich dichte Netzwerke, in denen viele Personen in Kontakt zu einander
stehen, durch schnellen Informationsfluss und effektive Normdurchsetzung aus, im
Gegensatz dazu bieten weniger dichte soziale Netzwerke einen höheren sozialen
Rückhalt und gleichzeitig jedoch größere soziale Kontrolle. 4
Netzwerkforschung Mit dem Thema Soziale Netzwerke beschäftigen sich die Anthropologie und
Ethnologie, die Soziologie, die Ökonomie, die Politikwissenschaften, die Psychologie,
die Kommunikationswissenschaften, aber auch die Geschichtswissensschaft oder
sogar die Medizin. Die Besonderheit in der Netzwerkforschung ist in den Blick auf die
Gesamtheit der sozialen Beziehungen und in der Kontextgebundenheit zu finden.
Zusätzlich zu den einzelnen Beziehungen analysiert die Netzwerkforschung die
Relationen zwischen den verschiedenen Beziehungen in einem Netzwerk und die
Bedeutung der Strukturmerkmale des Netzwerks und der sozialen Beziehungen für
die soziale Integration. Beispielsweise zeichnen sich dichte Netzwerke, in denen 3 Laireiter (2009, S. 76)
4 Hollstein (2000, S. 91)
viele Personen in Kontakt zu einander stehen, durch schnellen Informationsfluss und
effektive Normdurchsetzung aus, im Gegensatz dazu bieten weniger dichte soziale
Netzwerke einen höheren sozialen Rückhalt und gleichzeitig jedoch größere soziale
Kontrolle. 5
Soziogramm
Abb. 2: Soziogramm Kleingruppe 6
Im folgenden Abschnitt wird detailiert auf die personale Netzwerke, die interorgan-
isationale Netzwerke und die Policy-Netzwerke eingegangen.
Personale Netzwerke Zusätzlich zur Erfassung der relevanten Netzwerkmitglieder einer Person ist es für
die Netzwerkanalysen wichtig Netzwerke hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer
Zusammensetzung zu betrachten. Generell werden personale Netzwerke auf vier
Ebenen analysiert, nämlich der strukturellen, interaktionalen, funktionalen und
evaluativen. 7
In der Abbildung 3 sind die wichtigsten strukturellen Parameter dargestellt und
werden in Größen-, Vernetzungs- und Strukturparameter unterteilt.
5 Hollstein (2000, S. 91)
6 Soziogramm (2011, [online])
7 Laireiter (2009, S. 83)
Für die Darstellung von Beziehungen in einer Gruppe
wurde die Methode des Soziogramm von Jacob Levy
Moreno entwickelt. Auf der Grundlage von Daten, die in
einer soziometrischen Erhebung erfasst wurden,
werden die Beziehungen Beispielsweise mit Pfeilen
dargestellt (siehe Abb. 2). Häufig wird eine Analyse der
Beziehungen zwischen Abteilungen und deren
Individuen in Form eines Soziogrammes dargestellt,
um Arbeitsabläufe zu optimieren. 6
Strukturparameter Beschreibung
Größenparameter: ���� Größe/Range
� Anzahl der im Netzwerk enthalten Akteure/Alteri
Vernetzungsparameter: ���� Konnektivität/
Verbundenheit � Dichte/Kohäsion
� Anzahl der Verbindungen/Beziehungen im Netzwerk
� Ausmaß der relativen Verbundenheit des Gesamtnetzwerkes
Relationale Struktur:
���� Cliquen � Cluster
� Sektoren/Segmente
� Regionen/Gruppen höchster Verbundenheit (jedes Mitglied ist mit jedem verbunden; Dichte = 1.0)
� Regionen/Gruppen dichterer Verbindungen zwischen den Akteuren, jedoch geringer als in Cliquen
� Gruppen identischer Rollen im Netzwerk (Arbeitsbereich, Nachbarschaft, Verwandtschaft, Familie, Freundeskreis etc.)
Abb. 3: Strukturelle Parameter egozentrierter Netzwerbeschreibung 8 Bei dem interaktionalen Parameter in Abbildung 4 werden die Richtung der
Beziehungen, die Symmetrie, die Beziehungsintensität und die Merkmale der
Frequenz, die Dauer und die Entfernung der Bezugspersonen berücksichtigt. Daraus
werden wiederum Merkmale der Beziehung sowie des Netzwerkes analysiert.
Interaktionale Parameter
Beschreibung
���� Direktionalität/Richtung
� Richtung der Beziehung, des Austausches, der Interaktion etc.
���� Reziprozität � Symmetrie im Austausch, der Beziehung etc.
���� Beziehungsrolle � Soziale/ interpersonale Rolle der Beziehung (Freund, Nachbar etc.)
���� Uni- vs. Multiplexität � Ausmaß des Inhalts des Austauschs/ der Arten von Beziehungen etc.
���� Intensität � Ausmaß des Austauschs/ der Nähe/Bindung/Interaktion etc. ( z.B. emotionale Intensität, quantitative Intensität des Austauschs)
���� Frequenz � Häufigkeit des Austauschs, des Kontakts, von
8 Eigene Darstellung in Anlehnung an Laireiter (2009, S. 83)
Transaktion etc.
���� „strong tie“ vs. „weak tie“
� Intensive/ hochfrequente vs. wenig intensive/niedrig frequente Beziehung
���� Homogenität vs. Heterogenität
� Psychologische/ soziale Ähnlichkeit von Netzwerkmitgliedern
���� Dauer/ Stabilität � Länge des Bestehens eines Kontaktes/ einer Beziehung
���� Entfernung � Regionale Distanz zwischen den Akteuren
���� Verteilung/Distribution
� Geographische Verteilung des Netzwerkes
���� Erreichbarkeit � Akteure geringer geographischer Entfernung/ leichte Erreichbarkeit
Abb. 4: Interaktionale Parameter egozentrierter Netzwerbeschreibung 9 In der Abbildung 5 werden bei den Inhaltlich-funktionale Parametern neben der
sozialen Unterstützung auch weitere Inhalte und Funktionen von Beziehungen
betrachtet, beispielsweise die Vermittlung von Werten und Normalen, die Kontrolle
und Regulation von Verhalten sowie negative/belastende Aspekte. Bei den
evaluativen Parametern werden als häufige Variablen die Zufriedenheit und die
Angemessenheit der Beziehung, des Kontaktes oder der Unterstützung analysiert.
Inhaltlich-funktionale Parameter
Kommunikation/Kontakte/ Interaktion
���� Geselligkeit
Austausch
���� Information � Geld
� Arbeit und Leistungen � Güter � Immaterielles (Liebe, Anerkennung, Zuwendung, Status, etc.)
� Emotionaler Rückhalt � Sichtweisen und Einschätzung
Normen/ Werte
Kontrolle/ Regulation � Macht
Belastung
9 Eigene Darstellung in Anlehnung an Laireiter (2009, S. 83)
���� Konflikte � Abwertung � Ausgrenzung
� Kränkungen
Subjektiven-evaluative Parameter
���� Wichtigkeit
� Zufriedenheit � Angemessenheit
Abb. 5: Inhaltliche-funktionale und subjektive-evaluative Parameter egozentrische Netzwerkbeschreibung 10
Interorganisationale Netzwerke Im Zentrum des interorganisationalen Netzwerks steht das einzelne Unternehmen,
welches das Netzwerk zur Erreichung seines strategischen Ziel nutzt. Das soziale
Kapital des einzelnen Unternehmens ergibt sich hauptsächlich aus dem kollektiven
Kapital des Netzwerks. Aus diesem Grund werden zwei Analyseebenen
unterschieden: Das einzelne Unternehmen als einzelner Akteur mit einer konkreten
Position im Netzwerk kann die Strukturen beeinflussen. Und das Netzwerk als
Kollektiv aus den verschiedenen untereinander verbunden Unternehmen. Das Ziel
eines interorganisationalen Netzwerkes liegt in der Koordination wirtschaftlicher
Aktivitäten und der Maximierung des Kapitals. Während bei den einzelnen
Unternehmen der Erwerb von physischen Kapital vom finanziellen Gewinn im
Zentrum steht, geht es im Kollektiv gesehen um die Realisierung des Sozialen
Kapitals, das sich aber wiederum im zusätzlichen Gewinn für die Netzwerkakteure
niederschlägt.11
Eine Organisation kann aus institutionalen, instrumentalen und funktionalen
Sichtweise hinsichtlich der diversen organisatorischen Zusammenhänge analysiert
werden. Die institutionale Sicht versteht die Organisation als menschliches Kontrakt
zur Sinngebung, die instrumentale Sicht fokussiert sich auf die zweckgerichteten
Organisationstrukturen und die funktionale Sicht fasst die Organisation als Tätigkeit
zur Komplexitätsreduktion zusammen .12
Die Betrachtung des Netzwerkes der Organisation aus der instrumentalen Sicht
durch die Sozialen Netzwerkanalyse setzt sich daher mit den Strukturen aus
10
Eigene Darstellung in Anlehnung an Laireiter (2009, S. 84) 11
Kröll (2003, S. 129) 12
Kröll (2003, S. 131)
einander und geht davon aus, dass die Organisationsstrukturen zielführend und
zweckmäßig gestaltet werden können. Die Netzwerkstrukturen bilden das Mittel zum
Zweck.13
Ausgehend von der institutionalen Sicht stehen die Eigenschaften der Organisation
als zielgerichtetes soziales System im Vordergrund. Im Kontext mit dem Begriff
Soziales Kapital wird haben Begriffe wie Macht, Vertrauen oder Kultur eine zentrale
Stellung bei der institutionalen Sichtweise. 13
In Rahmen der funktionalen Sichtweise geht es um die Gestaltbarkeit von
Netzwerken hinsichtlich des Sozialen Kapitals und der strategischen Nutzung von
Netzwerken, dabei soll der einzelne Akteur im Netzwerk als Einflussfaktor angesehen
werden. 14
Die Abbildung 6 zeigt die drei aus der Organisationstheorie stammenden Sichtweisen
auf Netzwerke, sowie die kritischen Themen, Konzepte und Fragen, die im
Zusammenhang mit der Sozialen Netzwerkanalyse auftauchen:
Definition Kritische Themen Netzwerk
Konzepte
Fragen
Institutionale Sicht
Das Netzwerk ist eine Organisation
= zielorientiertes soziales System mit einer formalen Struktur
� Zielsetzung (Macht)
� Kultur (Stabilität, Vertrauen)
� Grenzen der Netz-Werkorganisationen
� Structual Hole
� Zentralität
� Clique
� Strukturelle Äquivalenz
� Was fördert den Zusammenhalt des Netzwerks?
� Inwiefern handelt es beim interorganisationalen Netzwerk um eine abgrenzbare Einheit?
Funktionale Sicht
Das Netzwerk wird organisiert
= Strukturierung (Organisation)
� Management
� Strukturelle Trägheit
� Pfad-Anhängigkeit
� Strong/Weak � Ties
� Zentralität
� Grenzen
� Inwiefern kann das fokale Unternehmen die Struktur seines egozentrischen Netzwerks beeinflussen und gestalten?
Instrumenta = System � Formale � � Welche
13
Kröll (2003, S. 132) 14
Kröll (2003, S. 133)
le Sicht
Das Netzwerk hat eine Organisation
formalisierter Regeln
(Mittel/Werkzeug um ein bestimmtes Ziel zu erreichen
Struktur
- relationale Struktur
- distributionale Struktur
Ausdehnung
� Zentralisation
� Dichte
� Kern- Peripherie
Netzwerkstrukturen fördern/unterstützen ein strategisches Ziel (z.B. Markteintritt)
Abb. 6: Drei Sichtweisen auf das interorganisationale Netzwerk als Organisation15
Policy-Netzwerke
Policy-Netzwerke werden seit einigen Jahren in den Politikwissenschaften immer
populärer. Die Begründung des Anstiegs von Policy-Netzwerken ist in der
Notwendigkeit für das staatliche Handelns zu suchen. Die Tradition der staatlichen
Autonomie in Außenbeziehungen und die staatliche Machtmonopolstellung in den
Binnenbeziehungen können daher nicht mehr aufrecht erhalten werden. Durch die
Teilnahme am Netzwerksystem kommt es zu einer funktionalen Differenzierung,
einer steigende Organisierung und einer Komplexität moderner Gesellschaften, das
führt zu einem Verlust der Inneren Souveränität des Staates.16
„Staatliche Steuerung kann unter solchen Bedingungen nicht mehr über
‚souveräne‘ Entscheidungen und Befehle erfolgen; sie muss sich
‚weicherer‘ Techniken bedienen: verhandeln, positive Anreize bieten, anregen,
moderieren und koordinieren.“ 17
Zusätzlich kommt es auf Grund der transnationalen Verflechtungen und
Interdependenzen zu einem Verlust der Souveränität des Nationalstaats nach außen.
Die Verteilung der staatlichen Kompetenzen und Ressourcen erfolgen über mehrere
Handlungsebenen, die sich oberhalb und unterhalb des Nationalstaates befinden.
Hier ist auch der Grund zu finden, warum sich die Politikwissenschaft vermehrt mit
der Policy-Netzwerkanalyse auseinandersetzt. Die traditionelle, klare Trennung von
Staat und Gesellschaft sowie der Staat als höchstes gesellschaftliches
Kontrollzentrum können nicht mehr aufrecht erhalten werden. 18
15
Eigene Darstellung in Anlehnung an Kröll (2003, S. 133) 16
Knill (2000, S. 111) 17
Grande (1993, zitiert nach Knill, 2000, S. 111)
„Policy-Netzwerke werden danach als in einzelnen Politiksektoren bestehende
Verhandlungssysteme zwischen staatlichen und privaten Akteure verstanden, welche
durch Institutionen sowie eingeschliffene Verhaltensmuster und Tauschprozesse
zwischen den Akteuren einen gewissen Grad an interaktiver und struktureller
Stabilität erlangen.“18
Die beteiligten Akteure in einen Netzwerk können Institutionen, Organisationen,
Gruppen und Individuen, als Mitglieder von Organisationen sein, die in Relationen
auf Grund eines gemeinsamen Interesses an einem bestimmten Politikinhalt zu
einander treten. Policy-Netzwerke werden entweder nach dem Beziehungsmuster
zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren betrachtet oder als
Erscheinungsform politischer Steuerung. 19
Die Klassifizierung von Policy-Netzwerken wird nach Jordan und Schubert (1992) in
Form Beziehungsmustern zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren
durch konkrete Merkmale und minimal über abstrakte Begriffe begutachtet. Bei
dieser Typologie stehen drei Dimensionen in Vordergrund:
• der Grad der Institutionalisierung (stabil oder instabil)
• der Reichweite (sektoral oder sektorübergreifend)
• die Anzahl der involvierten Akteure (begrenzt oder offen).20
Werden Policy-Netzwerke als Erscheinungsform moderner Steuerung angesehen,
ergibt sich daraus eine spezifische Interaktionsform, nämlich die nicht-hierarchische
Selbstkoordination. Bei dieser Koordinationsform werden staatliche und private
Akteure bei der Gestaltung und Umsetzung der Politik auf gleiche Weise mit
eingezogen. Daraus folgt eine Veränderung des Beziehungsgeflechts zwischen Staat
und Gesellschaft.21
„An die Stelle hierarchischer Intervention des Staates in die Gesellschaft treten
Tauschprozesse, in denen staatliche und private Akteure als gleichrangige Akteure
kooperieren und verhandeln.“22
Die Entwicklung von Policy-Netzwerken wird von gesellschaftlichen Akteuren initiiert,
um am politischen Prozess beteiligen zu können und vom Staat auf die Expertise und
die Ressourcen privater Akteure bei der Lösung von politischen Problemen
18
Knill (2000, S. 111) 19
Knill (2000, S. 114f.) 20
Knill (2000, S. 116) 21
Knill (2000, S. 117) 22
Knill (2000, S. 117)
zurückgreifen zu können. Zusätzlich wird die Akzeptanz von politischen
Entscheidungen durch die Netzwerkgestaltung erhöht.22
Literaturverzeichnis Hollstein, B. (2008). Strukturen, Akteure, Wechselwirkungen. Georg Simmels Beiträge zur Netzwerkforschung. In C. Stegbauer, Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie. Ein neues Paradigma in den Sozialwissenschaften (S. 91 - 104). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Holzer, B. (2008). Netzwerk und Systeme. Zum Verhältnis von Vernetzung und Differnzierung. In C. Stegbauer, Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie. Ein neues Paradigma in den Sozialwissenschaften (S. 155 - 164). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Jansen, D. (2006). Einführung in die Netzwerkanalyse. Grundlagen, Methoden, Forschungsbeispiele (3., überarbeitete Ausg.). Wiesbaden: Verlag der Sozialwissenschaften.
Knill, C. (2000). Policy-Netzwerke. Analytisches Konzept und Erscheinungsform moderner Politiksteuerung. In Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung (S. 111 - 134). München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag.
Kröll, A. (2003). Interorganisationale Netzwerke. Nutzung Sozialen Kapitals für Markteintrittstragien. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag.
Laireiter, A. (2009). Soziales Netzwerk und soziale Unterstützung. In K. Lenz, & F. Nestmann, Handbuch Persönliche Beziehungen (S. 75 - 100). Weinheim: Juventa.
o. A. (2011). Netzwerksysteme. Abgerufen am 14. 12 2011 von http://www.zoonpoliticon.ch/blog/10399/10399/
o. A. (2011). Netzwerk. Abgerufen am 14. 12 2011 von http://de.wikipedia.org/ wiki/Netzwerk
o. A. (2011). Soziogramm. Abgerufen am 15. 12 2011 von http://de.wikipedia.org/ wiki/Soziogramm
Soziale und familiäre Netzwerke, soziale Unterstützung (Irnberger Bernadette, BA) Menschen werden von Geburt an durch persönliche Beziehungen innerhalb der
eigenen Familie und Verwandten aber auch durch jene zu FreundInnen, KollegInnen
und NachbarInnen geprägt (vgl. Kim 2001, 15). Gesamt gesehen bezeichnen diese
sozialen Beziehungen das soziale Netzwerk einer Person (vgl. Weyers 2007, 32).
Unterstützungsleistungen sowohl praktischer als auch emotionaler Art bauen
wesentlich auf solchen Beziehungsnetzwerken auf (vgl. Suter et al. 1997, 204).
Die Netzwerkforschung hat ihren Ursprung in den 1940er Jahren. Seit den 1970er
Jahren legen die Sozialwissenschaften ihren Fokus auf dieses Forschungsgebiet,
welche in engem Zusammenhang mit der sich verändernden Gesellschaft steht. Sich
verändernde Familienstrukturen, Lebensgestaltungsspielräume sowie zunehmende
Mobilität spielen dabei eine wesentliche Rolle. Im Laufe der letzten 40 Jahre
unterlagen soziale Netzwerke großer Veränderungen und weisen nunmehr weniger
Homogenität und Konstanz auf. Traditionelle Bindungen werden ergänzt durch
vielfältige soziale Beziehungen (vgl. Bunzendahl et al. 2004, 82).
Soziale Beziehungen Weber (1980) versteht die soziale Beziehung als „ein seinem Sinngehalt nach
aufeinander und gegenseitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sichtverhalten
mehrerer“ (zit. n. Baas 2008, 149). Tatsächliches, beobachtbares Sozialverhalten
steht im Vordergrund (vgl. Baas 2008, 149). Zu den Merkmalen sozialer
Beziehungen sind ein Mindestmaß an Dauerhaftigkeit, Interaktion sowie gegenseitige
Erwartungen und Gefühle zu zählen und finden einerseits auf einer objektiven und
andererseits auf einer subjektiven Ebene statt. Unabhängig von ihrer Wirksamkeit
bezeichnen soziale Interaktionen zwischen zwei oder mehreren Personen, die sich in
ihrem Handeln aufeinander beziehen, die objektive Ebene sozialer Beziehungen.
Wiederkehrende verbale oder nonverbale Interaktionen beschreiben
Interaktionsepisoden die ein Interaktionsmuster darstellen. Die subjektive Ebene
beschreibt wiederum die individuelle Vorstellung einer Person über die Beziehung zu
einer anderen Person. Dabei müssen sich die jeweiligen Vorstellungen weder
zwangsläufig decken noch denselben Zufriedenheitsgrad bewirken. Zwischen den
beiden Ebenen besteht ein zweifacher Zusammenhang. Das wiederholte kognitive
Erlebe von Interaktionsketten prägt die Beteiligten dahingehend als dass sie anhand
der Erfahrungen hinsichtlich der Verläufe und Ergebnisse das Verhalten des Anderen
erklärbar und vorhersagbar machen und somit Einfluss auf das eigene Verhalten in
Interaktionen, wie es beispielsweise der Streit zwischen Geschwistern darstellt,
haben. In der Ausgestaltung von Beziehungen sind drei Aspekte wesentlich:
• Ziele der AkteurInnen
Welche Ziele verfolgt eine Person? Welche Bedürfnisse stehen im
Hintergrund?
• Persönlichkeiten der AkteurInnen
Wesentlich dabei ist der individuelle Entwicklungsstand der unterschiedliche
Variationen bedingen kann.
• Soziale Rollen der AkteurInnen
Beziehungen unterliegen den wechselseitigen Rollenerwartungen (Eltern,
Kinder, Geschwister) (vgl. Hofer et al. 2002, 7ff.).
Formale Beziehungen versus informale Beziehungen Als formal werden jene Beziehungen bezeichnet, die beruhend auf
Zweckverbindungen oder rational motivierten Werten zwischen Parteien in einem
institutionellen Umfeld stattfinden (z.B. Arbeitsumfeld). Eine Teilnahme an solchen
Netzwerken erfordert lediglich Kenntniss über die Rollenverhältnisse der
Organisation, die Interaktionspartner sind prinzipiell austauschbar. Im Gegensatz
dazu beschreiben informale, persönliche Beziehungen Netzwerke zwischen
einzigartigen Individuen die durch ein subjektiv empfundenes
Zusammengehörigkeitsgefühl der Beteiligten geprägt sind. Geprägt von einer starken
gegenseitigen Abhängigkeit variieren die Wechselbeziehungen in ihrer Stärke,
Häufigkeit und Unterschiedlichkeit und bestehen über einen längeren Zeitraum.
Beginnen die Interakteure auf individuelle Eigenheiten und Bedürfnisse des
Gegenübers einzugehen so verlieren diese Individuen das Prädikat der
Austauschbarkeit.
Eine klare Abgrenzung zwischen den idealtypisch dargestellten Beziehungsformen
ist in der Realität jedoch nicht möglich. Persönliche wie dauerhafte,
institutionalisierte Beziehungen unterliegen Normen und Vorschriften. Verbleiben
Personen über einen längeren Zeitraum in derselben Institution so werden diese ihre
individuellen Präferenzen und Verhaltensweisen ebenso einbringen. Der Sinngehalt
von sozialen Beziehungen kann sich somit im Zeitverlauf verändern (vgl. Weyers
2007, 32f.).
Funktionen sozialer Beziehungen Erst die Funktionen sozialer Beziehungen lassen diese für die Beteiligten bedeutsam
werden (vgl. Hofer 2002, 10). Als Funktionen bzw. Inhalte sozialer Unterstützung
gelten dabei im Wesentlichen:
• Konkrete Unterstützungsleistungen (z.B. materielle Leistungen)
• emotionaler Beistand (z.B. Vermittlung von Geborgenheit) und die
• kognitive Unterstützung (z.B. Vermittlung des Gefühls der Zugehörigkeit zu
einem sozialen Netzwerk und die grundsätzliche Bereitschaft zur
Unterstützung) (vgl. Baas 2008, 149f.).
Kontinuität und Wandel, beide Faktoren zeichnen soziale Beziehungen aus.
Interaktionsmuster (humorvoll, widersprüchlich, neckisch, lästern,...) erhalten
einerseits die Kontinuität von Beziehungen und stellen andererseits Quellen für
Erneuerung und Veränderung dar. Jedes Ereignis erfordert eine individuelle
Interpretation, ein gemeinschaftlicher Konsens unterstützt folglich fortlaufende
Veränderung (vgl. Hofer 2002, 12). Gegensätze und Spannungen innerhalb sozialer
Strukturen wie auch hinsichtlich von Emotionen und Motivation begründen
Ambivalenzen. Vor allem intergenerationale Beziehungen befinden sich laufend auf
einem Kontinuum zwischen Kontinuität und Wandel, Selbständigkeit und Dependenz,
Normen und Opportunitäten, Pflichten und persönlichen Interessen wodurch
egozentrierte, persönliche und externe Spannungen Herausforderungen
zwischenmenschlicher Beziehungen sind (vgl. Brandt 2009, 19).
Altersunabhängig sind nahe soziale Beziehungen, wie jene unter Familienmitgliedern,
jedoch Grundlage für die unmittelbare Lebensbewältigung. Soziale Kompetenz und
Persönlichkeit wird durch den Interaktionismus innerhalb von sozialen Netzwerken
entwickelt und Beziehungen bestätigt (vgl. Hofer 2002, 12).
Beschreibung sozialer Beziehungen Zur Beschreibung sozialer Beziehungen können drei Dimensionen herangezogen
werden:
• Reziprozität/Komplementarität
Gleichartige Verhaltensmuster wie gegenseitiges Helfen oder der
Meinungsaustausch bezeichnen Reziprozität, während unterschiedliche
jedoch aufeinander bezogene Aktivitäten wie beispielsweise Ratsuchen-
Ratgeben auf die Komplementarität einer Beziehung hinweisen.
• Kohäsion
Sie zielt auf das Ausmaß der emotionalen Bindung zwischen Menschen ab.
Man unterscheidet in diesem Zusammenhang auch Familien die enge
Beziehungen aufweisen und Familien die gekennzeichnet sind durch
schwache Verbindungen, einen hohen Grad an gegenseitiger Unabhängigkeit
und somit durch interne Distanz und Offenheit gegenüber externen
Netzwerken.
• Adaptabilität
In wie fern können soziale Netzwerke auf situative und sich verändernde
Gegebenheiten reagieren? Ist es ihnen möglich Machtstrukturen,
Rollenverständnisse und Regeln anzupassen?
Die Dimensionen „Kohäsion“ und „Adaptabilität“ sind dabei als unabhängige
Bewertungsmaßstäbe zu sehen (vgl. Hofer et al. 2002, 9f.).
Beziehungen zwischen Großeltern, Eltern, Kindern und Enkelkindern können
bezüglich familial-verwandtschaftlicher und historisch-gesellschaftlicher
Generationen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden: negative oder
positive Interdependenz und Independenz/Unabhängigkeit. Dabei gilt zu klären, in
welcher Form Jung und Alt verbunden sind und wie sich diese Beziehungen
darstellen – solidarisch, konfliktbehaftet oder nahe der Auflösung. Konflikt und
Harmonie stellen dabei Dimensionen dar, die durchaus parallel bestehen können.
Man stelle sich die Situation des in der Studienzeit unterstützten Kindes vor, das
dadurch elterlicherseits einen Leistungsdruck erfährt. Dieser Druck kann sich in
Konflikten mit den Eltern wiederspiegeln und somit die Eltern-Kind-Beziehung negativ
beeinflussen.
Beziehungsnetzwerke die auf Solidarität beruhen sind nicht zwangsläufig harmonisch.
Mit steigenden Erwartungen an enge Bezugspersonen erhöht sich auch die
Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Spannungen und Konfliktsituationen.
Solidarität als „Prinzip gegenseitiger sozialer Hilfe und wechselseitigen sozialen
Austauschs“ (Szydlik 2000 zit n. Brandt 2009, 20) beinhaltet somit zwei
Dimensionen: Harmonie und Konflikt. Betrachtet man das Netzwerk Familie aus der
Solidaritätsperspektive so zeigt sich ein mehrdimensionales, latentes Konstrukt.
Schlüsselaspekt familialer bzw. intergenerationaler Solidarität ist der Austausch von
Zeit, wobei Hilfe in diesem Modell ein Oberbegriff für alltägliche, haushälterische
Unterstützungsleistungen und in Abgrenzung zu Pflegeleistungen zu sehen (vgl.
Brandt 2009, 19f.).
Quelle: modifizierte Darstellung nach Brandt 2009, 20.
„Je sicherer und besser die Bindung, desto eher wird ein Kind im Erwachsenenalter
die Betreuung der bedürftigen Eltern übernehmen. Zuneigung und emotionale Motive
sind demnach wichtige Faktoren, die intergenerationale Unterstützung
mitbestimmen“ (Brandt 2009, 21). Im Gegensatz zu Freundschafts-, Bekanntschafts-,
KollegInnen- oder Nachbarschaftsbeziehungen sind familiale Beziehungen
vorwiegend langfristig und verlässlich. Die Ausgeglichenheit der gegenseitig
erbrachten Hilfsleistungen steht dabei wesentlich weniger im Zentrum des Interesses
(vgl. Brandt 2009, 23).
Starke und schwache Beziehungen Der zeitliche Aufwand, die emotionale Intensität und das wechselseitiges Vertrauen
sowie Hilfe stellen jene Komponenten dar anhand derer die Stärke einer Beziehung
bemessen werden kann. Sind diese Komponenten vorhanden so wird von einer
starken Beziehung gesprochen. Beziehungen die diese nicht aufweisen werden als
Solidarität
affektiv (Zusammengehörigkeitsgefühl)
funktional (geben und nehmen von ...)
assoziativ (gemeinsame Aktivitäten)
Geld Zeit Raum
Hilfe Pflege
Abbildung 4: Formen intergenerationaler Solidarität
schwach bezeichnet. Akteure die durch starke Beziehungen verbunden sind, auch
Clique genannt, sind zwar intern sehr verwachsen, grenzen sich nach außen jedoch
ab und sind folglich schlecht in das Gesamtnetz eingebunden. Verbindungen
zwischen Teilnetzwerken im Gesamtnetz werden von da her über schwache
Beziehungen hergestellt.
Schwache Beziehungen weisen wiederum einen höheren Grad an Heterogenität auf.
Im Vergleich zu Cliquen kommt es zwischen AkteurInnen mit schwachen
Beziehungen zu einer geringeren Interaktionshäufigkeit. Auch die soziale Ähnlichkeit
ist in dieser Gruppe weniger gegeben. Sogenannte Brückenbeziehungen spielen
hierbei eine wichtige Rolle. Sie ermöglichen den Aufbau von Verknüpfungen
zwischen einer Person und anderen Netzwerken. Schwache Beziehungen schließen
diese Brückenbeziehungen mit ein. Sie vermögen die Verknüpfung zwischen der
Sozialstruktur und eröffnen Individuen den Zugang zu entfernten Informations- und
Hilfsquellen anderer Sozialsysteme und stellen somit Brücken für die
sozialstrukturelle Integration dar. Vor allem im Bezug auf die Jobsuche wurden
dahingehend diverse Studien (Granovetter 1973, Lin et al. 1981, Preisendörfer et al.
1988, Bian 1997) durchgeführt die zu unterschiedlichen Ergebnissen führten. Kim
(2001) kommt in der Folge zu dem Schluss, dass die Beziehungsformen immer im
Zusammenhang mit gesellschaftlichen Hintergründen betrachtet werden müssen und
aufgrund dessen große Unterschiede aufweisen können. Sie ist der Überzeugung
dass unter bestimmten Umständen auch starke Beziehungen diese Brückenfunktion
erfüllen können (vgl. ebd. 49f.).
System Familie Familie kann als ein offenes, dynamisches System bezeichnet werden. Unter
innerfamilialen Beziehungen kann eine Einheit verstanden werden die aus
dyadischen, triadischen, usw. Subsystemen besteht. Das fortlaufende Streben nach
Gleichgewicht zur Systemerhaltung dient der Sicherung der Stabilität in den
Beziehungen. Neben dem Merkmal der Kontinuität ist auch die Dynamik als ein
wichtiger Faktor anzusehen (vgl. Hofer 2002, 12). Lebenslange Solidarität ist ein
Merkmal das Familien in besonderem Maße auszeichnet (vgl. Rosenbraum 2008, 87).
Beispielsweise durch die Geburt eines Kindes kommt es unweigerlich zu einer
Transformation der innerfamilialen Strukturen. Auch einzelne Familienmitglieder
unterliegen vielfältiger Einflüsse (Freunde, Arbeit, ...) und sind in ständiger
Entwicklung begriffen. Es entsteht somit ein Prozess gegenseitiger Einflussnahme
(vgl. Hofer et al. 2002, 13). Als außerordentlich kritische wirkt sich die Trennung von
einem/einer PartnerIn auf Personen aus. Dazu ist auch der Tod des/der PartnerIn zu
sehen. PartnerInnen und Kinder stellen die wichtigsten Ressourcen für Menschen
dar. Insofern hat das Ausscheiden oder auch die Absenz eines/einer PartnerIn große
Auswirkungen auf die Netzwerkzusammensetzung (vgl. Baas 2008, 151).
Eingeordnet in über- und nebengeordnete Systeme grenzt sich die Familie zeitgleich
von anderen ab.
Quelle: Hofer et al. 2002, 14
Abbildung 5: Ökopsychologisches Strukturmodell der Familienmitglieder
Das Mikrosystem einer Person bezeichnet jene Umwelt mit der sie in engem und
fortlaufendem Kontakt steht. Mesosysteme bezeichnen wiederum
Wechselbeziehungen zwischen zwei Mikrosystemen (z.B. Familie und Beruf).
Systeme mit denen die Personen nicht direkt interagieren, von denen sie jedoch
beeinflusst werden stellen sogenannte Exosysteme dar (z.B. Freunde der Kinder)
und Makrosysteme subsummieren geographische, politische, wirtschaftliche, soziale
sowie kulturelle Gegebenheiten.
Zwar können aus diesem Denkansatz keine konkreten Aussagen gemacht werden,
dennoch stellt die systemische Betrachtung einen wichtigen Anhaltspunkt für die
Netzwerkforschung dar (vgl. Hofer et al. 2002, 13f.).
Struktur von Netzwerken „Ein Netzwerk ist ein personenbezogenes Beziehungsgeflecht, welches auf einem
gemeinsamen Basisinteresse beruht und durch aktuelle Anlässe aktiviert und
sichtbar wird“ (Boos et al. 1992, 5).
Netzwerke von Familien sind weitgehend intergenerational. Beziehungen zu
Verwandten wie Geschwister oder SchwägerInnen weisen eine geringere Relevanz
auf. Beziehungsnetzwerke konzentrieren sich stärker auf Familienangehörige und
finden in Freundschaften ihre Erweiterung. Verwandtschaftsbeziehungen werden
allerdings vermehrt von Verwitwen Personen als Ressource genutzt, wenn sie selbst
über keine Familie mehr verfügen (vgl. Rosenbraum et al. 2008, 86f.).
Auf der Datengrundlage aus dem Familiensurvey Deutschland welches in drei Wellen
(1988, 1994 und 2000) durchgeführt wurde, setzte sich Baas (2008) mit dieser
Thematik auseinander. Er kam zu dem Ergebnis, dass Netzwerke von Singles
zeitverlaufsunabhängig im Vergleich zu jenen von Personen die eine Partnerschaft
führten, unabhängig ob diese in einem gemeinsamen Haushalt leben oder
verheiratet sind, wesentlich kleiner sind. Unterscheidet sich die
Gesamtnetzwerkgröße bei partnerschaftlichen Lebensformen kaum, so existieren bei
Single-Netzwerken teils beträchtliche Unterschiede. Genauer betrachtet zeigt sich,
dass sich Netzwerke von Singles ohne partnerschaftliche Erfahrung sowie jene von
Singles die sich von einem nichtehelichen Partner getrennt haben im Zeitverlauf
etwas verkleinern. Dem entgegen vergrößern sich Netzwerke von Personen nach der
Trennung des/der EhepartnerIn. Zeitlich nahezu unbeeinflusst bleiben Netzwerke vor
allem in ehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften (vgl. ebd. 160).
Familienzyklisch kommt es fortlaufend zu Veränderungen, beispielsweise durch den
Auszug von Kindern oder den Tod der Eltern und Schwiegereltern. Diese
Veränderungen werden jedoch kompensiert z.B. durch den Zuwachs der Kinder (und
Schwiegerkindern) die folglich außerhalb des eigenen Haushaltes leben, und durch
Angehörige der jüngeren Generation (z.B. Enkelkinder). Die
Netzwerkvergrößerungen bei geschiedenen Singles ist auf die zunehmende
Bedeutung von Freunden, zurückzuführen (vgl. Baas 2008, 166f.).
Auf Basis der Daten aus dem Microscensus Sonderprogramm der Statistik Austria
(2001) analysierten Pflegerl et al. (2007) „Familienbeziehungen und Soziale
Sicherheit in Österreich“. Demnach verfügen ÖsterreicherInnen durchschnittlich über
ein familiales Netzwerk von durchschnittlich sieben Personen (Frauen: 7,2; Männer:
6,8), wobei Menschen in ländlichen Gegenden über ein beträchtlich größeres Netz
verfügen. Ein Extremvergleich zwischen sehr ländlichen Gegenden und der
Hauptstadt Wien zeigt große Diskrepanzen.
Tabelle 1: Vergleich der familialen Netzgrößen - Wien und ländliche Gegend in
Österreich
Netzgröße
Frauen
Netzgröße
Männer Durchschnitt
Wien 5,8 5,7 5,75
ländliche Gegend 8,1 7,4 7,75
Quelle: vgl. Pflegerl et al. (2007), 85; eigene Darstellung.
Nur 4% der ÖsterreicherInnen haben auf keine lebenden Verwandten ersten oder
zweiten Grades mehr. Auch hier zeigen sich starke Unterschiede bezüglich der
Wohnumgebung - in städtischen Bereichen verfügen Personen über ein wesentlich
kleineres Netz als in bäuerlich dominierten.
Kinder im Alter zwischen null und vier Jahren (42%) wie sehr alte Menschen über 85
Jahren (39%) leben häufig in Haushalten mit vier oder mehr Generationen
zusammen. 92% der Kinder und Jugendlichen bis zu einem Alter von 15 Haren leben
zumindest mit einem ihrer Elternteile im gemeinsamen Haushalt. Ziehen Kinder von
Zuhause aus zeigt sich eine Zunahme der geographischen Distanz. Eine von 10
Personen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren lebt in einer mehr als sechsstündigen
Fahrdistanz zur/zum Mutter bzw. Vater. 63% dieser Personengruppe leben
gemeinsam oder in naher Umgebung zu den Eltern (bis zu einer Fahrzeit von ½ Std.).
Nur 19% leben in einer geographischen Distanz von mehr als einer Stunde
Entfernung. Die Analyse zeigte, dass sich diese Verhältnisse mit zunehmendem Alter
nur kaum verändern. Allerdings kann auch hier ein großer Unterschied zwischen
ländlicher und städtischer Wohnumgebung festgestellt werden. 14% der in Wien
ansässigen Personen leben in sechsstündiger Entfernung zu ihren Eltern, jedoch nur
1% derer die in sehr ländlichen Gegenden wohnhaft sind. Mit einem Anteil von 15%
leben weitaus weniger WienerInnen im nahen räumlichen Umfeld zu ihren Großeltern
denn dies Personen in ländlichen Gegenden tun (45%) (vgl. Pflegerl et al. 2007,
85ff.).
Wichtige und funktionslose Netzwerkpersonen Wichtige Netzwerkpersonen können wie folgt kategorisiert werden:
• Kernfamilie: der Partner und eigene Kinder bzw. Kinder des Partners im
eigenen Haushalt
• Eltern außerhalb des eigenen Haushaltes
• Eltern im eigenen Haushalt
• Kinder: eigene Kinder, Schwiegersöhne oder -töchter, Pflegekinder oder
• Kinder des Partners außerhalb des eigenen Haushaltes
• Eigene Generation - hauptsächlich eigene Geschwister
• Jüngere Generation - zumeist eigene Enkel bzw. von dem/der PartnerIn
• Freunde
• Sonstige Personen wie ArbeitskollegInnen, Bekannte aus Vereinen und
NachbarInnen.
Während die Kernfamilie und Kinder die wichtigsten Ressourcen darstellen, nehmen
sämtliche andere eine untergeordnete Rollenfunktion ein. Zusammen mit den Eltern
außerhalb des eigenen Haushaltes stellt die Kernfamilie mit 70% den überwiegenden
Teil des Netzwerks Verheirateter dar. Ein Vergleich zu Personen in
Lebensgemeinschaften zeigt, dass in deren Netzwerken Freunde eine ähnlich
wichtige Rolle einnehmen wie die der Kernfamilie.
Als funktionslose Netzwerkpersonen sind haushaltsferne Eltern wie Kinder sowie
Angehörige der eigenen Generation zu zählen. Mit starken Schwankungen zwischen
den Lebensformen nimmt jener Netzwerkteil in konkreten Situationen Ressourcen
aus anderen Personenkreisen in Anspruch (vgl. Baas 2008, 162f.).
Familiale Unterstützung Die Möglichkeit in Bedarfssituationen, unabhängig des Ausmaßes, auf ein soziales
Netzwerk zurückgreifen zu können ist für jeden Menschen von großer Bedeutung.
Unterstützungsleistungen können vielschichtige Natur aufweisen:
• Emotionale Unterstützung, Beratung
• Unterstützung bei Erziehung bzw. Pflege und Haushalt
• Finanzielle Unterstützung
Der weitaus größte Teil der Unterstützungsleistungen wird von Frauen erbracht. Im
Zentrum steht die Mutter, die das System am Laufen hält und selbst ihren
Anverwandten tatkräftig zur Seite steht. Vor allem in emotionalen Belangen oder bei
Pflegebedarf stellen weibliche Bezugspersonen die Hauptansprechpartner dar.
Intergenerationale Unterstützungsleistungen werden zumeist nach dem sogenannten
„top-down-System“, also von der Ursprungsfamilie an deren Nachkommen erbracht.
Dies betrifft vorwiegend finanzielle, aber auch die Unterstützung bei der
Kindererziehung (z.B. Babysitten) oder im Haushalt sowie in geringerem Ausmaß die
emotionale oder beratende Unterstützung wo Freunde oder Verwandte der gleichen
Generation (z.B. Schwester) eine wichtigere Rolle einnehmen. Es ist die elterliche
Generation die den Hauptteil an Unterstützung leistet (vgl. Pflegerl 2007, 92ff.).
Differenziert nach Unterstützungsleistungen kann aber festgestellt werden, dass
bezugnehmend auf finanzielle Leistungen diese eher von der älteren an die jüngere
Generation geleistet werden. Umgekehrt verhält es sich bei den Hilfeleistungen die
demnach häufiger von Kindern und Enkelkindern erbracht werden. Die räumliche
Nähe ist dabei einer der ausschlaggebenden Faktoren für die Häufigkeit der
intergenerationalen Unterstützung. Umso näher Eltern bei ihren Kindern wohnen
desto häufiger kommt es zu Hilfsleistungen.
Zudem, betrachtet man den Bereich der extramuralen Pflege, so muss festgestellt
werden, dass ältere Menschen mit 80% zum größten Teil von ihren Angehörigen
(davon 80% Frauen) gepflegt welche emotionale und haushälterische Unterstützung
inkludiert. Die enge Mutter-Tochter-Beziehung ist dabei grundlegend. Nichts desto
trotz darf nicht außer Acht gelassen werden, dass wiederum 80% der pflegenden
Frauen durch ihre Partner finanzielle Unterstützung erfahren da sie selbst zumeist
keiner beruflichen Tätigkeit nachgehen (vgl. Rosenbaum et al. 2008, 89f.).
Fazit Die Familie als wichtigste Ressource in allen Lebenslagen ist unverzichtbar. Aber
auch die Pflege von Freundschaften ist grundlegend für das emotionale
Gleichgewicht. Die Gegenseitigkeit der Unterstützung und nicht unbedingt die
Ausgewogenheit dieser ist dabei ausschlaggebend.
Literatur Baas, Stephan (2008): Soziale Netzwerke verschiedener Lebensformen im Längs- schnitt – Kontinuität oder Wandel? In: Bien, Walter / Marbach, Jan H. (Hrsg.): Familiale Beziehungen, Familienalltag und soziale Netzwerke. Ergebnisse der drei Wellen des Familiensurvey. VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesba- den. S 120-147.
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Hofer, Manfred (2002): Familienbeziehungen in der Entwicklung. In: Hofer, Manfred / Wild, Elke / Noack, Peter: Lehrbuch Familienbeziehungen. Eltern und Kinder in der Entwicklung. Hofgrebe: Göttingen, Bern, Toronto, Seattle.
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Weiterführende Literatur Bian, Y. (1997): Bringing Strong Ties Back. In: Indirect Ties, Network Bridges, and Job Searchers in China. American Sociological Review 62: 366-385.
Granovetter, M.S. (1973): The Streng hof Weak Ties. American Journal of Sociology 78:1360-1380.
Preisendörfer, P. / Voss, T. (1988): Arbeitsmarkt und soziale Netzwerke: Die Bedeu- tung sozialer Kontakte beim Zugang zu Arbeitsplätzen. Soziale Welt 39: 104- 119.
Statistik Austria / BMASK (Hrsg.) (2001): Familienstrukturen und Familienbildung. Ergeb
Soziale und familiäre Netzwerke, soziale Unterstütz ung (Dr. Kaufmann Eva)
Im Wörterbuch der Gebrüder Grimm findet sich unter dem Begriff „Netz“ lediglich
„[…] ein aus weiten Maschen bestehendes Gestrick“ (Grimm, 1854, Band 13, S.
635)- eine weitaus abstraktere Definition zeigt sich in der soziologischen
Netzwerktheorie: „A social network consists of a finite set or sets of actors and the
relation or relations defined on them.“ (Wasserman und Faust 1994, S. 20) Die
Netzwerkanalyse entstand in den Vierziger- und Fünfzigerjahren in der
Sozialanthropologie, der Soziologe Barry Wellman übertrug das Konzept 1978/79 in
die Gemeindesoziologie. Die Einheit der Netzwerkanalyse ist nicht das Verhalten von
sondern vielmehr die soziale Beziehung zwischen Menschen. (Schenk, 1995, S. 3f)
Lt. Boos, Exner und Heitger(1992) haben Netzwerke Gemeinsamkeiten, die sie
charakterisieren: die gemeinsame Intention, Freiwilligkeit, Tauschmöglichkeit,
Personenorientierung sowie Unmöglichkeit der Delegation an andere. (keine
Rollenorientierung) Damit widersprechen Sie in einigen Punkten Kardoff et al., Pellert,
Portes und Burmeister auch dahingehend, dass soziale Netzwerke im Gegensatz
zu sozialen Systemen keine klaren Grenzen aufweisen. Im Weiteren wird jedoch auf
die bei Deindl (2005) erörterte Definition , die sehr wohl Grenzen und Ausgrenzung
zulässt, Bezug genommen. Neben der Netzwerkdefinition muss daher natürlich auch
das Soziale System begrifflich abgegrenzt werden:“Ein soziales System kommt
zustande, wenn immer ein autopoietischer Kommunikationszusammenhang entsteht
und sich durch Einschränkung der geeigneten Kommunikation gegen eine Umwelt
abgrenzt. Soziale Systeme bestehen demnach nicht aus Menschen, auch nicht aus
Handlungen, sondern aus Kommunikationen“ ( Luhmann, 1986 , 269.) Wie in der
unten angeführten Tabelle dargestellt, ist der Begriff „Netzwerk“ und damit auch das
soziale Netzwerk der späten Informationsgesellschaft zuordenbar. Auf die beliebten
„social networks“ des WWW, wie z.B. facebook©, wird im vorliegenden Artikel
aufgrund fehlender Charakteristika für „echte“ soziale Netzwerke nicht eingegangen,
der Begriff „social media“ scheint den Begriff aus meiner Sicht genauer zu definieren.
In sozialen Netzwerken können sich unterschiedliche Strukturen bilden, davon sind
nur einige herausgegriffen:
Starke und schwache Beziehungen: „The strength of a tie is a (probably linear) combination of the amount of time, the
emotional intensity, the intimacy (mutual confiding), and the reciprocal services which
characterize the tie“ (Granovetter 1973, AJS, Vol. 78, No. 6, S. 1361) Menschen
versprechen sich – bewusst oder unbewusst einen Nutzen durch das Errichten und
Aufrechterhalten sozialer Netze. Dabei sind jedoch nicht nur die starken, sondern
auch die schwachen Beziehungen- durch ihre Brückenfunktion- von grösster
Wichtigkeit. Brücken können Informationen aus anderen Netzwerkbereichen zur
Verfügung stellen , starke Beziehungen sind eher auf das nähere Umfeld gerichtet.
(vgl. Soziale Beziehungen & Gesellschaft-Proseminar Sommersemester 2005 –
Schenk // Soziale Netzwerke)
In diesem Rahmen lässt sich zusätzlich eine Unterscheidung in Bezug auf das
Geschlecht darstellen (vgl. Analyse von Netzwerken im Gesundheitswesen;
Modul 11 –Netzwerksysteme; Dr. Wolfgang Moch; Vorlesung FH Kärnten)
Eine Unterscheidung von Netzwerken ist möglich auf den Ebenen:
1. Netzwerktypen
• Gesamtnetzwerk (whole network): alle Beziehungen zwischen einem
abgegrenzten Satz von Akteuren
• Ego-zentriertes Netzwerk: alle Beziehungen aus der Perspektive des
Einzelnen
Abbildung 6: http://magazin.unternehmerweb.at/index.php/2011/04/28/von-der-
netzwerktheorie-zum-networking/
2. Sozialstruktur
• Mikroebene: Familie-Individuum.»But direct observation does reveal to us that
these human beings are connected by a complex network of social relations. I use
the term ‚social structure‘ to denote this network of actually existingrelations.«
(Radcliffe-Brown 1959, S. 190)
• Makroebene: Gesellschaft, Gliederung in Klassen und Schichten, Verteilung von
Ressourcen(z.B. Bildung, Prestige, Einkommen,Sozialkapital) eines Akteurs
3. Primäre, sekundäre und tertiäre Netzwerke :
a. Primäres Netzwerk: informelle private Beziehungen: Familie,
Verwandtschaft,
Nachbarschaft und Freunde
b. Sekundäres Netzwerk: global-gesellschaftliche Netzwerke, wie z.B.
Arbeitsplatz,
marktwirtschaftlich und öffentlich institutionelle Netzwerke( Bullinger; Nowak
1998: 83)
c. Tertiäres (intermediäres)Netzwerk: zwischen den primären und
sekundären Netzwerken angesiedelt Verbindung zwischen Informellen und
Beziehungen untereinander- Netzwerk 2. Ordnung
Bezugspersonen von „Ego“-Netzwerk 1. Ordnung
formellen Netzwerken, z.b. Selbsthilfegruppen (Gehrmann, Müller, &
Säuberlich, 2008),
Funktionen und Charakteristika von sozialen Netzwer ken: Funktionen, die Soziale Netzwerke erfüllen sind Information, Tausch und Transfer
von Ressourcen, sowie soziale Unterstützung (materiell, kognitiv, emotional).
Charakteristika sind Grösse (N = Zahl der Akteure),Dichte(realisierte
Relationen ),Zentralisation: z.B. Degree, Relationsverdichtungen (Cliquen)sowie
Stabilität der Relationen bzw. in Bezug auf die Akteure in Netzwerken Zentralität (z.B.
Degree, Betweenness) (Michael Nollert, Vorlesung, Universitäten Freiburg i. Ue.
und Zürich)
Die „strongest ties“ einer Person sind im Normalfall das Netzwerk Familie bzw. das
der Partnerschaft. Das Entscheidende Kriterium des zweitgenannten ist das
Zusammenwohnen- damit ist ein Zurückgreifen zu jedem Zeitpunkt
möglich.(emotionale Nähe). Kinder stellen ebenfalls eine starke Beziehung dar, sie
sind Mitglieder der Kernfamilie. Gegenseitiges Helfen je nach Lebensabschnitt ist
aufgrund der Nähe möglich, entscheidend ist die Anzahl der eigenen Kinder .Die
Verwandtschaft ist v.a. dann ein wichtiges Netzwerk, wenn die Verbindung stark ist-
ein Indikator ist die Häufigkeit der Treffen. Nach der Familie( in manchen Fällen
vielleicht vor dieser)stehen die Freunde, von diesen erhält man soziale Anerkennung
außerhalb der Familie. – operationalisierbar durch die Anzahl der engen Freunde.
Emotional weiter entfernt sind Nachbarn, trotzdem ist die Nachbarschaft täglich in der
Umgebung und ist somit schnell mobilisierbar( Operationalisierbar durch Häufigkeit
der informellen Kontakte); Arbeitskollegen stellen das nächste Netzwerk dar, nicht
zuletzt weil durch die Zeit, die am Arbeitsplatz verbracht wird, Kontakte entstehen.
Nicht in Zusammenhang mit den genannten Netzwerken steht z.B. die Arbeit in
einem Verein („ehrenamtlich“), wo es um eigene Interessen geht. (Deindl, 2005)
Auch wenn der Begriff „Netzwerk“ zur damaligen Zeit noch nicht geprägt war zeigte
Mary Richmond (What is social case work? , New York: Russell Sage Foundation,
1925) schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Ressourcenstärke des sozialen
Netzwerkes auf- und auch, dass dieses deutlich über die Verwandtschaft
hinausreicht.(S.Abb.2)
·
Abbildung 7: aus : Mary Richmond; Social Diagnosis,
1917(aus:Budde&Früchtel 2005)
Lt .Robert D. Putnam, der v.a. die Makroebene in den Vordergrund stellt, ist neben
Bildung, Disziplin und Ehrgeiz das soziale Kapital ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Feedback und Beziehungen sind notwendig, um schwierige Situationen zu
bewältigen. Hat man selbst hohes soziales Kapital, versteht man die
Wechselwirkungen zwischen eigenem und dem Wohlergehen anderer besser. Auch
kollektive Probleme können so gelöst werden, dies ist nur über ein Netzwerk zu
erreichen, das soziale Normen einhält. Lt. Putnam ist soziales Kapital messbar- lt.
seinen Studien (durchgeführt in den USA) sind in Staaten mit hohem sozialen Kapital
bei Kindern sowohl die Lebensbedingungen als auch die Gesundheit ,
Ausbildungsqualität, Wirtschaftswachstum, Sicherheit und soziale Gerechtigkeit
höher, auch die niedrigere Sterblichkeit seigt eine Korrelation mit dem
Sozialkapitalindex. (Budde & Früchtel, 2005)
Durch die soziale Unterstützung entwickelt sich soziales Kapital welches als wichtige
Handlungsressource von (Diewald, Lüdicke, & Lang, 2006, S. 1)Individuen gilt.
Soziales Kapital verbindet Netzwerk- und Kapitaltheorie, ist nicht veräußerlich und
wird durch Normen- oder Gruppenmitgliederverlust vermindert, wobei das Ego das
Sozialkapital durch „Beziehungsarbeit“ innerhalb einer Gruppe erhöhen kann.
(Bourdieu 1983 in (Deindl, 2005)).
Stärken jedes Mitgliedes der Familie
Ressourcen von Verwandten/Freunden
Ressourcen von Nachbarn, Vermietern, Ärzten…
Ressourcen von Lehrern, Polizei, Parks…
R. von Kirchengemeinde, Selbsthilfegruppen…
Ressourcen von Sozialamt KH…
Nach Nan Lin kann man aus sozialen Beziehungen vier Arten von Gewinn erzielen-
sei es auf der Macro- wie auch auf der Microebene:
1. Informationsfluss – schneller und effektiver Austausch von Informationen in
Netzwerken; Informationen sind nur für Mitglieder des Netzwerkes verfügbar.
2. Einfluss – Verbesserung der Erfolgschancen , z. B. im Beruf durch „Einlegen
eines guten Wortes“(„Putting in a word“) durch ein Netzwerkmitglied- v.a. durch
eine „weak-tie“, - die , lt. Granovetter für diese Art der Hilfestellung am wichtigsten
ist.
3. Soziales Zeugnis.: Das „ego“ kann auf die Anzahl der „Alteri“ zurückgreifen, zeigt
damit seine soziale Kompetenz
4. Die Verstärkung von „identity and recognition“ (Deindl, 2005)
Neben positiven Auswirkungen des sozialen Kapitals wie Hilfestellungen im Beruf oder
im privaten Bereich kann soziales Kapital auch negative Eigenschaften haben. Ein
Beispiel dafür sind kriminelle Gruppierungen, die durch strenge Normen ihr
Sozialkapital erhöhen.(positives Gruppenkapital, negatives Gesellschaftliches
Kapital) Doch nicht nur diese Extremform von sozialem Kapital ist negativ- auch
durch den Ausschluss von Menschen aus Netzwerken bzw. starkem
Konformitätsdruck und Zugangsbeschränkungen kommt es zu negativen Anteilen,
wobei die positiven gesellschaftlichen Auswirkungen erhalten bleiben. (Portes 1998
in Deindl, 2005)
Praktische Anwendbarkeit: Die Netzwerkanalyse wird z.B. in der sozialraumorientierten sozialen Arbeit
angewendet und unterstützt Klienten bei der Entwicklung von nachhaltigen
Lösungen. dabei muss die Lösung an die Kompetenzen der Menschen selbst oder
an deren Netzwerkressourcen angeknüpft werden .Dabei sind anlassspezifische oder
- unspezifische Ecomaps bzw.Genogramme zielführende Methoden.
1. Ecomaps: zuerst „Erinnern“ an Personen, die dem formellen und informellen
Netzwerk zugehörig sind- mögliche Fragen:
• Wer sind Deine Freunde in der Schule oder in der Nachbarschaft?
• Wen informieren Sie bei wichtigen Ereignissen wie Schwangerschaft
oder Heirat?
• Wen fragen Sie wenn Sie Rat brauchen?
• Wenn es Ihnen gut / schlecht geht, was tun Sie, zu wem gehen Sie
dann?
• Zu wem haben Sie zwar keinen Kontakt mehr, würden aber gerne
wieder welchen haben? u.s.w. (aus: (Budde & Früchtel, 2005, S. 10)
Dann wird jede gefundene Person mittels Ressourcenfindern betrachtet- diese
helfen die Potenziale der einzelnen Bezugspersonen hinsichtlich
Unterstützung aufzuzeigen.(Wohnort, Beruf, Krisen, Erfolge…), wodurch neue
Lösungen klar gemacht werden.
2. Genogramme als Ressourcenfinder:
Dabei wird systematisch den Verwandtschaftslinien nachgegangen, um das
familiäre Netzwerk zu durchleuchten – dabei können neue Quellen der
Unterstützung gefunden werden. (Budde & Früchtel, 2005, S. 11f)
Lt. Nestmann (1989) sind die Ansatzpunkte Netzwerkorientierter Intervention
1. Verbesserung der Unterstützung und Versorgung in den existierenden
alltäglichen sozialen Netzwerken
2. Entwicklung und Förderung von Unterstützungsbezügen: Neuschaffung
künstlicher Netzwerke(„Selbsthilfegruppen“).
3. Ausweitung größerer sozialer Beziehungssysteme über die Verbreitung von
netzwerkförderlichen Einstellungen, Klimata und Voraussetzungen
4. Anknüpfungspunkt im Rahmen von Erziehung, Bildung und Beratung von
Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und alten Menschen: besseres
Erkennen vorhandener Ressourcen sozialer Unterstützungen , Schaffen
derselben und Unterstützen anderer
5. Stärkung der Netzwerkorientierung professioneller Versorgungssysteme in der
Gemeinde
6. "linkage" :Verknüpfung professioneller und nicht-professioneller Netzwerke und
Unterstützungsressourcen,
7. Sozialökologische Fundierung und Sicherung von sozialen Netzwerken und
sozialen Unterstützungen
8. Stützung der UnterstützerInnen
(vgl. G. Gerhardter 2001 )
„Ein Netzwerk ist ein personenbezogenes Beziehungsg eflecht, welches auf einem
gemeinsamen Basisinteresse beruht und durch aktuell e Anlässe aktiviert und
sichtbar wird.“ (Boos, Exner, & Heitger, 1992)
Literaturverzeichnis Boos, F., Exner, A., & Heitger, B. (11 1992). Soziale Netzwerke sind anders.
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Budde, W., & Früchtel, F. (Juni 2005). Fall und Feld. Oder was in der
sozialraumorientierten Fallarbeit mit Netzwerken zu machen ist. Sozialmagazin , S.
14-23.
Deindl, C. (2005). Soziale Netzwerke und soziales Kapital- Einfluss auf
Lebenszufriedenheit und Vertrauen;Diskussionspapier. Zürich: Forschungsgruppe
Arbeit, Generation, Sozialstruktur(AGES) der Universität Zürich.
Diewald, m., Lüdicke, J., & Lang, F. R. (2006). Familie und soziale Netzwerke. Ein
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Gehrmann, G., Müller, K. D., & Säuberlich, U. (2008). Familie im Stadtteil-
Methodenhandbuch. Regensburg: Walhalla Fachverlag.
Gerhardter, G.: Netzwerkorientierung in der Sozialarbeit .Eine überblicksartige
Zusammenstellung zu"Soziale Netzwerke" und "Organisationsnetzwerke"(aus:
Nestmann, F. (1989): Förderung sozialer Netzwerke - eine Perspektive
pädagogischer Handlungskompetenz?, in: Neue Praxis, Zeitschrift für
Sozialpädagogik und Sozialpolitik unter
www.pantucek.com/diagnose/netzwerkkarte/gerhardter_netzwerk.pdf
Grimm, J. u. (1854, Band 13). Deutsches Wörterbuch. Leipzig.
Luhmann, Ökologische Kommunikation. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1. Auflage
1986. HYPERLINK "http://de.wikipedia.org/wiki/Spezial:ISBN-Suche/3531117750"
ISBN 3-531-11775-0 , 1986, S. 269.
Schenk, M. (1995). Soziale Netzwerke und Massenmedien- Untersuchungen zum
Einfluss der persönlichen Kommunikation. Tübingen: J.C.B.Mohr.
Wasserman } ,S., Faust,K.; Social network analysis: methods and applications;
Cambridge University Press, 1994
Soziale und familiäre Netzwerke, soziale Unterstütz ung- (Nedved Daniel, BSc)
Einleitung Das Individuum ist in seinem Dasein einer ständigen Umgebung von Netzwerken
unterstellt. In der heutigen Zeit assoziiert man diesen Ausdruck natürlich mit sozialen
Netzwerken aus der virtuellen Welt. Man nennt sie „Social Network“. Jedoch gibt es
auch in der „normalen“ Welt gut bzw. weniger gut funktionierende Netzwerke, welche
im Gegensatz zu dem vorher erwähnten auch existieren bzw. funktionieren können,
wenn die Internetverbindung aussetzt und welche man verbal „Liken“ kann oder nicht.
Familien, Verwandtschaften, Freundschaften usw. sind die Netzwerke der realen
Welt. Es sind Netzwerke, auf welche das Individuum seit Beginn an angewiesen ist,
und es sind dies Netzwerke, welchen das Kind von Anfang an ausgesetzt ist.
Sie sind ubiquitär und es gibt tatsächlich keinen Bereich in der Gesellschaft, in denen
sie keine Rolle spielen. Neben den vorher erwähnten Netzwerken, kann man den
Begriff noch ausweiten. Man kann in diesem Kontext noch
Wirtschaftförderungsnetzwerke, Wissenschafts- oder Gesundheitsnetzwerke,
Frauennetzwerke, Antidiskriminierungsnetzwerke, sowie auch problematisch
geltende Netzwerke, wie Schleuser- und kriminelle Beschaffungsnetzwerke
betrachten. Es gibt aber auch Netzwerke, deren Aufbau nicht sozial geschieht,
sondern wiederkehrend zum Zweck erklärt werden. Das sind solche, die positiv
konnotiert sind und politisch, ökonomisch, rechtlich aber auch wissenschaftlich als
förderungswürdig gelten. (Tacke, 2006)
Bevor es hier zu einer komplexen Betrachtungsweise kommen soll und unzählige
Begriffe bearbeitet sowie verschachtelte Strukturen analysiert werden, möchte ich
mich auf die sozialen Netzwerke, bzw. die soziale Unterstützung der Familie,
Freundschaft/ Bekanntschaft sowie Verwandtschaft fokussieren.
Familie- Definition des Begriffs Beginnend mit der Familie soll vorab der Begriff erklärt werden. Der Brock Haus (Der
Brock Haus, 2009) erklärt diesen nämlich als: „die, 1) i. d. R. das Elternpaar mit den
unselbststän1digen Kindern als Einheit des Haushaltes. Rechtlich gibt es keinen
feststehenden Begriff der F., meist versteht man darunter die Ehegatten mit ihren
Kindern. Verfassungsrechtlich ist sie durch Art. 6 GG geschützt. – 2) Gruppe,
umfasst nah verwandte Gattungen.“
Vielleicht scheint die Definition aus Anthony Giddens´ Buch „ Soziologie“ konkreter.
Hier wird die Familie nämlich als eine Gruppe durch verwandtschaftliche
Beziehungen direkt miteinander verbundener Personen, wobei die erwachsenen
Mitglieder die Sorge für die Kinder übernehmen, verstanden. (Giddens, 1999)
Jedoch sind in der Soziologie vor allem zwei Aspekte von Familie bedeutsam. Diese
korrespondieren nämlich mit der Mikro- sowie der Makroebene der Gesellschaft.
Wenn jede einzelne Familie eine besondere Form einer sozialen Gruppe darstellt,
spricht man von der Mikroebene. Betrachtet man dies aus der Makroperspektive, so
ist die Familie als eine Institution der Gesellschaft charakterisierbar. Durch die
Familiensoziologin Rosemarie Nave- Herz sind Familien folgend gekennzeichnet
(Johanna Huinik, 2007):
1. Durch ihre „biologisch- soziale Doppelnatur“. Darunter versteht man zum einen
die Übernahme der Reproduktions- und Sozialisationsfunktion und zum
anderen die kulturell variablen gesellschaftlichen Funktionen.
2. Die Generationendifferenzierung, sprich Urgroßeltern, Großeltern, Eltern,
Kinder,
3. ..sowie ein spezifisches Kooperations- und Solidaritätsverhältnis, welches
ihren Mitgliedern die einzelnen spezifischen Rollen zuweist. (Johanna Huinik,
2007)
Die Geschichte der Familie Verschanzen wir uns doch ein Stück tiefer in diese Materie und versuchen die
Betrachtungsweise der Familie durch einen Blick in die Vergangenheit, auszuweiten.
Die Familie bildete seit der Antike als kleinste soziale Einheit den Ausgangspunkt
zahlreicher Staats- und Gesellschaftstheorien, und war zudem der unmittelbare
Bezugspunkt der individuellen Lebenswelten. So war die Familie der zentrale Anker,
um dem Einzelnen seine Position in der Gesellschaft zu vermitteln. Das Individuum
erfuhr hier eine entsprechende Sozialisation sowie die Einübung grundlegender
Werte, Normen und Handlungsdispositionen. In der ständischen Gesellschaft wurde
diese Funktion grundsätzlich in allen Schichten erfüllt. Eine besonders wichtige Rolle
spielte hingegen im Adel die Aufrechterhaltung und die Symbolisierung seiner
Familientradition. Hier konnte sich die „Familie“ als emotionalisierte
Lebensgemeinschaft der Ehepartner und der Kinder analytisch vom gesamten
„Adelshaus“, unterscheiden. (Kreutzmann, 2008). Die Kernfamilie war für lange Zeit
der wichtigste Typus. In der prämodernen Zeit überstieg die Haushaltsgröße jene, die
wir heute beobachten können, jedoch war der Unterschied nicht allzu deutlich
ausgeprägt. So betrug in England die durchschnittliche Haushaltsgröße im 17., 18.
Und 19. Jahrhundert, 4,75 Personen. Im Vergleich dazu beträgt diese heute 3,04
Personen. Kinder beteiligten sich ab einem Lebensalter von sieben oder acht Jahren
bei der elterlichen Land- bzw. Handarbeit. War dies nicht der Fall oder fehlten die
nötigen Ressourcen, zogen sie schon sehr früh von dannen, um in fremden
Haushalten zu arbeiten oder eine Lehre zu absolvieren. Die Eltern wurden danach
meist nur selten oder gar nicht mehr gesehen. (Giddens, 1999)
Die Familie als Basis gesellschaftlicher Systeme
Heute erscheint die Familie in gesellschaftstheoretischer Perspektive zwar als
Funktionssystem, jedoch sei zu berücksichtigen, dass es anders als die anderen ist.
Besonders scheint in diesem Kontext, dass ihr makrosystematischer Charakter nicht
durch Organisationsstrukturen vermittelt ist, dieser jedoch gesellschaftsweit
institutionalisierte Sinndeutungen unmittelbar mit der interaktiven Ebene von
Kleingruppen und sozialen Netzwerken verknüpft. Die Familie ist schließlich der
institutionelle Ort von Privatheit, während sich die übrigen gesellschaftlichen
Teilsysteme im öffentlichen Raum konstituieren. Als exklusive Leistung sei der
Familie die Verknüpfung von Fortpflanzung und Primärsozialisation an zu erkennen.
Interessant sei jedoch, dass sich erst im 20. Jahrhundert der eigenständige
Normkomplex, verantwortete Elternschaft mit hoher Verbindlichkeit ausdifferenziert
hat. Wie wichtig die Familie auch für andere soziale Netzwerke bzw.
gesellschaftlicher Systeme ist, zeigt die Tatsache, dass gerade diese den Auftrag hat,
den personellen Nachwuchs für diese Systeme zu sichern und deren personelle
Umwelt zu reproduzieren. Als Basis gilt schließlich die Qualität dieses Nachwuchses,
welche letztendlich für die Leistungsfähigkeit aller gesellschaftlichen Teilsysteme,
verantwortlich ist. Die Qualität hängt im Gegensatz zur Quantität nicht ausschließlich
von familialen Leistungen ab, nein vielmehr sind es Funktionssysteme wie Familie,
Bildung, Massenkommunikation usw. Primärbeziehungen, welche sich einer
teilsystematischen Determination entziehen, jedoch deren Sinngehalte in selektiver
Weise in der Regel mittransportieren, sind eine zentrale Einflussgröße. Die
theoretische Verknüpfung individueller und die kollektiver Wohlfahrt sind folgen des
zentralen Sachverhaltes der Qualität und Quantität des personellen Nachwuchses. In
diesem Kontext wird von einem kollektivem Sachverhalt, der jedes gesellschaftliche
Teilsystem betrifft und es gleichzeitig übergreift, ausgegangen. Traditionelle
Bindungen wie z. B beruflicher oder weltanschaulicher Art verlieren heute vermehrt
an Bedeutung, was als Folge einer Gesellschaft, in welcher kein Teilsystem seinen
Nachwuchs mehr für sich monopolisieren kann. So sind alle in dieser Gesellschaft
sich existierende Einrichtungen, wohl oder übel auf die in der Familie
nachwachsenden Generationen, sowie dessen Größe und Qualität, angewiesen.
(Kaufmann, 2005)
Ein Netzwerk im Wandel der Zeit
Im Kontext der Fragestellung nach dem sozialen Netzwerken einer Person und derer
Konstellation konnte die These der „isolierten Kernfamilie“ (Parsons) widerlegt
werden. Man geht in der heutigen Zeit eher von der „multilokalen
Mehrgenerationenfamilie“ aus, was im wesentlichen die Tatsache näher bringt, dass
es zwischen den Generationen umfangreiche, aber vor allem über den Haushalt
hinaus gehende Beziehungen gibt. Es kristallisiert sich jedoch ein Trend zur
„nichtkonventionellen Lebensformen“, was zu bedeuten hat, dass es eine Präferenz
von nichtverheirateten Paaren, nicht zusammenlebenden Paaren,
gleichgeschlechtlichen Paaren oder Personen ohne Partnerschaft, gibt. Im Bezug auf
die Größe und Zusammensetzung bzw. die Veränderung der Netzwerke im
Zeitverlauf, wird das Spektrum vor allem auf die gerontologische Forschung gerichtet.
Vor allem bildet die Frage der Unterstützung im höheren Erwachsenenalter einen
zentralen Aspekt. In diesem Zusammenhang ist vor allem das Modell der
hierarchischen Kompensation bekannt geworden, in dem davon ausgegangen wird,
dass die Kompensation fehlender sozialer Unterstützung einer gewissen Art von
Hierarchie von Präferenzen für bestimmte Unterstützungspersonen folgt. Im
mittleren oder jüngeren Erwachsenenalter wird auf die Stabilität oder Dynamik von
Netzwerken jedoch wenig Aufmerksamkeit geschenkt. (Baas, 2008)
Die finale Betrachtung lässt jedoch die Tatsache nicht aus den Augen, dass
Familienhaushalte und deren Vernetzungen ein zentraler Ort der wechselseitigen
Hilfe und sozialen Anerkennung sowie der Regeneration von Humanvermögen sind.
(Kaufmann, 2005)
Verwandtschaft- Definition des Begriffs
Die Verwandtschaft unterscheidet sich nicht sehr von der Familie selbst. Giddens
(Giddens, 1999) deklariert diesen Begriff wie folgt: „Unter Verwandtschaft versteht
man Verbindungen zwischen Einzelpersonen, die entweder auf Heirat oder im Falle
der Blutsverwandtschaft auf gemeinsamer Abstammung beruhen (Mutter, Vater,
Nachkommen, Großeltern etc.)“
Ebenso wird die Verwandtschaft als besonders dauerhafte Beziehung, welche sich
deshalb als Grundlage multipler Netzwerkbeziehungen, vor allem dann wenn andere
Beziehungen zeitlich beschränkt bzw. versetzt gepflegt werden, definiert. (Pfister,
2008)
Verwandtschaft als Normensystem
Der Begriff „ Verwandschaft“ wird als sozialwissenschaftliches System verstanden,
welches auf Strukturen sozialer Normen basiert. Diese sind letztendlich diejenigen,
welche die soziale Institution schließlich ausmacht. Dabei sei jedoch zu beachten,
dass die jeweilige Ausformung der sozialen Normen, von der Verwandtschaft
abhängig ist, und dass sich diese von Familie zur Familie bzw. von Verwandtschaft
zu Verwandtschaft stark unterscheiden. Was jedoch jedem verwandtschaftlichem
Zyklus zugrunde liegt, ist die Erfahrung von Geburt, Schwangerschaft und Tod. Dies
sind die Faktoren, welche als Voraussetzung für das System sozialer Normen (in
diesem Fall für das verwandtschaftliche System) angesehen werden. So definiert die
Geburt eines Kindes den Beginn eines Lebens sowie den Beginn der Zugehörigkeit
zu einer Verwandtschaft. Es gibt aber generell zwei Kanäle, über welche man sich zu
einer Verwandtschaft zugehörig fühlen kann. Zum einen über die gerade
angesprochene Geburt zum anderen über die Ehe bzw. Verpartnerung im
allgemeinem Sinne, was schon Giddens zu verstehen gab. Jedoch soll dies nun
näher betrachtet werden. Vor allem kann man die Verwandtschaft aufgrund von
Geburt noch in die Bereiche Deszendenz oder Filiation selektieren. Bei der zweiten
Art der Verwandtschaft, derjenigen der Eheschließung bzw. Verpartnerung spricht
man ebenso entweder von Allianz oder Affinalverwandtschaft. Um den im
verwandtschaftlichen System verknüpften Individuen die Identität beizumessen,
muss man grundsätzlich den jeweiligen Verwandtschaftsnormen Folge leisten. Die
verwandtschaftlichen Normen sorgen in der Regel für eine Unterscheidung zwischen
dem „uns“ und „ihnen“. Somit markieren diese die Grenze zwischen Menschen und
definieren zudem, was das Spezifische an den jeweiligen Normen der
Verwandtschaft ist. (Kirchmeier, 2010)
Verwandtschaft gestern
Nach wie vor gibt es in der Verwandtschaft noch die Rolle der/ des Patin/ Paten.
Diese bürgen nämlich für den Täufling vor Gott u. der Gemeinde. Diese rituelle
Stellung wurde in der alten Kirche als Verwandtschaftsverhältnis, aus dem
seinerseits Erwartungen und Ansprüche folgten, begründet. Im Jahr 1563 reduzierte
das Tridentium die Patenzahl auf 2, was je einen pro Geschlecht aufgeteilt wurde.
Vor allem in der vormodernen Gesellschaft galt Patenschaft als Klientelverhältnis
zwischen dem Paten (bzw. Mann der Patin) und dem Kind bzw. seinem Elternteil. Es
wurden Zugänge zu Bildungsmöglichkeiten geschafft und es wurde in der Not
geholfen. Im Gegenzug erwartete man sich politische und anderweitige
Unterstützung. Vor allem galt die Regel, dass die Patin/ der Pate der Oberschicht
angehörten. Wenn jemand häufig als Patin/ Pate war Teil des Sozialprestiges.
(Pfister, 2008)
Claude Lévi Strauss verwendet in den elementaren Formen der Gesellschaft Begriffe
wie Inzestverbot (verbotene Grade). Dieser beinhaltet den Ausschluss von Willkür,
worunter die individuellen Belieben hinsichtlich Sexualkontakte verstanden werden.
Unter Endogamie wird die Heirat zwischen der Verwandtschaft gesprochen. So
können Endogamiegebote die Heirat in bestimmten (Verwandtschafts-) Kreisen
vorschreiben bzw. diese für sozial erwünscht deklarieren. Subsumiert man diesen
Begriff schließlich noch in parilineare Endogmie, versteht man darunter die
Geschwister-, Parallelcousinenheirat. Vor allem diente dies als Besitzwahrung,
demnach dieser im Besitz einer bestimmten Gruppe/ eines bestimmten Systems
verblieb. (Pfister, 2008)
Definition des Freundschaftsbegriffs Die Definition dieses Begriffs lässt sich nur schwer spezifizieren. Abhängig von der
jeweiligen Fachrichtung (z. B Persönlichkeitspsychologie, Ethnologie,
Sozialpsychologie, oder Soziologie), werden unterschiedliche Aspekte von
Freundschaften unter die Lupe genommen. Sowohl in der wissenschaftlichen
Literatur, als auch in der Alltagssprache bezeichnet dieser Begriff sehr
unterschiedliche zwischenmenschliche Beziehungen. Angefangen von emotional
engen, bis hin zu losen, meist aktivitätsbezogenen Beziehungen, findet hier vieles
seinen Platz. In einem Zitat von Donelson und Gullahorn findet die Schwierigkeit
dieser Definition ihren Ausdruck (Kolip, 1993):
„ Mit Freundschaften ist es wie mit dem Jazz, wenn du sie erst definieren musst, wirst
du sie nie verstehen“23
Freundschaft als soziale Unterstützung
In der entwicklungspsychologischen Literatur wird der Aufbau von Freundschaften zu
Gleichaltrigen als eine wichtige Entwicklungsaufgabe erfasst. Freundschaften, bzw.
die Gruppe der Gleichaltrigen sog. peer- groups gewinnt bei Jugendlichen
zunehmend an Bedeutung. Neben der Schule und Ausbildungsplatz, sowie dem
Netzwerk der Familie, wird dieser Gruppe eine wichtige Sozialfunkton zugesprochen.
Vor allem für die Bewältigung entwicklungsspezifischer Aufgaben, wird dieser eine
zentrale Bedeutung zugesprochen. Vor allem in der Entwicklung von Identität dienen
Freundschaften zu Gleichaltrigen als Mittel zum Zweck. Nach Erik Erikson sieht die
menschliche Entwicklung notwendigerweise als eine Summe von inneren und
äußeren Konflikten. Er teilt sein epigenetisches Modell der
Persönlichkeitsentwicklung in acht Stadien auf, wobei das 5. Stadium
„Adoleszenz“ vor allem aufgrund der starken körperlichen Veränderung und der
Überflutung mit neuen Impulsen durch ein Gefühl des Identitätsverlustes
gekennzeichnet ist. Vor allem in dieser Phase helfen sich nach Erikson die
Jugendlichen gegenseitig durch Cliquenbildung. Diese deklariert er jedoch lediglich
als externen Pol einer an sich normalen Entwicklung, die eine Identitätsfindung zum
Ziel hat. Vor allem aber auch im Prozess der wachsenden Ablösung vom Elternhaus,
sind es die Gleichaltrigen, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. Diese bilden
zum einen das Feld, in dem neue Verhaltensweisen erprobt werden und
Wertvorstellungen vermittelt werden, und zum anderen bieten sie Schutz und
emotionale Unterstützung und leisten somit ihren Beitrag zur Problembewältigung.
Auch der Zusammenhang zwischen dem psychosozialem Wohlbefinden und
Freundschaften, wurde für das Jugendalter ebenfalls gut bestätigt. Interessant
scheint hier vor allem die Tatsache, dass das Vorhandensein eines besten Freundes/
23
„It may be true of friendship as it is of jazz. If you need a definition for it, you`ll never understand ist.“
(Donelson & Gullahorn 1977, zitiert nach Dickens & Perlman 1981, S. 91)
einer besten Freundin wichtiger ist, als die Popularität in der Gleichaltrigengruppe.
Nach Beendigung der Schulzeit gewinnt diese neben den Bereichen Freundschaft,
Sexualität, Kultur, Mode und Politik, auch bei der Lösung neuer Probleme an
Wichtigkeit. (Kolip, 1993)
Soziale Unterstützung ist ein Bereich, welcher von Freunden geleistet werden muss.
Freundinnen und Freunde sind in der Tat eine wichtige Quelle für soziale
Unterstützung. Studien belegen, dass sozial isolierte Personen häufiger unter
gesundheitlichen Störungen leiden, als diejenigen die eine Freundschaft pflegen. Vor
allem, um jetzt wieder das Spektrum auf die Jugendlichen zu richten, treten bei 14-
bis 16 jährigen Schüler/innen/n, erhöhte psychosomatische Symptome auf, wenn sie
keine Freunde oder Freundinnen haben. (Kolip, 1993)
Bei erwachsenen Freundes- und Geschwisterpaaren untersuchte Auhagen das
individuelle Verhalten. So wurden von 18 gleichgeschlechtliche Freundinnen/
Freundespaare sowie von 9 Brüder und Schwesternpaaren die persönlichen,
schriftlichen, telefonischen und gedanklichen Kontakte protokolliert. Hier kam man
vor allem der Frage nach, wie sich das Geben und das Nehmen von instrumenteller
und psychologischer Unterstützung verteilt. Es zeigte sich schließlich ein deutlicher
Unterschied zwischen Freundes- und Geschwisterpaaren. Freundinnen- und
Freundespaare geben und erhalten häufiger psychologische (emotionale)
Unterstützung, während Geschwister vergleichsweise häufiger instrumentelle
Unterstützung austauschten. Wobei auch hier ein Unterschied zwischen den
Geschlechtern erkennbar war: Die Frauenpaare tauschten dabei deutlich mehr
emotionale Unterstützung als Männerpaare. (Kolip, 1993)
Resümierend kann festgehalten werden, dass es vor allem im Jugendalter eine
wichtige Aufgabe ist, Freundschaftsbeziehungen aufzubauen. Neben der Aufgabe,
emotionale Unterstützung zu leisten, ergibt sich vor allem die Möglichkeit des
Ausprobierens und Erwerbes erwachsenen Rollenverhaltens. Es lassen sich sowohl
alters-, als auch geschlechtsspezifische Muster identifizieren. Am Anfang kommt es
zu gleichgeschlechtlichen Gruppen, die miteinander in Kontakt treten und sich
anschließend vermischen. Jedoch lösen sich diese im Erwachsenenalter in
gemischtgeschlechtliche Gruppen zugunsten von Paarbeziehungen auf. Mädchen
besprechen im Gegensatz zu den Jungen häufiger ihre Probleme mit Mitgliedern aus
dem Freundeskreis, was vor allem ein entscheidender Faktor sein kann, der die
Problembewältigung der Mädchen im Jugendalter erleichtert. (Kolip, 1993)
Ein Netzwerk bringt einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung und Förderung der
Gesundheit
- Frauen während der Schwangerschaft, sind in dieser Zeit einer hohen Anzahl
von Stressoren ausgesetzt � durch eine soziale Unterstützung kommt es
seltener zur Komplikationen
- Ebenfalls ist das psychische Wohlbefinden junger Mütter nach der
Schwangerschaft besser, wenn sie auf ein Netzwerk zurück greifen können.
- Witwen, welche in der Phase der intensiven Trauerarbeit ein dichtes,
homogenes Netzwerk aufweisen können, bewältigen den Verlust ihres
Partners leichter.
- Nach einem Herzinfarkt haben Sozialbeziehungen einen positiven Einfluss
auf die Genesung.
- Die Mortalitätsrate in Personengruppen ohne sozialer Unterstützung sind
höher, als bei anderen.
- Psychische Erkrankungen, deren Auftreten und deren Verlauf wird wesentlich
von sozialen Netzwerken beeinflusst.
- Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen sozialer Unterstützung
und gesundheitlicher Beeinträchtigung.
Literaturverzeichnis Baas, S. (2008). Soziale Netzwerke verschiedener Lebensformen im Längschnitt- Kontinuität oder Wandel? In J. H. Walter Bein, Familiale Beziehungen, Familienalltag und soziale Netzweke. Ergebnisse der drei Wellen des Familiensurverys (S. 148-149). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften/ GWV Fachverlage GmbH.
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Tacke, M. B. (2006). Das Allgemeine und das Besondere des Netzwerkes. In F. S. (Hrsg.), Qualitative Netzwerkanalyse; Konzepte, Methoden, Anwendungen (S. 38). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften/ GWV Fachverlage GmbH.
Formal and Informal Network (Stefania Santangelo, Federico Veltri)
Introduction
The man is a social animal. (Aristotle)
The socialization is important because without it there is not life. Personal identity,
role of family, friendship and professional, do not exist for the man if not in a social
context.
Living needs belong to a group, to a community, to a population.
If we try to make a scheme of our life (family, workplace, school, relatives, friends,
hospital, ect..) we can have a lot of ties connected by a net.
An organization is a complex structure where the success depends on the
ability to gain competitive advantage and moreover on the information flows inside
the organization.
Inside the organization the work process and the activities are managed trough the
informal and formal relationship.
The informal roles are important in the decision-making process and they have an
impact on performance in the individual level and in the organizational network level
(Stefani et al., 2011).
The term Social Network is used to describe a social structure determined by
such interactions. A Social Network can be used to study relationship between
individuals, groups, and organizations.
The sociologist Ziegler defines the Social Network as “is therefore a system of
exchange transactions (...), resources, transmission of information, support, building
coalitions, coordinating activities, construction of trust donated by the feeling of
community.”
Social Network
Emile Durkjeim and Ferdinand Tönnies developed the theory of social network
at the end of XIX century. In 1930s Jacob Moreno analysing the interaction in social
group like class and working group.
A Social Network is hold together by a set of social actors and relationship definedby
these set of actors. These actors are associated by interest, and by the willingness to
cooperate and share the idea and information.
The Network is a relationship framework between actors that are an important social
form. This relationship framework can explain the behaviours from the people who
composed it.
The Social Network is composed by the subjects (units), the ties. The ties can be
individuals, groups, places, and institutions. This relationship can be represented
graphically. If we analyze the contents of the relationship, we can identify some
networks that can be support networks, informal network, formal network,family
network, network with interpersonal relationship.There are to main ways to represent
a Social Network: with a binary matrix or a graph.
The study method of social network, the social network analysis was used as
theoretical and methodological instruments for studying a lot of process.
Social Network Analysis
Social Network Analysis is a theoretical and methodological perspective that focus on
analysing social network. It has two main features: the idea of a society considered
as a plot of all human relationship (this plot is the focal topic of the analysis) and is a
perspective with a methodological and technical structure. This analysis was
developed by two groups of researchers. The first one is represented by the
anthropological school of Manchester in the early ‘40s. This group focus on the
process “in situation”. The second group of researchers was in Harvard during the
‘70s and they focused on the networks’ shape and not on the networks’ contents. In
their opinion the social relationship shape entails the contents.
Formal and informal Network
An informal network arises naturally: in fact this kind of network refers to friends,
family, relatives, ect.. Nevertheless, formal networksare related to work or planned
events,such as a workshop or a meeting. Usually, the formal networks are imposed
by the top, for example in a company there are formal networks when there are
hierarchy or bureaucracy.
Most organization starts with using informal network. They can continue using it or
they can turn to a formal network. Anyway a little level of formalization is needed
especially in the business organization (Korschin P et al.).
Informal network can cut formal process in order to overcome an obstacle, but
informal networks can stop communication and damage the a company plan.
Krackhardt compare the formal network to a skeleton and the informal network to a
nervous system. A formal network can be used to anticipate “normal” problems, but
when there is an unexpected problem an informal organization is more efficient
(Krackhardt et al., 1993). In fact a skeleton is strong but rigid, a nervous system is
fragile yet flexible. Moreover the nervous system is only felt and without subdivisions
in contrast to a skeleton (Han 1983).
In general we can affirm that the formal network is normative and informal network
has a descriptive property (Jensen 1995).
Formal and informal social networks have also different roles and meanings in
different societies.
A study have analyze the informal and formal networks in former socialist countries.
In these countries formal networks are less popular. Moreover, the country with
economic instability, corruption, have an high developed level of informal network.In
fact in the Soviet period people used connections in order to reach resources in
conditions of poverty.
Formal Network
Formalization is defined by Robbins as “the establishment of rules and procedures
for the operation of the organization”. All groups have a social structure that
organizes the relationship between the members. In fact the formalization helps to
create regularity and permanency in the organization. Usually formalization have:
basic rules, person who have the authority in order to make decisions for all the
organization, criteria for membership, meetings and other ways to communicate.
There are some reason to choose the formalization:in fact is impossible to
insure a thing in the long run. For that reason formalizing a network makes it more
real and create a sense of belonging among the members. Moreover, a formal
network used in a business context allowto achieve the aims more than an informal
network (Korschin P et al.).
Disadvantage of formalizing
Formalizing an organization entails some problems. The rules can be adverse for
potential participant. To keep a formal organization efficient occur time, money and
resource. For that reason the small business managers do not like formalization; for
them it results useless.
Create a formal network
A formal network requires measurement, process where every member of the
organization is involved. A network’s structure needs the stability between efficiency
and effectiveness. If there is a increasing of the members, the volume of organization
and administrative work will increase too. In this phase is important to have a good
coordination who assign responsibilities. In this role is important to have an expert
hired for that purpose (Nelson 2004).
Roles of formal network
To works correctly networks need to have dedicates roles. The most important are
network owners and network facilitator. Network owners facilitate interaction between
members, stimulate the creation of news idea, help members to accomplish the goals
of the organization. A network owner is more a natural leader than a boss. He has
not coordinate all process but just provides some input. The network owner is
responsible for organize the infrastructure, build program and make members
professional. Moreover, the network owner is chosen by the top if the organization,
anyway he has to be respected inside the organization.
Network facilitator is required by a formal network to organize meeting, calls,
manage best practices and connects members to each others. The network facilitator
could be elected by the members of network.
Challenges
A successful formal networks have to take a chance. Three possible challenges are:
rigidity, elitisms and demands on time.
The first challenge come out when network are overly focused on a set topic and this
cause to overlook emerging opportunities. The elitism happen when the network is
overcome by a group of expert and a new members cannot join the network.
In the demand sometimes, the members are involved into many interactions or
events.
Informal Network
In 1949 Mayo affirms: “In every department that continues to operate, the workers
have – whether aware of it or not – formed themselves into a group with appropriate
customs, duties, routines, even rituals; and management succeeds (or fails) in
proportion as it is accepted without reservation by the group as authority and leader”.
An informal network has four main contents:
• Affect
• Political
• Production
• Cultural
Affect means friendship, trust and intimate relations. Political refers to influence,
power and authority. Whereas production is related to the exchange of technical and
instrumental knowledge.Cultural means communication and flow of information.
Identify and defining the informal networks is a hard task.
The informal network existfor different reasons. Individuals are human being in a
formal workplace too. This means that people wants relations. Baker (1981) and Han
(1983) have found some of the functions of those informal organization related to the
psyche:
• Affiliation needs: a person want to join in a network of friendship and
support, after this the person lose a part of him individuality.
• Identify and self-esteem: if a person belong to a group,he develops an
individual sense of identity.
• Social reality: informal network offers the opportunity to express and
share feelings and emotions, reducing stress.
• Defence mechanism: belonging to a group enhance a defence
mechanism to reduce the uncertainty perceived by the members.
• Risk reduction: a group of individuals feel less risk than an individual.
Moreover, there are reason related to the practice:
Need to know: the informal network exist for the exchange of information.
Greasing the rusty wheels: individuals help each other in order to have favours in the
future.
Political manoeuvring: Gain advantage using information as instruments of influence.
An informal social network can also increase the engagement and influence
performance. A smart company must not ignore the existence of informal network
and use only the formal way. When a company redesigned the organization have to
pay attention to use at best the informal network:
Identify existing informal networks: first is to know if the network already exist. In fact
networks have different form. The top management can use the network analysis to
identify the networks.
Provide them with just enough structure: an informal network needs to have a clear
accountability and management oversight.
Encourage new networks: if there are modifications, maybe, network not exist
anymore, so the top management has to encourage collaboration and interaction
between people.
Roles of individual in the network
The Players of a informal network are nodes who keep network alive by their links
with nodes. From pass literature we have five player roles in the informal network
(Davenport 1998).This five roles are central connectors, boundary-spanners,
gatekeepers, bridges and experts.
Central connectors are people who have frequently contacts with others in a local
setting. This persons have superior local knowledge and identification capabilities.
They can identify what knowledge seekers are looking for. When they have identify it
they connect knowledge seekers to people who can give them what they want.
Boundary-spanners connect a local network to other networks outside. They
constantly looking for new knowledge and they have a wide know-how, not restricted
on a local environment. Their knowledge allow them to communicate with the others
networks; usually they can speak more than a language and it is important to
communicate with the international people.
Gatekeepers control knowledge that enters into or lives a network.For example a
gatekeeper controls the flow of information. They protect local networks from the
problems that can come from the outside, they are responsible for update knowledge
by examination and screenings. Like central connectors they work well within local
areas in a setting with homogeneous knowledge.
Bridges connect people who do not share common background, skills of all
experiences. They speak a lot of languages and they can understand know-how in
different context, they also connect people who have opposite opinions. The bridges
serve also like mediator in the conflicts. A bridge has to have great communication
skills.
Experts have a deep knowledge of types of products, subject of process and a lot of
experiences. Usually they stay in the organization for a long time. They learn from the
experiences and they identifying and extracting knowledge in this manner.
Informal Network in formal organization
Is important to understand that both formal and informal can exist together, in the
literature there are some evidences that they can coexist (Monge, Eisenberg 1987
and Groat 1997). There are disagreement about what happen when they interact. At
the first is important to not simplify between formal is good and informal is bad. In fact
some authors have argued that the interaction cannot be distinguished only formal
and informal, because the situation is too complex (Ibarra 1992).Other authors,
instead, have overstating the importance of the informal network.Reif has shown that
informal network does not have a great influence as often suggested. Is important to
say that informal and formal network are not mutually exclusive.
Positive and Negative implications of informal netw orks for managers
Is important to know that the managers are involved themselves in the informal
networks. It creates different problems but also advantages. The informal network
develop a natural hierarchy this might be a test for a future manager. Usually the
person on the top is the person in the centre of the interactions. A problems that can
be happen, is the false rumours. Often a false rumour can damages the credibility of
the communication within the organization. With the informal network the managers
can gather information and identify unexpected problems. Other two problems are
the conflictsrelated to the loyalties and group-thinking: a group of individuals can
develop their or norms that could be generate differences with the other groups.
Moreover, an informal network can create a resistance to management.
Six myths about informal networks
Myths about informal networks How to overcome them
(1): to build better networks, we
have to communicate more;
To build better networks, focus
on who knows what
(2): everyone should be connected
to everyone else
People should be connected when
a strategic payoff is likely
(3): we can’t do much to aid
informal network
Informal networks can be
changed by changing the
organizational context
(4): how people fit into networks is
a matter of personality
How people fit into networks is a
matter of intentional behaviour
(5): central people who have
become bottlenecks should make
themselves more accessible
Central people who have become
bottlenecks should shift burdens
for providing information and
making decisions to others in the
network
(6): I already know what is going on
in my network
Those who are most adamant in
asserting that they know their
network are usually the farthest
off bas
Informal network and management of tacit knowledge.Nakamori Lab
An example: The informal network in job search acti vity
Another possible use of informal network is in the job search activity (Pistaferri 1999).
The literature regarding the relationship between the informal job search methods
and the labour market outcomes suggest us that the informal network bridge the gap
between entrepreneurs willing to hire new personnel and workers willing to supply
labour services. In the economic science informal practice means a market
inefficiency. A similar argument can be applied to the labour market as well. In fact a
perfect market would employs the workers with a “matching” criteria. For that reason
the informal network have to be used only to correct possible labour market
imperfection. Nevertheless, as show by a EUROSTAT report (EUROSTAT 2011) the
68% find a job using informal networks. Germany is the country that use less informal
network, 40,2%, Greece use more, 92,2%.
Another study (Semple et al. 2002) demonstrate as the informal support network has
a great impact on the career.
This study distinguished the impact of informal network of career support on young
people in three ways: interventions, implicit assumptions and unplanned influences.
The intervention is an help that come from the parents that wants a career
development . The parents can use encouragement, raising aspirations, practical
assistance and contacts and involvement in the careers guidance process.
Implicit assumptions come usually from the family. This type of influence happen in a
particular context of values and expectations. An example can be the acceptability of
particular routes like training or university. Another way used is to share the work’s
values.
The last way is the unplanned influence. In this case the young people receive
influence from television, media, stimulated ideas about jobs, (for example medic,
lawyer etc..).The study demonstrate also that where the informal network is weak
there is a negative consequence on the career.
Table 1: Characteristics of Informal and Formal Structures
Informal structures Formal organizations
Grassroots orientation Top-down orientation
Spontaneously created Deliberately created
Constantly evolving Enduring (unless deliberately altered)
Dynamic and responsive Static and prescriptive
Fairly flat and fluid structure – flexible and Hierarchical structure – based on
loose division of labour and specialization
People as individuals People as bearers of roles and
responsibilities
Relationships may be undefined Relationship structures well-defined
Bound by trust and reciprocity Bound by rules, process and order
Complex and hard to define Simple and easy to explain
Useful for rapidly changing circumstances
that are not well understood – adaptability
Useful for constant and well-known
situations – consistency
The characteristics in Table 1 are based on informal organizations composed of a
social structure that determines how people work together in practice. That structure
encompasses the norms, behaviours and personal and professional connections and
interactions shared by individuals within an organization or cluster of organizations. It
comprises social networks and personal relationships that are dynamic in nature and
evolve with the changing dynamics between and within a variety of organizations. As
a result, informal organizations are more responsive than the structure formal
organizations allow, and have the capacity to foster innovation, bring people together
to collaboratively solve problems and create opportunities for change within formal
structures.
Informal Network as a conflict preventive mechanism
One of the main reason why informal network are useful to prevent conflict is for the
presents of norm system. Without it an informal network cannot exist. If in a network
the members have the same shared values they have also the same conception of
legitimacy and power. Consequence of understanding legitimacy and power is to
understand the social moral and cultural aspects of the conflict. Is essential to
prevent and manage the conflict. The conflict is also dependent by the parties, how
they construct their interest and attitudes. The shared values entail the same vision of
the problem and with the common perception, the conflict will be facilitated. In an
informal network that share the same members it will be easy to understand a
conflict, the causes and how it works. In order to strengthen the capabilities of
potential conflicting parties to resolve the disputes peacefully before they escalate,
it is essential to know how legitimacy and power is created and how it
changes. This is important since if the preventive measures, direct or
structural, are not considered legitimate by all parties, or if they are not
powerful enough, they will not be effective. Increased understanding of how
underlying norm systems are created and changes is in itself a structural mean to
prevent potential disputes from escalating. If the actors share the same norm
systems, or at least have an understanding of the others' norm system, the
escalation of the conflict will have to be the result of an active decision rather than a
misunderstanding. Shared norm systems will also help to regressively reduce the
underlying tensions that cause these issues and disputes. In short, informal
networks help making conflict prevention a possible policy choice, as well as
they hinder misunderstandings to cause an escalation of the conflict
(Weissmann2005).
Benefits of formal and informal Networks
Networks and liaison with organisations is usually carried out on two main levels:
• formal (official) level
• informallevel
The first is the , which usually involves letters, orders, enquiries, tenders, etc and
each organisation has formal policies and procedures that specify the process.The
second usually runs as general conversation (phone or face-face) or a light hearted
email. Care needs to be taken with emails so as to avoid unintended offense or
misinterpretation.
The informal method should be utilised on a regular basis, as this breaks down
barriers and creates rapport. In the future handling of emergency situations this
rapport can open avenues and formal networking may follow. Also, use of the formal
processes will occur as contacts within organisations recognise each other. People
must be aware of which is the appropriate level of communication required in a given
situation.
REFERENCES
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Boston, MA.
Formelle und informelle Netzwerke (Mandl Angelika, BA) Netzwerk als Begriff ist in den letzten Jahren inflationär angestiegen. Menschen
finden sich zu einem Netzwerk zusammen. Dies passiert häufig bei Meetings,
Konferenzen und Online-Plattformen. Online-Plattformen wie Facebook oder Xing
haben eine Transparenz in Bezug auf Plattformen. Es gibt zwei Gesellschaften. Als
erstes die Netzwerkgesellschaft und als zweites die Wissensgesellschaft. Der Trend
tendiert eher zur Netzwerkgesellschaft (vgl. Pircher 2010, 211). In einer Organisation
wird als erstes ein Kollege im Unternehmen bei einer Frage kontaktiert und so wird
der Wissensstand zwischen den Menschen in einer Organisation ausgetauscht. Es
entstehen neben den formalen Hierarchien so genannte informelle Netzwerke. Diese
Netzwerke spiegeln die Funktion, die Struktur, wie Menschen in einer Organisation
miteinander kommunizieren und auch miteinander arbeiten wieder. Gleichzeitig wird
auch transparent, wie sich das Wissen in einem Unternehmen verteilt (vgl. Pircher
2010, 212).
Unterscheidung formelle und informelle Netzwerke
Formelle Organisationen sind Organisationen, die das Ergebnis aus einem
bewussten Handeln erzielen. Dabei wird die Struktur mit ihren Substellen
zusammengefasst. Diese Stellen funktionieren durch eine Ablauforganisation. Dabei
ist geregelt, wer welche Arbeitsabläufe durchführt.
Im Gegensatz dazu läuft bei der Informellen Organisation, neben der offiziellen
Struktur zusätzlich noch eine zweite Struktur. Dabei spielt das menschliche Verhalten
eine wesentliche Rolle. Entscheidungen werden stark von dieser Struktur beeinflusst.
Der Grund dieser informellen Struktur sind Bedürfnisse und Vorstellungen des
Mitarbeiters. Beispiele für diese informellen Netzwerke sind: informelle Gruppen,
informelle Kommunikation, informelle Normen, informelle Führer.
Bei den informellen Gruppen sind aufgrund der gemeinsamen sozialen Faktoren, wie
Alter, Herkunft und gemeinsame Interessen Grund für Tischgruppen, Plaudergruppen,
die Zusammenkunft in den Raucherecken und Anhänger einer Fußballmannschaft
(vgl. http://www.ibim.de/pl+orga/2-5.htm, [02.01.2012).
Bei den informellen Kommunikationen handelt es sich um die Gespräche, welche die
persönlichen Informationen treffen und Gespräche, welche zwar das Unternehmen
betreffen, aber auch außerhalb bei den vorgegebenen Kommunikationswegen weiter
besprochen werden. Bei den informellen Normen spielen die Verhaltensrollen der
Mitglieder eine Rolle. Dabei wird das Verhalten sowohl in der formellen als auch in
der informellen Struktur geregelt. Beispiele dafür sind die Regelung der Arbeit, wer
was in der Organisation und informell macht z.B. ein anderer verrichtet diese Arbeit,
da er sie auch früher schon gemacht hat.
In Bezug auf die Informellen Führer werden die Mitarbeiter herangezogen, die eine
hohe fachliche Kompetenz aufweisen und langjährige Erfahrung haben. Diese
Mitarbeiter haben eine besondere Autorität im Unternehmen. Diese Personen
können eine integrierende und stabilisierende Autorität einnehmen. Dabei kommt es
auch in manchen Fällen zu Konflikten mit dem formellen Führer (vgl.
http://www.ibim.de/pl+orga/2-5.htm, [02.01.2012). Deshalb ist die Kommunikation im
Unternehmen von großer Bedeutung. Aber dabei stellt sich folgende Frage:
Was bedeutet Kommunikation? Von Paul Watzlawick stammt folgendes Zitat: „Man kann nicht nicht
kommunizieren“ http://www.enjoyliving.at/geistseele-magazin/soziale_kompetenz/wir-
verstehen-uns-.html, (01.12.2011]). Dabei setzt Watzlawick die Kommunikation mit
dem Verhalten auf eine Ebene und meint, dass es immer eine Kommunikation gibt,
auch wenn nichts gesprochen wird. Das passiert durch das Verhalten. Jedes
Verhalten hat seine eigene Bedeutung und auch einen kommunikativen Charakter.
Es wird etwas mitgeteilt und gibt dem Empfänger eine Botschaft entweder durch
Handeln, Nichthandeln, Sprechen oder Schweigen (vgl.
http://www.enjoyliving.at/geistseele-magazin/soziale_kompetenz/wir-verstehen-uns-
.html, (01.12.2011]).
Wie sieht die Kommunikation überhaupt aus? Es gibt mindestens zwei Akteure. Diese tauschen sich über ein Thema in einer für
beide bestimmten Umgangsform aus. Dieser Austausch erfolgt über Schrift, gesagte
Wörter, Mimik, Gestik oder Bilder. Die Form des Austausches kann entweder direkt
über Präsenz oder indirekt über die Möglichkeit der Medien erfolgen. Beide Akteure
interpretieren die Sprache, die Schrift, den Ausdruck und das Erscheinungsbild.
Während des Kommunikationsaustausches versuchen beide Partner die Botschaft zu
verstehen. Vorgeschichten, Raum, Zeit, Interesse, Machtanlagen, sowie den Anlass
selbst spielen eine erhebliche Rolle, wie der Kommunikationsprozess abläuft. Ein
weiterer wichtiger Aspekt sind die Kompetenzen, welche im Rahmen der
dynamischen Organisation vorhanden sein müssen. Der Einsatz der Medien darf in
diesem Zusammenhang keine behindernde Rolle spielen, aber auch der ständige
Wechsel beim Umgang mit den verschiedenen Prozessen darf keine erschwerende
Rolle spielen. Dies zeigt von Fach- und Methodenkompetenz und zeigt auch die
Selbstkompetenz und die Sozialkompetenz (vgl. http://www.enjoyliving.at/geistseele-
magazin/soziale_kompetenz/wir-verstehen-uns-.html, (01.12.2011]).
Kommunikation in einem dynamischen Unternehmen
Ein Erfolg eines Unternehmens hängt stark von der Kommunikation ab. Deshalb ist
die Kommunikation zwischen den Beteiligten, sowohl intern als auch extern von
großer Bedeutung. Die modernen Kommunikations- und Informationstechnologien
sollen den Mitarbeitern helfen, die Kommunikation bzw. auch das alltägliche Tun zu
erleichtern. Dazu benötigt man aber auch die Kompetenz mit Medien umzugehen.
Welche Neuheiten bzw. Besonderheiten gibt es überhaupt bei den Netzwerken (vgl.
Internet). Der Trend geht dahin, dass Netzwerke dynamisch und flexibel sein müssen.
Netzwerke werden häufig mit Projekten verbunden und dadurch ändern sich auch die
Zusammenarbeit und die Kommunikation (vgl. Ackermann 2007).
Weitere Trendentwicklungen sind Fusionierungen von Betrieben, sowie temporäre
Teamarbeit, Reorganisierungen von Betrieben und Prozessoptimierungen. Eine
Organisation galt als stabil, hierarchisch strukturiert und als geschlossen. Heutzutage
werden Organisationen in verschiedene Gruppen, wie Profit und Nonprofit –
Organisationen unterteilt, sowie in modulare, virtuelle Organisationen und auch
Kooperationsgeflechte gelten als Organisation. Bei diesen verschiedenen
Organisationsformen ist die Kommunikation zwischen den einzelnen Organisationen
von Wichtigkeit, da die Qualität der Beziehungen durch die Kommunikation gesteigert
werden kann. Wichtig dabei sind die Informations- und Kommunikationstechnologien.
Sie erleichtern die Kommunikation zwischen den einzelnen Unternehmen. Diese
Verbindungen zwischen den Unternehmern sind häufig zeitlich begrenzt. (vgl.
http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/gestaltung-von-kommunikation-in-
dynamischen-organisationen-und-netzwerken/ S 2, [22.12.11]).
Kommunikation und Beziehungen
Kommunikation funktioniert besser, wenn man sich gegenseitig kennt und auch die
Vorlieben, Eigenheiten und Werte des anderen kennt und schätzt. Es entsteht eine
Vertrauensbasis, welche das Zusammenarbeiten deutlich erleichtert und die bei
Fehlern bzw. auch bei Konflikten hilfreich sein kann, damit eine Lösung gefunden
bzw. ein Konflikt beseitigt werden kann. Bei dem längeren Zusammenarbeiten
werden bestimmte Handlungsabläufe zur Routine und das so genannte Hand in
Hand arbeiten funktioniert einwandfrei. Gemeinsame Erfahrungen können für das
Lernen in der Organisation beitragen und fördern sowohl bei formellen als auch bei
informellen Situationen das Wachstum sowie die Individualität und die Kollegialität.
Dies fördert nicht nur das Wissen im Prozess, sondern auch die Interaktion und somit
auch die Innovation (vgl. http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/gestaltung-
von-kommunikation-in-dynamischen-organisationen-und-netzwerken/ [22.12.2011]).
Faktoren, die Mitarbeiter haben müssen, um eine Idealsituation in der Berufswelt in
Bezug auf die Kommunikation herzustellen sind Zusammenarbeit, Vertrauen,
Umgangsformen und sowohl persönliche, als auch soziale Kompetenz (vgl. Pardon
2006, 105 ff).
Die Frage, die sich weiters stellt ist, was brauchen die Mitarbeiter als Akteure in einer
dynamischen Organisation?
Strategische und situative Professionalität: Diese gibt Klarheit über die Position
und die Rolle in der Organisation selbst. Somit ist das Handlungsfeld klar und die
Beziehungen können ausgebaut und Projekte geplant und durchgeführt werden (vgl.
http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/gestaltung-von-kommunikation-in-
dynamischen-organisationen-und-netzwerken/ [22.12.11]).
Einstellung: Die Einstellung der Mitarbeiter spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Das
Selbst-Bewusstsein eines jeden wird in der Haltung, in der Einstellung, bei seinen
Werten und bei der Motivation sichtbar. Dabei kommt es darauf an, wie die
grundsätzliche Einstellung zu Beziehungen bzw. zum Zusammenarbeiten jenes
einzelnen ist und so kann auch die Zusammenarbeit bzw. die Umsetzung in der
Organisation gefördert oder gehemmt werden (vgl. http://www.community-of-
knowledge.de/beitrag/gestaltung-von-kommunikation-in-dynamischen-
organisationen-und-netzwerken/ [22.12.11]).
Interpretatives Lernen: Durch den dynamischen Prozess im Unternehmen wird das
interpretative Lernen gefördert und die Arbeitsweise in den Gruppen wird durch
Reflexion, Feedback und erneutem Bearbeiten ständig weiterentwickelt. Die
Veränderungen zur starren Organisation liegt darin, dass das Verstehen des
Vorhabens von Bedeutung ist. Natürlich fördert dies auch die Beziehung zu den
Geschäftspartnern und die Zusammenarbeit.
Verständigungssicherung . In einer dynamischen Organisation können diese nur
dann eingesetzt werden, wenn persönliche Präsenz, fehlende Routine, Konzentration
auf elektronischen bzw. schriftlichen Austausch vorhanden sind oder eine face-to-
face Kommunikation bietet reichhaltigen Kontakt (vgl. http://www.community-of-
knowledge.de/beitrag/gestaltung-von-kommunikation-in-dynamischen-
organisationen-und-netzwerken/ [22.12.11]).
Kommunikationswege in Netzwerken
Es gibt drei Wege der Kommunikation, die Abwärts-, die Aufwärts- und die
Horizontalkommunikation.
Die Abwärtskommunikation, auch Top-down-Kommunikation genannt wird in
einem Unternehmen am häufigsten verwendet. Diese Kommunikation erfolgt so,
dass die Mitarbeiter einer Organisation Anweisungen, Instruktionen von einer
höheren Position erhalten. Des weiteren wird den Mitarbeitern das Vorhaben des
Unternehmens erklärt, sowie Pläne und die Entwicklung präsentiert. Durch Aus- und
Weiterbildung werden Mitarbeiter dazu angeleitet bestimmte Kompetenzen zu
erwerben und diese danach auch in dem Unternehmen einzusetzen. Das
Management entscheidet und begründet die Entscheidung (vgl. Oberhofer 2008, 47
ff.).
Medien, welche in diesem Zusammenhang verwendet werden sind: Rundschreiben,
Jahresberichte, Newsletter, Filme und Präsentationen. Feedback wird in dieser Form
der Kommunikation nicht gelebt.
Probleme die bei dieser Art der Kommunikation auftauchen sind: das so genannte
Herrschaftswissen: das heißt, dass Informationen zurückgehalten werden. Die
Verzerrung der Information durch Missverständnisse oder durch persönliche Motive.
Vorteile die diese Methode mit sich bringt sind, wenn Mitarbeiter direkt einen Brief
bzw. eine Information vom Management bekommen, so ist diese Botschaft klar und
es entstehen dabei keine Missverständnisse (vgl. Oberhofer 2008, 47 ff.).
Bei der Aufwärtskommunikation oder auch noch Bottum-up-Kommunikaion
genannt, ist die Form der Kommunikation, die von unten nach oben funktioniert. Der
Vorteil dieser Art der Kommunikation ist es, die Wünsche, Erwartungen,
Informationen von Mitarbeitern werden so zur Geschäftsleitung, sowie zum
Vorgesetzten transportiert. Ziel dieser Kommunikationsform ist es auch, dass
Probleme direkt zum Vorgesetzten gelangen und bei Entscheidungsfragen dort
gelöst werden können. Ein weiterer Vorteil ist auch, dass Vorschläge und
Innovationen direkt zum Management gebracht werden können. Lösungsvorschläge
und Erfahrungen der Mitarbeiter können effizient genützt werden. Aber auch
Meinung, Einstellungen und Gefühle spielen bei der neuen Zielsetzung, sowie bei
der Unternehmensstrategie eine wichtige Rolle und können dabei einfließen.
Instrumente, die bei dieser Form der Kommunikation eingesetzt werden sind:
Mitarbeiterbefragung, Vorgesetztenbeurteilung, Beschwerdemanagement und
betriebliches Vorschlagswesen (vgl. Oberhofer 2008, 47 ff.).
Von den Medien wird hier häufig, Briefe, Mitarbeitergespräche, Telefon, Workshops,
Seminare für Kommunikation eingesetzt, aber auch das Intranet und der E-
Mailverkehr haben hier ihre Berechtigung. Ob diese Kommunikationsform gut
funktioniert hängt von der Beziehung zwischen den Mitarbeitern und dem
Vorgesetzten ab. Ob eine so genannte Open-door-Politik in dem Unternehmen
herrscht, hängt vom Vertrauen in der Beziehung zwischen den beiden ab.
In Bezug auf die Horizontalkommunikation, auch noch In-between-Kommunikation
meint man jene Kommunikationsebene, die sich weder noch in die Aufwärts- noch in
die Abwärtskommunikation einordnen lässt. Dabei ist die Kommunikation in den
Berufsgruppen, in derselben Hierarchie gemeint. Diese Form der Kommunikation
spielt bei der Entscheidungsfindung, sowie bei der Koordination, Abstimmung,
Problemlösung und in der sozio-emotionalen Unterstützung eines Kollegen eine
wichtige Rolle.
Instrumente, welche bei dieser Form der Kommunikation eingesetzt werden sind:
Intranet, Meeting, E-Mail, abteilungsübergreifende Meetings und Besprechungen,
sowie informelle Gespräche (vgl. Oberhofer 2008, 47 ff.).
Strukturen der Netzwerke Es gibt unterschiedliche Formen, welche die Struktur eines Netzwerkes auflisten
kann. Dazu gehören: Sternstruktur, Kettenstruktur, Y-Struktur, die Kreis-Struktur und
die Vollstruktur. Folgende Strukturen kommunizieren auf unterschiedliche Art und
Weise. Bei der Sternstruktur kommunizieren die Mitarbeiter der Organisation nur mit
der zentralen Position. Die Mitarbeiter selbst haben keine Option sich direkt
untereinander auszutauschen. Diese Art der Strukturform wird auch noch als
Vorgesetztenstruktur bezeichnet. Diese Form eignet sich gut für Übermittlung von
Entscheidungs-, Durchführungs- und Kontrollinformationen, da dabei nur ein Weg
möglich ist (vgl.Byers 1997, S 46 in Mast 2006, 226). Ein Beispiel dafür ist der
Kontakt aus der Sicht des Vorgesetzten zu einem Kunden, auf der anderen Seite
zum Lieferanten und auf einer anderen Seite zur Außenstelle A, B und C.
Bei der Kettenstruktur handelt es sich um eine lineare Form. Dabei sind die
Mitglieder des Unternehmens linear angeordnet. Die Kommunikation läuft von A zu B
und von B zu C, usw.. Bei dieser Struktur gibt es keinen Kontakt untereinander.
Langfristig besteht die Gefahr, dass Informationen verloren gehen und auch verzerrt
werden. Diese Form der Kommunikation ist eine typische vom Vorgesetzten zu
seinen Mitarbeitern über alle Führungsebenen (vgl. Byers 1997 42 ff. in Mast 2006, S
227).
Die Y-Struktur teilt die Kommunikationswege nach dem Aufbrechen in zwei Teile.
Diese teilt sich auf und kann in zwei unterschiedliche Beziehungen aufbrechen. Ein
Beispiel davon ist, wenn in einem Unternehmen die fachliche und funktionale
Führung getrennt gehalten werden. Dabei spielen bewusst zwei unterschiedliche
Kommunikationsnetzwerke eine wichtige Rolle (vgl. Byers 1997, S. 42 ff in Mast 2006,
227).
Abb. 1.: Modifiziert nach Byers 1997 in Mast 2006, 226
Abb. 3.: Modifiziert nach Byers 1997 in Mast 2006, 226
Abb. 2.: Modifiziert nach Byers 1997 in Mast 2006, 226
Anhand der Kreisstruktur ist erkennbar, dass direkt mit den
Kommunikationsnachbarn eine Verbindung herrscht. Der Informationsaustausch
funktioniert nur mit den Nachbarn, aber ansonsten mit keinem des Kreises. Beispiele
dafür sind Vertreter, welche von jemanden anderen hören, wer die Botschaft
weitervermittelt hat (vgl. Byers 1997, S 42 ff. in Mast 2006, 227).
Eine weitere Struktur ist die so genannte Vollstruktur. Diese wird auch noch als Form
der offenen Kommunikation gesehen. Dabei kann jedes Mitglied des Unternehmens
mit jedem anderen kommunizieren. In diesem System gibt es zahlreiche
Kommunikationspartner und auch soziale, sowie persönliche Kontakte, die nach
Belieben intensiviert werden können. Der Nachteil dieses
Kommunikationsnetzwerkes ist die Zeitintensität, welche benötigt werden kann, um
an die richtigen Informationen zu kommen. Die Anwendung dieses Systems findet
man bei Problemlösungen oder Brainstormings (vgl. Byers 1997, 46 ff. in Mast 2006,
228). Natürlich gehen die Kommunikationswege in beide Richtungen.
Abb. 4 Modifiziert nach Byers 1997 in Mast 2006, S 228
Abb. 5.: Vgl. Byers 1997 S 46 ff. in Mast 2006, S 228
Netzwerke in einem Unternehmen können unterschiedlicher Natur sein, wichtig bei
allen Netzwerken ist die Kommunikation. Jedes Netzwerk zeigt Vorteile und
Nachteile. Wichtig dabei ist, die Kommunikation zwischen den einzelnen Netzwerken.
Ob dies eine Aufwärts-, Abwärts- oder Horizontalkommunikation ist, ist nicht von
Bedeutung. Die Qualität der Kommunikation wird von der Art der
Kommunikationsform zwar beeinflusst, aber jeder Mitarbeiter kann trotzdem die
Qualität der Kommunikation in einem Unternehmen steigern.
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dynamischen-organisationen-und-netzwerken/ S 2, [22.12.11]
Formelle und informelle Netzwerke (Santer Sarah, BA)
„Beziehungen sind alles. Alles im Universum existiert nur, weil es in Beziehung zu
allem anderen steht. Nichts existiert isoliert. Wir müssen aufhören so zu tun, als
wären wir Individuen, die es allein schaffen.“ (Margaret J. Wheatley)
Netzwerke sind ein Geflecht aus sozialen Beziehungen. Sie sind gekennzeichnet von
strukturierten Prozessen des Informationsaustausches, können als Hilfeleistung
angesehen werden die auf Gegenseitigkeit beruhen und als Ressourcen die für die
Mobilisierung von Bedeutsamkeit sind (vgl. Feltz und Koppke, 2004, S. 138).
Durch die Verbreitung von interaktiven neuen Medien die die breite Masse
ansprechen, dringen diese Netzwerke immer häufiger in den heterogenen Kontext
hinein und finden dort Anwendung (vgl. Feltz und Koppke, 2004, S. 138).
Die Bedeutung von beruflichen und sozialen Netzwerken im
Zusammenhang mit der Arbeitswelt nimmt stetig zu.
Möglicherweise liegt eine der Ursachen in der aktuell sehr
schnelllebigen, dynamischen und unsicheren Zeit in der sich
die Gesellschaft gerade befindet. Alles ist von enormer
Schnelligkeit geprägt, die Technik schreitet immens voran und
der Mensch muss sich an die gegebenen Veränderungen anpassen so gut wie es
ihm nur möglich ist – und sehr häufig ist dies ein schwieriger Weg – weshalb man
sich beispielsweise in der Arbeitswelt wieder verstärkt unterschiedliche Beziehungen
knüpft, um sich dadurch eventuell gegenseitig zu stützen (vgl. Schmich, 2011, S. 44).
Auch der Faktor der eigenen Arbeitsplatzsicherheit spielt mit eine Rolle sich wieder
verstärkt mit Netzwerken zu beschäftigen. Denn in der heutigen Zeit ist die Sicherheit
eines Arbeitsplatzes nirgendwo mehr vollkommen gegeben; viel zu schnell besteht
die Möglichkeit eines raschen Austrittes aus der Arbeitswelt (vgl. Schmich, 2011, S.
44).
Wenn man heute von Netzwerken redet, möchte man damit sehr häufig
unterschiedliche Kontaktaufnahmen und –geschichten beschreiben. Es geht
beispielsweise um die Chancen von Netzwerken sowohl auf formeller als auch
informeller Basis (vgl. Holzer, 2006, S. 8 f).
In den folgenden Ausführungen spielen vor allem die im Zusammenhang mit der
Arbeitswelt existierenden formellen und informellen Netzwerke eine Rolle.
Im beruflichen Alltag gibt es ein klares Erscheinungsbild über das Vorhandensein
von formellen und informellen Netzwerken, die sich durch bestimmte Merkmale
wesentlich voneinander unterscheiden und doch beide auf wesentliche Art essenziell
wichtig sind.
Formelle Beziehungen
Formelle Beziehungen weisen das Charakteristikum auf, dass hierbei meistens
mehrere Unternehmungen mit eine Rolle spielen, im Gegensatz zu informellen
Netzwerken. Das bedeutet das bei den formellen Netzwerken für den
Unternehmensinhaber bzw. die Führungsebene sowohl persönliche Motive von
Bedeutung sind, jedoch aber auch wirtschaftliche Aspekte, wie etwa Kennzahlen aus
der Einnahmen- und Ausgabenpolitik. Demzufolge sind es die formellen
Beziehungen, die darauf angewiesen sind, dass eine hohe Beteiligungsanzahl
vorhanden ist, um eine Zusammenarbeit mit anderen Unternehmungen überhaupt
erst möglich machen zu können (vgl. Grimm, 2004, S. 189).
Bei der Formung von formellen Beziehungen zu anderen Unternehmen ist es ein
wichtiges Ziel seine eigenen Vorstellungen zu kennen und nach diesen zu agieren.
Somit spielt es auch eine entscheidende Rolle sich schlussendlich Partner zu suchen,
die zu den eigenen Netzwerkzielen passen. Als Partner gilt hierbei sowohl ein
Stakeholder als auch ein Zielkunde der eigenen Unternehmung. Ein Augenmerk
hierbei sollte auch auf die einzunehmende Rolle der Partner gelegt werden, sprich ob
die Partner eine aktive Rolle für das eigene Unternehmen einnehmen, oder eher als
ein passiver Zuhörer agieren (vgl. Grimm, 2004, S. 189).
Entscheidet man sich an einem formellen Netzwerk teilzunehmen, muss man darauf
achten ob mit diesem Eintritt auch Gebühren in Verbindung stehen, wie etwa
Eintrittsgebühren, um sich als reales Mitglied outen zu dürfen. In wie weit hier
Kosten- und Nutzen-Verhältnis zum Tragen kommen, muss jede Unternehmung für
sich selbst entscheiden (vgl. Grimm, 2004, S. 189).
Formelle Beziehungen gliedern sich in die organisationale Struktur einer
Unternehmung ein und charakterisieren vor allem das Verhältnis zwischen Kollegen
und Kolleginnen, die gemeinsames Arbeiten verbindet, die Beziehung zwischen
Mitarbeitern und Vorgesetzen, sowie auch das Verhältnis zwischen den
verschiedenen Organisationen und den Angehörigen der Kunden (vgl. Brink, Ernst-
Auch & Faber, 2011, S. 311).
Formelle Beziehungen zählen zu den offensichtlichen Netzwerken, das heißt man
kann sich leicht Informationen über sie einholen, wie beispielsweise durch die nähere
Betrachtung der Internetseite einer Unternehmung oder durch das Lesen diverser
Broschüren und Folder die von dem Unternehmen herausgegeben werden.
Vorrangiger Zweck von formellen Netzwerken ist das Vorhandensein von
gemeinsamen Zielen, gemeinsam an Prozessen und Aufgabengebieten zu arbeiten,
diese zu optimieren und zu gestalten.
Unternehmungen von heute leben vor, dass jedoch nicht nur die formellen
Beziehungen in einem Unternehmen von Bedeutung sind, sondern auch zunehmend
die informellen Netzwerke an Gewicht gewinnen. Demzufolge bedienen sich bereits
einige Unternehmungen informeller Netzwerke, um diese innerhalb des Betriebes
sinnvoll zu nutzen und einzusetzen (vgl. Brink, Ernst-Auch & Faber, 2011, S. 311).
Informelle Beziehungen
Die informellen Beziehungen sind grundsätzlich nach außen hin nicht erkennbar.
Sie ergeben sich unabhängig vom Unternehmenskontext, das heißt außerhalb von
organisationalen Strukturen. Informelle, soziale Beziehungen gehören zum
Grundkonzept eines jeden Netzwerkes und weisen eine breit gefächerte Definition
auf, da sie sehr vielfältig zu interpretieren sind. Man versteht darunter beispielsweise
gesellige Beziehungen unter Bekannten bzw. Freunden, es gehören jedoch auch e-
Mail Kontakte bzw. Briefbekanntschaften, die eventuell noch nie einer persönlichen
Begegnung entsprachen, dazu, wie ebenfalls die Beziehung unter Arbeitskollegen
(vgl. Holzer, 2006, S. 9).
Diese Beziehungen verbindet mehr, als rein der Arbeitskontext und Kommunikation
findet hierbei auch außerhalb der Unternehmung statt. Das bedeutet das Mitarbeiter
die eine gewisse Sympathie zueinander aufweisen, gut miteinander auskommen und
sich verstehen, die eventuell auch Gemeinsamkeiten verbindet, sich häufig zu einer
produktiven und harmonischen Gruppe zusammenschließen und gemeinsam
erfolgreich an einem Ziel arbeiten (vgl. Brink, Ernst-Auch & Faber, 2011, S. 311).
Ob dieser Kontakt, den die Mitarbeiter untereinander führen jedoch von Dauer ist
oder eher mehr auf Zeit angelegt, dass entscheiden die jeweiligen Individuen ganz
speziell für sich. Im Allgemeinen kommt es jedoch zum Aufbau von persönlichen als
auch unpersönlichen Beziehungen, die entweder von einer wiederholten oder jedoch
von einer eher sporadischen Kontaktaufnahme geprägt sind (vgl. Holzer, 2006, S. 9).
Für Unternehmungen ist vor allem der Kontext von häufiger existierenden Kontakten
von Interesse. Das heißt nicht, dass es nicht wertvoll erscheint sich auch mit
gelegentlichen Beziehungen zu beschäftigen, ein Netzwerk beginnt jedoch vor allem
erst dann zu entstehen, wenn sich dabei „ein mehr oder weniger stabiles und vor
allem erwartbares Beziehungsmuster herauskristallisiert.“ (Holzer, 2006, S. 9).
Für jedes Unternehmen ist es essentiell wichtig die informellen
Kommunikationsstrukturen zu (er)kennen, um diese schlussendlich effizient und
äußerst nutzenstiftend einzusetzen.
Dahingehend wird ein Unternehmen, das ein gutes Arbeitsklima und motivierte,
engagierte Mitarbeiter in deren Betrieb haben möchte, sich verstärkt mit der
Thematik der formellen und im Speziellen den informellen Netzwerken in deren
Unternehmensbereich beschäftigen. Es ist für ein Unternehmen wichtig zu wissen,
welche Personen gut miteinander arbeiten können, denn somit wird gewährleistet,
dass die Ziele die zu verfolgen sind, auch adäquat und erfolgswirksam erfüllt werden
(vgl. Brink, Ernst-Auch & Faber, 2011, S. 311).
Netzwerke
Netzwerke sind grundsätzlich überall in unserer Gesellschaft zu finden. Vor allem
seit der Vielzahl an technischen Möglichkeiten globaler Vernetzung ist es uns auf
unterschiedlichsten Wegen möglich mit Menschen in Kontakt zu treten und mit ihnen
zu kommunizieren.
Dadurch hat sich das Bild der Arbeitswelt um einiges gedreht und erlangte einen
völlig neuen Stellenwert. Heutzutage ist es möglich mit Personen aus aller Welt in
Verbindung zu treten und mit ihnen zu arbeiten. Somit etablierte sich unsere
Gesellschaft zu einer „Netzwerkgesellschaft“, der eine breite Fläche an Möglichkeiten
der Kommunikation zur Verfügung steht.
Die Wissenschaft fordert eine verstärke Vernetzung zwischen einzelnen Strukturen
und die Verwendung von Netzwerksystemen. Das Vorhandensein und der Gebrauch
von diversen Netzwerkaktivitäten wird von potenziellen Mitarbeitern die sich in ein
Unternehmen integrieren möchten beinahe schon wie selbstverständlich
vorausgesetzt (vgl. Holzer, 2006, S. 5).
Gemeinschaftsportale
Gemeinschaftsportale, Online-Kontaktnetzwerke bzw. Online Community sind
Ausprägungen von informellen und formellen Beziehungen die in den letzten Jahren
enorm an Ansehen und Bedeutung gewonnen haben.
Eine Online Community ist „eine Gruppe von Menschen, die eine gemeinsame
Affinität teilen, dessen Aufrechterhaltung jedoch nicht abhängig von physischer
Interaktion oder einem gemeinsamen Standort ist.“ (Barnatt, 1998; zitiert nach
Messerschmidt, Berger und Skiera, 2010, S. 97)
Diese Netzwerkgemeinschaften charakterisieren die Vorstufe von sozialen
Beziehungen. Durch gewisse Netzwerkverbindungen entstehen solche
Gemeinschaftsprotale die ein bestimmtes Thema verfolgen, in denen man sich
austauscht, miteinander diskutiert und in Kontakt treten kann. Immer mehr
Unternehmungen setzen auf Online Communities und gebrauchen diese als ein
Marketinginstrument (vgl. Jooss, Egger, Hinterholzer, und Bretbacher, 2011, S. 297).
Wenn sich ein Unternehmen dazu entschließt eine Online Community zu errichten,
dann muss es sich darüber im Klaren sein sich ständig mit dieser Plattform
beschäftigen zu müssen. Denn Online-Plattformen leben davon, dass tagtäglich
neue Themen gepostet und der Öffentlichkeit als Diskussionsmöglichkeit angeboten
werden. Via Chats, Foren und/oder dem Instant-Messenger ist es den Menschen die
dieser Community beitreten möglich, sich gegenseitig auszutauschen und deren
Wissen Preis zu geben bzw. deren Meinung Kund zu tun (vgl. Dittler, Kindt, und
Schwarz, 2007, S. 8).
Somit stellen Online-Communities eine Erneuerung sozialer Systeme dar, die es
bisher in dem Vorhandensein von Netzwerken noch nicht gegeben hat (vgl. Dittler,
Kindt, und Schwarz, 2007, S. 8).
Jedes Individuum kann frei entscheiden ob es einer Online-Community beitreten
möchte oder nicht. Sollte es sich dafür entscheiden, kann es seine eigene
persönliche Profilseite erstellen und Angaben anführen, die es der Öffentlichkeit
gerne Preis geben möchte. Es ist dem User möglich durch das Erstellen einer
Profilseite auch Profilseiten anderer Community-User einzusehen und somit
Informationen über sie zu bekommen. Wenn man gerne mit jemanden näher in
Kontakt treten möchte, so kann man dies ohne weiteres per Mausklick tun – und
somit entstehen soziale webbasierte Netzwerke. (vgl. Messerschmidt et al., 2010, S.
97)
Zu Beginn der Entstehung von Online-Communities waren es vorrangig
Unternehmen die eine dieser Plattformen eröffneten, um somit auf sich aufmerksam
zu machen bzw. bestimmte Themenbereiche zu posten. Das heißt es waren
vorwiegend nur Konsumenten oder Interessenten die sich
solch einer Community anschlossen. Myspace
beispielsweise wurde gegründet weil es den Schwerpunkt
bei Musikern hatte und StudiVZ und Facebook stellten
grundsätzlich Plattformen für Studenten dar. Als sich jedoch
auch andere, nicht studierende Personen anmeldeten,
einfach weil sie Bekannte in ihren Freundeskreis hatten die Studenten sind, wurde
diese Community weiter eröffnet und somit für jedermann zugänglich.
Sehr viele weitere Plattformen, auch ohne definierte Zielgruppe, kamen auf den
Markt, wie zum Beispiel Wer-kennt-wen und fanden in der Gesellschaft Anklang. Sie
profitierten von der Neugier und dem Bedürfnis der Kunden sich in soziale
webbasierte Netzwerke zu integrieren, um einen Austausch mit anderen Personen
über das Internet zu wagen (vgl. Messerschmidt et al., 2010, S. 97)
Heutzutage könnte man sich ein Leben ohne soziale Netzwerke nicht mehr vorstellen.
Eine Vielzahl der Erdbewohner ist Mitglied in nicht nur einer Online-Community und
tauscht sich tagtäglich mit Menschen auf der ganzen Welt aus.
Dahingehend hat auch der Schutz der Privatsphäre an Bedeutung gewonnen. Somit
ist es jedem User selbst überlassen welche Informationen er über sich selbst gerne
angeben und der Öffentlichkeit zeigen möchte. Hierzu gibt es diverse
Einstellungsoptionen, die ein User individuell gebrauchen kann. Außerdem ist es
dem Benutzer möglich Einschränkungen zu treffen, beispielsweise wer welche
Informationen sehen darf und für wen sie „unsichtbar“ bleiben sollen. Der Konsument
kann „Gruppen“ bilden, Freundeslisten und Fotoalben erstellen (vgl. Messerschmidt
et al., 2010, S. 100).
Folgende Grafik erläutert die unterschiedlichen Funktionen von Online-Communities
genauer und unterteilt sie in sechs Gruppen. Die Reihenfolge zeigt einen typischen
Verlauf auf, der jedoch nicht unbedingt eingehalten werden muss.
Abbildung 8: Funktionalitätsgruppen in Online-Commu nities (Messerschmidt et al., 2010, S. 101)
Betrachtet man sich beispielsweise facebook , als einen Gebrauch von den
unterschiedlichsten Online-Communities, näher so zeigt sich folgendes Bild:
Facebook existiert seit ungefähr fünf Jahren und nimmt heute bereits einen festen
Bestandteil im Leben bzw. Alltag von Millionen von Personen ein. 2011 verzeichnete
die Internetplattform über 500 Millionen aktive User, wovon die Hälfte tagtäglich
eingeloggt ist (vgl. http://derstandard.at/1293370568242/Grafik-Der-Facebook-
Wahnsinn-in-Zahlen, Zugriff am 28.12.2011).
Beleuchtet man wie Millionen von Nutzern mit facebook umgehen, so erhält man
erstaunliche Daten. Die höchste Benutzerzahl scheint in den USA auf, wo bereits
rund 70 % dieser Online-Community beigetreten sind. Laut statistischen Angaben
sind mehr als 30 % der User über 35 Jahre alt und 28 % der Facebook-Nutzer gehen
via Smartphone oder Notebook online bevor sie morgens aufstehen. Gleich nach
dem Aufwachen gehen rund 48 % der zwischen 18 und 34-jährigen in facebook
online. (vgl. http://derstandard.at/1293370568242/Grafik-Der-Facebook-Wahnsinn-in-
Zahlen, Zugriff am 28.12.2011).
Im Jahr 2010 war das Schlagwort facebook mit 2,11 % der am häufigsten gesuchte
Begriff im World Wide Web. Aus der Untersuchung geht weiteres hervor, dass bereits
mehr Menschen via facebook miteinander „sprechen“, als sie es im realen
alltäglichen Leben tun (vgl. http://derstandard.at/1293370568242/Grafik-Der-
Facebook-Wahnsinn-in-Zahlen, Zugriff am 28.12.2011).
Wenn man sich genauer betrachtet was alles auf facebook passiert, erläutert die
Studie hierzu folgende Zahlen: Alle 20 Minuten werden um die eine Million Links
geteilt, ungefähr 1,6 Millionen Mal auf die Pinnwand von Freunden eine Nachricht
hinterlassen, 1,8 Millionen Updates des eigenen Status gemacht, circa 2 Millionen
Freundschaftsanfragen ausgesendet, ungefähr 1,5 Millionen Einladungen zu
diversen Events an Freunde und Co verschickt, 1,3 Millionen User auf Fotos markiert
und 10 Millionen Kommentare verfasst (vgl.
http://derstandard.at/1293370568242/Grafik-Der-Facebook-Wahnsinn-in-Zahlen,
Zugriff am 28.12.2011).
Betrachtet man sich das Bild von facebook in Deutschland genauer, so hängt
facebook alle anderen Social Netzwork-Konkurrenten deutlich ab. 47 % der
deutschen Internetnutzer sind facebook-User (vgl. http://www.media-
spectrum.de/Nachrichten/100/3182/Facebook-haengt-Social-Network-Konkurrenz-
ab.html, Zugriff am 28.12.2011).
Folgende Grafik erläutert die Top-10 der Online-Communities in Deutschland
genauer:
Abbildung 9: Die Top 10 der Online-Communities
Facebook, Twitter und Co. nehmen somit schon sehr häufig einen bedeutenden
Stellenwert im Leben von Community-Usern ein. Es ist jedoch Vorsicht geboten,
denn diese neuen Medien sind zwar praktisch in der Anwendung und stehen meist
relativ rasch zur Verfügung, haben jedoch auch ihre Schattenseiten (vgl.
http://www.ak-tirol.com/online/facebook-twitter-co-
55601.html?mode=711&STARTJAHR=2008, Zugriff am 29.12.2011).
Gemeinschaftsportale bieten zwar eine optimale Möglichkeit für Unternehmungen
bestimmte Produkte oder Marken in den Köpfen von unterschiedlichen
Personengruppen zu verankern und dadurch auf sich aufmerksam zu machen, sie
stellen jedoch auch eine Gefahr für die im Unternehmen beschäftigten Personen dar,
wenn sich beispielsweise das Unternehmen Informationen via Online Plattformen
über deren Mitarbeiter einholt oder sich dieser Communities bedient, um sich vorab
ein Bild über potenzielle Bewerber zu verschaffen. Daher sollte unbedingt darauf
Wert gelegt werden, sich genau zu überlegen, welche Meldungen, Fotos, etc. man
der Öffentlichkeit Preis gibt (vgl.
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/399116_Facebook-
Twitter-und-Co-am-Arbeitsplatz.html, Zugriff am 29.12.2011).
Sehr viele Unternehmungen haben diese Gemeinschaftsportale noch nicht gebloggt
oder machen es mit Absicht nicht, um zu analysieren wie häufig Mitarbeiter
Facebook, Twitter und Co. nicht wiederstehen können und sich während der
Arbeitszeit einloggen.
Gemeinschaftsportale stellen ein rasches Medium dar, in dem man schnell und
einfach Informationen in das World Wide Web stellen kann, so wie beispielsweise
Statusmeldungen posten die den aktuellen Job, Arbeitskollegen, den Vorgesetzten,
etc. betreffen – wobei sehr behutsam vorgegangen werden muss – denn wenn man
zu unüberlegt und zu unvorsichtig diverse Meldungen hineinstellt, könnte dies
unangenehme Folgen mit sich bringen (vgl. http://www.ak-tirol.com/online/facebook-
twitter-co-55601.html?mode=711&STARTJAHR=2008, Zugriff am 29.12.2011).
Häufig vergessen Mitarbeiter zum Beispiel dass die jeweilige Unternehmung bei der
sie beschäftigt sind ebenfalls ein Mitglied dieser Community sein könnte und
begehen einen großen Fauxpas wenn sie gegebenenfalls Geschäfts- und
Betriebsgeheimnisse öffentlich posten, oder über das Image der Firma sprechen (vgl.
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/399116_Facebook-
Twitter-und-Co-am-Arbeitsplatz.html, Zugriff am 29.12.2011).
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http://www.ak-tirol.com/online/facebook-twitter-co-
55601.html?mode=711&STARTJAHR=2008, Zugriff am 29.12.2011
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/399116_Facebook-
Twitter-und-Co-am-Arbeitsplatz.html, Zugriff am 29.12.2011
Laiensysteme (Slapnik Bettina, MA)
Einleitung Das Laiensystem wird dargestellt als persönliches, nichtmedizinisches Beratungs- u.
Behandlungssystem, für gesundheitliche Ratschläge. Dazu zählen z.B.
krankheitserfahrene Freunde, Verwandte, Familienmitglieder, aber auch andere
Netzwerke wie Drogerien, Fitness-Center, Saunen, Bücher zur Gesundheitspflege,
zu „alternativen“ Heilmethoden u. a. (vgl.
http://www.imedo.de/medizinlexikon/laiensystem, 27.11.2011).
Die traditionelle Patientenrolle „Die älteste Beziehungsdefinition zwischen Patienten und Professionellen im
Gesundheitswesen, und hier vor allem zwischen Arzt und Patient, ist im
„benevolenten Paternalismus“ zu sehen, in dem der Arzt durch sein Wissensmonopol
die ausschließliche Entscheidungsmacht über Indikation und Intervention erhält,
während sich der Patient diesen Entscheidungen als erduldender, unmündiger und
passiv leidender Kranker zu fügen hat“(Dierks & Schwartz 2003, 317).
Der Patient als Koproduzent von Gesundheit „ Der Patient übernimmt in diesem Rollenmodell als „beteiligter Experte“ durch seine
Mitwirkung am Prozeß der medizinischen Dienstleistung selbst aktiv Leistungen, und
trägt durch seine Mitarbeit wesentlich zur Prozeß- und Ergebnisqualität des
Leistungsgeschehens bei“ (Dierks & Schwartz 2003, 317).
Das Potential der Laien bzw. der Patienten stellt eine große soziale, politische und
auch ökonomische Ressource für das Gesundheitssystem dar. Denn, „ein modernes
Gesundheitssystem kommt ohne eine aktive Mitwirkung der Leistungsadressaten,
also der Laien bzw. Patienten, nicht aus“ (Trojan 2003, 321).
Nachfolgend einige Hintergründe:
• Die Zunahme chronischer und psychischer Erkrankungen welche ein „Leben
mit der Krankheit“ erfordern,
• Unzufriedenheit mit dem bestehenden Strukturen des Gesundheitssystems,
• die finanzielle Situation der Bürger bzw. der Patienten,
• und die veränderten Wünsche, Einstellungen und Erwartungen der jeweiligen
Patienten.
Das sogenannte Laiensystem für die Medizin hat seinen Ursprung in der
medizinsoziologischen Literatur im Bewältigungsverhalten (Coping) des einzelnen
Patienten sowie seiner sozialen Unterstützung.
In diesem Fall wird der Laie als sogenannter Akteur erkannt, während er im Vorfeld
nur als passiv Leidender dargestellt wurde. Ende der 70iger Jahre entstand durch
Badura das System der dualen Gesundheitssicherung. Dual deshalb, da durch
dieses System neben den schon bestehenden Makrostrukturen der öffentlichen
Gesundheitsversorgung auch ein zweites System auf der Mikroebene entstand.
Nämlich das der gegenseitigen und ehrenamtlichen Hilfe. Demzufolge werden im
sogenannten Laiensystem Gesundheitsleistungen ohne die Beteiligung des Staates
erbracht.
Formeller und Informeller Bereich Im informellen Bereich sind Selbsthilfegruppen sowie der Haushalt und deren
primäre Netzwerke der Unterstützung und Hilfe angesiedelt. Im zweiten Bereich dem
sogenannten Non- Profit Bereich befinden sich staatliche oder kommunale
Versorgungseinheiten. Und im dritten Bereich befindet sich neben dem Haushalt mit
all seinen Netzwerken auch der Markt- Sektor. Die Bedarfsdeckung an
gesundheitlichen Leistungen kann nun in jedem dieser drei eben genannten
Bereiche erfolgen, wobei jeder seine eigenen Vorteile mit sich bringt. Die staatliche
Versorgung ist beispielsweise sicher und auch flächendeckend, wobei der informelle
Bereich in Form von sozialer Unterstützung die größere emotionale Nähe und
Geborgenheit mit sich bringt.
Neben psychosozialen Aspekten bspw. in der Kommunikation zwischen Arzt und
Patient spielt auch die Patientenautonomie eine immer größer werdende Rolle. Dabei
wünschen sich Patienten vor allem:
• eine eher partnerschaftliche Beziehung zum Arzt,
• sie wollen als Mensch behandelt werden,
• sie wollen als Experten für ihren eigenen Körper angesehen werden
• und sie wollen ernst genommen werden.
Somit zeigt sich also seitens der Patienten ein starker Wunsch nach mehr Autonomie
und Mitsprache. Die individuelle Vorsorge zeigt sich vor allem in den nachfolgenden
Bereichen sehr stark:
• Entspannung
• Fitness
• Alkohol und Nikotinverzicht
• Größere Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen wie bspw. Massagen
oder ganze Kuraufenthalte
• Disziplin im Alltag
Abb. 1: Das Laiensystem als Teil des sog. Dritten Sektors: Trojan 2003, 323.
Um dieses schier unendliche Potenzial der Laien zu fördern bedarf es gezielter
Maßnahmen im Bereich der Selbsthilfe und Netzwerkförderung. D.h. es erscheint als
sehr sinnvoll den Bereich der Selbsthilfebereitschaft zu unterstützen und weiter zu
entwickeln. Vor allem im Bereich der Pflege durch die Angehörigen (vgl. Trojan
2003).
Die wachsende Bedeutung des Laiensystem In der heutigen Zeit kommt die Gesundheitsversorgung gar nicht mehr ohne die
Eigenverantwortung der Patienten bzw. Laien aus. D.h. der Einfluss von Selbsthilfe
und Eigenverantwortung und das professionelle Gesundheitssystem ergänzen
einander positiv. Denn ein überaus großer Anteil von Krankheiten wird im
Laiensystem, also durch Selbsthilfe behandelt und auch bewältigt. Aber auch die
psychosoziale Versorgung stößt sehr schnell an ihre Grenzen wenn sie den Laien,
also den Patienten und seine Umgebung nicht mit ein bezieht (vgl. Borgetto & Trojan
2007).
Darüber hinaus steigt der Bedarf an Versorgungsleistung aufgrund von chronischen
Erkrankungen und oder Behinderungen immer weiter an. Auch die demografische
Altersentwicklung unserer Gesellschaft sowie die sinkende Leistungsfähigkeit
sozialer Netzwerke in der Familie, Nachbarschaft oder im Freundeskreis tragen nicht
unwesentlich dazu bei (vgl. Borgetto et al. 2011).
Gesundheit und Laiensystem Durch die ständige Wissensanreicherung im Bereich von Wissenschaft und
Forschung bildeten sich in unserer Gesellschaft auch zwei voneinander getrennte
Vorstellungen bzw. Erfahrungswelten im Hinblick auf Gesundheit und Krankheit. Zum
einen gibt es die Laienwelt, welche in meist überlieferten Kategorien denkt und zum
anderen gibt es die professionelle Welt der Medizin. Eine Vielzahl wissenschaftlicher
Studien belegt jedoch, dass der größte Teil der Erkrankungen im Laiensystem, also
unter Ausschluss von Experten bewältigt wird. Das Laiensystem fungiert also als eine
Art Filtersystem zu professioneller medizinscher Unterstützung und Hilfe (vgl.
Hörmann 2006).
Gründe für die Neubewertung und Wiederentdeckung der Selbsthilfe:
• Leistungsmängel im Bereich des Systems der Gesundheitsversorgung,
• die Finanzierungsprobleme des Gesundheitssystems,
• sinkende Akzeptanz der professionellen Dienstleistungsgewährung
• und Probleme im Bereich der Steuerung der Gesundheitspolitik.
Aus diesen Schwachpunkten heraus kam es zu Trends wie Ökonomisierung,
Verrechtlichung, Bürokratisierung sowie zur Überprofessionalisierung des gesamten
Gesundheitssystems.
In Anbetracht dessen, wird bspw. in Deutschland immer wieder versucht anhand von
sogenannten Public Health Projekten eine „Beteiligung von Patienten an der
Versorgungsgestaltung“ herbei zu führen. Vordergründig geht es dabei um die
Beziehung zwischen Laien und Experten im Bereich der Gesundheitsversorgung und
darum gegebenenfalls Handlungs- und Gestaltungsspielräume zu entwickeln.
Weiters natürlich auch hierbei wieder um die „Chancen der Selbsthilfe in den
verschiedenen Kontexten der Versorgung“ besser zu nutzen.
Damit stellen Selbsthilfe sowie Netzwerkförderung Kernelemente der Strategie der
Gesundheitsförderung und Prävention dar. Zudem zeigten epidemiologische Studien,
dass unter Einbindung der Mitglieder verschiedener Netzwerke mit einer geringeren
Krankheitshäufigkeit sowie einer höheren Lebenserwartung zu rechnen ist. Heut zu
Tage wird genau aus diesem Grund auch von „sozialem Kapital“ gesprochen.
Beispielsweise aufgrund dessen, dass in sozialen Netzwerken Vertrauen und
Normen sowie die gegenseitige Hilfe eine überaus große Rolle spielen. Die
Beteiligung der Bürger als sogenannte Laien in der Gesundheitsversorgung wächst
somit stetig.
Am wichtigsten hierbei ist jedoch, dass durch gesundheitliches Vorsorgeverhalten
Krankheiten vermieden werden können und durch verbesserte Kommunikation wird
der informierte Patient so zu sagen zum Partner in der weiteren Behandlung oder
Therapie.
Denn aufgrund seines eigenen „Mittuns“ gestalten sich Therapie sowie Rehabilitation
meist erfolgreicher. Darüber hinaus entlasten pflegende Angehörige oder
ehrenamtliche Helfer in Form von Selbsthilfegruppen den Staat in nicht unerheblicher
Weise. Vor allem Selbsthilfegruppen, denn sie aktivieren Bereiche der gegenseitigen
Hilfe. Somit kann unter diesen Aspekten von einer starken Patienten- und
Bürgerbeteiligung am gesamten Gesundheitswesen gesprochen werden (vgl. Trojan
2011).
Das medizinsoziologische Modell der Patientenkarriere stellt fest: „ehe ein Patient
zum Arzt kommt, hat er seine Selbstdiagnose gestellt, ob eine bestimmte
Empfindung oder ein Ereignis als Symptom aufzufassen ist. Er hat einige
Entscheidungen im Rahmen des Laiensystems getroffen, und erst am Ende einer
Vielzahl verschiedener Schritte steht der Gang zum Arzt“ (Troschke 1998, 552). Dies
bestätigt wiederum, dass nicht alle Beschwerden sofort in Zusammenhang mit einer
Konsultation des Arztes einhergehen, sie werden vielmehr vorab im System oder
Netzwerk der Laien behandelt. Sei es durch Hausmittel oder frei zugängliche
Arzneimittel aus der Apotheke. Angaben zu Folge erscheint diese Methode der
Selbstbehandlung in über 90% der Fälle erfolgversprechend zu sein (vgl. Troschke
1998).
Laienkonzepte von Gesundheit Hinter diesem Begriff, versteckt sich die persönliche Auffassung sowie die jeweilige
Definition von Gesundheit und persönliche Sichtweisen in Bezug auf die Ursachen
und Bedingungen im Kontext zu Gesundheit. Diese werden auch als „subjektive
Theorien“ der Gesundheit bezeichnet. Die Wichtigkeit solcher Konzepte wird in
nachfolgenden Gründen dargestellt:
• Sie befassen sich mit globalen Vorstellungen wie Gesundheit entsteht, bzw.
aufrechterhalten bleibt. Besonders im Hinblick auf die Eigenverantwortung.
• Die Vorstellungen des Laien in Bezug auf seine eigene Möglichkeiten und
Erfolgsaussichten hinsichtlich Prävention, entscheiden auch maßgeblich ob
bestimmte Präventionsmaßnahmen von Experten auch Anklang finden.
Informelle Gesundheitssysteme Bei primären sowie sekundären Gesundheitssystemen handelt es sich somit um
sogenannte informelle bzw. Laiensysteme oder Netzwerke, während tertiäre
Netzwerke eher formellen Charakter haben.
Primäre Netzwerke bestehen aus Familie, Verwandtschaft, Freunden, Bekannten,
Nachbarschaft, Schule oder Arbeitsstätte sowie auch aus informellen Kleingruppen
wie bspw. Selbsthilfegruppen oder Freizeitgruppen.
Sekundäre Netzwerke wiederrum bestehen aus frei zugänglichen Einrichtungen oder
Initiativen wie Vereinen und Organisationen mit sozialpädagogischen Hintergrund,
Gewerkschaften oder Umweltschutzverbänden.
Somit gehören zu primären Netzwerken wie eben erwähnt auch
Gesundheitsselbsthilfegruppen, welche vorrangig durch folgende Merkmale
charakterisiert werden können:
• Es gibt Betroffenheit unter den Beteiligten aufgrund eines gemeinsamen
Problems,
• eher geringe bzw. keine Mitwirkung professioneller Helfer,
• sie sind nicht auf Gewinn ausgerichtet,
• sie verfolgen ein gemeinsames Ziel, nämlich das der Selbst- oder
Fremdveränderung
• und in Bezug auf ihre Arbeitsweise, arbeiten Selbsthilfegruppen mit
Augenmerk auf Gleichberechtigung und gegenseitiger Hilfe.
Ihr Arbeitsspektrum gliedert sich in nachfolgende Punkte:
• krankheitsbezogenen Selbsthilfegruppen, hierbei geht es vordergründig um
die gemeinsame Bewältigung bspw. chronischer Krankheiten oder
Behinderungen,
• lebensphasenorientierten Zusammenschlüssen bei denen es vorwiegend um
die Bewältigung psychischer und sozialer Probleme geht,
• präventive Zusammenschlüsse zur Veränderung des Gesundheitsverhaltens,
• und Zusammenschlüsse um Umweltschutz zu fördern, bspw. gegen
Mülldeponien oder Kernkraftwerke.
Eine Untersuchung des Robert Koch Instituts kam zu dem Ergebnis, dass es allein in
Deutschland ca. 70.000- 100.000 Selbsthilfegruppen mit insgesamt ca. 3 Millionen
Mitwirkenden gibt. Dies wiederrum ist zurück zu führen auf Faktoren wie den Anstieg
von chronischen und psychischen Erkrankungen oder die strukturelle Veränderung in
familiären Beziehungen (vgl. Wallner 2006).
Fazit „Die Rollen von Nutzern im Gesundheitswesen bewegen sich im Spannungsfeld
zwischen Paternalismus und Autonomie, zwischen Sozialstaat und freiem Markt,
zwischen Ausschluß und Partizipation, zwischen Passivität und Engagement,
zwischen Nicht- Wissen und Expertenschaft, zwischen Verschleierung und
Transparenz und nicht zuletzt zwischen Ignoranz und Unterstützung“ (Dierks &
Schwartz 2003, 320).
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Rechtsgrundlagen – Reformpool (Martinz Hannes, BA)
Einleitung Österreich weist mit einer Gesundheitsausgabenquote von 10,3% des
Bruttoinlandsprodukts die fünfthöchste Quote unter den OECD- Ländern auf (2007).
Vor allem die Spitalslastigkeit des Gesundheitswesens stellt hier ein Hindernis zur
Erreichung der Ausgewogenheit zwischen Mitteleinsatz und gesundheitsbezogenen
Leistungsergebnissen dar: die Pro- Kopf-Ausgaben der stationären Versorgung
lagen um mehr als 35% und die Bettendichte um rund 50% über dem EU-15
Durchschnitt (Habl & Bachner, 2010). Auch der Bettenumschlag (Stationäre
Patienten je Bett) ist in Österreich vergleichsweise hoch (47 Patienten pro Akutbett
im Jahr 2005, der EU-Schnitt liegt bei 40), woraus eine niedrige Verweildauer
resultiert. Als Hintergrund der kurzen Verweildauer wird das System der
leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF) diskutiert, welches den
Anreiz gibt, Patienten nicht länger als medizinisch notwendig im Krankenhaus zu
belassen. An sich wäre dies nach Ansicht von Czypionka, Kraus und Röhrling
(2008a) produktivitätssteigernd, allerdings liegt Österreich mit seiner Bettendichte
von 778 Betten pro 100.000 Einwohner im europäischen Spitzenfeld, d.h. unsere im
EU- Vergleich überdurchschnittlich zahlreichen Spitalsbetten sind auch noch gut
ausgelastet: „Die Kombination von überdurchschnittlicher Bettenausstattung und
überdurchschnittlicher Umschlagsrate resultiert in einer enorm hohen
Spitalsnutzung“ (Czypionka et al., 2008a, S. 3). So schrieb der Rechnungshof in
seinem Tätigkeitsbericht 2001: „Mit einer Angleichung der Bettendichte in Österreich
an den europäischen Durchschnitt könnten 16 900 Akutbetten eingespart und 2,9
Mrd EUR aus dem stationären in den ambulanten und niedergelassenen Bereich
umgeschichtet werden. Allerdings wären hiezu die strukturellen Voraussetzungen in
anderen Sektoren des Gesundheitswesens zu schaffen“ (Rechnungshof, 2002, S.
20). Das bedeutet mit anderen Worten, dass Mittel, welche im Spitalsbereich
gebunden sind, nicht einfach umgeschichtet werden können, ohne dass eine
dementsprechende Strukturanpassung erfolgt. Dabei muss hier auf den extramuralen
Bereich verwiesen werden, welcher nicht nur für sich selbst Einsparungspotentiale
besitzt, sondern auch insgesamt – nach entsprechendem Umbau des
Gesundheitswesens – den Schlüssel für Einsparungen im Gesundheitswesen
darstellen soll. Die Effizienz einzelner Sektoren zu erhöhen – und zwar bei
gleichbleibender Qualität – stellt dabei eine wichtige Maßnahme dar, um mit den zur
Verfügung stehenden Steuermitteln und Beiträgen sparsam umzugehen. Die
Kombination der Nutzung von betriebswirtschaftlichen Einsparungspotentialen in
Krankenhäusern und eine Verschiebung von Leistungen in den ambulanten Bereich,
kann nach Czypionka, Kraus, Riedel, Röhrling und Schnabl (2007) im primären
Versorgungssektor dazu beitragen, dass teure Krankenhausleistungen erst gar nicht
in Anspruch genommen werden. Nach Ansicht der Autoren kommt der Integration der
Versorgung eine zentrale Bedeutung zu, zumal sie maximale allokative Effizienz
ermöglicht. Dazu sind Investitionen in indikationsspezifische sowie
indikationsunspezifische Formen einer integrierten Versorgung vonnöten, welche in
Österreich bereits z.B. im Rahmen von Reformpoolprojekten entwickelt wurden.
Dieser Reformpool, welcher auf die Gesundheitsreform 2005 zurückgeht, soll im
vorliegenden Artikel beschrieben werden.
Gesundheitsreform 2005 Ausgangspunkt des Reformpools ist die Gesundheitsreform 2005: Zur Sicherstellung
der Finanzierbarkeit des Österreichischen Gesundheitswesens sollte die
Gesundheitsversorgung besser abgestimmt und sektorenübergreifend geplant,
finanziert und gesteuert werden (Benesch, 2008). Um die Steigerung der Ausgaben
zu dämpfen, musste zwei wesentlichen Schwächen des österreichischen
Gesundheitswesens gegengesteuert werden: zum einen der fehlenden,
ganzheitlichen sektoren- und regionenübergreifenden Planung, zum Anderen dem
dualen Finanzierungssystem ohne Möglichkeit des Ausgleichs. „Das österreichische
Gesundheitswesen ist seit Jahrzehnten durch eine strikte Trennung der beiden
Sektoren (intramuraler und extramuraler Bereich) gekennzeichnet. Dieser Dualismus
hat dazu geführt, dass es nicht nur keine Abstimmung zwischen diesen beiden
Bereichen gibt, sondern dass sie zueinander in einem Konkurrenzverhältnis
stehen“ (Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend [BMGFJ], kein
Datum, S. 1).
Im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen kam es 2005 zu einer Einigung
zwischen Bund und Ländern und wurde als Vereinbarung gemäß 15a B-VG
(Bundesverfassungsgesetz) über die Organisation und Finanzierung des
Gesundheitswesens (im Folgenden 15a- Vereinbarung) fixiert. Angestrebt wurde
damit eine engere Zusammenarbeit zwischen Sozialversicherung und Länder sowie
die stärkere Einbindung weiterer Akteure des Gesundheitswesens wie beispielsweise
KA- Träger, Ärztekammer, Patientenvertretung etc. (BMGFJ, kein Datum). Die
Vereinbarung hatte eine Laufzeit von 2005 bis 2008 und wurde in der Folge von
2008 bis 2013 im Nationalrat weiter verlängert. Im Wesentlichen waren mit der
Reform folgende Zielsetzungen verbunden (Bundesministerium für Gesundheit
[BMG], kein Datum):
• Überwindung der strikten Trennung der einzelnen Sektoren des
Gesundheitswesens und Erreichung einer besseren Abstimmung in der
Planung, Steuerung und Finanzierung des gesamten Gesundheitswesens
• Längerfristige Sicherstellung der Finanzierbarkeit des österreichischen
Gesundheitswesens durch Maßnahmen zur Kostendämpfung und
Effizienzsteigerung bzw. Steuerung im Gesundheitswesen
• Unterstützung von Vorsorgemaßnahmen und flächendeckende Sicherung und
Verbesserung der Qualität im österreichischen Gesundheitswesen
Die 15a- Vereinbarung ist Grundlage für die Verankerung von Ansätzen, welche die
Koordination und Zusammenarbeit der Akteure im Gesundheitswesen verbessern
soll (BMG, 2010). Mit dem Ziel, eine Gesamtverantwortung der
Gebietskörperschaften und der Sozialversicherungen für die Finanzierung der
Gesundheitsversorgung wahrzunehmen, wurden Landesgesundheitsfonds mit
Gesundheitsplattformen auf Länderebene und eine Bundesgesundheitsagentur mit
der Bundesgesundheitskommission zur Planung und Steuerung des gesamten
Gesundheitswesens (intra- und extramural) eingerichtet (BMG, kein Datum).
Dabei sind in der Bundesgesundheitskommission der Bund, die Bundesländer, die
Sozialversicherung, Interessensvertreter der Städte und Gemeinden, der
konfessionellen Krankenanstalten, der Patientenvertretungen und der
Österreichischen Ärztekammer sowie einigen weiteren Institutionen vertreten.
Geführt werden die Geschäfte der Bundesgesundheitsagentur vom
Bundesministerium für Gesundheit. Als Ziel der Koordinierungsaktivitäten zwischen
den Akteuren im Gesundheitswesen wird dabei die Sicherstellung eines hohen
Leistungsniveaus verbunden mit einem bestmöglichen Mitteleinsatz angeführt (BMG,
2010).
Auf Länderebene haben die Landesgesundheitsfonds etwaige Vorgaben und
Grundsätze der Bundesgesundheitsagentur näher zu spezifizieren. Sie finanzieren
den laufenden Betrieb von Krankenhäusern mit Öffentlichkeitsrecht nach dem
System der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF). Sie werden
dabei aus Mitteln des Bundes, des Landes und der Gemeinden, sowie aus Beiträgen
der Sozialversicherung gespeist (BMGFJ, 2008; Kärntner Gesundheitsfonds [KGF],
2008). Die Sozialversicherungen führen dabei einen, an die Beitragsentwicklung
angepassten, Pauschalbetrag an die Landesgesundheitsfonds ab. Dadurch sind alle
Spitalsleistungen für krankenversicherte Personen abgegolten. Allerdings führt diese
Konstruktion auch dazu, dass den Sozialversicherungen die Mitsprache in
Spitalsangelegenheiten weitgehend entzogen ist (Czypionka et al., 2008a). Neben
den Mitteln der Sozialversicherung fließen auch private Mittel in die Finanzierung ein,
wie etwa aus Kostenbeiträgen oder privaten Krankenversicherungen. Allerdings ist
die leistungsorientierte Abrechnung über das LKF- System nicht kostendeckend
ausgestaltet und daher ist es den Fonds- Spitälern meist nicht möglich, positiv zu
bilanzieren (Czypionka, Kraus, & Röhrling, 2008b). „Die dadurch entstehende
Finanzierungslücke der Spitäler oder auch ‚Betriebsabgang‘ genannt, muss i.d.R.
vom Spitalseigentümer (z.B. Land, Gemeinde, Ordensgemeinschaft) gedeckt
werden“ (ebd., S. 2). Investitions- und Erhaltungskosten sind in der Regel von den
jeweiligen Krankenanstaltenträgern selbst zu tragen (Potocnik, 2006), auf Ansuchen
der Spitäler und nach Beschluss der in der Gesundheitsplattform gewährt der
Landesgesundheitsfonds jedoch Investitionszuschüsse (Czypionka et al., 2008b).
In den Landesgesundheitsplattformen sind Vertreter des jeweiligen Landes, die
Träger der Sozialversicherungen (ohne Stimmrecht), der Ärztekammer, der
Interessensvertretungen der Städte und Gemeinden und der Krankenanstaltenträger
repräsentiert (ebd.). Die Aufgaben der Landesgesundheitsplattformen bestehen aus
drei Kernbereichen (BMG, kein Datum):
1. Der Kernbereich intramural setzt sich aus den Aufgaben der bestehenden
Landesfonds und jener neuen Aufgaben zusammen, die in den
ausschließlichen Krankenanstaltenbereich fallen.
2. Der Kernbereich extramural setzt sich aus den Aufgaben zusammen, die
ausschließlich den niedergelassenen Bereich betreffen.
3. Der Kooperationsbereich umfasst die zwischen dem extramuralen und dem
intramuralen Bereich abzustimmenden Aufgaben. Dabei muss zwischen Land
und den jeweiligen Sozialversicherungsträgern Einvernehmen hergestellt
werden.
Ein zentrales Planungsinstrument für die österreichweite Leistungsangebotsplanung
sind der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) und die Regionalen
Strukturpläne der Länder, welche sich der sektorübergreifenden Ressourcenplanung
widmen. Als weitere Planungsinstrumente werden die zwischen den Ärztekammern
und den jeweiligen Sozialversicherungsträgern abgeschlossenen Stellenpläne für
Vertragsärzte genannt (BMG, 2010).
Der Reformpool Im Zuge der angesprochenen Gesundheitsreform 2005 kam es zur Definition des
Kooperationsbereichs innerhalb der Landesgesundheitsfonds, der diejenigen
Aufgaben umfasst, welche zwischen dem intra- und extramuralen Bereich
abzustimmen sind. Der Begriff „Reformpool“ ist die Bezeichnung des
Finanzierungstopfs für eben diesen Überschneidungsbereich (Czypionka & Röhrling,
2009). Während der ursprünglichen Laufzeit der Vereinbarung war geregelt, dass
Mittel für den Kooperationsbereich (=Reformpool) für Leistungsverschiebungen intra-
und extramuralen Bereich in den Landesgesundheitsfonds vorzusehen sind. Das
Hauptaugenmerk des Reformpools lag in der Förderung von gemeinsamen
Strukturveränderungen und Projekten – den so genannten „Reformpoolprojekten“ –
von Sozialversicherungsträgern und Ländern. Profitieren sollten dadurch beide. Im
Fall von Leistungsverschiebungen hatten dafür zusätzlich Mittel zur Verfügung zu
stehen – damit sollte es gelingen, die ambulante Versorgung auszubauen, aber auch
die tagesklinische bzw. ambulante Versorgung im stationären Bereich
weiterzuentwickeln.
Auch sollten nach ursprünglichen Vereinbarung in den Landesgesundheitsfonds für
die Jahre 2005 und 2006 jährlich 1% der Mittel für den intra- und extramuralen
Bereich für den Kooperationsbereich vorgehalten werden, für die Jahre 2007 und
2008 waren 2% vorgesehen. Im Unterschied zu 2005 wurde in der aktuellen
Vereinbarung das klar festgelegte Mittelausmaß gestrichen. Geregelt ist dies in Art 1
Abs 1 Z 2 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Organisation und
Finanzierung des Gesundheitswesens24.
Ebenso wurden im Zuge der aktuellen Vereinbarung eine Weiterentwicklung sowie
der Ausbau des Kooperationsbereichs beschlossen (Czypionka & Röhrling, 2009):
waren zuvor, wie oben erwähnt, primär Projekte zu fördern, welche
24
idF BGBl. I Nr. 105/2008
Leistungsverschiebungen zwischen intra- und extramuralem Bereich zu Folge hatten,
so können nun nach der aktuellen Vereinbarung auch Projekte der integrierten
Versorgung bzw. Pilotprojekte zur sektorübergreifenden Finanzierung des
ambulanten Bereichs durchgeführt werden. Projekte, die bereits während der
Laufzeit der ursprünglichen Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG (BGBl. I Nr.
73/2005) beschlossen wurden, werden ebenso weiter gefördert. Geregelt wird dies in
den „Leitlinien für den Kooperationsbereich (Reformpool)“ der
Bundesgesundheitsagentur, welche erstmals Mitte 2005 publiziert und 2008
aktualisiert wurden (Czypionka & Röhrling, 2009). In ihnen finden sich die Aufgaben
und Ziele des Kooperationsbereichs, Typen und Eignung von Projekten als
Reformpoolprojekt, Bestimmungen zu Dokumentation und Erstellung eines
Evaluierungskonzepts sowie zur Institutionalisierung eines regelmäßigen
Informationsaustausches (Bundesgesundheitsagentur, 2008). Aufgabe des
Kooperationsbereichs ist demnach die Förderung der oben angeführten Projekte. Als
Ziele werden in den Leitlinien sowohl die Erhöhung der Effektivität des
Gesundheitswesens (Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, Erhöhung der
Patientenorientierung, Qualitätsverbesserung, Verminderung von Zugangsbarrieren)
als auch eine Erhöhung der Effizienz des Gesundheitswesens bezeichnet. Die
Erreichung eines gesamtwirtschaftlichen Nutzens sowohl für Land als auch für
Sozialversicherung wird explizit als Ziel genannt. Dabei sollen Reformpoolprojekte
nachhaltig und auf andere vergleichbare Regionen übertragbar sein sowie und, wenn
sie allfällige Leistungsverschiebungen zur Folge haben, diese nach dem Prinzip
„Geld folgt Leistung“ ermöglichen.
Die Eignung eines Projekts als Reformpoolprojekt wird dabei anhand der folgenden
Kriterien festgelegt (Bundesgesundheitsagentur, 2008):
• Eine Einigung auf diese Vorhaben durch das jeweilige Land und die
Sozialversicherung erfolgt im Voraus.
• Es ergeben sich Vorteile für das Land und die Sozialversicherung durch diese
Vorhaben (Effizienzkriterium).
• Sollten mit dem Projekt keine Mehrkosten verbunden sein, ist ein Nutzens
bzw. keine Verschlechterung in der Versorgung für die Patientinnen und
Patienten (Versorgungskriterium, Qualitätskriterium) sicherzustellen.
• Die Mengen- und kostenmäßige Bewertbarkeit des Status-Quo und des
Status-Post (Evaluierbarkeit) ist gegeben.
• Ebenso sind Menge und Kosten an voraussichtlich verschiebbarem Potenzial
zu behandeln. Dazu ist die Möglichkeit eines kalkulatorischen Nachweises
vom bisherigen und neuen Leistungserbringer (Mess- und Bewertbarkeit)
erforderlich.
• Die Gesamthöhe der notwendigen Finanzmittel für die Vorhaben
(einschließlich der Projektabwicklung) ist anzugeben.
• Die Möglichkeit der Nachnutzung oder Reduktion der Ressourcen beim
abgebenden Leistungserbringer wird behandelt ebenso
• die Fristigkeit des Vorhabens, d.h. Beginn und Abschluss bzw. Dauer des
Vorhabens.
• Die weitere Vorgangsweise nach Beendigung des Vorhabens (Nachhaltigkeit)
wird dargestellt.
• Die projektbegleitenden Qualitätssicherungsmaßnahmen sind zu beschreiben.
• Das Projekt enthält eine Darstellung der gemeinsamen Vorgangsweise für den
finanziellen Ausgleich der allfälligen Leistungsverschiebungen zwischen Land
und Sozialversicherungen (Prinzip „Geld folgt Leistung“) sowie der Aufteilung
des durch die Leistungsverschiebung erzielten finanziellen Gesamtnutzens
(Prinzip „Teilung des Gewinns/Verlustes“).
Für alle Vorhaben, die Leistungsverschiebungen zur Folge haben, sind in den
Landesgesundheitsplattformen im Vorhinein Dokumentationsgrundlagen zu
vereinbaren und auch die Methode für die kalkulatorische und qualitative Bewertung
abgestimmt werden. Dabei soll nach Möglichkeit auch eine überregionale
Vergleichbarkeit berücksichtigt werden. Ebenso ist für jedes Projekt ein
Evaluierungskonzept zu erstellen. Dieses hat folgende Punkte zu enthalten
(Bundesgesundheitsagentur, 2008, S. 5):
• Datenquellen und Definitionen für die Evaluierung
• Methodik der Evaluierung
• Definition von Qualitätsindikatoren
• Bewertung der Zielerreichung und der wesentlichen Einflussfaktoren
• Abschätzung der langfristigen Effekte und Darstellung einer allfälligen
Übergangsfinanzierung
• Bekanntgabe der Evaluierungsintervalle
Für die Evaluierung kann auch auf eine unabhängige externe Begleitung
zurückgegriffen werden. Nach Abschluss jedes Vorhabens ist ein
Evaluierungsbericht zu erstellen. Nach Art 31 Abs 5 der Vereinbarung gemäß 15a
B-VG haben die Landesgesundheitsfonds regelmäßig der
Bundesgesundheitsagentur über vereinbarte und durchgeführte Projekte des
Kooperationsbereichs sowie über den Erfolg dieser Maßnahmen zu berichten. Dazu
werden von dieser durch die Arbeitsgruppe für Strukturveränderungen
Mindeststandards für die Dokumentation und eine einheitliche Berichtstruktur für die
laufende Berichtserstattung erarbeitet sowie die zentrale Dokumentation aller
Projekte und der Erfahrungsaustausch über Projekte und deren Evaluierung
durchgeführt (Bundesgesundheitsagentur, 2008).
Außer den Leitlinien der Bundesgesundheitsagentur existieren in fünf Bundesländern
(Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Tirol und Wien) noch zusätzliche
Richtlinien für den Reformpool, welche von den Landesgesundheitsfonds erlassen
wurden. Darin werden landesspezifische Sonderregelungen für die Einreichung von
Projekten bzw. den Projektablauf definiert (Czypionka & Röhrling, 2009).
Stand der Reformpoolprojekte Die ersten Beschlussfassungen für Projekte des Reformpools erfolgten in den
jeweiligen Gesundheitsplattformen im Jahr 2006 in Kärnten, Niederösterreich,
Oberösterreich und der Steiermark. Im Jahr 2007 wurden in vier weiteren
Bundesländern Projekte beschlossen, ehe auch Vorarlberg, als letztes Bundesland
im Oktober 2007, den Beschluss zu zwei Projekten fasste. Im Jahr 2009 gab es
insgesamt 43 beschlossene Projekte. Die Mehrheit dieser Projekte beschäftigt sich
mit integrierter Versorgung: „Dabei handelt es sich vor allem um Disease-
Management-Programme (DMP) für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (alle
Bundesländer), Projekte zur Versorgung von Schlaganfallpatienten (Oberösterreich,
Steiermark, Tirol, Wien), von Patienten mit koronarer Herzkrankheit (Niederösterreich,
Steiermark) oder nephrologischen Erkrankungen (Steiermark)“ (Czypionka &
Röhrling, 2009, S. 5). Ebenso gibt es Projekte, welche sich mit Entlassungs-/
Nahtstellen-/ Case- und Caremanagement beschäftigen. Ein einziges Pilotprojekt
setzt sich mit der sektorenübergreifenden Finanzierung des ambulanten Bereichs
auseinander (Steiermark – MR Institut Stolzalpe). Nach anfänglichen
Startschwierigkeiten (2005 startete nur ein einziges Projekt, 2006 waren es 13),
wurde 2007 das aktivste Jahr mit 26 Beschlüssen erreicht (ebd.). 2008 wurden nur
mehr neun Projekte beschlossen. Derzeit sind insgesamt 41 Projekte am Laufen.
Von diesen liegt für fünf ein Konzept vor, von 29 ist die Durchführung bereits
genehmigt und bei sieben Projekten wird der Abschluss- und Evaluierungsbericht
erstellt. Bis dato wurden 17 Projekte abgeschlossen, wovon sieben in die
Regelfinanzierung übernommen wurden, vier Projekte wurden bisher eingestellt
(Bundesministerium für Gesundheit, 2011).
Fazit Insgesamt betrachtet scheint nach Ansicht von Czypionka und Röhrling offenbar das
Effizienzkriterium eine untergeordnete Rolle zu spielen, wodurch „auf Kostenseite nur
wenig Bewegung zu erwarten sein wird“ (S. 16). Dadurch wird, nach Ansicht der
Autoren, das zentrale Ziel, nämlich die Erhöhung der allokativen Effizienz, durch die
derzeitige Ausgestaltung des Reformpools nicht erreicht. So stehen bei einigen
Projekten nicht eine mögliche Kostenersparnis im Mittelpunkt, sondern primär eine
Qualitäts- und Versorgungsverbesserung. „Grundsätzlich ist der Versuch, bei
Unterversorgung Verbesserungen zu schaffen, durchaus sinnvoll. Allerdings besteht
die Gefahr, dass anders als konzipiert Reformpool-Mittel nicht zur Steigerung der
allokativen Effizienz eingesetzt werden, weil für Projekte, in denen Einsparungen
nicht angedacht sind, die Beteiligten leichter zu gewinnen sind“ (S. 9). Auf der
anderen Seite kann es aber auch dazu kommen, dass insgesamt nur recht wenige
Reformpool-Projekte durchgeführt oder dafür Mittel zu Verfügung gestellt werden,
wenn für die Zahler keine monetären Vorteile erkennbar sind. Ein hauptsächliches
Problem des Reformpools wird grundsätzlich in seiner Anreizstruktur gesehen, zumal
für die Kostenträger die Projekte Zusatzbelastungen zum laufenden Budget
darstellen, was zu einer niedrigeren Dotierung führt. Daneben haben teilweise Land
und Sozialversicherung gegenläufige Interessen, was die Gefahr des Scheiterns von
insgesamt sinnvollen Projekten nach sich ziehen kann. Dennoch, so das Fazit der
Autoren, scheinen einige sehr interessante Projekte im Rahmen des Reformpools
entstanden zu sein.
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Rechnungshof. (2002). Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes Verwaltungsjahr 2001. Wien: Rechnungshof.
Reformpool- Brücke zwischen intra- und extramuralen Bereich oder neue Kostenstelle im Gesundheitswesen? (Hinteregger Stefan, BA)
Einleitung
Die Zunahme der Standardisierung von Patientenbehandlungen, die Steigerung der
Qualität und Effizienz im Gesundheitssystem und die umfassenden strukturellen
Gesetzesänderungen der letzten Jahre führten zum Trend kooperativer Netzwerke.
In der Vergangenheit konnte aufgrund der sektoralen Isolierung ambulanter,
stationärer, rehabilitativer und pflegerischer Versorgung Behandlungsdiskontinuitäten
beobachtet werden, was vielfach eine Über-, Unter- und Fehlversorgungen zur Folge
hatte (Georg, 2007; Sydow, 2006).
Auch in Österreich wurde dieser Trend erkannt. In der letzten
Gesundheitsstrukturreform 2005 wurde folglich beschlossen, dass in der Zukunft
Kooperationsarbeiten der intra- und extramuralen Bereiche forciert werden sollten.
Um eine gute Zusammenarbeit der Sektoren des Gesundheitsbereiches zu
ermöglichen, wurde der Reformpool ins Leben gerufen.
Projektpartner eines Reformpools kommen daher aus verschiedenen
Zuständigkeitsbereichen eines Gesundheitssystems, welche ihre eigenen Welten mit
individuellen Normen, Werten, Zielen, Strategien und Spielregeln darstellen.
Während eines Projektes stoßen diese zwei Welten immer wieder aufeinander
(Wesenauer, 2007). Folglich prallen mannigfaltige Interessen aufeinander und die
Umsetzung von Projektzielen gestaltet sich oft schwierig. Ziele von Reformpool-
Projekten müssen die Erhöhung der Effektivität und der Effizienz des
Gesundheitswesens und die Erreichung eines gesamtwirtschaftlichen Nutzens
sowohl für Land als auch für die Sozialversicherung sein (Granig et al. 2011).
Dieser Teil der Zusammenführung von Netzwerksystemen beschäftigt sich intensiv
mit dem österreichischen Reformpool. Um aber auch die Schwierigkeiten einer
gemeinesamen Profession im Gesundheitswesen zu verstehen, wird am Anfang die
Konstellationen im österreichischen Gesundheitssystem - speziell des intra- und
extramuralen Bereiches - beleuchtet.
Das österreichische Gesundheitssystem
Im österreichischen Gesundheitswesen herrscht seit Jahrzehnten eine strikte
Trennung des intramuralen und extramuralen Bereiches. Dieser Dualismus führt
nicht nur dazu, dass es kaum Abstimmungen zwischen den beiden Sektoren gibt,
sondern er führt auch dazu, dass die beiden Bereiche sogar zueinander in einem
Konkurrenzverhältnis stehen. Durch die divergenten Interessen, hat sich auch die
Angebotsdichte auseinanderentwickelt und führte laut Bundesministerium für
Gesundheit (2005) zu folgenden Schwachpunkten:
• Doppelgleisigkeiten in der Versorgung
• Hohe Dichte an Großgeräten und Krankenanstaltenbetten
• Anreize, medizinische Leistungen aus Finanzierungs- und
Kostenüberlegungen von einem Bereich in den anderen zu verschieben
• Gesamtwirtschaftlich ineffizientes Verhalten
Die Finanzierung der beiden Sektoren erfolgt anhand eines dualen
Finanzierungsystems. Somit besteht eine getrennte Kostenträgerschaft zwischen
intra- und extramuralen Bereich. Im intramuralen Sektor sind die SV-Beiträge fixiert
und unabhängig von einer Leistungsausweitung. Resultierende Abgänge sind durch
Landes- bzw. Gemeindemittel zu tragen. Der extramurale Bereich wird dagegen
ausschließlich durch SV-Mittel finanziert (Granig et al. 2011).
An diesen Systemgrenzen entstehen konkrete Problemlagen, welche vielfach
negative Konsequenzen auf Leistungen, Qualität und auf die Effizienz bei der
Leistungserbringung mit sich bringen (Wesenauer, 2007). Folglich kommt es häufig
zu einer Schnittstellenproblematik zwischen diesen beiden Sektoren. Es herrschen
strukturelle Differenzen, womit eine ganzheitliche Sektoren und Regionen
übergreifende Planung und Steuerung erschwert wird (Granig et al. 2011).
Grundsätzlich entstehen Probleme dort, wo Systemgrenzen zu überwinden sind. Im
Gesundheitswesen betrifft das vorrangig Grenzen zwischen intra- und extramuralen
Bereich (Wesenauer, 2007). Aus Sicht der Systemtheorie ist dieses
„Phänomen“ durchaus erklärbar. Ein System bezeichnet „einen ganzheitlichen
Zusammenhang von Teilen, deren Beziehungen untereinander quantitativ intensiver
und qualitativ produktiver sind als ihre Beziehungen zu anderen Elementen. Diese
Unterschiedlichkeit der Beziehung konstituiert eine Systemgrenze, die System und
Umwelt des Systems trennt“ (Willke, 1993. S. 282).
Um diese Risiken zu entschärfen, wurde im Zuge der Gesundheitsreform 2005
zwischen Bund und Ländern eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG
abgeschlossen, welche eine engere Zusammenarbeit von Sozialversicherung und
Ländern fördert und weitere Akteure im Gesundheitswesen, stärker als in der
Vergangenheit, in die gesundheitspolitischen Entscheidungsprozesse mit einbezieht
(Bundesministerium für Gesundheit, 2005).
Zusätzlich kam es zur Definition des Kooperationsbereichs innerhalb der
Landesgesundheitsfonds, welcher jene Aufgaben umfasst, die zwischen dem intra-
und extramuralen Bereich abzustimmen sind – der Finanzierungstopf für diesen
Überschneidungsbereich wird als „Reformpool“ bezeichnet (Czypionka, 2009).
Reformpool
Um Projekte und Ideen im
Gesundheitswesen finanziell und
Strukturell zu unterstützen, wurde im
Jahr 2005 im Zuge der
Gesundheitsstrukturreform der
Reformpool beschlossen (Granig et al.
2011). Kernaufgabe des Reformpools ist
die Förderung von gemeinsam durch
Sozialversicherungsträger und Ländern
vereinbarten Strukturveränderungen und
Projekten, den sogenannten Reformpool-
Projekten (Czypionka, 2009).
Bei Reformpool-Projekte ist das intramurale Subsystem
aufgefordert, gemeinsam mit dem extramuralen Subsystem,
Leistungsverschiebungen zwischen den angesprochenen
Sektoren umzusetzen und eine Win-Win-Situation zu schaffen.
Zu Beginn verfolgte der Reformpool das Ziel, durch eine
„integrierte Versorgung“ die Effektivität und Effizienz des
Gesamtsystems „Gesundheitswesen“ zu erhöhen (Wesenauer,
2007; Czypionka, 2009).
Heute liegen die allgemeine Ziele von Reformpoolprojekten in
der Steigerung der Effektivität des Gesundheitswesens
(Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, Erhöhung der Patientenorientierung,
Qualitätsverbesserung, Verminderung von Zugangsbarrieren), die Effizienz des
Gesundheitswesens zu intensivieren und die Erreichung eines
gesamtwirtschaftlichen Nutzens für das Land und die Sozialversicherung
(Budesgesundheitsagentur, 2008).
Reformpoolprojekte sollen aber nicht nur das Ziel der Leistungsverschiebungen
zwischen dem intramuralen und extramuralen Bereich zur Folge haben, sondern
auch Pilotprojekte zur sektorenübergreifenden Finanzierung des ambulanten
Bereichs ermöglichen. Des Weiteren sollen Projekte der integrierten Versorgung
(Disease-Management-Projekte) über die Reformpools initiiert und gefördert werden,
wobei die Versorgung von Diabetes- und Schlaganfallpatienten, koronare
Herzkrankheiten und nephrologischen Erkrankungen im Vordergrund stehen.
(Bundesministerium für Gesundheit, 2005). Darüber hinaus sollen auch Projekte, die
sich mit Entlassungs-/Nahtstellen-/Case- und Caremanagement auseinander setzten,
forciert werden. (Czypionka, 2009).
Reformpool-Projekte sollen nachhaltig und auf andere vergleichbare Regionen
transferierbar sein. Wenn sie allfällige Leistungsverschiebungen zur Folge haben,
sollen diese nach dem Prinzip „Geld folgt Leistung“ ermöglich werden
(Budesgesundheitsagentur, 2008).
Projekte des Reformpools entsprechen in der Regel jener einer Projektorganisation.
Dabei werden Parallelorganisationen im Rahmen von Projekten eingerichtet, die zur
Erarbeitung neuer Vorgehensweisen dienen, bis das neue System in eine
Regelorganisation übergehen kann. Was Reformpool-Projekte von anderen
Projekten unterscheidet, ist dass die Projektpartner aus zwei gleichrangig
nebeneinander stehenden Systemen kommen. Keiner der Projektpartner ist
berechtigt, über Weisung den jeweils anderen Projektpartner zu „überstimmen“.
Entscheidungen müssen daher kooperativ getroffen werden, was gewisse
Anforderungen an die Projektkultur, Projektkommunikation und an die
Projektsteuerung stellt (Wesenauer, 2007).
Vertrauen ist daher eine wesentliche Grundlage jeder kooperativen Vorgehensweise.
Verträge können dabei nur einen Rahmen bilden. Detailvereinbarungen vorab sind in
den meisten Fällen nicht möglich. Dies bedeutet aber auch, dass in
Kooperationsprojekten die eigene Macht ein Stück weit aufgegeben werden muss
und die Zusammenarbeit und die gemeinsame Verantwortung dagegen in den
Vordergrund gerückt werden müssen. Ziele sollen dabei als Orientierungsrichtlinie für
alle Aktivitäten im Reformpool-Projekt dienen. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit
ist es wesentlich, dass beide Projektpartner die Projektziele mittragen. Die ersten
gemeinsamen Schritte in Reformpool-Projekten sollten daher die gemeinsame
Formulierung von Vision und Zielen bilden (Wesenauer, 2007).
In den Anfangsjahren 2005 und 2006 des Reformpools wurden Geldmittel in der
Höhe von mindestens einem Prozent des Gesamtbedarfs für den intra- und
extramuralen Bereich bereitgehalten, in den darauffolgenden Jahren wurde der Anteil
auf mindestens zwei Prozent der Gesamtmittel erhöht. Bei geplanten Projekten ist
natürlich zu hinterfragen, ob diese die Anforderungen eines reformpoolfinanzierten
Projekts erfüllen. In Hinblick auf allokative Effizienz würde es genügen, wenn der
Saldo im extra- und intramuralen Bereich eine Einsparung ergibt, auch wenn in dem
einen oder anderen Bereich zusätzliche Kosten anfallen (Czypionka, 2009). Laut den
Leitlinien für den Kooperationsbereich (Reformpool) der Budesgesundheitsagentur
(2008) haben Reformpool-Projekte in ihrer Definition folgende Punkte zu behandeln
und zu begründen:
• Einigung im Voraus durch das jeweilige Land und SV
• Vorteile für das Land und SV (Effizienzkriterium)
• Sicherstellung eines Nutzens bzw. keine Verschlechterung in der Versorgung
für die Patienten (Versorgungskriterium, Qualitätskriterium)
• Mengen- und kostenmäßige Bewertbarkeit des Status-Quo und des Status-
Post (Evaluierbarkeit)
• Menge und Kosten an voraussichtlich verschiebbarem Potenzial sowie
Möglichkeit des kalkulatorischen Nachweises vom bisherigen und neuen
Leistungserbringer (Mess- und Bewertbarkeit)
• Gesamthöhe der notwendigen Finanzmittel
• Möglichkeit der Nachnutzung oder Reduktion der Ressourcen beim
abgebenden Leistungserbringer
• Fristigkeit des Vorhabens
• Darstellung der weiteren Vorgangsweise nach Beendigung (Nachhaltigkeit)
• Beschreibung der projektbegleitenden Qualitätssicherungsmaßnahmen
• Darstellung der gemeinsamen Vorgangsweise für den finanziellen Ausgleich
der allfälligen Leistungsverschiebungen zwischen Land und SV (Geld folgt
Leistung) sowie der Aufteilung des durch die Leistungsverschiebung erzielten
finanziellen Gesamtnutzens (Teilung des Gewinns/Verlustes)
Reformpool-Projekte sollen aber von Anfang an alle möglichen Einflussfaktoren
bewerten und nicht nur jene der unmittelbaren Financiers von
Gesundheitsdienstleistungen. Folglich müssen auch jene Einflussfaktoren, die die
Patienten und die Gesellschaft im Allgemeinen betreffen können, beachtet werden.
Dabei ist es unumgängliche, eine Gewichtung der Einflussfaktoren vorzunehmen,
weil diese auch aus gesellschafts- und verteilungspolitischer Sicht wesentlich sind
(Granig et al. 2011).
Bereitschaft für Reformpool-Projekte
Seit der Einführung des Reformpools im Jahre 2005 erfolgt auf den
unterschiedlichsten Ebenen und Bereichen des
österreichischen Gesundheitssystems eine mehr oder
weniger lebhafte Diskussion über die Sinnhaftigkeit und
den angestrebten Nutzen dieses Instruments. Derzeit
zeigen Untersuchungen (Czypionka, 2009) ein sehr
differenziertes Bild des Reformpools. Nach zögerlichem
Beginn in den Anfangsjahren 2005 (ein Projekt) und
2006 (13 Projekte), konnte 2007 mit 26
Projektbeschlüssen ein Aufschwung erkannt werden,
der aber wieder abflaute. Im Jahr 2008 wurden lediglich
neun Projekte in Österreich beschlossen. Eine
Gegenüberstellung der ursprünglich maximal zur
Verfügung stehenden finanziellen Reformpool-Mittel pro Jahr (ein Prozent der intra-
und extramuralen Ausgaben) zeigen, dass österreichweit lediglich rund 16 Prozent
der möglichen Gelder ausgeschöpft wurden. Zusammen mit der wirtschaftlichen
Entwicklung ist anzunehmen, dass die Reformpool-Aktivität in den nächsten Jahren
eher stagniert. Dies ist umso bedauerlicher, da Ansätze dringend benötigt werden,
um Effizienzreserven im Gesundheitswesen zu heben.
In den letzten Jahren befanden sich einige „interessante Projekte“ in Abwicklung
oder wurden bereits abgeschlossen. Erfreulich ist auch, dass Projekte entstanden
sind, welche vielfach die verlangte Transparenz in der Verwendung öffentlicher Mittel
von den Landesgesundheitsfonds aufzeigten (Czypionka, 2009).
Insgesamt spielt aber das Effizienzkriterium eine untergeordnete Rolle, sodass auf
Kostenseite nur wenig Bewegung besteht. Das zentrale Ziel, die allokative Effizienz
zu erhöhen, wurde durch den Reformpool in seiner derzeitigen Ausgestaltung bisher
nicht erreicht. Zu wenige Überlegungen finden auch in Hinblick auf die Übernahme in
die Regelfinanzierung statt. Der Evaluierung und dem Projektcontrolling wird
zusätzlich zu wenig Augenmerk geschenkt (Czypionka, 2009).
Die größten Probleme des Reformpools werden in der Anreizstruktur für die
Teilnehmer erkannt: Für Kostenträger stellen die Projekte Zusatzbelastungen zum
laufenden Budget dar. Hinzu kommt, dass Land und Sozialversicherung teilweise
gegenläufige Interessen haben, sodass sinnvolle Projekte am mangelnden Interesse
der einen oder anderen Seite scheitern können. Für die Leistungsanbieter wiederum
besteht eher ein Interesse an Projekten, die in Richtung höheren
Ressourcenverbrauchs gehen (Czypionka, 2009).
Das deutsche System der Anschubfinanzierung zur integrierten Versorgung mit
dedizierten Mitteln könnte in diesem Bereich als Vorbild für eine sinnvolle „Reform
des Reformpools“ dienen.
Vergleich mit Deutschland
1989/90 gab es in Deutschland einen
ersten Anlauf zur
sektorenübergreifenden Versorgung,
der allerdings an unüberbrückbaren
Differenzen der Stakeholder,
insbesondere der Ärzte und der Deutschen
Krankenhausgesellschaft, scheiterte. 1993 wurden zunächst
„nur“ Teilbereiche wie die vor- und nachstationäre Behandlung sowie ambulantes
Operieren im Krankenhaus klarer geregelt. Im Jahr 1995 forderte der damalige
Sachverständigenrat umfassendere Maßnahmen zur Verbesserung der Koordination
und Integration der Versorgung. Im Rahmen der Gesundheitsreform 2000 wurde
daher versucht, dieser Forderung nachzukommen, indem die Gesetzgebung zur
integrierten Versorgung beschlossen wurde. Mit der Gesundheitsreform 2004 wurde
die Einbeziehung der Kassenärztlichen Vereinigungen aufgehoben und das System
der Anschubfinanzierung geschaffen. Jede Krankenkasse konnte zur Förderung der
integrierten Versorgung jeweils Finanzmittel in Höhe von einem Prozent der
Gesamtvergütung ambulanter und stationärer Leistungen pro Jahr einbehalten und
über integrierte Versorgungsverträge ausschütten. Seit die gesetzlich verankerte
Anschubfinanzierung zur Verfügung stand, stieg auch das Interesse der Akteure im
Gesundheitswesen, Projekte umsetzen stark an (Czypionka, 2009).
Die Dotierungsvorgabe des Reformpools ähnelt dem deutschen System der
Anschubfinanzierung. Allerdings sind die Anreize in Deutschland unterschiedlich.
Zum Einen liegen die Mittel sowohl für den extra- als auch den intramuralen Bereich
bei den Kassen, es gibt also nicht zwei getrennte Finanziers, die von Projekten in
unterschiedlichem Maße betroffen sein können und daher unterschiedliche
Interessen verfolgen. Zweitens haben die Kassen das Recht, diese Mittel aus den
herkömmlichen Verträgen zu kürzen. Niedergelassene Ärzte als auch Spitäler waren
also durch die deutsche Anschubfinanzierung dazu angehalten, das „verlorene“ Geld
durch Ausarbeitung und Teilnahme an integrierten Versorgungsverträgen wieder
„hereinzuholen“, ein Mechanismus, der in Österreich nicht greifen kann (Czypionka,
2009).
Resümee
Zusammenfassend ist der Reformpool ein
effektives und innovatives Instrument zur
Netzwerkbildung im Gesundheitswesen.
Zusätzlich werden die
Kooperationsarbeiten zwischen den intra-
und extramuralen Subsystemen gefördert.
Es sei hier aber angebracht zu erwähnen,
dass in der Zukunft Bereiche des
Reformpools noch verbessert werden
müssen, um den Anreiz für alle Interessensgruppen für Reformpool-Projekte zu
erhöhen.
Wesenauer (2007) beschreibt ein Reformpool-Projekt als eine Brücke zwischen zwei
Welten mit dem Ziel, diese Welten an einem konkreten Punkt dauerhaft so zu
verbinden, dass dies Vorteile für Patienten und Projektpartner bringt.
Um auch in der Zukunft viele Brücken im Gesundheitswesen bauen zu können,
bedarf es qualitativer Projekte, auf gutem Fundament. Reformpool-Projekte sichern
alleine nicht das österreichische Gesundheitssystem, können aber ein nachhaltiges
„Puzzle“ für ein effizientes Gesundheitssystem sein.
Literaturverzeichnis
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Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend. (2005). Reformen aufgrund der Vereinbarung gemäß Art. 15 a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens 2008–2013. Wien.
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Wesenauer, A. (2007). Steuerung von Reformpool-Projekten - Systemgrenzen erfolgreich überwinden. Soziale Sicherheit, 10.
Willke, H. (1993). Systhemtheorie. (4. Auflage). Stuttgart: G. Fischer.
Vernetzung verschiedener Versorgungsformen (Lichtenberger Doris, BSc)
„Allen freiwilligen Kooperationen geht die Einsicht voraus, dass die gemeinsame
Leistungsfähigkeit größer ist als die Summe der Einzelleistungen (Synergie) und damit
geeignet, eine bessere Wettbewerbsposition zu erreichen.“
(Arno Georg, 2005)
In Anbetracht des obigen Zitats lässt sich wohl das zusammenfassen, was auch in
der recherchierten Literatur immer wieder offenkundig geworden ist: Für
Unternehmen in denen das Bewusstsein vorherrscht, dass die Zusammenarbeit mit
anderen Firmen auch dem eigenen Erfolg dient, wird es sich in der heutigen Zeit,
welche sich durch raschen Wandel und ständige Veränderung auszeichnet, als
weitaus einfacher erweisen die eigene Markt- und Wettbewerbsposition zu sichern.
Wie darauf geschlossen werden kann, wirdnun im folgenden Beitrag aufgezeigt.
Anhand aussagekräftiger Beispiele aus dem Gesundheitsbereich wird dargelegt wie
bestimmte Vernetzungen dazu beitragen könn(t)en sich positiv für einzelne
AkteurInnen (Krankenhäuser, niedergelassene Arztpraxen, PatientInnen)
auszuwirken. Es gibt bereits eine beträchtliche Anzahl an Möglichkeiten und
praktischen Beispielen das Gesundheitssystem allein durch spezielle Vernetzungen
der unterschiedlichen Versorgungsformen sowohl effizienter als auch effektiver zu
gestalten. Zukunftsmusik? Von wegen ...
Hintergrund zur Thematik Um einen ganzheitlichen Bezug zur Thematik zu ermöglichen, ist es wichtig in einem
ersten Schritt den Rahmen in welchem diese Vernetzungen eingebettet sein können,
festzulegen. Als Grundgerüst des Aufbaues dieser Arbeit und der möglichen
Vernetzungen dient die so genannte Versorgungsforschung. Diese lässt sich
folgendermaßen definieren: „Die Versorgungsforschung ist ein interdisziplinäres
Arbeitsgebiet, das mit wissenschaftlichen Methoden die Versorgung der Bevölkerung
mit Maßnahmen, die auf den Erhalt und die Förderung der Gesundheit und die
Vermeidung und Bekämpfung von Krankheit und Behinderung gerichtet sind,
evaluiert und neue Versorgungskonzepte entwickelt und implementiert.“25
Im Sinne der Versorgungsforschung, jene wissenschaftliche Disziplin welche als ein
Teilsystem der Gesundheitssystemforschung gesehen wird, lässt sich eine
Unterscheidung des Gesundheitssystems in Mikro-, Meso- und Makroebene
vornehmen. Diese Einteilung wird nicht von allen sich mit diesem Themengebiet
beschäftigenden AutorInnen einheitlich vorgenommen, stimmt aber größtenteils mit
der herrschenden Definition der Versorgungsforschung überein. Jene Aufgaben
denen sich diese Disziplin widmet sind: die vorherrschende Versorgungssituation zu
analysieren und zu beschreiben, darauf aufbauend die
Versorgungskonzeptentwicklung zu forcieren, neue Versorgungskonzepte bezüglich
ihrer Implementierung und Wissenschaftlichkeit zu begleiten und die Evaluierung
unterschiedlicher Versorgungskonzepte (alte sowie neue), welche im medizinischen
Alltag zur Anwendung kommen. 26 Anhand der folgenden Grafiken sollen die
unterschiedlichen Ebenen der Gesundheitssystemforschung dargestellt werden:
Quelle: Unterschiedliche Ebenen des Gesundheitssystems, eigene Darstellung in Anlehnung an Borgetto 2011, S. 293;
25Borgetto, 2011, S. 293. 26Borgetto, 2011, S. 293f.
Makroebene Mikroebene Mesoebene
Sozialversicherung
Bundespolitik Gesundheitssystem
Krankenhäuser
Neue Versorgungsformen
Niedergelassene Praxen
Krankenkassen
Handlungen & Interaktionen (von PatientInnen, ÄrztInnen, DGKS/P, ...)
Interventionen, Maßnahmen, Gesundheitstechnologien
Gesellschaft
Warum Vernetzungen sinnvoll sind ... Netzwerke, Verbindungen zwischen Unternehmen bzw. zwischen Unternehmen und
deren Umwelt, werden zunehmend als Quelle (Erhalt und Ausbau) der
Wettbewerbsfähigkeit verstanden. Demnach ist es heutzutage nicht mehr möglich
sich diesem Trend zu entziehen, wenn die Ziele eines Unternehmens Kostensenkung,
Erhöhung strategischer Flexibilität, gesteigerte Qualität und das Nützen von
Zeitvorteilen sind. Aber auch Kooperationen im Bereich Forschung und Entwicklung
scheinen vor dem Hintergrund der Erhöhung der eigenen Innovationsfähigkeit
sinnvoll zu sein. 27 Dabei ist stets zu beachten, dass ein so genanntes „gutes
Netzwerken“,welches sich dadurch auszeichnetgut auf Gespräche mit möglichen
Netzwerkpartnern vorbereitet zu sein sowie ein klares Ziel vor Augen zu haben, ein
Antriebsfaktor für die NetzwerkpartnerInnen oder Netzwerkparteien darstellen kann.
„Schlechtes Netzwerken“ hingegen kann sich allerdings als frustrierend
erweisen.28Die Basis für gutes Netzwerken entsteht indem jeder der am Netzwerk
beteiligten Parteien die Kooperation mit den anderen NetzwerkpartnerInnen auch ein
eigenes Anliegen, im Sinne eines internen Unternehmensziels, ist.
Weitet man die ebenbeschriebene betriebswirtschaftliche Betrachtung auf das
Gesundheitswesen aus, so zeigt sich, dass auch hier der Bedarf nach Vernetzung
unterschiedlicher Versorgungsformen besteht.Wie Georg, 2005, betont, werden
durch die gegenwärtig herrschende sektorale Abschottung der ambulanten,
stationären, rehabilitativen und pflegerischen Versorgungsformen bedeutende
Effektivitäts- und Effizienzpotenziale außer Acht gelassen. Dies hat beispielsweise
zur Folge, dass es sich als schwierig gestaltet das oftmalige Ziel dieser Institutionen,
nämlich die Steigerung der Lebensqualität (im Sinne von körperlichem, geistigen und
sozialen Wohlbefinden29) der PatientInnen, zu erreichen.
Vernetzung verschiedener Versorgungsformen Im Gesundheitsbereich lassen sich drei unterschiedliche Arten von Netzwerken
unterscheiden: Horizontale, vertikale und diagonale Kooperationen. So zeichnen sich
beispielsweise horizontale Kooperationen dadurch aus, dass sie sich auf derselben
Versorgungs- bzw. Marktstufe befinden. Eine Vernetzung zwischen zwei Arztpraxen
27Zobolski, 2009, S. 261f. 28 Navarro, 2011, S. 59f. 29Gabler Wirtschaftslexikon, o.J., o.S.
könnte somit als horizontale Kooperation gelten. Dies bringt beispielsweise einen
speziellen Nutzen hinsichtlichder gemeinsamenAnschaffung und
Verwendungmedizinischer Geräte. Vertikale Kooperationen verknüpfen
unterschiedliche Versorgungsstufen miteinander. Dies bedeutet, dass diese Art von
Vernetzung etwa zwischen niedergelassenen ÄrztInnen und dem Krankenhaus
bestehen kann. Der Vorteil einer solchen Vernetzung besteht darin, dass
beispielsweise Versorgungsprozesse optimiert werden können und darüber hinaus
integrierte Versorgungsleistungen angeboten werden können. Die diagonalen
Kooperationen , werden aus Gründen der branchenübergreifenden Zusammenarbeit
als solche bezeichnet. Diese Art von Vernetzung zeichnet sich dadurch aus, dass
etwa das Wissen verschiedener Branchen dazu genutzt wird neue Produkte und
Dienstleistungen zu entwickeln. Ein Beispiel im Hinblick auf den Gesundheitsbereich
wäre die interdisziplinäre Zusammenarbeit, zBzwischen ÄrztInnen und
MedizintechnikerInnen.30
Auf Basis dieser Unterscheidung soll im Folgenden auf die in der Literatur immer
wieder aufgegriffenen neuen Versorgungsformen eingegangen werden. Speziell im
Hinblick auf die Thematik der „Vernetzung verschiedener
Versorgungsformen“ geraten diese in den Blickpunkt des Interesses. Zunächst soll
näher auf die Idee der „Integrierten Versorgung“ eingegangen werden, um daraus
dann speziellere Programme wie etwa „Praxisnetz - Organisationen“, das
„Hausarztmodell“sowie auch das derzeit aufstrebende „Case
Management“abzuleiten.
Integrierte Versorgung Die Integrierte Versorgung verfolgt das Ziel den PatientInnen eine koordinierte und
abgestimmte Behandlung bzw. Versorgung anzubieten. Sie stellt somit ein
allumfassendes, ganzheitliches Disease-Management-Programm dar, welches alle
am Prozess beteiligten Sektoren miteinbezieht.31Damit soll ermöglicht werden, dass
sich PatientInnennicht länger mit einer aufwendigen Recherche bezüglich
derAuswahl und Koordination ihrer Therapien auseinandersetzen müssen. Ein
reibungsloses Ineinandergreifen zwischen stationärer Versorgung, ambulanter
30Georg, 2005, S. 181f. 31Klinghuber&Kümmerle, 2008, S. 84;Skudlik et al., 2009, S. 722.
Behandlung oder beim Übergang in Rehabilitationsmaßnahmen soll damit
gewährleistet werden. Dies setzt voraus, dass Haus- und FachärztInnen, aber auch
ärztliche und nichtärztliche LeistungserbringerInnen sowie der ambulante und
stationäre Bereich und eventuell auch Apotheken möglichst koordiniert
zusammenarbeiten. Vorteile einer solchen Vernetzung schlagen sich darin nieder,
dass eine schnellere und aufeinander abgestimmte medizinische Leistung erbracht
werden kann. Lange Krankheitszeiten können dadurch gesenkt bzw. kurze
Liegezeiten forciert werden. Eine Verringerung des Medikamentenverbrauchs und
die Vermeidung von Doppeluntersuchungen sowie eine allgemeine Senkung der
Behandlungskosten sind weitere Vorteile die sich hinsichtlich dieser
Versorgungsform ergeben.32
Eine Ausprägung der integrierten Versorgung lässt sich beispielsweise in so
genannten Praxisnetz – Organisationen erkennen. Diese sind sehr vielfältig in ihren
Strukturen und eine einheitliche Definition hinsichtlich eines Praxisnetzes ist kaum zu
formulieren. Aspekte die diese Art der Organisation allerdings gut beschreiben sind,
dass es sich um eine bedeutende Kooperations- und Netzwerkform handelt die zur
Unterstützung der integrierten Versorgung dient und, dass sie ein weites Spektrum
an Kooperationsgemeinschaft abdecken können. So kann eine Praxisnetz –
Organisation vom losen Zusammentreffen einzelner ÄrztInnen bis hin zu
professionell durchorganisierten Unternehmen reichen. Eine spezielle Eigenschaft
dieser Organisationsform ist also, dass es sich dabei um eine sich ständig neu zu
erfindende handelt. Ihnen gemein ist allerdings der Zweck miteinander in einer
verbindlichen und strukturierten Zusammenarbeit die PatientInnenversorgung einer
Region zu verbessern. Dies wird durch eine enge Kooperation und Kommunikation
intensiviert. Solch eine Vernetzung traditioneller Einzelpraxen gewinnt deshalb immer
mehr an Bedeutung, weil sie den Anforderungen der heutigen Zeit umso mehr
gewachsen zu sein scheint. Im gemeinsamen ÄrztInnenteam wird versucht den
alltäglichen Versorgungsherausforderungen zu strotzen. Effektivitäts- und
Effizienzsteigerungen stehen dabei hoch im Kurs und stellen nicht zu verachtende
Komponenten in der „Gesundheitsversorgung von Heute“ dar. Nicht zu vergessen ist
auch der Aspekt der eigenen Existenzsicherung welcher mithilfe dieser Praxisnetze
32Klinghuber&Kümmerle, 2008, S. 84.
berücksichtigt werden kann.33 Weitere Ziele dieser Organisationsform stellen sich,
folgendermaßen (graphisch dargestellt) dar:
Quelle: Vernetzung von Einzelpraxen, eigene Darstellung in Anlehnung an Schicker, 2008.
Ein weiteres Modell, das im Sinne neuer Versorgungsformen vermehrt in den
Blickpunkt des Interesses gerät, stellt das so genannte „Hausarztmodell“ dar. Ein
zentraler Aspekt dabei ist, dass in diesem denHausärztInnen vermehrt die Rolle der
„Lotsen“ zukommt. Das bedeutet, dass ihre Aufgabe vor allem darin bestehtdie
PatientInnen durch das komplexe Gesundheitssystem zu leiten.34Er/Sie agiert als
eine Art Gatekeeper bzw. steht exakt an der Schnittstelle zwischen PatientIn und
Netzwerk. Ihm/Ihr kommt somit die Rolle des Steuerers hinsichtlich
PatientInnenkarriere und nachgelagerter Leistungserbringung zu. Diese
ArtHausärztIn versteht sich folglich als „KoordinationsärztIn“ der/die genau weiß,
dass es ihm/ihr obliegt, die PatientInnen selbst zu behandeln bzw. an andere
qualifizierte ÄrztInnen weiter zu verweisen. Dies alles soll natürlich auf einer
ganzheitlichen, für PatientInnen optimalen und qualitativ hochwertigenmedizinischen
Leistungserbringung basieren.Dieses Modell zielt allgemein vor allem darauf ab, die
33Schicker, 2008, S. 22ff. 34Gaß, 2003, S. 129.
Einzelpraxis
Einzelpraxis
Einzelpraxis
Ziele: • Individualziele der Einzelpraxen als Basis des Netzwerkziels • Steigerung der Lebensqualität der beteiligten ÄrztInnen durch zB Arbeitsteilung, ... • Finanzielle Vorteile zB gemeinsame Investitionen, Geräteanschaffung • Existenzsicherung • Steigerung der Effektivität und der Effizienz • Steigerung der Qualität der medizinischen Versorgung • Steigerung des PatientInnennutzens • Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Einzelpraxen
Praxisnetz – Organisationen: vom losen Zusammentreffen einzelner ÄrztInnen bis zu professionell organisierten Organisationen
im Gesundheitsbereich vorhandenen sektoralen Grenzen aufzuweichen und einen
adäquaten Informationsfluss zwischen den beteiligten PatientInnen sowie den
LeistungserbringerInnen sicher zu stellen. Eine der Hauptaufgaben der
HausärztInnen wird folglich die Sammlung, Bündelung und Verknüpfung der
erhaltenen Informationen sein, um daraufhin einen auf diesen Informationen
aufbauenden, darauf abgestimmten Behandlungsplan ab- und einzuleiten.35
Anhand der folgenden Grafik soll vereinfacht dargestellt werden, wie dieses Modell in
etwa aufgebaut ist und wie es funktioniert:
Quelle: Hausarztmodell, eigene Darstellung in Anlehnung an Schicker, 2008, S. 31.
Das Prinzip des so genannte „Case Managements“ ist zumindest hinsichtlich der
Koordination einzelner AkteurInnen im Gesundheitswesen den beiden zuvor
beschriebenen Modellen gar nicht so unähnlich. Anders als die „Praxisnetz –
Organisationen“ und das „Hausarztmodell“ stellt „Case Management“ jenes
sektorenverknüpfendes Glied dar, welches seinen Ausgangspunkt im Bereich der
Pflege bzw. derSozialen Dienstefindet.Zunächst ist an dieser Stelle allerdings
anzumerken, dass es sich bei dem Begriff „Case Management“ keinesfalls um ein
völlig neues Konzept bzw. Modell handelt, denn in den USA existiert es bereits seit
den 1970er Jahren. Gut 20 Jahre später drang dieses Konzept dann auch nach
Deutschland und Österreich durch.36 Was dieser Begriff „Case Management“ nun
35 Schicker, 2008, S. 30f. 36Klie, 2011, S. 499f.
Patient Hausarzt Facharzt B
Krankenhaus
Facharzt A
Leistungserstellung
Leistungserstellung
Erstkontakt
Rückmeldung
Rückmeldung
Überweisung
genau beinhaltet hält Klie, 2011,folgendermaßenfest: „Case Management“ beinhaltet
an sich keine eigenen Betreuungs- und Therapieangebote,sondern kann als eine Art
Vernetzungs- und Kooperationsmaßnahme beschrieben werden.
„Seine Kunst liegt vielmehr darin, die Prozesse und Angebote zu
organisieren, mit denen der Klient oder sein Umfeld später auch
eigenständig umgehen kann. Damit obliegt es dem Case Management,
die Rahmenbedingungen für die richtige Auswahl, die zeitliche
Organisation und die notwendige Verknüpfungen der bestimmten
Maßnahmen in Kooperation mit allen Beteiligten herzustellen, diese zu
kommunizieren und ihre Umsetzung zu überwachen.“37
In diesem Zitat werden die Kernelemente des „Case Managements“ deutlich. Vor
allem die Organisation der im Krankheitsfall notwendigen Prozesse und Angebote
zwischen den beteiligten AkteurInnenist ein bedeutendes Merkmal. Hinzu kommt laut
Klie, 2011, der Aspekt die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass der/die
PatientIn in der Lage ist diesen organisierten Prozessen später selber nachzugehen.
Der/Die Case ManagerIn hat folglich also auch die Aufgabe dafür zu sorgen, dass
die Rahmenbedingungen kommuniziert und überwacht werden. Die Ziele die dabei in
den Vordergrund treten sind stabile wie auch vernetzte Versorgungsstrukturen für die
einzelnenPatientInnen zu schaffen bzw. zu entwickeln oder aber auch zu optimieren.
Der/die Case ManagerIn verfügt folglich über verschiedene Rollen die er/sie im Sinne
einer adäquaten PatientInnenbetreuung vereinen muss. Ein Beispiel dafür ist etwa
die Rolle des/der BrokerIn. Dabei geht es vor allem darum als neutraler Vermittler
zwischen Ressourcensystem und den KlientInnen aufzutreten. Es wird darauf
abgezielt ein für die Bedürfnisse der KundInnenmöglichst passendes
Versorgungspaketanbieten zu können. Eine umfassende Kenntnis über vorhandene
Angebote ist dafür selbstverständlich Voraussetzung. Eine weitere wichtige Rolle die
der/die Case ManagerIn bekleidet ist die des/der „GatekeeperIn“. Damit ist in diesem
Zusammenhang gemeint, dass er bzw. sie die richtigen, notwendigen und
vorhandenen Ressourcen möglichst gerecht zuteilt. Damit aber noch nicht genug,
denn eine weitere bedeutende Funktion des/der Case ManagerIn umfasst den
Bereich des „Social Supports“. Dies heißt konkret, dass der/die Case ManagerIn die
37 Klie, 2011, S. 500.
KlientInnen in Situationen plötzlich auftretender Krisen, beispielsweise durch die
Organisation notwendiger Erstmaßnahmen,besonders unterstützt.38
Die folgende Grafik soll das Prinzip des Case Managements noch einmal
zusammenfassend veranschaulichen.
Quelle: Aufgaben im Case Management, eigene Darstellung in Anlehnung an Klie, 2011.
Weiters festzuhalten ist, dass das Case Management im eigentlichen Sinne auf
einzelne Individualfälle angewendet wird. Im Sinne des so genannten „Care
Managements“ können jedochaus diesen Einzelfällen, optimale
Versorgungsstrukturen für eine Vielzahl von PatientInnen abgeleitet, bzw. entwickelt
werden.39
38Klie, 2011, S. 500f. 39Klie, 2011, S. 500.
Aufgabengebiet eines/er Case ManagerIn: 1) GatekeeperIn, Kommunikation und Überwachung der organisierten Prozesse, BrokerIn, Social Support; 2) Organisation und zeitliche Abstimmung notwendiger Prozesse, Verknüpfung notwendiger Maßnahmen,vernetzte Versorgungsstrukturen schaffen; 3) Rahmenbedingungen so gestalten, dass es den PatientInnen möglich ist sich selbständig im Umfeld zurecht zu finden;
2 1
3
Case ManagerIn PatientIn
Zusammenfassung Auf Basis der erlangten Informationen sowie der drei konkreten Ausprägungen der
häufig in der Literatur aufgegriffenen „Integrierten Versorgung“,scheint es durchaus
sinnvoll zu sein, neue Formen der Gesundheitsversorgung zu fördern und zu nutzen.
Es zeigt sich, dass diese Vernetzung zwischen den verschiedenen
Versorgungsformen nicht nur Vorteile für die einzelnen PatientInnenbringt, sondern
auch die anderen an der Versorgung beteiligten AkteurInnen wie etwa ÄrztInnen
sowie auch Krankenhäuser dadurch Effektivitäts- und Effizienzpotenziale eröffnen
können. Mit dem Fokus auf eine ganzheitlichen PatientInnenbetreuung bei
gleichzeitiger Kostendämpfung können sich solche Modelle und Konzepte bereits
jetzt und in näherer Zukunft als äußerst hilfreich gestalten.
Zu berücksichtigen gibt es allerdings den Aspekt, dass die integrierte Versorgung
teilweise für sich in Anspruch nimmt eine Art von gesteuerter Gesundheitsversorgung
zu forcieren.In den USA beispielsweise existieren bereits seit ca 40 Jahren so
genannte „Managed Care“ Programme. Diese geben den PatientInnen genaue
Vorgaben hinsichtlich Versorgungsweg und Leistungsinanspruchnahme. Die
Umsetzung dieser Programme übernehmen in den USA die so genannten HMOs
(HealthMaintainanceOrganizations), welche auch auf Gewinn ausgerichtet sein
können und sich allgemeiner Methoden der Managementlehre bedienen
dürfen. 40 Unschwer zu erkennen ist also jener Aspekt, dass solch eine
PatientInnensteuerung auch Teil einer Unternehmensstrategie werden kann und
daher immer wieder, beispielsweise im Hinblick auf die ethische Korrektheit,kritisch
hinterfragt werden muss.Sofern diese Modelle aber keine versteckte Rationierung
von Versorgungsleistungen zum Ziel haben und hohe medizinische
Versorgungsqualität anstreben,kann ihnen angesichts der zahlreichen bereits
aufgezeigten Vorteile für die am Gesundheitswesen beteiligten AkteurInnen, wenig
entgegengesetzt werden.
40Amelung, Mühlbacher &Krauth, 2011, o. S.
Literaturverzeichnis
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Vernetzung innerhalb von Versorgungsstrukturen (Pichler Christina, BA)
Einleitung
Krankenhäuser sehen sich heutzutage zunehmend mit vielfältigen
Herausforderungen konfrontiert. Sie sind mit einem steigenden Kostendruck und
wachsenden Wettbewerb aufgrund gesundheitspolitischer Vorgaben konfrontiert.
Krankenhäuser müssen sich daher in einem Spannungsfeld zwischen
Wirtschaftlichkeit und bedarfsgerechter Gesundheitsversorgung oft neu orientieren.
Die sich verändernden Rahmenbedingungen erfordern eine zeitnahe Reaktion der
Kliniken. Die Voraussetzung für die Bewältigung der immer komplexer werdenden
Anforderungen an Krankenhäuser bildet eine prozessorientierte
Leistungserstellung , die eine stärkere Vernetzung der einzelnen Subsysteme
des Krankenhauses erfordert (Greiling& Quint, 2010, S. 752 f.). Die Entwicklung und
Implementierung von klinischen Pfaden kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten
(Roeder, 2003, S. 599 f.).
Ziel und Aufbau der Arbeit
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, intraorganisationale Vernetzung am Beispiel
von klinischen Pfaden im Krankenhaus aufzuzeigen.
Dabei wird zunächst kurz auf das Konzept und die Voraussetzungen
intraorganisationaler Vernetzung eingegangen. Anschließend wird das Instrument
der klinischen Pfade als Form einer intraorganisationaler Vernetzung im
Krankenhaus genauer betrachtet. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Analyse
des Nutzens, den eine solche Vernetzung für das Krankenhaus als Organisation und
für die Patienten hat. Dazu wird die derzeitige empirische Evidenz hinsichtlich der
Wirksamkeit von klinischen Pfaden aufgezeigt. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit
liegt darauf, Erfolgskriterien und Barrieren bei der Entwicklung und Einführung von
klinischen Pfaden zu identifizieren.
Intraorganisationale Vernetzung
Die heutige Wettbewerbslandschaft stellt Unternehmen hinsichtlich ihrer Lern- und
Erneuerungsfähigkeit vor neue Herausforderungen. Die Weiterentwicklung von
Strukturen, Prozessen und Unternehmenskultur gewinnt in diesem Zusammenhang
zunehmend an Bedeutung (Rüegg-Stürm & Young, 2000, S 187).
Die Steuerung eines solchen Wandlungsprozesses ist vor dem Hintergrund der
hohen Komplexität von Organisationen jedoch nicht einfach zu bewerkstelligen. Eine
Voraussetzung für eine erfolgreiche Steuerung von organisationalem Wandel bildet
eine stärkere Vernetzung innerhalb des Unternehmens. Diese zielt darauf ab,
zunächst bestehende Prozesse und Strukturen zu identifizieren und analysieren um
sie in weiterer Folge verändern bzw. optimieren zu können. Intraorganisationale
Vernetzung nimmt also eine bedeutende Rolle im Rahmen der Steuerung von
komplexen Systemen, wie sie Unternehmen darstellen, ein (Rüegg-Stürm & Young,
2000, S. 188 f.)
Das Konzept der Vernetzung beruht auf system- und evolutionstheoretischen
Grundlagen, wobei v.a. komplexitätstheoretische Denkfiguren auf Organisations- und
Managementtheorien übertragen werden (Kappelhoff, 2000, S. 347 ff.).
Voraussetzung aller Formen der Steuerung durch intraorganisationale Vernetzung ist
eine gute Qualität der organisationalen Kommunikation, denn was nicht Inhalt der
organisationalen Kommunikation ist, existiert für ein Unternehmen schlichtweg nicht.
Eine qualitativ hochwertige Kommunikation ist jedoch nicht nur Voraussetzung,
sondern kann gleichzeitig auch eine positive Folge intraorganisationaler Vernetzung
sein, da sie durch gesteigerte Interaktionspotenziale auf Organisationsebene dazu
beiträgt, dass Stimuli von außen in die betriebliche Kommunikation integriert werden
(Rüegg-Stürm & Young, 2000, S. 191 f.).
Eine weitere Voraussetzung für intraorganisationale Vernetzung stellten
partnerschaftliche Formen der Zusammenarbeit und Führung dar. Dadurch können
Wissen, Kompetenz und Motivation der einzelnen Subsysteme und Personen optimal
zum Tragen kommen und damit einen Nutzen für das Unternehmen stiften.
Außerdem ist es notwendig, die betreffenden Personen als „prinzipiell
gleichberechtigte Akteure“ (Hilse et al., 1990, zitiert nach Rüegg-Stürm & Young,
2000, S. 192) zu behandeln und mit Entscheidungskompetenzen auszustatten. Das
bedeutet, dass Verantwortlichkeiten nicht mehr rein zentralistisch ausgerichtet
werden sollen (Rüegg-Stürm &Young, 2000, S. 192 ff.).
Teamorientierte Arbeitsformen unter Einbeziehung aller am (z.B. Leistungs-)Prozess
beteiligten Entitäten, Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen und ein
Fokus auf Kommunikationsprozesse bilden also die Kernelemente
intraorganisationaler Vernetzung. Im Folgenden soll anhand des Instruments der
klinischen Pfade näher auf diese Art der Vernetzung eingegangen werden.
Klinische Pfade als Form der intraorganisationalen Vernetzung
Systematischem Prozessmanagement und Prozessoptimierung kommt in
Krankenhäusern eine immer größere Bedeutung zu. Voraussetzung dafür ist eine
Vernetzung der unterschiedlichen Subsysteme eines Krankenhauses und einer
übersichtlichen Erfassung und Skizzierung von Prozessabläufen. Das Instrument der
klinischen Behandlungspfade kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten
(Romeyke& Stummer, 2010, S. 3 f.).
In der Fachliteratur existiert eine umfangreiche Terminologie im Zusammenhang mit
dem Konzept der klinischen Pfade. Für die vorliegende Arbeit soll eine Definition
verwendet werden, die im Rahmen einer umfassenden Literaturanalyse mit 263
inkludierten Fachaufsätzen entwickelt wurde: „A clinicalpathwayis a
methodforthepatient-caremanagementof a well-definedgroupofpatientsduring a well-
definedperiodof time. A clinical pathway explicitly states the goal and key elements of
care based on EBM guidelines, best practice and patient expectations by facilitating
the communication, coordinating roles and sequencing the activities of the
multidisciplinary care team, patients and their relatives, by documenting, monitoring
and evaluating variances, and by providing the necessary resources and outcomes.
The aim of a clinical pathway is to improve the quality of care, reduce risks, increase
patient satisfaction and increase the efficiency in the use of resources” (De Bleser et
al., 2006, S. 562).
Anhand dieser Definition werden die Kernelemente von klinischen Pfaden ersichtlich:
Es gibt einen Bezug zu einer bestimmten Patientengruppe sowie zu einem
spezifischen Diagnose- und Therapierahmen. Außerdem stehen die
Interprofessionalität und die Multidisziplinaritätim Vordergrund, d.h. eine Vernetzung
von allen am Diagnose- bzw. Behandlungsprozess beteiligten Professionen sowie
einer Einbindung von Angehörigen des Patienten. Klinische Pfade stellen daher nicht
nur eine Form intraorganisationaler Vernetzung dar, sondern müssen auch Elemente
einer Vernetzung nach außen beinhalten. Hervorzuheben ist außerdem, dass eine
solche Vernetzung immer den Patienten mit seinen individuellen Bedürfnissen in den
Mittelpunkt rücken muss.
An dieser Stelle soll noch eine Studie von Vanhaechtet al. (2006) angeführt werden,
die darüber Aufschluss gibt, was Personen, die in Pfadentwicklung und -
implementierung involviert sind, als Hauptcharakteristika von klinischen Pfaden
ansehen. Die Studie wurde im Auftrag der European PathwayAssociation
durchgeführt. Dafür wurden Personen aus 23 Ländern befragt (Vanhaecht et al.,
2006, S. 28 ff.). Die Top-5-Charakteristika sind in
Abbildung 1010 Top-5-Charakteristika von klinischen Pfaden
Text
1. Verbesserung der Behandlungsqualität
Top 5 Charakterisierung
von Klinischen Pfaden
2.Verbesserung von evidenzbasierter Behandlung
3. Multidisziplinäre Verwendung
4. Steigerung der Effizienz der Behandlung
5. Kommunikationstool für Health Professionals
Quelle: Eigene Darstellung nach Vanhaecht et al., 2006, S. 30 f.
Der Charakter der Vernetzung ist hierbei v.a. am Charakteristikum der
multidisziplinären Verwendung sowie am Charakteristikum als Kommunikationstool
für Health Professionals erkennbar.
Der Nutzen von klinischen Pfaden
Mit der Einführung klinischer Pfade werden folgende Ziele verfolgt:
Qualitätssicherung, kontinuierliche Qualitätsverbesserung der medizinischen
Versorgung, Risikoreduktion, Erhöhung der Patientenzufriedenheit und Erhöhung der
Effektivität (De Bleser et al., 2006, S. 562).
Da mit einer intraorganisationalen Vernetzung v.a. in Krankenhäusern mit ihrer doch
sehr starken intrasektoralen Trennung zumindest zu Beginn auch höhere Kosten
einhergehen (Evans-Lacko, Jarrett, McCrone&Thornicroft, 2010, S. 2), muss in der
jeweiligen Organisation eine Kosten-Nutzen-Abwägung getroffen werden. Vor allem
aber muss der Nutzen empirisch überprüft sein. An dieser Stelle soll daher die
Evidenz hinsichtlich der Wirksamkeit bzw. des Nutzens klinischer Pfade aufgezeigt
werden.
Um diese Frage zu beantworten, werden an dieser Stelle ein systematisches
Literature-Review des Ludwig Boltzmann Institutes für Health Technology
Assessment (2006) sowie ein Cochrane-Review von Rotter et al. (2010)
herangezogen.
Das Review des Ludwig Boltzmann Institutes evaluierte klinische Pfade anhand
dreier Parameter (Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment 2006,
S. 15):
• Verbesserung der Versorgungsqualität
• Optimierung der Sicherheit
• Sicherstellung eines effizienten Ressourceneinsatzes
Die Ergebnisse der Analyse werden im Folgenden zusammenfassend dargestellt.
Verbesserung der Versorgungsqualität: Im überwiegenden Teil der Studien (75
Prozent), die Versorgungsqualität als Outcomeparameter verwendeten, war diese bei
der Anwendung von klinischen Pfaden besser, bei 19 Prozent der Studien konnte
kein Unterschied festgestellt werden und lediglich bei 4 Prozent der Studien wurden
durch den Einsatz von klinischen Pfaden schlechtere Ergebnisse erzielt (Ludwig
Boltzmann Institut für Health Technology Assessment 2006, S. 25 f.).
Optimierung der Sicherheit: In Bezug auf die Sicherheit erschienen in 33 Prozent
der Studien klinische Pfade sicherer als Kontrollen, bei 65 Prozent der Studien
konnte hingegen kein Unterschied bzgl. der Sicherheit festgestellt werden. Nur zwei
Studien wiesen schlechtere Sicherheitsdaten auf (Ludwig Boltzmann Institut für
Health Technology Assessment 2006, S. 26).
Sicherstellung eines effizienten Ressourceneinsatze s: Die eindeutigsten Effekte
erzielen klinische Pfade nach dem vorliegenden Review in Bezug auf den
Ressourceneinsatz. So führte der Einsatz von klinischen Pfaden in 81 Prozent der
Studien zu einem geringeren Ressourceneinsatz. 14 Prozent der Studien wiesen
keinen diesbezüglichen Unterschied auf, bei 3 Prozent führten klinische Pfade zu
einem höheren Ressourcenverbrauch und bei 2 Prozent war das Ergebnis unklar
(Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment 2006, S. 26).
Anhand der Ergebnisse des Reviews lässt sich also durchaus ein positiver Effekt
von klinischen Pfaden auf die definierten Zielgröße n ableiten. Zusätzlich zur
Evaluierung der Wirksamkeit geben die Autoren des Reviews Empfehlungen zur
zukünftigen Ausrichtung und Anwendung von klinischen Pfaden. So wird darauf
hingewiesen, dass klinische Pfade zunehmend im Sinne der integrierten Versorgung
auch sektorenübergreifend eingesetzt werden sollen (Ludwig Boltzmann Institut für
Health Technology Assessment, 2006, S. 38). Klinische Pfade können daher auch
zur interorganisationalen Vernetzung im Gesundheitswesen eingesetzt werden.
Darauf soll jedoch in dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden.
Die Studie von Rotter et al. (2010) stellt eine Meta-Analyse dar und wurde von der
CochraneCollaboration publiziert.Vorrangiges Ziel der Studie war die Messung der
Wirksamkeit von klinischen Pfaden hinsichtlich der gesundheitsberuflichen Arbeit,
patientenorientierten Ergebnissen, durchschnittlicher Aufenthaltsdauer sowie
Krankenhauskosten (Rotter et al., 2010, S. 3).
Die in den Studien am häufigsten gemessene Outcomevariabel stellt die
Aufenthaltsdauer dar. In 11 von 20 relevanten Studien konnte eine statistisch
signifikante Reduktion der Aufenthaltsdauer festgestellt werden. Für die Meta-
Analyse konnte aufgrund der Inkonsistenz der Daten jedoch keine definitive
allgemeine Aussage bezüglich einer Verringerung der Aufenthaltsdauer durch
klinische Pfade getroffen werden, obwohl ein solcher Effekt nach Ansicht der Autoren
sehr wahrscheinlich ist (Rotter et al., 2010, S. 41).
Eine definitive Aussage kann jedoch hinsichtlich der Komplikationsrate getroffen
werden. So weisen Patienten, bei denen klinische Pfade angewendet wurden,
deutlich geringere Komplikationsraten als Patienten mit üblichem Behandlungsablauf
auf (Rotter et al., 2010, S. 43).
In Bezug auf die medizinische Dokumentation konnten ebenfalls positive Effekte von
klinischen Pfaden nachgewiesen werden. So führen klinische Pfade statistisch
signifikant zu einer verbesserten Dokumentation im Krankenhaus (Rotter et al., 2010,
S. 44).
Die Analyse der Effekte von klinischen Pfaden auf die Krankenhauskosten stellte sich
aufgrund statistischer und methodologischer Inkonsistenzen sehr schwierig heraus.
Dennoch konnten die Autoren den Schluss ziehen, dass durch den Einsatz von
klinischen Pfaden erhebliche Kostenvorteile für das Krankenhaus generiert werden
können (Rotter et al., 2010, S. 44).
Durch die Meta-Analyse konnte gezeigt werden, dass die Anwendung von klinischen
Pfaden mit niedrigeren Komplikationsraten sowie einer verbesserten medizinischen
Dokumentation einhergehen. Darüber hinaus wurden Anzeichen für eine Reduktion
der Aufenthaltsdauer sowie eine Kostenreduktion festgestellt. Klinische Pfade stellen
demnach ein wertvolles Instrument im Rahmen eines ergebnisorien tierten
Prozessmanagements dar (Rotter u.a. 2010, S. 48 f.).
Entwicklung und Implementierung von klinischen Pfad en – Erfolgskriterien, Barrieren und Mängel
Die Entwicklung von klinischen Pfaden sollte als schrittweiser Prozess erfolgen, der
am PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act-Zyklus) ausgerichtet ist. Die Planungsphase
ist dabei die wichtigste und zeitintensivste Phase (Spath, 1997, S. 37).
Im Folgenden soll aufgezeigt werden, was bei der Entwicklung und Umsetzung
klinischer Pfade beachtet werden sollte, welche Erfolgskriterien also bei dieser Form
der intraorganisationalen Vernetzung im Krankenhaus ausschlaggebend sind.
Bei der Entwicklung ist v.a. darauf zu achten, dass die Vertreter aller
verantwortlichen Berufsgruppen und Disziplinen mit einbezogen werden. Dabei soll
sowohl auf deren Erfahrung und bisherigen Einsatzbereiche, als auch auf deren
Teamfähigkeit Rücksicht genommen werden. Außerdem ist eine Barrieanalyse schon
in der Planungsphase wichtig, um förderliche und hinderliche Faktoren der
Einführung zu identifizieren. Vor der Implementierung des Pfades sollte ein Konsens
aller mit einbezogenen Personengruppen erreicht werden. Erst dann ist eine
Einführung des klinischen Pfades auch erfolgsversprechend. Außerdem sollte in den
Planungsprozess die Sichtweise des Patienten integriert werden (Dick, Sitter, Lind,
Wege-Heuser & Kopp, 2006, S. 12 ff.).
Ein weiteres Erfolgskriterium ist die Bewusstseinsschaffung für die konsequente
Dokumentation des klinischen Pfades, um Abweichungen zu identifizieren und diese
im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses mit einzubeziehen (Hunter
&Segrott, 2008, S. 615).
Alle Mitarbeiter müssen hinsichtlich des Umgangs mit dem Pfad geschult werden und
die notwendigen Informationen, Checklisten und Formulare müssen für jeden
Involvierten zu jeder Zeit (bspw. über das Intranet) zugänglich sein (Dick et al., 2006,
S. 16). Bei der Implementierung eines klinischen Pfades müssen also vorher auch
die Kommunikationswege im Krankenhaus analysiert und gegebenenfalls angepasst
bzw. optimiert werden. Es muss über die Kommunikationswege im Krankenhaus
außerdem möglich sein, regelmäßig neue Erkenntnisse weiterzugeben und diese in
den Pfad zu integrieren (Hellmann, 2002, S. 45).
Zusammenfassend lassen sich also Interdisziplinarität, transparente Kommunikation,
Patientenorientierung und ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess als Kriterien
einer erfolgreichen Pfadeinführung nennen.
Im Entwicklungs- und Umsetzungsprozess von klinischen Pfaden können jedoch
auch zahlreiche Barrieren auftreten, welche die Einführung erschweren oder sogar
verhindern können. Folgende Problembereiche konnten anhand der Literatur
identifiziert werden (Kirschner, Witzleb, Eberlein-Gonska, Krummauer& Günther,
2007, S. 518 ff.; Uzark, 2003, S. 138; Lanska, 1998, S. 155 f.; Evans-Lacko et al.,
2010, S. 2 ff.):
• Hoher Schulungsaufwand der Mitarbeiter
• Mangelnde kollaborative und multidisziplinäre Herangehensweise
• Fehlende Unterstützung durch das Management
• Fehlende bzw. mangelhafte Formulierung von Zielen bezüglich der
Versorgungsqualität und der Kosten
• Unzureichende Personalressourcen
• Unrealistischer Zeitrahmen in Bezug auf die Einführung
• Fehlende Überzeugung von Seiten der Ärzteschaft
• Negative Einstellung des klinischen Personals gegenüber der
Standardisierung von Leistungen
• Gefühl der Auferlegung von außen und der Gefährdung der medizinischen
Autonomie
Uzark (2003, S. 138) nennt außerdem das Fehlen eines so genannten
„Pathwaycoordinator“ als ein potenzielles Hindernis. Dies macht deutlich, wie wichtig
das Management bzw. die Führung von intraorganisationalen Vernetzungsprozessen
ist.
In der bereits erwähnten internationalen Studie von Vanhaecht et al. (2006) wurde
außerdem die Frage nach Ansätzen der Entwicklung und Implementierung von
klinischen Pfaden gestellt. Daraus werden ebenfalls Problembereiche und Mängel
bei der Einführung von klinischen Pfaden ersichtlich. Beispielsweise wurde der
Entwicklung der Pfade durch ein multidisziplinäres Team zwar eine hohe Bedeutung
zugesprochen, dies wurde jedoch in vielen Fällen nicht oder nur teilweise umgesetzt.
So wurden das Pflegepersonal und die ärztliche Belegschaft sehr häufig bei der
Entwicklung von klinischen Pfaden beteiligt, allerdings wurden in den meisten Fällen
nicht alle relevanten Health Professionals mit einbezogen. Das
Krankenhausmanagement war gar nur bei 48 Prozent der entwickelten Pfade
beteiligt. Auch die mangelnde Patientenorientierung wird an dieser Stelle sichtbar: In
nur 26 Prozent aller Fälle wurden Patienten in die Entwicklung von klinischen Pfaden
mit einbezogen (Vanhaechtet al., 2006, S. 32).
Insgesamt kann also festgestellt werden, dass Vernetzung durch klinische Pfade
zwar stattfindet, dass aber eine verbesserte Einbindung aller am Leistungsprozess
beteiligten Personengruppen erfolgen muss.
Zusammenfassung
Sich ständig verändernde Rahmenbedingungen führen dazu, dass sich
Unternehmen einem kontinuierlichen Wandlungsprozess unterwerfen müssen. Dabei
gewinnt intraorganisationale Vernetzung zunehmend an Bedeutung, da durch die
gesteigerte organisationale Interaktion Reize der Umwelt schneller in die
betriebsinternen Kommunikationsabläufe aufgenommen werden.
Ein Schlüsselelement der intraorganisationalen Vernetzung ist die Ausrichtung auf
Prozesse, die zunächst identifiziert und analysiert werden müssen, um sie
anschließend optimieren zu können.
Am Beispiel von klinischen Pfaden wurde in der Arbeit eine Form der
intraorganisationalen Vernetzung betrachtet. Dabei zeigte sich, dass diese für das
Unternehmen Krankenhaus einen hohen Nutzen durch eine Verbesserung der
Qualität der Versorgung, eine Erhöhung der Patientensicherheit sowie einen
verbesserten Ressourceneinsatz stiften können. Allerdings konnten auch Mängel im
derzeitigen Einsatz von klinischen Pfaden aufgezeigt werden. Vielfach werden
relevante Personengruppen nicht in die Entwicklung und Implementierung von
Pfaden mit einbezogen, v.a. eine mangelnde Integration des Managements konnte
festgestellt werden.
Zusammenfassend kann jedoch gesagt werden, dass intraorganisationale
Vernetzung einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg von Organisationen leisten kann.
Dazu braucht es jedoch in Zukunft eine verstärkte Einbeziehung wirklich aller
relevanten Entitäten.
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Vernetzung innerhalb von Versorgungssektoren in Österreich (Raditschnig Sigrid, BA)
Einleitung Das österreichische Gesundheitssystem sieht sich – wie die meisten westlichen
Gesundheitssysteme – mit immer komplexeren Aufgaben konfrontiert. Bedingt durch
die demographischen Veränderungen die westliche Zivilisationsgesellschaften
betreffen, steigt die Anzahl der älteren Einwohner unseres Landes an.
Damit einhergehen werden voraussichtlich die Faktoren Verlust sozialer Netzwerke
und Multimorbidität. So werden für das Jahr 2020, bei einer Gesamtbevölkerung von
ca. 8.75 Mio, ca. 65% allein stehende Frauen über 75 Jahren prognostiziert, in
Summe ca. 496.000 Personen, wovon ca. 37% in Single-Haushalten leben werden.
(vgl. Statistik Austria, 2007). Bei den über 85jährigen Personen verfügen ca. 22%
über keine verwandtschaftlichen Netzwerke mehr, wobei zumindest ca. 40% der über
70jährigen Personen zumindest 1x wöchentlich Kontakt zu ihren Nachbarn halten.
Dadurch, dass weiterhin viele ältere Personen den Verbleib in gewohnter Umgebung
– die oft nicht altersgerecht ausgerichtet ist – dem Umzug in stationäre Einrichtungen
vorziehen, ist auch nicht mit Abnahme der Sturzhäufigkeit und den damit
verbundenen Folgen für Behandlung und Betreuung der Verletzten zu rechnen.
Ein weiteres Charakteristikum der gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist das
Auftreten von erhöhter Multimorbidität mit fortschreitendem Alter, was wiederum eine
größere Herausforderung an ein funktionierendes Gesundheitssystem stellt. So
weisen 30% der über 80jährigen Personen sieben oder mehr diagnostizierbare
körperliche Beeinträchtigungen auf (vgl. BMASK, 2009), die je nach Art und
Schweregrad unterschiedliche Versorgungsformen und daher die Betreuung durch
Angehörige der verschiedensten Berufsgruppen benötigen.
In Ergänzung dazu hat sich der Personalstand allein in den österreichischen
Krankenanstalten seit 1980 mehr als verdoppelt und die Gesundheitsausgaben
gesamt sind von 8,3% im Jahr 1990 auf 11% des BIP im Jahr 2009 gestiegen. (vgl.
Statistik Austria, 2011). 2010 wurden ca. 200.000 Personen im Gesundheits- und
Sozialwesen beschäftigt (vgl. BMG, 2010). und im Jahr 2008 arbeiteten zusätzlich ca.
228.000 Personen als Freiwillige Helfer in Österreich (vgl. Statistik Austria 2008).
Schon im Jahr 2002 erbrachten mehr als 425.000 Personen informelle
Pflegeleistungen an Nachbarn oder Angehörigen. (vgl. BMASK, 2009).
Als weiterer zu beachtender Punkt gilt der Umstand, dass PatientInnen immer öfter
vorab Informationen über Krankheitsbilder und mögliche Therapien entweder selbst
rechercherieren oder von den behandelnden Personen einfordern. Aber auch seitens
der Leistungserbringer wird im Zuge der Spezialisierung und Technisierung der
Medizin und Pflege immer mehr an Informationen zu verarbeiten sein.
All diese Entwicklungen bedingen, dass sich das österreichische Gesundheitssystem
auf neue Kooperations- und Vernetzungsstrategien für eine effiziente und effektive
Nutzung der vorhandenen Ressourcen einstellen muss.
Integrierter Versorgung Als mögliche Antwort auf die oben gestellten Herausforderungen sehen
Gesundheitsexperten die integrierte Versorgung, die je nach Autor unterschiedlich
definiert werden kann. So sehen Gröne und Garcia-Barbero die Aufgaben von
integrierter Versorgung im Zusammenführen und Optimieren aller relevanten
Einflussfaktoren wie Leistungserbringung und Koordination der Lesitungserbringer,
Management der beteiligten Organisationen, Qualität der Leistungen und
Patientenzufriedenheit (vgl. Gröne et al. 2001), andere Autoren fokussieren eher den
Aspekt der Optimierung von Effizienz und Effektivität (vgl. Brown et al. 2001) und die
WHO stellt den holistischen Ansatz und die Stärkung der persönlichen Kompetenz in
den Vordergrund (vgl. WHO, 2002).
Herausforderungen an die Gesundheitssysteme Zusätzlich zu den unterschiedlichen Definitionen von integrierter Versorgung gelten
für die einzelnen Gesundheitssysteme unterschiedliche Rahmenbedingungen für die
Umsetzung von integrierter Versorgung. Steuerfinanzierte Gesundheitssystemen wie
etwa der NHS in Großbritannien erleichtern durch die Finanzierung aus einem Topf
und die vorgegebene Versorgungskette durch das Gatekeeper System
Kooperationen zwischen den beteiligten Berufsgruppen und Organisationen, da die
Kompetenzen klarer abgegrenzt sind und der Effekt von Angebotsinduzierter
Nachfrage geringer ist. In den nach Bismarck organisierten Gesundheitssystemen,
wie etwa Deutschland und Österreich ist gerade diese Koordination zwischen den
beteiligten Berufsgruppen und Kammern eine Barriere die durch gesetzliche
Vorgaben geregelt werden muss. Deutschland begann im Jahr 2000 erste
gesetzliche Vorgaben im SGB V zu verankern, seit 2007 ist auch die Pflegevorsorge
in die gesetzlichen Vorgaben mit einbezogen (vgl. Bohle, 2008). In Österreich wurde
2005 bundesweit für die einzelnen Bundesländer im Zuge der 15a Vereinbarung eine
integrierte Gesundheitsstrukturplanung unter anderen mit Nahtstellenmanagement
und Aufbau einer Gesundheitstelematik sowie sektorübergreifender Abstimmung zur
Qualitätssteigerung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung genehmigt und
vereinbart.
Unter Artikel 5, Nahtstellenmanagement wurde die Bundesgesundheitsagentur mit
der Errichtung von Rahmenbedingungen zur Gewährleistung eines
patientInnenorientierten, effizienten und effektiven Betreuungsverlaufes beauftragt.
(vgl. RIS, 2005).
Das heißt Integrierte Versorgung kann sich nur als Prozess auch zwischen den
Strukturen der Makro- (Gesetzgebung) und der Mikro- (leistungserbringende
Einzelpersonen) Ebene verstehen.
So sieht der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) 2010 auch vor, die
Betrachtungsweise der Versorgungspfade weg von der isolierten Sichtweise der
Krankenanstalten hin zu einer komplexen Betrachtung des gesamten in einer Region
vorhandenen Versorgungsstrukturen zu ändern. In Zuge dessen wird hier auf die
Bedeutung von Komplementär-Einrichtungen im teilstationären und ambulanten
sowie Einrichtungen des Sozialbereiches hingewiesen. (vgl. ÖSG 2010).
Ziele einer integrierten Versorgung Wie schon weiter oben beschrieben sind die individuellen Lebenswelten der
Patienten stark unterschiedlich und daher spezifisch in den
Entscheidungsfindungsprozess mit einzubeziehen, um die Partizipation der Patienten
im Sinne der Salutogenese zu stärken. Das bedingt, dass alle am
Behandlungsprozess beteiligten Professionen am Entwicklungsprozess teilnehmen.
Dies kann nur durch Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft, sowie klare
Kompetenzverteilung gelingen. Zur Stärkung der Kommunikation bedarf es im
optimalen Falle einer allen Beteiligten zugänglichen digitalen Kommunikation mit
vorgegebenen Prozessen zur Weitergabe der Dokumente.
Die gemeinsam beschlossenen Dienstleistungen müssen innerhalb der betroffenen
Sektoren, also stationärer und niedergelassener Bereich – vernetzt und koordiniert
werden. Was wiederum klare gesetzliche Vorgaben über den Abrechnungsmodus,
aber auch gegenseitiges Vertrauen und Respekt der Leistungserbringer
untereinander bedingt. Integrierte Versorgung muss sich als kontinuierlichen Prozess
mit Bereitschaft zur Weiterentwicklung sehen. Und abschließend: alle beschlossen
Entscheidungen orientieren sich vordergründig am Wohl des Patienten (vgl. Bühler,
2006).
Grad der Umsetzung der integrierten Versorgung in Österreich 2008 vereinbarten die neun österreichischen Bundesländer im Zuge der 2005
beschlossenen Umsetzung einer integrierten Versorgung eine Intensivierung der
erforderlichen strukturverändernden Maßnahmen sowie eine Erweiterung des
Kooperationsbereiches mit verbindlicher Berichterstattung zur Überprüfung des
Grades der Umsetzung (vgl. RIS, 2008).
Dieser ist im Versorgungsplan des ÖSG 2010 wie folgt erfasst.
Abbildung 11: BMG, 2010: ÖSG 2010, S.2
Die schon 2005 im Bundesgesetzblatt zur Integrierten Versorgung vorgesehene
elektronische Patientenakte ELGA konnte bis 2012 nicht umgesetzt werden, laut
Medienberichten scheitert dies vor allem an den Einwänden der Ärztekammer, die
befürchtet, dass PatientInnen Informationen von dafür nicht qualifizierten Personen
eingesehen werden könnten. (vgl. Initiative ELGA, 2012). Wobei dieser Punkt nur
einen Teilbereich der Problematik der nicht lückenlosen Kommunikation abbildet. Für
das Gesundheitssystem fallen durch Doppelbefundungen oder Übermedikation
zusätzliche Kosten an, für die PatientInnen oft zeitliche und auch körperliche
Belastungen.
Die Grad der Umsetzung des 2005 beschlossenen Nahtstellenmanagements stellt
sich im Jahr 2008 in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich dar. In
einigen Landeskrankenhäusern wurden vereinzelt Pilotprojekte mit definierten
Ansprechpartnern durchgeführt. Allerdings scheint es so, dass selbst innerhalb
dieser Krankenanstalten die Kompetenzen nicht klar getrennt waren und
PatientInnen von unterschiedlichen Stellen unterschiedliche Informationen bekamen.
Hier könnten einheitliche Standards in Form von Checklisten und Qualitätskriterien
im Sinne der PatientInnenorientierung Abhilfe schaffen (vgl. Ninaus-Meznik, 2008).
Über Projekte, die eine weiterführende, durchgängige Behandlung dokumentieren
konnte keine Literatur rechercheriert werden.
Schlussfolgerung Der Gesetzgeber in Österreich scheint sich der Notwendigkeit einer integrierten
Versorgung bewusst zu sein, und setzte daher die ersten Schritte zur Bildung von
den dafür notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen. Doch durch die 15a
Vereinbarungen mit den einzelnen Bundesländern, die Finanzierung und
Durchführungskompetenzen regeln, kommt es zu keiner österreichweiten Umsetzung
der beschlossenen Maßnahmen. Unterschiedliche Finanzierungsarten und starke
Kammern scheinen diese zu verlangsamen. Daher kann nicht von einer wie anfangs
definierten integrierten Versorgung in Österreich ausgegangen werden.
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Organisations- und Netzwerkanalyse (Hocke Victoria, BSc)
Definition: Netzwerk Zu nächst ist einmal festzuhalten, dass es keine einheitliche und von der
Wissenschaft akzeptierte Definition gibt. Da heutzutage die kleinsten
kommunikativen Phänomene bereits als Netzwerk betrachtet werden (können) (Vgl.
Lembke/ Vyborny, 2006).
Der Begriff soziales Netzwerk bezeichnet ein Beziehungsgeflecht, das in der
kleinsten betrachtbaren Einheit Menschen mit anderen Menschen verbindet (Familie,
Verwandtschaft, Kollegen etc.). Aber auch Menschen und Organisationen, sowie
Organisationen untereinander weißen soziale Netzwerke auf (vgl. Uni Hamburg).
Für soziale Netzwerke gelten folgende Unterscheidungen (vgl. Uni Hamburg):
• primäre oder persönliche Netzwerke. Hiermit sind Netzwerke in der Familie
und Verwandtschaft, nachbarschaftliche Netzwerke und freundschaftliche, das
heißt selbst gewählte Netzwerke gemeint. Aber auch altersspezifische,
frauenspezifische oder arbeitsplatzspezifische Netzwerke fallen darunter;
• sekundäre oder gesellschaftliche Netzwerke. Hierzu gehören institutionelle
Netzwerke wie zum Beispiel Handwerksbetriebe, Versicherungsunternehmen,
Kaufhäuser, Industriebetriebe und öffentliche Einrichtungen der Infrastruktur
wie zum Beispiel Kindergarten, Schule, Hochschule, Soziale Dienste,
Verkehrssysteme;
• tertiäre Netzwerke. Sie sind zwischen den primären und sekundären
Netzwerken angesiedelt und haben eine vermittelnde Funktion. Es handelt
sich hierbei um Gruppen der Selbsthilfe, Bürgerinitiativen und um
professionelle Dienstleistungen wie Krankenpflegedienste,
Gesundheitsberatung oder Einrichtungen der Sozialen Arbeit.
Soziale Netzwerke bieten praktische, emotionale und kognitive Unterstützung in
Belastungs- und Krise}nsituationen.
Netzwerkanalyse
Bedeutung Netzwerke bestehen schon seit langer Zeit, in der immer schnelllebigeren und
komplexeren Welt wird die Unterstützung durch andere jedoch immer wichtiger und
der Aufbau von Netzwerken bestimmt nicht nur mehr unser privates Umfeld. Auch in
der Arbeitswelt ist es sinnvoll sich auf Netzwerke verlassen zu können. In fast allen
sozialen und didaktischen Arbeitsbereichen werden Kooperation und Vernetzung
hohe Bedeutung für Lösungen und Strukturprobleme beigemessen. Der Sinn von
Netzwerken leitet sich dabei von den verschiedenen Einsatzgebieten ab, weißt aber
bei näherer Betrachtung in jedem Bereich ähnliche Ziele auf (vgl. Jütte, 2002).
Vernetzung …
• … bildet eine organisatorische Antwort auf die Komplexität des Lebens- und
Bedarfslagen bestimmter Zielgruppen.
• … erhöht Effizienz und Effektivität, durch die Zusammenarbeit und das
aufeinander abgestimmte Vorgehen.
• … dient der Sicherstellung von Qualität.
• … zielt auf Synergien und die damit verbundenen Synergieeffekte.
• … zielt auf eine verbesserte Kommunikation zwischen den einzelnen Akteuren
ab und führt zu einem gemeinsamen Planungsprozess zur Sicherstellung und
Abstimmung der Arbeitsaufgaben. (vgl. Jütte, 2002)
In den letzten Jahren wurde die Anwendung von Netzwerken immer bedeutender,
die Frage nach dem Nutzenpotenzial dieser Netze wird auch von Organisation immer
häufiger gestellt. So hat sich in der empirischen Sozialforschung ein eigenes Feld auf
getan, das sich zur Aufgabe gemacht hat Netze und damit soziale Beziehungen und
ihre Folgen zu analysieren und zu bewerten – die soziale Netzwerkanalyse (vgl. Jütte,
2002).
Dabei sind die untersuchten Felder recht unterschiedlich, so untersucht die
psychologische Netzwerkforschung Netzwerke hinsichtlich ihrer
Unterstützungsfunktion bei der Krisenbewältigung. Die politikfeldwissenschaftliche
Netzwerkforschung analysiert Prozesse in der Politik. Die betriebswirtschaftliche
Netzwerkanalyse beschäftigt sich mit der Analyse von Unternehmensnetzwerken und
den Netzwerken innerhalb der Organisation und soll hier näher dargestellt werden
(vgl. Jütte, 2002).
Für Organisationen bildet die Netzwerkanalyse ein wichtiges Instrument zur
Verbesserung von Strukturen und somit für die Optimierung von Arbeitsprozessen.
Zusehens zeigt sich, dass Netzwerke im Vergleich zu standardisierten
Arbeitsprozessen an Bedeutung gewinnen. Neben den offiziellen und formalen
Prozessen, die transparent im Unternehmen verankert sind, sind die tatsächlichen
Abläufe meist ungewiss. Wer arbeitet mit wem zusammen und holt Hilfe und Rat ein?
Wer kann mit wem am besten arbeiten und erzielt so größere Erfolge? (vgl. Zenk,
2009)
Die Antworten auf diese Frage können helfen unsichtbare Strukturen im
Arbeitsprozess sichtbar zu machen und diese dann zur Effizienzsteigerung zu nutzen.
Besonders bei Outsourcing-Prozessen und Fusionen großer Unternehmen können
versteckte Netzwerke schnell zu einem Problem werden. Setzt man hier richtig an
und nutzt das Wissen um Netzwerke, können Unternehmensstrategien erfolgreicher
umgesetzt und die Leistungsfähigkeit der MitarbeiterInnen verstärkt genutzt werden
(vgl. Zenk, 2009).
„Wissenschaftliche Studien belegen, dass eine entsprechende interne Vernetzung
nachhaltigen Einfluss auf die Produktivität, das Lernen und die Innovationsfähigkeit
einer Organisation hat, ebenso wie „ausgewogene” externe Unternehmensnetzwerke
(Behrend 2005).“ (vgl. Zenk, 2009)
Ein Weg die unsichtbaren Netzwerke sichtbar zu machen bildet die
organisationsbezogene Netzwerkanalyse (ONA). Im Gegensatz zu dem
Organigramm eines Unternehmens bilden die sozialen Beziehungen, gelebte
Arbeitskultur und Wissensressourcen der ArbeitnehmerInnen ein definierteres
Konstrukt (vgl. Zenk, 2009).
Netzwerkanalyse in der Anwendung
Ein einzelnes Netzwerk alleine erlaubt noch keine generelle Aussage über bestimmte
Mitarbeiter oder Gruppierungen. Deswegen ist bei einer Netzwerkanalyse als erster
Schritt die Frage der konkreten Aufgabenstellung, die Auswahl der Gruppe der zu
analysierenden Akteure sowie die Art der Beziehungen zu klären. Je genauer die
Problemstellung und die damit verknüpfte Strategie erfasst werden, desto effektiver
können die Analysen für die Optimierung abgeleitet werden.
Bei der Analyse sind sieben Schritte von großer Bedeutung (siehe hierzu Zink
(2009)):
1. Zielsetzung
2. Festlegung der Zielgruppen
3. Auswahl der Methoden
4. Visualisierung der Netzwerke
5. Berechnung der Kerngrößen
6. Feedback
7. Umsetzung der Maßnahmen
Diese sollen im Folgenden kurz erläutert werden.
1. Zielsetzung
Die erste Phase beginnt mit einer zusammen erarbeiteten Zielsetzung. Welche
Situationen und Fragen sollen beleuchtet werden? Wo können Analysen helfen
Verbesserungen erkenntlich zu machen.
„Dabei werden besonders Strukturen und Prozesse betrachtet, die funktionale,
geographische, hierarchische oder auch organisatorische Grenzen überschreiten, da
gerade an diesen Übergängen sozio-kulturelle Netzwerke oftmals fragmentiert
sind.“(vgl. Zink, 2009)
Sinnvoll ist es bereits in der ersten Phase eine genaue Vorgehensweise mit der
Organisation abzusprechen und diese im Hinblick auf rechtliche Vorschriften
absegnen zu lassen.
2. Festlegung der Zielgruppen
Als nächstes werden die Zielgruppen identifiziert und die Entscheidung darüber
getroffen welche Akteure betrachtet werden sollen (z.B. eine Abteilung, die gesamte
Organisation oder nur bestimmte Typen wie Manager oder neue Mitarbeiter). Dabei
werden auch die speziellen Funktionen und die dazugehörigen Kompetenzen erfasst,
die die zu untersuchenden Akteure innehaben
3. Auswahl der Methoden
„Im Anschluss erfolgen die Auswahl geeigneter Analysemethoden und -tools sowie
die Erstellung einer spezifischen Ablaufplanung. Die Tatsache, dass die Erhebung
der Daten nicht anonym erfolgen kann, stellt entsprechend hohe Anforderungen an
die Vorbereitung und Durchführung einer Netzwerkanalyse. So müssen im Vorfeld
mit allen Beteiligten klare Regelungen, […] getroffen werden.“ (Zink, 2009)
Die Methoden die bei der Analyse häufig verwendet werden sind Fragebögen, die in
kurzer Zeit ausgefüllt werden können, selektive Interviews aber auch Textanalysen
von Dokumenten die im Arbeitsprozess im Umlauf sind. Die Auswahl der Methoden
muss dabei wie in allen Forschungsbereichen zur Beantwortung der Frage sinnvoll
sein (vgl. Zink 2009).
4. Visualisierung der Netzwerke
In Phase vier werden dann alle gesammelten Daten mit Hilfe von spezieller Software
in Netzwerkdiagrammen visualisiert. Die Darstellung hilft konkrete Beziehungen
sichtbar zu machen und kritisch zu hinterfragen. Zu dem kann man den Ist-Zustand
mit dem Soll-Zustand abgleiche und dadurch Ungleichgewichte aufdecken (vgl. Zink,
2009).
Bei unterschiedlichen Fragestellungen können die Visualisierungen dann auch
miteinander verglichen werden und können so helfen ein tatsächliches
Gesamtnetzwerk darzustellen. Zudem könnte man auch die Veränderungen der
Netzwerke ablichten, indem man die Analyse zu unterschiedlichen Zeitpunkten
wiederholt und kann so Einblicke sichtbar machen die sich hinter einem
Organigramm versteckt bleiben (vgl. Zink 2009).
5. Berechnung der Kerngrößen
„Um die erhobenen Netzwerke noch genauer zu messen, werden speziell entwickelte
Kenngrößen berechnet. Die zusätzliche Berechnung aussagekräftiger Indikatoren
gibt den Verantwortlichen die Möglichkeit, standardisierte Netzwerkmaße objektiver
bewerten zu können. Die Ergebnisse werden im Anschluss sowohl mit dem
Auftraggeber als auch mit Arbeitnehmervertretern bzgl. Detaillierungsgrad und
Umfang der Ergebnisdokumentation und -kommunikation abgestimmt.
Vor allem bei größeren Netzwerken oder beim Vergleich von Netzwerken ist es
hilfreich, neben Visualisierungen standardisierte Kenngrößen für ein besseres
Controlling zu ermitteln.
So wird beispielsweise untersucht, welche Akteure eher Informationen einholen (z.B.
neue Mitarbeiter) und welche Akteure eher Informationen zu Verfügung stellen (z.B.
Experten).“ (Zink 2009)
6. Feedback
In der vorletzten Phase werden Teilergebnisse mit den Verantwortlichen besprochen,
dabei sollen „wesentliche Aspekte hervorgehoben und erläutert werden um den
Betroffenen eine bestmögliche Orientierung zu bieten“(Zink, 2009).
Zudem kann das Analyse-Team um Feedback bitten um Prozesse weiter zu
optimieren und Risiken aufzudecken (z.B. Warum nahmen wenige der Angestellten
an den Fragen teil etc.)
Aber auch die MitarbeiterInnen können mit den Ergebnissen arbeiten und Vorschläge
zur optimalen Nutzung machen, was „Aspekte wie Teamentwicklung, kollektives
Lernen und innovatives Problemlösen nachhaltig fördert“ kann (Zink, 2009).
Die Ergebnisse und darauf basierende Maßnahmenvorschläge werden dann
gesammelt und der Organisation vorgelegt.
7. Umsetzung der Maßnahmen
In der letzten Phase werden, wenn gewünscht, die Maßnahmen in Begleitung des
Netzwerkanalyse-Teams umgesetzt. Dafür empfiehlt es sich ein
„Veränderungsmanagement“ zu positionieren, vielleicht in Zusammenarbeit mit dem
Qualitäts-/ Risikomanagement. Die erreichten Zielen sollten dann nach gewisser Zeit
überprüft werden und sicherzustellen das Maßnahmen umgesetzt und sinnvoll sind.
Praxisbeispiele Praxisbeispiel 1
Frage: Wie tauschen Studenten innerhalb einer Lehrveranstaltung Wissen aus und
wie arbeiten sie zusammen?
In einem Workshop bearbeiten und besprechen Studenten Fallstudien gemeinsam.
Am Ende des Seminars beantworten die Studenten einen Fragebogen zum Seminar
und bewerten darin die einzelnen Teilnehmer und deren Seminarbeiträge. Dieser
Fragebogen wird anschließend mit Hilfe der sozialen Netzwerkanalyse ausgewertet.
Beispielhaft soll auf zwei Fragen dieses Fragebogens eingegangen werden, die
erstens die fachliche und zweitens die persönliche Dimension des Workshops im
Fokus des Interesses hatten:
1. Folgende Teilnehmer haben die besten Inputs gegeben. Ich nominiere: …
2. Mit folgenden Personen würde ich in einem nächsten Workshop besonders
gerne zusammenarbeiten. Ich nominiere: …
Insgesamt nehmen 19 Studenten an der Befragung teil. 13 von ihnen haben den
Fragebogen beantwortet (68,4%).
Durch die Visualisierung der Antworten kann gezeigt werden, wessen Input am
meisten geschätzt wurde bzw. mit wem jemand einen weiteren Workshop besuchen
möchte. Konkret helfen Visualisierungen in diesem Beispiel, fachliche und soziale
Dimensionen abzubilden. Mittels Farben, Formen und Größenunterschieden können
weitere Informationen zu einzelnen Akteuren, wie Geschlecht oder Anzahl der
Nominierung gegeben werden.
Mit Hilfe der Netzwerkanalyse können Organisationen demnach besonders
einflussreiche Mitarbeiter gezielt identifizieren.
Quelle: Lembke, Gerald / Vyborny, Michael (2006): Soziale Netzwerkanalyse. Aus Wissensmanagement – Das Magazin
Praxisbeispiel 2
In Abbildung 1 wird beispielhaft ein Vergleich zwischen der hierarchischen Ordnung
(links) und dem informellen Informationsfluss (rechts) in einem verteilten
Produktentwicklungsteam gezeigt. Jedes Teammitglied wurde gefragt: “An wen
wenden Sie sich, um Informationen zu erhalten, die für ihre Arbeit wichtig
sind?“ Durch die Visualisierung werden auf einen Blick die tatsächlichen
Informationsflüsse erfassbar. Die einzelnen Teammitglieder werden durch Quadrate
repräsentiert, die Pfeile zeigen die Richtung der Kommunikation an. Die
unterschiedlichen Farben der Quadrate verdeutlichen die Zugehörigkeit der
Personen zu den Organisationsbereichen Produktion, Marketing und Forschung &
Entwicklung (F&E).
Anhand der Visualisierungen können Organisationen das Informationsnetzwerk überprüfen und Verbesserungen angehen. Vielleicht besetzen sie ineffiziente Stellen neu oder beschäftigen in neuen Projekten andere MitarbeiterInnen. Welche Lehren aus der Analyse gezogen werden, bleibt dann dem Unternehmen überlassen.
Quelle: Zenk, Lukas (2009): Soziale Netzwerkanalyse in Organisationen/ Versteckte Risiken und Potentiale erkennen.
Abbildung 1: Gegenüberstellung Organigramm und tatsächlicher Informationsfluss (Quelle: Zenk (2009))
Fazit Netzwerkanalysen bieten in der heutigen Zeit ein einfaches Instrument um
unsichtbare Abläufe in Unternehmen sichtbar zu machen.
Mit Hilfe der Analyse können Prozesse verbessert und optimiert werden, wenn die
Ergebnisse richtig gedeutet werden und Maßnahmen ordentlich geplant und
umgesetzt werden.
Dabei sollte aber darauf geachtet werden sich nicht „zu Tode“ zu analysieren,
sondern sich auf bestimmte Prozesse einzuschränken und seine Fragen an/ über
das System spezifisch zu stellen.
Die Netzwerkanalyse ist zwar ein Instrument das vielfältig eingesetzt werden kann
(Untersuchung von großen bis sehr kleinen Gruppen/ soziale, politische,
organisationelle Abläufe etc.) sollte aber nicht überstrapaziert werden.
Mit der richtigen Planung bildet es ein einfaches Instrument um Netzwerke zu
analysieren und zu visualisieren.
Literaturverzeichnis
Jütte, Wolfgang (2002): Die Netzwerkanalyse als Methode zur Untersuchung von
Kooperationsstrukturen in der Weiterbildung.
Unter: http://www.donau-uni.ac.at/imperia/md/content/weiterbildungsforschung/projek
te/lll/netzwerkanalyse_als_methode_1_.pdf [25.01.2012]
Lembke, Gerald / Vyborny, Michael (2006): Soziale Netzwerkanalyse. Aus
Wissensmanagement – Das Maganzin.
Unter: http://gerald-lembke.de/media/pdf/Soziale%20Netzwerk%20Analyse%20und%
20Buchbesprechung%20Wissensnetzwerke.pdf [25.01.2012]
Uni-Hamburg: Soziales Netzwerk.
Unter: http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/projekte/slex/seitendvd/konzepte/l53/l53
85.htm [25.01.2012]
Zenk, Lukas (2009): Soziale Netzwerkanalyse in Organisationen/ Versteckte Risiken
und Potentiale erkennen.
Unter: http://www.inso.tuwien.ac.at/uploads/media/Zenk_Behrend_2010preprint_Soz
iale_Netzwerkanalyse_in_Organisationen.pdf [25.01.2012]