annie in wonderland

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Annie in Wonderland2005 reiste ich zum ersten Mal und allein nach Südostasien,insgesamt vier Monate über Hongkong nach Vietnam, Kambodscha und Laos.Außer den zwei Tagen nach der Ankunft in Hanoi war nichts vorgeplantund ich war noch ohne Computer und Digitalkamera unterwegs.Die Texte stammen von meiner Webseite, die ich in Internetcafés befüllte,und alle Fotos wurden von mir mit einer kleinen Olympus Mju II gemacht(mit Ausnahme der Sapa-Doppelseite, die Bilder stammen von einer CD,die ich dort gekauft habe, weil mein Apparat krank wurde in den Bergen).Ich hatte sie gleich vor Ort entwickeln lassen, jeder Film kam in einem kleinen Album und die Bilder hatten einen farbigen Rand mit Dekor, und wenn ich sie mir öffentlich anschaute, lachten sich die Asiaten kaputt darüber, dass ich Wäscheleinen und Papierkörbe fotografiere. Mittlerweile bin ich noch häufiger dort und in anderen asiatischen Ländern gewesen und meine ungestüme und manchmal auch naive Begeisterung hat sich etwas verwandelt; wenn es anfangs ein Verknalltsein war, ist es nun zu einer großen Liebe geworden. Manche Sichtweisen sind mir mittlerweile peinlich, aber so, wie es hier steht, fühlte es sich damals an.Immerhin habe ich mir mit diesem Buch ein Stück Erinnerung verewigt, das ich jetzt immer vorliegen habe. Und ich musste auch manchmal sehr lachen!Es wird mich immer wieder dorthin ziehen, denn ich fühle michkaum irgendwo so zuhause wie in dem anonymen Gewimmel asiatischerGroßstädte. Ich habe dort Gelassenheit, Demut und wahres Glück gefunden. Das Gefühl, leicht wie eine Feder zu sein, ist unbeschreiblich.

1 ICH BIN DA !!! 03.01.2005 04.09 Uhr Ziemlich unglaublich, nach den letzten drei Tagen... aber die Fotos werden es beweisen. Eigentlich wollte ich dieses Tagebuch schon in Hamburg beginnen, mit einer schönen Begrüßung an alle und Danksagung an P und K, die mir meine Internetseite gemacht haben, aber dann hatte ich plötzlich beim Frühstück einen Zahn in der Hand, und auch der letzte Tag, wie schon der ganze Monat, verlief anders als gedacht. „Bad news, good news, who knows“ würde E sagen, und Recht hat sie, denn ich lernte auf diesem Wege eine ganz reizende junge Zahnärztin kennen, zu der ich dann in Zukunft gehen werde, sollte ich noch jemals zurückkommen. Wir konnten dann also trotzdem noch feiern, und um 5 brachte J mich zum Flugzeug; o Fliegen, was für mich gleichbedeutend ist wie wie wie wie ein Bungeesprung? eine Herztransplantation? elektrischer Stuhl, aber das darf man nicht sagen ... jedenfalls wusste ich auf einmal nicht mehr, was das alles sollte und musste sogar weinen und wieso verzichtete ich freiwillig wochenlang auf Lindenstrasse und Six feet under... es fiel mir nichts ein. Stieg weinend in dieses Ding nach London ein und, durch Schlafentzug oder was auch immer, es war gar nicht schlimm! In London dann gleich schon diese andere, bessere Welt aus bunten Menschen. Und den tollen Geschäften, in denen man sich nichts leisten kann. Auf dem Flug nach Hongkong war ich dann schon Profi. Ohne mit der Wimper zu zucken hab ich mich angeschnallt und brav alles mitgemacht... ging super. Meinetwegen konnte es noch enger sein! Allerdings war mein Platz jedesmal geschrumpft, wenn ich von meinen Rundgängen, die man ja machen soll auf langen Flügen und mit denen man die anderen schön nervt, zurückkam. In Hongkong war ich dann mittlerweile so müde, dass ich mich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Dabei ist der Flughafen grandios, mit lebenden Orchideen und Bergpanorama im Hintergrund und leckeren Suppenküchen. Die Chinesinnen tragen zu meinem Erstaunen alle flache Schuhe, was sehr hübsch aussieht, und als ich mich grad auf den gemütlichen Sesseln mit meinem Federkissen von zu Haus ein bisschen zurechtgemuschelt hatte, kam eine angetrippelt und gab mir zu verstehen, dass man hier nicht schlafen könne. Na super! Haben Sie bitte ein Gestell, in das Sie mich aufrecht reinschrauben können? Hongkong könnte eine große Liebe werden, aber da kommen wir ja später erst hin. In Hanoi wurde ich abgeholt und ohne irgendwas zu sehen außer den drei frischen Rosen auf meinem Nachttisch, fiel ich ins Bett und schlief viele viele Stunden. Und nun gehts los.

HANOI2 Der erste Tag04.01.2005 03.50 Uhr war ganz schön hart. Mitmachen ist hier angesagt (das kann ich ja gut ;)) und sich auslachen zu lassen: „first time you EAT CHOPSTICKS, haha“- dabei ist Suppe auch nicht gerade die leichteste Übung. Auf der Straße bloß nicht stehenbleiben, aber auch nicht rennen - der Verkehr ist mörderisch, manchmal gibt es überhaupt keine Möglichkeit für mich, weiterzukommen. Ich komm ja schon in Hamburg nicht über die Straße. Hatte mich dann gleich so hoffnungslos verlaufen, was an sich mal gar nicht schlimm ist, aber irgendwann muss man ja wieder zurück. Fragen bringt gar nichts, die wissen alle selbst nicht, wo sie sind, und ein Stadtplan wird ziemlich verwundert gedreht und gewendet und dann kopfschüttelnd zurückgegeben. Dabei wollte ich unbedingt vermeiden, ein Motorradtaxi nehmen zu müssen. Am Ende bin ich dann doch kleinlaut aufgestiegen, Himmel, dass ich das überlebt hab. Zwischendurch hab ich mich vor lauter Frust in so eine Dollar-Touristenfalle geflüchtet, eine Weinstube mit französischem Einschlag und 3-Gang-Menü zu annähernd deutschen Preisen. Das schmeckte aber so gut da, selbst Wolfram Siebeck wäre entzückt gewesen. Ich war vor allem froh, irgendwo mal in Ruhe meinen Stadtplan studieren zu können („do you need taxi?“) und nach zwei Wein ist es auch besser auszuhalten, wenn man in einer Straße landet, die 1 km lang nur getrocknete Pilze anbietet, man möchte aber Kerze, Räucherstäbchen und Schaumbad kaufen, um es sich nach einem anstrengenden Tag zu Hause gemütlich zu machen. Als ich in mein hübsches Zimmer zurückkehrte, das mich noch am Vortag vor Kälte zur Schneefrau mutieren ließ, dampfte es dort jetzt wie im Backofen. Und zwei köstliche Riesenmandarinen warteten auf mich. Es tat ihnen nämlich leid, dass ich gefroren hatte. Während sie unten im Frühstücksraum ohne Decke auf zusammengeschobenen Holzstühlen schlafen!

1 ICH BIN DA !!! 03.01.2005 04.09 Uhr Ziemlich unglaublich, nach den letzten drei Tagen... aber die Fotos werden es beweisen. Eigentlich wollte ich dieses Tagebuch schon in Hamburg beginnen, mit einer schönen Begrüßung an alle und Danksagung an P und K, die mir meine Internetseite gemacht haben, aber dann hatte ich plötzlich beim Frühstück einen Zahn in der Hand, und auch der letzte Tag, wie schon der ganze Monat, verlief anders als gedacht. „Bad news, good news, who knows“ würde E sagen, und Recht hat sie, denn ich lernte auf diesem Wege eine ganz reizende junge Zahnärztin kennen, zu der ich dann in Zukunft gehen werde, sollte ich noch jemals zurückkommen. Wir konnten dann also trotzdem noch feiern, und um 5 brachte J mich zum Flugzeug; o Fliegen, was für mich gleichbedeutend ist wie wie wie wie ein Bungeesprung? eine Herztransplantation? elektrischer Stuhl, aber das darf man nicht sagen ... jedenfalls wusste ich auf einmal nicht mehr, was das alles sollte und musste sogar weinen und wieso verzichtete ich freiwillig wochenlang auf Lindenstrasse und Six feet under... es fiel mir nichts ein. Stieg weinend in dieses Ding nach London ein und, durch Schlafentzug oder was auch immer, es war gar nicht schlimm! In London dann gleich schon diese andere, bessere Welt aus bunten Menschen. Und den tollen Geschäften, in denen man sich nichts leisten kann. Auf dem Flug nach Hongkong war ich dann schon Profi. Ohne mit der Wimper zu zucken hab ich mich angeschnallt und brav alles mitgemacht... ging super. Meinetwegen konnte es noch enger sein! Allerdings war mein Platz jedesmal geschrumpft, wenn ich von meinen Rundgängen, die man ja machen soll auf langen Flügen und mit denen man die anderen schön nervt, zurückkam. In Hongkong war ich dann mittlerweile so müde, dass ich mich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Dabei ist der Flughafen grandios, mit lebenden Orchideen und Bergpanorama im Hintergrund und leckeren Suppenküchen. Die Chinesinnen tragen zu meinem Erstaunen alle flache Schuhe, was sehr hübsch aussieht, und als ich mich grad auf den gemütlichen Sesseln mit meinem Federkissen von zu Haus ein bisschen zurechtgemuschelt hatte, kam eine angetrippelt und gab mir zu verstehen, dass man hier nicht schlafen könne. Na super! Haben Sie bitte ein Gestell, in das Sie mich aufrecht reinschrauben können? Hongkong könnte eine große Liebe werden, aber da kommen wir ja später erst hin. In Hanoi wurde ich abgeholt und ohne irgendwas zu sehen außer den drei frischen Rosen auf meinem Nachttisch, fiel ich ins Bett und schlief viele viele Stunden. Und nun gehts los.

3 Kalt wie auf dem Mars 04.01.2005 12.56 Uhr Laut web.de sollte es heute 23 Grad werden. Ich hab mir erstmal Wollhandschuhe gekauft. Echte Wolle, in Vietnam eine Seltenheit und nur 2 DM. Das ist vielleicht eine Umrechnerei von Mark in Euro in Dollar in Dong. Oder umgekehrt. Die vielen Nullen! Auch das erinnert an Istanbul. Nur das es hier nicht so modern ist. Und der Verkehr ist anders, es gibt ja keine Ampeln. Alles muss instinktiv ausgehandelt werden. Ein bisschen wie Tanzen. Morgens um den See gelaufen. Dann zwei Tempel besucht, einer davon sehr alt und groß und eindrucksvoll. Der Literaturtempel, gebaut zu Ehren von Konfuzius. Da trifft man dann auch mal andere Langnasen, vorzugsweise Amerikaner. Anschließend in ein Restaurant, in dem Streetworker Straßenkindern das Kochen beibringen- aber wie! Manche sollen es angeblich schon zu Meisterköchen gebracht haben. Ich hatte eine Frühlingsrolle, die war in sushiartige Stücke geschnitten, auf jedem ein Fitzel chinesische Wurst und eine rotglasierte Krabbe, alles zur Lotusblume angeordnet. Und dann Seafoodcurry spicy, das war wirklich gut, mit Fischen und Seegetier, die es nur hier gibt, zB. eine spezielle Muschelart, groß, fleischig, namenlos. Nachtisch hab ich nicht geschafft, hätte aber auch gut sein können. KOTO heißt das Ding, falls hier mal jemand hin will- kann ich wärmstens empfehlen. Anschließend noch in einem Jugendtreffpunkt (In-Place) eingekehrt, wo ich gerade so vorbeiging. Eigentlich gibts hier ja eh nur Jugendliche- im Gegensatz zu Deutschland sind hier 60% der Bevölkerung unter 30 Jahren. Ich zwängte mich in so ein kleines Stühlchen, gab nichts anderes. Wenn ich aufstehe, wird mir der Stuhl am Arsch hängenbleiben. Das bewahrt sie vor den anderen Touristen, die passen da nämlich auch nicht rein. Der Kaffee war sehr dick, fast fettig und süß. Mein erster Kaffee. Ich hatte so ein Glücksgefühl auf einmal. Könnte ewig da sitzen bleiben, wenn die nur nicht immer lachen würden. „Ich soll meine Plastiktüte nicht auf den Boden stellen“ gestikulieren sie mir zu. Vermutlich, weil sie jemand klauen könnte? In der Tüte sind zehn Ansichtskarten und zwei Stoffbeutel mit BH und Höschen aufgestickt (schon die ersten Mitbringsel, und eine blassrosa Kerzenkatze (oder sagt man eher „Katzenkerze“) als Schmuck für mein Hotelzimmer. Außerdem ein Pullover aus Wolle in Übergröße, den ich schon billiger bekommen hab, weil die den hier nicht loskriegen. Der Dieb wird sich bedanken! Ich hatte noch einen zweiten, richtig dicken Wollpullover anvisiert (ich glaube, ich bin wollsüchtig) aber nicht genommen- denn seit ich die Handschuhe habe, hat sich das Wetter gebessert. Das war der Trick. Muss gleich nach Hause und ein bisschen was ausziehen.

4 Fußreflexzonenmassage 05.01.2005 11.59 Uhr Heute wollte ich mir mal was gönnen. Massagen sind ja hier im Angebot- sozusagen ein Muss- empfohlen wird, in die größeren Hotels zu gehen, wegen der Seriosität. Ich gehe ins „DAN CHU“, ein großes altes staatliches Hotel (Werbetext: Soviel altes Hanoi können Sie sonst nirgendwo erleben!) Massage? Left, right, downstairs. Ein kleines Kassenhäuschen, im Angebot Sauna, Thaimassage 30 oder 60 Min. Oder Füße 30 Min. Na, ich will ja erstmal üben. Einmal Füße bitte! Bezahlt und reingewunken in leicht schmuddelige Duschkabine mit Liege und Safe. Ich bleib erstmal sitzen. Nach einiger Zeit kommt freundliche Vietnamesin und deutet mir an, ich soll mich waschen. Ah, Füße selber duschen, keine Schale mit warmem Blütenwasser. Okay. Ich stelle mich etwas ungeschickt an, da ich mich ja nicht nassmachen will an der Hose. Vietnamesin kommt wieder in einer Art rosa Schlafanzug. Sie zieht sich selbst Schuhe und Strümpfe aus und drückt mich auf die Liege. Fängt an, meine Beine zu inspizieren. Knetet fasziniert meine dicken Waden, kneift in die Oberschenkel, zerrt an meiner Hose. Halt, ich hatte Fußmassage. Sie versteht nicht. Wir lachen. Sie knetet und zerrt. Hätte ich vielleicht sagen sollen, dass ich eine gebrochene Rippe habe? Zu spät. Schon sind meine Gliedmaßen einmal kreuzüber verknotet und sie rammt mir ihr Knie in die Seite. Ich schreie, sie lacht. Wissen Asiaten nicht, dass wir keine begnadeten Körper haben? Sie zwirbelt und drückt und kneift an allen möglichen Stellen, es tut verdammt weh, scheint sie aber nicht zu beeindrucken, mein Gejammer. Sie bohrt ihre Fingernägel in meine Fußsohlen, dreht und wendet mich nach Strich und Faden, und knetet zuguterletzt noch meinen Nacken durch. Dann haut sie mir auf die Schulter. Wir sind fertig. Ich verstehe, man sagt: Füße, weil es am billigsten ist -bekommt dann aber das ganze Programm. Und das restliche Geld gibt man den Mädels. Verschämt zupfe ich einen Schein aus meinem Geldbündel, etwa soviel, wie ich schon an der Kasse gezahlt habe. Sie zeigt auf einen anderen, sehr viel größeren Schein in meiner Hand. Ich schüttel den Kopf. Sie lacht, ich lache. Beim Rausgehen grapscht sie nochmal nach meinem dicken Bauch. Weiß der Kuckuck, was das nun zu bedeuten hat. Sowas wie: „Du hast noch ein paar Massagen nötig!“ -Das mach ich allerdings sicher nicht so schnell nochmal.

5 Ho-Ho-Ho-Chi-Minh 06.01.2005 08.40 Uhr Heute guckte zum ersten Mal seit ich hier bin ganz kurz die Sonne raus. Hab mir nen flotten Mundschutz besorgt und ab auf die Fahrradrikscha, von denen es hier in der Stadt nur noch ein paar wenige gibt. Die sollen ganz weg, hab ich gehört. Auch wenn man da die ganze Zeit abgedrängelt wird, ist das Fahren in dieser Kiste doch angenehmer für mich als auf dem Motorrad. „Einmal Ho-Ch-Minh-Mausoleum bitte!“- Dort gehen hauptsächlich Vietnamesen hin, bei der Menge, die da anstehen, könnte man meinen, jeder Vietnamese hat die Verpflichtung, einmal im Monat Onkel Ho, wie sie ihn nennen, zu besuchen. Außer im Oktober und November, da wird er nämlich in Russland repariert.- Man wird erstmal zum Warten in einen Raum geführt, wo ein 20-minütiges Propagandavideo läuft. Versteh ich natürlich nichts. Aber ich seh, wie Onkel Ho Rollstuhlfahrern die Hand schüttelt und Kinder, die turnen. Nach etwa einer Viertelstunde geht es los- im Gänsemarsch einzeln auf einer weißen Linie ( Ho-Chi-Minh-Pfad haha) durch einen riesigen asphaltierten Park. Dann durch eine Schleuse wie am Flughafen. Pech für alle, die nicht, wie schon am Eingang verlangt, ihre Handys und Kameras abgegeben hatten. Auch mein Lippenstift piept und wird untersucht. Die Handys und Kameras kommen in kleine rote Handtaschen, mit denen praktisch alle Männer (wie ist es ihnen doch peinlich) dann gehen müssen bis zur nächsten Schranke, wo alle roten Handtschen einkassiert und registriert werden. So, Hüte ab, Hände aus den Hosentaschen,und dann gehts ziemlich zügig in das Mausoleum hinein, zwei Stockwerke hinauf und da liegt er: besonders adrett aufgebahrt, unten verschnörkeltes Gold, oben ein schlichter Holzbaldachin, mit orangefarbenem Licht die Hände und das Gesicht angestrahlt, bewacht von vier reglosen Soldaten. Er sieht so lieb aus; leider hat man wenig Gelegenheit, den Anblick zu genießen, denn wie immer darf man nicht stehen bleiben. Einmal um ihn herum in Sprechgeschwindigkeit, das wars. Nebenbei: der arme Ho wollte ja eingeäschert werden! Hat sich auf jeden Fall gelohnt, dieser Besuch, zumal gleich nebendran sein kleines, auf Pfählen gebautes Wohnhaus steht, noch eingerichtet, als würd er sich nachts mal an die Bücher setzen. Den Palast mochte er nicht. Und deshalb dürfen wir da jetzt auch nicht rein. Will ich auch gar nicht. Lieber was essen. Meeresschnecken mit Chilisauce, auf dem Markt, wo alle Standbesitzer „Wer Wird Millionär“ gucken, im gleichen Look wie bei uns. 1 Mio. Dong, das sind 100 Mark. Ob das der Gewinn ist?

6 Fortbewegung 08.01.2005 03.29 Uhr Der Verkehr ist unglaublich. Am Nachmittag, zur Rushhour, wird es vollkommen aggressiv und täglich sehe ich Unfälle. Um über eine vierspurige Straße zu kommen, habe ich mir schon ein Taxi von der einen zur anderen Seite genommen. Kostet ja nix. Ich gehe eigentlich alles zu Fuß. Busse gibt es nicht im Innenstadtbereich, nur Motorräder... Um hier endlich mal wegzukommen, bin ich aus meinem tollen Zimmer (wo es so war wie zuhause) in ein etwas einfacheres Zimmer umgezogen, ohne Badewanne. Aber mit einer Pagode auf dem Balkon, wo der Hausaltar drin wohnt. Da stehen dann immer frische Blumen, Früchte und Schnaps. Gestern abend klopfte es bei mir; die Jungs vom Hotel wollten sich ein paar Apfelsinen holen. Darf man das, die geopferten Gaben selber aufessen? Der Bahnhof stellt eine unüberwindbare Hürde da. Hatte ich schon von gehört, wollte es aber irgendwie nicht glauben. Man muss hier doch eine Fahrkarte kaufen können! Ich ging also hin, um mich damit erstmal vertraut zu machen, und kam mir vor wie beim Turmbau zu Babel. Verstand also nur Bahnhof! Die Gepäckaufbewahrung war das Beste: da lagen alle Dinge, hauptsächlich Waren, riesige Pakete, auf einem großen Haufen, und alle latschten da durch und wühlen sich ihren Kram raus. Und es wurde geschubst und geschrien, dass es so seine Art hat. Sowas hatte ich hier bisher weder gesehen noch vermutet. Fahrpläne oder sowas waren gar nicht auszumachen. Da stand zwar was dran, aber fragt mich nicht. Die Schalter von Trauben umringt, Menschen mit all ihrem Hab und Gut zwischendrin. Ich bin erstmal wieder abgezogen. Hab dann bei Kangoroo Tours (Australier sind hier nämlich gut vertreten) eine Fahrt in die Berge gebucht, schön mit Gruppenzwang. Das wird herrrrrlich!

7 Ich gehe 08.01.2005 07.00 Uhr Was ich den ganzen Tag mache, wollen sie wissen. Ich sei nun schon so lange da.( Die Pärchen mit den Globetrottersandalen bleiben stets nur ein, zwei Nächte.) Vielleicht fragt ihr es euch auch schon? ICH GEHE. Ich staune. Ich esse. Ich lese die Vietnam News (2 CD-Shops sind geschlossen worden und Computer und massig gebrannte CDs konfisziert.) Ich besuche Tempel, Museen (klein aber interessant: das Frauenmuseum) und Ausstellungen. Vietnamesen sind fleißige Künstler. War schon im Wasserpuppentheater. Ließ mir ne Brille machen (ein Kapitel für sich) und die Haare waschen (ein Kapitel für sich). Aber eigentlich GEHE ich. Einmal im Strom untergetaucht, zieht es dich fort, hierhin, dorthin, weiter weiter. Und schon ist der Tag rum, denn er ist hier sehr kurz. Und es gibt viel zu sehen: die Frauen mit den langen Stangen, wo Körbe dran hängen, verheddern sich in Radfahrer. Zwei Mädchen haben Ratten in einem Käfig, die sie mit einem dicken Draht erstechen, unter lautem Quieken, Tiere und Mädchen. Alte Vietnamesen tragen Baskenmütze, die Frauen Samtanzüge, gern in lila. Jemand hat vier tote Schweine auf ein Motorrad geschnallt. Auf manchen Jacken steht hinten „USA“. Erstaunlich, wie die Vietnamesen in so kurzer Zeit ein geradezu anhängliches Verhältnis zu Amerika entwickeln konnten. US-Flagge am Auto, auf Kissen und Kopftüchern. Sie tragen die Klamotten auf, die die Soldaten dagelassen haben. Und den ganzen Tag US-Filme im Original auf Star Movie TV. Aber kein McDonalds in Hanoi, und kein HipHop und keine Afrikaner. Nur die passende Kleidung dazu. Hab eine gefütterte PUMA-Jacke gekauft, weiß nicht, was an der nicht echt sein sollte außer dem Preis. Für den Jungen. Entschuldigung, aber ich trag sie erst noch mal, in den Bergen soll es sehr kalt werden. Kommt dann mit der Post.

8 Die Entdeckung der Langsamkeit 10.01.2005 04.39 Uhr Früh auf. Der Morgen ist noch grauer als sonst, Sonntag. über der Stadt liegt ein Geruch, als hätten die Engel im Himmel einen großen Topf Karamellsauce gekocht und anbrennen lassen. Zwecks Erkundung weiterer Verkehrsmittel hatte ich einen Ausflug nach Haiphong, wie wir sagen würden, oder HAI PHONG, wie die hier sagen, geplant: die drittgrößte Stadt Vietnams, mit 1,6 Mio. Einwohnern bald so groß wie Hamburg, und 110 km entfernt von HA NOI. Der Reiseführer behauptet, dass ein Bus vom „Ben Xe Kim Ma“ führe, also ruff uff die Rikscha. Und schon werd ich betrogen. Nicht, dass man hier immer betrogen würde! Die Menschen sind absolut vertrauens- würdig, sanftmütig, herzlich, offen und distanziert zugleich. Und es ist das erste Mal in acht Tagen. Dass ich mehr bezahle als die Leute hier, ist für mich selbstverständlich. Wer mehr hat, zahlt auch mehr. Und angesichts der für uns absurd niedrigen Preise ist es mir sogar lieber, ich bin ja nicht pervers. Aber beschubst werden will ich auch nicht! Wenn jemand mit mir einen Preis ausmacht und dann mein Wechselgeld nicht zurückgibt, werd ich sauer. Aber hier streitet niemand und auch ich nicht, aber ich denke: „das Gesicht merk ich mir“,was verdammt schwer ist. Und Rikschamann fühlt sich auch nicht ganz wohl, denn er schickt sich an, meine Angelegenheiten zu übernehmen am Busbahnhof, bis von allen Seiten ein vielstimmiger Chor ertönt: Gia Lam, Gia Lam“. Ich soll nach Gia Lam. Hier fährt kein Bus nach HAI PHONG. Na Lonely Planet, was sagst du nun? Lonely Planet ist mein Reiseführer, und der kann einem ganz schön auf den Keks gehen, wenn man ihn täglich um sich hat. Von Australiern für Australier! Es steht schon alles drin, was man braucht, aber diese Haltung, dass Globetrottel die Krone der Schöpfung seien, kann ich nur schwer teilen. Und wie alles auf die eigenen Bedürfnisse abgeklopft wird! Hauptsache, man hat sein Kangaroocafé mit den ekelhaft großen Fleisch-Portionen und man kann irgendwo Drachenfliegen und Tauchen oder Golf spielen. Und Rucksäcke kaufen! Manchmal kommt er ein bisschen arg rassistisch daher, schürt Ängste und Vorurteile mit seinen Kauf-Dir-das-dickste-Vorhängeschloss-Ratschlägen. Und über manche Städte steht dann, hier sei absolut nichts Interessantes zu sehen! Wer bestimmt hier bitte, was jemand sehen will? - Ich muss also nach Gia Lam, da kann Rikschamann nicht mit, denn er darf nicht über den Roten Fluss. Aber einige Motorradfahrer bieten sich an- am Motorradfahren stört mich am meisten die körperliche Nähe zu einem fremden Menschen, ich kann mich doch nicht bei jemandem festklammern, mit dem ich nicht verlobt bin. Außerdem ist heute der Tag der neuen Verkehrsmittel: ich nehme den Stadtbus. Für 10 Cent einmal um Hanoi herum, und die Mitfahrer haben eher noch keine Touristen Busfahren sehen. Und dann in Gia Lam sehe ich ihn schon stehen, den Seelenverkäufer. Irre, wie diese Geschichten, die man tausendfach gehört hat, plötzlich wahr werden. Die von den winzigen Bananen, die angeblich besser schmecken und von den Bussen ohne Bremsen bis unters Dach beladen, die dann durchgehend hupend sich ihren Weg bahnen (mit aus der offenen Tür heraushängendem Beifahrer, der nach mehr zahlenden Opfern schreit) bis sie dann kaputt irgendwo liegen bleiben und von Fahrer und Ticketverkäufer persönlich unter Einsatz von Utensilien der Fahrgäste (Schweizer Messer, Nylonstrumpfhosen) repariert werden.

HAIPHONG

Ja, so ist es wirklich!- Unser Bus hatte zwölf Plätze, aber zählte zeitweilig 21 Fahrgäste. Wie lächerlich deutsche Sicherheitsvorschriften hier erscheinen! Wir setzen schon beim Fahrradfahren einen Helm auf, haha, das werd ich hier keinem erzählen. Das Viech knatterte los, zum Glück ohne Hühner und Wasserbüffel an Bord, die laufen dafür auf der Autobahn herum. Es geht durch Reisfelder und öde staubige Ebenen, an denen vereinzelt diese ganz schmalen bunt bemalten Häuser stehen, die allerdings nur vorn und nicht an den Seiten gestrichen sind. Das sieht putzig aus. Hinter mir meckert ein Opa die ganze Zeit. Sein Fenster klappert. Der ganze Bus versucht zu helfen, bis ein junges Mädchen sein schneeweißes Haarband opfert- das wird dann da irgendwie zwischengefummelt. Und dann ist Ruhe. Atmen kann man ja nicht. Das lässt man hier sowieso besser bleiben. Ich blinzele zu meiner Nachbarin, einer eleganten Frau mit Pelzkragen, die sicher lieber neben einer schlanken Vietnamesin gesessen hätte. Presse mich so gut es geht an die eiskalte Metallwand des Busses. Es riecht nach Mottenkugeln und Zahnfäule, ausnahmsweise mal nicht nach Fischsauce, woran ich schon gewöhnt bin. Ich fände gut, es stiege jetzt keiner mehr ein. Natürlich bin ich wieder zu kalt angezogen, denn trotz der Enge ist es zugig. Und ich muss mal. Auch so ein Problem, was mein „LadyPipi“ oder wie das Ding heißt, bisher noch nicht lösen konnte, weil überall und überall Augen sind. Vielleicht muss ich mir einen Poncho kaufen. Also, um das unappetitliche Thema hinter mich zu bringen: Ich muss dauernd und es gibt keine Klos. Nichtmal schlechte, schmutzige, unzumutbare! Wenn die hier wüssten, was ich manchmal bereit wäre, zu zahlen, nur um irgendwo aufs Klo zu können! Naja, die zwei Stunden werd ich ja wohl aushalten. Und dann? Als wir ankommen, stecken sofort 20 Köpfe im Bus, die mich unter den Einheimischen sofort als Touristin ausgemacht haben: Taxi!! Ich brauch kein Taxi, ich brauch ein Klo. Ich bahne mir den Weg durch die Jungs und renne, was das Zeug hält, mitten durch ein wildes Marktgedränge, weiter weiter weiter. Da, ein Tempel am Horizont! Tempel haben immer Klos. Schnell 5000 Dong gezahlt und verschämt „wo kann man hier mal für kleine Königstiger“ gefragt. Die Handbewegung besagt wie üblich gar nichts. Ich muss selber suchen. Und was bin ich denn nun: „Nu“ oder Nam“? ach egal, hier bin ich sowieso an diesem Tag der einzige Gast. Das Klo ist, wie in meiner Kindheit auf Kinderspielplätzen, nur eine Mauer. Aber es reicht. Ich komme raus, und die Sonne steht am Himmel, zum zweiten Mal in dieser Woche. Ich setze mich auf ein Mäuerchen zwischen leuchtend grünen Bananenstauden und bin einfach nur glücklich. Da sitz ich und guck in die Luft. Und mir wird schlagartig klar, wie unendlich viel Zeit ich habe und was das für ein Luxus ist! Und das ich überhaupt nichts machen muss außer hier sitzen zu bleiben! Besser wär es, denn hier gibt es jederzeit Nam und Nu!

9 Der Berg ruft 13.01.2005 05.14 Uhr Die Gruppenfahrt. Neun Australier,ein Mensch aus N.Y.,und meine Wenigkeit. Das Kangaroo bringt uns an den Zug, jede/n in sein Abteil, unter mütterlichen Ermahnungen, nichts liegen zu lassen, wenn man morgens in Eile den Zug verlässt und mit liebevollen Wünschen auf den Weg. Ich teile den Schlafwagen mit einem französischen Ehepaar und ihrem vietnamesischen Adoptivsohn (die nicht zu der Gruppe gehören)- keine rührselige Nachmittagstalkshow-“sieht zum ersten Mal die richtigen Eltern“-Geschichte, sondern Sohn zeigt seine Heimat, die er schon häufiger erkundet hat. Ich würd gern unten schlafen, denn oben ist nur für Affen- keine Leiter- aber sie bestehen auf den ausgewiesenen Plätzen. Helfen mir rauf- wie soll ich da je wieder runter kommen, und wenn ich mal muss? Also nichts mehr trinken! Der Zug ackert zehn Stunden vor sich hin, ein chinesischer Zug zu einem chinesischen Grenzort. Die Ankunft ist wirklich sehr plötzlich- 6 Uhr morgens, endlich eingeschlafen, und wir raffen unsere vier Seidenschlafsäcke zusammen und den Kram, den man sonst noch so auspackt und tapsen hinaus. Mit niemandem mitgehen, hat Kangaroo mir eingeschärft- direkt zum Café gegenüber und dort holt uns ein Bus ab. Hier sieht alles schon ziemlich anders aus. Vor allem die Menschen. Gleich die Kamera rausgezückt und „knips“----Pustekuchen! Der Apparat zeigt ein blinkendes „E“. Die Ersatzbatterie aus Deutschland ändert auch nix daran. Das E blinkt fröhlich vor sich hin. Nun wollte ich hier ausgerechnet die unglaublich hübsche Kleidung fotografieren!!! Ich krieg die erste schlechte Laune, und kaufe gleich eine CD mit 650 Fotos der hier lebenden Minderheiten. (Wie sich drei Tage später rausstellt, war einfach der Film durchgelaufen, was ich noch schlaftrunken in dieser wieder neuen Welt gar nicht begriffen hatte.) Der Bus bringt uns in zwei Stunden die 38 km den Berg hinauf, allerdings sehen kann man nichts- es ist vollkommen vernebelt, nieselt und die Scheiben sind beschlagen. Der Fahrer hat nur ein winziges Loch zum rausgucken, aber er kennt ja den Weg. Immer schön am Abgrund lang. Ich bin zu müde, um Angst zu haben. In SAPA werden wir in ein eiskaltes Hotel gesteckt mit geräumigen Zimmern aber ohne Heizung und nicht funktionierenden Duschen. Ist eh nicht mein Duschtag. Aber ne extra Decke brauch ich. Durch Aerobic aufgewärmt, setz ich mich zu den anderen in die Küche, wo der einzige winzige Ofen steht. Zunächst tu ich mal so, als würd ich kein Englisch verstehen, um mich nicht unterhalten zu müssen. Aber dann geht es doch ganz gut- ein Ehepaar auf Honeymoon, eine New Yorker Quasselstrippe mit eindeutigem Messie-Syndrom, eine Lesbe aus Melbourne mit einer ganzen Hausapotheke dabei, ein Landschaftsgärtnerpaar aus Sidney mit Reise-Scrabble, dass dann auch sofort aufgebaut wird.

In den Zimmern ist es ja nicht auszuhalten und unsere erste Wanderung startet erst um 1 Uhr. Die Guides sind 14 - 16-jährige Mädchen von dem Stamm der Hmongs. Sie sind wahnsinnig süß, quirlig, selbstbewusst, kichern über alles und jeden und sind die besten Unterhalterinnen. Sie haben die traditionelle Kleidung an, bestehend aus knielangen Hosen, gewickeltem Oberteil, diversen schürzenartigen Lappen über einem kurzen bestickten Plisseerock. Dazu lila- oder quietschgrünfarbene Gummistiefel und hochstehende dicke Strickmützen, rosa, mit geflochtenen Zöpfen dran. Nicht aus Wolle, denn Schafe gibt es hier nicht. Um die Waden sind schwarze Samtlappen gewickelt und mit bunten Bändern befestigt. Manche tragen fette Ohrringe, und jede hat mindestens einen Goldzahn. Sie bringen uns in ein Dorf der Black Hmong, die nur indigogefärbte Sachen tragen und alle rabenschwarz sind vom vielen Färben und wir lernen viel über das Leben hier in der Einöde, sehen die Schule, das Hospital (nicht größer als die Krankenstube beim NDR) und karge Häuser, in denen 20 Leute zusammen mit Mais und Reis, der überall zum Trocknen aufgehängt ist, leben. Die Frauen wollen gern ihre Handarbeiten loswerden und bieten die zu überaus günstigen Preisen an; ich bin erstaunt, wie meine Aussies sich einen Spaß daraus machen, alles auf die geringste Summe, was dann nur noch Pfennige sind, herunterzuhandeln. Ich finde das gemein und zahle extra viel für zwei Taschen, die ich, mehr aus Scham, weil wir in so eine Privatsphäre eingedrungen sind, kaufe. Das quatschige Verhandeln mit den lustigen Frauen macht allerdings unglaublich viel Spaß, weil die so frech sind, und zB immerzu auf meinen Bauch fassen und fragen, ob da ein Baby drin ist. Und unsere Männer machen die richtig fertig, wir lachen alle wie verrückt. Die Landschaft ist großartig, allerdings sieht man wegen des Nebels immer noch nichts außer ein paar Wasserbüffeln, Hängebauchschweinen, und Reisterrassen, in denen die Enten spazieren. Der Abend ist unspektakulär, in erster Linie kalt, und in der Nacht fängt es furchtbar an zu regnen. Trotzdem brechen wir am nächsten Tag zu einer mörderischen Tour auf, was soll man auch im Hotel? Aber hätte ich gewusst, was auf mich zukommt, wär ich wohl nicht unbedingt mitgegangen.

Der Weg sollte 14 km lang sein. Wir gingen in Gruppen. Unser Hmongmädchen, Pi ist ihr Name, trug einen Osterhasenkorb auf dem Rücken mit dem Proviant, hatte dazu noch ihren karierten Schirm, wie ihn alle hier haben, und sprang vergnügt um uns herum. Wir gingen in strömendem Regen die zunächst noch befestigte Straße entlang. Ich hatte mir schnell noch einen Regenponcho gekauft. Nach kurzer Zeit begann der Weg sehr ungemütlich zu werden. Man konnte ohne Stock kaum noch gehen, (die Bambusstecken hatten kluge Kinder schon vorbereitet und den ganzen Weg über feilgeboten), einige von uns fielen trotzdem hin und waren von oben bis unten mit braunem Matsch beschmiert. Kleine Rinnsale hatten sich in reißende Bäche verwandelt, über die man irgendwie rüber musste, auf glitschige Steine springend, ganz mein Geschmack, aber die kleine Führerin war perfekt im Händeln der Situation. Sie trug Steine herbei zur Befestigung des Weges, hielt Hände, tröstete, machte Mut. Zwischendurch sang sie uns kleine Liebeslieder oder erzählte Geschichten von ihrer Familie. Sie ist eine von elf Geschwistern, der Vater ist krank und sie muss das meiste Geld für alle verdienen. Die anderen Schwestern arbeiten im Reisfeld oder verkaufen Handarbeiten, was ja nicht viel einbringt, auch weil die Aussies so wenig bezahlen. Na, und so weiter. Manchmal gab es auch wackelige selbstgebaute Hängebrücken, die schon den Vietnamkrieg überlebt haben, mir aber nicht gerade vertrauenerweckend erschienen- bringt nix, auch ich musste da rüber; ich war inzwischen völlig durchnässt, meine Schuhe trugen bleischwere Klumpen von Lehm unter sich und mir war alles egal. Es gab auch kein Zurück. In dieser gottverlassenen Gegend gibt es keine Taxis. Nach 20 km würde ein Jeep auf uns warten, soviel war klar. Jede, selbst die mit Gummistiefeln, hatten mittlerweile bis zum Knie im Matsch gewatet. Alles war nass. Alles war kalt. Wir aßen draußen an einem Unterstand unsere mitgebrachten Brote, die Kleine schnitt uns Tomaten, Gurken, gekochte Eier und was weiß ich noch alles auf und blieb immer vergnügt. Wir waren maulig. Aber es brachte ja nichts. Zu guter Letzt wurden wir noch von Einheimischen verfolgt, die uns Bags, Blankets, Opium andrehen wollten, was sehr aufhielt; ich war nicht mehr in der Lage an was anderes zu denken als an mein schönes eiskaltes Bett. Am nächsten Tag ging prompt der Husten wieder los. Hart und bellend. Und was ich seit meiner Kindheit ertragen muss: „Uh, das hört sich aber gar nicht gut an“ kommt nun auch noch auf englisch: „oh that sounds really bad.“ Ob das wohl mein Indianer-Name aus einem anderen Leben ist: Häuptling „DAS HÖRT SICH ABER WIRKLICH NICHT GUT AN“!!! Nee wirklich nicht. Ich weiss ja, dass es nervt. Aber was denken sich eigentlich die Leute dabei, sowas dauernd zu sagen ?????????

SAPA

In den Zimmern ist es ja nicht auszuhalten und unsere erste Wanderung startet erst um 1 Uhr. Die Guides sind 14 - 16-jährige Mädchen von dem Stamm der Hmongs. Sie sind wahnsinnig süß, quirlig, selbstbewusst, kichern über alles und jeden und sind die besten Unterhalterinnen. Sie haben die traditionelle Kleidung an, bestehend aus knielangen Hosen, gewickeltem Oberteil, diversen schürzenartigen Lappen über einem kurzen bestickten Plisseerock. Dazu lila- oder quietschgrünfarbene Gummistiefel und hochstehende dicke Strickmützen, rosa, mit geflochtenen Zöpfen dran. Nicht aus Wolle, denn Schafe gibt es hier nicht. Um die Waden sind schwarze Samtlappen gewickelt und mit bunten Bändern befestigt. Manche tragen fette Ohrringe, und jede hat mindestens einen Goldzahn. Sie bringen uns in ein Dorf der Black Hmong, die nur indigogefärbte Sachen tragen und alle rabenschwarz sind vom vielen Färben und wir lernen viel über das Leben hier in der Einöde, sehen die Schule, das Hospital (nicht größer als die Krankenstube beim NDR) und karge Häuser, in denen 20 Leute zusammen mit Mais und Reis, der überall zum Trocknen aufgehängt ist, leben. Die Frauen wollen gern ihre Handarbeiten loswerden und bieten die zu überaus günstigen Preisen an; ich bin erstaunt, wie meine Aussies sich einen Spaß daraus machen, alles auf die geringste Summe, was dann nur noch Pfennige sind, herunterzuhandeln. Ich finde das gemein und zahle extra viel für zwei Taschen, die ich, mehr aus Scham, weil wir in so eine Privatsphäre eingedrungen sind, kaufe. Das quatschige Verhandeln mit den lustigen Frauen macht allerdings unglaublich viel Spaß, weil die so frech sind, und zB immerzu auf meinen Bauch fassen und fragen, ob da ein Baby drin ist. Und unsere Männer machen die richtig fertig, wir lachen alle wie verrückt. Die Landschaft ist großartig, allerdings sieht man wegen des Nebels immer noch nichts außer ein paar Wasserbüffeln, Hängebauchschweinen, und Reisterrassen, in denen die Enten spazieren. Der Abend ist unspektakulär, in erster Linie kalt, und in der Nacht fängt es furchtbar an zu regnen. Trotzdem brechen wir am nächsten Tag zu einer mörderischen Tour auf, was soll man auch im Hotel? Aber hätte ich gewusst, was auf mich zukommt, wär ich wohl nicht unbedingt mitgegangen.

Black HmongFlower HmongRed DaoBlack DaoLu People

Black HmongFlower HmongRed DaoBlack DaoLu People

10 Was ich als erstes hier vermisst habe? 15.01.2005 11.04 Uhr Das erste, was ich wirklich wirklich vermisse (außer Afrikanern ) sind------ falls ihr noch raten wollt, schreib ichs jetzt rückwärts: REHCUETOPMET !!!!

11 Vietnamesisch 17.01.2005 09.40 Uhr Am Samstag hat „Hidden Hanoi“ eine Party gemacht: zwei Frauen, die gerade einen wunderhübschen Garten im French Quarter, eine der schönsten Ecken in Hanoi, angelegt haben. Alles in Töpfen, wie man das hier so macht. Hunderte von Töpfen, dicht an dicht. Dazu eine alte Wassermühle, ein Café am Wasser und ein Haus auf Stelzen, in dem zB Sprachkurse stattfinden. Ansonsten gibt es auch noch Kochkurse und Stadtwanderungen. Die Party war großartig. Es gab ein Buffet. Die Vietnamesen bleiben einfach an der Stelle stehen, wo es ihnen am besten schmeckt und essen sich da satt. Aber die meisten waren sowieso keine Vietnamesen, sondern wieder mal Aussies, und es gab dann noch traditionelle Musik und Gesang und Schauspiel, und die Nachbarn standen alle am Zaun und guckten herüber. Die Häuser stehen nämlich sehr eng dort, es gibt auch nur schmale Wege zu den Villen hin, also kann man höchstens mit Motorrad kommen, nicht mit Auto. Am nächsten Tag hatte ich dann Vietnamesisch. Ich kann jetzt schon die wichtigsten Dinge, obwohl der Singsang sehr fremd ist. Jede Silbe hat sechs mögliche Betonungen und wenn man die falsch macht, dann heißt es gleich was völlig anderes, Penis zB. Dafür gibt es keine Grammatik, und alles wird verkürzt wie in Kindersprache: „Ich Durst, komm gib Bier.“ Dafür wiederum muss man darauf achten, ob man älter oder jünger als der andere ist. Ist man nämlich nur ein Jahr jünger, geht die Ansprache anders. (Das ist der Grund, weshalb die hier immer als erstes die für uns eher ungewöhnliche Frage stellen: wie alt bist Du? ) Ich hab Glück, ich bin eigentlich immer die Älteste, deshalb darf ich mich „Em“ nennen. Will ich also den Kellner rufen, heißt es „Em Oi!“ Das darf man auch mehrmals hintereinanderrufen, das gehört so. Für uns klingt das ziemlich rüde, die aber finden das freundlich! Na, das hat jedenfalls Spaß gemacht und jetzt hab ich ein Heft, wo alles drinsteht, und ich weiß nun auch endlich, was Hundefleisch heißt: „Thit Cho“ - und das steht hier, in NINH BINH, wo ich heute hingereist bin, an fast jedem Haus dran.

12 Nix wie weg hier 19.01.2005 02.39 Uhr Was das für eine Stadt ist, wo ich gerade bin, wollte J wissen, sie meinte Hundefleisch-City. Ich war auf dem Weg nach Süden, und zufällig, weil ich nicht so lange fahren mag, bin ich hier gelandet. Mit einem Touristenbus, der Ausflüge in die nähere Umgebung macht; es war noch ein Platz frei neben einem ätzenden deutschen Paar meines Alters. Der Mann war genervt, weil auf dem Platz, den ich zugewiesen bekam, sollte sein Rucksack sitzen, und jetzt quengelte er die ganze Zeit zwischen seiner Lady und mir mit verschränkten Armen. Ich machte mich richtig schön breit, bekam aber auch schlechte Laune, und er ließ seine an dem Fahrer aus, mit „Fenster auf-Fenster zu“- Ansagen. Ich gab nicht zu erkennen, dass ich Deutsch spreche, und so konnte ich mir schön das Genörgel anhören, was hier alles nicht funktioniert und so. Und am Ende wollten die genau in das gleiche Hotel, das ich mir ausgeguckt hatte. Um Gottes Willen! Da bin ich dann an der erstbesten Ecke rausgesprungen und in einem sehr grossen alten vietnamesischen Hotel gelandet, mit riesigen Zimmern, allerdings rundherum verglast wie im Aquarium. Das gibts hier oft- da muss man aufpassen, dass man die Vorhänge zuhat. Morgens wurde ich gleich von dem furchtbaren Hundegejaul geweckt, ein schrecklicher Chor schien mir sagen zu wollen: Hol mich hier raus! Ich weiss ja, das es Quatsch ist, ein Tier mehr als ein anderes zu bemitleiden, und sei es auch nur eine Sprotte! Ich mag auch Hunde nicht besonders- aber was ich so gemein finde, ist, dass der Hund dem Menschen so vertraut und alles für ihn tut, und dann wird er am Ende verspeist! Also, ich werd euch schon noch berichten, wie es schmeckt: „Thit Cho“- noch bin ich allerdings nicht soweit (falls sie es mir nicht schon längst untergejubelt haben!).

NINHBINH

13 Ein Tag im Zug 19.01.2005 14.42 Uhr Der erste Zug nach VINH fährt um 10:30, ein Bummelzug, nur Hard Seat. Muss man ja auch mal ausprobieren. Kann sein, dass er für 200 km 8 Std. braucht oder mehr, es war nicht rauszukriegen. Er ist leer. Ich habe vier Sitze für mich, die Fenster sind vergittert und blind. Fast überall sind noch Jalousien von außen runtergelassen, man kann also kaum rausgucken. Falls jemand meint,ich beklag mich jetzt, dann liegt er falsch. Ich habs mir ja so ausgesucht und find es ziemlich interessant. Mir ist Recht, was kommt. Außer schlechtgelaunte deutsche Paare meines Alters. Der Zug tuckert laut dahin und langsam wie ein Cyclo, das kleinmaschige Gitter lässt nur wenig Information über das Draußen durch, Gerüche hauptsächlich. Ein Wagen mit Süßigkeiten kommt vorbeigeschoben, ich kaufe interessant aussehende Erdnussplätzchen. Zwischen zwei Reisblättern sind in Melasse getauchte Erdnüsse gepappt. Würd gern jemandem eins anbieten, aber hier ist niemand. Nur einer, der schläft. Ich mach Ohrstöpsel rein. Mhhh, Ingwer ist auch dabei. Eines schaff ich, hab jetzt aber zehn Stück. Der Zug hält, ohne dass es einen Bahnhof gibt. Ein Mädchen stellt sich zu mir, einen Keks will sie nicht. So vehement, wie sie mit dem Kopf schüttelt, muss ich annehmen, dass diese Kekse was ganz Schreckliches sind. Aber irgendjemand muss die ja mögen, wenns die hier gibt? Obwohl. die kauen alle lieber an Zahnstochern- weniger Kalorien! Mir macht meine Zugfahrt gerade riesig Vergnügen. Sind ja auch erst 5 Min., von ca. 8 Std. nicht allzuviel. Wahrscheinlich werd ich nachher doch noch einen Keks schaffen. Dabei hätte ich lieber diese köstlichen kleinen saftigen Bananen. Hättest Dir mal welche mitnehmen sollen! Mein inneres Kind wollte heute unbedingt, dass ich eine schweinisch aussehende Blutwurst zum Frühstück probiere. Hab ich gemacht. Sie wurde heiß gemacht und ich bekam noch eine Tüte mit frischem Koriander dazu. Das war richtig lecker. Sicher war auch schon mal ein bisschen Hundeblut mit dabei! Delicious!!! Die Pelle war bisschen fest. Gäbe es hier Servietten oder Tempos, hätte ich sie abgepult.

Der Zug fährt an Salat- und Kohlköpfen vorbei- die Gärten gehen bis an die Gleise, würd mich nicht wundern, wenn der eine oder andere Kohlkopf direkt zwischen den Gleisen sein Dasein fristet. Und auch der wird gegessen. Die Kinder essen hier die Blätter von den Bäumen, am liebsten an Hauptverkehrsadern, wenn sie schon schwarz vom Ruß der Abgase sind! Nach Agent Orange schockt die hier gar nichts mehr! Der Zug rattert zwischen guglhupfförmigen Bergen durch, eine Besonderheit dieser Region. Langsam wird es wärmer. Letzte Woche hatten die Kinder noch schulfrei, weil es zu kalt war in den Klassenräumen, und die Aprikosenzweige für das Tet-Fest waren erfroren. Nun ist es mild, aber der Himmel bleibt weiß. Die Spitzen der Berge sind mit schimmeligem Grau überzogen und alles ist doppelt hinter Milchglas- wegen der Zugscheibe und sowieso. Weiß schon, wie die Fotos aussehen werden! Zum Glück gibt es ja Photoshop! Woher weiß ich überhaupt, wann VINH kommt? Am Anfang und am Ende jedes Bahnhofs steht ein Mann in Uniform und hält eine kleine gelbe Fahne hoch, wenn der Zug durchfährt. Ich bin nicht sicher, ob das viel bringt, weil die Vietnamesen so klein sind und die Fahne dazu noch aufgerollt, das kann doch niemanden davon abhalten, die Gleise zu überqueren! - Und immer wieder Salatköpfe! Nix mit kontrolliertem Anbau! Doch, kontrolliert von der Bahn. Wahrscheinlich kostet das ne Stange Geld, die Gleise als Beet benutzen zu dürfen!

VINH

Ich hab jetzt tatsächlich schon drei Erdnusskekse gegessen. Hilfe! Die nette Schaffnerin fegt und wischt das Abteil. Wir sind nun in TRANH HOA, und das ist ein Drittel der Strecke. Zwei Stunden sind vergangen. Die meisten scheinen hier auszusteigen. Kühe weiden an den Gleisen zwischen Oleander und meterhohen Weihnachtssternen. Die ersten Schmetterlinge flattern. Der Bahnhof ist unglaublich groß und sozialistisch. Mit Bannern, in Form geschnittenen Hecken und einer riesigen mahnenden Uhr. Es werden diese mit Klebreis, Schweinefleisch und Bohnenpaste gefüllten Kuchen verkauft, die man zum Tet-Fest isst. Der Zug wartet auf den Gegenzug, denn die Schienen sind immer eingleisig, außer am Bahnhof. Jugendliche steigen zu und traben vor mir auf und ab, um mich zu beäugen. Da flötet es, und wir zuckeln wieder los. Zwischen rechteckigen Reisfeldern durch, die kleinen Pflänzchen leuchten in strahlend frischem Grün. Die drei Jungs, die grad vorbeigetapst waren, fassen sich ein Herz und fragen: where you from? mit der Antwort ist allerdings das Gespräch auch schon wieder verstummt. Einen Erdnusskeks wollen auch die auf gar keinen Fall. Die Fahrt hat ein etwas zügigeres Tempo angenommen, es sind auch weit und breit nur Reisfelder, unterbrochen von vereinzelten Bananenstauden oder Kokospalmen, zu sehen. Ich bin etwas eingenickt, obwohl die harten geraden Holzsitze nicht wirklich Behaglichkeit ausstrahlen. Auf einmal ist alles trocken draußen, es erstrecken sich weite Felder aus gelbem oder rotem Lehm. Selten zieht ein Wasserbüffel einen Pflug hindurch, und ein paar flache strohgedeckte Häuser mit bunt bestückten Wäscheleinen lockern das Bild auf. Im Hintergrund die benebelten Berge. Dann bleibt der Zug plötzlich stehen ohne ersichtlichen Grund. Eine schrille Ansage ertönt per Band, die ich natürlich nicht verstehe. Der Aufenthalt scheint ein bisschen zu dauern. Ob man hier Bananen kaufen kann? Ich trau mich nicht, auszusteigen. Zu sehen ist nichts. Wir stehen mitten in einem Dorf. Spitzhutfrauen tragen Körbe vorbei. Kinder fahren Rad. Ein Paar schaufelt neben einem Maisfeld, was auch immer. Weiter gehts, nach einer halben Stunde. Vorbei an Fischteichen, Wäscheleinen, Hühnern, an roten und gelben Erdstreifen. Langsam reichts auch. Der Zug kommt nicht wieder richtig in Fahrt, dafür tutet er viel.

Das Meer ist nicht zu sehen, obwohl es hier irgendwo sein muss. Stattdessen kommt Wald. Lange schmale Bäume mit hängenden Blättern, Eukalyptus, denk ich mal. Und Steinhäuser mit jeweils nur einem kleinen Fenster! Ziegen, Kühe, farbenprächtiges Geflügel. Kinder sitzen herum. In der Ferne ab und an mal ein Friedhof. Die Toten schlafen ruhiger als die Lebenden! Kartoffel- und Tomatenpflanzen. Agaven, Mais, Zuckerrohr. Grad steigen mal welche mit einem Zentner Reisnudeln aus, einfach so zusammengeschnürt. Ist hier VINH? N e i n. So langgedehnt, wie die Antwort ausfiel, dauert es noch ewig bis dahin. Grad hab ich das Gefühl, niemals mehr irgendwo anzukommen. Fahren, fahren, fahren. Der weißgraue Himmel trägt sein Übliches bei zur Monotonie. Dass es hier keine Wolken gibt! Da kommt die Straße wieder ins Bild. Die Verbindung zwischen HANOI und HCM-City, manchmal läuft sie ein Stück mit uns mit. Sie ist leer. Tankstelle, ebenfalls leer. Der Zug sputet sich. Die Leute in ihren Höfen haben orangegelbe Maiskolben aufgeschichtet. Muss an die Frauen in Hanoi denken, die jeden Abend Mais rösten über einer kleinen Blechschüssel, 10 Std. lang, für 2-3 Mark am Tag. Hier an der Straße ist jetzt viel los: Suppenküchen, Pagoden, Matratzen, Motorräder,Menschen. Eine Frau wäscht Wäsche im Fluss, Männer mit Cap und Sonnenbrille rauchen. Die Büffel machen sich zur Abendruhe fertig. Im Zug mittlerweile mehr Personal als Fahrgäste. Aus dem letzten Wagen kommen Schaffnerladies, um mich zum Essen zu überreden. Leider sieht der Speisewagen schrecklich uneinladend aus. Ein nackter Wagen mit Klappsitzen, und gepanschter Reis in Plastikeimern. Ich will nicht essen, ich will ankommen. Sie heben prüfend meinen Koffer hoch, spekulieren, dass ich vielleicht in Sorge sei um mein Gepäck. Aber in diesem komischen Anhänger könnte ich nichts anderes verzehren als Dosenbier. Draußen brennen kleine Feuer wie jeden Abend; der Müll wird einfach am Straßenrand verbrannt,in Plastiktüten. Ich kann nicht mehr! Jetzt reichts langsam. Bei der nächsten Station frage ich wieder nach. 17.12 Uhr. Fast 7 Stunden sind wir jetzt schon unterwegs. Puh! Noch 20 Minuten. Na, die schaff ich noch. Für VINH, die Stadt, in der absolut gar nichts zu sehen ist. Und am Ende hab ich tatsächlich vier Erdnusskekse gegessen!

14 Ohne Titel 22.01.2005 10.57 Uhr VINH war wirklich nicht so doll. Außer dem schnellsten Internet bisher in VN, Hongkong-Viva und Thai-MTV auf dem Zimmer (da kommt dann auch schon mal Jay-Z zwischen all den asiatischen Schönheiten) und Erdnusskeksen in allen Variationen (eine davon wie Cantuccini- sehr köstlich) kaum was zu entdecken. Alle Adressen aus dem Reiseführer stimmten nicht mehr, hat er ja auch alle Touristen dort vergrault- und das laut Lonely Planet beste Restaurant war umgezogen. Aber wie es so geht, ich rieche gute Restaurants einfach und bin ganz von selbst dort gelandet. Auf Neudeutsch heißt es „Shanghai Chicken“ und es war so ein großer Spaß, dass ich doch zwei Nächte geblieben bin, um zweimal dorthin zu gehen. Ein großer Raum, nach vorne offen, dicht an dicht Tische und alle voll. Und Berge von Essen auf den Tischen, chinesische Art eben, aber auch Wodka, ganze Flaschen, in die die Kellnerinnen immer noch so ein gelbes Öl eingaben. Es war laut wie auf dem Dom, ausgelassen, und ich allein dazwischen etwas seltsam, aber es ging gut. Man bekam erst so ein Salzgemüse und Gurken, mit Soja-Chilisause und dann hatte ich Tintenfisch mit Lauchzwiebeln und ganz viel Knoblauch, und noch Krabben, und Tofu mit frischen Tonmaten scharf eingelegt, und am Ende das Huhn in Zitronnella, wofür die berühmt sind, das wollten die mir aber nicht geben, weil das nämlich eigentlich nur Knochen sind. In einer fetten dunklen Sauce schwimmend, süß und zimtig zitronig, einfach rundum lecker. Bin dann glücklich in mein Schrabbelhotel mit Fahrstuhl, der aber immer erst ein paar Minuten stehen blieb, bevor die Tür aufging. Als nächstes wollte ich nach DONG HOI, wieder 200 km, diesmal mit Bus. Morgens um 6 Uhr ging es los. Es war noch dunkel. Der Bus war nur halbvoll, aber was ich schon in der Türkei noch nie verstanden habe, die Leute müssen zu zweit sitzen und hinten ist leer. Nur ich durfte allein, und das war auch gut so, weil in die Busse sind einige Reihen zusätzlich eingebaut und es ist wahnsinnig unbequem. Langsam zog die weiße Haube auf, die sich hier Himmel nennt. Es ging flott voran, wieder Reisfelder soweit das Auge reicht- wer soll das alles bloß essen?- und nach ungefähr vier Stunden waren wir am Ziel und ich kam in ein Hotel, dass von den verrücktesten beiden Ladies geführt wurde, die ich hier bisher erlebt habe. Sie nutzten jede Gelegenheit, um mich reinzulegen, dabei aber so charmant und fröhlch, dass ich ihnen wirklich nichts übel nehmen konnte. Die eine machte mir aus Versehen einen Kugelschreiberstrich auf die Jacke, was die andere dazu bewegte, beim Untersuchen des Schadens meinen Busen zu befühlen, worauf die erste wieder meinte, ich soll das dann bei der auch machen, den Busen fühlen. Man kann das wirklich kaum beschreiben wie das alles so geht völlig ohne Sprache und ich wünschte, ich hätte eine Videokamera dabeigehabt. Der Tag selber war nicht so toll. Ich wollte zum Strand, musste das Vorhaben aber aufgeben, weil kläffende Hunde mich nicht vorbei ließen (ich hab leider Angst vor Hunden), war dann auch noch in eine Schulklasse geraten- das Gejohle kann man sich wohl vorstellen! Und anschließend einziger Gast in einem „Floating Restaurant“.

Eins von diesen bunten Drachenbooten; man musste über eine reichlich baufällige Holzbrücke gehen und kam dann in das Schiffsrestaurant, in dem für 40 Leute eingedeckt war, aber kein Gast weit und breit. In der hintersten Ecke saßen ein zahnloser alter Seeräuber und seine hübsche Frau (oder Tochter) selber beim Essen. Nun soll man hier möglichst niemanden beim Essen stören, was schwierig ist, da alle immerzu etwas knabbern und sei es nur Sonnenblumenkerne. Die junge Frau kam auch schon an und reichte mir eine klebrige Karte: Fried Fish, Grilled Fish, Fish and Vegetables, Sauted Fish, Simmered Fish und noch einige Varianten. Mir war klar, egal, worauf ich zeigte, ich würde auf jeden Fall dasselbe bekommen. Also Fisch. Nun wurde erstmal eingekauft. Markt ist hier ja rund um die Uhr. Aus dem Hinterhalt kamen zwei unmotivierte Jugendliche heran, zischten ab und waren nach wenigen Minuten mit Plastiktüten wieder zurück. Die Orangen für meinen Saft darin, und vermutlich einen frischen Katzenhai oder was es hier so gibt. Die Frau machte sich an die Arbeit. Es dauerte etwas, und dann, egal wie misstrauisch ich gewesen war, kam ein vorzügliches Essen auf den Tisch, am Stück gebratener Fisch in einer würzigen Sauce mit grünem Stengel von irgendwas, Ananasstücken, Chilies. Die Jungs knallten mir die Teller hin, der Seeräuber und seine Seeräuberbraut begannen inzwischen ein Kartenspiel. Im Hintergrund lief laut ein Film mit Paul Newman im Original, synchronisiert von einer Vietnamesin, die alle Rollen sprach. Ich war sehr zufrieden. Am nächsten Morgen schnappte ich mir vor meiner Haustür einen Bus nach HUE. Es war ein großer Bus auf dem Weg nach HCMC, wie immer vorne voll, hinten alles leer außer ein paar Säcken Reis. Ich wurde neben eine freundlich nickende Dame in schwarz platziert, in der Sitzreihe neben uns saß eine in Gelb. Alle hatten die Schuhe schon ausgezogen und die Füße hochgelegt, es herrschte heimelige Stimmung. Die Männer vorne erzählten einen vom Pferd, die Damen lachten, es war also fast wie überall. Dann auf einmal übergab sich die Dame in Gelb in einem mächtigen Schwall und hinterließ einen großen Haufen zwischen den Sitzreihen. Na, ich wollte ja nur 150 km mit, bis HCMC waren es immerhin 1200. Aber es schien keinen zu erschüttern. Von draußen wurde ein Beutel Sand geholt, draufgekippt und weiter ging die Fahrt. Ich konnte mich allerdings danach nicht mehr so recht entspannen, weil die Dame in Gelb sich nicht mehr so wohl fühlte in ihrer Sitzreihe und sich bedrohlich zu meiner hinüber neigte. Dabei sah sie immer noch so elend aus, soweit man das bei gelber Haut beurteilen kann.

15 Point at it ! 23.01.2005 13.04 Uhr Ich weiß ja nicht, ob es euch so klar ist, aber hier spricht keiner irgendeine Fremdsprache! In der Schule gibts keine, und die französische Besetzung war 1954 beendet, also haben Leute meines Alters auch nicht mehr Französisch gelernt. Somit finden alle Verhandlungen mit Zeigen, Aufzeichnen oder in Form von Scharaden statt, was gerade so geht. Ich bin ja der Meinung, dass man sich besser versteht, wenn man gar nichts kann, als wenn man mühsam nach Vokabeln einer Fremdsprache sucht und darüber die Intuition ganz vergisst. Es funktioniert. Meine Vietnamesischversuche dagegen ernten nur Lacher. Die Aussprache ist unglaublich, man kann es einfach nicht richtig machen als Fremder. Zur Not hab ich immer das Heft, das ich aber nicht mehr gern raushole, weil die es mir dann nie wiedergeben wollen. Mit großer Begeisterung wird es von einem zum anderen gereicht, und alle lesen sich alles bis ins kleinste durch. Und dann nächstes Mal, wenn sie mich sehen, klopfen sie schon auf meine Tasche: ich soll wieder das Heft rausholen! Hab bisher zwei Vietnamesen getroffen, die mal in Deutschland waren, und sich gefreut haben, ein bisschen zu plaudern. Die Englischkenntnisse selbst der Hotelangestellten beschränken sich auf „Where you from, whats your name, can I help you“ und ich bin mir nicht mal sicher, ob sie wirklich wissen, was es heißt.

Insofern war es vielleicht ganz gut, dass der Bus mich irgendwann an der Landstraße abwarf, er fuhr nämlich gar nicht nach HUE rein (das Geld hatten sie aber genommen), und da standen wir blöd da, mein Trolley und ich, konnte ihn erstmal ziehen ein Stück durch Kuhmist und grobes Gestein. Sofort waren wieder die Motoradmänner zur Stelle (wo die immer so schnell herkommen?), aber ich zog trotzig meinen Koffer durch den Dreck, bis ich mich dann einem Kleinlaster anvertraute. Der musste aus einem Dorf eine Oma abholen, mit vom Betelnusskauen rotem Mund und unsichtbaren Zähnen (früher war es Mode bei den Frauen, sich die Zähne in einer langwierigen Prozedur schwarz zu färben), und ganz viel Kisten und Kasten (Umzug ins Altersheim?)- auf jeden Fall hat das Dorf gestaunt, als er da mit mir ankam, und ich auch, denn ich wollte ja nach HUE. Es dauert hier immer etwas, aber am Ende kommt man doch an- und er setzte mich, ohne dass wir darüber hätten sprechen können, genau vor dem Hotel ab, dass ich mir schon ausgesucht hatte. Und hier gibt es einige! Und wieder mal bin ich die sieben, 403, 502...Frage an die Expertin: Ist das schlimm?

DONGHOI

16 Des Kaisers neue Kleider 24.01.2005 02.06 Uhr Hier in HUE ist es nun heiß. Hatte nach dem ersten Spaziergang schon das Gefühl, einen Sonnenstich zu haben. War so ungewohnt. Besser wäre so ein Strohhut, hier solls die besten geben, mit Scherenschnitten drin, die man sieht, wenn man den Hut gegens Licht hält. Aber es kommt mir so lächerlich vor! Die, die das hier tragen, arbeiten alle, und ich sitz ja einfach nur rum. Die jungen Leute tragen diese Stoffhütchen wie bei uns- aber die arbeiten auch alle. Hier ist erstmal wieder das volle Tourismusprogramm. Hab ich mir auch verdient, nachdem ich fünf Tage die einzige war. Ich hab erstmal genug von: Babies in den Arm gedrückt zu bekommen, gegenseitiges Haare befühlen, alberne Bemerkungen hinter meinem Rücken. Dafür geht das Gehassel der Cyclo-Männer wieder los, die sind hier fast aggressiv. In der Kaiserstadt darf niemand zu Fuß gehen. Deshalb hab ich mir gleich ein Fahrrad genommen, schon ist Ruhe. Fahrradfahren ist aber auch nicht so ohne. Bloß nicht anhalten, heißt es wieder! Und abstellen darf man das Rad auch nirgends, denn hier gibts Parkplätze dafür, wie bei uns für Autos. Zum Glück ist der Verkehr nur halb so wild wie in HANOI. War zum ersten mal im Kino: Mean Girls. Ein Mädchen kommt neu in eine öffentliche Highschool und muss sich da mit den eingeschworenen Cliquen arrangieren. Der Film war sehr unterhaltsam. Mit besagter weiblicher Synchronstimme wurde alles übersetzt, mit Anstrengung konnte man den Originalton noch erahnen. Das Kino roch schimmelig, und ich hatte die ganze Zeit Sorge, dass mir im Dunkeln eine Ratte unter den Rock kriecht, ich hatte vorher grad so viele auf der Straße gesehen. Und ob einen so gar keine Mücke stechen darf? Das halt ich für bisschen schwierig. - Es gibt viel viel Wasser, einen schönen Fluss, der ja auch Parfüm-Fluss heißt, Parks rundherum, und die „Verbotene Stadt“ gefällt mir gut, vielleicht, weil sie verboten ist. Hatte schon andere Touries darüber meckern hören: Das sowas zum Weltkulturerbe erklärt wird, da ist ja gar nichts mehr!- Das ist es doch gerade, meine Lieben! Ich fands großartig. Nicht so großartig war mein Fahrstuhlerlebnis heute morgen: er machte so einen kleinen Hüpfer, und dann ging die Tür nicht mehr auf. Ich musste mehrmals die Notglocke klingeln. Nach einigen Minuten öffnete sich die Tür und 25 Vietnamesen guckten verdattert rein, was denn los sei. Tja, was wohl. Sie lachten wie immer, sorry sorry...aber dann gings weiter im Text. Die haben das überhaupt nicht ernst genommen. Beim FrühstÜck habe ich dann die Lage beobachtet: es fährt nämlich außer mir keiner damit!

HUE

17 Es gibt Reis, Baby 26.01.2005 12.23 Uhr Nachdem ich den ganzen Tag auf einem Boot verbracht hatte, fünf Kaisergräber angeschaut, mit 25 Leuten das Mittagessen geteilt, das für uns auf dem Boot gekocht wurde von der Familie, die auf dem Boot lebt (ein etwa zweieinhalbjähriges Kind hat die Frühlingsrollen genudelt) und die ganze Zeit wie blöd geschwitzt hatte, wollte ich mir am Abend etwas besonderes gönnen und in ein feines Restaurant gehen. Machte mich mit meinem Stadtplan auf den Weg, ein ganzes Stück wieder in Kaisers Zitadelle, zu dem Laden, den ich mir ausgesucht hatte, und wunderte mich schon, dass es aussah wie ein Schloss. Mit einem vielfältigen Bambusgarten vor der Tür, mit Wasserfall und großen ausgefressenen Steinen. Und alles geschmückt mit roten Seidenschirmen und Lampions, und die Möbel sind wie aus der Pagode geklaut- rot und gold verziert. Das war nämlich so ein Gemüseschnitzerlokal! Der erste Abend, an dem ich ohne Fotoapparat aus dem Haus bin! Sonst schlepp ich immer ne Riesentasche mit mir rum, mit Tagebuch, elektrischer Zahnbürste und Unterwäsche zum Wechseln (falls man mal Durchfall bekommt), heute wollte ich mal ganz unbeschwert sein.- Auf der Karte nur drei Menüs mit jeweils elf Gängen, die sich im Wesentlichen durch die Größe der Portionen unterschieden. Als erstes kam eine Blumenvase mit Orchideen aus Karotten und Papayablüten und ganz raffiniert ein abgeknicktes Stück Frühlingszwiebel als Blatt. Das aß ich aber noch nicht, denn es könnte doch bloß Garnitur sein. Man kennt sich ja nicht so aus! Dann kam „Dance of the Phoenix“, ein kleiner weißer Vogel aus einem Rettich herausgeschabt- richtige Federn, ein Schnabel aus Chili und ein kleiner Karottenschweif- sitzend in einem Nest aus gebackenem Karottenstroh und Papayablütenblättern. Und rechts daneben einige Scheiben Gesichtswurst, nur viel feiner und sehr sehr lecker! Ich war schwer beeindruckt! Beeindruckt war ich auch von meinem Tischnachbarn- es schien mir der russische Energieminister zu sein, ich schnappte Worte auf wie „Radar“ und „Atomstop“ , und tatsächlich, der Gastgeber, ein vietnamesischer Energieunternehmer, stellte sich mir vor, da er sich langweilte, weil er nämlich keinen Wodka trank. Das Ganze sei sehr wichtig, sagte er auf englisch, da müsse er jetzt durch. Ich bekam noch eine wunderschöne brennende Ananaslaterne, mit Spießen, an denen Wantan-Schmetterlinge steckten, und „Green Papaya in Form of a Dragon“ und eine Suppe, eine sehr große gegrillte Krabbe, ein Stück gebratenen Fischs, und dann wieder einen sehr echt aussehenden Hahn, in dessen Gefieder kleine Teigtaschen steckten.

Aber das Beste von allem war kantonesischer Reis in Form einer Schildkröte. Die muss ich unbedingt zuhause nachbacken. Inzwischen bekam der russische Energieminister, der nämlich auch noch Geburtstag hatte, von Madame Ha, der Besitzerin des Lokals, eine riesige Buttercremetorte voller weißer Rosen gebracht, und sie hielt eine Rede dazu wie eine Geisha in ihrem dunkellilafarbenem Ao-Dai mit silberner Stickerei, und dann ging eine wahre Fotografierorgie los: Madame Ha und der Russe, alle Russen, alle ohne den Gastgeber, alle mit Gastgeber, nur die Vietnamesen und Madame Ha und noch weitere Kombinationen - auch das hätte ich gern alles fotografiert gehabt. Am Schluss bekamen alle Anwesenden ein Stück von der Geburtstagstorte, die Russen konnten nämlich schon nicht mehr, und ich hätte es nicht gedacht, die war köstlich! Ein überaus gelungener Tag ging seinem Ende zu, und wenn ich nicht schon meine Fahrkarte nach HOI AN gekauft hätte, wäre ich glatt noch einen Tag geblieben.

18 Siebene auf einen Streich 30.01.2005 05.41 Uhr HOI AN, die Stadt der Schneider. Und somit auch der Fliegen, der Mücken und anderem Getier. Hatte ich bisher noch nicht. Alle 200 km ändert sich hier das Erscheinungsbild so völlig, dass ich jedes Mal erstaunt bin. Ob das für Fremde in unserer Heimat auch so ist? Hier gibts nun faustgrosse Schmetterlinge und Libellen, und Geckos fallen von der Decke mitten auf den Tisch. Es ist sehr heiß. Und eine wirkliche Touristenfalle, aber es geht erstaunlich gut zusammen. Die Einheimischen sind noch nicht vertrieben, man braucht sie ja für jede erdenkliche Dienstleistung, zB zum Nähen. Mir ein Rätsel, wie sich nahezu jeder Tourist hier eine Tasche voll schlechtsitzender Klamotten anfertigen lässt, die er in seinem Heimatland niemals mehr anziehen wird! Was soll das auch sein, ein Anzug für 5 Dollar, fertig in 5 Std.? Die kleine Stadt, vom Vietnamkrieg verschont, hat unglaublich schöne alte chinesisch-japanische Häuser, bewohnt meist in der 7.Generation, die man besichtigen kann, einen idyllischen kleinen Fluss mit überdachter japanischer Holzbrücke, die perfekte Filmkulisse. Abends sitzt man am Wasser und sieht die schwarzen Fischerboote wie lange spitze Schuhe zum Meer rausschleichen, und vom anderen Ufer leuchten spärlich Neonreklamen herüber. Es ist lau, alles ist still und friedlich, denn die Altstadt ist für den lausigen Verkehr gesperrt, die unermütlichen Kinder mit Postkarten und Tigerbalm der einzige Wermutstropfen. Ich hatte mir ein Buch besorgt, im Book-Exchange der Hotel-Lobby, Tony Parsons „Man and Wife“- ein Buch, was ich wohl in Deutschland und auf deutsch niemals lesen würde, hier schien diese süffisante Geschichte über eine Patchworkfamilie genau das Richtige zu sein für den Strand, und ich radelte frohen Mutes ans Meer, was hier ruht wie aus dem Neckermannkatalog ausgeschnitten- unbebaut, nur Kokospalmen, die Schatten spenden und weißer Sand. Allerdings Wind wie an der Nordsee, zum Zeitunglesen nicht gerade geeignet, aber die gibts hier ja auch nicht. Ich holte also mein kleines Buch raus, und kaum das ich einen Blick hineingeworfen hatte, umringten mich auch schon fliegende Händler jeden Alters und mit allem, was der Markt hier zu bieten hat. Hatte ich einen abgeschüttelt, sah ich schon die nächste Garnison herannahen, und es war die reinste Sysiphusarbeit, sie davon zu überzeugen, dass ich keine Beinenthaarung brauche und jetzt nicht schon wieder eine Ananas essen will. Und so traurig es ist, am Ende bin ich gegangen und hab das Buch in meinem Hotelzimmer gelesen.–

Das Essen, wie schon in HUE, ist außergewöhnlich gut. Die hier ansässigen Mönche haben eine ausgeprägt vegetarische Küche eingeführt, und es gibt Spezialitäten, die mich glücklich machen, wie „White Rose“ , eine Art Ravioli aus Tapioka- und Klebreismehl, mit köstlich undefinierbarer Füllung, schön glibberig und mit gerösteten Karottenkrümeln bestreut-und „Cao Lau“, etwas wie ein Nudelsalat, den man nur mit dem Wasser eines hier befindlichen Brunnens erstellen darf. Meistens esse ich bei den Frauen, die alles in Körben mit sich tragen, den Kocher, Geschirr, sämtliche Zutaten und die Plastikstühlchen für die Kundschaft. Und auch bei denen hab ich erst dieses Gericht begriffen, dass ich schon zweimal vorher in einem Restaurant probiert hatte, ohne etwas Besonderes daran zu finden. Es sind eckige lange schwere safrangefärbte Nudeln, die mit sehr viel Kräutern (es gibt hier eine Unmenge an essbarem Grünzeug- wichtig: Minze und Koriander!) und Sojasprossen vermischt werden, darüber kommt etwas aus einem Eintopf: Schweinefleisch, ungelegte Eier, Soße, darüber geröstete Erdnüsse, Croutons aus Schweineschwarte und ein paar Chilies. Ich weiss nicht, ob ich jetzt wirklich alle Bestandteile aufgezählt habe, es ist jedenfalls unglaublich köstlich. Wenn ich dann so eine Schale, die 50 Pfg. kostet, gegessen hab, mach ich gern noch etwas Schweinisches und gehe in eine französische Bäckerei, den teuersten Laden am Platz. Dort bekommt man für den Wochenlohn eines Vietnamesen Sahnetörtchen „Black Forest“ zB, und Cappuccino, und während man das draußen verzehrt, sitzen vor der Tür zwei Kriegsveteranen in Rollwagen und halten ihre Beinstümpfe ins Bild. Und immer, wenn man in ihre Richtung guckt, wedeln sie mit schlaffen Puppen und Tonflöten. Sie lachen, weil sie genau wissen, wie hart es für die Cafébesucher ist, aber ich find es ja nur gerecht, und wir quälen uns den Kuchen rein und verschwinden möglichst schnell wieder.- Manches ist hier jetzt auch schon sehr vertraut. Die Menschen in den Schlafanzügen zB, die wie Schlafwandler unterwegs sind- zuerst konnte ich es ja gar nicht glauben, dass es wirklich welche sind. Hier sah ich einen sehr alten Mann im hellblauen Pyjama, dazu einen schwarzen Herrenhut auf dem Kopf und an den Füßen die oligatorischen Plastiksandalen, allerdings mit Plateausohle aus der Damenabteilung. Die jungen Frauen in diesen Kinderschlafanzügen, wie auch mein Vater sie trägt, sehen dagegen wahnsinnig unsexy aus. Und das ist vielleicht auch gut so. Wir sind hier ja nicht in Thailand.

19 MUSS ich heute wieder machen, was ICH will?01.02.2005 03.09 So einfach ist es nicht. Ich kann tun und lassen, was ich will, darum gings ja auch- aber was will ich tun und was lassen? Ist es nicht viel mehr die Vorstellung, was ich wollen müsste, die mich treibt? Warum zB muss ich mich morgens beeilen? Zu Hause muss ich mich beeilen, um viertel nach 8 aus dem Haus. Hier bin ich schon um 7 nervös. „Du hast doch wohl diese Reise nicht gemacht, um den ganzen Tag im Zimmer zu sitzen?“, heißt es dann. Und schnell ruff uf den Eiffelturm und Postkarten geschrieben! Also, heute mach ich mal wirklich nur, was ich wirklich wirklich will. Das Freiheit so schwer sein kann! Okay, ich geh also wieder ins Bett. Im Thai-TV gibts einen Film mit Bruce Willis und Debbie Moore, der grade anfing, als ich vom Frühstück kam, zu dem ich Weißbrot gegessen habe, was mir nicht schmeckt. (Da ist es schon wieder, die Unfreiheit!) Das von den Franzosen übrig gebliebene Baguette sieht zwar hübsch aus, innen ist aber nur Luft. Wahrscheinlich wird es längst von Kamps hier angeliefert. Das einzige Mal, wo es mich begeisterte, war in HANOI im Zusammenhang mit Paté, die gabs dort in einem uralten kleinen Laden, nur Paté, nach einem Jahrhunderte alten, nie verändertem Rezept. In der Auslage lagen die Leiber hübsch nebeneinander, Paté, Paté, Paté, und nichts sonst gab es da, nur Paté. Das war wie gesagt in HANOI, und das hab ich so seitdem nicht mehr wiedergefunden, da passte dieses komische Brot vorzüglich. Doch zurück zum Film: Debbie Moores Freundin ist mit dem schlagenden und koksenden Bruce Willis verheiratet, den sich beide mehr als einmal zum Teufel wünschen und auf einmal ist der tot, und nun muss Debbie Moore Harvey Keitel als Staatsanwalt oder was auch immer, Rede und Antwort stehen, für den Frauen ohnehin nur Bitches sind, also glaubt er ihr nicht, und wir glauben ihr aber, was sich am Ende als falsch rausstellt. Ein prima spannender Film, auch noch von Alan Rudolph. „So, nun aber schnell weiter, den hätte ich ja auch zu Hause auf DVD gucken können.“ Was mach ich denn jetzt mal Unvernünftiges? Ja genau, einen Kaffee trinken. Wenn man hier in Vietnam einen Kaffee bestellt, bekommt man erstmal einen Tee. Das ist so, fragt mich nicht, warum. Und dann, nach Jahren des Wartens, kommt ein Glas mit einem kleinen Blechfilter drauf, und dazu ein Glas mit Eiswürfeln, und es dauert nochmal Jahre, bis der Kaffee durchgelaufen ist. Schmeckt aber ganz gut. Und wie ich da so sitze, kommt ein Straßenjunge mit der einzigen englischen Zeitung „Vietnam News“ vorbeigeradelt, allerdings zum 6fachen Preis, schon mit Stempel neu aufgedruckt. Da fall ich aber nicht drauf rein, ich zahle höchstens das Doppelte vom regulären Tarif. Jetzt les ich mal ganz in Ruhe die Zeitung. Mit Fernsehprogramm. Stelle fest, das es hier auch „Six feet under“ gibt. Und nun? Naja, essen oder einkaufen. Einkaufen fällt weg, weil ich nur kaufen darf, was ich wirklich brauche. Muss ja alles durch die Gegend geschleppt werden. Essen wär gut, aber ich hab gar keinen Hunger. Das ist die schlimmste Zeit: Nach dem Essen! Wenn einen alles so anleuchtet,

aber nichts mehr reingeht. Ich könnte mir den Magen vergrößern lassen, das ist bestimmt nicht teuer. Aber in der NDR-Kantine macht das dann nicht mehr son Spaß. Also setz ich mich einfach erstmal irgendwo hin und warte, dass ich wieder Hunger krieg. Allzu lange kann das ja nicht dauern. Ich setz mich gleich an den Markt, da hab ichs nicht weit, wenn der Hunger kommt. Gucke auf den Fluss. Die vielen Boote, die hier an- und ablegen. Winzige hölzerne Bohnen werden von sehr alten betelnusskauenden Frauen gerudert, mit einem dünnen Stock. Sie betteln, dass man mitfahren möge. Ich trau mich nicht. Manchmal haben sie Glück und eine Vietnamesin bringt so ihre Einkäufe nach Hause. Aber meistens warten sie genauso endlos wie die Cyclo-Männer. Und dann gibt es noch etwas größere Holzboote, Fähren, die so mörderisch beladen werden, mit Motorrädern, Fahrrädern und Menschen, dass sie ganz schief im Wasser liegen, wenn sie davontuckern. Und für die 50 Menschen an Bord hängen fünf kümmerliche Rettungsringe an einer Stange! Wohin sie fahren? Weiß ich nicht. Kann auch niemand fragen. Aber würde schon gerne mit. Es ist mir nur zu peinlich, ihnen meine sinnlose Anwesenheit zuzumuten. Einmal hin und zurück bitte! Die, die immer so geschäftig sind, nie ausruhen, nie stehenbleiben, wie sollen die verstehen, was mich bewegt, einfach so in sone Fähre zu steigen. Warum nimmt die sich nicht ein Touristenboot!- Neulich stieg ich in ein kleines Lasttaxi. Ich war nicht sicher, ob es mich zu dem Ort bringen würde, den ich mir ausgeguckt hatte, aber letztendlich ist das ja auch egal. Ohne Worte hörten die Fragen nicht auf: wo ich hin wolle, wieso alleine? Und sie rätselten über meine seltsame Existenz, die sich von anderen Touristen immerhin dadurch unterscheidet, dass ich unvermittelt an solchen Orten auftauche. Am Ende bin ich ausgestiegen, weil der Wagen so derartig vollgeladen wurde, dass es mir doch zu haarig war, außerdem will ich auch niemandem einen Platz wegnehmen, der es nötiger braucht als ich; die hingen schon wieder aus allen Öffnungen raus.- Hunger kommt nicht, wenn man drauf wartet. Also aufs Rad, an den Strand geradelt, einen anderen Strand, wo nicht diese Stranddeppen sind, weil die so weit gar nicht kommen. War ich aber auch ganz schön ins Schwitzen geraten, einen steinigen Sandweg, bergauf, bergab, mehr was für ein Teenie mit Mountainbike- komme an, und das Paradies liegt mir zu Füßen! Irgendwie auch langweilig, so ganz alleine! Eigentlich guck ich doch ganz gerne den fülligen Australierinnen zu, wie sie mit dieser unglaublichen Fadentechnik ihre Haare von den rosa Beinen entfernen lassen! Dann muss ich eben aufs Meer gucken. Irgendwie ist es nicht mehr so ganz leicht, ihm zu trauen, wie es da so sanft vor sich hin atmet, Welle nach Welle auf dem festen Sand ablegt. So sitz ich wohl eine ganze Weile, nicht ganz ohne Melancholie, aber zufrieden und warm. Eine eiskalte frische Kokosnuss wär jetzt gut! Aber wo keiner ist, muss ich sie mir wohl selbst vom Baum holen! Kann man dafür hier einen Kurs belegen?

HOIAN

Das Essen, wie schon in HUE, ist außergewöhnlich gut. Die hier ansässigen Mönche haben eine ausgeprägt vegetarische Küche eingeführt, und es gibt Spezialitäten, die mich glücklich machen, wie „White Rose“ , eine Art Ravioli aus Tapioka- und Klebreismehl, mit köstlich undefinierbarer Füllung, schön glibberig und mit gerösteten Karottenkrümeln bestreut-und „Cao Lau“, etwas wie ein Nudelsalat, den man nur mit dem Wasser eines hier befindlichen Brunnens erstellen darf. Meistens esse ich bei den Frauen, die alles in Körben mit sich tragen, den Kocher, Geschirr, sämtliche Zutaten und die Plastikstühlchen für die Kundschaft. Und auch bei denen hab ich erst dieses Gericht begriffen, dass ich schon zweimal vorher in einem Restaurant probiert hatte, ohne etwas Besonderes daran zu finden. Es sind eckige lange schwere safrangefärbte Nudeln, die mit sehr viel Kräutern (es gibt hier eine Unmenge an essbarem Grünzeug- wichtig: Minze und Koriander!) und Sojasprossen vermischt werden, darüber kommt etwas aus einem Eintopf: Schweinefleisch, ungelegte Eier, Soße, darüber geröstete Erdnüsse, Croutons aus Schweineschwarte und ein paar Chilies. Ich weiss nicht, ob ich jetzt wirklich alle Bestandteile aufgezählt habe, es ist jedenfalls unglaublich köstlich. Wenn ich dann so eine Schale, die 50 Pfg. kostet, gegessen hab, mach ich gern noch etwas Schweinisches und gehe in eine französische Bäckerei, den teuersten Laden am Platz. Dort bekommt man für den Wochenlohn eines Vietnamesen Sahnetörtchen „Black Forest“ zB, und Cappuccino, und während man das draußen verzehrt, sitzen vor der Tür zwei Kriegsveteranen in Rollwagen und halten ihre Beinstümpfe ins Bild. Und immer, wenn man in ihre Richtung guckt, wedeln sie mit schlaffen Puppen und Tonflöten. Sie lachen, weil sie genau wissen, wie hart es für die Cafébesucher ist, aber ich find es ja nur gerecht, und wir quälen uns den Kuchen rein und verschwinden möglichst schnell wieder.- Manches ist hier jetzt auch schon sehr vertraut. Die Menschen in den Schlafanzügen zB, die wie Schlafwandler unterwegs sind- zuerst konnte ich es ja gar nicht glauben, dass es wirklich welche sind. Hier sah ich einen sehr alten Mann im hellblauen Pyjama, dazu einen schwarzen Herrenhut auf dem Kopf und an den Füßen die oligatorischen Plastiksandalen, allerdings mit Plateausohle aus der Damenabteilung. Die jungen Frauen in diesen Kinderschlafanzügen, wie auch mein Vater sie trägt, sehen dagegen wahnsinnig unsexy aus. Und das ist vielleicht auch gut so. Wir sind hier ja nicht in Thailand.

20 Bloß nicht das Gesicht verlieren...02.02.2005 08.16 Uhr ...bloß nicht aus der Haut fahren, wie man das macht, steht allerdings in keinem Reiseführer. Meine Wäsche war weg, zwei Tage überfällig. Sie hielten mir einen anderen 2 kg-Sack hin, ich solle darein gucken. Davon wird es auch nicht meins! Meins, mein schönes Krebs-T, mein Rosen-T, meine neue H&M-Hose mit den vielen Reißverschlüssen, in der man gut all die mitgeführten Währungen verstauen kann. Eine Khakihose aus USA, mein weißer Schlafanzug, von all den Wäschen im Fluss allerdings etwas angegraut, fünf U-Hasen und einige Kater von Bill Clinton ( oder hieß der etwa „sucks“), praktisch alles, was ich dabei hab, einfach futsch. Man weiß ja nicht, ob die sich drum kümmern. Die sind halt immer gleich. Fragt man um 8, soll man um 9 wiederkommen, fragt man um 9, soll man um 10 wiederkommen. Um 10 kommt schon mein Fahrer, der mich in die Marble Mountains bringen soll und anschließend zum Zug. Ticket schon gekauft. Ich versuche, mich nicht aufzuregen. Geht nicht. Was ist das schon, ein paar Klamotten, kann man sich hier für Appel und Ei neu machen lassen, mit mehr Falten allerdings. ICH WILL MEINE ALTEN SACHEN WIEDERHABEN! Aus Prinzip schon. Ich seh ihn förmlich vor mir, den Trottel, der „ „Schatzi, ich pack schon mal die Wäsche ein“ meinen fälschlich auf seinem Hotelbett abgestellten Sack unbesehen in seinem mannshohen Globetrotterrucksack verschwinden lässt. Und wenn sie den dann in Kho Samui wieder aufmachen, weil Mutti ihre Hawai-Shorts anziehen will, kommen meine türkischen Unterhosen zu Tage. - Ich lag um 9.45 Uhr auf meinem Bett und drosch auf die Matratze ein, Blutdruck ansteigend, da klopfte es schüchtern an die Tür und ein Junge hielt mir strahlend den Beutel mit heißer Wäsche entgegen. Seufz! Nochmal gut gegangen.

NHATRANG

21 Trick me once but you wouldn‘t trick me twice 03.02.2005 12.15 Uhr Hatte mich vergangen. Eigentlich war ich auf der Suche nach dem japanischen Restaurant, was ich mittags geschlossen sah. Ich hatte Appetit auf sowas Sauberes. Japanische Disziplin. Aber es tauchte nicht wieder auf, und ich kam in eine Gegend, wo erst die Touristen aufhörten und dann die Menschen überhaupt, und dann plötzlich Bahnhofsviertelmilieu ohne Bahnhof, und auf einmal das Vergnügungsviertel von NHA TRANG. Zuerst war ich in einem disneylandartigen Restaurant, nicht gegessen, nur geschaut, ein Wunderwerk der Restaurantarchitektur, mit Kinderspielplatz, Brücken und themenbezogenen Abteilungen. Alles voller Familien an den voll beladenen Tischen. Ich würde sagen, an die 1000 Leute passten darein. Sah auch in die Küchenabteilung, und verrückt, selbst hier wird noch von Hand abgewaschen. Da saßen 20 Frauen über Plastikschüsseln gebeugt am Boden und spülten im Akkord die Schüsseln sauber. Ich hatte beschlossen, ohne Japaner nichts zu essen, sondern nur zu trinken, und ging in ein Lokal für junge Leute. Die Alterspyramide sieht ja hier ein bisschen anders aus, die Kinder waren etwa 16-22, dass entspricht so dem Pudelpublikum. Aber die schicksten Vietnamesen gingen hier ein und aus, mit blondgefärbten Haaren und den tollsten T-Shirts, zum Teil selbst bemalt. Es war sehr dunkel drinnen, alles schon ein bisschen japanisch angehaucht- und ich bekam eine Karte, die ich nicht verstand, und um es einfach zu machen, bestellte ich vietnamesisch „Bia“, also Bier, das verstehen die immer. Hier aber nicht. Ich schob „St.Miguel“ (das übrigens hier gebraut wird) hinterher, noch größere Ratlosigkeit. Bis nach einer Weile einer von den Motorradbewachern mit einer Flasche St.Miguel (in Astra-Form) zu mir an den Tisch kam, die hatte er nun irgendwo gekauft. Es gab nämlich in diesem Lokal kein Bier. Also gar keinen Alkohol? Doch. Aber nur mit Kaffee oder Tee. Also Eistee mit Rum gemixt, oder sowas wie Pharisäer bei uns. Seltsam. Ich bekam ohnehin erstmal wieder einen Tee, Eistee, köstlich. Diese Geste sollten sie sich bei den Deutschen lieber sparen, die bestellen doch dann nichts mehr! Der Wirt überredete mich dann noch zu einem Rum-mit-Tee-Gemisch, wo oben eine salzige Frucht drin schwamm, nun hatte ich also drei Getränke. Die Kiddies trabten rein und raus. Manche Pärchen, wo so eindeutig zu sehen war, der Junge ist schwul, das Mädchen nicht, und beide wissen es nicht. Sowas gibts hier also auch. Im Eingang übte ein sehr kleines Kind Beyoncee-Tänze ein, während ihre Mutter drinnen Kaffee oder Tee mit Rum, Wodka oder Whiskey trank. Aber ich musste weiter. Ins nächste Jugendcafé, wo aber gar keine Jugend saß. Zuviel Weihnachtsbaumgedöns, und außerdem Musik und Fernsehton gleichzeitig, brüllend laut. Das mögen die hier. Hatten wir vorgestern im Zug 9 Stunden in brachialer Lautstärke! Aber vielleicht sind auch nur die Parkplätze vor der Tür zu teuer, dieses Lokal jedenfalls funktionierte überhaupt nicht. Ich bestellte trotzdem einen Drink und bekam eine kleine geschälte Kokosnuss und einen fetten süßlichen Rum zum Mischen und dazu noch einen Löffel für das Fruchtfleisch- so kam ich doch noch was in meinen Magen. Und Tee hab ich auch bekommen, diesmal heiß.

Der Drink war ausgezeichnet, aber außer Video gabs nicht viel zu gucken. Auf dem Nachhauseweg sah ich dann überall Frauen sitzen, mit großen Hummern, 50.000 Dong, das sind ( ihr müsstet es jetzt eigentlich schon selber wissen) 2.50 Euro. Die soll man dann da so verspeisen vor ihren Augen. Ich hab noch nie einen Hummer gegessen, mag das Gepule nicht. Und es nimmt hier auch niemand. Wer soll das essen außer den Touristen? Vielleicht sind diese Hummer schon 5 Tage alt? Eigentlich hab ich ja schon noch Hummer, ähm Hunger! Ich weiss nicht. Lieber weiter. Gehen, weiter. Wieder Hummer. Mein Hotel ist ganz schön weit weg. Hotel Seaside, aber die See ist lang. Das hab ich Mr.Tung zu verdanken. Vielleicht doch einen Hummer zwischenschieben? Es ist zu verlockend. 2,50. Kann eigentlich gar nicht sein. Also hab ich einen Hummerstopp eingelegt. Er wird gegrillt, auf Holzkohle, mit einem Fächer wedelt sie nach, die junge Lady. Hoffentlich keine Fischvergiftung. Vogelgrippe kann man von Hummer ja wohl nicht kriegen. Aber husten muss die arme Frau. Der Hummer lag schon mal auf dem Grill, das hab ich gesehen. Aber ich bin auch nicht son Freund von lebend ins Wasser geworfenem Getier! Ich glaub, sie ist ganz froh, dass ich schreibe. So hat sie mehr Zeit. Das Viech ist ziemlich dick, und er soll ja auch fertig sein. Ich krieg meine Fischvergiftung lieber von durchgebraten als von roh. Muss ja gleich nur noch die Strandpomeranze lang. Hier ist ganz schön was los. Hauptsächlich Motorräder mit Mädchen drauf, jeweils zwei bis drei. Manchmal auch vier. Ohne Licht, ohne Helm und in Adidasjacken. Weiß nicht ob das reicht bei dem Wind hier. Meine Hummerbraterin wedelt verzweifelt, bloß nicht hingucken, sonst hört sie noch zu früh auf. Ich hab ja noch zu schreiben. Allerdings tanzen schon Mücken um mein Bein. Jetzt wurde mein Hummer vom Herd genommen. Sie säbelt ihn auf, das wollt ich auch wohl hoffen. Ich kann das ja gar nicht. Und Salz! Die mögen nämlich kein Salz, die Vietnamesen. So, aufgeknackt, und dann nochmal ruff uff den Grill. Und wieder gewedelt. Ich hab die Ruhe weg. Eigentlich wollte ich ja heute nichts mehr essen. Ich merke, dass die Frau Stress hat, das Ding gar zu kriegen. Aber ich habs nicht eilig. Ich schlaf schon mal ein wenig. Hummer zum Frühstück, auch nicht schlecht. Vielleicht hätte ich lieber einen gekochten nehmen sollen. Aber ich hab mich halt erst bei dieser Dame getraut, und die hat nur diesen kleinen Grill. Ich sitze gern hier. Versuche so zu tun, als wenn ich keinesfalls auf den Hummer warte. Drüben auf der anderen Seite sitzen zwei Rikscha-Männer schon zum Schlafen eingemummelt und amüsieren sich über unsere Aktion. Sitz ich schon eine Stunde hier? Ein Klo haben die bestimmt nicht. Das hätte ich jetzt gern! Ein gegrilltes Klo, aber bitte englisch! Jetzt wedelt schon ihr Mann mit. Ich frag mich, ob die überhaupt schon jemals einen Hummer verkauft haben oder ob heute ihr erster Tag ist. Na, irgendwann ist er dann doch mal fertig, schmeckt supergut, Serviette wäre hilfreich, aber naja, am Ende wäscht man halt seine Hände in diesem Eimer, in dem alles andere auch gemacht wird. Geschirr gespült und so. Und dann, bitte, das macht 150.000 Dong! Wie bitte? Eben warens doch noch 50.000. Das viele Wedeln kostet wohl extra. Na, die habens ja drauf. Okay, jetzt nicht ärgern. War ja immer noch billig genug. Und nun weiß ich Bescheid.

20 Bloß nicht das Gesicht verlieren...02.02.2005 08.16 Uhr ...bloß nicht aus der Haut fahren, wie man das macht, steht allerdings in keinem Reiseführer. Meine Wäsche war weg, zwei Tage überfällig. Sie hielten mir einen anderen 2 kg-Sack hin, ich solle darein gucken. Davon wird es auch nicht meins! Meins, mein schönes Krebs-T, mein Rosen-T, meine neue H&M-Hose mit den vielen Reißverschlüssen, in der man gut all die mitgeführten Währungen verstauen kann. Eine Khakihose aus USA, mein weißer Schlafanzug, von all den Wäschen im Fluss allerdings etwas angegraut, fünf U-Hasen und einige Kater von Bill Clinton ( oder hieß der etwa „sucks“), praktisch alles, was ich dabei hab, einfach futsch. Man weiß ja nicht, ob die sich drum kümmern. Die sind halt immer gleich. Fragt man um 8, soll man um 9 wiederkommen, fragt man um 9, soll man um 10 wiederkommen. Um 10 kommt schon mein Fahrer, der mich in die Marble Mountains bringen soll und anschließend zum Zug. Ticket schon gekauft. Ich versuche, mich nicht aufzuregen. Geht nicht. Was ist das schon, ein paar Klamotten, kann man sich hier für Appel und Ei neu machen lassen, mit mehr Falten allerdings. ICH WILL MEINE ALTEN SACHEN WIEDERHABEN! Aus Prinzip schon. Ich seh ihn förmlich vor mir, den Trottel, der „ „Schatzi, ich pack schon mal die Wäsche ein“ meinen fälschlich auf seinem Hotelbett abgestellten Sack unbesehen in seinem mannshohen Globetrotterrucksack verschwinden lässt. Und wenn sie den dann in Kho Samui wieder aufmachen, weil Mutti ihre Hawai-Shorts anziehen will, kommen meine türkischen Unterhosen zu Tage. - Ich lag um 9.45 Uhr auf meinem Bett und drosch auf die Matratze ein, Blutdruck ansteigend, da klopfte es schüchtern an die Tür und ein Junge hielt mir strahlend den Beutel mit heißer Wäsche entgegen. Seufz! Nochmal gut gegangen.

22 Nizza für Arme 05.02.2005 13.03 Uhr Noch mehr Schlafanzüge, mehr Billiardtische, mehr Mücken. Sehe schon aus, als hätte ich grad Windpocken gehabt. Ansonsten ist es die stadtigste Stadt bisher, ich fahre Fahrrad, muss allerdings schieben, wenns zu hart wird. Die Parkgebühren eines Tages belaufen sich exakt auf die Summe, die das Rad kostet. Zum liegenden und zum sitzenden Buddha geradelt und mit Waisenkindern gechattet, die hier von Mönchen aufgezogen werden, natürlich nur Jungs! Die besten Banh Canh, das sind solche wabbeligen Teigtaschen, in Bananenblättern gekocht, die werden dann ausgewickelt und mit Chili, Erdnüssen und Fischsauce serviert. Kann ich nicht genug von kriegen! Und dann kam Ninh Noi. Sie war mir sofort aufgefallen, weil sie so eine königliche Art hatte- die Mädchen sind hier zwar alle anmutig und elfengleich, aber sie hatte noch eine Strenge dazu und mit ihrem weißen Hütchen und der (falschen) Burberry-Bluse sah sie einfach hinreißend aus. Ninh Noi, ich nenne sie Linh, weil so, wie es ausgesprochen wird, klingt es wie Linh, wobei „Noi“ eigentlich der Vorname ist, der ist hier ja immer hinten, aber der bedeutet „Großmutter“, das findet sie nicht so toll, also Ninh-Linh ist winzig und hat einen ebenso winzigen, also sehr langen Zopf. Sie übernachtet auch in meinem Hotel, und wir lernten uns kennen, weil wir beide eine Bootstour geplant hatten, zu den vielen Inseln, die es hier gibt. Sie spricht sehr gut Englisch, weil sie in HCMC für eine französische Firma arbeitet, die Kunden in ganz Asien betreut. Ein sehr konservatives, aber ziemlich eigensinniges Mädchen, das gefiel mir gut. In NHA TRANG hat sie drei Jahre an der Fischerei-Universität studiert und mit Bachelor Business Administration abgeschlossen, jetzt ist sie 25 und wohnt seit zwei Jahren wieder bei ihren Eltern in einem großen Haus am Rande von HCMC. Sie war hier, um die alten Freunde wiederzutreffen. Ich hatte das Gefühl, sie war ein bisschen enttäuscht, weil die dann doch weniger Zeit hatten, als sie sich gewünscht hätte. Aber ich hatte ja Zeit. Nachdem wir den ersten Bootsausflug mit Japanern, Koreanern, Libanesen, Deutschen, Dänen, zwei englischen Muttis und einer vornehmen vietnamesischen 4-Generationen-Familie , die inzwischen zum Teil in Australien lebt, nur überstanden hatten, weil wir uns gegenseitig mit Geschichtenerzählen bei Laune hielten, planten wir gleich die nächste Bootsfahrt, diesmal zur Affeninsel. Im ersten Boot wollte der Kapitän unbedingt singen- „ich sing zwar nicht gut aber gern“ und ließ nicht locker, bis er zur ungestimmten Gitarre für jede anwesende Nationalität mindestens ein Lied gesungen hatte, er könne nämlich Lieder in 64 Sprachen- und als er bei „Sah ein Knab ein Röslein stehn“ angekommen war, hatte er schon ganz schön einen im Tee. Danach sollten wir uns noch Lieder wünschen, und dann ertönten vietnamesische Arbeiterkampflieder, und bei den Inseln kamen wir im Grunde nie an, weil wir mitten im Meer vor Anker gingen, und er unbedingt eine „Floating Bar“ eröffnen wollte, und dann mit einem Rettungsring und einem Eimer voller Wein im Meer paddelte, und alle sprangen hinterher. Nur die Japaner: ein Mann (Towatei?) mit zwei Frauen (was auch mehrfach Anlass für Spott bot) und Linh und ich blieben an Deck. Aus der Kombüse ertönte irgendwas Technoartiges, und alle schwammen mit Gläsern in der Hand, an deren Rand Ananasstückchen aufgespießt waren.

Am nächsten Tag hatten wir es mit 800 Affen zu tun, die einem immer alles wegnahmen, deshalb musste man die ganze Zeit seine Tasche festklammern. Aber dann kam eine Show, die stellte alles in den Schatten, sowas Trauriges hatte ich mein Lebtag noch nicht gesehen. zwei völlig verdreckte Elefanten mussten auf einem winzigen Podest auf einem Bein stehen (die Elefantenmutter weinte richtige Tränen!), Bären hatten Röckchen an und fuhren auf Motorrädern herum - Hunde in Satinanzügen mussten in kleinen Schulbänken sitzen, und Rechenaufgaben lösen- und dann kamen zuletzt die Affen. Wenn die Purzelbaum schlagen, sieht es ja immer noch ein bisschen so aus, als mache es ihnen Spaß. Wir waren nur zu acht, zwei vollschlanke Russenpaare ( Eltern und Sohn mit Schwiegertochter), eine doppelte Britney aus Schweden in Original Britney-Klamotten, aber mit schmerzendem Sonnenbrand, zwei vietnamesische Männer, deren Spaß an der Fahrt ich nicht ganz ausmachen konnte, und Linh und ich. Die Britneys sind sofort tierschützermäßig aus der Manege verschwunden, als dieser Dressurkram losging und haben sich wieder an den Strand verkrümelt, aber die Russen amüsierten sich köstlich, alles mit Videokamera verfolgend, und Linh und ich sahen uns nur an- ich musste das jetzt auch unbedingt sehen, konnte gar nicht glauben, dass es sowas noch gibt. Am Abend hat sie mich dann durch die Stadt gejagt, weil ich unbedingt „Mi Chung“, eine bestimmte Nudelart, essen sollte, die es nirgendwo gab. In dem Restaurant, wo wir dann letztendlich gelandet sind, war sie allerdings sehr unzufrieden, und ließ als erstes ihre Kokosnuss zurückgehen, weil die nicht frisch sei. Wir aßen Krebse in Tamarindensauce und Reissuppe mit Meeresfrüchten und noch so allerlei, aber ich glaube, ihr war da eigentlich gar nichts gut genug. Lustig, wenn man mal diese andere Seite kennenlernt! Mir schmeckt ja fast noch alles. Aber sie ist auch ein verwöhntes Mädchen aus reichem Hause: der Familie gehört seit drei Generationen eine Fabrik für Holzmöbel mit 1000 Angestellten, die ihr Vater grad an die Brüder übergibt. Jetzt soll sie da auch mit einsteigen. Und ich versuchte sehr, sie auf unserem nächtlichen Strandspaziergang (bei dem sie ein bisschen Angst hatte, dabei hat selbst das kleinste Fischerboot mindestens vier Neonröhren an und es ist alles andere als unheimlich, geschweige denn romantisch) davon zu überzeugen, dass sie lieber unabhängig bleiben soll. Gegen so Brüder hat man doch keine Chance hier in Asien!

23 „Curryhuhn ist mit Fleisch“ 08.02.2005 12.22 Uhr Aber nicht mehr lange. In den Restaurants gibts schon gar kein Huhn mehr. Auf dem Markt schon noch. Die sehen so appetitlich aus, diese mageren Hühner, mit allem drum und dran, Krallen, Kopf, Kamm, Eierstöcken...so wie früher eben. Klebt jetzt ein Zettel drauf, mit Stempel und so- aber wer Adidasjacken kann, kann auch Veterinäramtsstempel fälschen! Die Hühner habens jedenfalls gut gehabt, ihr kurzes Leben auf Zement und Asphalt pickend verbracht, oder schlimmstenfalls mit einem großen Korb um sich rum. Wenigstens keine Legebatterie! Das macht das Bekämpfen der Vogelgrippe auch so schwer, weil jeder hier seine zwei,drei Chicken laufen hat. Die morgendliche Nudelsuppe fällt nun lieber flach. Einfach und gut wars, so in den Tag zu starten: ne Handvoll Reisnudeln, Brühe drüber, etwas frisch geschabtes Hähnchenfleisch in einer Kelle in den heißen Topf gehalten, Koriander, ein paar Chilischnipsel und ein, zwei Spritzer Limone! Das war mein Frühstück! Nun gehe ich morgens an die Brötchenbude- hatte ja schon gesagt, das Brot schmeckt wie Papier, aber mit dem richtigen Belag und morgens um 7, wenns ganz frisch ist, gehts. Da gibts dann Majonaise, Chilipaste, gebratenen Speck, eine blasse Wurst oder Sülze, Gurkenstreifen, ordentlich Kräuter und am Schluss so etwas, das aussieht wie Spinnweben oder Engelshaar, aber ganz intensiv nach Fleisch und ein bisschen süß-sauer schmeckt. Und dann noch so eine Kelle von scharfer Sauce drüber aus einem Eimer mit gekochten Fleischbällchen! Richtig gut, oder? Also übers Essen kann man nicht meckern. Das Gemüse!!! Manches kommt so absurd deutsch rüber, Blumenkohl zB oder Kohlrabi! Kohlrabi gabs in HANOI in rauhen Mengen, aber so verdammt köstlich zubereitet! In hauchdünnen Scheiben mit etwas Chili und Sojasauce ganz kurz gedünstet und dann wie ein Gratin überbacken. Schmeckte bombig! Auch über Kartoffeln war ich erstaunt! Hatte mal Kartoffelsalat bestellt, da kam ein mit Majonaise angemachter Brei, zur runden Kugel geformt- mit Lauchzwiebeln und anderen Kleinigkeiten drin, saugut! Ich bestelle auch immer wieder gern Tofu, mit Tomaten, ganz einfach, aber sehr soßig und sehr scharf muss er sein. Dann gibts so kleine eiförmige Pilze, die hatte ich gestern in meinem „Hotpot“. Die ersetzen hier unsere Champignons, schmecken aber viel lustiger und haben so eine fluppige Konsistenz. Hotpot kommt, wenn man Glück hat, in einem hübschen Topf mit Holzkohle drin auf den Tisch. Darin ist Brühe, und dann kriegt man Fisch, Fleisch, Gemüse und Nudeln, und lässt das alles kurz darin ziehen. Aber es gibt auch die köstlichsten Gerichte, zB Aal mit Schweinehack gefüllt und anschließend in Reispapierknusperkram ausgebacken, und über allem sind dann immer diese unglaublich vielen verschiedenen grünen Blätter verteilt. Die muss man ja nicht mitessen, wenn man kein Kaninchen ist, aber ich glaube, ich bin eins. Wasserkresse zum Beispiel, einfach mit Knoblauch, ein paar Zwiebeln und Fischsauce, auch ganz vorzüglich! Dummerweise lese ich grad „Fastfood Nation“ von Eric Schlosser, das habe ich beim Book-Exchange gegen Man & Wife eingetauscht. Nicht so platt ala MacDonalds macht dumm, sondern behandelt vielmehr die ganzen Zusammenhänge- wie sich die Herstellung von Nahrungsmitteln verändert hat durch Fastfood, die Arbeitsbedingungen, das Siedlungsverhalten bis hin zur Kriminalität. Die meisten Morde in den USA werden in Fastfoodrestaurants verübt und oft von ehemaligen Angestellten! Naja, wenn ich so sehe, mit wieviel Liebe und Mühen hier gekocht, gebraten, gesotten und gebraut wird, werde ich ganz traurig, weil natürlich auch hier diese Dinge bald Einzug halten werden. Das ist auch nicht viel mehr als der Schritt vom Fahrrad zum Motorbike!

Am nächsten Tag hatten wir es mit 800 Affen zu tun, die einem immer alles wegnahmen, deshalb musste man die ganze Zeit seine Tasche festklammern. Aber dann kam eine Show, die stellte alles in den Schatten, sowas Trauriges hatte ich mein Lebtag noch nicht gesehen. zwei völlig verdreckte Elefanten mussten auf einem winzigen Podest auf einem Bein stehen (die Elefantenmutter weinte richtige Tränen!), Bären hatten Röckchen an und fuhren auf Motorrädern herum - Hunde in Satinanzügen mussten in kleinen Schulbänken sitzen, und Rechenaufgaben lösen- und dann kamen zuletzt die Affen. Wenn die Purzelbaum schlagen, sieht es ja immer noch ein bisschen so aus, als mache es ihnen Spaß. Wir waren nur zu acht, zwei vollschlanke Russenpaare ( Eltern und Sohn mit Schwiegertochter), eine doppelte Britney aus Schweden in Original Britney-Klamotten, aber mit schmerzendem Sonnenbrand, zwei vietnamesische Männer, deren Spaß an der Fahrt ich nicht ganz ausmachen konnte, und Linh und ich. Die Britneys sind sofort tierschützermäßig aus der Manege verschwunden, als dieser Dressurkram losging und haben sich wieder an den Strand verkrümelt, aber die Russen amüsierten sich köstlich, alles mit Videokamera verfolgend, und Linh und ich sahen uns nur an- ich musste das jetzt auch unbedingt sehen, konnte gar nicht glauben, dass es sowas noch gibt. Am Abend hat sie mich dann durch die Stadt gejagt, weil ich unbedingt „Mi Chung“, eine bestimmte Nudelart, essen sollte, die es nirgendwo gab. In dem Restaurant, wo wir dann letztendlich gelandet sind, war sie allerdings sehr unzufrieden, und ließ als erstes ihre Kokosnuss zurückgehen, weil die nicht frisch sei. Wir aßen Krebse in Tamarindensauce und Reissuppe mit Meeresfrüchten und noch so allerlei, aber ich glaube, ihr war da eigentlich gar nichts gut genug. Lustig, wenn man mal diese andere Seite kennenlernt! Mir schmeckt ja fast noch alles. Aber sie ist auch ein verwöhntes Mädchen aus reichem Hause: der Familie gehört seit drei Generationen eine Fabrik für Holzmöbel mit 1000 Angestellten, die ihr Vater grad an die Brüder übergibt. Jetzt soll sie da auch mit einsteigen. Und ich versuchte sehr, sie auf unserem nächtlichen Strandspaziergang (bei dem sie ein bisschen Angst hatte, dabei hat selbst das kleinste Fischerboot mindestens vier Neonröhren an und es ist alles andere als unheimlich, geschweige denn romantisch) davon zu überzeugen, dass sie lieber unabhängig bleiben soll. Gegen so Brüder hat man doch keine Chance hier in Asien!

24 Der reichste Mönch 08.02.2005 12.59 Uhr DA LAT. In 1500m Höhe. Eine sehr ausufernde Stadt mit einem kleinen Eifelturmdublikat in der Mitte. Hier gibts eine ganze Menge zu sehen; ulkige Kaffeehäuser mit Nachtclubcharakter, französische Villen, die vom Krieg verschont wurden, weil hier die wichtigen Leute untergebracht waren und Golfplätze noch und noch. Schöne Grünanlagen- die Vietnamesen haben ein Händchen im Anlegen von Parks mit wundervollen Bäumen, uralten Bonsais, alles in Töpfen, und dazwischen Kunstrehe, Pilze oder gar Musikinstrumente. Hier kommt alles Gemüse her, hier gibts massig Blumen, aber auch Kaffee, Tee, Tabak und Wein. Hier fahren die Vietnamesen am Liebsten zum Urlaub hin und das ist zweimal im Jahr an Weihnachten, und jetzt zum Neujahrsfest. Radfahren ist nicht so günstig, weil bergauf, bergab- also gehe ich wieder zu Fuß. Zur Lam Ty Ni-Pagode. Dort soll seit Jahren ein irrer Mönch hausen und Bilder malen. Erst finde ich sie nicht. Das Haus ist nur klein und abgezäunt wie ein Privatgrundstück. Aber ein steinernes Tor existiert noch und ein Eingang ist offen und dann sehe ich auch das flache ziegelgedeckte Haus, dessen Farben völlig verblasst sind. Die Pagode ist verriegelt, aber draußen stehen viele aus Zement geformte Köpfe und Masken in allen Größen, traurige, lachende und gruselige Gesichter. Ich setze mich auf eine alte Holzbank, die gleich vor dem Haus steht und warte. Hundegebell hat mich schon angekündigt. Nach wenigen Minuten steckt der Mönch seinen Kopf durch einen Spalt, und ehe er komplett zu sehen ist, schon die Frage: Where are you from? Er bewegt sich langsam wie eine Schildkröte und setzt sich neben mich auf die Bank. Er hat eine grobgestrickte braune Mütze mit Ohrenklappen auf und die üblichen dunkelbraunen Schichten Mönchskleidung, mit einem luftigen hellblauen Ao-Dai darüber. Ich versuche mich in buddhistischer Einfühlung, und wir sind noch nicht ganz warm geworden, da stampft ein nassforscher Amerikaner heran, Neuhippie, mit selbstgeflickter Hose und einem Wandervogelgesicht, und übernimmt sofort die Führung.“ Hey! That‘s great! Oh, terrible much. Have you done all this, WOW“. usw. usw. Ich hätte den erschlagen können. Nuja. Der Mönch sagt gar nichts, außer, ob wir uns kennen würden (der Ami und ich, um Himmels Willen!) und verschwindet in seiner Pagode. Es rumpelt was, und dann kommt wieder dieser Schildkrötenkopf um die Ecke und meint, wo jetzt schon mal ein starker Mann gekommen sei, er habe einige schwere Kisten zu verrücken. Der Ami hat sich sofort die Ärmel aufgekrempelt und ist hin, während ich nur ganz schüchtern durch einen Spalt zu gucken wagte- da hätte man gar nicht mehr reingepasst- es war alles vollgekramt bis oben hin! Messie! Das ist ja wohl nicht der Sinn einer Pagode. Die armen Leute, die da beten wollen. Es wohnen schon mal welche da auch drin, die werden dort gepflegt und haben ein einfaches Holzbett in einer unauffälligen Ecke mit ner Strohmatte drauf und das wars.- Sie kommen dann jedenfalls wieder, und der Mönch riegelt alles zu und sagt, er würde uns gleich den Seiteneingang aufmachen, und ich muss eine Ewigkeit mit diesem mir total unsymphatischen Typen sitzen. Und dann kommen wir durch den Garten in eine Art Schuppen, an dem wieder und wieder und wieder ein neuer Schuppen drangewachsen ist und auch noch weitere wachsen werden und alles ist voll. Voller Bilder, Zeichnungen, Schriften, Skulpturen, Möbeln- eine Jonathan Meese-Installation ist gar nichts dagegen! Soviel Bilder hab ich noch nie auf einem Haufen gesehen. Die sind teilweise zu Blöcken zusammengeklebt, die 15 cm dick sind und hängen so von den Wänden oder stehen in Rahmen aneinandergelehnt am Boden entlang. Überall und nirgendwo.

Faszinierend. Und oft auch Gedichte dazugekrakelt wie: the clouds upon the sky how wonderful the very moment is, Signatur. Wir gehen da so rum, der Ami und ich. Ich mache verstohlen ein paar Fotos, während der Ami immer wieder „GREAT“ und „WOW“ und ähnliches von sich gibt. Die Bilder sind aber nicht unbedingt GREAT, es sind einfach nur wahnsinnig viele, und ich könnte mir denken, dass dieser Mann davon 100 Stück an einem Tag macht. So sehen sie jedenfalls aus. Auch wieder Gesichter, einfach so Punkt Komma Strich, oder nur ein Strich, auf jeden Fall schnell fertig. Auch Tuschzeichnungen, aber wie Parodien davon, ziemlich genial. Machen, nächstes, machen, machen, machen. Dem ist Meditieren wohl zu langweilig! Und da kommt der Mönch auch schon wieder aus irgendeinem Verschlag mit einem Stapel, wie nennt man die Technik? Klappbilder mit Farbe auf der einen Seite und dann zusammengepappt und dann wieder auf. Was man im Kindergarten macht. Ein Stapel von vielleicht 50 Stück. Und setzt sich mit uns an einen Tisch und fragt den Ami eins nach dem anderen, was der darauf sehen würde. Und der Ami sagte, mountains up to the sky. Oder: the deep blue ocean. Oder: The rain is falling. Und der Mönch schreibt: The rosy rain comes comes comes... how wonderful the very moment is- Signatur. Nächstes. Mich fragt er nicht. Ich könne ja nicht in Englisch assoziieren, meint er. Ich meine eher, Mönche können nicht so gut mit Frauen, außerdem hatte er wohl schon mitgekriegt, dass von mir so schnell keine Begeisterungsausbrüche zu erwarten sind. Und er wollte schon gelobt werden. Wie er das alles so kann, nicht wahr. Englisch. Hat er sich alles selbst beigebracht. Er wäre wohl in einem früheren Leben Amerikaner gewesen, haha. Und er würde doch sogar richtig schreiben! Und das Fernsehen war auch schon da, viele, viele... Ich hab mich dann aus dem Staub gemacht. War mir doch zu eitel und selbstgefällig, wie manche Künstler eben so sind. Als ich durch die Pforte bin, traben schon die nächsten beiden Jungs heran. Ich hab die Tür gleich aufgelassen.

DALAT

25 Chuc mung nam moi 09.02.2005 14.50 Uhr Nun ist es da, das Jahr des Hahns! Fast sah es so aus, als kriegte man davon gar nichts mit außer Aufregung. Seit Tagen waren die Leute in Aufruhr, schleppten nach Haus, kauften, schubsten, kämpften sich durchs Gewühl, und ich dazwischen in meiner nutzlosen Existenz, die ja nun überhaupt nichts zu tun hat. Blumen waren besonders begehrt und Präsentkörbe und Dekorationsartikel. Hätte gern einen großen bunten Hahn gehabt, ausverkauft! Dafür nahm ich dann ein Kind mit einem Drachenkopf, das fröhlich gute Wünsche ausspuckt, ich musste es mir ja auch ein bisschen festlich machen. Ganze Häuser mussten noch fertig gebaut werden. Überall wurde geräuchert. Der Vietnamese neigt ja an sich schon zur Pyromanie, nun musste ich mir ernsthaft Sorgen machen. Es ist sehr trocken hier und die stecken einfach alles an. Und ein Qualm, dass es seine Art hat! Die zünden auch den Wald an, ich find das nicht witzig! Und ne Feuerwehr hab ich hier noch nicht gesehen. Die Friseure hatten Hochkonjunktur. In den Läden waren schon die mehr oder weniger blühenden Obstbäumchen aufgestellt, da kommen die Glückwunschkarten dran. Hast Du fotografiert? fragt J. Ich muss sagen, mit dem Fotografieren ist das so eine Sache. Das Foto, mit dem man den Wettbewerb des STERN gewinnt, kriegt man hier nicht hin. Es ist einfach immer zuviel drauf. Und alles in Bewegung. Immer rennt ne Kuh durchs Bild, oder Kinder, oder ein Motorrad. Oder man kramt den Apparat aus der Tasche, und das Motiv hat sich aus dem Staub gemacht. Vieles mag ich auch einfach nicht ablichten. Die Schlafanzugmenschen zB, was soll ich denen denn sagen, warum ich sie fotografiere? „Ja, wissen Sie, bei uns kommt die Polizei, wenn man so auf die Straße geht?“ Nee, ich halt mich dann im Zweifel doch lieber zurück. - Eigentlich soll man heute einen Vogel oder Fisch freilassen. In der Pagode werden Vögel verkauft, die fangen die dann hinterher wieder ein. Ich wollte ein Kind beschenken. Kaufte ein absurd teures (3-Tageslohn einer Maisrösterin) Hello-Kitty-artiges Viech mit Henkel, in dem lauter Fruchtgelee-Hütchen wohnten und schenkte es einem Mädchen, dass nachts noch mit seiner Mutter auf der Straße saß und Dinge verkaufte. Und dies Kind hatte keine neuen Sachen bekommen! Es traute sich auch kaum, mein monströses Teil in die Hand zu nehmen- ich hörte die Mutter auf Vietnamesisch: das kannst Du ruhig nehmen von der Dame! sagen, und ich sagte, ist ja eh egal, auf Deutsch „hier ist noch die Tüte, dann kannst Du es besser transportieren“, und das Kind drückte Figur und Tüte an sich und ich rannte schnell weg. Es gab nämlich Feuerwerk um Mitternacht. Nun bin ich keine besonders begeisterte Feuerwerksguckerin, aber hier, wo es herkommt, hat es mich schon interessiert. Und es war tatsächlich auch so völlig anders als bei uns. Von zwei Seiten kamen die Lichter und erzählten sich was.

Alles war sehr langsam und durchkomponiert, ein Tantra-Feuerwerk, wenig Farben, und immerzu Spannung-Entspannung, Yin-Yang. Es ging etwa 15 Min. und zwischendurch immer mal Pausen, die wenigen Leute schon halb am Gehen, und dann wieder „AAAAAHHHH“. Ganze Entladungen und dann wieder einzelne Fäden oder dicke Schlangen mit Köpfen dran, sehr sexuell, ich kann es gar nicht beschreiben. DAS muss man gesehen haben! Keiner hatte Alkohol dabei und es wurde auch nicht groß gejohlt; als es vorbei war, stiegen alle wieder auf ihre Mopeds und brausten ab. Nach Hause, denk ich mal. Der erste Tag gehört der Familie. Die meisten Läden haben zu, und das ist schon komisch- die wohnen da ja drin, und sonst ist alles immer wie auf dem Campingplatz, man kann überall reingucken, und diese Tage sind die Jalousien zu, und man ist mal ganz für sich. Die, und ich dadurch auch. So weiß ich auch nicht, was die denn machen. Meine Hotelfamilie saß am Boden über irgendwas gebeugt wie bei einer spiritistischen Sitzung, als ich zum Feuerwerk aus dem Haus ging, und heute guckten sie fern. Ich wurde von Trommelgeräuschen geweckt, und obwohl ich eine hervorragende Sicht aus meinem Hotelfenster habe, konnte ich nicht sehen, woher es kam. (Später stellte sich raus: es waren Kinder, die Drachentanz machen und damit in die Häuser eindringen, sowas wie Rummel-Roeken bei uns. Die kamen nämlich am nächsten Tag wieder, und meine Hotelfrau machte schnell die Schotten dicht! Schade.) Wieder hatten fast alle Läden zu, und viele Menschen zeigten auf der Straße ihre neue Kleidung. Vor allem die Kinder waren toll! Von Pelzmantel bis Ao-Dai war alles vertreten, die meisten Mädchen in Perlonkleidchen (so hieß das bei mir früher) womit man aussieht wie eine Puppe vom Dom, und Pumps an den Füßen, die Jungs in geschneiderten Anzügen aber auf Zuwachs, mit Weste und Fliege und passendem Cap. Und viele Mädchen hatten diese Mützen mit den blonden Locken dran auf, von denen ich schon mal erzählt hab. Und dann wird man fotografiert. Dafür stehen überall Fotografen bereit, vor den Brunnen, den Pagoden, auf dem Rummelplatz: Eins, zwei, drei-Knips! und der Film wird dann ausgehändigt. So ließ ich heute auch mal ein Foto von mir machen, allerdings mit meiner Olympus: Eins, zwei, drei, knips! Der wollte von mir kein Geld nehmen, aber ich hab gesagt, das ist doch ihre Arbeit und hab ihm einfach ein paar Dong in die Tasche gesteckt. Auf dem Rummelplatz sind noch so richtige Dorfkarussells wie vor 100 Jahren, mit handbemalten Gondeln und eine Achterbahn aus einer einzigen Acht, die auch nur etwa 10m hoch geht. Aber am meisten gab es Wurfbuden, wo der Gewinn aus zwei Dosen Pepsi und einer Schachtel Zigaretten bestand. Davon gabs ganz viele! Und Pepsi hat eine Neujahrsedition „Pepsi on Fire“- die Cola ist rot und auf der Dose stehts nochmal: Chuc mung nam moi.......Happy New Year!!!! Wünsch ich euch nun auch!

26 Bin in Urlaub 12.02.2005 03.10 Uhr Basthütte unter Kokospalmen am Strand von MUI NE. Laufe nun selbst schon im Schlafanzug auf der Straße, mal alle Fünfe gerade sein lassen. Deshalb wollte ich mich im Grunde auch nur abmelden, mehr dann aus SAI GON!

27 Motorbike-Mafia 20.02.2005 03.55 Uhr Mit dem Paradies ist es so eine Sache...wenn man da erstmal ist, ist es zum Kotzen öde. Das beste Beispiel: mein Basthüttenvermieter. Schweizer, sogenannter „Aussteiger“, hat sich vor Jahren seinen Traum verwirklicht- ein kleines Stück Land am Traumstrand, nur Kokospalmen und blühende Bäume, ein paar selbstgezimmerte Hütten und täglich wechselnde internationale Gäste. Die Arbeit machen seine drei vietnamesischen Frauen und er liest. Klingt auch für mich erstmal nicht schlecht, aber ich weiß nicht, wie lange das schon so geht- nun sitzt er da, morgens schon beim Dosenbier, das gute ‚333‘, (gibts das nicht auch bei Penny?), nachmittags ‚Tiger‘ und abends ‚Saigon‘. Er ist leichenblass und sowas von depressiv, daß es allen hier die Stimmung verschlagen hat, und die Freude über diesen ansonsten sehr sehr schönen Platz um einiges verringert. Leider putzen sie auch nicht gut, und im Stroh meines Daches wohnt eine große weiße Ratte, die mich nachts ganz ungeniert beobachtet, von dem Geraschel mal ganz abgesehen und dem Mäuse-AA auf dem Mosquitonetz. Unser Schlaraffenland besteht aus einer einzigen Straße, 20 km lang. Auf der einen Seite Strand mit Hütten in mehr oder weniger kleingartenförmiger Ausrichtung - oja, es gibt auch richtigen Luxus darunter (Strandressorts nennt man das) und dazwischen einige verlorene Fischersiedlungen, die sie sicherlich auch bald kleingekriegt haben. Dabei, wenn ich morgens am Strand aufwache, weil das Nagetier mich mal wieder vertrieben hat, scheint das die Hauptattraktion hier zu sein: Muttis und Vatis stehen schon parat, wenn die schmächtigen Fischer ihre schweren Boote an Land hieven und schießen ein Foto nach dem anderen anstatt mal mitzuhelfen, und dann gucken sie auch als erste in die Netze, bevor noch irgendein Fischer einen einzigen Fisch ausmachen konnte. Das war mir echt peinlich! -Auf der anderen Straßenseite reihen sich die vorzüglichen Restaurants aneinander, und Läden, in denen es immer das Gleiche gibt: Badelatschen, Zigaretten, Räucherschlangen gegen Mosquitos (die sind aber schon immun dagegen) und Wasser in Plastikflaschen. Am einen Ende der Straße ein dreckiger kleiner Ort namens MUI NE, von wo aus man zu herrlichen eidottergelben Sanddünen gelangen kann, am anderen Ende der Straße kommt PHAN TIET, eine Stadt mit 300.000 Einwohnern, berühmt für seine Fischsauce, und so riecht es da auch. Der Strand ist schön, die Gärten schattig und romantisch, aber machen kann man nicht viel. In Hamburg kann man kochen, Wäsche waschen und seine Wohnung renovieren, hier macht man eben nix! Nach drei Tagen hatte ich so die Schnauze voll, dass ich mich statt an den Strand oder in meinen Paradiesgarten zu legen, lieber an die staubige Straße begab, um dort den Motorbikes zuzusehen. Viele fahren ja nur einfach so auf und ab, aus Langeweile oder weil es ihr Beruf ist, allerdings scheint ihr Beruf auch zu sein, dich auf Schritt und Tritt zu verfolgen und zu quälen:

„Madame Madame where are you going can I help you cheap cheap 4 Dollar sanddunes“ bis man endlich sauer wird. „No“ reicht nicht. Da gibts ne Antwort drauf, die wäre „Why?‘ und bei „Madame“ gehts wieder los. Und dann kam einer, dessen Stimme konnte ich nur ahnen, ein langgezogenes fragendes „Motorbike?“ Der fuhr auch nicht neben mir her, sondern ich musste zurückgehen, um zu sehen, was da gehaucht hatte, und sah sehr sanfte Augen und ein Lächeln, das mich sofort umgehauen hat. Er sagte nix weiter, hatte das schrottigste Motorrad von allen, aber ich wusste sofort, mit dem fahr ich bis ans Ende der Welt, wenns sein muss. Musste an J denken, die natürlich den mit dem tollsten Motorrad genommen hätte. Ich bilde mir ja ein, der mit dem Schrott ist der bessere Mensch. Ich hab den Ausflug allerdings auf den nächsten Tag verschoben, weil ich noch ein bißchen Bedenkzeit brauchte, zum Ende der Welt ist es hier ja gar nicht so weit. 10 hatte ich gesagt, um halb 11 trudelte ich ein, bei der Post, wo wir uns das erste Mal getroffen hatten. Reichlich Konkurrenz schon am Start, aber ich hatte ja meinen Driver, ein Kind im Grunde, 17 Jahre vielleicht, und er hatte genauso viel Angst wie ich. Er sprach kein Wort außer „Motorbike, 2,3,4 Dollar“ und „No Problem“. Das heisst, vietnamesisch vielleicht, aber mit mir sprach er nur dies, und zwar tagelang. Das Fahrzeug fuhr nur langsam (mir ganz recht), die Anzeigen gingen auch gar nicht, und er drehte immer an dem Spiegel rum, der aber völlig blind war, ich konnte darin nichts erkennen und an der Ausrichtung lag es sicher nicht. Er fuhr sehr gewissenhaft, mit beiden Händen am Lenker und stur geradeaus guckend, während ich hinten schon mal Faxen machte, ich fühlte mich nämlich pudelwohl. Und so machten wir es dann täglich, in die eine Richtung, in die andere Richtung, wieder in die eine Richtung. Viel zu Fahren gabs hier ja gar nicht, jedenfalls nichts Sinnvolles. Reine Benzinverschwendung, aber die wird ja staatlich subventioniert. Während er am ersten Tag noch einen etwas frechen Preis genannt hatte, ich aber nur die Hälfte gab, was er lächelnd hinnahm, zahlte ich bereits am nächsten Tag freiwillig soviel, das er meinte, ich hätte ihn schon für die ganze Woche gekauft. So hatte ich das allerdings gar nicht gemeint, ich hatte nur grad mal mein Helfersyndrom. Außerdem wäre ich am liebsten morgens mittags abends mit ihm gefahren, aber ich konnte ja gar nichts erklären, und so stand ich sehnsuchtsvoll an der Straße und beobachtete die Vorbeifahrenden auf der Suche nach „Hung“, so hieß der nämlich, aber er kam oft gar nicht, jetzt, wo er Geld hatte. Dafür kamen die anderen wieder und waren der Meinung, ich könne genauso gut mit ihnen fahren, und wenn ich ablehnte, wollten sie ihn holen, damit ich überhaupt fahre, denn so gut geht das Geschäft nicht. Die meisten Touries mieten sich selbst ein Fahrzeug, kostet 5 Dollar am Tag, die legt man hin und fährt mit dem Ding weg. Nirgends so einfach wie in Vietnam. Kein Führerschein, keine Versicherung, kein gar nichts. Wenn Hung dann endlich auftauchte und mit der verrückten Lady aus Europe im Gepäck davonknatterte, guckten die anderen ganz neidisch, und er hupte stolz, wenn wir an welchen vorbeikamen, die er kannte. Dann hatte ich ihm eine Beyoncee-CD geschenkt. Es gibt hier ja nicht soviel, jedenfalls nicht in PHAN TIET; ich hätte am liebsten Kanye West gehabt, aber es gab: JLO, fand ich zu mädchenhaft, Mary J. Blige zu kompliziert, und Puff Daddy muss ja nun wirklich nicht sein. Beyoncee war perfekt, schon wegen des Covers, wie die ganze CD eine Kopie, aber wann gibts hier schon mal leichtbekleidete Mädchen zu sehen und so tolle noch dazu, ins Wasser gehen sie jedenfalls mit allem an, und solche blöden Hefte wie bei uns gibts auch nirgends. Vielleicht hat er auch deshalb die Tüte nur ganz kurz auf und dann gleich wieder zugemacht, jedenfalls war er sehr überrascht, gerührt, verschämt, und am nächsten Tag bekam ich ein Paket mit einer kleinen vietnamesischen Lacktasche im Laden seiner Schwester überreicht, was ich genauso verschämt öffnete, obwohl da (leider) keine Beyoncees drauf waren. Linh aus HCMC, mit der ich schreibe, hatte mir den Satz: Toi muon moi anh di an toi. Anh ranh chu? vor- geschrieben, der sollte sowas heißen wie: Ich würde dich gern zum Essen einladen, hast Du Zeit?, den hatte ich mit, als wir vermutlich zum letzten Mal unsere Runden drehten. Ich hatte auch schon ein Lokal ins Auge gefasst, am Hafen von PHAN TIET, mit riesigen Becken voller Meeresgetier. Da war ich schon mal mit dem Fahrrad hin.

MUINE

Vor allem verkehren da so hippe Vietnamesen mit gefärbten Haaren und Baggypants und Sexpistols-T-Shirt. Ich ließ also anhalten und hielt ihm meinen Zettel hin, den er sofort in seiner Tasche verschwinden lassen wollte, und ich: nein nein jetzt lesen, und er da so ängstlich draufgeguckt, er kann nämlich gar nicht lesen, und ich aufs Restaurant gezeigt und er den Kopf geschüttelt und ich please mein letzter Tag und er Kopf geschüttelt aber schon das Gefährt abgestellt und kam dann mit, so unglücklich guckend, dass ich schon fast wieder Mitleid hatte, aber ich dachte, da muss er jetzt durch. Ich kenn das ja von K, wie so Jungs in Restaurants dann sind, er war auch echt voll maulig, hat nichts mit ausgesucht, einiges, was ich bestellt hatte, hinter meinem Rücken wieder abbestellt und das teure Touristenwasser zurückgehen lassen und dafür ein billiges genommen. Zum Glück hatte ich meinen MP3-Player dabei, den wollte er erst auch nicht, aber als er dann auf dem Tisch lag, hat er ihn doch ausprobiert und sofort bessere Laune bekommen. Dann kamen unsere Muscheln. Die hat er dann da rausgepickt so geschickt wie ich das gar nicht kann mit den Hölzern und mir in meine Schale gelegt, er hat eine einzige gegessen und ich bekam das restliche Kilo. Und dann kam der Tintenfisch in Citronella und Ingwer und Chili, köstlichst duftend, und er nippte wie ein Spatz und ich wie eine Kohlmeise ( ich wollt ja grad mal nicht alleine essen!). Ehrlich gesagt hat er eigentlich nur trockenen Reis gegessen. Ich hab ihm dann wieder den MP3-Player gegeben, und er lächelte sein schönes Lächeln und am besten fand er das Lied von Konrad. Das durfte ich mir jedenfalls auch kurz anhören, was immer das hieß, und am Ende hat er dann richtig gelacht. Und dann kam die Rechnung, die wurde von ihm mit strengem Blick unter die Lupe genommen, was mir ein bisschen peinlich war, aber in manchen Restaurants ist es schon angebracht, wenn da ein Einheimischer draufguckt. Am Nachmittag war er jedenfalls guter Dinge, wie jeden Tag frisch umgezogen (der einzige Fahrer hier, der mehrmals täglich mit neuen Klamotten und frisch geduscht anrollt) und meinte, um 8 Uhr abends wolle er mich ins Caphé (das ist dann das Lokal für die jungen Leute) nach PHAN TIET einladen. Hab ich mich doch gefreut, geh gern mal am Freitagabend mit jungen Leuten aus. Doch von nun an gings bergab. Er brachte zwei Freunde mit, einen gutaussehenden Schweiger und einen etwas verwachsenen sehr aufgedrehten Jungen, den ich innerlich „Disabled Person“ nannte, weil mir das politisch korrekte Wort für Behinderte nicht einfiel. Wir bretterten los, zwei mal zwei, was ziemlich ulkig war, denn da wurden die ganze Zeit Sachen rübergereicht und es wurde gejohlt und gegackert und es sind ja auch wahnsinnig viele Leute unterwegs Freitagabend, die Lichter waren überall an und es war eine ziemlich gute Stimmung weit und breit. Ich war erstaunt, was in diesem Kaff auf einmal alles so los war. Das Caphé hatte einen riesigen Springbrunnen in der Mitte und es fanden richtige Wasserspiele statt zu Viet-Pop und Kaffee, das hatte ich ja schon mal erzählt, dass es hier dann Alkohol nur mit Kaffee oder Tee gibt. Aber eigentlich trinken alle Eiskaffee, und den Tee, der automatisch kommt, und ich wurde in einen Platz direkt vor die Wasser-Attraktion gestopft und bekam von Hung meinen Kaffee zubereitet, was hier ja eine ziemliche Prozedur ist, die er mit Hingabe für mich erledigte. Die rühren da diese dicke Zuckersahne unten stundenlang auf wenn nach 10 Minuten der Kaffee durchgelaufen ist, und dann kommt das Eis rein und dann wird nochmal ausgiebig gerührt. Disabled Person sollte wohl der Vermittler sein, vielleicht hatte Hung geglaubt, dass der Englisch könne, dem war aber nicht so, und bei der Lautstärke konnte ich auch wirklich nichts verstehen, obwohl er sich Mühe gab, mit Händen und Füßen Fragen an mich unterzubringen. Wurde irgendwie nix mit der Kommunikation, und so unterhielten sich die drei, und ich fing an, mich ein bisschen zu langweilen, denn so Wasserspiele sind für uns Westler ja auch kein abendfüllendes Programm.

Ich fragte mich, was die da wohl verhandelten. Die kicherten und alberten rum, und ab und zu klingelte Hungs Handy. Wir hatten schon drei Zigaretten geraucht (man könnte auch sagen: erst) und den Caphé halb ausgetrunken, da begann Disabled Person mich zu besabbeln, wovon ich aber immer nur verstand, ob ich jetzt gehen wolle, mit Hung, ins Hotel. Und ich dachte, das ist ja komisch, nun sind wir ja gerade gekommen. Aber na schön, wenn ich denen zu langweilig bin, und die jetzt wieder gehen wollen, okay. Ob wir jezt sofort gehen wollen? Tja, wenn ihr meint..., schwer, was dazu zu sagen, wenn man nicht verstanden wird. Und alle sprangen auf und raus auf die Räder. Und dann ging der Quatsch nochmal richtig los. Der Schweiger fuhr Schlangenlinien und Disabled Person legte so schwul seine Arme um den rum und rieb und kuschelte an dem, und wollte immer, das ich das bei Hung mache. Der sah aber überhaupt nicht so aus, als hätte er das gern. Fuhr schon wie son Roboter, völlig eingefroren und steif, ohne sich jemals umzugucken. Disabled Person: Ob ich „Ruou Ran“ (Linh erklärte mir später, das sei eine Art Reisschnaps, von dem man sehr schnell betrunken wird- wenn nicht noch was anderes damit gemeint wäre!) trinken wollte. Yes, sagte ich und sie lachten sich halb schlapp. „No Ruou Ran“ rief Hung vehement, der lange Zeit gar nichts mehr gesagt hatte. Darüber lachten sie noch mehr. Sie bogen sich vor Lachen, und das Motorrad fiel halb um, und sie hörten auch nicht auf mit dem Gegrabbel. Ob ich denn was essen wollte? Ja klar, wenn ihr jetzt essen wollt... aber es war wohl alles nicht richtig, ich verstand überhaupt nichts mehr, bis Hung mit mir in eine Straße einbog, in der eine Bar nach der anderen kam, ziemlich puffmäßig das Ganze, und die beiden anderen verschwanden. Und dann zeigte er mir das Hotel, ein Love-Hotel, wie ich es nur aus japanischen Filmen kannte. Hat hier grad aufgemacht. Und da wollten sie mit mir hin, und mir schön das Fell über die Ohren ziehen. Prostitution ist offiziell verboten, auf Sex mit Jugendlichen unter 21 steht die Todesstrafe, aber dieses Hotel ist ja auch für Pärchen, die sonst keine Möglichkeit haben, sich zu treffen. Hung hielt allerdings gar nicht an, er drehte eine Kurve und fuhr den Weg zurück, als sei der Teufel hinter ihm her. Irgendwann holten wir dann auch die anderen wieder ein, Disabled fing erneut an, Vorschläge zu machen- wir könnten auch bei ihm zuhause was essen, da kamen wir nämlich vorbei (wenn man den Fisch schon mal an der Angel hat!)- aber Hung sagte gar nichts mehr, der blieb bei seiner Roboter-Tour. Und plötzlich wurde mir klar, was das alles für ein abgekartertes Spiel war, Perle für Perle ergab sich die Schnur: wie sie ihn von Anfang an auf mich angesetzt hatten mit allem, was dazu gehört. Sie sagten auch immer, er wäre 21, und dieses ganze Gewasche und Umgeziehe und das er nur das schlechte Motorrad kriegt, und das er immer kein Geld wollte- ich könnte jetzt noch so viele Hinweise einflechten, aber die Geschichte ist eh schon so lang. Aber zum Beispiel, dass er einfach nicht meinen Namen sagen wollte (Prostituierte küssen eben nicht!), er sagte immer „Madame“, und mir ging das auf den Keks, dieses blöde „Madame, Madame“ wenn Angelika zu schwer war, dann sollte er mich „AN“ nennen, die haben nämlich hier nur einsilbige Namen, und An ist richtig Vietnamesisch. Hat er aber nicht gemacht, der hat eine Woche lang „Madame“ zu mir gesagt wie zu allen anderen auch. Jetzt kann ich mir auch die Jokes vorstellen, die da im Angesicht dieser Wassereruptionen gemacht wurden! Es war jedenfalls plötzlich alles so glasklar, und ich dachte, wie kann man nur so blöd sein! Meine Harold und Maude-Romantik, die kann ich mir doch an meinen chicen Hut stecken! Und ich war wahnsinnig sauer und Disabled Person hab ich am nächsten Tag noch zur Schnecke gemacht, auch wenn der kein Wort verstanden hat. Die Tasche hab ich ihm auch wieder mitgegeben, denn Hung hat sich feige mit keinem Zehnagel mehr blicken lassen, war ja nix mehr zu holen. Traurig nur, dass der das da alles so mitmachen muss. Der war echt süß eigentlich!

28 Wer hat Angst vor HO-CHI-MIN-City? 20.02.2005 16.18 Uhr Ich jedenfalls nicht. Weiß nicht, wer mir erzählt hat, die Stadt sei hässlich, viel zu heiß, überfüllt und man könne nicht über die Straße kommen? Alles Kokolores. Endlich wieder Leben in der Bude. Die 6 Millionen Einwohner teilen sich die Stadtfläche von weniger als einem Viertel Hamburgs prima auf: die einen gehen tagsüber auf die Straße, die anderen nachts. Es gibt zwar viel Verkehr, aber die Straßen sind breit und endlich mal Ampeln. Und es gibt Afrikaner, wahrscheinlich sogar Tempotücher und das erste Fastfoodrestaurant: Kentucky Fried Chicken. Die Menschen sind sehr freundlich und hilfsbereit. Aber brauch ich ja gar nicht, ich hab ja Linh. Hat mich gleich abgeholt mit ihrer nagelneu blitzenden Yamaha (echt), wo die Parkwächter stolz sind, wenn sie die mal in die Parklücke schieben dürfen. Linh ist so winzig, dass sie selbst mit ihren 12cm-Stilettos kaum unten ankommt, aber wahnsinnig cool im „Um-die-Ecken-cruisen“. Alle Boys gucken ihr nach, merkt sie aber nicht. Ich muss aufpassen, dass ich nicht dauernd auf ihrem Zopf sitze. Ich bin mittlerweile geübte und gelassene Mitfahrerin. Schreibe mein Tagebuch hinter ihrem Rücken. Ziemlich dicke Luft hier, aber fühlt sich gut an, wie eine feuchte Samtdecke. Wir waren in tollem japanischen Restaurant (das war so süß, wie ich sie langsam dahinbekommen habe zum rohen Fisch, sie war noch nie zuvor japanisch essen) und es schmeckte (auch ihr) großartig, wir saßen dort Stunden und Aberstunden mit immer neuen kleinen Schälchen, und am Ende bekam man noch Geschenke mit. Bin begeistert!

29 Nachts und draußen 23.02.2005 14.34 Uhr Eigentlich bin ich zum Telefonieren rausgegangen, zum Internet-Shop, denn das ist hier das neuste Ding. Man kriegt son Callcenterkopfhörer auf und sitzt dicht an dicht mit anderen Telefonierern, und das gibt eine schöne Kakophonie aus Kisuaheli, Finnisch, Japanisch, die Vietnamesen natürlich auch, manche schreien, manche weinen, manche sind stumm. Man kann auch ein Bild dazuschalten, ach, das wisst ihr ja alles. Grad noch war Vietnam das teuerste Telefonierland der Welt, 3-5 USD in der Minute, jetzt 10 Cent, egal wohin, Festnetz oder Mobil. Aber ich hatte nur Anrufbeantworter. Dann wollte ich in die Sahara-Bar, da soll es HipHop geben. Aber Tanzen ist hier ja nicht, das war jahrelang verboten, und kommt nicht richtig in Gang. Vietnamesen stehen auf Billiard und Karaoke, und so ist in jedem Club ein Billiardtisch, für mich der absolute Stimmungstöter. Dieses KlackKlack Klack, und die blöde Geste mit der Kreide immer. Und bei der Enge muss man schon aufpassen, dass man nicht den Stock abbekommt. Nee, das ist nichts für mich. Würde ja gern mit Linh ausgehen, aber die muss um 23 Uhr zuhause sein und hat noch 1 Std. Fahrt. Ja, so ist das hier. 25 Jahre alt, drei Jahre allein in einer anderen Stadt gewohnt, aber wieder bei Mutti ist dann alles beim Alten. Sie ist aber auch nicht so der Diskotyp. In einer war ich, in DA LAT, da haben sie härtesten 80er-Techno gespielt zu derbem Stroposkop-Licht, da waren die tollsten Kinder drin, aber was hat man davon, wenn man nix sehen kann. Da geh ich lieber auf die Straße, schön einsitzen. Watching the girls go by. Bei LILY, jeder Buchstabe in einer anderen Farbe. Ich hätte auch ins RESCUE gehen können, aber bei LILY sind mehr Vietnamesen drin, im RESCUE mehr Aussies. Es gibt wieder diese verdammt köstlichen Erdnüsse zum Bier, weiß nicht, was an denen anders ist- so fest, so dunkel! Die Müllfrauen in ihren chicen Leuchtuniformen fegen die Strasse. Es ist 23 Uhr. Es ist voller Leute, die Hälfte der Läden hat noch auf, nur gefahren wird nicht mehr so viel. „Wiegen und Messen“ ist auch wieder da, den kenn ich schon aus HA NOI: an einer fahrbaren Waage ist eine ausziehbare Messlatte angebracht, auch für 2m-Menschen zu gebrauchen, und das Ding hat Radio und Ansagen die ich nicht verstehe, hab allerdings noch nie gesehen, dass da jemand gemessen oder gewogen wurde. Fahrräder haben Holzgestelle auf ihrem Gepäckträger, an denen getrocknete Tintenfische baumeln, aufgereiht an einer Schnur. Die werden heiß gemacht und dann mit Chilisauce serviert, auf einem Stück Zeitungspapier. Die Viets trinken wieder alle Eiskaffee mit Tee. Gegenüber zappelt ein Kind in einer Hängematte mit Gestell. Das soll wohl schlafen. Ein Mann versucht, bewegliche Schlangen aus gefaltetem Papier zu verkaufen und lässt sie über den Asphalt huschen. Wenn ich nach Hause komme, hat meine chinesische Familienpension die Schotten schon längst dicht. Dann muss ich klingeln, und von oben, unten ist ein Reisebüro drin, kommt der Vater in Unterhose und lässt unter lautem Geklirr die Metalljalousien hoch. Er schläft auf den üblichen Holzbänken vor dem Rezeptionstresen, lediglich mit einem Kopfkissen. LILY fängt an, ein paar Stühle zusammenzuklappen, das hat aber nichts zu sagen. Die machen immer mal neue Sitzordnungen hier. In der Hängematte gegenüber schaukelt jetzt Frau und Kind. Dauernd will jemand Lose verkaufen. Sehr alte Frauen oder ganz kleine Mädchen gehen mit Batzen von bunten Zetteln mit Nummern drauf herum, die dann irgendwann gezogen werden. Da stehen plötzlich irgendwo hunderte Motorräder vor einer Bude, wo jemand grade die

HO-CHI-MIN

Gewinnzahlen dran schreibt, und der gesamte Verkehr kommt zum Erliegen. So wie sonntags vor der Kirche, wo die in fünf Reihen hintereinander draußen auf ihren Motorbikes beten. Hier sind ja viele katholisch, das haben die Franzosen noch eingeführt. Ihren Spökenkiekerkram haben die aber trotzdem beibehalten, alle haben ihren Hausaltar für Hausgeister und Ahnen. „Habt ihr auch sowas“ frage ich Linh:„Ja, meine Mutter macht das alles, aber ohne Gemüse!“ Passend dazu erscheint ein Maiskolbenbrater. Und die erste afrikanische Frau in Begleitung zweier Afro-Männer. Man, sind die riesig! Hier sieht man das mal so richtig. Die könnten doch jetzt mal bei „Wiegen und Messen“ vorstellig werden. Aber der ist schon längst über alle Berge. Der große Müllwagen sammelt die kleinen Müllwagen ein: ordentlich sind sie ja. Außer an den Straßen außerhalb der Städte, da sieht es aus, als würden die Müllwagen da alles hinbringen. Rosa, hellblaue und gelbe mehr oder weniger gefüllte Plastiktüten rahmen alles ein, wie eine Girlande aus Kunstblumen.- Ein besonders hübsches Exemplar von Tintenfischfahrrad kommt vorbei. Aber ich ess heut nichts mehr. Lieber morgen früh Dim Sum. Rosenverkäufer gibt es auch, das machen 5-jährige Mädchen mit Körbchen wie zum Blumenstreuen. Neben mir schreit einer „Em Oi“, weil ein Mädchen mit einer wahnsinnig kurzen Hose ihr Licht am Motorrad nicht ausmacht. Woher weiß der nun, das die jünger ist? Für mich sehen die beide gleich jung aus. Aber vielleicht ist es ja auch Anmache und dann ist es ganz gut, wenn der Junge sich älter gibt. Die Kleine ist nämlich verdammt sweet- sie holt ihre Freundin ab, die bei RESCUE fertig ist mit kellnern. Ein Obstwagen von links, ein Zigarettenwagen von rechts, langsam schreiten sie die Straßen ab. Internettelefonie ein Haus weiter hat auch noch auf. Ich hole mir ein Blatt Papier, kostet 500 Dong, das sind bei uns 50 Cent. Für ein Blatt aus dem Drucker ohne Druckerfarbe drauf- aber ich muss ja schreiben. Neben mir wird neuer Eiskaffee geordert. Wie machen die das nur: den ganzen Tag, die ganze Nacht Caphé? Soll doch so ungesund sein. Ich hab auch wieder damit angefangen. Schmeckt hier einfach zu gut. Ab und zu fahren welche auf Fahrrädern vorbei, die haben gar nichts zu verkaufen, rasseln nur mit einer selbstgebauten Klapper aus Kronkorken rhythmisch zu den Leuten hinüber. Seltsam! Ach ja, Tischnachbar weiß Bescheid: Massage! Hoffe nur, dass ich draußen nicht zu meinen seit Tagen juckenden Mückenstichen noch welche dazubekomme! Mittlerweile bin ich die einzige Weiße bei LILY mit den bunten Buchstaben. Dafür sind neue Viets gekommen. Bis auf eine Frau alles Jungs. Die Mädchen sitzen alle bei RESCUE, wo auch die Australier sitzen, und vielleicht Norweger, wenn mich nicht alles täuscht. Auch alles Riesen. Wieder ein reichlich verlockender Tintenfischwagen, ganz dicht an meinem Tisch vorbei. Drüben bei der Hängemattenfraktion jagt eine Frau eine Katze. Nicht zu erkennen, ob die Katze raus soll oder rein; die Katze macht sowieso, was sie will. Neben der Hängematte steht eine Vitrine mit Essen, alles schon zugedeckt. Die lassen alles draußen, ihr Geschirr, die Kochgerätschaften, die Lebensmittel. Und schlafen dann daneben. Jetzt ist es soweit, ich nehme doch so ein getrocknetes Viech. Er schneidet ihn von der Leine, dämpft ihn unter einem Deckel auf der heißen Platte, die immer mitfährt auf dem Rad, und dann kommt das ganze durch eine Art Nudelmaschine. Ist trotzdem schwer zu essen, zäh und lecker salzig. Nicht ganz heiß geworden. Dafür die Sauce ‚hot“,in einem kleinen Pralinenhütchen. Neulich sah ich eine ganze Gruppe Kinder, die kauften sich dieses Zeug, 8-10jährig und aßen das in der Hocke auf der Strasse mit Begeisterung. Da könnt man unsere mit jagen! Na, passt auf jeden Fall gut zu Bier. Jetzt kommt ein als Mexikaner verkleideter Maiskocher. Auf Mais steh ich ja

nicht so. Drüben schaufeln sich die ersten schon wieder Nudelsuppe rein, Frühstück sozusagen, 00.30 Uhr. Irgendwie ist die Stimmung nicht wesentlich anders als tagsüber- es gibt genauso viel zu essen, niemand ist am Gröhlen oder Sauflieder singen- es ist nur dunkel, und die Straße ist sozusagen zur Spielstraße geworden- Anlieger frei, genauso viel Kinder, genauso viel Wäsche auf der Leine, eindeutig weniger Touristen. Aber schon ein paar. Nebenan im RESCUE. Und im 185. Und an der Ecke überlegt sich gerade eine blonde (welche Farbe auch sonst) Schwedin, ob sie noch Obst kaufen soll. Neue Oma mit neuen Losen, so klein, das man sie kaum sieht. Eine Tintenfischfrau bleibt jetzt ziemlich hartnäckig in unserer Nähe stehen; sorry, ich hatte grad. Manche Touries sind auch zu später Stunde noch mit ausladenden Fotoapparaten bewaffnet. Muss ich lachen, wie in MUI NE mein Driver, Hung, immer an jeder Pagode, an jedem Fischerboot gefragt hat: „Photo“? ( das Wort konnte er nämlich auch) und ich „No Photo!“ Und dann dieser traurige Blick- was will die eigentlich hier wenn sie nicht unsere schönen Sachen fotografiert. Daraufhin hat er mir ja dann Postkarten geschenkt- von den Dünen, vom Canyon, vom Golfplatz und vom Fischereihafen. Süß! Huch, was ist jetzt los? Jetzt schlagen sich LILY und RESCUE um zwei holländische Touristen, die waren unentschlossen, da hat RESCUE sich bisschen ins Zeug gelegt, und nun kommt LILY und macht den zur Sau. Schlägt sogar! Wie war das noch von wegen Gesicht wahren? Ich muss ganz verstört geguckt haben (die Touristen sind übrigens vor Schreck gleich weitergezogen), da setzt sich einer zu mir und sagt: „No Problem, die machen nur Spaß“. Na denn. Und dann zieht er einen Brief aus der Tasche, den soll ich ihm erklären, der ist auf Deutsch. In einer rundlichen Kinderschrift, mit ein paar Blümchen gemalt, steht da: „Mein lieber Ehemann! Ich hoffe, dass Du jetzt nicht mehr so lange warten musst. Hier in Deutschland ist es sehr kalt. Deshalb muss ich oft an Saigon denken, und an Dich, mein Schatz. Bitte versuche, Deutsch zu lernen. Ich warte hier auf Dich. Deine Dich liebende Ehefrau Melanie!“ Nicht, dass ich die erste wäre, von der er sich diesen Brief übersetzen lässt. Der ist auch schon ganz verknüdelt. Aber er möchte gern die Geschichte dazu erzählen, und hören, ob ich glaube, dass er in Deutschland, Hockenheim, Arbeit findet, als Fahrer zB. Und ob seine Frau ihn liebt. Und wie lange es noch dauern wird mit dem Visum. Aber ehrlich gesagt, muss ich jetzt ganz schnell ins Bett. Sowas ist mir dann doch etwas zu harter Alltag.

30 Waffen müssen draußen bleiben 27.02.2005 05.36 Uhr Der Tag fing nicht so toll an. Es passierten nämlich die beiden schrecklichsten Dinge, die mir in Vietnam passieren können; erstens blieb ich wieder im Fahrstuhl stecken und zweitens war meine Wäsche weg. Im Gegensatz zum letzten Mal Fahrstuhl waren die hier völlig aufgebracht und beteuerten, das würden sie untersuchen lassen, sorry sorry, und später kamen sie auf mich zu und erklärten, die Fußmatte hätte dazwischengeklemmt. Ich hingegen hab mich vor Aufregung über den Fahrstuhl dann über die Wäsche nicht mehr aufregen können, und tatsächlich trudelte sie noch ein, als ich schon mit abgeschlossenem Koffer am Bus saß, der Bus nach Kambodscha. 30 Leute aus aller Herren und Damen Länder; ich hatte Glück, denn neben mich setzte sich Tokio-Ken, ein 19-Jähriger aus Japan, der ausgesprochen smart und unterhaltsam war. Wir redeten ohne Pause. Er erzählte mir eine Geschichte, die er in Hanoi erlebt hatte. Ein Motorradmann überredete ihn zu einer Stadtrundfahrt und nach einiger Zeit wollte dieser unbedingt, dass Tokio-Ken auch mal führe. Sie tauschten also die Plätze, und irgendwann haute der Fahrer Tokio so auf die Schulter, dass dieser eine Vollbremsung machte, woraufhin Motorradmann sagte, nun sei er verletzt und müsse ins Hospital. Also fuhren sie ins Hospital, und am Ende hatte der Fahrer dem Jungen 50 Dollar abgeknöpft für die teure Behandlung! Danach ist der Junge jedenfalls nicht mehr auf ein Motorbike gestiegen. Er fragte mich, ob ich manchmal Heimweh hätte. Nee, sagte ich. Er war in dem kalten HANOI krank geworden und sehnte sich sehr nach seiner Familie, der Arme. War auch immer noch am Schniefen. Wir unterhielten uns auch über Musik- Japan-Pop der 90er und über die Carpenters. Als wir an der Grenze aussteigen mussten, sagte ich ihm, dass ich unbedingt für die Weiterfahrt wieder neben ihm sitzen wolle. Das fand er auch gut. Die Prozedur an der Grenze dauerte unglaublich lange. Da wurden Stempel aufgedrückt, soviele können gar nicht sinnvoll sein. Tokio war auf einmal verschwunden, dem hatten sie 10 Dollar abgeluchst für zügigere Abwicklung, so wartete er schon auf der anderen Seite. Brachte nicht so viel, weil wir ja alle in einem Bus fuhren. Der neue Bus war eng und hatte keine Klimaanlage. Dafür hatten die Straßen Löcher. Wir mussten auch noch auf eine Fähre. Tokio schlief. Erschöpft von seiner ersten alleinigen Asientournee. Der hatte aber auch eine anstrengende Route hinter sich. Überall nur zwei Tage, war schon in SHANGHAI, HONGKONG, HANOI, SAIGON, nun PNOM PENH, SIAM REAP, weiter nach BANGKOK und SINGAPUR. Ich hatte uns schon ein paar Bars rausgesucht aus dem Reiseführer (Lonely Planet; wieder mal mit spritzigen Vorschlägen wie: in P.P. können sie sich auch selbst eine Mahlzeit zusammenstellen, aus Früchten, Brot und gebratenem Fleisch, was es an jeder Straßenecke gibt..., oder: Bezahlen? Suchen sie Blickkontakt und malen sie mit einem imaginären Stift auf ein imaginäres Blatt!!!), aber Tokio-Ken musste ausruhen, er hatte schon um 6.30 die nächste Tages-Tour. Außerdem hatte er auch gehört, es solle so gefährlich sein in PNOM PENH. Stimmt! Vor jedem Restaurant steht ein Schild: Waffen bitte hier abgeben! Die erschießen sich angeblich beim Karaoke-Singen. Na, ich lass mich von sowas nicht abschrecken. Zumal es hier endlich mal alles gibt: Bars, Nachtclubs, Spielcasino, Diskotheken, alles. Wir verabschiedeten uns herzlich, der Japaner und ich, und ich lud ihn nach Hamburg ein. Er studiert nämlich europäische Geschichte, da muss man doch mal persönlich vorbeigucken. Machte mich also allein auf den Weg. Brauch wohl nicht zu sagen, dass hier alles alles ganz anders ist als da, wo ich grad herkomme. Die Menschen sind so schön, dass man nicht hingucken mag.

PNOMPENH

Die Frauen tragen Herrenoberhemden und Röcke aus gewickelten Wolldecken. Und oft um den Kopf noch ein turbanartiges Tuch. Es riecht nach Orient, viel angenehmer als in Vietnam, vielleicht wegen der Trockenheit. Es ist ungefähr 40 Grad C. um die Mittagszeit. Überall tauchen orangefarbene Mönche mit gelben Sonnenschirmen auf. Man sieht sehr viele und sehr teure Autos. Der Verkehr ist mäßig, aber aggressiv und die Menschen lächeln nicht. Viele haben auch nichts zu lachen- sie wühlen den Müll durch, sammeln Plastikflaschen und Essensreste, sind schwarz wie Raben. 63% Analphabeten. Viele viele viele Kinder. Und kein Bird-Flu, also gegrilltes Huhn an jeder Ecke. Und das schmeckte wahnwitzig lecker. Dieses fast zähe, am Knochen festsitzende Fleisch. Knusprig und trocken. Die Knochen so dünn wie Gräten, als solle man sie mitessen. Geplättetes Huhn, hat U mal gemacht, am Bauch aufgeschnitten und flachgekopft, auf Holzkohle scharf gebraten. Dafür könnte ich auswandern. Ob das diese gerupften Hühner sind, die man hier überall sieht, denen sie die Federn schon abgezüchtet haben? Auf jeden Fall kein mit Fischmehl und Wachstumshormonen aufgepäppeltes Legebatterietier. Ich kenn diesen Geschmack noch aus der Kindheit. Auf dem Nachhauseweg, es ist inzwischen 8 und stockfinster und keine Straßenbeleuchtung, falle ich direkt auf die Schnauze. Der Weg ist auf einmal von einer dicken Eisenkette versperrt, völlig unlogischerweise, und ich rappel mich mit Nasenbluten, einer dicken Lippe, schmerzenden Zähnen und einem in Sekundenschnelle zu doppelter Stärke anschwellendem Knie wieder auf. Humpel nach Hause, mit gesenktem Kopf die Treppen hoch, Wunden lecken. Erreiche grad das Waschbecken: Stromausfall! Und zwar für den Rest des Tages. Na, dann geh ich heut wohl in keine Bar mehr! Ich leg mich aufs Bett und stell mich tot. So ist das, mit Zimmer Nr.2, liebe Numerologin!

31 See you again, sagen die Blinden 28.02.2005 13.18 Uhr Während unzählige Traveller auf unzähligen virtuellen Zetteln sinnloses Zeug in die Luft malen, bleibe ich beim höflichen: „L`additon s`il-vous-plait!“ woraufhin die Bedienung mit fragendem Blick ( heiteres Beruferaten!) auf einem imaginären Zettel etwas Imaginäres notiert, natürlich mit der rechten Hand, die andere ist schmutzig, unrein, die Arschputzhand eben. Und da ich mit dieser schreibe, gibt es regelmäßig Aufstand. Das ist hier verboten, sowohl in Kambodscha als auch in Vietnam. Kein Mensch würde es wagen, mit der linken Hand zu schreiben, zu schneiden, etwas zu übergeben, außer er hätte nur einen Arm. Gezahlt wird in Dollar. Zurück bekommt man schmutzige weiche Lappen, die keiner mehr annehmen will. Im Grunde ist hier alles so billig wie in Vietnam, nur der Dollar machts, dass das Geld sich in Luft auflöst. Das kenn ich schon aus Amerika, Dollar verschwinden im Nu, von unsichtbaren Maschinen weggesogen: ein Rätsel! Nun rechne ich mittlerweile alles in Vietnam Dong zurück, so schließt sich der Kreis. Mit dem Bus in den Norden. Die meisten Touristen kommen nur in dieses Land, um ANGKOR WAT, die größte Tempelanlage der Welt, zu besichtigen. Ich fühl mich aufgerufen, mich hier auch ein bisschen aufzuhalten. Außerdem gefällt es mir in der „Alten Welt“. Nur einige wenige von den Imaginäres-in-die-Luft-Malern sind mit von der Partie, genaugenommen zwei einzelne Engländerinnen, von denen eine weiter nach Bangkok reist, und ein rothaariges Pärchen, Iren vielleicht. Die Fahrt war mörderisch. Jeder Platz besetzt, keine AC, und ständige Schlaglöcher und Steine auf dem Weg verhindern das Lesen. Kambodscha-Pop aus den Lautsprechern. Dazu ein Fernseher mit Karaoke-Videos, ohne Ton zum Glück (wahrscheinlich hört man den nur vorn.) Neben mir ein Kind, das aus einer Plastiktüte mit den Fingern Reis mit Gemüse isst, allerdings dabei mich anguckt die ganze Zeit und unsere gemeinsame Bank mit Essensresten einseift. Ich hatte den glücklichen Sitz in der hintersten Reihe, ein Gewackel ohne Gleichen. Vor mir zwei Mönche in rostrot, Raucher, wie sich in der Mittagspause rausstellt. In Vietnam haben sie die Mönche rangekriegt zum Arbeiten, hier in Kambodscha dürfen die einfach nur Mönch sein, dann aber noch Rauchen find ich ganz schön dreist. Handys haben sie auch dabei. Und ziemlich dicke Fresspakete mitbekommen von ihrer Home-Base. Ich hatte nur ein safrangefärbtes Brötchen mit süßer Bohnenpaste gefüllt und eine grüne Mango, in mundgerechte Streifen geschnitten, die isst man hier mit einem Salz-Chili-Gemisch bestreut. Sehr erfrischend! Bisschen wie roher Kohlrabi mit Zitrone, falls sich jemand was vorstellen will. Man sieht furchtbar schöne Dinge unterwegs, an Indien erinnernd, die Schriften Sanskrit, die Pagoden haben lange spitze Türme mit fein ziselierten Verzierungen, viel gelb und gold. Holzhäuser auf Stelzen, bald kommt wieder die Zeit, wo hier alles mit Booten gemacht wird; jetzt ist es so trocken, dass die Flussbetten nur kleine Rinnsale bergen. Lotusblüten überall, und pink-lila blühende Bäume. Man sieht Elefanten rumstehen, schwarz-rosa-gefleckte Schweine und Horden von dreckstrotzenden Wasserbüffeln.

BATTAMBANG Ich weiß nicht, wie lang diese Fahrt dauerte, sechs oder sieben Stunden, irgendwann wird man einfach Gemüse, dann wird alles egal, und dann ist man komischerweise auch sofort angekommen. Der Bus hält zwischen 50 anderen Bussen, dort wo die Hellen sitzen, wird von draußen wild an die Scheibe geklopft. Schirmmützenmänner halten farbige Prospekte in die Höhe, Hotels, von denen sie Provision kassieren. Mit mir diesmal nicht! Ich geh ins Teo-Hotel, bestes Haus am Platze. Ich kann grad nicht mehr auf Badewannen, die man abends schon einlassen muss, damit sie morgens voll sind. Und Handtücher dünn wie Klopapier, während Klopapier gar nicht erst vorhanden. Ich will 64 Fernsehsender und weiße Laken. Die letzten drei Nächte hatte ich auf großen blauen Polyesterblumen gelegen! Trotzdem wird mein Koffer, so schnell kann man gar nicht hingucken, auf ein Motorrad gehievt und ab dafür. Ich hab reserviert! Der Fahrer ungläubig, tatsächlich stimmt es auch gar nicht. Das Zimmer kostet 25 Dollar; egal. Erstmal rein in die Wanne! Herrlich! Das bade ich hier noch alles ab! Dann ein Massaman-Chicken-Curry im hauseigenen Restaurant. Und dann ein Stadtrundgang durch BATTAMBANG, zweitgrößte Stadt Kambodschas. Die Menschen sind durchweg freundlich. Wo sind denn nun die mit den Waffen? Die hätt ich nun gern mal gesehen. Da eiert auch schon die Engländerin aus dem Bus heran, mit kurzen Hosen. Schnell Reißaus genommen! Das ist sone ulkige Type, wenn man die einmal am Hals hat, kriegt man die nicht wieder los! Und siehe da, hier haben sie auch „Seeing Hands“- das ist nämlich mein neues Reisehobby, Massage von Blinden. Da kann ich mich auch ausziehen, sieht ja keiner. Und irgendwie wissen die genau Bescheid, wo die drücken müssen mit ihren Zauberhänden. Nicht, dass es jedes Mal gleich wäre. In HCMC waren Frauen und Männer getrennt, und die Masseusen quasselten über die Kabinen hinweg und lachten sich kaputt über das, was sie erzählten. Sie waren sehr sanft, fast wie gar nichts- Massage-Quigong, und hinterher flog man wie eine Elfe über den Asphalt. In PNOM PENH, gestern, fand alles in einem einzigen Raum statt, und es gab nur männliche Masseure. Man bekam einen Baumwollanzug an, die Frauen in hellblau, die Männer in beige- und gleichzeitig mit mir kam John, ein 2m-Mann aus Texas, (dass sie in dessen Größe überhaupt einen Anzug hatten!) im Harley-Davidson-T-Shirt und mit Lee Hazlewood-Stimme in Begleitung seiner 1.50 m grossen Kambodscha-Biene. Ja , das ist hier nun so. Die Kleine überwachte alles, was an dem verspannten John zurechtgerückt wurde, und er erklärte dem blinden Masseur, wie glücklich er sei, in seinem Alter eine so hübsche und bezaubernde Freundin gefunden zu haben. Das musste ich mir nun alles anhören, während mein Masseur, Tito, auf mir herumkletterte und mich in alle Richtungen zog und bog. Ein ziemliches Kraftpaket! Ehrlich gesagt war dies weniger Massage als vielmehr eine Art Verhauen, Tito hämmerte mit beiden Fäusten auf meinen Rücken ein, dass es bis ins nächste Dorf zu hören gewesen sein muss. Hinterher fühlte ich mich leicht wie eine Feder, da wartete ich ja schon die ganze Zeit drauf, auf diesen Zustand. Zum Dank habe ich zwei mal zwei Vögel freigelassen an der Pagode, für 1 Dollar das Paar. See you again!

32 Dreckige Jungs 03.03.2005 15.35 Uhr Ich hatte mich ja schon gefragt, wie das eigentlich gehen soll, mit dem Boot nach SIEM REAP, wo der Fluss kaum Wasser hat. Aber da fuhr man ja auch erst hin, mit dem Toyota 4-Wheel-Drive, aus dessen Schachtel hinten hier gut und gerne mal 30 Leute rausgucken. Nun waren es nur wir 14 Touries und unsere diversen Gepäckstücke. Ich will ja nix sagen, aber Rucksäcke können um einiges umfangreicher werden als mein übersichtlicher Trolley, mit all ihren herumbaumselnden Matten und Schuhen und Zusatzrucksäcken- na, mir ja egal, außer wenn sone Kuh meint, ich dürfe nicht auf ihrem Rucksack sitzen, eine andere aber schon auf meinem Koffer Platz genommen hat. Weil ich nämlich noch so nett gequatscht hatte grade und dummerweise bei der Platzverteilung nicht anwesend war. Ich wusste auch nicht, dass das so entscheidend ist. Quetschte mich in eine Ecke auf den Boden der Ladefläche und los gings. Zu guter Letzt sprang noch ein Teenager mit Strohhut auf, in Levi‘s Antiform, alles natur und oben ohne und vor Dreck schwarz wie die Nacht. Er pennte sofort ein, sozusagen im Arm von der Doofen. Wir wussten noch gar nicht, wozu wir den mit hatten, das stellte sich alles erst später raus. Die Fahrt ging durch enge Feldwege, in ziemlichem Tempo zwischen ärmsten Dörfern durch; von oben peitschten die Zweige einem ihre stacheligen Dornen ins Gesicht, von unten wurde man hochgeschossen wie beim Rodeo. Rauf und runter, ich wusste kaum, wo ich mich festhalten sollte, das gab ziemliches Gejohle und auch Geschrei. Alles war voller Sand wie in der Wüste und wurde von dem unerbittlichen Durchpeitschen aufgewirbelt- ich weiß gar nicht, wo die hier so viel Sand herhaben, in kurzer Zeit waren wir alle mit einer rotgelben Staubschicht überzogen. Meine Wunden platzten auf, ich blutete, alle stöhnten, nur der dreckige Kleine schlief als wär gar nichts. Ich war ein bisschen neidisch, dass die doofe Amerikanerin ihn halten durfte. Dafür bekam sie immer die Dornen ab in ihrem Tank-Top und war völlig zerkratzt nachher. Am schlimmsten aber war, dass die die ganze Zeit hysterisch giggelte, selbst als sie schon mit Striemen übersät war. Dann platzte der Reifen. Nun musste der Junge ran. Unter das Auto kriechen und den Ersatzreifen abschrauben. Das wir überhaupt einen dabeihatten! Den alten ab, den neuen an, ich brauch wohl nicht zu sagen, dass er danach noch dreckiger aussah. Und noch sexier! Wir alle wieder auf die Plätze, und nach wenigen Metern steckten wir fest. In einem dieser unglaublichen Sandlöcher. Wieder alle raus, ein anderer Truck schleppt uns ab. Und so geht es dann hin und her- der andere Truck bleibt stecken, wir ziehen ihn raus. Der Kühler läuft heiss. Wir warten. Wobei warten nicht ganz so schmerzhaft ist wie fahren. Aber fahren ist auch nicht mehr. Der Junge läuft vor uns her und haut mit einer Axt den Weg frei. Urwald! Ich fasse es nicht. Es ist, als würden hier zum ersten Mal Menschen durchbrechen. Nach etwa drei Stunden kommen wir am Boot an. Ein Steg so breit wie ein Besenstiel, in mehreren Teilen mit Band aneinandergebunden, führt uns hinauf. Seiltanz mit Rucksack. Ich lass den Dreckspatz meinen Koffer tragen, ist mir egal, dass alle lachen. Die Lady mit ihrem Trolley! In Wirklichkeit hab ich ja schon allein Schiss, über diese komischen Stege zu tanzen, da kann ich nicht noch was halten. Das Boot ist lustig alt und aus Holz mit einem mörderlauten Motor. Es sitzen schon einige schräge Gestalten drauf, und reichlich Säcke mit Mandarinen, Mangos, Johannisbrot, Reis - zum Glück aber nicht überladen, was wohl auch gern passiert und schon manches Unglück verursacht hat.

Trotzdem blieben wir erstmal stecken, denn viel Wasser war hier auch noch nicht. Und der altersschwache Motor musste repariert werden, wieder von dem Dreckspatz, der ohne mit der Wimper zu zucken in den Maschinenraum kletterte und nach 20 Minuten fröhlich und ölverschmiert wieder rauskam. Alles Paletti! Ich würde sagen, der kann auch einen Fisch mit der bloßen Hand fangen! Am Ende steuerte er auch noch das Boot, weil der Kapitän nämlich plötzlich müde war und sich einfach in eine Ecke gehaun hatte. Die Schiffsfahrt dauerte fünf Stunden, denn es ging durch schwimmende Dörfer, und da darf man nur langsam durch, sonst gibt es Wellen, und deren Reusen gehen kaputt. Die züchten da Schweine auf dem Floß, und Hühner, und wohnen auf handtuchgroßen Holzkisten. Und manche haben große gelbe Wasserlilien vor ihrem Anwesen, und die Kinder paddeln mit kleinen Booten zur Schule, die auch schwimmt, oder holen ihre Oma mit all den Mandarinensäcken ab, zB von unserem Boot, was da nicht so dicht ran kann. Das war schon alles beeindruckend. Irgendwann wurde der mickrige Fluss zu einem grossen curryfarbenen See (die Farbe kenn ich von meinen Klamotten. mittlerweile ist nämlich alles gelb, und Waschen bringt gar nichts mehr!), so weit das Auge reicht kein Land in Sicht, also kamen wir gut voran. Das war dann wohl die abenteuerlichste Fahrt bisher und wird auch kaum zu toppen sein. Und nun bin ich hier mit 1000 blauen Flecken, in dem Ort, der vor kurzem noch ein kleines Dorf war, und nun zum Tourismuszentrum Kambodschas geworden ist- aber hier ist nicht Travemünde- hier gibts Japaner und Chinesen und Araber und Russen und den Rest der Welt. Und die Kambodschaner bleiben, wie sie sind, NOCH, und freuen sich, dass die Tempel sie ernähren. Die Tempel selber gehören allerdings einer privaten Ölfirma, die den größten Teil des Geldes, 20 Dollar Eintritt pro Tag, einkassiert. Ich hab gleich den 3-Tages-Pass für 40, es ist so unglaublich viel zu gucken da, das schafft man nicht an einem Tag. Und das ganze ist in einem wunderschönen Wald, mit Affen und Vogelgezwitscher, und es ist angenehm kühl, und die vielen Leute verteilen sich, dass man sich gar nicht stört. Die meisten reiten sowieso am Nachmittag auf Elefanten zum Sonnenuntergang ein, da kommen angeblich 400 People, da bin ich aber auf meinem Fahrrad schon längst wieder über alle Berge.

33 Ausgetempelt 05.03.2005 02.49 Uhr Kambodscha ist toll, nicht zuletzt, weil die Mädchen hier Röcke tragen. Sie reiten auch im Damensattel hinter ihren Boys auf den Bikes, selbst in Hosen. Und alle, Jungs und Mädels haben immer so einen karierten Lappen dabei, eine Schmusedecke, die als Sonnenschutz, als Unterlage, als Turban, als Beutel, als Kummerbund, als Schal, als Sichtschutz beim Pipimachen und was nicht alles genutzt wird. Oder als Fahrradkindersitz. Alles ist so schlicht. Die haben ja auch nix, aber es steckt schon System dahinter. Während die Vietnamesen die Weltmeister des Kitsches sind (auch schön), herrscht hier vorzügliche Klarheit. Einfache gerade Holzstühle und Tische, kein Schmuck an den Wänden, keine Bilder, keine Trockenblumengestecke, und die Tische und Stühle symmetrisch angeordnet. So sehen Cafés aus. In meinem Hotel gibt es drei riesige Räume, Tagungssäle in denen niemand tagt, und alle beinhalten nur diese symetrisch aufgestellten Tische und Stühle, sonst nichts! Und die Wände sind bis zum Boden aus Glas, und in großen gelben Lettern steht WELCOME auf der Tür. Jedes Mal, wenn ich in mein Zimmer gehe, freu ich mich über diese unglaubliche Verschwendung. Es ist hier halt sehr viel Platz. Das Land ist groß und es sind nur 13,1 Mio. Einwohner. Und so ist es auch mit den Tempeln. Die sind der Wahnsinn! Es ist sooooooo schön da, ich kann nur jedem empfehlen, sich das anzusehen. Auf einem riesigen Gelände- die große Rundfahrt ist glaube ich 38 km lang- inmitten von schönster Landschaft mit angelegten Wasserbecken- sind all diese Tempel und Paläste verteilt. Es gibt keine Absperrungen, keine Hinweisschilder, man kann auf jedem kostbaren Stein, auf jeden verfallenen Turm bis in die hinterste Luke hinaufklettern, und es gibt nie etwas Hässliches zu sehen (außer manchmal ein paar Deutsche haha)- keine Dixi-Klos oder Plastikmülleimer zB, überall stehen Bastkörbe, in denen der Abfall gesammelt wird, und ein Bienenschwarm von Putzleuten fegt das Laub und sammelt sofort jede Plastikflasche auf. Die Wärter haben Anzüge in der Farbe der Steine an, sind also getarnt. Diese Tempel sind 800-1200 Jahre alt. Es ist verrückt, wie man in Vietnam zu jedem kleinen Cham-Turm hinpilgert und den bestaunt- und hier sind auf einmal hunderte davon! Die meisten Touristen kommen in einem Tuc-Tuc daher, das ist ein Motorrad mit einer angehängten bunten Kutsche für zwei bis vier Personen. Ich war heute wieder mit dem Rad unterwegs, da hat man nicht diesen Fahrer am Hals und kann auch mal vom Weg abweichen. Vorher war ich Blutspenden, in Dr. Beat Richters Kinderkrankenhaus, wo alle umsonst behandelt werden. „Beatocello“, wie er sich selber nennt, ist ein Schweizer „Typ Verrückter Professor“, klein und dick mit wallenden weißen Haaren, und er rührt hier fleißig die Werbetrommel. Zwei Abende in der Woche tritt er selbst mit eigenen Songs auf, und gerne veranstaltet er auch Kunstausstellungen oder lädt Musiker ein. So sah ich neulich einen Gitarrenvirtuosen aus Myanmar, ein angenehmer friedlicher Abend im Hörsaal des Krankenhauses. Und auch der wieder so genial eingerichtet! Im Hintergrund ein Relief in Barcode-Muster, schwarz-braun- die Bühne dunkelbraunes Parkett. Auf der Bühne nur ein Hocker mit gelbem Faltenrockbezug, und daneben in einer türkisfarbenen Plastikschale eine Packung Kleenex (das gibts hier nämlich)- die hat der Gitarrist aber gar nicht gebraucht, sodass am Ende das eine rausgezupfte Tuch noch genauso rausstand wie am Anfang. Hinten rechts stand noch ein Flügel, der hatte auch einen gelben Faltenrockbezug an.

Der Gitarrist war sehr groß und hatte eine Kinderponyfrisur, weißes Hemd, schwarze Hose, Arztsocken, und zu jedem Stück sagte er etwas so leise, dass es niemand verstand. Aber es waren alles spanische Komponisten und manche Lieder kannte ich auch. Am Ende bekam er einen Strauß in einer Art Wickelkissen, bauschiger rosa Tüll, nur statt des Babykopfes kuckten dann oben die Blumen raus. Der Abend regte mich auch dazu an, über Klimaanlagen nachzudenken. Wie kann es eigentlich sein, dass dort, wo es heiß ist, die Menschen die Räume so kalt machen, dass man übel friert, während bei uns, wo es draußen kalt ist, die Heizungen so aufgedreht werden, dass man ebenfalls fast krank wird davon! Ist es nicht möglich, eine angenehme Raumtemperatur herzustellen?- Hier gibt es Lokale, in denen man nur in Hängematten liegen kann. Es gibt ein japanisches Eiskaffee mit Sauna und Badewanne, in dem die hippsten Japsen verkehren, und es gibt eine Schwulenbar, in der mal sowas wie Moloko läuft (sonst überall nur Norah Jones) und es köstliche Kokosnuss-Mosquitos...mhhh -Mojitos gibt. Morgens gehen die Mönche im Gänsemarsch durch die Stadt und sammeln Essen ein. Die Mönche sind sehr neugierig, die können gut Englisch und unterhalten sich gern. Und dann mag ich die Dunkelheit. Hier ist Stromsparen angesagt. Abends werden die Dinge bei Kerzenlicht verkauft. Es ist wirklich stockfinster, so dunkel ist es in Deutschland nie, nichtmal bei meinem Bruder in Birkenfeld mit seinen 25 Einwohnern! Ich liebe das, es ist ein so anderes Gefühl der Welt gegenüber, man entwickelt neue Sinne und Aufmerksamkeiten. Ob ich keine Angst hab? Nee, die haben eher Angst vor mir, wenn ich da so hell aus der Dunkelheit auftauche. Unheimlich ist hier nur die Polizei. Einmal beim Frühstück sah ich, wie ein Polizist auf einem Motorrad der Frau gegenüber, die Kokosnüsse verkaufte, das Messer abnahm. Ich weiß nicht, was damit war. Es war ein sehr langes Messer, mit Sägezähnen, vielleicht hatte es die erlaubte Messerlänge überschritten. Auf jeden Fall nahm er es und sie musste eine gewaltige Summe bezahlen, und sie war sehr sauer und spuckte auf den Boden, und warf ihm das Geld vor die Füße. Dann fuhr er mit dem Messer in der Hand zu einem Lokal neben meinem, und ließ es sich da ordentlich einpacken. Die spurten auch sofort. Das fand ich jetzt hart anzusehen.

SIEMREAP

34 Cocktailstunde 07.03.2005 10.42 Uhr Die Ginga-Bar liegt in einer kleinen Seitenstraße von SIEM REAP, wo sonst nur wenige Minirestaurants und ein paar kleine Läden ansässig sind. So, wie sie aussieht, könnte sie auch in, sagen wir mal Düsseldorf, zu finden sein: Kuschelecken mit roten Kissen, flache Tischchen mit Hochglanzzeitschriften, eine chice helle Bar- viel Platz, alles hell und luftig. Draußen flache Korbmöbel. Vielzuviele Bedienungen für die wenigen Gäste, das ist hier immer so. Jeder hat sozusagen zwei, die sich um ihn kümmern. Ich sitze gern draußen, typisch Touri, aber bei uns ist das ja draußen nicht so oft drin. Es ist vielleicht 21 Uhr, ich hab mir soeben meinen Kokosnuss-Mojito bestellt- es läuft Dani Siciliano, die Erdnüsse dazu sind gezuckert und eigentlich ist die Welt in Ordnung. Doch um diese Zeit treten die Kinder auf den Plan. Sie gehen in Gruppen mit Säcken durch die Stadt und suchen den Müll durch, halten Touristen um Bargeld an und machen allerlei Unsinn zwischendurch. Ich bin mit meinem Draußensitzen natürlich immer leichtes Opfer, aber eigentlich kein Problem, ein paar Schnacks hin und her und sie ziehen weiter. Heute jedoch kommt ein etwa 3jähriger Junge in viel zu grossem knallroten T-Shirt, wie ein Kleid, ein Ärmchen hat er gar nicht erst durchgesteckt, dass es so aussieht, als hätte er nur einen, und rollt sich unter meinem Stuhl zusammen. Er fängt einen gebetsartigen Singsang an, in Khmer, was ich nicht verstehe, und als ich hingucke, hebt er die gefalteten Hände und steigert sich in ein solches Jammertal, dass ich vor Schreck gleich wieder weggucke. Ich gebe Kindern kein Geld, wird es ihnen doch an der nächsten Ecke von ihrem Pimp wieder abgenommen. Essen hab ich nicht dabei und es gibt hier auch nichts außer meinen gezuckerten Erdnüssen. Ein Klagen, Stöhnen und Winseln kommt unter meinem Stuhl vor. Soll ich ihn in den Arm nehmen? Lieber nicht, sonst kommt gleich ein Erwachsener und sagt, ich hätte was kaputt gemacht. Aber einen Cocktail für 3 Dollar zu trinken, während ein Baby unter meinem Stuhl liegt und weint, dazu bin ich dann auch nicht in der Lage. Ich musste gehen und werd mich da wohl auch nicht wieder hinsetzen.

35 Mir ist nicht zu helfen 10.03.2005 15.38 Uhr Hab langsam nichts mehr anzuziehen. Alles kommt nach jeder Wäsche verfärbter zurück und kraus. Die neue H&M- Big is Beautiful-Hose hat sich sowieso gleich aufgelöst- entweder waschen die hier mit Domestos, oder H&M muss sich was schämen- zarte Risse machen sich breit- demnächst nur noch Fetzen! Ich bin jetzt sozusagen zu Hause, deswegen kommen auch nur noch so langweilige Themen auf den Tisch, denn zu Hause ist dann alles gleich wie immer. Der Grenzübergang war fürchterlich- ein Beamter für vier ganze Reisebusse, und jeder chinesisch, japanisch, russisch und sonstwie-Name musste von Hand in den Computer eingegeben werden. Das dauert. Und es war verdammt heiß. Und der, der die Liste hatte für den Bus, weil man nämlich hinter der Grenze in ein anderes Fahrzeug steigt, ist nicht rübergekommen, weil sein Visum nicht stimmte. Und nun warten alle auf den mit der Liste, der war aber gar nicht da. Ich hab es immer gesagt, ich hatte ja alles beobachtet, wie der nämlich immer: aber ich hab doch 20 Dollar gezahlt! gesagt hat, und der Beamte unerbittlich: das ist kein Visum. Aber wieso denn nicht? Da hatten die dem irgendnen Stempel reingemacht. Und vor Schreck hat der dann die Liste wieder mitgenommen nach Kambodscha, wo wir alle herkamen. Und nun WART! Und ich immer: Aber die Liste hat doch der Mann, der nicht mitgekommen ist! Und die Busfahrer nix versteh und alles war schrecklich. Irgendwann waren dann alle dafür, einfach loszufahren. Und nun bin ich ja wie gesagt wieder zu Hause, in HO CHI MINH City, wo gleich ein ganz anderer Wind weht. Ich hatte es schon völlig vergessen, diese Eifrigkeit und die ständige Bewegung. Alles flitzt und rast und saust, unübertroffen busy. Und die getrockneten flachgewalzten Ratten auf der Straße, und immerzu: „Can I help you?“ Wer denen das wohl beigebracht hat. Ich finde das eine sehr unhöfliche Begrüßung, setzt es doch voraus, dass man mit irgendwas nicht zurecht kommt. Wenn das Auto nicht anspringt, und man allein dabei ist, zu schieben, dann ist es angebracht, zu fragen „Can I help you“, aber doch nicht, wenn man ein Restaurant betritt, oder überhaupt einfach so, auf der Straße. Es war ja „Tag der Frau“, als ich hier eintrudelte, und abgesehen davon, dass es dafür Glückwunschkarten gab (hatte ich noch nirgendwo gesehen), bekamen alle Damen von ihren Herren riesige Gestecke oder Torten in Pappkartons geschenkt,und manche wurden sogar zum Essen ausgeführt- jedenfalls waren die Restaurants voll mit Familien und die Tische voller Geschenke. Auch ich bekam eine Rose nach dem Essen. Ich hatte schon auf der Fahrt beschlossen, ich höre jetzt auf mit Sparen, und mir ein teures Zimmer geleistet, in dem sogar Q-Tips zur Ausstattung gehörten. Allerdings bin ich in der Benutzung nicht geübt, ist ja auch gar nicht gesund; nun dachte ich, nach zweieinhalb Monaten mach ichs mal und was passierte, die Watte ging ab und blieb im Ohr verschwunden. Und da bleibt sie nun wohl die nächsten drei Wochen.

36 Lonely lonely Planet 11.03.2005 06.42 Uhr Das war nun wohl der Gipfel! Beim Schmökern in meinem Reiseführer heute auf der Suche nach möglichen Ausflügen, stieß ich auf den besten Satz, den Lonely Planet zu bieten hat: da steht, die Busse seien neu und mit Aircondition und, jetzt kommts „die Fahrer sind gut gekleidet!“ Das schlägt ja wohl die Behauptung, „die Taxifahrer erkennt man leicht an ihren Baseballcaps“ noch um Längen. (Ich muss vielleicht dazu sagen, dass hier fast jeder Mann eine Baseballkappe trägt!)

37 Ich sagte ja, jetzt wirds langweilig 12.03.2005 15.33 Uhr Ich wohn jetzt hier. Das heißt, Briefe übersetzen lassen. Pakete zur Post schleppen, aber die Post hat zu. Sich Essen mit nach Hause nehmen. Besuch im Hotelzimmer bekommen und Fotos gucken, während auf MTV-Asia das derzeitige Lieblingsvideo „Keep this fire burning“ von Beverly Knight läuft, extrem laut aufgedreht. Mit Linh, die heute einen dicken Dutt hat, so gross wie ihr Kopf, Shopping gehen, ein Geburtstagsgeschenk für ihre Schwester aussuchen ( sie nimmt tatsächlich die Bluse, die ich vorschlage- ich bin stolz). Zeitung lesen...was steht drin?... dass die Dollar-Billionäre in diesem Jahr von 587 auf 691 angewachsen sind. Da weiß man ja, wo das Geld bleibt! An 1. Stelle seit 11 Jahren Bill Gates, an 10. immerhin ein Deutscher ( Karl Aldi Albrecht), die reichsten Frauen der Welt an Platz 11 und 12 sind Alice und Helen Walmart Walton mit je 18 Billionen. Sagt das Forbes-Magazine, steht in der Vietnam News. Wenn ich hier bleiben würde, könnte ich mir von deutscher Sozialhilfe immer noch einen Fahrer mit Auto leisten (10 Dollar am Tag)- Essen kostet ja nix und Lotus-Tee gibts überall umsonst. Schwierig wirds mit Zahnersatz oder dem Hüftgelenk, was in meinem Alter bald anfallen könnte, und mit dem Hydrofoil mal eben an den Strand sausen ist dann auch nicht mehr drin. In der schönsten Bar hier, die ich am liebsten, so wie sie ist, in meinen Heimatort transplantieren würde, natürlich auch mit dem entsprechenden Raus und Rein, sind die Wände, die Tresen, die Tische Meeresaquarien- man kann sich sozusagen mit einer Riesenwasserschildkröte zuprosten, oder Seepferdchen beim Tanzen zugucken. Bezaubernd! Und dazwischen schwarzweiße Tuschzeichnungen von Picasso, Thema Stierkampf. Japaner, sag ich nur! Ich fange grad das fünfte Buch (englisch) an- mein Vokabelschatz ist schon ziemlich gewachsen, was mir hier gar nichts nützt. Im Kino „Meet the Fokkers“- ich hab mich kaputtgelacht, am meisten über die Mädchen neben mir, deren Handy andauernd klingelte, und die als Klingelton tatsächlich ein echtes „Kikeriki“ (im Jahr des Hahns!) hatten, fand ich schon ulkig. Sie boten mir Popcorn an, das schmeckte, als wenn es am Ende nochmal in Schweinefett gewendet wurde, ziemlich eklig also, vor allem die Überraschung daran. Die Mädchen verrenkten ihre Köpfe unter dem Sitz, um zu sehen, was ich für Schuhe anhätte. Ich trug billige Vietnam-Nikes, die sie natürlich für echt hielten. Den Film kann ich nur empfehlen, vor allem Dustin Hoffman und Babra Streisand als sexbesessenes Hippieehepaar, die Witze hab ich leider nur visuell verstanden, weil der Ton wieder nur ganz zart zu erheischen war, und darüber die vehemente vietnamesische Sprecherin, die sogar die Songtexte übersetzte. Aber wenn man hier zu Hause ist, dann gibts Kino eben nur so. Zu allem Überfluss (für Taube?) hatte es auch noch Untertitel, die so schlecht gestanzt waren, dass das Bild von Lavalampenmustern verschönert wurde, manchmal standen sie auf dem Kopf oder waren plötzlich ganz in der Mitte- interessant, was es so alles gibt. Ich hab immer noch keine Uhr. Um die Zeit zu sehen, schalte ich den Fernseher ein. Von 0.00 (Sperrstunde, auch in allen Lokalitäten in HCMC) bis 6.00 sendet VN2 das gute alte Testbild mit Sinuston, danach ist die Uhrzeit unten rechts im Bild, jedenfalls bis 8. Dann bin ich eh schon weg in der Regel. Morgen um 8 geht mein Bus nach CAN THO, Ausflug ins Mekongdelta.

38 Alles im Fluss15.03.2005 13.53 Uhr Ich muss mich berichtigen: das Fernsehprogramm VN2 startet um 5.30, wie ich heute feststellen konnte- mit 30 Minuten QuiGong, dargebracht von 60j.Damen in rosa Schlafanzügen in einem öffentlichen Park. 5.55 war ich draußen, und siehe da, die Straße war voll wie die Mönckebergstraße an verkaufsoffenen Samstagen vor Weihnachten. Ich war mit der Bootsfrau verabredet. Hatte kaum geschlafen, weil ehrlich gesagt, hatte ich zum ersten Mal hier ein bißchen Angst. Auf so‘n leckes altes Holzboot auf einem Strom so breit wie die Elbe und mit zwei Menschen, die man überhaupt nicht kennt? Ich sah mich schon ins Wasser geschubst, und wie sie sich dann über meine wenigen Habseligkeiten, selbstverständlich alle dabei in meiner Umhängetasche, hermachen. Und ich kann noch nichtmal richtig schwimmen! So ein wackeliges kleines Boot an sich ist für mich schon zum Fürchten- wenn ich meine 80 kg daraufbewege, macht es erstmal einen ziemlichen Hops und der Steuermann fliegt in die Höh. Aber was soll man im Mekongdelta, wenn nicht Bootfahren, also Augen zu und durch.- Die Stadt CAN THO ist ziemlich groß. Ich wurde begrüßt, als hätten sie hier schon auf mich gewartet- die Menschen strahlen und grüßen und sogar die Taximänner lassen mich in Ruhe gehen: entweder sind sie zu faul, oder hier herrscht einfach ein anderer Flow. Hier sieht man sogar mal welche laufen, und so konnte ich ungestört meine zwölf Kilometer zurücklegen, in der Abenddämmerung. Schweine wurden gegrillt, so klein wie Hühnchen, man, sahen die lecker aus!, nun hatte ich dummerweise gerade ein Ziegencurry verspeist, bei einem Franzosen, der mir einen Teil seiner Lebensgeschichte erzählt hatte (bei Schlangenschnaps) und nun hatte ich nur noch zu entscheiden, mit welcher der mich umwerbenden Damen ich am nächsten Tag die 8stündige Bootstour wagen wollte. Alle waren 32, unverheiratet, und hatten einen Bruder, der das Boot steuern würde, alle konnten ausreichend Englisch, aber eine hatte ein Buch dabei, in das Touristen ihre Empfehlungen reingeschrieben hatten. Das hat mich dann überzeugt. Pünktlich um 6 stand sie vor meinem Hotel, „Ha“ ihr Name,und das Boot war genauso klein und leck wie ich befürchtet hatte. Der Bruder allerdings sah nett und zuverlässig aus, er ruderte uns stumm aus dem Gewimmel an der Anlegestelle und dann ging der kleine Motor an und es brummte los. Wenn ich dann erstmal in sowas drinsitze, ist auch gut. Die Sonne machte gerade den roten Ball und es wehte ein bisschen, und der gelbe Mekong lahmte noch, später in die andere Richtung schwappte schon mal die ein oder andere Welle über Bord. Wir tuckerten zum schwimmenden Markt, unglaublich, was da alles verkauft wird! Na, alles einfach! Von überall kommen große und kleine Boote und kaufen oder verkaufen, und manchmal steckt man so ineinander fest, dass es dauert, bis es sich wieder entwirrt hat. Die großen Boote haben eine lange Stange vorn dran, an der binden sie alles fest, was es gibt: eine Ananas, ein Bund Lauchzwiebeln, eine Yamswurzel, eine Papaya- ich würd jetzt gern sagen: siehe Foto, aber Fotos gibt es ja leider nicht in meinem Blog. Madame Ha holte sich eine Nudelsuppe, und es gab auch ein Getränkeboot mit Eiskaffee und Bier und Twister, ein Sugarcaneboot und ein Boot mit Fleisch und Fisch. Ich war froh, auf so einem kleinen Ding ganz mitten drin zu sein- die größeren Touristenboote glotzten nämlich mit Ferngläsern zu uns herüber. Dann schipperten wir noch zu einem anderen Markt, der allerdings für mich genauso aussah wie der erste, und dann ging es durch viele kleine Kanäle, in die auch große Boote gar nicht kommen und das war dann unglaublich romantisch.

Und jede Pflanze am Wegesrand hat da was Nützliches zu bieten, das war nun wirklich Schlaraffenland! Alle Früchte, die man so kennt und noch zig neue hinzu, einfach so zum Abpflücken- Mangos, die einem in den Mund wachsen, Ananas, kleine kirschenartige Beeren, kiwiartige Kugeln, Longan und Lychee und wie sie alle heißen! Dazwischen Baumwolle und immer wieder Bananen in verschiedensten Formen. Es ist kaum zu fassen, wie das hier alles zusammen wächst! Zwischendrin zeigte mir Ha noch eine Familie, die Reispapier und Reisnudeln und Reiswein herstellt- da hätte ich einen Film für die Sendung mit der Maus drehen können- sehr eindrucksvoll- oder wie hier Eiswürfel gemacht werden! Der Verbrauch an Eiswürfeln ist ja enorm,ich hatte mich schon gefragt, wo das eigentlich alles herkommt! Dann sahen wir uns noch Fischteiche an, die waren allerdings eklig und überhaupt nicht appetitanregend, und guckten zu, wie Opis Essstäbchen schnitzten, aus Betelnussholz. Das war wirklich ein sehr lohnender Ausflug, der nette Bruder lächelte die ganze Zeit und fuhr uns geduldig herum, ich hätte nochmal acht Stunden ausgehalten. Ich bin dann erstmal ins Caphé, weil so eine Bootstour ziemlich müde macht, und hier sind sie nun völlig verrückt mit Kaffee und Tee! Hier kriegt man den Eiskaffee und dazu die Kanne heißen Tees, und wenn man den Eiskaffee halbwegs fertig hat, gießt man mit Tee auf, trinkt dann dieses Gemisch! Es geht durchaus, aber ein bißchen seltsam fand ich das schon! Nee, so wirds gemacht, sagt Ha. Erst den süßen Kaffee, und dann mit dem bitteren Tee nachspülen. Andere Länder, andere Sitten!

CANTHO

39 Männer und Frauen 16.03.2005 13.55 Uhr Ich dachte schon, ich hätte es geschafft, wirklich mal der einzige Touristenmensch zu sein, in einer immerhin 200.000 Einwohner-Stadt namens LONG XUYEN, aber dann sah ich da so einen sitzen, groß, blond, mit Rastahaaren und freiem Oberkörper, umringt von etwa 20 Einheimischen, Jungs natürlich, die gerade dabei waren, ihm was anzudrehen, und ich beeilte mich, weiterzukommen. Ob der als Tourist zu werten ist, weiß ich auch nicht, weil der geistert bestimmt schon seit zwei Jahren in Thailand rum, auf Magic Mushrooms oder sowas hängengeblieben. Ich muss mich durchaus als Wunderwesen hier betrachten lassen und die Babyhalterei hat auch wieder angefangen. Eins hieß „Hip-Hop“, auf vietnamesisch „Gau“, und der Großvater erzählte stolz, dass seine Tochter zwar das Baby, aber keinen Ehemann habe. Ich hätte gern gesagt, ich hab auch keinen Ehemann, aber einen Sohn, der heißt nicht Hip-Hop, der macht Hip-Hop, und bei uns ist das völlig normal,aber das hätte ja wieder keiner verstanden. Das Frauen hier keine Ehemänner haben zu ihren Kindern, ist die absolute Seltenheit. Und siehe da, es tritt auch gleich der Großvater in Kraft, der alle Entscheidungen zu fällen hat. Solange die Kinder klein sind, werden Jungen und Mädchen absolut gleich erzogen. Dann mit 14,15 wird alles anders- die Mädchen dürfen nur noch raus, wenn der Vater oder der Ehemann es erlauben. Die Frauen arbeiten, draußen oder im Haus. Interessant ist, dass alle Ruderboote von Frauen gerudert werden, wenn‘s aber einen Motor hat, kommen nur noch Männer ans Steuer! Die Frauen rackern sich ab, während die Männer im Kaffeehaus sitzen und Mahjong oder Karten spielen. Und Männer kriegen stets das größere Stück Fleisch, wie in den 50er Jahren in deutschen Küchen. Männer kriegen auch alles billiger- ein alleinreisender Australier kriegt durchaus mal ein Zimmer für 4 Dollar, wo ich 13 bezahlen muss. Das ist die ganze Zeit so, da kann man nix machen. Frauen trinken keinen Alkohol und rauchen nicht, dafür raucht allerdings jeder männliche Vietnamese mit spätestens 10 Jahren. Ich hab nie gesehen, dass einer Frau die Tür aufgehalten wurde oder der Koffer getragen oder das jemand aufsteht für eine Frau- ja, die kann sogar mit dem vollbeladenen Motorrad umkippen, da hilft kein Mann wieder auf! Frauen hier sind die Lasttiere, die Esel, denen alles aufgebürdet wird. Und so sehen sie auch aus. In diesen unglaublich hässlichen Polyesteranzügen in komischsten Farben und Mustern, während die Männer ganz normal Jeans und Polohemden tragen. Am schlimmsten wird es in der Schwangerschaft: während die Daddys bleiben wie sie sind, kriegen die Frauen bombastische Hänger mit groß „Winnie the Pooh“ drauf an. Männer haben allerdings eine Marotte, die klappen alle ihr Hemd bis unter die Achseln hoch, das ist hier grad so Mode.

LONGXUYEN

40 Vermissen 20.03.2005 16.25 Uhr Heimweh kenn ich nicht. Eher das Gegenteil, für das es kein Wort gibt: Unbehagen, nach Hause zu müssen! Das hatte ich schon immer. Wenn der Zug über die Elbbrücken eintrudelt, fang ich an zu weinen. Ich will da einfach nicht hin. Und bin doch immer dageblieben, seltsam! Jetzt ist es bald soweit, und ich weiß schon, wie ich alles hier vermissen werde. Im Grunde vermiss ich jetzt schon, zB HANOI, wo alles so anders aussieht, und Laos, wo ich noch gar nicht war, und den quittegelben Mekongfluss. Ich werde die hübschen Haare der Mädchen vermissen, den Singsang dieser ungewöhnlichen Sprache, die Fischgräten im Schuh und die Räucherstäbchen, über die man stolpert, weil die überall einfach so in den Boden gesteckt sind, und sogar den Geruch von verbranntem Plastik. Die Hinterhöfe, in denen man sich wahnsinnig verlaufen kann- diese engen kleinen Gassen, Gängeviertel, in denen alle Türen auf sind und die Männer Karaoke singen und die Frauen Gemüse putzen, nach Tagen geordnet- mittwochs Chilischoten, donnerstags Schalotten, freitags Knoblauch. In jedem Haus das Gleiche, Berge von Material wird da verarbeitet, und wenn ich da vorbeischleiche, machen sie Witze, dass ich mithelfen soll. Und sie lachen ganz viel, und ich würde wirklich sagen, dass 90% der Menschen hier glücklich sind und richtig zufrieden mit ihrem Leben, dass ist so schön anzugucken. Weil es nämlich bei uns nicht so ist, da ist es geradezu umgekehrt. Ich vermisse sicher nicht die menschgewordenen Kamele in Backpackerform mit ihren mitgeführten Wasservorräten, die hier in HCMC ein bisschen überhandnehmen- es gibt halt dieses eine Viertel, da sind sie reingestopft- am besten geht man da gar nicht erst hin. Da gibts aber die billigen CDs, und die leckeren Fruchtshakes, und die Ausflüge zu den Cochitunneln und dem Caodai-Tempel. Also manchmal muss man da vorbei, aber an alle, die demnächst hierher wollen, wohnt lieber in der DUONG LY VAN TRUNG- da gibt es tolle Hotels und man ist die Kamele los. Manches wird es sicher nächstes Jahr schon nicht mehr geben: Monkeybridges zB, und Papiertüten, handgemalte Schilder und Hydrofoils mit Rosengardinen, Rosenteppichboden und Rosenbezug auf den Polstern. Und irgendwann sind auch die Opas in den Schlafanzügen verschwunden und die geldzählenden Omas mit den schwarzen Zähnen! Leider kann man die nicht reanimieren, wie man es mit vom Aussterben bedrohten Tieren macht! Bald heiraten auch hier alle in Weiß, noch gibt es für jeden Wochentag eine Farbe- froschgrün, sonnengelb, ultramarinblau usw. Es wird sicher noch ein bisschen dauern, bis hier alles aussieht wie bei uns, aber die Tendenz ist schon vorhanden. Das sieht man an den Hotelzimmern, wenn die neu sind, dann könnte man meinen, man wäre im IBIS am Göttinger Hauptbahnhof.

41 Karaoke 20.03.2005 16.46 Uhr Das war mal ne komische Verabredung! Schon die Zeit, zu der ich bestellt wurde, 5.15 pm in den District, wo Linh wohnt, 25 km außerhalb, in eine Strasse mit der Nummer 190. Ich denke natürlich, ich werde jetzt der Familie vorgestellt und bringe Kekse mit und Alicia Keys-CDs für Linh, aber als der Bus nach einer Stunde ankommt, ist der Treffpunkt nur ein Copyshop-Kiosk und noch niemand zu sehen. Wildes Treiben herrscht hier in District 2, man kann sich ja kaum vorstellen, dass es noch wilder geht, aber es ist Samstag nachmittag und die Leute sind wie unter Strom, noch jünger, noch lauter, noch quirliger. An der Strasse ein Kaputzenpulloverladen am anderen und aus jedem tönt laut die Musik, von der mein Vater immer sagt, „den kenn ich, der fährt hier immer vorbei“! Na, und da kommen sie angewackelt- Linh, ihre französich- chinesische Kollegin Yang (wird gerade für den chinesischen Markt eingearbeitet und versteht auch kein Vietnamesisch, erst ein paar Tage da und sieht verdammt lesbisch aus), eine kleine Freundin, eine große Freundin und Linhs 9-jährige Nichte. Und nun solls gleich losgehen mit Karaoke. Hatte ich mir gewünscht, allerdings mehr so für den Abend. Wir verteilen uns auf drei Motorbikes und auf gehts, in diesem jungen Viertel reiht sich eine Bar, ein Coffeeshop an den nächsten, und wir sind bald angekommen. Karaoke ist hier ja immer in Separees; wir klettern in einen muffigen Keller, nebenan singen schon ein paar Jungs, die Anlage wird angeschmissen und es ertönt „Lady in Red“! Die Große fängt gleich an zu singen, und die wird dann auch 2/3 aller Lieder allein schmettern, aber erstmal werden Getränke und Knabberkram und Pomelos gebracht, während wir die Kataloge durchgeblättern. Ich hätte gern „Beautiful“ von Christina A., aber sowas Modernes gibt es gar nicht. Die englische Liste zeichnet sich durch richtige Schnulzen wie Lovestory, Woman in Love, Killing me softly usw. aus. Die Chinesin hat Schwierigkeiten, was zu finden, nimmt dann „Born in the USA“ von Bruce Springsteen. Eigentlich wollte sie gern, das ich mitsinge, aber das Lied kann ich überhaupt nicht. Der Raum ist der typische Partykeller- mit wildem Gipsgeschmier an der Decke, eine Wand ziert ein Seestück mit bunten Fischen, selbstgemalt, die andere hält noch Reste einer 70er-Tapete fest. Es gibt ein langes beigefarbenes Ledersofa, auf dem wir aufgereiht sitzen und immer mit den Mikrofonschnüren in Tüdel kommen. Das Kind singt auch, obwohl es sich erst auf ‚shy‘ gestellt hatte, aber mit Hilfe der großen Sängerin geht es dann prima ab. Zum Schluss grölen wir „Happy New Year all together“, also es ist schon ziemlich lustig. Nach einem kleinen Imbiss in einem sehr ländlichen Gartenlokal (wo sich herausstellt, dass die Chinesin die asiatische Küche nicht mag, die ist ja nun auch erst 22 und aus Paris) gehts weiter in die Disco. Das hatte ich mir auch gewünscht, mal richtiges Nachtleben kennen zu lernen. Der Club heisst N-Bar, das N ist aus einem Notenschlüssel herausgemalt, drinnen ist es finster bis auf flitzende Scheinwerfer, was wohl verhindern soll, dass man die Preise auf der Getränkekarte erkennt. Wir werden auf Barhocker gepflanzt, die so dicht stehen, dass die zahlreichen Bedienungen nicht mehr durchpassen und einen dadurch immer fast umschmeißen, und gleich bekommt jede von uns ihr eigenes Fräulein, das dann auch die ganze Zeit betreut, dh. zum Trinken animiert, Eiswürfel nachfüllt, das Bier immer wieder bis an den Rand des Glases einkippt, kalte Waschlappen heranschafft, aber eigentlich in erster Linie nervt. Aus den Waschlappen faltet die kleine Vietnamesin, die sich bisher noch nicht so viel hervorgetan hatte, entzückende Entchen, mit Schnabel

und Augen und allem. Die beiden DJs rattern die Loveparade 1986 rauf und runter, in einer verbotenen Lautstärke- wir müssen uns jedenfalls Zettel zuschieben, um uns zu verständigen. Getanzt wird nicht, es gibt auch keine Tanzfläche. Nun will die Chinesin, die aus Paris regelmäßiges Ausgehen gewohnt ist, aber unbedingt tanzen und findet auch am Nachbartisch gleich Mitstreiter, wilde Jungs, und auf einmal wirbeln überall zwischen diesen viel zu eng gestellten Tischen Leute herum. An mir, als eine aus einem Tanzland kommende Touristin wird auch schon gezerrt, aber ich hab viel zu viel dabei und schon mal eine Handtasche verloren, als ich unbedingt tanzen musste- das passiert mir nicht noch mal- und da kommt auch schon der Securityservice und weist die Leute in ihre Schranken: hier wird nämlich nicht getanzt! Jedenfalls nicht in den Gängen. Als jemand übereifrig die Bühne entert, wird er auch unsanft heruntergeschubst, aber es ist alles so außer Rand und Band, dass die Aufpasser Mühe haben, es wieder in den Griff zu bekommen, und die Chinesin tanzt auch einfach weiter, als verstehe sie nicht. Dann kommt aber plötzlich son Schnulzenfutzi und Trockeneis und es werden herzerweichende Lieder vorgetragen. Das Publikum beschenkt den Sänger mit selbstgebastelten Papierrosen in denen Scheine stecken. Danach kommt ein Komikerduo, über das aber von uns niemand lacht, und dann wird ein Glücksrad auf die Bühne geschoben und eine Lotterie beginnt, die einige Anwesende wieder zu solchen Begeisterungsschüben hinreißt, dass die Hauspolizisten erneut eingreifen müssen. Man darf zB nicht von seinem Hocker aufspringen und mit den Armen rudern! Und man darf nicht fotografieren, was ich sehr schade fand. Da gab‘s nämlich einiges zu sehen. Die freche Chinesin hat dann doch schnell mit ihrem Handy geknipst, oje das gab Ärger! Es waren übrigens auch Kinder anwesend in der sogenannten Diskothek. Einige hatten gemischte Obstteller vor sich stehen. Ach, die Fernseher hab ich noch vergessen. Es lief nämlich ein Fußballspiel von Manchester United in mehreren Ecken und auf einer großen Leinwand vorn an der Bühne. Multi-Entertainment. Am Ende ging dann die Musik wieder an und die Chinesin begann sofort, ihren Körper zu schütteln- dann eskaliert das aber, weil zwei Jungs, die schon immer mitgeschüttelt hatten, plötzlich unsere Frauen anmachen wollten, und alles wurde so anstrengend und man beschloss, zu gehen. Nun war es auch schon 11, und um 12 macht ja hier eh alles zu, und die Chinesin und ich mussten auch noch eine Stunde mit dem Taxi fahren. Dabei hat sie mir erzählt, dass sie so gern mal zur Loveparade nach Berlin kommen würde - in Paris gibts nur sowas wie Christopher Street Day, und tatsächlich hat sie gerade mit ihrem Freund Schluss gemacht weil sie lieber mit Mädels ausgehen will, und sie mag Hiphop und Daftpunk und die Gruppe Nightwish. Und sie möchte lieber da ausgehen, wo Europäer sind! Na, dann mal viel Spaß!

42 Abschied 22.03.2005 02.58 Uhr Wir hatten so einen sauguten Abend, die kraftstrotzende Franko-Chinesin namens Yang, Linh und ich. Das junge Ding hat so richtig den Kerl raushängen lassen mit uns beiden Tussis, köstlich, und Linh war zum ersten Mal nachts aus, seit sie wieder bei ihrer Familie lebt, musste allerdings einmal in der Stunde mit ihrem Bruder telefonieren und wurde letztendlich vom Fahrer der Familie nachts um 2 Uhr abgeholt. Wir versuchten sie zu einer Ho-Chi-Minh- Übernachtung zu überreden, was viel einfacher gewesen wäre, das war aber nicht drin. Wir waren bestimmt in 15 Bars (von denen Linh immer behauptet hatte, dass es sie gar nicht gäbe). Die Chinesin hat aber gleich den französischen Chef angerufen, der kenne sich aus. Sie hat sogar nach einer Gaybar gefragt- nee, nee, für eine Bekannte, meinte sie auf seine Nachfrage hin - da sagte er allerdings, in sowas gehe er nicht. Die ist ganz schön frech, die Chinesin. Wir wurden dann auch von ihr in ein chinesisches Lokal eingeladen, da hab ich den leckersten Fisch meines Lebens gegessen, das war so einer, den ich früher in klein im Aquarium hatte- Goupy: mir ein Rätsel, wie die den so groß und weich hingekriegt haben, der war wie Butter ohne zu zerfallen, mit niedlichen Lauchzwiebel- Sträußchen durch rote Chilistreifen zusammengehalten, garniert. Yang hatte dann vom Taxi aus Dragqueens gesehen auf der Straße und Linh kannte sowas gar nicht und hat uns auch nicht wirklich geglaubt. Dann wurden wir so richtig toll von einem Taxifahrer übers Ohr gehauen, fand ich gut, dass die Einheimische das auch mal erlebt, sonst guckte sie immer so zweifelnd, wenn ich was davon berichtete. Zu guter Letzt hingen wir dann in einer Hotelbar im 11. Stock rum, draußen, mit Blick auf den Mond, der immer noch falsch herum lag, nämlich auf dem Rücken und nicht auf der Seite wie bei uns, die Sterne und die flackernden Lichter der Stadt. Konnte ich mich schon mal gewöhnen. Vorher waren wir in einer Disko, wo überwiegend Eminem gespielt wurde, allerdings mit Einwürfen von DJ-Ötzi-artigem und was weiß ich nicht allem. Mixen ist nicht, find ich auch gar nicht schlimm, aber auch die Stücke passten nicht zusammen, und so entstanden immer große Wechselpausen auf der Tanzfläche. Wie früher beim Tanzschulentanztee. Aber es tanzten ohnehin fast nur Touristen und wurden von den Einheimischen milde belächelt. Die Tanzfläche wurde von vier Polizisten bewacht, die mit scharfem Blick das Geschehen verfolgten. Wovor die bloß Angst haben? Nun muss ich mich sputen, mein Flugzeug zu erwischen, Hongkong wartet schon auf mich. Würd allerdings grad am liebsten hierbleiben. Mein Koffer ist schwanger, kein Wunder, denn jetzt sind es ja schon zwei!

HO-CHI-MIN

43 Gelandet 22.03.2005 15.27 Uhr Jetzt fängt praktisch eine neue Reise an. Eine in den gewohnten Ausmaßen, 10-Tagestour. Ich war so müde, dass ich kaum gemerkt hab, wie ich hierhergekommen bin. Dicke Stewardessen und die Musik von Annie Nightingale auf Radio Cathay Pazifik hat mir gute Laune gemacht (Scissor Sisters, LCD-Soundsystem) und das Flugzeugmenü, was ich sonst strikt meide, schmeckte hervorragend. Draußen klappt alles wie am Schnürchen. Alles ist perfekt durchorganisiert, die Leute sind auf mechanische Weise freundlich, nicht unangenehm, ohne Schnörkel halt. Antworten genau das, was man gefragt hat und gucken gleich wieder weg. Vielleicht sind sie sogar ein bisschen fremdenfeindlich, aber trotzdem korrekt. Gleich ne Oktopuskarte gekauft, das hatte mir Tokio-Ken noch geraten, da kann man dann überall mit bezahlen, vor allem die vielen unterschiedlichen Verkehrsmittel, die nur abgezähltes Geld nehmen, und muss nicht immer nach Münzen kramen. Dann das laut Reiseführer kostengünstigste Hotel angerufen (hier in Hongkong telefoniert man umsonst im Stadtbereich!) und gleich bekommen. Mit dem Flughafenbus hingetuckert. Mein Gott, diese Berge, das Wasser überall, und die Wolkenkratzer, die allerdings nicht so putzig aussehen wie in NY., sondern gammelig und einfallslos. Sind ja auch meist Wohnhäuser, die ich bisher zu Gesicht bekam. Eins steht so schief wie der schiefe Turm von Pisa. Das Hotel ist schlimmer, als ich es mir vorgestellt habe- für 40 Dollar ein Bett mit etwa 50 cm Platz drumherum- kein Schrank, in dem man seine Kleider aufhängen kann, dafür aber ein Badezimmer, das war mir wichtig. Ohne kostet nur 30 Dollar. Fenster gibt es auch nicht wirklich, das ist ja bei Hochhäusern so, die stehen hier so dicht, dass man eh nix sieht. Kann man schon mal üben für die Schlafsärge in Tokio für 100 Dollar! Dafür sauber, kein Ungeziefer und frische Bettwäsche, hatte man in Vietnam durchaus nicht immer! Draußen ist eine unglaubliche Ruhe, mitten im Einkaufscentrum! Keine Autos und schon gar keine Motorbikes! Nur Busse, Straßenbahnen und Taxen. Die Chinesen sehen alle bitter aus, streng, zu ernst. Das ist ganz schön hart, nach diesen glücklichen Vietnamesen! Und die Chinesen sind auch nicht hübsch, jedenfalls nicht für meinen Geschmack. Dafür sind die jungen Leute superschrill angezogen, kopieren den Japanese Style! Mehr kann ich noch nicht sagen, ich bin so müde, dass ich gleich umfalle! Und das ist auch gut so.

HONGKONG

44 Überwachung 23.03.2005 15.33 Uhr Es war kein Mucks zu hören in meiner Schlafkiste, also ratzte ich bis in die Puppen. Sowas wie Tageslicht war auch nicht zu erwarten, man konnte erahnen, dass es nicht mehr Nacht war, und der Fernseher- ja, ich habe in diesem Nichts von Raum einen kleinen billigen Fernseher mit etwa 24 Kanälen, zeigt nicht mehr das schöne Testbildprogramm, das mir immer als Aufstehhilfe diente. Beim Durchschalten auf Kanal 10 ein viergeteiltes Schwarz-Weiß-Bild; wenn das mal nicht unser Haus ist: unser Eingang, unsere beiden Fahrstühle und der Nachtportier! Und da steigen auch schon welche ein, und zu die Tür, und auf die Tür, und die nächsten bitte. Der Fahrstuhl ist verspiegelt, die Leute zupfen an ihren Haaren und ziehen ihre Pullover glatt. Da steigen sechs Polizisten in Fahrstuhl A, was die wohl hier wollen?, und in B werden Matratzen hineingezerrt. Gleich bin ich selber da zu sehen. Als erstes Geld holen. Die ersten 100 Dollar schon futsch. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie unglaublich viele Geldautomaten es hier gibt! Praktisch an jedem Hauseingang. Mein Block, das Paterson-Building, ist praktisch ein Einkaufszentrum, unten Max Mara und Starbucks, zwei Kinos, allerdings nur chinesisch, und reichlich Restaurants, in denen es kalt ist wie in Tiefkühltruhen. Ich war sowieso das einzige Dummi, das hier im T-Shirt läuft, noch voll auf HCMC-Temperatur. Die Läden machen hier erst um 10 oder um 11 auf. Mein Hotel liegt auf HONGKONG ISLAND, Causeway Bay, sehr zentral, kann man nicht meckern. Ich steige in die Straßenbahn, ein hölzernes Ungetüm, doppelstöckig, sehr altertümlich zwischen all dem Chrom und bin zufällig in der richtigen Richtung zur Fähre, das hatte ich ja in meinem Roman gelesen, das man hier immer Schiff fährt, von einer Insel zur anderen, dauert 7 Minuten, mit bester Aussicht auf die Skyline, als erstes will ich nach KOWLON. Diese Stadt ist eine einzige Shopping-Mall, mit Bergen drumrum und dem Meer in der Mitte- es gibt so pervers viele Läden mit so pervers teuren Sachen, und die größte Restaurantdichte weltweit in einer Stadt! Also siehts in KOWLON auch nicht viel anders aus als bei mir in CENTRAL! Ein Hochhausbuilding per Block und unten drin Shoppingcenter. An jedem zweiten klebt so ein Bambusgerüst wie ich sie schon im Fernsehen sah, auf dem die Arbeiter herumklettern wie im Zirkus, da wird mir ganz anders beim Hingucken. Zwischen die Wolkenkratzer in die Ritzen sozusagen sind kleine Gemüse- und Klamottenmärkte gestopft, wo man nass wird von den tropfenden Klimaanlagen der Hochhäuser, und wo es dunkel ist und unappetitlich riecht. Im Gegensatz zu den Untergrundbahnhöfen und anderen öffentlichen Plätzen, wo mit leckeren Düften wie Erdbeer oder Sandelholz gesprüht wird. Und überall Überwachungskameras, in fast allen Restaurants, auf Plätzen, in den Verkehrsmitteln. Viele seh ich wahrscheinlich auch gar nicht. Die Restaurants sind denkbar ungemütlich, zu hell, zu kalt. Alles Ketten, aber das Essen schmeckt meistens. Nur zum gemütlichen Postkartenschreiben nicht geeignet. Ich sitz ja gern mal irgendwo rum! Die Hygienevorschriften haben ja leider die Straßenhändler völlig ausgerottet, es gibt hier keine brutzelnden Muttis mit Stühlchen auf der Strasse. In KOWLON guck ich mir als erstes Chunking Mansion an, dort hat Tokio-Ken genächtigt, das ist sozusagen die Alternative zu meiner Unterbringung, allerdings mit Ratten, Kakerlaken, steckenbleibenden Fahrstühlen und Drogenverkäufern inklusive. Von außen sieht es aus, als könne da gar keiner mehr rein- schon durch den Eingang könnte ich nicht gehen- die Scheiben sind blind und zerschlagen, alles sieht finster aus, auch die Typen, die hier ein- und ausfliegen. Da hab ich schon

die bessere Wahl getroffen. Ich krieg sogar jeden Tag ein frisches Handtuch. Wenn ich mein Hotel die Zeit über aushalte, werde ich mich mit einer Handtasche belohnen. Gesehen hab ich sie schon. Oder ich ziehe für die letzten drei Tage um, damit es sich lohnt, muss ich mit 200 Dollar die Nacht rechnen. Dafür kriegt man schon ne schicke Tasche! Was meint ihr- Tasche oder Hotel? In KOWLON gab es dann gleich noch einen Mochi-Laden. Mochis sind kleine Kuchen aus Japan, aus Klebreismehl hergestellt in aufwendigster Zubereitung, bei uns gibt es das gar nicht- kenn ich aus Los Angeles, und es ist wahrlich das Tollste für mich. Die sind in so hübsche Papiere verpackt, als Früchte dekoriert oder als Drachen, klein wie Pralinen, man kann auch ganze Geschenkkartons davon kaufen. Da musste ich dann erstmal einige probieren, es gibt welche mit ner echten Kirsche in der Mitte, oder Maronenmus- und außen ist es weich und leicht glibberig, und süß aber nicht so richtig, unbeschreiblich eigentlich. Im Grunde sind es Kunstwerke. Von KOWLON aus mache ich mich auf zum Viktorias Peak. Hier ist alles so gut ausgeschildert, dass man ohne Mühe überall hinfindet- genial, diese Organisation und kein Wunder, dass die Chinesen so auf dem Vormarsch sind, die scheinen wie geschaffen für diese Zeit. Alles funktioniert wie geschmiert. Auf den Peak fährt eine Seilbahn, es geht so steil hoch, dass einem schlecht wird, aber im Gegensatz zu Vietnam, wo egal ob Bus, Schiff oder Fahrstuhl, alle immer kotzen müssen, verzieht hier keiner eine Miene. Sind aber auch wohl hauptsächlich Touristen. Oben genießt man dann den Blick, es ist allerdings sehr bewölkt und diesig, ein Foto lohnt kaum, und ich mache mich gleich wieder an den Nepplokalen vorbei auf den Rückweg, diesmal zu Fuß, der sehr steil bergab führt, an reichlich tropischen Pflanzen vorbei. Einige philippinische Hausmädchen kommen mir entgegen, schleppen Einkaufstüten hinauf- kaum zu beneiden! Und andere führen Hunde aus, immer gleich fünf an einer Leine. Ich muss mich sputen, denn ich will ins Kino- es gibt „Hitch“ zum letzten Mal. Gelohnt hat sich der Film allerdings nicht wirklich, das Beste war der Arsch der Hauptdarstellerin, Eva Mendes. Kevin James, der in King of Queens so großartig ist, hatte hier eine unangenehm übertriebene Rolle, einer der immer hinfällt und sich bekleckert, alles umschmeißt, das tat mir richtig leid und war vor allem nicht komisch. Aber für so einen Urlaubsfilm immer noch unterhaltsam genug. Und ich saß allein im Kino! -Die tröpfelnde Berichterstattung sowie schlechte Beantwortung von Emails ist zu entschuldigen- es gibt hier KEINE Internetcafes und die einzige Möglichkeit für mich ist kostenlos im Hotel, aber begrenzt auf 15 Min.- die Hölle für mich, wo ich sonst mehrmals täglich online war!

Gleich wenn man mit der Fähre ankommt, gibt es ein alteingessenes Dim Sum-Restaurant, aber ohne Wagen, die Omis tragen die Bambuskörbchen auf einem Tablett durch die Leute. Es war alles nur auf chinesisch, ich musste in die Körbe gucken, und die Sachen waren sehr strange...ich hatte dann auch was, aussehend wie Kohlroulade, war aber irgendein ekelig schmeckender Fuß von ich weiß nicht, völlig weich und körnig- ich hätte es am liebsten ausgespuckt- leider saß eine Kleinfamilie bei mir am Tisch, deren 10-jährige Tochter ohnehin schon schlechtes Benehmen zeigte, da wollte ich nicht auffallen. Erstaunlich, dass mir mal was nicht schmeckt! Hab dann gleich n Klebreiskuchen mit Bohnenpaste hinterhergeworfen, dann war alles wieder gut. Später, wieder in der Stadt, in einem der vielen Einkaufszentren, tat sich plötzlich eine Eiskunstlaufbahn auf- das ist schon komisch, da laufen sie ihre Runden und ich sortiere bei Bally die Handtaschen. Eine riesige Bahn, mit Cafés drumherum, kann man drüberspazieren. Ich bin dann in Million-Dollar-Baby, ganz schön erwachsen geworden, dass ich in so einen Film gehen kann. Ich interessiere mich nicht fürs Boxen, auch nicht von Mädels, und das letzte Drittel Euthanasiethema ist auch ganz schön hart, also empfehlen kann ich den nicht. Aber eine gute traurige Stelle gibts, als die Boxerin der Mutter ein Haus gekauft hat, und die Mutter, die im Wohnwagen wohnt, will lieber das Geld, weil sie dann weiter Sozialhilfe kassieren kann. Die Chinesen im Kino, es war ziemlich voll, fanden den Film auch nicht so doll. Ich muss ja gemeinerweise sagen, ich mag die Chinesen nicht so besonders. Die lächeln nie und alles geht so stur geradeaus. Man kann nicht einschätzen, was sie wollen, was sie denken, dabei gibts hier nicht diese Sprachprobleme, aber die wollen gar nicht sprechen. Das ist schon hart. Wenn ich mir vorstelle, dass ich hier leben müsste...

45 Hongkong bei Nacht 25.03.2005 06.56 Uhr Da wird nicht an Strom gespart! Kam vom untersten Zipfel, STANLEY, einer nahezu britischen Kolonie- die haben sich gleich die besten Plätze am Strand gesichert, und fuhr im Kleinbus über Berg und Tal- und die Lichter der Stadt sind wirklich unglaublich! Teilweise sind die Wolkenkratzer mit bunten Birnen versehen, das sieht aus wie Lichterketten, das Meer sieht aus wie ein großer See an dieser Stelle und die Berge hinauf glitzert und funkelt es wie Weihnachten. Dazu noch Vollmond! Im Bus (Thema Überwachung!) riesengroß die Kilometeranzeige neben dem Fahrer, damit alle sehen können, ob er es richtig macht. Und wenn er über 70 kommt, piept es fürchterlich! Bin noch lange spazieren gegangen und mit einer 800m langen Rolltreppe dorthin, wo man ausgeht, aber die Kneipenszene ist nicht so mein Fall, erinnert an Pöseldorf - im Konzertangebot gibts Avril Lavigne und Dianne Krull, naja- werd wohl wieder ins Kino müssen. Es ist Filmfest, dass fühlt sich genauso an, wie wenn bei uns Filmfest ist. Philippinische Filme auf koreanisch mit persischen Untertiteln. Außer dass hier Handys erlaubt sind im Kino und die Chinesen wirklich ununterbrochen telefonieren. Lustigerweise haben die meisten noch den Original-Nokia-Klingelton, ob die gar nicht wissen, das man das ändern kann?- Heute morgen, als meine direkten Nachbarn das Haus verließen, hab ich schnell Kanal 10 eingeschaltet- da konnte ich sehen, so gut man das in krisseligem Schwarz-Weiss sehen kann, was es für welche sind. Ein Paar mit Rucksäcken, er einen großen, sie einen kleinen, chinesische Touristen, eher so der biedere Typus. Die sind auch immer früh in ihrem kleinen Karton und gucken laut TV. Dieses Big Brother-TV hat etwas sehr Anziehendes! Ich bin dann mit dem Schiff auf die Insel CHEUNG CHAU, schnell noch, bevor das Ostergerappel hier einsetzt, die feiern hier nämlich doch son bisschen, und Wochenende ist eh alles in Bewegung. Hier auf der Insel ist es wie in einem portugiesischen Fischerdorf- es gibt ja auch diese kleinen gelben Kuchen und es riecht so mittelmeermäßig. Hier ist überhaupt nichts Hongkongtypisches mehr, hier ist China, die Häuser sind klein und bescheiden und die Läden haben mehr so das Strandsouvenirangebot. Hier hab ich das erste Internetcafe entdeckt, und während draußen die chinesischen Familien vorbeibummeln, hacke ich meine Lebenszeichen in die Tastatur.

46 Sie haben mir einen Tag gestohlen 07.03.2005 16.15 Uhr Das war ein langer Ritt zum großen Buddha auf LANTAU. Aber der ist auch riesig: der größte sitzende Buddha der Welt! Gibts denn einen stehenden? Dann musste man Eintritt bezahlen, obwohl man den ja von unten viel besser sehen kann! Im Buddha drin ist es dann nicht so spannend. Chinesen stehen auf, wenn man sich neben sie setzt. Und setzen sich woanders hin. Aber die sind auch keine Fremden gewöhnt. 85% der Hongkonger sind Chinesen, und Afrikaner gibts auch wieder nicht. Dafür Engländer, aber auch nur 150.000, auf 8 Mio. macht das nicht viel aus. War in einem Nachtclub, wo ich mir echtes Nachtleben versprach. DJ Angel spinnt New York-House stand in der Ankündigung, und dass dort strikter Kleidercode herrsche, das ist es nämlich, hier muss man sich aufbrezeln zur Nacht und meine Brezel sind nicht mehr so zahlreich- na ich hab mein Bestes versucht- und da waren dann genau diese 150.000 Briten und Amerika-Touristen, und hübsche junge Chinesinnen höchstens zur Zierde. Die Musik war allerdings vom Feinsten! Dann gibt es noch das Cat House, da laufen echte Katzen zwischendrin und überall stehen Katzenklos und Futtertröge, auch eine Kneipe. Für Nici vielleicht? Beim Buddha Orakel gemacht, das mir gutes Gelingen für die nächste Zeit versprach, und ein heiliges Mahl mit den anderen Ostersamstag- Wallfahrern eingenommen. Aber Kommunikation war auch das nicht. Ich werd verrückt hier. Man guckt durch sich durch. Der Rückweg vom Buddha war großartig: 12 km durch die Berge im Sonnenschein, ganz weit weg sieht man diesen unglaublichen Feng Shui-gesteuerten Flughafen, und die Berge sind so unberührt, kaum zu glauben. Kein Papiertaschentuch liegt da rum, alles 1A! Gut ausgeschilderte Wege, Bänke an jeder Ecke, fast als hätten sie die Aussicht auch extra aufgebaut. Bin dann noch endlich mal zum Filmfest und sah einen wunderbaren kantonesischen Film über ein 20-jähriges Mädchen, das bei seiner Großmutter aufwächst und allerlei Flausen im Kopf hat. Toller Film, sehr modern und neu, wird man wohl bei uns leider nie zu Gesicht bekommen. Und der Regisseur war da, und die beiden HauptdarstellerInnen und es war wirklich wirklich wie bei uns! Seltsam, in dieser so anderen Welt, wie dann die Filmmenschen überall das Gleiche machen. Konnte leider nix verstehen von den Interviews, weil nur auf Kanton. Keine Mühe für die ausländischen Gäste! Ach, jetzt möcht ich noch in ganz viele Filme gehen. Heute gibts „Kamikazegirls“, ein japanischer Film, dafür muss ich bis 23.30 ausharren. Das klingt, als wär es schwierig, aber hier rattern die Stunden nur so durch. Ist so wenig Zeit dran hier an einem Tag, komisch. Und die Leute bewegen sich so latschig, man kommt nicht voran. Und dann noch der Schock! Als ich mein Ticket untersuchte, um mich schon mal einzustimmen auf den Rückflug, begriff ich auf einmal, das 00.25 am 31.3 ja schon am Mittwoch ist, und nicht Donnerstag, wie ich dachte. Ist ja nicht wie Videoprogrammieren, sondern hier gilt Tag ist Tag, und um 00.00 fängt ein neuer an! Sone schöne Scheiße! Jetzt hatte ich alles so gut ausgetimet, was ich hier noch zu tun habe und auf einmal ein Tag weniger! Das passt mir gar nicht! Da hab ich gleich so schlechte Laune bekommen, dass der ganze Sonntag in die Hose ging. Jetzt regnets auch noch.

47 Fass ohne Boden 28.03.2005 16.05 Uhr Fast alle Hongkonger färben sich die Haare. Lieblingsfarbe: brünett! Das ist lustig, weil der Unterschied ist sagen wir mal 5%! Aber vielleicht ja der Anfang von grün oder lila, was durchaus auch einige tragen. Für junge Mädchen ist das Angesagteste der „Lolitalook“ und somit wären wir gleich beim Film „Kamikazegirls“, der war nämlich ganz ganz toll. Handelt von zwei Girls, die eine verehrt Rokoko und hört Johann Strauß auf ihrem Walkman, die andere ist eine moderne Motorradbraut aus einer Mädchengang, die immer auf den Boden spuckt und Grunge-Klamotten trägt. Die beiden mögen sich erst überhaupt nicht, erleben dann aber alle möglichen Zwangsabenteuer, sodass sie am Ende die besten Freundinnen sind. Dieser Film, von einem jungen Japaner gedreht, versucht Comicsprache in Filmsprache zu übersetzen und er ist so voller Überraschungen; das Publikum hat getobt. Zum Start vor einer Woche waren die Hongkongerinnen aufgefordert worden, im Lolitalook zu erscheinen, und 200 Mädels kamen in weißen Kniestrümpfen, Petticoats, Häubchen, Plateauschuhen und Sonnenschirm- der japanische Regisseur war ganz gerührt- er konnte nicht glauben, dass Japan hier so einen Einfluss hat. Aber auch in meinem Kino waren diverse Mädchen so angezogen, und auch Jungs in Samtanzügen mit Rüschenhemden, und als der Film gegen halb 2 zu Ende war, mussten wir alle in Kolonne die elf Stockwerke des Einkaufszentrums zu Fuß hinunterstapfen, weil Fahrstühle und Rolltreppen schon schliefen. Und dann bin ich zum Nachtbus und war in Kürze zuhause- dabei wohn ich sogar auf einer anderen Insel! Ja, hier findet das Leben in Einkaufszentren statt, auch die Brasilianerin mit Baby und Mann, die ich vorher besucht hatte, wohnte in einem Einkaufszentrum, direkt neben Hugo Boss- ich hab den Eingang gar nicht gefunden, weil ich es nicht für möglich hielt, dass man bei Hugo Boss wohnen kann. Man wird hier nicht fertig mit Gucken, Window-Shoppen kann ich ja nur, bis auf die eine Tasche vielleicht, aber die habe ich auch schon ausgeguckt, das andere macht einen wahnsinnig- ist man aus dem einen Ding draußen, nach Stunden, fängt sofort wieder ein neues Shoppingcenter an. Und man muss da auch immer durch! Ich hatte schon Kaufekel zwischendurch, und Glas, Chrom, Rolltreppenekel- aber dann taucht plötzlich so ein Jubiläumsturnschuh von Adidas auf, blaurot mit silbernen Lilien und „I love Paris“ an der Seite- und schon bin wieder auf dem Kiwief. Der Schuh war natürlich ausverkauft, und obwohl in meiner Größe, dieser eine nur noch zur Dekoration. Als wirklicher Shopping-Addict würde man jetzt die 11000 Shoppingzentren Hongkongs systematisch durchflöhen, aber mir bleibt ja gar nicht genug Zeit. Ich geh lieber zum Tempel der 1000 goldenen Buddhas. Gleich hinter KOWLON, in den sogenannten ‚NEW TERRITORRIES‘ wirds richtig chinesisch. Plötzlich verdoppelt sich die Anzahl der Menschen, ein Gewimmel wie im Ameisenhaufen und alle tragen Beutel, Tüten, Taschen mit sich rum. Die, die mit mir zum Tempel ziehen, haben zu dem noch Blumengestecke und riesige Papiergebilde in Form von Reissäcken, Schuhen, Hemden mit goldener Uhr, Radioapparaten, alles zum Verbrennen dabei. Oben werden dann liebevoll Pakete zusammengestellt und in die schon vorbereiteten Öfen geworfen.

Ein mächtiger Qualm kommt da zusammen. Ich bin schnell wieder in die Bahn, die neuen Territorien erkunden. Auf dem Bahnhof eine Durchsage: „To keep the station clean, don‘t give any money to the beggars!“ Ich fahre bis Entstation, und siehe da, da war schon China und nun war ich ausgestiegen und hatte doch gar keinen Pass dabei. Das war ein Theater. Ich sollte jetzt in China bleiben, bzw. in dem Stück dazwischen- aus HONGKONG war ich aus Versehen raus, in das andere durfte ich ohne Visum gar nicht rein. Wusst ich auch nicht, das die da son Bohai drum machen. Bis die mich wieder zurückgelassen hatten, war schon wieder ne Stunde vergangen. Aber immerhin keine neuen Einkaufsverlockungen, da in China soll es nämlich die ganzen Kopien geben. Und da sah ich auch die Ameisen schon zurückkommen, alle mit ihren Tüten und Taschen, der Zug war so voll, dass die Leute von draußen reingestopft werden mussten, und das im Zweiminutentakt.

48 Die Zeitfresser sind hinter mir her 29.03.2005 16.27 Uhr Ich kenn das schon. Die letzten beiden Tage darf man sich gar nichts mehr vornehmen, das wird nie was. Fing schon damit an, dass nachts- ich war schon im Schlafanzug- einer an meine Tür klopft und meinte, er hätte dieses Zimmer gemietet und ich sollte woanders hin, nach nebenan, da wo er jetzt ist. Und ich: Nee. Aber der Chinese ließ nicht locker. Doch, er sei jetzt schon drei Tage in diesem Loch nebenan, und es sei ihm zugesagt blabla. Und ich: Aber ich fahr sowieso am Mittwoch. Dann könne er das Zimmer haben. Er: No, ich soll morgen tauschen, Mister Sam hat gesagt, er kriegt dieses Zimmer und nun ist er schon... so ging das eine ganze Weile, bis ich dann die Tür zugemacht hab. ( Hoffe, meine Sachen sind noch da, wenn ich heute nach Hause komm!) Der neben mir fing jedenfalls wahnsinnig an zu rumoren und ich war auch völlig durcheinander von diesem Erlebnis und konnte nicht mehr schlafen. Daraufhin konnte ich dann auch nicht rechtzeitig aufstehen, wo ich doch mit dem Schiff ganz früh nach MACAO wollte. Fahr ich eben später mit dem Schiff nach MACAO. Am Pier angekommen, wollen hunderte Chinesen auch nach MACAO, und obwohl die Fähre alle 15 Min. fährt, musste ich drei abwarten. Dann blieb das Schiff eine Stunde im Meer stehen wegen Nebels. Es ist nämlich hier jetzt kurz vor Regenzeit und die Luftfeuchtigkeit beträgt 98%. In MACAO angekommen, weiß ich gar nicht, was ich da soll. Ich will unbedingt um 7 schon wieder im Kino sein, und also hab ich nur zwei Stunden Zeit, da kann man keine großen Sprünge machen, vor allem nicht ins Spielcasino und auch nicht auf die anderen Inseln und ein portugiesisches Café finde ich auch am Schulterblatt. Stattdessen lande ich mit meinem Bus, in den ich in Panik eingestiegen bin, wieder an der chinesischen Grenze, die es hier nämlich auch gibt. Dafür ist auch keine Zeit. Immerhin entdecke ich ein kleines brasilianisches Lokal, indem es interessante Gespräche von interessanten Frauen zu belauschen gibt und das Essen ist mal was anderes. Draußen kann ich mich auf gar nichts konzentrieren, weil ich immerzu denke, ich muss gleich wieder weg. Und bewegen mach ich mich auch nicht, denn ich muss ja alles wieder zurück. Also kann ich auch gleich wieder das Schiff nehmen. Im Grunde muss ich mich schon wieder beeilen, um zum Kino zu kommen. Hier muss man immer endlose Über-oder Unterführungen gehen, das dauert. Für Fußgänger ist es nämlich nicht gemacht, Hongkongs City, alle Straßen sind wie eingezäunt, und manches Mal hatte ich mich in das gefährliche Unterfangen gestürzt, einfach drumrumzuklettern. Denn der Film war wichtig. Es ging um einen Transvestiten, der auf Festen tanzt, in Peking, und um Homosexualität- was hier noch ein ganz anderes Thema ist- zB wurde da mal das ganze Lokal verhaftet, in dem er getanzt hat und erst am nächsten Nachmittag wieder freigelassen. Der Film war halb dokumentarisch und halb erfunden und der Regisseur war da und es wurde auch wieder geredet und sogar übersetzt. Ich war froh, dass ich da war, ich hab auch was gefragt. Weil der Junge nämlich am Ende Selbstmord macht und das gibt dem Ganzen so einen depressiven Anstrich. Aber der Autor hat mir eine befriedigende Antwort gegeben. Jetzt geh ich Kofferpacken. Hoffentlich passt alles rein.

MACAO

VIENTIANE50 Oooops, I did it again24.10.2005 08.09 Uhr

Seit einer Woche zurück in Hanoi. Es riecht nach Anisplätzchen. Mit welchem Selbstverständnis ich mich mittlerweile durch die Straßen tummel merk ich daran, dass ich kaum mehr angesprochen werde. Fragt doch einmal jemand „What are you looking for“ antworte ich „just for you“ und man lacht sich kaputt. So frech war ich letztes Mal noch nicht. Das Lachen tut gut. In Hamburg gibts ja kaum was zu lachen. Hier kommt das Geld aus der Steckdose und das Essen läuft gebraten auf der Straße herum. Ernähre mich hauptsächlich von „Banh Cuon“, etwas, das ich nicht nachmachen könnte. Es gibt jetzt kleine Plastikampeln an ziemlich jeder Ecke. Sind allerdings meistens aus. Trotzdem ist der Verkehr leichter und flüssiger geworden, alles tanzt. Den Hühnern soll man ausweichen, was nicht ganz einfach ist, denn hier laufen sie wieder und werden gegessen. Und jeder, der dir Geld herausgibt, könnte vorher ein Huhn geschlachtet haben. Aber die Hühnergrippe ist ja nun auch in Europa und nicht mehr hier, niemand schert das noch. Dafür können sie bei uns endlich die Freilandhaltung verbieten, ist das nicht schön- ein Hoch auf die Legebatterie! Die Freiheit der Natur ist an allem Schuld! Im Fernsehen kommt Werbung für die „Hello Kitty“-Hochzeit. Es gibt Brautkleider mit rosa Katzenköpfen auf dem Rock, bombastische Haarkronen, riesige Hello Kitty-Torten und Hello-Kitty-Kostüme für das Personal, das auf deiner Hochzeit bedient. Wär ein Grund für mich, zu heiraten. Die Mädchen auf den Motorbikes tragen jetzt Blusen, da ist der Mundschutz schon in den Kragen eingearbeitet, mit überlangen Ärmeln, die man per Klettverschluss um die Hände wickeln kann. Also gibt es auch hier nach sechs Monaten einiges Neue zu entdecken. Aber noch immer hab ich keinen einzigen Asiaten gesehen, der seine Essstäbchen mit links hält. Es beschämt mich, wie ich dafür angeguckt werde, aber anders krieg ichs nicht hin. Auf auf mit der sagenumwobenen Lao-Air nach VIENTIANE.

51 Sabaidee27.10.2005 11.02 Uhr

So sagt man hier für „Guten Tag“. In Laos, wo ich vor ein paar Tagen mit dem Flugzeug gelandet bin. VIENTIANE, die Hauptstadt, die nicht viel mehr ist als ein großes Dorf, schien mir unzugänglich. Und wieviele Touristen! Dafür, dass man dieses Land erst seit kurzem bereisen kann, tummelt sich hier die halbe Welt. Und im Gegensatz zu Vietnam, wo sie gar nicht auffallen in dem Gewühle, oder Kambodscha, wo ich mir einbildete, alle Reisenden seien Intellektuelle und an der Historie interessiert, ist es hier Ballermann pur. Dumpfe alte Männer drehen ihre Runden. Mag sein, dass die von Thailand rüberschwappen, das von VIENTIANE nur durch den Mekong getrennt ist. Oder ist es das Beerlao, dass einem gleich in 0,7l-Flaschen auf den Tisch gestellt wird? Jedenfalls nicht meine Kragenweite, auch wenn es schön war, abends am Mekong geplättetes Huhn zu essen und das orangerosa Farbenspiel zu verfolgen, bis der Fluss wie eine schwarze Lackfolie bewegungslos dalag. Und dann ist es mal eben 19 Uhr. Und nun? Am ersten Abend hatte ich Glück. In der pompös goldverzierten von China gestifteten Kulturhalle fand anlässlich 50 Jahre Laotisch-Japanischer Freundschaft eine Modenschau statt, in der Kimonos aus allen Jahrhunderten vorgeführt und live angezogen wurden. Dazu Hochzeitskleider aus Laos, und ebenfalls Kimonos aus Laos, die hier irgendwann mal hergewandert sind als eine Abart des traditionellen Wickelrocks, den wirklich alle Mädchen und Frauen tragen. Erstaunlich, wie die das immer hinkriegen, mit diesem relativ engen Rock Fahrräder und Motorräder zu besteigen, dazu noch meistens mit Schirm, wenn nicht wegen Regen, dann als Sonnenschutz. Die Vorführung war sehr hübsch gemacht, und die Laoten ein glückliches Publikum, erstaunlich viele Jungs waren gekommen, Touristen kaum. Zur Hochzeit machen sich die Mädchen hier das auf den Kopf, was sonst an den Tempeln zu sehen ist, Stupa genannt, lange spitze goldene Türme. Die Mädchen sind sehr hübsch, aber fotografieren kann man sie nicht, sie sind einigermaßen scheu. Überhaupt kann man ja nie das fotografieren, was man gerne möchte. Heute morgen, in einer Art Krämerladen, in dem ich meinen Morgenkaffee trank, kam ein altes Mütterchen und suchte sich in den verpackten Kuchen einen aus. Zum Bezahlen riss sie ihr Hemd hoch, zeigte ihren schon lange nicht mehr ausgefüllten BH, und kramte aus einer eingebauten Reißverschlusstasche das Geld raus. Da mach ich mich jetzt mal auf die Suche, wo‘s diese BHs gibt. Das wär doch der Renner für die Backpackerwelt! Zurechtgefunden hab ich mich nicht in der Stadt, Lonely Planet meint zwar, es wäre ganz leicht, aber hat damit wohl nur die vier Touristenblöcke gemeint, denen ich tunlichst fernbleibe. Die Straßen haben keine Namen und die Schrift kann ich sowieso nicht, aber als ich müde auf einem Stein hockte und hilflos auf meine Fotokopie eines mageren Plans schaute, kam gleich ein lustiger Mann und wollte helfen. Das Spiel kenn ich zwar schon, denn mit Plänen kann hier keiner was anfangen, aber es entspann sich ein ulkiges Gespräch, in dessen Verlauf er mir ein Hakenkreuz auf meinen Zettel kritzelte. Hitler, das war alles, was er von Deutschland wusste. Und meinen Plan musste ich nun wegwerfen, kann ja nicht mit Hakenkreuz hier rumlaufen. Statt Taxi fährt man hier TukTuk oder Jumbo, wie es heißt im Land der 1 Million Elefanten. Tiger gibt‘s auch noch, hab aber keinen bisher gesehen. Ich mach mich jetzt auf in das Hippie-Dorf VANG VIENG, ein bisschen relaxen. Anmerkung im Reiseführer- man solle nichts bestellen, was mit „happy“ oder „ecstatic“ angepriesen wird. Da würden nämlich die Drogen reingemischt, die man offiziell nicht kaufen darf. Na, ich bin mal gespannt...

Meine Hütte steht auf Stelzen und liegt am See, es ist keinerleiUngeziefer gekommen und die Matratze war so schön hart wie ich es liebe und ich hab verdammte 12 Stunden geschlafen, wenn‘s nicht sogar 13 waren. Das Dorf besteht praktisch nur noch aus Travellern. Man stelle sich vor, in Birkenfeld kämen eines Tages plötzlich Horden von Australiern an oder seien es nur Dänen und besiedelten den Gasthof „Zum Goldenen Stern“ . M würde draußen an der Straße eine Pfannkuchenküche aufmachen und Musikinstrumente verkaufen, und irgendwann wäre jedes zweite Haus ein Gasthaus und überall gingen Pärchen in Flip-Flops mit Brustbeuteln herum! (Erinnert mich irgendwie an das Dorf mit dem Gartenzwergstreit). So ist es hier, was die Landschaft nicht schlechter macht, aber die armen Menschen hier unglaublich nerven muss. Ich glaube, aus dem Grund ist auch der Markt 2km gen Norden gezogen, um ein bisschen Ruhe zu haben von den alles angrabbelnden und dann doch nix kaufenden Backpackern- ich bin ihm jedenfalls auf meinem Radel gefolgt und kaufte Bananen (Laos-Bananen sollen die weltbesten sein!), ein Handtuch mit Flamingos (weil ich im Gasthaus so ein dreckiges bekam und nicht fragen mochte) ein Haargummi und einen Sarong, für alle Fälle, falls es mich in einen Herbalsauna-Massagesalon treibt. Und dann ging ich zu den kleinen Kochecken und wollte eben etwas ordern, da kam einer mit einer großen Menükarte, wo oben drüber stand: HAPPY AND FUNNY YOU. Oh nein, schnell weg bevor ich Cola mit Opium-Geschmack oder Haschkuchen verabreicht bekomme, ich nehm lieber Reißaus. Rasende Radfahrerin aus Hamburg gesichtet, komme mir vor wie ET, wie ich über die Schlaglöcher fliege, und da kommt tatsächlich eine junge Dame aus dem Feld und will bei mir hinten aufsteigen, auf den extra dafür gepolsterten Gepäckträger. Aber ich, viel zu schwach, kann sie leider nicht mitnehmen. So sind sie hier, die Touristen, total egoistisch. Schnell ins Internetz-geschäft und mal ein bisschen gestöbert. Else ist in Katmandu, und wie oft ich jetzt schon diesen Quatsch gehört habe: Null ist nicht die seltenste, sondern die verbreitetste Blutgruppe! An die 42% in Deutschland haben diese. Harald Schmidt sammelt Fotos von ulkigen Internet-Situationen, da könnte ich sicher beisteuern, bräuchte allerdings eine Einwegdigitalkamera, die es demnächst bestimmtauch geben wird. Nebenan jedenfalls gibt es den Magic Mushroom-Shake in einer dunklen Bretterbude, auch nicht gerade das, was ich brauche.

52 Happy and funny You28.10.2005 12.50 Uhr

VANGVIENG

Restaurant Nokeo, gleich gegenüber des alten Marktes, von Lonely Planetnoch hochgelobt, scheint einzugehen. Früher, als der alte Markt noch existierte, konnten die dort schnell ihre Sachen einkaufen. Die Kühltruhe ist schon abgestellt, die Ventilatoren auch. Das Bier wird geholt- mussten die jetzt eine ganze Kiste kaufen? Die Restaurants an der Hauptstrasse mit ihren Hamburgern, den Kuschelecken und dem dazugehörigen Fernsehprogramm, Alli McBeal, Friends und anderen Serien, sind vollbesetzt. Hier bin ich die einzige. Vorne ein Stand (Foodstall,wie es immer so schön heißt) mit Obst- können sie wenigstens das noch verkaufen- soviel gibt’s davon nicht mehr, seit der Markt verschwunden ist. Die Haustochter sitzt schauend davor. Kleine Fliegen kitzeln, sie fliegen dich ruckartig an und dann wieder weg. In einer Vitrine noch mindestens 20 Baguettes, die können sie doch heute gar nicht mehr loswerden. Ich habe Bratnudeln bestellt, so was Einfaches. Es kommt ein bunter Teller, sehr lecker sieht er aus, Ei, Ente, Grünzeug. Ein Pärchen kommt, hier kann man Lonely Planet mal dankbar sein: sie bringen dann hier doch noch Leute heran. Ich hoffe stark, dass die nicht gleich wieder gehen. Es sind Franzosen. Man soll hier nicht nach Stäbchen fragen, wenn man keine bekommt. Der Laote isst mit der Hand. Den Franzosen ist auch ein bisschen mulmig hier, sie fragen sich, ob sie doch in ein belebteres Restaurant hätten gehen sollen. Immerhin wird die nächste Flasche Bier aus dem Kasten verkauft, den ich zu verantworten habe. Der Hausherr nötigt ihnen Sticky Rice auf, weil sie nur gegrilltes Fleisch bestellen wollten. Mein Essen schmeckt ausgezeichnet, allerdings eher chinesisch. Die Hausherrin geht Reis holen, kommt mit einem Bambuskörbchen zurück. An meinem Tischtuch klammert eine Kakerlake, ich rühre mich nicht. Sie putzt sich ungeniert mit den Hinterbeinen. Ich bestelle noch einen Obstteller. Zwei andere Franzosen gehen wieder, nach kurzem Blick. Es kommen ein paar Laoten, die sehr viel Unruhe machen. Mafiosi, denke ich. Sie beißen in ein Brot und legen es wieder zurück. Diskussion vor der Brotvitrine, Gesundheitsamt? Das Mädchen, an den Diskussionen beteiligt, ist verlegen. Aber es werden auch Fotos gemacht, eine Haustochter wird mit aufs Bild gezerrt. Plötzlich ist Leben in der Bude. Meine Kakerlake bleibt ungerührt sitzen. Draußen werden Busse gewendet. Der Obstsalat besteht aus Melone und Ananas. Die vier Laoten, drei Männer, eine Frau, kriegen gar nichts außer Tee. Zwei Franzosen, die eben noch vorbeiliefen, kommen zurück. Das nächste Bier geht weg. Weil die Biere hier so groß sind, trinken Paare eine Flasche zu zweit. Sie blättern nervös in der Karte, was bestellen? Meine Kakerlake ist inzwischen auf den Tisch gekrochen und fühlt sich offensichtlich wohl. Jemand geht Servietten kaufen. Die Laoten bekommen Feuertopf, der Chef ist aufgeregt und kann keine anderen Leute mehr bedienen, vollste Aufmerksamkeit für die -ich versteh es nicht- Familie? Polizei? Kontrollarmee? In der Küche wird gehackt, draußen füllt sich ein weiterer Tisch, meine Kakerlake ist verschwunden. Zwei neue Leute kommen, der Service ist sehr unaufmerksam, die neuen Gäste müssen sich die Karten selbst organisieren. Die ganze Familie ist mittlerweile von dem Laotentisch eingenommen. Der Vater, der einzige, der etwas Englisch spricht, kommt nicht mehr aus der Küche heraus. Er kontrolliert da die Herstellung weiterer Speisen. Die Franzosen, die hier erst gar nicht rein wollten, lassen ihre Kräuter zurückgehen, den Obolus, das was jeder hier bekommt.Entrüstet halten sie den Teller mit Grün hin und meinen: das können wir nicht essen, bringen sie uns bitte Reis dafür! Ich versinke vor Scham. Reis wird hier normalerweise extra berechnet. Es kommen Freundinnen der Haustochter, wild aufgemotzte Wesen, scherzen, warten, nehmen ein Glas aus dem allgemeinen Regal, trinken, stellen es wieder zurück. Der Patron sitzt mittlerweile am Tisch und rechnet die Zettel aus. Angestrengt, überfordert. Alle sind angestrengt und überfordert. Hoffentlich hab ich nicht die Wirtschaft hier angekurbelt. Jetzt sind jedenfalls alle Ventilatoren an. Zahlen bitte! Die Lady des Hauses kommt mit der Rechnung, die der Hausherr endlos beackert hat. Und hält mir einen Schlüssel hin. Fragend. Ich auch fragend..., wofür bitte? Mysteriös. Ein Angebot für was bitte? Wie soll ich das rausfinden? Ich schüttele den Kopf, europäisch. Hoffentlich verstehen sie das. Sie steckt den Schlüssel wieder in ihre Schürze. Danke. Heute nicht.

VANGVIENG

Es gibt zwar kein Meer, aber unglaublich viele Flüsse. Allen voran der Mekong, der hier als schmutzig gilt (kein Mensch würde darin baden oder sonstwas tun), während wenige km weiter in Kambodscha und Vietnam er für die Menschen alles ist, Mutter Fluss sozusagen. Kleinere Flüsse werden mit Sack und Pack durchwandert (auch wenn sie direkt mit dem Mekong verbunden sind), weil die wackeligen Bambusbrücken regelmäßig zusammen-krachen, was ich dann nachgemachen wollte und feststellen musste, dass es nicht so einfach ist, wie es aussieht; ich rutschte auf fiesen glatten Steinen aus, verletzte mir den Fuß und kam lächerlich nass am anderen Ende an, wo ich dann beleidigt meinen Pass, mein Geld und meinen Fotoapparat trocknen musste. Der Fluss quälte auch mit überraschender Strömung.Das Reisen ist einigermaßen beschwerlich, viele Straßen sind schlecht ausgebaut und man muss in ziemliche Höhen, von VANG VIENG nach LUANG PRABANG sind zwei Pässe in 2000 m Höhe zu überqueren und gerne werden Fahrzeuge von Rebellen überfallen, erzählt man. Dabei sollen auch schon Touristen abhanden gekommen sein. Die Strecke ist unglaublich schön, zwischen den Bergen türmt sich Zuckerwatte auf und man hält in Dörfern, die wie aus dem letzten Jahrhundert erscheinen. Alles ist voll von Kindern und Tierkindern und Schmetterlingen so groß wie Untertassen und Libellen in 1000 Farben, es summt und schwirrt und flirrt und giggelt und brummt. Wenn man das 7-8 stündige Karussellfahren überstanden hat, landet man in einer wunderschönen Stadt, in der kein Haus höher sein darf als die höchste Kokospalme, die meisten Häuser sind aus Holz und zu französischerKolonialzeit entstanden und jeder Stadtteil hat sein eigenes Kloster, macht 32 Stück. In der Mitte befindet sich ein Berg, den Phousy (sprich „Pussy“), von dem man alles sehen kann: die 26.000 Einwohner, von denen ein Viertel Mönche sind, und die 9000 Touristen monatlich, was ein ziemlich seltsames Gemisch ergibt und für mich wieder mal heißt, die paar Hauptstraßen tunlichst zu meiden. Aber es gibt genug Platz hier, vor allem in der Natur. Die Mönche sind überall und manche sind noch ganz klein und erstaunlicherweise geistern die abends auch mit Nichtmönchskindern durch die Gegend und machen ziemlichen Blödsinn. Gegessen wird mit der Hand, der rechten, vor allem Sticky Rice, der lauwarm in einem geschlossenen hohen Körbchen kommt und zu kleinen Kugeln zusammengerollt wird. Dazu gibts die leckersten Sachen, eine scharfe Wurst zB oder Fledermäuse. Auf dem Markt hier gibt es die eigenartigsten Sachen, die ich je irgendwo sah- seltsamste Beeren, Grünzeug, das aussieht wie Wolle (Mekong-Algen), riesengroße orchideenartige Blüten, Blumen und Stengel, das meiste sieht aus, als wär es grad aus dem Gebüsch nebenan gerissen. Von Kröten und Schlangen und sonstigem Getier gar nicht erst anzufangen. Außerdem gibt es einen besonderen Pilz nur hier, auf den die Japaner ganz heiß sind. Und was meine Mutter mir zutiefst eingebläut hat, niemals grüne Stangenbohnen roh zu essen, interessiert hier niemanden. Ich hab auch eine genommen, ist nix passiert. Zu schön, gegen Mamas Gesetze zu verstoßen! Und was ist mit: braun und blau trägt die Sau? Fast alle Frauen hier sind in dunkelbraun und dunkelblau gewickelt, manchmal kommt dunkelrot dazu- und es sieht ele-gant und schön aus. So ist das mit den Regeln, immer wieder faszinierend, wie alles nur von den Bedingungen abhängt, in denen man sich befindet. Hier kann‘s in den Wohnungen gar nicht dunkel genug sein und die Haut dage-gen so hell wie möglich, bei uns ist es umgekehrt. Die Schuhe lässt man draußen und Halloween wurde hier auch gefeiert, vor allem von den Kindern, die sich als Gerippe verkleidet hatten. Aber meine Lesebrille, die ich in einem Bambuswald beim Pinkeln verlor, ist nicht zu ersetzen. Brille ist hier nicht, gibts nicht. Hab extra einen chinesischen Markt aufgesucht und dort das einzige Exemplar erstanden, stand +1,5 drauf und kostete mehr als bei uns, aber wenn ich da durch gucke ist alles verschwommen- die ist leider nur ein Witz.

53 Wie ist Laos denn so?31.10.2005 11.45 Uhr

Fuhr heute wieder neun Stunden durch die Berge, mit einem Bus, in dem zur Bewachung ein 17j Junge mit Maschinengewehr mitreiste (gegen die Rebellen) und auf dessen Dach sich unser aller Gepäck und ein Motorrad befand. Zwischen den Sitzen lagerten einige Tonnen Zement, sodass man es sich eigentlich ganz gemütlich machen konnte, ich zumindest, hatte ich doch eine Bank für mich allein. Die Fahrt verlief reibungslos, durch grün grün grün, am Wegesrand immer wieder gelbe und orange Blumen. Die Hmong haben ihre fensterlosen Häuser oft direkt an der Straße, daneben Kühe, Schweine und Hühner und stehen aufgereiht, wenn der tägliche Bus passiert. Sie haben keinen Strom und kein Wasser, außer den Quellen, die aus den Bergen platzen, aber sie sehen überhaupt nicht unglücklich aus, im Gegenteil. Und in den Häusern ist nichts, außer vielleicht zum Trocknen aufgehängte Maiskolben oder sowas. Was denken die wohl von unseren Backpackern, die für wenige Wochen Urlaub hausgroße Rucksäcke mit sich herumschleppen an denen noch vier Paar Schuhe baumeln? Die Tourismus-Invasion ist hier so dermaßen unpassend, das gilt natürlich auch für mich. Komischerweise sind es hauptsächlich Deutsche und Franzosen, die es hier her zieht- das alte Europa auf der Suche nach etwas verbliebener Echtheit und Romantik. Leider benehmen sie sich oft sehr schlecht. Wenn ein Franzosenpärchen zB den zu allem gereichten Teller Grünzeug entrüstet zurückgehen lässt: Entschuldigung, das können wir nicht essen, wir sind doch keine Kaninchen!, dann schäm ich mich.Oder wenn ein deutscher Opi zu seiner Omi sagt: „Guck mal, das da sind Chinesen, das erkenn ich am Gesicht!“ und es sind aber Japaner.

54 Drehwurm02.11.2005 12.37 Uhr

LUANGPRABANG

Mein Hotelzimmer möcht ich lieber nicht genauer beschreiben, nur soviel: es gibt eine kalte und eine warme Dusche, d.h. Dusche ist vielleicht zuviel gesagt- vielmehr zwei Rohre mit jeweils einem kurzen Schlauch und einem Duschkopf dran, im Klo- ca. 1,5 m voneinander entfernt. Dazwischen befindet sich das Waschbecken. Die kalte Dusche ist kalt. Die heiße Dusche ist so heiß, dass kein normaler Mensch sich damit abbrausen könnte, höchstens ein schmerzunempfindlicher Außerirdischer. Ich spüre ein gewisses: so, da habt ihr eure heiße Dusche, nun seht mal zu. Weil sich hier natürlich kein Mensch heiß duschen würde, aber die erste Frage an der Rezeption lautet grundsätzlich: Hot Water? „Yes, we have, but try to use it ... Autsch!“ Ich versuche nun also, diese beiden Duschen irgendwie zusammenzubringen- in der Mitte treffen sie sich knapp, nur dass man dabei ebenfalls die nur lose befestigten Rohre aus der Wand reißt, so wie der Handtuchhalter abfällt, sobald man sein Handtuch daran hängt.Aber ich bin ja auch nicht zum Duschen hier, sondern weil ich in die „Ebene der Tonkrüge“ wollte. Mein Gasthof hat gleich das passende Angebot- 8 USD für drei Stätten mit den geheimnisumwitterten Steinen plus ein vergammelter alter US-Panzer irgendwo in der Pampa. Eine illustre Runde, die sich da am Minibus einfindet: Bertel, der dicke Österreicher im BeerLao-T-Shirt, einer verdammt knapp sitzenden Thaihose, aus der hinten gestreifter Slip plus Arschritze rausguckt: in einer Hand ne Videokamera, in der anderen den KnipsDigi und hält auf alles, was sich bewegt (auch eine Art von Krieg). Sein Mitreisender Holger, ca 45, trockener Alkoholiker und Ex-Junkie, hochgradig neurotisch und paranoid, redet ohne Unterlass, zB weil seine Kamera einen Blaustich macht, über den der andere ihn nun aufklären soll. Da der, wie Ösis so sind, aber auch zum Philosophieren neigt, die klare Anweisung (in hektischem Befehlston): „Nur die Fragen beantworten!“ Holger ist aus Augsburg und arbeitet bei der Bahn. Dann begleitet uns ein 21-jähriger Schwede mit Zöpfchen, Wickelhose und Schmuck; schwärmt von Indien, wo er grad herkommt- Visum abgelaufen- jetzt irrt er so durch die Gegend. Will als Englischlehrer nach Japan, sein Englisch ist allerdings ungefähr so wie meins, naja. Weiterhin ein vietnamesisches Ehepaar meines Alters- Li und Hong, seit 16 Jahren in CA., Silicon Valley lebend, jetzt bei der Famlie zu Besuch, gönnen sich auch mal einen kleinen Ausflug. Außerdem noch eine im wahrsten Sinne des Wortes nichtssagende Französin, die sich immer mal verkrümelt und so gut wie gar nicht in Erscheinung tritt. Unser Guide spricht kaum Englisch aber Vietnamesisch und so können Li und Hong immer weitergeben, was los ist. Als erstes starten Bertel und Holger eine äußerst unangenehme Protestaktion. Es stellte sich nämlich heraus, dass wir an den jeweiligen Sehenswürdigkeiten noch 70 US Cent Eintritt zahlen müssen, was die beiden entrüstet ablehnen, weil sie darüber nicht rechtzeitig informiert wurden, wie sie meinen. Sie grummeln in ihre nicht vorhandenen Bärte, auf Deutsch, versteht ja eh niemand.

Zum Glück stimmte sonst niemand ein, wie auch, sodass die Geschichterelativ schnell wieder im Sande verlief. Es regnete ein bisschen, warmer Nieselregen, und der dicke Bertel weigerte sich, zu laufen- immerhin hatten wir eine Stunde durch die Landschaft zu latschen- die Französin war schon gleich verschwunden, Li und Hong (wobei Li der Mann ist und Hong die Frau- bei uns wärs vielleicht umgekehrt) und ich wollten vor allem, dass es nun erstmal los geht. Holger beschwor, erstmal eine zu rauchen, damit würde er den Regen zum stoppen bringen, was tatsächlich auch gelang. Wir gingen los. Die Berge wie immer bezaubernd, unberührt und schön im Sonnenlicht, keine Windräder und kein Müllansammlungen stören den Blick, Häuser schon mal gleich gar nicht, keine Starkstromleitungen, Natur pur und diese komischen Krüge, von denen keiner weiß, wozu die je waren. Wirklich verdammt beeindruckend, immerhin 3000 Jahre alt und riesengroß, ausgehöhlte tonnenschwere Steine. Bei der zweiten Ansammlung fing der nervöse Holgerschon wieder an zu maulen: Krüge habe er nun genug gesehen. Er wollte lunchen. Als es dann endlich Essen gab, die hier alles begleitende Nu-delsuppe zwar, aber immerhin, rauchte er nur. Er kann hier nix essen in dieser fremden Welt, nur Pommes und Sandwich. Wir wanderten noch einige der Steinwunder ab, Bertel und Holger blieben solange sitzen. Ich hatte vorsorglich mein Susann Stahncke-erprobtes Pi-Lady dabei, hatte einmal auch schon ganz prima funktioniert (hinter verschlossenen Türen allerdings)- dieses Mal ließ es mich im Stich. Ich hatte mich ein bisschen entfernt und wollte mich so beeilen, weil sie mir schon auf den Fersen waren, die anderen- und merkte schnell, dass was schief ging, aber es war nicht mehr aufzuhalten- ich wurde komplett nass. Zum Glück hatte ich eine Jacke dabei, die mich „notdürftig“ bedeckte und es sagte auch niemand etwas. Aber peinlich war es schon. Später hatten wir dann alle zusammen noch einen sehr netten Abend im einzigen Restaurant- plötzlich wurden sogar Bertel und Holger mit ihrer Marotten ganz liebenswert. Wir aßen unter der Regie von Hong alles Mögliche durcheinander, bis auf Holger, der hat stattdessen geraucht. Und der Schwede und ich tauschten Bücher;er bekam mein versautes Philip Roth „Portroys Complaint“, und ich dafür „City of Joy“ über Mutter Teresas Indien mit Patrick Swayzee in der Hauptrolle. Ja, allzu wählerisch darf man hier nicht sein!

55 Touristen am Ende der Welt07.11.2005 13.26 Uhr

PHONSAVAN

stand ich um fünf auf von meiner nagelneuen aber immer noch in ihrer Plastikverkleidung schlummernden Matratze, packte flott alles ein und stand schon um halb sechs auf der Straße am Bus, der mich zurück nach Vietnam bringen sollte. Lustiger Weise parkte er genau neben meinem Hotel, und während ich noch den, ich nenne es „indischen“, Himmel betrachtete- ein Farbenspiel aus rosa türkis und gelb, was alles in ein warmes Spielzeuglicht tauchte, kletterten aus dem Bus vier verschlafene Jungs in Boxershorts und machten sich zum gegenüberliegenden Café auf, dass gerade seine Auslage wieder aufklappte. Nun sollte ich also Laos verlassen, mein 15-Tage-Visum läuft ab, und auch wenn 15 Tage viel zu wenig für dieses große wunderschöne Land sind, freue ich mich schon auf das lustige Vietnam, wo immer so viel los ist. Der Bus setzt sich in Bewegung, mit hübschem jungen Busfahrer und Busfahrerhilfssheriff-erstmal zum Busbahnhof, wo wir zwei sehr jugendliche Französinnen auflesen und dann nochmal hupend durchs Dorf, und der eine oder andere Laote mit Reis-Zement- oder Trockenfleisch-Sack steigt zu, bis wir etwa 20 Leute sind. Nicht gerade viel in dem großen alten Russenbus, aber umso gemütlicher. Aus dem Fernseher dudelt gruseliger Thai-Pop mit Karaokeunterzeilen, es ist heiß, die Klimaanlage geht nicht, aber es geht flott voran und bis zur Grenze sind es nur knappe 70 km. Das letzte Stück allerdings schleichen wir im Schneckentempo, ob das Vorschrift ist im Niemandsland? Die Grenze erreichen wir in glühenderHitze, und wie oft ich schon diesen einen Kilometer zwischen Ausfuhr und Einfuhr in solcher Art Wüstenklima gelatscht bin, kann ich nicht sagen, es ist jedenfalls déjavu-trächtig. Zum Glück konnte das Gepäck im Bus bleiben. Pässe stempeln dauert schon einiges, dann Gepäckkontrolle. Außer uns scheint niemand hier die entlegene Grenze in den Bergen, die erst seit kurzem in Betrieb ist, zu benutzen. Die Französinnen leeren unter der Begutachtung von 15 Beamten und allen männlichen Mitreisenden, die neugierig staunen, was so junge Damen alles dabeihaben, ihre Backpackerrucksäcke aus: Unterwäsche, Geschenke für zu Haus, einfach alles. Was für ein riesiges Medikamenten-paket zum Vorschein kommt! Sind das Medizinstudentinnen? Es werden noch einige Säcke ausgeschüttelt, Bänder zerschnitten, Kartons aus- und wieder eingepackt. Mein Koffer bleibt irgendwie verschont, die Beamten sind mittlerweile durcheinander,was sie schon hatten und was nicht. Dann sieht es so aus, als werde es weitergehen, wir steigen alle ein und die Grenzbeamten stehen an der Tür, als wollten sie zum Abschied winken, da kommt einer plötzlich auf die Idee, man solle mal die lose hängende Verkleidung unter dem CD-Spieler abnehmen. Dahinter verbarg sich nämlich ein Karton, indem sich stapelweise Faltschachteln mit Medikamentenaufdruck befanden. Wird gedreht und gewendet und für komisch befunden. Der Busfahrer interveniert. Ich verstehe sowas wie, dass er die auf der Rückreise wieder abholen will. (Er hat auch Mühe als Laote mit denen zu verhandeln. Lao ist wie Thai, Vietnamesisch dagegen eine komplett andere Sprache.) Das wollen die aber nicht. Die wollen den Karton vernichtet wissen bzw. einbehalten. Einer der Jungs fängt fast an zu weinen. Ich würde zu gern wissen, was die sich da jetzt zusammenspinnen, wozu diese Pappen sein sollen. Werd ich aber nie erfahren.

Hin und Her, sie werden sich nicht einig, da möchte ein anderer Beamte gern, dass die Verkleidung an der Fahrerseite ( wo sich bei unserem Russen keine Tür befindet) abgeschraubt wird. Das will der Busfahrer nun ganz und gar nicht. Er schüttelt vehement den Kopf, bietet sogar Geld an, die Beamten sind aber hartnäckig und werden richtig böse. Also schraubt der Junge das Teil unter Beobachtung ab, und was er dahinter hervorpult, ist nicht von schlechten Eltern: einige seltsam aussehende Bündel in alte Socken gestopft. Eins könnte von der Form her ne Pistole enthalten. Eins bewegt sich seltsamerweise, da ist irgendwas Lebendiges drin. Es sind wohl insgesamt so 10 -15 Beutel, die die Zöllner angewidert in einen alten Reissack stopfen. Und damit schicken sie unsere Jungs übers Feld zu einem Nebengebäude. Es dauert Ewigkeiten, bis sich irgendetwas tut. Später sah man sie den Sack ein Gebäude weiter schleppen. Wir schmoren in der Wüstenhitze vor dem Bus. Alle haben sich auf dem unattraktiven Gelände verteilt. Werden wir überhaupt weiterfahren können? Zum Glück muss ich kein Flugzeug kriegen. Aber mein Visum ist abgelaufen, ich kann ja gar nicht zurück. Besteht hier etwa nicht Beförderungspflicht? Hier kommt auch inzwischen niemand sonst vorbei. Kriegt der hübsche Busfahrer jetzt Todesstrafe? Ist er überhaupt Schuld oder hat ihm das jemand, zB der Busunternehmer, eingebrockt? Machen die das auf jeder Tour? (Der Bus fährt zweimal die Woche nach Vietnam). 1000 Fragen, die mir niemand beantworten kann. Irgendwann wird der Busfahrergehilfe nach den Pässen geschickt. Nach etwa zwei Stunden kommen sie wieder an, schlecht gelaunt und stumm. Fragen der Mitreisenden werden mürrisch abgewiesen. Aber wir dürfen weiter, immerhin. Der Grenzübergang hat uns jetzt vier Stunden gekostet. Fahrer trinkt erstmal ne Dose Red Bull. Und dann gehts los. Aber keiner hat uns vorher gesagt, dass sie die Straße hier gerade erst in den Berg hauen. Das wird eine Fahrerei mit dem unhandlichen Gefährt. Im Schrittempo rutschen und hoppeln wir von einer Kuhle in die nächste. Über provisorische Brücken, die gar nicht so aussehen als ob sie uns mit dem alten Russen überstehen. Aber es geht, knackt nur ziemlich. Die Sonne sticht durch die getönten Scheiben. Wir sind noch in den Bergen, aber die Frauen haben schon wieder die Hosen an und die längsten Haare der Welt. Der Busfahrer kann nicht mehr, dass merkt man am Hupen, bzw. wie er nicht hupt, wenn Kinder, Greise und Tiere auf der Straße lungern. Er sieht traurig aus. Wird er seinen Job verlieren? Immerhin hat er richtig was zu tun in diesem unwegsamen Gelände. Zum Lunch wieder nur Rauchen und Red Bull. Wir anderen essen ein bisschen. Die Bergwelt müssen wir nun verlassen. Die Straßen werden ordentlich, aber kosten was. Und es ist Nacht. Massenhaft unbeleuchtete Fahrräder kreuzen den Weg. Der Tag wird lang. Gegen 22 Uhr sind wir endlich angekommen, in VINH- und ungeduldig stürmen schreiend eine Horde von jungen Männern heran, was immer die erwarteten: heute nicht!Versuche, meinen Lonely Planet Laos im Bus liegen zu lassen, aber die aufmerksamen französischen Mädchen bringen ihn mit: „Hey, Du hast was liegenlassen!“ und schon hab ich ihn wieder an der Backe, das blöde Buch brauch ich doch nun nicht mehr. Die verstehen auch gar nix!

56 Heute zum Beispiel08.11.2005 17.09 Uhr

heute entdeckt, beim Mittagessen, in einer Raststätte sozusagen, wo mein Kleinbus hielt, der mich von VINH nach HUE getragen hat. Und wieder war es der Busfahrerhilfssheriff, das sind ohnehin meine Lieblinge, sehr interessante Typen. Haben die eigentlich Aufstiegschancen oder bleibt es beim Türenaufhalten, Tanken und Scheibenputzen ? Der Junge war etwa 16, hatte schon gleich sowas Aufmüpfiges, und ihm verdanke ich, dass ich in HUE jetzt auf der richtigen Flussseite lebe, da hat er mich nämlich einfach rausgeschmissen - und ich bin dankbar, denn hier ist es viel toller, als in dem Touristendorf, wo ich das letzte Mal war.

57 Linksstäbchenhalter09.11.2005 16.12 Uhr

Dass ich HO-CHI-MIN-CITY überhaupt noch wiedergefunden habe, ist nur Vietnam Airlines zu verdanken, die mich preiswert und sicher hierher gesteuert haben. Zuletzt im März, grad mal sieben Monate ist es her, bin ich hier gewesen und nun fehlen ganze Straßenzeilen. Andere scheinen neu hinzugekommen, wie auch Lotteria-Restaurants jede Menge, würd wetten, das ist ein amerikanisches Unternehmen, jedenfalls werden dort fröhlich uniformiert und in MacDonalds-Manier Hamburger serviert. Man darf sich hier an nichts gewöhnen, denn schon im nächsten Moment ist es nicht mehr da. Hongkong ist im Anmarsch! Wo zum Beispiel ist der kleine dunkle Sushiladen, in dem eine hundert Jahre alte Frau mittags die Rollen drehte und wo es aussah wie in der Hexenküche von Hänsel und Gretel? Das Haus, einfach weg. Eine ganze Zeile japanischer Läden und Teestuben verschwunden. Gebaut werden Appartmenthäuser. Das Brot (schmeckte eh nicht) ist auch hier jetzt in Plastik, wie ich es im Norden schon beobachten konnte, vermutlich ein neues Gesetz, was zur Folge hat, das es weich und pappig daher kommt und auch nicht mehr täglich frisch. In der Zeitung las ich, dass just an diesem Wochenende Vietnams erstes Kühlhaus eröffnet wird, im Mekongdelta, ein Riesending, das das ganze Land nun mit Tiefkühlkram versorgen kann. Passend dazu findet auf einem großen leeren Platz in der City eine Verbrauchermesse statt, wo das Angebot aus Fertiggerichten jeder Art besteht- man kriegt Kostproben gratis und eine HipHop-Boygroup singt lobpreisend den Namen der alles präsentierenden Firma zu diversen Rhythmen und Tänzen. Das Publikum johlt und studiert Mikrowellen und Tütensuppen. Es gibt reichlich neue teure Coffeeshops und Tee umsonst kriegt man oft auch schon nicht mehr- was vor allem für die armen Vietnamesen gemein ist, die Touristen mochten ihn eh nicht. Auch werden Straßenhändler von Polizisten gejagt und terrorisiert, nur eine Frage der Zeit, bis sie auch hier aus dem Stadtbild verschwunden sind. Zum Suppe-Essen dann nur noch zu „PHO 24“,zehnfach teurer und immer gleich. Und ob sie wohl bald begreifen, dass FASTFOOD für uns ein Schimpfwort ist? Denn damit wird hemmungslos geworben.

58 Zurück in die Zukunft 12.11.2005 11.35 Uhr

59 Endlich wieder Kaffee an jeder Ecke13.11.2005 09.25 Uhr

Mein Hotel in HO-CHI-MIN hatte ich mir schon das letzte Mal ausgesucht. Es liegt in einer Straße, in der es viele Hotels gibt, vietnamesische Hotels, wesentlich teurer als die für Touristen, aber mit jedem erdenklichen Komfort. Arme Vietnamesen brauchen keine Hotels, und für die Reichen ist es egal, was sie zahlen. Dafür hat man dann Porzellanelefanten auf dem Balkon und große Ventilatoren aus Teakholz an der Decke und echte Quilts auf den Betten. Meine Familie ist sehr elegant- die Angestellten müssen aufstehen, wenn man kommt oder geht, und man wird immer mit einem kleinen Satz begrüßt, den sie sich mühsam zusammensuchen. Am Anfang übte der Herr des Hauses immer meinen Namen, wenn ich ein- und ausflog: Monsieur Uinklerrr, intonierte er mehrmals hintereinander. Seine Frau hat viele Goldzähne, was hier Zeichen für Wohlstand ist, und im Foyer, indem auch die eigenen Gäste empfangen werden, steht alles voll mit überdimensionierten chinesischen Vasen. Es ist sehr altmodisch, aber so unbeschreiblich sauber, dass es aus jeder Ecke blitzt. Es gibt auch mehr Personal als Gäste, und ich durfte schon die Familienfotos gucken. In der Straße selbst ist sonst nichts Besonderes, außer Hotels nur einige Läden mit Bademoden, die Badeanzüge haben hier noch kleine Röckchen dran wie bei Schlittschuhläuferinnen, sehr reizend, in allen nur erdenklichen Mustern. Die Gegend ist perfekt, in wenigen Minuten ist man am Markt, wo zur Dunkelheit Tische und Stühle ausgeklappt werden für ein illustres Speisen, hauptsächlich Muscheln, Schnecken und Shrimps. Alle Busse fahren hier ab, und einen großen Park gibt es auch gleich nebendran. Als ich dann noch entdeckte, dass ich eben um die Ecke auch noch ein Kino habe, war ich sofort drin- in „Bewitched“, auf Vietnamesisch gedubbt, aber mit etwas Anstrengung konnte man auch den englischen Text erahnen. (Hier fängt sie schon an, die ständige Berieselung von mindestens zwei Soundsystemen gleichzeitig, scheint aber außer mir niemanden zu stören). Na, die Geschichte des Filmes kennt man ja. Das war genau das Richtige für die heiße Nacht: in dem durchgekühlten Kino zu lümmeln und zu gucken, wie Nicole Kidman mit der Nase wackelt.

soll man ja angeblich nicht: mir ist es aus Versehen passiert, und ich hatte den ganzen Tag keine Ruhe, was daraus nun werden würde. Wer hat diesen Quatsch bloß aufgebracht, gar nichts ist natürlich passiert, außer dass ich den ganzen Tag über beunruhigt und ängstlich war.Das Schlimmste an diesem Tag war, dass Linh mein Geschenk nicht in meinem Beisein geöffnet hat, aber das ist hier scheinbar so- ich hatte mich ja auch nicht für die Nichtigkeit meiner Gabe entschuldigt, und so musste sich wenigstens eine an die Regeln halten. Wir hatten einen lustigen Abend in ihrem Veedel, wo mehr los ist, als in ganz HO-CHI-MIN zusammen, es sind halt alle Universitäten dort angesiedelt und es wimmelt von jungen Leuten.Heute nun den letzten wirklichen Urlaub, ein Ausflug ins Mekongdelta,den ich als Reisegruppe gestartet hatte, vor allem, um den ganzen Tag Boot zu fahren, nun aber allein fortsetze. Ich nächtige in einem Fischerdorf, oder besser gesagt, einer Fischerstadt- die mich als einzige Langnase nur schwer erträgt- im Lokal wurde alles, sogar Pfannkuchen, in Reispapier eingewickelt, und ich wurde gleich derbe mit Bier abgefüllt- sodass ich mich jetzt ins Kino zu Penelope Cruz in „Sahara“ flüchte,(ein Rattenloch, wie ich jetzt weiß, mit drei Gästen außer mir- der Film in Englisch zwar, aber so leise, dass mans kaum hören konnte (die denken halt, die Vietnams verstehens eh nicht)), dazu läuft aus dem Vorführraum überlaut Karaoke).-Morgens goss es aus Eimern, meine reizende Wirtin rannte mit einem Spitzhut hinter mir her, den ich nun überhaupt nicht gebrauchen konnte, hatte ich doch gerade mein Gepäck auf eine winzige Tasche reduziert. „Souvenir“, rief sie und war nicht davon abzuhalten, ihn mir gegen den Regen überzustülpen. Ich also mit diesem peinlichen Vietnamreispflückerhut zu meinem Tourbüro, gegen Regen ist der wirklich ganz gut, nur dass der Regen einem so direkt gesammelt in den Rücken läuft und dort nun eindeutig mehr Nässe verursacht als ohne Hut.Ich hatte Glück. Meine Mitreisenden waren fünf Japaner und drei Koreaner, besser kann es gar nicht sein, und ich hatte Spaß daran, die Neurosen der Einzelnen zu studieren, die verdammt offen zu Tage lagen- ein japanisches Pärchen auf Hochzeitsreise, eine koreanische Mutter mit erwachsenen Kindern, Tochter und Sohn- ein japanisches Ehepaar mit 30-jährigem Sohn, der zu viel arbeitet, wie die Mutter mir verriet. Und dass er immer noch Single sei. Und ja einfach kein Englisch kann, dabei wäre das so wichtig. Wir fuhren in großem Boot, in kleinem Boot und in sehr kleinem Boot und das Ganze war auch ein bisschen eine Rheumadeckenveranstaltung, nur dass keiner was kaufte außer mir. Eine Tüte kandierten Ingwers und eine Fußtrommel für meinen Bruder. Ich muss immer was kaufen, geht gar nicht anders. Außerdem probierte ich noch Wasserkokosnuss, wovon die hier reichlich haben, wusste nicht mal, dass es sowas gibt. Die sind dunkelbraun und wie runde Tannenzapfen, in den einzelnen verholzten Gliedern ist dann ein Teelöffel voll von einem weißen Gelee, dass überhaupt nicht schmeckt. Nussig zwar, aber nicht süß. Bäh.Als die anderen dann einen Bonsaigarten besichtigen wollten, habe ich mich abgeseilt. Hab hier schon so viele Bonsais gesehen und viel ist da auch nicht dran. Bin stattdessen in das einzige Hotel eingecheckt in das angeblich einzige freie Zimmer Nr.9 (stimmte tatsächlich) unterm Dach mit Blick auf die Schiffe, ich werd wohl die Nacht auf dem Balkon verbringen, denn drinnen wars muffig und feucht.Feucht, das ist überhaupt ein Thema. Pünktlich um 5 Uhr nachmittags, wenn es langsam kühler wird, quetscht einem die plötzlich einsetzende Schwüle die letzten Tropfen aus dem Leib, dass man einerseits schlapp und entkräftet, andererseits klitschnass bis auf die Unterhose alle weiteren Verrichtungen begehen muss. Die Sachen werden auch bis zum nächsten Tag nicht wieder trocken. Und eigentlich kommt es mir vor, als behielten sie immer diesen klebrigen klammen Film bei, man kann sich und die Dinge waschen soviel man will, es bleibt so. Der einzige Vorteil an diesem Ausgewrungenwerden ist, dass man nicht mehr muss. Und das ist hier wirklich praktisch!

60 Unter einer Leiter durchgehen15.11.2005 02.18 Uhr

In dem Film war es heiß, vermutlich so heiß wie hier. Und es sah auch alles genauso aus, der Markt, dieses Chaos, die verdreckten, schrabbeligen Karren und Autos, die Tüten und Kisten und Kasten und alles liegt auf dem Boden rum und keine Mülleimer weit und breit. Nur dass die Menschen schwarz sind und krause Haare haben. Überall diese Stände, wo jemand was verkauft, und in Filmen geht dann immer der Hauptdarsteller zu so einem Stand, nimmt irgendwas in die Hand (in diesem Fall zwei Muscheln, die wie Engelsflügel aussehen) und schmeißt wortlos irgendein Geld hin- Dollar vermutlich, weil er hat ja gar nichts eingetauscht. Und geht. Wieso ist das so in Filmen? Die Person des Verkäufers könnte genauso gut ein Automat sein. Der Film war schrecklich. Abgesehen von den Szenen, wo man Frauen in afrikanischen Kleidern sah und all dieses Tohuwabohu, war es ein einziges Gemetzel, wegen ein paar lächerlichen Goldmünzen. Ich hab wie immer bei solchen Filmen nicht verstanden, worum es eigentlich geht und es interessiert mich auch nicht. Außerdem schlechtestes Casting. Aber hier kann man sichdie Filme halt nicht aussuchen. Als ich nach Hause kam, war schon Licht in meinem Zimmer. Huch! Aber das war das Licht des Nachbarn, weil die dünnen Pappwände nicht ganz bis oben gehen, scheinte seine Neonröhre bei mir mit rein. Und sein Fernseher sang und er pfiff mit. Und die Tür ging von innen nicht abzuschließen, das hab ich auch nicht so gerne. Ich schlief trotzdem ziemlich tief und fest, musste aber gleich raus und weiter weiter. Weil ich hier weder Plan noch Reiseführer habe, bin ich ein bisschen konfus wo es hingeht, im Grunde ist es ja auch egal- ich fuhr ein bisschen, war aber alles nix bis ich mich drei älteren Damen anschloss, das hatte sich irgendwie so ergeben. Irgendwann meinte der Busfahrer, die wollten auch dahin wo ich hin muss ( erstaunlich so was, wenn ich selbst noch nicht mal weiß, wohin) und von da an war ich sprachlos unter deren Fittichen. Wir hatten komplizierte Wege zu beschreiten, eine Fähre zu besteigen, von dort mit einem TucTuc ( mittlerweile zu fünft, die hatten sich noch nen Mann angelacht) zur passenden Busstelle, und dann gegen alle Koberer den richtigen Bus rauszufinden. Das war lustig für mich, zu sehen, wie die sich auch gegen diese Banditen zur Wehr setzen mussten. Die reisten wohl nicht so oft. Mich haben sie immer an die Hand genommen, und diese Jungs, die einen ständig irgendwo hinschleppen wollen, geradezu weggebissen. Am Ende bin ich nun in RACH GIA an der kambodschanischen Grenze- mein Abendessen war ausgezeichnet- gibt es eigentlich Menschen, die ALLES fotografieren, was sie zu sich nehmen? Außerhalb von Urlaub, hab ich heute überlegt. Hier hätte sich das mal gelohnt. Manchmal sieht die Mahlzeit so toll aus! Ich hatte Fisch und eine Art Risotto, alles ohne was zu bestellen. Einfach die Hand ein paar Mal zum Mund führen und schon kommt was... Einmal kamen sie allerdings mit Zigaretten, mein pantomimisches Talent ist wohl doch eher bescheiden!

61 Sahara15.11.2005 15.07 Uhr

HO-CHI-MIN

62 Alles Plastik17.11.2005 13.46 Uhr

Wie die dass nur aushalten, diese Hitze in den Plastikklamotten. Schlafen in Plastikbettwäsche. Alles ist Plastik. Im Kino bekommt man für den Weg von der Kasse in den Saal die Cola-Dose in eine Plastiktragetüte. Fernbedienungen sind grundsätzlich umwickelt, Stühle, Garderobenständer, Autositze, alles. Dafür haben Babies und Kleinkinder keine Windeln an. Jetzt gibt es auch schon überall an den Straßenküchen Styroporverpackungen, die liegen dann auch noch überall rum. Oder werden ins Meer geschmissen, was soll das arme Meer bloß damit machen?Ich bewege mich außerhalb der Lonely-Planet-Welt, hab weder Reiseführer noch Karte, und das ist schon was anderes. Mit einem völlig verrosteten Schiff auf eine kleine Insel, kein Mensch kann mir sagen, ob und wann es eins zurück geben wird. Kein Mensch versteht irgendwas von mir, ich verstehe sowieso gar nichts aber alle reden auf mich ein, Nun bin ich ja erstmal da. die Vietnamesen stopfen sich alle in den unteren verdunkelten Teil des Schiffes und packen ihren diversen Proviant aus wie auf einem Basar- ich sitze oben an Deck, mit einigen wenigen, die mir aber immerzu andeuten, dass es für mich dort zu heiß werde. Ein unangenehmer Herr kommt und zeigt mir seinen Polizistenausweis. Er will meinen Pass sehen. Ich habe keinen, der ist, wie hier üblich, im Hotel. Wenn man ihn nicht abgibt, kann man kein Zimmer mieten, das ist hier so. Ich zeige meinen Personalausweis. Er deutet mir an, dass das Visum fehle. Immer wieder fordert er mich auf, mein Ding rauszukramen. Will er mich jetzt verhaften? Oder den Schiffsführer? Ich weiß wohl, dass sie einem keine Karte verkaufen dürfen ohne Pass. Man kann also nur Schiff fahren, wenn man alles dabei hat. Das Thema kam schon ein paar Mal, klärte sich aber immer irgendwie. Dieser Mensch bleibt hartnäckig. Irgendwie macht es ihn verrückt, dass er mir nicht erklären kann, was hier aus seiner Sicht falsch läuft. Und ich will meine Ruhe. Das dauert noch ein bisschen. Wie sich jetzt rausstellt, fährt das Boot gar nicht die Insel an, sondern man muss auf hoher See in ein kleines wackeliges morsches Teil springen, dass einen dann an Land befördert. Wo es nochmal eine sprossenlose Leiter, praktisch wie Tauklettern, zu überwinden gibt. Ojeh, dass hat mir niemand gesagt, wie auch. Die Gazellen klettern behände die Mauer hoch, das peitschende Meer im Rücken, ich stehe etwas hilflos auf dem schaukelnden Boot und denke einen Moment, das schaffe ich nicht. Aber es kommt doch eine Hand, die hilft, im letzten Moment. Man hilft hier nämlich nicht, nur wenns gar nicht anders geht. So lernen auch Kinder, alles selbst zu können. Und Frauen sowieso. Auf der Insel, die herrlichsten Frieden ausstrahlt, reiht sich ein Haus an das andere. Dazwischen liegen große runde Felssteine sehr dekorativ aufgefädelt. Ich laufe ein wenig, auf der Suche nach einem Plätzchen für mich allein, aber als ich mich das erste Mal hinsetze, kommt das ganze Dorf gerannt und baut sich um mich auf. Mehr Aufregung kann Columbus auch nicht verursacht haben, als er in Amerika eintraf! Ich glaube nicht, dass hier schon mal ein Nichtasiate aufgetaucht ist- die Kinder und Hunde liefen ängstlich davon, eine junge Frau kramte ein Englischbuch hervor und versuchte damit, etwas aus mir heraus zu bekommen. Deutschland kam da aber gar nicht vor, so tippte ich auf Frankreich, weil das näher dran ist als Australien, Kanada oder USA. Amerikanerin wollte ich nun auf gar keinen Fall sein. Es fängt verdammt an zu regnen, und die ganze Gesellschaft, die mittlerweile aus etwa 50 Personen besteht, drängt sich unter einer Markise zusammen, wo ich unter aller Augen eine Kokosnuss trinken muss. Einige Frauen sitzen und pulen mit einer Pinzette Fleisch aus kleinen Krebsen, eine sehr mühsame Angelegenheit, ein Mann macht einen Besen, der Rest steht herum. Komisch, dass die mein Herumsitzen immer so seltsam finden, machen die doch auch den ganzen Tag nichts anderes. Hier auf der Insel zumindest nicht. Aber nach einer ganzen Weile, nachdem sie den Inhalt meiner Tasche inspiziert haben, einige Fotos mit meinem Apparat geschossen, meine Hefte und Bücher durchgeblättert und meine Brillen aufgesetzt, ließen sie mich doch gehen. Und ich wanderte ziemlich lange so vor mich hin. In köstlicher Einsamkeit. Bis das Spiel dann wieder von vorne begann. Und zurück musste ich ja auch noch. Aber das ist eine neue Geschichte.

Tief die feuchtheiße Luft inhalieren, zum letzten Mal. Die letzte Tamarinden-Limonade trinken, schnell die letzten Fotos, damit ich sie noch wegbringen kann. Versuche, die Koberer einzufangen, aber sie sehen mich, bevor ich sie sehe, und verzichten auf ihre Gesten angesichts des Apparats. Ein gezückter Fotoapparat ist für die Taxifahrer wie Knoblauch für Vampire, wenn ich doch mal einen erwische, lacht er verschämt- als würde ihm plötzlich klar, wie sehr mich das nervt, diese Drängelei. Nun nerve nämlich ich! Schnell noch die Märkte durchhecheln: wie gern hätte ich all dieses Grünzeug für zu Hause, aber die Vorstellung, wie es nach 30 Stunden lustlos aus meiner Tasche schlappt, hält mich ab. Einen Kessel, der schon eine Beule hat, kauf ich ein und einen Reiskocher. Die Kessel, an die zwölf haben wir untersucht, haben alle eine Beule, das kommt, weil die so gegeneinander hängen, erklärt mir die Marktfrau stumm. Ich kann jetzt nicht mehr zurück, nachdem sie so viele Kessel hervorgekramt hat! Heute sind alle am Kaufen, morgen ist „Teachers Day“, da muss man seinem Lehrer oder Exlehrer eine Aufwartung machen und bringt Krawatte oder Rasierwasser. Ist hier alles schon aufgestellt. Die passende Karte wird gleich im Laden geschrieben. Ich geh nochmal, ein letztes Mal, zu der Blinden-Massage. Hoffe, dass ich nicht wieder die von neulich hab, die mochte mich nicht und ich sie auch nicht. Sie war sehr ruppig und schlecht gelaunt und dann ganz verwundert, dass sie doch von mir noch Tipp bekam. Aber hier muss mich keiner mögen, können trotzdem mein Geld kriegen, gearbeitet hat sie ja, nur nochmal will ich die nicht. Zum Abschied aber kommt eine ganz junge Frau, sehr schön, nur die verdrehten Augen passen nicht ins Bild. Sie ist sehr kraftvoll, und singt leise vor sich hin, während sie auf mir herumklopft. Durch das Loch in der Liege seh ich ihre schmutzigen Füße in einer Art Birkenstockschuh, sehr gesundheitsbewusst, die meisten tragen Flip-Flops. Sie steht sehr gelassen da, als würde sie sich selbst auch etwas Gutes tun, schwingt leicht, eine angenehme Person. Sie fragt nix und sagt nix, nur einmal, als ich quieke, sagt sie: oh sorry Madame sorry, ich glaub, mehr kann sie auch nicht und manchmal hab ich doch das Gefühl, dass sie was sieht, weil sie immer so hinguckt, wo sie was macht. Nochmal Motorrad fahren, ins Internet (verrückte Stube, wo ich da gelandet bin: da muss man erst mal durch einen Kleiderschrank durch, dann in eine Schneiderei, und dann kommt der Computerraum, so kalt, dass ich Gefrierbrand kriege), Telefonieren, spazieren, Sushi essen, den vierten Eiscafe, dabei die soeben abgeholten Fotos gucken (die Kaffemutti guckt über meine Schulter mit und lacht sich kaputt, weil ich nur Wäscheleinen fotografiert hab, „Vietnam“ gickelt sie, „no Laos“ gickel ich zurück, aber sie hat Recht, in Vietnam siehts ja genauso aus mit der Wäsche, überall hängt sie dran). Ganz schön lang so ein letzter Tag und immer noch nicht zu Ende. Packen macht auch immer Spaß. Eigentlich muss ich auch jedesmal einen Koffer kaufen, diesmal reicht eine Plastiktasche vom Markt. Doch es fiel schwer, Kofferläden sind das Schönste für mich! Stattdessen kaufe ich zwei chinesische Miederhosen mit Taschen, gut als Geldversteck, passend zum Bh der Oma aus Laos. Meinen Fahrer vom letzten Mal, der hier immer an der Ecke weilte, hab ich nicht wiedergesehen. Das fand ich traurig. Der war schon so dünn. Und nachdem ich dieses schreckliche Indienbuch gelesen hab, wo die Rikschafahrer sterben wie Eintagsfliegen, mach ich mir Sorgen. Der hat hier auf seiner Rikscha an der Ecke gewohnt! Stattdessen grinsen mich andere an, die auf den ersten Blick genauso aus-sehen, Cap, karierte Hemden, Shorts und tiefbraun, faltige alte Haut, Zahnlücke. An den Straßenrändern häuft sich noch immer, schon wieder, der Müll. Wird dann abends weggemacht von fleißigen Damen in grünen Overalls mit Leuchtstreifen, aber ein blödes Prinzip, denn diese Reinigungsdienste gibt es nicht überall, aber überall wird alles hingeworfen. Und was esse ich an meinem letzten Abend? Ich mag es kaum sagen, einen Burrito! Hatte nämlich in der Zeitung gelesen, dass hier ein Mexikaner aufgemacht hat, der so authentisch sei- war natürlich Kokolores- eine kalifornische Kette, imbissartig aufgemacht, viel zu teuer, lieblos und kein Mensch im Laden. Geschmeckt hat das Ding, aber es machte keinen Spaß und das ganze wird nie was, gleich gegenüber ist das großartigsteBuffet HCMCs, das ich nur jedem, der hier jemals eintrudelt, empfehlen kann: PHAN THAN- Japanese Cuisin, 8 Phan Van Dat, Q1; für 10 USD kriegt man da Hummer, Austern, Sushi satt und HotPot mit den tollsten Köstlichkeiten aus aller Welt. Plus ein Getränk und Dessert und Obstauswahl wie‘s besser nicht geht. Da kann California-Burrito einpacken! FASTFOOD ADE! Also Tschüß dann bis morgen...

63 Zuletzt19.11.2005 10.50 Uhr

00 Es war einfach zu kurz 01.04.2005 05.51 Uhr Zum Schluss war es eine einzige Hetzerei! Nächstes Mal ein ganzes Jahr ??? Vielen Dank, dass ihr alle so fein mit mir gereist seid. Das Schreiben war eine ziemliche Hilfe gegen die doch ab und an mal aufkeimende Einsamkeit, ich glaub, ohne Internet könnte ich gar nicht so lange weg, denn wenn mal alles ganz anstrengend war, dann ist das Netz wie nach Hause kommen und sich in einen großen gemütlichen Sessel fallen lassen. Also Dankeschön, Tschüß dann und bis gleich! Eure Annie

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