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REPORT Nr. 14, Oktober 2015 AUF EINEN BLICK Die Leitfragen für diesen Report lauten: Was bedeu- tet Arbeiten 4.0 bereits heute im betrieblichen All- tag? In welcher Verbindung steht der politische Dis- kurs mit der betrieblichen Praxis? Betriebsvereinbarungen zeigen, dass (Betriebliche) Mitbestimmung der Pfad ist, der sich für leistungs- fähige Arbeits- und Sozialbeziehungen bewährt hat und in gemeinsamer Verantwortung weiter entwi- ckelt werden muss. Betriebsvereinbarungen verein- fachen Mitbestimmungsverfahren, schreiben ver- bindliche Grundsätze und Verfahrensweisen fest. Ob viele oder wenige Menschen von Digitalisierung profitieren, hängt davon ab, wie Sozialpartner und po- litisch Verantwortliche sich für Mitbestimmungsrechte stark machen. Mitbestimmung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft. Betriebsräte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure, die nicht nachgelagert ange- hört, sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden müssen. Mitbestimmung gehört an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik, nicht an das Ende, wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen. Vertrauensvolle Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure bekommt einen noch größeren Stellenwert. Dies ersetzt nicht echte Mitbestimmungsrechte, die auf Augenhöhe Verhandlungen erst ermöglichen. Menschen wollen sich stärker an der Gestaltung ih- rer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen. Das eröffnet Chancen für neue Beteili- gungsformen als Verstärkung der kollektiven be- trieblichen Mitbestimmung, nicht als deren Ersatz. ARBEITEN 4.0 – DISKURS UND PRAXIS IN BETRIEBS- VEREINBARUNGEN 1. Fassung Manuela Maschke, Nils Werner

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Page 1: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

REPORTNr 14 Oktober 2015

AUF EINEN BLICK

Die Leitfragen fuumlr diesen Report lauten Was bedeu-tet Arbeiten 40 bereits heute im betrieblichen All-tag In welcher Verbindung steht der politische Dis-kurs mit der betrieblichen Praxis

Betriebsvereinbarungen zeigen dass (Betriebliche) Mitbestimmung der Pfad ist der sich fuumlr leistungs-faumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen bewaumlhrt hat und in gemeinsamer Verantwortung weiter entwi-ckelt werden muss Betriebsvereinbarungen verein-fachen Mitbestimmungsverfahren schreiben ver-bindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen fest

Ob viele oder wenige Menschen von Digitalisierung profitieren haumlngt davon ab wie Sozialpartner und po-litisch Verantwortliche sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen Mitbestimmung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen

Vertrauensvolle Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure bekommt einen noch groumlszligeren Stellenwert Dies ersetzt nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ih-rer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

ARBEITEN 40 ndash DISKURS UND PRAXIS IN BETRIEBS- VEREINBARUNGEN1 Fassung

Manuela Maschke Nils Werner

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 2

1 EINFUumlHRUNG

Dieser Trendbericht ist geschrieben vor dem Hin-tergrund der aktuellen Diskussion um das Gruumln-buch Arbeiten 40 Er vermittelt wie leistungsfaumlhig die betriebliche Mitbestimmung ist bzw sein kann Wenn Beteiligung und Mitbestimmung zum Kern der Arbeitswelt von Morgen gehoumlren dann ist es notwendig die Mitbestimmung fuumlr die Zukunft zu staumlrken durch Sozialpartner und Politik

Das Gruumlnbuch Arbeiten 40 des Bundesarbeits-ministeriums beschreibt eine Vielzahl von Trends die die Arbeitswelt der Zukunft betreffen oder be-treffen koumlnnen Dazu zaumlhlt die weitreichende Digi-talisierung von Arbeitsprozessen und Produkten mithin die wachsende Vernetzung von IT-Infra-strukturen mit Datenstroumlmen Produktionstechno-logien und menschlicher Arbeit entlang der ge-samten Wertschoumlpfungskette Zugleich bildet der demografische Wandel mit veraumlnderten Anforde-rungen an und von Beschaumlftigten an ihre Arbeit den Hauptwandel im bdquoFundamentldquo der erwerbstauml-tigen Bevoumllkerung Mit Arbeiten 40 verbunden sind bislang mitbestimmte Handlungsfelder wie Aus- und Weiterbildung und Lebenslanges Lernen ganzheitlicher Arbeits- und Gesundheitsschutz Arbeitszeitgestaltung Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben Einfuumlhrung von Technik sowie Teilhabe von sehr unterschiedlichen Beschaumlftig-tengruppen Und aus der Perspektive des Einzel-nen verbinden sich wachsende Beduumlrfnisse nach mehr Wahlfreiheit Teilhabe und selbstbestimmter Arbeit ebenfalls mit Arbeiten 40 Jetzt bekommen individuelle Arrangements von Beschaumlftigten mit ihren Fuumlhrungskraumlften ein groumlszligeres Gewicht denn immer mehr Arbeit findet (scheinbar) eigenverant-wortlich statt Gleichwohl sind kollektive Mitbe-stimmung und Beteiligungsrechte der Interessen-vertretungen nach wie vor die Institutionen die Teilhabe von Beschaumlftigten uumlberhaupt erst moumlglich machen

Weil man nicht isoliert in Deutschland produ-ziert und arbeitet findet alles im Kontext wachsen-der internationaler Verflechtungen im bdquoglobalisier-ten Dorfldquo statt Und dies bezieht sich sowohl auf sich veraumlndernde Unternehmensstrukturen (Mat-

rixorganisationen modulare Unternehmen etc) als auch auf Produktionsprozesse entlang der Wert-schoumlpfungsketten Abhaumlngig Beschaumlftigte arbei-ten weltweit zusammen und geraten zugleich zuei-nander in wachsende Konkurrenz um Arbeit Denn digitale Vernetzung und Cloud-Infrastrukturen er-moumlglichen dass Arbeit und Dienstleistungen nicht mehr unbedingt am Unternehmensstandort er-bracht werden muumlssen (vgl Pfeiffer 2015) Auf die-se Weise werden Ort und Zeit der Leistungserbrin-gung hochflexibel Dies ist womoumlglich die wich-tigste Veraumlnderung in der Arbeitswelt gegenwaumlrtig

Zugleich ist von Gewicht wer kuumlnftig die Hoheit und Verfuumlgungsgewalt uumlber die wachsenden Da-tenmengen hat Wird es ein Unternehmen wie Google sein das die Produzenten entlang der Wertschoumlpfungskette steuert Oder ist es noch ein produzierender Konzern der seine Dienstleister selbst organisiert und seine Kernkompetenzen klar definiert Denn auch der industrielle Kernbetrieb wandelt sich Immer weniger Arbeit wird in einem einheitlich und zentral organisierten Betrieb geleis-tet Hinzu kommen pseudo-selbststaumlndige Arbeits-verhaumlltnisse so genannte Plattformoumlkonomien und nur lose verkoppelte selbststaumlndige betriebli-che Einheiten Unternehmen lagern Arbeit an Werkvertraumlge aus obwohl sie womoumlglich damit Kernkompetenzen outsourcen mit weitreichenden Folgen fuumlr ihre eigene Existenz (vgl Hertwig ua 2015) Auf diese Weise werden systematisch Ver-aumlnderungen in komplexen Wertschoumlpfungsprozes-sen und Unternehmensstrategien vorangetrieben

Experten warnen schon laumlnger dass der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht (vgl Klebe 2013) Welche Auswirkungen ergeben sich fuumlr Beschaumlftigung allgemein auf das Verhaumllt-nis von Stamm- und Randbelegschaften insbeson-dere Experten gehen von verschiedenen Szenari-en aus (vgl FreyOsborne 2013 Hirsch-Kreinsen 2014 Bonin ua 2015 Ittermann ua 2015) Es koumlnnte Unternehmen geben in denen weiterhin schrumpfende und gut qualifizierte Stammbeleg-schaften unterstuumltzt zusammenarbeiten werden mit Menschen in einer Vielzahl von Leih- Werk- und anderen Vertragsformen Auch wird vertreten dass in der Folge wachsender Automatisierung et-

INHALTSVERZEICHNIS

1 Auf einen Blick2 Einfuumlhrung4 Betriebliche Praxis4 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung14 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen16 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten18 Qualifizierung und lebenslanges Lernen21 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb24 Fazit 25 Im Uumlberblick

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 3

liche Arbeitsplaumltze vernichtet werden Zugleich koumlnnen aber auch neue Berufsbilder entstehen und dies koumlnnte eine Entwicklung hin zu mehr Stammbeschaumlftigten bewirken Fuumlr dies spricht dass in kapitalintensiven produzierenden Bran-chen tendenziell langfristig investiert wird und es entsprechend sinnvoll ist qualifizierte Beschaumlf-tigte langfristig zu binden und in sie zu investie-ren Tarifvertraumlge und Mitbestimmung stuumltzen und stabilisieren diese Kooperationsformen Das entgegengesetzte Szenario mit schrumpfenden Kernen und ausufernden Randbelegschaften er-fordert neue Antworten da hier Mitbestimmung und Tarifvertraumlge bislang nicht umfassend invol-viert sind sondern verdraumlngt werden

Aus der Mitbestimmungsperspektive stellen sich daher viele Fragen Wie koumlnnen Traumlger der Mitbestimmung den Wandel strategisch und im Interesse der Beschaumlftigten mitgestalten Wie werden kollektive Akteure unterstuumltzt um unter den sich veraumlndernden Rahmenbedingungen handlungsfaumlhig zu bleiben Wer bleibt womoumlg-lich auf der Strecke innerhalb der Belegschaft Welche Weichen muumlssen innerhalb der Arbeits- und Sozialbeziehungen und vom Staat jetzt ge-stellt werden

Die meisten Arbeitnehmer- und Mitbestim-mungsrechte sind heute hauptsaumlchlich an die In-stitutionen bdquoArbeitsvertragldquo und bdquoBetriebldquo ge-bunden Welche Bedeutung haben in Zukunft der Betrieb und die Betriebszugehoumlrigkeit Wer sorgt fuumlr gute Rahmenbedingungen wenn kein Be-triebsrat und kein Tarifvertrag existiert Welche Bedeutung und Wertschaumltzung hat ein Tarifver-trag hat eine Betriebsvereinbarung Wie wird die Technik gestaltet

Wenn kein Technikdeterminismus betrieben wird muss Mitbestimmung schon sehr fruumlh in der Phase der Technikentwicklung und -gestal-tung eine zentrale Rolle spielen (vgl Hirsch-Kreinsen 2013 454ff) Anregungen dazu liefern die Ausfuumlhrungen zu IKT-Rahmenvereinbarun-gen Vereinbarungen zu neuen Produktionssyste-men und KVP in diesem Beitrag Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unternehmen Be-schaumlftigte und erwerbsfaumlhige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm werden wenn Beteiligung und Chancengleichheit befoumlrdert werden nicht jedoch wenn nur wenige Perso-nengruppen davon profitieren und Mitbestim-mung eine nachgelagerte soziale Angelegenheit ist Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Ver-antwortlichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterentwicklung und Staumlrkung entspre-chend stellen

Das skizzierte Paket technologischer und orga-nisatorischer Groszligveraumlnderungen wird die Ar-beitswelt in den kommenden Jahren treffen Da-her lauten die Leitfragen fuumlr diesen Report

Die Hans-Boumlckler-Stiftung dokumentiert seit Jahren das breite Spektrum betrieblicher Mitbestimmungs-praxis in abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen Einige Vereinbarungen und Handlungsfelder markie-ren heute schon moumlgliche Pfade in die mitbestimm-te Arbeitswelt 40 Einige Beispiele sind hier zusam-mengetragen Wir knuumlpfen mit diesem Report an die Gestaltungsanforderungen fuumlr die Arbeit der Zu-kunft an Reiner Hoffmann hat diese praumlgnant in 11 Thesen benannt In weiteren Ausfuumlhrungen sind ausfuumlhrliche Einschaumltzungen diskutiert (vgl Hoff-mann 2015 ua) Daruumlber hinaus wurden bereits fuumlr eine neue Ordnung der Arbeit politische Forderun-gen formuliert Dieser Report unterstreicht die Not-wendigkeit zum Handeln (vgl DGB 2013) und reiht sich ein in das Leitthema der Hans-Boumlckler-Stiftung im Jahr 2015 bdquoArbeit ist die Quelle von Wohlstandldquo

Einige Fragestellungen aus der Mitbestimmungsperspektive

bull Wie koumlnnen Traumlger der Mitbestimmung den Wandel strategisch und im Interesse der Be-schaumlftigten mitgestalten

bull Wie werden kollektive Akteure unterstuumltzt um unter den sich veraumlndernden Rahmenbedin-gungen handlungsfaumlhig zu bleiben

bull Wer bleibt womoumlglich auf der Strecke inner-halb der Belegschaft

bull Welche Weichen muumlssen innerhalb der Ar-beits- und Sozialbeziehungen und vom Staat jetzt gestellt werden

bull Die meisten Arbeitnehmer- und Mitbestim-mungsrechte sind heute hauptsaumlchlich an die Institutionen bdquoArbeitsvertragldquo und bdquoBetriebldquo ge-bunden Welche Bedeutung haben in Zukunft der Betrieb und die Betriebszugehoumlrigkeit

bull Wer sorgt fuumlr gute Rahmenbedingungen wenn kein Betriebsrat und kein Tarifvertrag existiert

bull Welche Bedeutung und Wertschaumltzung hat ein Tarifvertrag hat eine Betriebsvereinbarung

bull Wie kann Mitbestimmung schon bei der Ent-wicklung und Gestaltung von Technik beruumlck-sichtigt werden

Was bedeutet Arbeiten 40 bereits heute im betrieblichen AlltagIn welcher Verbindung steht der politische Diskurs mit der betrieblichen Praxis

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 4

2 BETRIEBLICHE PRAXIS

Arbeitszeitgestaltung Informations- und Kommuni-kationstechnologie Personalpolitik ndash zu diesen weit-reichenden Themengebieten werden die meisten betrieblichen Vereinbarungen in Deutschland abge-schlossen Das Archiv Betriebliche Vereinbarungen der Hans-Boumlckler-Stiftung umfasst insgesamt uumlber 16000 Dokumente zu 11 ThemenclusternDiese Sammlung ist nicht repraumlsentativ denn es gibt kein zentrales Register fuumlr abgeschlossene Be-triebs- und Dienstvereinbarungen Es existiert keine vollstaumlndige Uumlbersicht zu Umfang und Themen die in Betriebsvereinbarungen in Deutschland verhan-delt und reguliert werden Das Archiv Betriebliche Vereinbarungen beherbergt jedoch mit Abstand die groumlszligte Sammlung dieser Art Auswertungen geben Einblick in die verbindlich verhandelten Kompromis-se (wwwboecklerdebetriebsvereinbarungen)

Die aktuelle repraumlsentative WSI-Betriebsraumltebe-fragung gibt ua Auskunft uumlber die Themenpalette von Betriebsvereinbarungen Nach ersten Auswer-tungen haben knapp 68 der Unternehmen aus denen die befragten Betriebsraumlte stammen eine Betriebsvereinbarung zum Datenschutz sowie zu Arbeitszeitkonten abgeschlossen In den Feldern Einsatz von Technik und Arbeitszeit befinden sich gegenwaumlrtig die wichtigsten Verhandlungsthemen zur Gestaltung im Betrieb (Die Auswertung wird derzeit erarbeitet vgl BaumannMaschke iE)

21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung

Digitalisierung eroumlffnet zahlreiche betriebliche Ge-staltungsfelder fuumlr die Mitbestimmung Im Folgen-den wird der Versuch unternommen den Fokus auf aktuelle Aushandlungsprozesse im Betrieb zu legen mit Schwerpunkten bei sehr verschiedenen internet-basierten vernetzten Arbeits- und Produktionsab-laumlufen Da es sich bei der Digitalisierung um eine sehr weitreichende Entwicklung handelt bietet es sich an in technischer Hinsicht drei Ebenen zu un-terscheiden (Pfeiffer 2015)

a) webbasierte Kommunikation auf Plattformen zur Unterstuumltzung der Arbeitsprozesse ndash z B zur Ter-min- und Schichtplankoordinierungb) neue datentechnische Verknuumlpfungen von und mit Gegenstaumlnden die es bislang nicht gab ndash Inter-net der Dingec) neue Automatisierungsansaumltze ndash z B zweiarmi-ge Roboter mit neuer Sensorik 3-D-Drucker

Diese Entwicklungen ereignen sich jedoch nicht schlagartig sondern stellen sukzessive Veraumlnderun-gen dar In der betrieblichen Realitaumlt wirken sich die-se drei Ebenen auf verschiedene Weise aus je nach Anwendung und Branche Die Richtung ist jedoch stets aumlhnlich Man veraumlndert Arbeitsorganisationen in der Regel um zu rationalisieren Betriebsvereinba-rungen begrenzen die Moumlglichkeiten der technischen

Anwendungen zum Schutz der Beschaumlftigten Sie koumlnnen die sozialen Nachteile die mit der Entwick-lung einhergehen und sich auf Arbeitsbedingungen und -organisationen auswirken abmildern

Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten

Regelungen zur webbasierten Kommunikation fin-den sich in Betriebsvereinbarungen zu Themen wie Social-Media-Nutzung Umgang mit Internet- und E-Mail-Anwendungen sowie Nutzung von mobilen Endgeraumlten Die Vernetzung via Informations- und Kommunikationstechnologien bezieht sich auf diver-se Programme Cloud-Anwendungen1 Remote-Zu-griffe GPS-Ortung und Datenauswertungen sowie Sicherheitssysteme sind einige Regelungsthemen

Folgt man einer aktuellen Befragung von Ernst amp Young dann wird in Unternehmen Digitalisierung aktuell besonders dort zum Thema wo es um Kun-denbeziehungen geht (Ernst amp Young 2015 S 16) Die Nutzung mobiler Endgeraumlte ist bei den befrag-ten Unternehmen heute der bedeutendste Techno-logietrend (69 ) gefolgt von Social Media (60 ) und Analysetools (60 ) (ebd S 32) Cloud-Anwen-dungen werden nach dieser internationalen Befra-gung erst von 50 der Unternehmen als derzeit re-levant bewertet 3-D-Druck Robotertechnologien und smarte Materialien noch von gut einem Drittel der Unternehmen Befragt wurden 1025 Unterneh-men in 12 Nationen

Auf einzelne Branchen bezogen lassen sich diese Aussagen zum Beispiel fuumlr die Logistikbranche un-termauern Dort ist gerade die Kombination des Ein-satzes mobiler Endgeraumlte mit netzbasierter GPS-Steuerung und RFID-Technologie (und Barcodes) in-teressant Nach einer Studie von Pricewaterhouse

1 Gemeint sind SaaS (Software as a Service) Programme wie E-Mail E-Collaboration Sicherheitsanwendungen PaaS (Platform as a Service) Auslagerung von Geschaumlftsprozessen etwa zur Lohnbuchhaltung IaaS (Infrastructure as a Service) z B Speicherplatz und Entwicklungsplattformen etc

PersonalpolitikAus- und WeiterbildungArbeitszeitEntgelt Sozialleistungen SozialpolitikArbeits- und GesundheitsschutzUmweltschutzArbeits- und UnternehmensorganisationTechnologie und IKTBeschaumlftigungssicherung Data 1 2042 540 3946 1315 1452 641 82 1670 2472 1449 Data 2 16 11 -05 0 08 03 12

Data 3 12 08 -08 1 1 1 1

Data 4 0 -1 -12 -13 -08 -11 0

Data 5 -1 -15 -16 -18 -1 -12 -05

Umweltschutz

0 1000 2000 3000 4000

Personalpolitik Aus- und Weiterbildung

Arbeitszeit Entgelt

Sozialleistungen Sozialpolitik Arbeits- und Gesundheitsschutz

Umweltschutz Arbeits- und Unternehmensorganisation

Technologie und IKT Beschaumlftigungssicherung

Mitbestimmung

0 1000 2000 3000 4000

Personalpolitik Aus- und Weiterbildung

Arbeitszeit Entgelt

Sozialleistungen Sozialpolitik Arbeits- und Gesundheitsschutz

Umweltschutz Arbeits- und Unternehmensorganisation

Technologie und IKT Beschaumlftigungssicherung

Mitbestimmung

Titel Untertitel

Abbildung 1

Bestand der Vereinbarungen in Kategorien

Abbildung 1

Bestand der Vereinbarungen in Kategorien

Abbildung 1

Titel Untertitel

Abbildung 1 (158mm)

Fuszlignote Quelle Quellenangabe

Quelle Archiv Betriebliche Vereinbarungen Bestand (Mai 2015) 16389 Dokumente in 11 Kategorien

Quelle Archiv Betriebliche Vereinbarungen Bestand (Mai 2015) 16389 Dokumente in 11 Kategorien

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 5

Coopers (vgl PWC 2014) steigt die Nachfrage nach Cloud-Anwendungen kontinuierlich und Social-Me-dia-Anwendungen sind das Top-Instrument fuumlr den Kontakt und die Kommunikation mit Kunden Da die Vielfalt und Quellen der Daten stetig wachsen sind offenbar auch hier Datenanalysetools vielverspre-chend (Stichwort Big Data) Echtzeiterkennung von Fahrzeugstandorten fuumlr Kunden ist inzwischen Alltag Neue Geschaumlftsideen werden in neuen Datenerfas-sungsmoumlglichkeiten gesehen (Luftverschmutzung messende oder den Straszligenbelag pruumlfende Fahrzeu-ge etc) Lagerhaltung und Logistik sind ohne Digitali-sierung nicht mehr denkbar ndash in allen Industrien Mit-tels RFID-Technologie zur Identifizierung und Ortung von Waren und Menschen wird sich ein Konzept wie das Internet der Dinge vermutlich rasant weiterentwi-ckeln koumlnnen Informationsbasierten Dienstleistun-gen rund um die Nutzung von Produkten wird ein groszliger Markt vorausgesagt (vgl Bienzeisler 2014)

Fragt man danach was auf der betrieblichen Ebe-ne vorhanden ist so kommt man zu sehr verschieden weitreichenden Themen und Ansatzpunkten

In Betriebsvereinbarungen wird fuumlr den heutigen Stand umfangreich Informations- und Kommunikati-onstechnik (IKT) geregelt Das gilt fuumlr IKT-Rahmen-vereinbarungen Telekommunikation Datenschutz Einsatz von und Arbeit mit Technik im Buumlro (Mail Te-lefonie Video etc) Seltener stellt die Digitalisierung an sich ein Thema dar Es geht vor allem darum Leis-tungs- und Verhaltenskontrolle zu begrenzen Daten-schutz fuumlr Beschaumlftigte zu gewaumlhrleisten trotz wach-sender Datenberge sowie breiter und schneller wer-dender Datenstroumlme In verschiedenen Kontext- themen wie z B Arbeits- und Gesundheitsschutz Ar-beitszeit Qualifizierung und Mitbestimmung wird versucht soziale Nachteile zu mildern Im Folgenden werden beobachtete Regelungstrends zu einzelnen Gestaltungsfeldern im Uumlberblick zusammengefasst

IKT-Rahmenvereinbarung

Die Bedeutung der Informations- und Kommunikati-onstechnologie (IKT) wird weiter wachsen (vgl BDI 2015) Betriebs- und Personalraumlte werden tendenzi-ell haumlufiger als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig beteiligt Dies legt die Auswertung von 140 Verein-barungen nahe (vgl BoumlkerDemuth 2013) Die Ge-staltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherr-schung Denn letztlich ist eine vollstaumlndige Uumlberwa-chung der IKT unmoumlglich IKT-Rahmenvereinbarun-gen sind freiwillige Vereinbarungen Sie vereinfa-chen haumlufig Mitbestimmungsverfahren indem Grund- saumltze festgeschrieben werden zur Beteiligung zur Arbeit in paritaumltischen Ausschuumlssen zum Informati-onsfluss etc In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzli-chen Mitbestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der betrieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Projektentwicklungen mitwirken kann Ein Beispiel stammt aus dem Jahr 2010

Beispiel bdquoMit dem Betriebsrat werden auf Wunsch der [Fir-ma] oder des Betriebsrats vor Projektbeginn in einer Projektvereinbarung folgende Punkte festgelegt - Art und Umfang der Teilnahme des Betriebsrats an

den Projektsitzungen und dem Lenkungsausschuss - Meilensteine oder Projektabschnitte die einer Be-

ratung oder Zustimmung des Betriebsrats beduumlr-fen bevor das Projekt weitergefuumlhrt werden kann

- lesender online-Zugriff auf die vollstaumlndige Projekt-dokumentation und die Sitzungsprotokolleldquo

(Versicherungsgewerbe 0902014702010)2

Ein solcher Trend haumlngt sicherlich auch vom Know How der Akteure und vermutlich von der Branche ab Das folgende Beispiel ist in dieser Hinsicht fort-schrittlich weil die Regelung bereits aus dem Jahr 2000 stammt und verhaumlltnismaumlszligig offen ist

Beispiel bdquoGeschaumlftsleitung (GL) und Standort-Betriebsrat (BR) der [hellip]-Gruppe am Standort [hellip] sind sich darin einig dass ein zukunftsorientierter Einsatz der Informati-onstechnik dem Wohle des Unternehmens sowie sei-ner Mitarbeiter zu dienen hat Dieses Ziel kann nur er-reicht werden wenn GL BR und Mitarbeiter gleicher-maszligen die Anwendung neuer Technologien mit- tragen und mitgestalten Dazu ist es notwendig - dass der Betriebsrat und die betroffenen Mitarbeiter

sich konstruktiv und qualifiziert am Entscheidungs- und Gestaltungsprozess beteiligen koumlnnen [hellip]

- dass die mit der Projektabwicklung befassten IT-Stellen durch diese Regelungen nicht behindert werden bzw dass auf die Belange der hier Be-schaumlftigten Ruumlcksicht genommen wirdldquo

(NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobilelek-tronik 0902013602000)

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrol-le Daher werden hier einige Beispiele ausfuumlhrlicher dokumentiert Ein absolutes Verbot der Leistungs- und Verhaltenskontrolle wie das folgende wird nicht immer ausgesprochen

Beispiel bdquoEin IT-System darf grundsaumltzlich nicht zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle genutzt werden Abwei-chungen sind mit dem Betriebsrat zu vereinbarenldquo (Wasserversorger 0902014112006)

Eher schlieszligt sich an das Verbot die definierte Aus-nahme an Die folgende Regelung erweitert den Ausschluss der Kontrolle einzelner Beschaumlftigter und von Mitarbeitergruppen und benennt die Akteu-re an denen es nicht vorbei gehen darf Betriebsrat und Datenschutzbeauftragte

2 Die Kennung am Ende des Zitats bezeichnet die Quelle und den Standort der Vereinbarung im Archiv (Branche Themalfd NrJahr)

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 6

Beispiel bdquoEs ist ausdruumlcklich ausgeschlossen dass die erho-benen und verarbeiteten personenbezogenen oder beziehbaren Daten zum Zwecke der Verhaltens- undoder Leistungskontrolle bezogen auf einen MitarbeiterIn oder eine Gruppe MitarbeiterInnen eingesetzt werden es sei denn der BR und der Da-tenschutzbeauftragte stimmen dem im Einzelfall ge-sondert zuldquo (Kreditgewerbe 0902014382006)

Einzelkontrollen werden an gesetzliche oder tarifli-che Bestimmungen gebunden die eine Kontrolle zu-lassen wuumlrden

BeispielbdquoEine Kontrolle der Leistung oder des Verhaltens ein-zelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen un-ter Nutzung elektronisch gespeicherter personenbe-zogener Daten wird [hellip] nicht einseitig durchgefuumlhrt soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht bestehtldquo (Baugewerbe 0902014752010)

Im Zusammenhang mit Outsourcing von IT-Systemen und deren Organisation werden Regelungen notwen-dig die auch Dienstleistern Maszlignahmen untersagen die der Leistungs- und Verhaltenskontrolle dienen koumlnnten Entsprechende vertragliche Regelungen ge-maumlszlig sect 11 BDSG gehen nach Ansicht der betrieblichen Vertragspartner nicht weit genug Sie halten daher eine Regelung wie die folgende fuumlr notwendig

Beispiel bdquoDer Arbeitgeber unterlaumlsst es ohne ausdruumlckliche Zustimmung des Betriebsrates Auswertungen von personenbezogenen Daten die durch diese BV aus-geschlossen sind durch Dritte vornehmen zu lassen bzw zu verwendenldquo (Verlags- und Druckgewerbe 0902012692005)

Nachstehend werden die zulaumlssigen Zwecke von Aus-wertungen in allgemeiner Form aufgelistet Jegliche daruumlber hinausgehende Nutzung ist dann verboten

BeispielbdquoSoweit im Einsatz befindliche luK-Systeme Aktivitauml-ten der Benutzer aufzeichnen duumlrfen diese nur - zur Gewaumlhrleistung der Systemsicherheit - zur Gewaumlhrleistung von Datenschutz und Daten-

sicherheit - zur Uumlberpruumlfung der Einhaltung von Betriebsver-

einbarungen und gesetzlichen Vorschriften - zur Analyse und Korrektur technischer Fehler in

den Systemen zur Steuerung und Optimierung der Systeme

- zur Abrechnung verbrauchter Systemleistungen - zur Wahrung gesetzlicher Aufbewahrungsvor-schriften

- zur Wahrung von Pruumlfungsauflagen durch Finanz-behoumlrden und Wirtschaftspruumlfer

benutzt werdenldquo (Ernaumlhrungsgewerbe 0902014942008)

Die Regelungen begrenzen die Verwendung auf ei-nen oder mehrere Zwecke die Aufzeichnung wird jedoch nicht generell angezweifelt In weiteren Ein-zelvereinbarungen werden Ergaumlnzungen zu einzel-nen Systemen abgeschlossen Im Idealfall entsteht auf diese Weise eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen

Insgesamt lassen die vorliegenden IKT-Rahmen-vereinbarungen neueren Datums den Schluss zu dass Betriebsraumlte ihre Rechte kompetent nutzen Es leuchtet ein dass wachsende Ressourcen- und Zeit-probleme im Betriebsrat entstehen da die digitale Durchdringung von Prozessen und die Innovations-geschwindigkeit bei IKT enorm ist Updates von Programmen und umfangreiche Aumlnderungen folgen in kurzer Taktung Besonders die vertrauensvolle Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt daher einen groszligen Stellenwert Lenkungs-ausschuumlsse paritaumltische Kommissionen und Trans-parenz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlgli-chen Das wird besonders dann relevant wenn z B noch mehr Daten ausgelagert werden und die Ge-fahr besteht dass Cloud-Anwendungen die Mitbe-stimmungsmoumlglichkeiten ins Leere laufen lassen weil Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden

Nutzung von E-Mail und Internet

Der betriebliche Umgang mit dem Internet ist selbstverstaumlndlich Die E-Mail hat eine ungebrochen wichtige Bedeutung in der Kommunikation mit Kun-dinnen und Kunden die Recherche im Internet ist fuumlr viele Beschaumlftigte Alltag Entsprechend weniger Raum nehmen heute Regelungen ein die bestim-men ob Beschaumlftigte die Internetdienste uumlberhaupt nutzen duumlrfen der Zugang zum Netz ist selbstver-staumlndlich Die in fruumlheren Auswertungen festgestell-ten Unklarheiten diesbezuumlglich kommen so in neue-ren Vereinbarungen kaum noch vor (vgl BoumlkerDe-

Kurz und knapp

- Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlufiger als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig beteiligt Dies legt die Auswer-tung von 140 Vereinbarungen nahe Die Gestaltung des Technik-einsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kont-rolle und Beherrschung

- In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmer-vertretung uumlber die gesetzlichen Mitbestimmungsprozesse hin-aus als Gestalter der betrieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Projektentwicklungen mitwirken kann

- Zentrale Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswer-tung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 7

muth 2014) Haumlufig finden sich Regelungen die eine private Nutzung in der Freizeit und in den Pausen er-lauben nachdem die Beschaumlftigten eine Erklaumlrung unterzeichnet haben mit der datenschutzrechtliche Beschraumlnkungen zur Protokollierung und Auswer-tung fuumlr den Arbeitgeber aufgehoben werden Leis-tungs- und Verhaltenskontrolle wird regelmaumlszligig auf dem Papier ausgeschlossen Im Umgang mit Proto-kolldateien sind Spielraumlume vorhanden um diese auszuwerten Die missbraumluchliche Nutzung von In-ternetdiensten soll bewiesen werden

Relevant wird dies insbesondere wenn E-Mail- und Internetdienste durch die Arbeitnehmervertre-tungen genutzt werden und ein besonderer Schutz der Daten notwendig wird Die folgende Regelung ist dafuumlr beispielhaft Sie bezieht zusaumltzlich alle an-deren Personen und Gruppierungen ein die per Ge-setz einem besonderen Schutz unterliegen

Beispiel bdquoWerksaumlrzte Psychologen Suchtberater Suchtkran-kenhelfer Sozialberater Betriebsraumlte und Jugend- und Auszubildendenvertreter und andere Interessen-vertreter der Belegschaft Schwerbehindertenvertre-ter Pressemitarbeiter und Rechtsanwaumllte sowie die im betrieblichen Datenschutz taumltigen Personen und die [betrieblichen Datenschutzbeauftragten] genie-szligen einen Sonderschutz Eine Liste der geschuumltzten Personen wird durch die lokale Personalabteilung dem zustaumlndigen Administrator zur Einrichtung und dem lokalen Betriebsrat zur Uumlberpruumlfung der Einhal-tung dieser Betriebsvereinbarung zur Verfuumlgung ge-stellt E-Mails die an diesen Personenkreis gerichtet sind unterliegen dem maximalen Schutzldquo (Bran-chenuumlbergreifend 0903001882010)

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeits-verdichtungen werden in den meisten Vereinbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet Selten werden etwa ausfuumlhrliche Regelungen zum Umgang mit Abwe-senheitszeiten und Vertretungsregelungen formuliert

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Diese Geraumlte werden in den Vereinbarungen bisher kaum mit ihren umfassenden Einsatzmoumlglichkeiten wahrgenommen bezogen auf die Kommunikation (Te-lefon Kurznachrichten und elektronische Post) und

Kurz und knapp

- Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Vereinbarungen zur E-Mail-Nut-zung nicht betrachtet

das Informationsmanagement (Adressbuch Kalender Aufgabenlisten Projektsoftware) Mobile Device Ma-nagement (MDM) ermoumlglicht es alle mobilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfigurationen zentral zu ver-walten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und An-wendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbe-stimmung Nur wenige Vereinbarungen erfassen das Thema bislang umfassend (vgl Thannheiser 2015) Durch MDM werden mobile Geraumlte transparent ortbar und auswertbar ndash was der Verhaltens- und Leistungs-kontrolle Wege eroumlffnet Alle mobilen Zugriffe auf Do-kumente werden vom MDM-System luumlckenlos aufge-zeichnet Schnittstellen ermoumlglichen die Weitergabe an beliebige andere Systeme Daruumlber hinaus ist der sogenannte Echtzeit-Remote-Zugriff moumlglich (Remote Control) Je nach Freigabe ist es moumlglich sich auf Mo-biltelefone aufzuschalten und diese fernzubedienen

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspannun-gen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtliche Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leistungs-kontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte einge-setzte Software bleiben ebenso haumlufig unbeantwor-tet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Ta-blets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen

Unter dem Begriff Social Media werden alle techni-schen Moumlglichkeiten zusammengefasst die es er-lauben z B auf Plattformen miteinander in Kontakt zu treten um sich zu vernetzen mediale Inhalte ge-meinsam zu erarbeiten zu teilen oder zu kooperie-ren Unternehmen nutzen Social-Media-Angebote heute fuumlr interne wie externe Bereiche Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessenvertretun-gen und Arbeitgeber nicht selten vor vollendeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt Be-schaumlftigte schaffen Fakten und veraumlndern Unterneh-

Kurz und knapp

- Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mobilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfigurationen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Sys-temen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Vereinbarun-gen erfassen das Thema bislang umfassend

- Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Ver-spannungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtliche Fra-gen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leistungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbeantwortet Die Nutzung von Apps auf Smart-phones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 8

men indem sie den im Privatleben alltaumlglichen Ge-brauch in das Berufsleben hineintragen

Die Auswertung von Regelungen zur Social-Me-dia-Verwendung in Betrieben zeigt Nur selten wur-den Betriebs- und Dienstvereinbarungen abge-schlossen dafuumlr mehr Richtlinien bzw Social-Me-dia-Guidelines (vgl GreveWedde 2014)

BeispielbdquoDie Nutzung sozialer Netzwerke wie Twitter Face-book Xing oder Wikipedia gewinnt eine immer groumlszlige-re Bedeutung [hellip] Die [Firma] kann sich hier darstel-len ihre Produkte verbreiten und fuumlr sie werben Es liegt im Interesse der [Firma] das Engagement der Mitarbeiter im Bereich der sozialen Medien zu foumlrdern [hellip] Um den Beschaumlftigten Sicherheit im Umgang mit den sozialen Netzwerken zu geben und daruumlber hinaus die Interessen beider Seiten gleichermaszligen zu wah-ren haben die Betriebsparteien einen Kodex erstellt als Regelwerk fuumlr das digitale Miteinander im Internetldquo (Verlags- und Druckgewerbe 0903002262011)

Manche Unternehmen beziehen ihre Richtlinien aus-druumlcklich auf die dienstliche Nutzung Demgegen-uumlber entwickeln andere ihre Richtlinien offenbar ge-rade dafuumlr Beschaumlftigten Regeln fuumlr die private Nut-zung von Social Media an die Hand zu geben

BeispielbdquoDer Leitfaden ist nicht als Anleitung fuumlr Mitarbeiter ge-dacht die fuumlr die offiziellen Kommunikationskanaumlle [der Firma] zustaumlndig sind Es geht hier vielmehr um Ihre persoumlnlichen Aktivitaumlten in den Social Media sowohl waumlhrend der Arbeitszeit als auch zuhause Generell ist es Ihre Sache was Sie auszligerhalb der Arbeitszeit tunldquo (Telekommunikationsdienstleister 0903002872010)

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungspflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals relativ schnell erstellt wur-den um der rasanten Nutzung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spiel-regeln zusammenzufassen Dies ist dann eine Basis auf der die eigentlich mitbestimmungspflichtigen Fragen kuumlnftig umfassend geregelt werden koumlnnen und sollten

Kurz und knapp

- Bei Social-Media-Anwendungen stehen Inter-essenvertretungen und Arbeitgeber nicht sel-ten vor vollendeten Tatsachen denn die Nut-zung findet bereits statt

- Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oft-mals relativ schnell erstellt wurden um der ra-santen Nutzung sozialer Medien eine rechtli-che Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammenzufassen

GPS-Zugriff auf Daten u a

Der Zugriff auf Daten z B mittels GPS Funknetz oder RFID birgt ein enormes Rationalisierungs- und Ein-sparpotenzial Bewegungsdaten von Menschen und Waren mittels GPS-Ortung auszuwerten kann fuumlr den Kundenservice die Optimierung von Einsaumltzen Be-standskontrollen Abstimmungsprozesse (mit dem Smartphone) genutzt werden Im Hinblick auf verbesserte Kundenfreundlichkeit kann die Weiterga-be von Standortdaten eine groszlige Rolle spielen Fuumlr Beschaumlftigte sind gegebenenfalls Regelungen zum Datenschutz notwendig Datensparsamkeit Zweck-bindung und Persoumlnlichkeitsschutz sollen vor unzulaumls-sigen Kontrollen schuumltzen In Vereinbarungen werden daher vor allem Datenauswertungen eingeschraumlnkt (vgl Kiper 2011) Vereinzelt duumlrfen personenbezogene Daten nur im Ausnahmefall und mit Zustimmung der Interessenvertretung ausgewertet werden oder die Auswertung wird an die Zustimmung der Interessen-vertretung gebunden Regelungsgegenstand ist oft-mals aber nicht ob sondern wie Daten ausgewertet werden Wie ernsthaft und streng diese Regelungen in der Praxis umgesetzt werden ist unklar

Datenschutz und Kontrolle

In juumlngerer Zeit werden Regelungsstrategien er-probt wonach der Betriebsrat zwar grundsaumltzlich je-der Software-Einfuumlhrung zustimmt aber nur unter der Bedingung dass Leistungs- und Verhaltenskont-rolle ausgeschlossen ist Dies wird mit einem Son-derkuumlndigungsrecht untermauert Falls gegen diese Vereinbarung verstoszligen wird folgt der sofortige Stopp der weiteren Software-Einfuumlhrung So kann sich ein schnelles Verfahren ergeben das gegebe-nenfalls ein teures Verfahren fuumlr das Unternehmen im Fall der Kuumlndigung nach sich zieht Zu kontrollie-ren ob eine Vereinbarung eingehalten wird kann je-doch relativ schwierig werden Gerade bei internati-onalen Konzernen kann zusaumltzlich eine Herausforde-rung darstellen wenn verschiedene Datenschutz- niveaus und -verstaumlndnisse vorherrschen

Bei der Deutschen Bahn brachte ein groszliger Da-tenskandal im Jahr 2009 Bewegung in den Daten-schutz Eine heute vorbildliches Daten- und Daten-schutzmanagement regelt die Datenstroumlme sehr streng Die Konzernbetriebsvereinbarung Beschaumlf-tigtendatenschutz steht im Konzern uumlber allen ande-ren internen Regelungen Das System wurde ins Le-ben gerufen um Beschaumlftigte zu schuumltzen aber auch um Kontrollen mit entsprechender Verhaumlltnis-maumlszligigkeit zu ermoumlglichen (vgl Kiesche 2015) ndash al-lerdings erst nachdem sich ein umfassender Skan-dal ereignet hatte

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem star-ken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Anti-terror-Verordnungen Vorgesehen ist der Abgleich von Beschaumlftigtendaten mit Namenslisten von so-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 9

genannten Terrorverdaumlchtigen Ob dies erlaubt ist und wenn ja welche Mitbestimmungspflicht ausge-loumlst wird ist unter Juristen umstritten Einige Kon-zerne haben inzwischen Betriebsvereinbarungen abgeschlossen um zumindest das Verfahren mitzu-gestalten (vgl Thannheiser 2015)

BeispielbdquoFuumlr die Erhebung Verarbeitung und Nutzung von Beschaumlftigtendaten zum Abgleich gegen Sanktions-listen sind das Bundesdatenschutzgesetz sowie die Konzernrichtlinien zum Datenschutz maszliggeblich Beim Abgleich der Beschaumlftigten- und Bewerberda-ten ist der Grundsatz der Datensparsamkeit zu be-achten und auf das zwingend erforderliche Mindest-maszlig zu beschraumlnkenldquo (0906002192014)

Auch hier zeigt sich die hohe Relevanz einer vertrau-ensvollen betrieblichen Zusammenarbeit der han-delnden Akteure

Kurz und knapp

- Viele Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen so-wie der Vermeidung von Leistungs- und Ver-haltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander ab-gestimmten flexiblen Regelungen die ver-bindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Ver-handlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

- Datensicherheit und Beschaumlftigtendaten-schutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Un-ternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat entstehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rahmengebende Tarifvertraumlge und ge-setzliche Regelungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur technisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsendes Thema

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krank-heitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausgewer-tet werden koumlnnen

- Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kon-trolle und die Verhinderung von Missbrauch und Straftaten durch zu wenig Kontrolle ste-hen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarun-gen zu sogenannten EU-Antiterror-Verord-nungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Neue Automatisierungsansaumltze Kommunikation zwischen Mensch und Maschine sowie neue Ge-nerationen von Robotern sind im Konzept Industrie 40 der Kern Eine prognostizierte Entwicklung fuumlr das Unternehmen 40 kann darin bestehen dass bdquopolarisierte Organisationenldquo entstehen werden mit hochspezialisierten Experten und abgewerte-ten Fachkraumlften (Hirsch-Kreinsen 2014) Anderer-seits koumlnnen bdquoSchwarm-Organisationenldquo entste-hen mit hochqualifizierten und gleichberechtigten Beschaumlftigten die selbst ihre Arbeit definieren und hochflexibel agieren (ebd) Welche Arbeitsorgani-sation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Pers-pektive sie Produktion und Arbeit sehen (vgl BDI 2015) Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Neue Produktionssysteme (Lean Production) etwa bringen diverse Aspekte zusammen Effizi-enz des Workflows verbessern Kostensenkung Qualitaumltsverbesserung Leistungsbemessung und Kennzahlensysteme Teamarbeit Betriebsdatener-fassung Motivationsverbesserung Verschwen-dung vermeiden etc Neben Effizienz geht es auch um die Transparenz und Kontrolle von Arbeitsleis-tung Scheinbar schleichend werden heute Ar-beitsorganisationen und Produktionsprozesse op-timiert Dies gilt fuumlr produzierende wie fuumlr indirek-te Bereiche in Verwaltungen (z B Lean im Buumlro) Taumltigkeiten werden staumlrker standardisiert und ge-taktet quasi in einer Flieszligfertigung miteinander verknuumlpft mit dem Ziel die Fehlerquote auf Null zu senken In den Produktionen und Buumlros scheinen sich diese Veraumlnderungen ambivalent auf die Ar-beitsbedingungen der Beschaumlftigten auszuwirken Durch verbesserte Organisationsweisen von Ar-beitsgaumlngen entstehen einerseits Arbeitsentlas-tungen diesen stehen jedoch z B wachsender Leistungsdruck durch hohe Transparenz Monoto-nie durch Standardisierung und Taktverkuumlrzungen gegenuumlber

Einen Blick in die Zukunft kann man heute schon in ersten Ansaumltzen werfen (vgl Beispiele in Ittermann ua 2015) Bei Audi in Ingolstadt arbei-tet ein Roboter inzwischen mit Menschen zusam-men an der Montagelinie Dies wird als bdquoerste Mensch-Maschine-Kooperation im VW-Konzernldquo betrachtet (IG Metall 2015a) Dabei gelten folgen-de Grundsaumltze Man arbeitet Hand in Hand aber der Roboter uumlbernimmt schwere Arbeit Routinen werden automatisiert und der Mensch steuert die Maschine Die Zukunft wird in einer noch flexible-ren Fertigung gesehen Maschinen tauschen un-tereinander Daten direkt aus Teile bewegen sich

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 10

selbststaumlndig und autonom durch die Produktion Ob der Mensch dann noch die Taktzeiten vorge-ben wird ist nicht klar aber auch nicht unmoumlglich Schluumlssel fuumlr vieles ist die Aus- und Weiterbil-dung Bei Audi entstehen neue Berufe und Qualifi-kationsprofile um diese flexible Fertigung zu be-herrschen

Eine der modernsten Fabriken das Elektronik-werk von Siemens in Amberg wurde inzwischen beschrieben (vgl Kraft 2015) Die digitalisierte Produktion arbeitet bdquoon demandldquo mit einer Quali-taumlt von 999988 50 Millionen Datensaumltze pro Tag halten nahezu alles fest was wann und wo passiert Bei Fehlern wird die Ursache gefunden nichts kann vertuscht werden Die Technik redu-ziert Fehler und macht die Arbeit abwechslungs-reicher Der Betriebsrat bleibt fortlaufend infor-miert Eine Betriebsvereinbarung verhindert dass bei Rationalisierungen betriebsbedingte Kuumlndi-gungen erfolgen koumlnnen Auch hier ist Weiterbil-dung der Schluumlssel zum Erhalt von Arbeitsplaumltzen in einer sich fortlaufend wandelnden Produktion (vgl IG Metall 2015b)

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt (vgl Pfaumlfflin et al 2011) Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubau-en So kann ein paritaumltisch besetzter Lenkungs-ausschuss dafuumlr sorgen dass Betriebsraumlte durch Mitbestimmung eingreifen koumlnnen wenn die Ver-aumlnderungsprozesse zu negativen Auswirkungen fuumlhren

Beispielbdquo[Die Firma] und der BR richten einen paritaumltisch besetzten Lenkungsausschuss ein Dieser Len-kungsausschuss ist berechtigt in die Veraumlnde-rungsprozesse einzugreifen und Maszlignahmen zwingend einzuleiten sofern eine nachteilige Aus-wirkung auf die Arbeitsbelastung abzusehen istldquo (Datenverarbeitung und Softwareentwicklung 06080012011)

Die Vereinbarung regelt dass die Veraumlnderungen evaluiert werden und im Hinblick auf Arbeitsbelas-tungen konkrete Loumlsungsschritte unternommen wer-den muumlssen etwa zum individuellen Stressabbau so-wie bezogen auf Prozess- und Organisationsbedin-gungen

Regelmaumlszligige Gespraumlche erhoumlhen die Transpa-renz liefern Informationen und verbessern gegebe-nenfalls die Zusammenarbeit In vielen Unterneh-men werden existierende Betriebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhal-tenskontrolle weiterentwickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)

sind keine neuen Managementmethoden um Ar-beits- und Leistungsprozesse zu optimieren Haumlu-fig werden neue Standards im sogenannten konti-nuierlichen Verbesserungsprozessen mit beteili-gungsorientierten Elementen entwickelt Hier stehen Kundenerwartungen und die betrieblichen Ziele im Vordergrund Diese beziehen sich haumlufig auf Kostensenkungen Produktivitaumltssteigerungen und die Entwicklung neuer Produkte Hinzu kom-men auch Ziele wie gute Arbeitsbedingungen Umweltschutz und sozialer Zusammenhalt

QM und KVP bilden auch fuumlr ganzheitliche Pro-duktionssysteme wichtige Rahmenbedingungen Sie werden meist mit Betriebs- oder Dienstverein-barungen geregelt (vgl Bechmann 2010) Festge-legt werden die konkreten Formen der Beteili-gung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutzbe-stimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes Die rechtliche Grundlage fuumlr die Regelungen bilden vor allem Mitbestimmungsrechte bezogen auf die Ordnung des Betriebs die technisch gestuumltzte Kontrolle von Leistung und Verhalten der Be-schaumlftigten auf den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz die Gestaltung des betriebli-chen Vorschlagswesens und betriebliche Qualifi-zierungsmaszlignahmen

Kurz und knapp

- Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht voll-staumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit sehen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlf-tigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

- Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichti-ges Handlungsfeld Bei der Einfuumlhrung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

- In vielen Unternehmen werden existierende Betriebsvereinba-rungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Daten-schutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterentwi-ckelt werden muumlssen

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QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwick-lung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Be-schaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlf-tigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachge-ordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wich-tige Ziele fuumlr die Zukunft

Festgelegt wird wie Beschaumlftigte und ihre In-teressenvertretung uumlber alle Ablaumlufe und Unterla-gen im Zusammenhang mit QM und KVP infor-miert werden und Einfluss auf deren wesentliche Elemente nehmen koumlnnen Einfluss nehmen be-zieht sich insbesondere auf Definitionen von Ar-beitsvorgaben und Zielwerten wie z B

ndash Inhalten des QM-Handbuchs ndash der Planung und Durchfuumlhrung von Audits ndash der Erfassung und Verwendung von Beschaumlf-

tigtendaten uumlber Leistung und Verhalten (in-klusive Ruumlckmeldungen und Beschwerden von Kunden)

ndash der Themenauswahl fuumlr Qualitaumltszirkel oder KVP-Teams und ihrer personellen Zusam-mensetzung

ndash der Foumlrderung der Arbeit der Qualitaumltszirkel KVP-Teams

ndash der Bewertung und Nutzung der Ergebnisse der QualitaumltszirkelKVP-Teams

Bemerkenswert haumlufig wird in den vorliegenden Vereinbarungen betont dass der gesamte Pro-zess die Kreativitaumlt und Motivation der Beschaumlf-tigten foumlrdern soll ndash und nur dies auch zum Erfolg fuumlhren kann QM und KVP bilden insofern einen wesentlichen Faktor fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit der Unternehmen was auch in einer groumlszligeren Zahl juumlngerer Regelungen zum Ideenmanagement als moderner Variante des betrieblichen Vorschlags-wesens erkennbar wird

Fuumlr die Betriebs- und Personalraumlte oumlffnet sich ein Einflussfeld das neben dem Schutz vor nega-tiven Konsequenzen auch die Chancen fuumlr per-soumlnliche Weiterentwicklung und Praumlmierung gu-ter Ideen der Beschaumlftigten zum Inhalt hat Dabei wird auch die groszlige Bedeutung von Gruppenpro-zessen deutlich die sich teilweise in Gruppen-praumlmien niederschlaumlgt Dennoch enthalten ein-zelne Vereinbarungen auch relativ strenge Vor-schriften zu Qualitaumlt und Leistung der Be- schaumlftigten und deren Uumlberwachung Sie schlie-szligen individuelle Sanktionen nicht aus stellen aber eine kleine Minderheit dar die sich auf ein-zelne Dienstleistungsbranchen (z B Call-Center) beschraumlnkt Die groszlige Mehrheit der Vereinba-rungen stellt jedoch eher den Aspekt der Foumlrde-rung und Nutzung der Kreativitaumlt der Beschaumlftig-ten ins Zentrum

Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation gestalten

Das technisch Moumlgliche zum Schutz von Beschaumlf-tigten zu begrenzen und Regelungen zum Einsatz zur Nutzung und zur Kontrolle zu formulieren ist die eine Seite die Auswirkung technologischer Entwicklungen auf die Arbeitsbedingungen steht auf der anderen Seite Auswirkungen ergeben sich z B aktuell auf die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsorten Organisationsprozesse und Leis-tungsbedingungen werden neu strukturiert durch sich selbst regulierende Teams durch Selbststeue-rung und mittels Zielvereinbarungen Arbeitszeit und Freizeit sowie Arbeitsort und privater Wohn-sitz gehen ineinander uumlber und sollen doch vonein-ander abgrenzbar bleiben

Staumlndige Erreichbarkeit

Weil heute bereits Arbeitsort und Arbeitszeit flexi-bel sind ndash vor allem aufgrund mobiler Endgeraumlte ndash heiszligt ein aktuell diskutiertes Problem staumlndige Er-reichbarkeit Unbezahlte Mehrarbeit durch Arbeit am Wochenende im Urlaub am Feierabend sind weit verbreitet Nach einer aktuellen Umfrage le-sen 42 der Deutschen in der Freizeit dienstliche Mails oder Nachrichten (FAZ 2015)

Die Nutzung digitaler mobiler Arbeitsmittel hat die Kommunikation erleichtert aber Zeitprobleme

Kurz und knapp

- Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebliches Vorschlags-wesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorien-tierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Bemerkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlrdern soll kreativ und moti-viert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unternehmen

- Festgelegt werden die konkreten Formen der Beteiligung der Be-schaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestal-tung sowie Schutzbestimmungen zur Vermeidung negativer Aus-wirkungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktio-nen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

- QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetz-te Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an al-len nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

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verschaumlrft Das Ergebnis scheint nicht nur eine In-tensivierung der Arbeit sondern auch deren zeitli-che Ausdehnung zu sein Aus Arbeitnehmersicht sollte Mehrarbeit vermieden werden bzw diese zumindest nicht unbezahlt und unausgeglichen bleiben Es geht auch darum Menschen zu befaumlhi-gen im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten selbst Gren-zen zu ziehen souveraumln mit der Arbeitszeit umge-hen zu koumlnnen und Anforderungen an Flexibilitaumlt selbstbestimmter zu gestalten Mit sehr verschie-den weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men

Regelungen werden getroffen so dass Vorge-setzte nicht auszligerhalb definierter Zeiten auf Be-schaumlftigte zugreifen Die Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit laumlsst sich im Prinzip relativ einfach bewerkstelligen

BeispielbdquoWaumlhrend der Pausen und nach Dienstende ist das Handy der Firma [hellip] auszuschaltenldquo (Sonstige Verkehrsdienstleister 0902021062003)

BeispielAllerdings ist diese Regelung 12 Jahre alt Inzwi-schen sind Verbreitung mobiler Endgeraumlte und tech-nische Moumlglichkeiten um ein vielfaches gewachsen so dass diese Regelung zwar noch guumlltig ist jedoch vermutlich haumlufig unterlaufen wird Diese Regelun-gen uumlberlaumlsst es den Beschaumlftigten auszligerhalb der Arbeitszeit und des Betriebsgelaumlndes die dienstli-chen mobilen Kommunikationsgeraumlte zu nutzen oder auch nicht

BeispielbdquoEs besteht ausdruumlcklich keine Verpflichtung au-szligerhalb der Rahmenarbeitszeit fuumlr die [Firma] mittels dieser Kommunikation erreichbar zu sein (Grund-stuumlcks- und Wohnungswesen 0903002052009)

Ein naheliegender Gedanke ist eine technische Louml-sung zu regeln die nicht so schnell unterlaufen wer-den kann wie z B begrenzte Zugriffszeiten auf das Firmennetz

BeispielbdquoWaumlhrend des Zeitfensters von 1815 Uhr bis 0700 Uhr und an Wochenenden steht die Telefonfunktion zur Verfuumlgung alle anderen Anwendungen nicht [hellip] Uumlber besondere Einzelfaumllle die durch diese Ver-fahrensregelung nicht ausreichend abgedeckt sind werden Unternehmen und Betriebsrat einvernehm-lich entscheidenldquo (0902021742011)

Die folgende Vereinbarung ist noch zwei Jahre juumln-ger und geht wieder einen anderen Weg Sie regelt Reaktionszeiten und das Recht auf Abwesenheits-freiraumlume

BeispielbdquoDer Mitarbeiter stimmt mit seinem Vorgesetzten unter Beruumlcksichtigung und Abwaumlgung betrieblicher und privater Erfordernisse seine Erreichbarkeit ab Diese orientiert sich an der im jeweiligen Team uumlbli-chen Lage der Arbeitszeit kann aber auf Wunsch des Mitarbeiters davon abweichen Auszligerhalb der ab-gestimmten Zeiten der Erreichbarkeit hat der Mitar-beiter im Sinne der Ruhe und Erholung das Recht nicht erreichbar zu sein Dazu zaumlhlen in der Regel ndash so-weit nicht Bestandteile des jeweiligen Arbeits-zeitmo-dells ndash die Abend- und Morgenstunden sowie Samsta-ge Sonn- und Feiertage Der Mitarbeiter muss auszliger-dem die Moumlglichkeit haben die ihm uumlbertragenen Aufgaben in einer angemessenen Zeit innerhalb der uumlblichen Arbeitszeiten oder innerhalb der mit seinem Vorgesetzen abgestimmten [Zeiten] erledigen zu koumln-nen (Reaktionszeit)ldquo (0801022192013)

Bei Dienstreisen gemeinsamen Projekten uumlber Zeit-zonen hinweg und bei der Arbeit beim Kunden be-stimmen zusaumltzlich auch aumluszligere Faktoren die Arbeit Wichtig ist daher auch Reisezeiten angemessen zu bewerten und Arbeitszeit korrekt zu erfassen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Vo-raussetzung dafuumlr dass ein Zeitausgleich uumlberhaupt moumlglich wird (vgl Hinrichs 2014)

Mobile Telearbeit

Staumlndige Erreichbarkeit ist ein wesentliches Anlie-gen heutiger Vereinbarungen rund um mobile Ar-

Kurz und knapp

- Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leistungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebs-vereinbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbestimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlgli-chen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

- Mit sehr verschieden weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Ar-beitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

- Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelun-gen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinba-rungen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Com-pliance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 13

beit und die Nutzung mobiler Endgeraumlte Eines der ersten Unternehmen das mit einer Betriebsverein-barung zur Regelung der staumlndigen Erreichbarkeit im Jahr 2011 die oumlffentliche Debatte anregte war die Volkswagen AG (vgl Spiegel 2014) Man verein-barte zunaumlchst dass Serverfunktionen auszligerhalb der vertraglichen Arbeitszeit fuumlr tariflich Beschaumlftig-te abgeschaltet werden Ein weiteres ebenfalls oumlf-fentlich diskutiertes Beispiel in diesem Kontext bie-tet die Daimler AG Das Unternehmen ermoumlglicht uumlber einen elektronischen Abwesenheits- assistenten namens bdquoMail on Holidayldquo alle E-Mails die waumlhrend des Urlaubs eingehen automatisch louml-schen zu lassen Die Botschaft Man muss nicht waumlhrend seines Urlaubs arbeiten Seit Sommer 2013 existiert im Bundesarbeitsministerium eine Verein-barung wonach Fuumlhrungskraumlfte nur noch in begruumln-deten Ausnahmefaumlllen Beschaumlftigte in ihrer Freizeit per E-Mail oder telefonisch kontaktieren duumlrfen Der Betriebsrat der BMW AG wurde 2014 mit dem Deut-schen Betriebsraumlte-Preis in Gold ausgezeichnet fuumlr eine Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der mobi-len Arbeit Vorteile flexibler Arbeitszeiten und -orte werden genutzt um gleichzeitig eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen unter anderem durch das Recht auf Nichterreichbarkeit Kompetenzen werden geschult und die Arbeitszeit wird konsequent er-fasst Auch bei Bosch vereinbarte man dass Ar-beitszeit und Arbeitsort eigenverantwortlich und aufgabenbezogen mobil gestaltet und abgestimmt werden koumlnnen Feste Bedingung ist dass die Ar-beitszeit nach wie vor erfasst und verguumltet wird

Sehr unterschiedliche aktuelle Beduumlrfnisse von Beschaumlftigten und Fuumlhrungskraumlften werden aufge-griffen Man sucht gemeinsam nach kollektiven Louml-sungen Aber die Quadratur des Kreises lautet Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten Wenn etwa bei Vertrauensarbeitszeit auf eine Ar-beitszeiterfassung verzichtet wird dann fehlt Be-schaumlftigten ein sehr zentrales Instrument um Leis-tungsforderungen und Leistungsverdichtung uumlber-haupt dokumentieren und dann auch abbauen zu koumlnnen (vgl Klein-Schneider 2007) Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexiblen Ar-beitszeitgestaltung gelebt werden Compliance be-deutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Vom Ausmaszlig der Flexibilitaumlt in der Arbeitszeitregu-lierung sind sowohl die Produktionsbedingungen von Unternehmen als auch die Arbeits- und die Le-bensbedingungen von Beschaumlftigten maszliggeblich be- troffen Arbeitszeitgestaltung ist daher ein wesentli-

ches Kernelement der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarif-vertrag vereinbart wurden Betriebsparteien regeln die Gestaltung von Arbeitszeitkonten vor allem den Auf- und Abbau ihre Verwendung sie regeln auch ob wann und wie Guthaben entstehen koumlnnen ob und wie Mehrarbeit verguumltet wird wie Rahmenar-beitszeiten aussehen wann Arbeitszeit voruumlberge-hend verkuumlrzt wird etc

Es gibt eine Fuumllle an tariflichen Regelungen um flexible Arbeitszeiten zu gestalten (vgl Bispinck 2015) Die aktuelle Debatte um eine scheinbar not-wendige Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes er-waumlchst daher kaum aus der betrieblichen Realitaumlt Arbeitszeitkonten sind das notwendige Instrument um flexible Arbeitszeiten uumlberhaupt zu gestalten Mit Kontenmodellen koumlnnen betriebs- und marktbe-dingte Schwankungen der Produktion in woumlchentli-chen monatlichen oder auch jaumlhrlichen Arbeitszei-ten festgehalten kontrolliert und ausgeglichen wer-den Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeitaus-gleich (vgl Hamm 2013) Einfache Gleitzeitkonten mit monatlichem Ausgleichsmechanismus erlauben es dass Zeitgutschriften gespart und im Verlauf der vier Wochen genutzt werden Die angesparte Zeit kann auch uumlber laumlngere Zeitraumlume als einen Monat auf Konten gespart werden Uumlblich ist dann die Ver-wendung von Jahreskonten Auf diese Weise koumln-nen Betriebe auch in Schichtarbeit flexiblere Ar-beitszeiten entwickeln (vgl Grzech-Sukalo 2013)

Um eine fuumlr Beschaumlftigte bdquoplanbareldquo Flexibilisie-rung der Arbeit zu ermoumlglichen sehen Vereinbarun-gen Grundplanungen z B uumlber ein Jahr vor Diese kann an betriebliche Auftragsschwankungen ange-passt werden Zusatz- und Ausfallschichten in ei-nem flexiblen Schichtsystem werden uumlberwiegend von der Arbeitgeberseite bestimmt um den Perso-naleinsatz bedarfsgerecht zu gestalten Unterneh-men nutzen heute diverse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusammenhaumlngendes Gesamtkonzept

ndash Ein Gleitzeitkonto gleicht kleinere monatliche Schwankungen der Stunden aus

ndash Ein individuelles Arbeitszeitkonto mit Verteil-zeitraumlumen wird als Jahresarbeitszeit geregelt so dass taumlgliche und woumlchentliche Zeiten schwanken koumlnnen

ndash Auf Flexi-Konten werden Stunden gespart die fuumlr konjunkturbedingte Engpaumlsse zur Verfuuml-gung stehen so dass Beschaumlftigung gesichert und Kurzarbeit vermieden werden kann

ndash Langzeitkonten mit mehrjaumlhrigen Ansparpha-sen sind fuumlr laumlngere bezahlte Freistellungen nutzbar z B als Sabbatical Qualifizierungs-zeit vorgezogener Ruhestand

Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzun-gen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 14

barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Kuumlnftig wird es vermut-lich noch wichtiger sein die Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu koppeln Ent-grenzung zu begrenzen und Arbeitszeit schlichtweg wieder zu erfassen Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumen-te (vgl HofmannSmolenski 2015)

22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen

Der demografische Wandel bedeutet seit laumlngerer Zeit schon prognostizierte groszlige Umwaumllzungen Der demo-grafische Wandel kann sich je nach Branche sehr ver-schieden zeigen und mit sehr unterschiedlichen Maszlig-nahmen in der betrieblichen Realitaumlt gestaltet werden In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungsfortschritten (vgl Busse et al 2015) Haumlu-fig heiszligt demografischer Wandel im Betrieb dreierlei

ndash verschiedene Beschaumlftigtengruppen zu integrieren erwerbstaumltige Muumltter mit Arbeitszeitmodellen (vor allem Teilzeit) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung bzw Kinderbetreuung Men-schen mit Migrationshintergrund junge und alte Menschen Leistungsveraumlnderte Als neues Thema wird es auch darum gehen Fluumlchtlinge moumlglichst effizient in den Arbeitsmarkt zu integrieren

ndash Arbeits- und Gesundheitsschutz zu realisieren

Kurz und knapp

- Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernelement der Tarifpolitik Betriebspartei-en regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt wer-den kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wur-den Unternehmen nutzen heute diverse Ar-beitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

- Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anlie-gen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeit-ausgleich Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Aus-einandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der vereinbarten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang be-trieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber ge-stellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

fuumlr alternde Belegschaften ganzheitliche Ge-faumlhrdungsbeurteilungen alter(n)sgerechte Ar-beitsgestaltung Altersteilzeit

ndash Fachkraumlftebedarf abdecken Ausbildung gestal-ten Weiterbildung und lebenslanges Lernen si-chern und foumlrdern

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben konzentrierten sich sehr lange auf die Fra-ge der angemessenen Lage und Verteilung von Ar-beitszeit bezogen auf die Notwendigkeit Kinder und Berufstaumltigkeit besser zu vereinbaren (vgl MaschkeZurholt 2013) Inzwischen weitete sich das Thema auf die Pflege von Familienangehoumlrigen aus Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen verbunden ist Unter-nehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrich-tungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexible Zeitarran-gements (vgl Reuyszlig 2015 MaschkeZurholt 2013)

Allerdings koumlnnen im Lebensverlauf sehr viele un-terschiedliche Ereignisse es erfordern dass die Work-Life-Balance neu austariert werden will und man vor allem seine Arbeitszeit flexibel gestalten moumlchte oder muss Beschaumlftigte die ins Berufsleben starten ha-ben wahrscheinlich andere Arbeitszeitbeduumlrfnisse als Beschaumlftigte mit Familienpflichten die verlaumlssliche Ar-beitszeiten benoumltigen Menschen die sich kurz vor dem Ruhestand befinden oder gesundheitlich einge-schraumlnkt sind setzen wiederum andere Prioritaumlten

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsvereinba-rungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlig-nahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen die Tarifvertraumlge3 und einige Betriebsvereinbarungen

3 Einige Tarifvertraumlge sowie Betriebsvereinbarungen sehen Alters-struktur- oder Demografie-Analysen vor z B der bdquoTarifvertrag zur Gestaltung des demographischen Wandels in der Eisen- und Stahl-industrieldquo vom November 2006 oder der BCE-Tarifvertrag bdquoLebens-arbeitszeit und Demografieldquo (2008) Weitere Themen der Tarifver-traumlge sind z B flexible (Demografie-)Fonds fuumlr unterschiedliche Belange (flexible Arbeitszeiten fuumlr bestimmte Personengruppen) Arbeits- und Gesundheitsschutz Qualifizierungsoffensiven etc

Kurz und knapp

- In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unter-schiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungs-fortschritten

- Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Be-reitstellung von Ressourcen verbunden ist Unternehmen unter-stuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexi-ble Zeitarrangements

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 15

vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektio-nen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Im bdquoTarifvertrag Demografie der chemischen In-dustrieldquo (2008) sind die verbindliche Regelung von Altersstrukturanalysen sowie finanzielle Beitraumlge fuumlr Demografie-Fonds geregelt Dies wird im Un-ternehmen spezifiziert Fuumlr Unternehmen ohne Be-triebsrat ist hier die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung geregelt Moumlgliche Zweckbindungen des Fonds koumlnnen fuumlr Langzeit-konten Altersuumlbergaumlnge (Altersteilzeit Teilrente) Altersvorsorge Berufsunfaumlhigkeit und lebenspha-senorientierte Arbeitszeitgestaltung genutzt wer-den Uumlber die Haumllfte der Beschaumlftigten der chemi-schen Industrie wird von diesen Leistungen ver-sorgt (Jungvogel 2013 S 235)

Betriebsvereinbarungen zur lebensphasenorien-tierten Arbeitszeitgestaltung regeln zB

BeispielbdquoDie Betriebsparteien wollen fuumlr eine lebensphasen-orientierte Arbeitszeitgestaltung aller Beschaumlftigten der [Firma] einen verringerten Arbeitseinsatz in be-stimmten Lebensphasen ermoumlglichen sofern nicht andere gesetzliche oderund tarifliche Bestimmun-gen in Anspruch genommen werden koumlnnen [hellip] Lebensphasen koumlnnen beispielsweise sein - die Betreuung pflegebeduumlrftiger Angehoumlriger - Vor- und Nachsorgezeiten bei Erkrankungen des

Partners undoder der Kinder - Unterstuumltzung der Lebens- und Arbeitssituatio-

nen des Partners undoder der Kinder - intensive Begleitung von Kindern waumlhrend der

Einschulungsphase oder es Uumlbergangs an wei-terfuumlhrende Schulen

- gleitender Wiedereinstieg nach einer familienbe-dingten Auszeit

- die berufsbegleitende Absolvierung einer Wei-terbildungeines Studiums

- unvorhersehbare familiaumlrepersoumlnliche Ausnah-mesituationen [hellip]

Zur Ermoumlglichung [hellip] wird ein Topf in Houmlhe von 50 TEUR pa gebildet [hellip]ldquo (NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobil-elektronik 03020028602015)

Kurz und knapp - Regelungen existieren sowohl auf Branchen-

bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Be-triebsvereinbarungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie

- Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifver-traumlge und Betriebsvereinbarungen vor um zu-naumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Wichtige Stichworte fuumlr Maszlignahmen sind Gesundheits- bzw Eingliede-rungsmanagement Belastungsreduzierungen Er-gonomie sowie alters- und alternsgerechte Arbeits-bedingungen und ganzheitliche Gefaumlhrdungsbeur-teilungen

Die gesetzliche Pflicht zur Gefaumlhrdungsbeurtei-lung wird inzwischen von 51 der Unternehmen (BAuA 2015) erfuumlllt und in der Regel in Betriebsver-einbarungen festgeschrieben Vor allem kleine Be-triebe mit bis zu 49 Beschaumlftigten hinken deutlich hinterher

Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure Die Sick AG wurde vor einiger Zeit bekannt mit einer Vereinba-rung zur Umsetzung ganzheitlicher Gefaumlhrdungs-beurteilungen Der nicht konfliktfreie Prozess fuumlhr-te zur Etablierung eines paritaumltisch besetzten Steu-erungskreises der die Verfahren lenkt Das Ziel ist vor allem Stress und Fehlbelastungen zu erkennen und gezielte Loumlsungen von sehr unterschiedlicher Reichweite sehr konkret mit vielen kleinen Loumlsun-gen gemeinsam zu entwickeln (vgl Molitor 2013) Das koumlnnen stoumlrungsfreie Arbeitszeiten sein redu-zierte Geraumluschbelastungen durch Telefonklingeln vereinbarte Zeitpuffer etc

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Bereits heute wird an bdquointelligenter persoumlnlicher Schutz-kleidungldquo fuumlr Feuerwehreinsatzkraumlfte gearbeitet (vgl Roszlignagel 2012) Einsatzkraumlfte koumlnnen in Ge-fahrensituationen geortet und selbst besser ge-schuumltzt werden indem unter anderem ihre Koumlrper-funktionen mittels Datenuumlbertragung im Einsatz permanent uumlberwacht werden Wie wird kuumlnftig gewaumlhrleistet dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausge-wertet werden koumlnnen Im betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) sind erste bdquozarteldquo Ansaumlt-ze fuumlr betriebliche Umgangsformen gefunden um entsprechend sensibel mit Daten umzugehen So sollte beispielsweise die BEM-Akte der bzw des Betroffenen separat gefuumlhrt und nicht in die Perso-nalakte integriert werden Ein Hebel fuumlr den Ar-beits- und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestimmung liegt auch darin die gesicherten arbeitswissen-schaftlichen Erkenntnisse uumlber die menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gel-tung zu bringen

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23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

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2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

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24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

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oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 20

2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 22

immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 23

- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 24

4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 25

5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 26

Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 27

Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 28

Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 2: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 2

1 EINFUumlHRUNG

Dieser Trendbericht ist geschrieben vor dem Hin-tergrund der aktuellen Diskussion um das Gruumln-buch Arbeiten 40 Er vermittelt wie leistungsfaumlhig die betriebliche Mitbestimmung ist bzw sein kann Wenn Beteiligung und Mitbestimmung zum Kern der Arbeitswelt von Morgen gehoumlren dann ist es notwendig die Mitbestimmung fuumlr die Zukunft zu staumlrken durch Sozialpartner und Politik

Das Gruumlnbuch Arbeiten 40 des Bundesarbeits-ministeriums beschreibt eine Vielzahl von Trends die die Arbeitswelt der Zukunft betreffen oder be-treffen koumlnnen Dazu zaumlhlt die weitreichende Digi-talisierung von Arbeitsprozessen und Produkten mithin die wachsende Vernetzung von IT-Infra-strukturen mit Datenstroumlmen Produktionstechno-logien und menschlicher Arbeit entlang der ge-samten Wertschoumlpfungskette Zugleich bildet der demografische Wandel mit veraumlnderten Anforde-rungen an und von Beschaumlftigten an ihre Arbeit den Hauptwandel im bdquoFundamentldquo der erwerbstauml-tigen Bevoumllkerung Mit Arbeiten 40 verbunden sind bislang mitbestimmte Handlungsfelder wie Aus- und Weiterbildung und Lebenslanges Lernen ganzheitlicher Arbeits- und Gesundheitsschutz Arbeitszeitgestaltung Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben Einfuumlhrung von Technik sowie Teilhabe von sehr unterschiedlichen Beschaumlftig-tengruppen Und aus der Perspektive des Einzel-nen verbinden sich wachsende Beduumlrfnisse nach mehr Wahlfreiheit Teilhabe und selbstbestimmter Arbeit ebenfalls mit Arbeiten 40 Jetzt bekommen individuelle Arrangements von Beschaumlftigten mit ihren Fuumlhrungskraumlften ein groumlszligeres Gewicht denn immer mehr Arbeit findet (scheinbar) eigenverant-wortlich statt Gleichwohl sind kollektive Mitbe-stimmung und Beteiligungsrechte der Interessen-vertretungen nach wie vor die Institutionen die Teilhabe von Beschaumlftigten uumlberhaupt erst moumlglich machen

Weil man nicht isoliert in Deutschland produ-ziert und arbeitet findet alles im Kontext wachsen-der internationaler Verflechtungen im bdquoglobalisier-ten Dorfldquo statt Und dies bezieht sich sowohl auf sich veraumlndernde Unternehmensstrukturen (Mat-

rixorganisationen modulare Unternehmen etc) als auch auf Produktionsprozesse entlang der Wert-schoumlpfungsketten Abhaumlngig Beschaumlftigte arbei-ten weltweit zusammen und geraten zugleich zuei-nander in wachsende Konkurrenz um Arbeit Denn digitale Vernetzung und Cloud-Infrastrukturen er-moumlglichen dass Arbeit und Dienstleistungen nicht mehr unbedingt am Unternehmensstandort er-bracht werden muumlssen (vgl Pfeiffer 2015) Auf die-se Weise werden Ort und Zeit der Leistungserbrin-gung hochflexibel Dies ist womoumlglich die wich-tigste Veraumlnderung in der Arbeitswelt gegenwaumlrtig

Zugleich ist von Gewicht wer kuumlnftig die Hoheit und Verfuumlgungsgewalt uumlber die wachsenden Da-tenmengen hat Wird es ein Unternehmen wie Google sein das die Produzenten entlang der Wertschoumlpfungskette steuert Oder ist es noch ein produzierender Konzern der seine Dienstleister selbst organisiert und seine Kernkompetenzen klar definiert Denn auch der industrielle Kernbetrieb wandelt sich Immer weniger Arbeit wird in einem einheitlich und zentral organisierten Betrieb geleis-tet Hinzu kommen pseudo-selbststaumlndige Arbeits-verhaumlltnisse so genannte Plattformoumlkonomien und nur lose verkoppelte selbststaumlndige betriebli-che Einheiten Unternehmen lagern Arbeit an Werkvertraumlge aus obwohl sie womoumlglich damit Kernkompetenzen outsourcen mit weitreichenden Folgen fuumlr ihre eigene Existenz (vgl Hertwig ua 2015) Auf diese Weise werden systematisch Ver-aumlnderungen in komplexen Wertschoumlpfungsprozes-sen und Unternehmensstrategien vorangetrieben

Experten warnen schon laumlnger dass der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht (vgl Klebe 2013) Welche Auswirkungen ergeben sich fuumlr Beschaumlftigung allgemein auf das Verhaumllt-nis von Stamm- und Randbelegschaften insbeson-dere Experten gehen von verschiedenen Szenari-en aus (vgl FreyOsborne 2013 Hirsch-Kreinsen 2014 Bonin ua 2015 Ittermann ua 2015) Es koumlnnte Unternehmen geben in denen weiterhin schrumpfende und gut qualifizierte Stammbeleg-schaften unterstuumltzt zusammenarbeiten werden mit Menschen in einer Vielzahl von Leih- Werk- und anderen Vertragsformen Auch wird vertreten dass in der Folge wachsender Automatisierung et-

INHALTSVERZEICHNIS

1 Auf einen Blick2 Einfuumlhrung4 Betriebliche Praxis4 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung14 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen16 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten18 Qualifizierung und lebenslanges Lernen21 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb24 Fazit 25 Im Uumlberblick

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 3

liche Arbeitsplaumltze vernichtet werden Zugleich koumlnnen aber auch neue Berufsbilder entstehen und dies koumlnnte eine Entwicklung hin zu mehr Stammbeschaumlftigten bewirken Fuumlr dies spricht dass in kapitalintensiven produzierenden Bran-chen tendenziell langfristig investiert wird und es entsprechend sinnvoll ist qualifizierte Beschaumlf-tigte langfristig zu binden und in sie zu investie-ren Tarifvertraumlge und Mitbestimmung stuumltzen und stabilisieren diese Kooperationsformen Das entgegengesetzte Szenario mit schrumpfenden Kernen und ausufernden Randbelegschaften er-fordert neue Antworten da hier Mitbestimmung und Tarifvertraumlge bislang nicht umfassend invol-viert sind sondern verdraumlngt werden

Aus der Mitbestimmungsperspektive stellen sich daher viele Fragen Wie koumlnnen Traumlger der Mitbestimmung den Wandel strategisch und im Interesse der Beschaumlftigten mitgestalten Wie werden kollektive Akteure unterstuumltzt um unter den sich veraumlndernden Rahmenbedingungen handlungsfaumlhig zu bleiben Wer bleibt womoumlg-lich auf der Strecke innerhalb der Belegschaft Welche Weichen muumlssen innerhalb der Arbeits- und Sozialbeziehungen und vom Staat jetzt ge-stellt werden

Die meisten Arbeitnehmer- und Mitbestim-mungsrechte sind heute hauptsaumlchlich an die In-stitutionen bdquoArbeitsvertragldquo und bdquoBetriebldquo ge-bunden Welche Bedeutung haben in Zukunft der Betrieb und die Betriebszugehoumlrigkeit Wer sorgt fuumlr gute Rahmenbedingungen wenn kein Be-triebsrat und kein Tarifvertrag existiert Welche Bedeutung und Wertschaumltzung hat ein Tarifver-trag hat eine Betriebsvereinbarung Wie wird die Technik gestaltet

Wenn kein Technikdeterminismus betrieben wird muss Mitbestimmung schon sehr fruumlh in der Phase der Technikentwicklung und -gestal-tung eine zentrale Rolle spielen (vgl Hirsch-Kreinsen 2013 454ff) Anregungen dazu liefern die Ausfuumlhrungen zu IKT-Rahmenvereinbarun-gen Vereinbarungen zu neuen Produktionssyste-men und KVP in diesem Beitrag Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unternehmen Be-schaumlftigte und erwerbsfaumlhige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm werden wenn Beteiligung und Chancengleichheit befoumlrdert werden nicht jedoch wenn nur wenige Perso-nengruppen davon profitieren und Mitbestim-mung eine nachgelagerte soziale Angelegenheit ist Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Ver-antwortlichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterentwicklung und Staumlrkung entspre-chend stellen

Das skizzierte Paket technologischer und orga-nisatorischer Groszligveraumlnderungen wird die Ar-beitswelt in den kommenden Jahren treffen Da-her lauten die Leitfragen fuumlr diesen Report

Die Hans-Boumlckler-Stiftung dokumentiert seit Jahren das breite Spektrum betrieblicher Mitbestimmungs-praxis in abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen Einige Vereinbarungen und Handlungsfelder markie-ren heute schon moumlgliche Pfade in die mitbestimm-te Arbeitswelt 40 Einige Beispiele sind hier zusam-mengetragen Wir knuumlpfen mit diesem Report an die Gestaltungsanforderungen fuumlr die Arbeit der Zu-kunft an Reiner Hoffmann hat diese praumlgnant in 11 Thesen benannt In weiteren Ausfuumlhrungen sind ausfuumlhrliche Einschaumltzungen diskutiert (vgl Hoff-mann 2015 ua) Daruumlber hinaus wurden bereits fuumlr eine neue Ordnung der Arbeit politische Forderun-gen formuliert Dieser Report unterstreicht die Not-wendigkeit zum Handeln (vgl DGB 2013) und reiht sich ein in das Leitthema der Hans-Boumlckler-Stiftung im Jahr 2015 bdquoArbeit ist die Quelle von Wohlstandldquo

Einige Fragestellungen aus der Mitbestimmungsperspektive

bull Wie koumlnnen Traumlger der Mitbestimmung den Wandel strategisch und im Interesse der Be-schaumlftigten mitgestalten

bull Wie werden kollektive Akteure unterstuumltzt um unter den sich veraumlndernden Rahmenbedin-gungen handlungsfaumlhig zu bleiben

bull Wer bleibt womoumlglich auf der Strecke inner-halb der Belegschaft

bull Welche Weichen muumlssen innerhalb der Ar-beits- und Sozialbeziehungen und vom Staat jetzt gestellt werden

bull Die meisten Arbeitnehmer- und Mitbestim-mungsrechte sind heute hauptsaumlchlich an die Institutionen bdquoArbeitsvertragldquo und bdquoBetriebldquo ge-bunden Welche Bedeutung haben in Zukunft der Betrieb und die Betriebszugehoumlrigkeit

bull Wer sorgt fuumlr gute Rahmenbedingungen wenn kein Betriebsrat und kein Tarifvertrag existiert

bull Welche Bedeutung und Wertschaumltzung hat ein Tarifvertrag hat eine Betriebsvereinbarung

bull Wie kann Mitbestimmung schon bei der Ent-wicklung und Gestaltung von Technik beruumlck-sichtigt werden

Was bedeutet Arbeiten 40 bereits heute im betrieblichen AlltagIn welcher Verbindung steht der politische Diskurs mit der betrieblichen Praxis

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 4

2 BETRIEBLICHE PRAXIS

Arbeitszeitgestaltung Informations- und Kommuni-kationstechnologie Personalpolitik ndash zu diesen weit-reichenden Themengebieten werden die meisten betrieblichen Vereinbarungen in Deutschland abge-schlossen Das Archiv Betriebliche Vereinbarungen der Hans-Boumlckler-Stiftung umfasst insgesamt uumlber 16000 Dokumente zu 11 ThemenclusternDiese Sammlung ist nicht repraumlsentativ denn es gibt kein zentrales Register fuumlr abgeschlossene Be-triebs- und Dienstvereinbarungen Es existiert keine vollstaumlndige Uumlbersicht zu Umfang und Themen die in Betriebsvereinbarungen in Deutschland verhan-delt und reguliert werden Das Archiv Betriebliche Vereinbarungen beherbergt jedoch mit Abstand die groumlszligte Sammlung dieser Art Auswertungen geben Einblick in die verbindlich verhandelten Kompromis-se (wwwboecklerdebetriebsvereinbarungen)

Die aktuelle repraumlsentative WSI-Betriebsraumltebe-fragung gibt ua Auskunft uumlber die Themenpalette von Betriebsvereinbarungen Nach ersten Auswer-tungen haben knapp 68 der Unternehmen aus denen die befragten Betriebsraumlte stammen eine Betriebsvereinbarung zum Datenschutz sowie zu Arbeitszeitkonten abgeschlossen In den Feldern Einsatz von Technik und Arbeitszeit befinden sich gegenwaumlrtig die wichtigsten Verhandlungsthemen zur Gestaltung im Betrieb (Die Auswertung wird derzeit erarbeitet vgl BaumannMaschke iE)

21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung

Digitalisierung eroumlffnet zahlreiche betriebliche Ge-staltungsfelder fuumlr die Mitbestimmung Im Folgen-den wird der Versuch unternommen den Fokus auf aktuelle Aushandlungsprozesse im Betrieb zu legen mit Schwerpunkten bei sehr verschiedenen internet-basierten vernetzten Arbeits- und Produktionsab-laumlufen Da es sich bei der Digitalisierung um eine sehr weitreichende Entwicklung handelt bietet es sich an in technischer Hinsicht drei Ebenen zu un-terscheiden (Pfeiffer 2015)

a) webbasierte Kommunikation auf Plattformen zur Unterstuumltzung der Arbeitsprozesse ndash z B zur Ter-min- und Schichtplankoordinierungb) neue datentechnische Verknuumlpfungen von und mit Gegenstaumlnden die es bislang nicht gab ndash Inter-net der Dingec) neue Automatisierungsansaumltze ndash z B zweiarmi-ge Roboter mit neuer Sensorik 3-D-Drucker

Diese Entwicklungen ereignen sich jedoch nicht schlagartig sondern stellen sukzessive Veraumlnderun-gen dar In der betrieblichen Realitaumlt wirken sich die-se drei Ebenen auf verschiedene Weise aus je nach Anwendung und Branche Die Richtung ist jedoch stets aumlhnlich Man veraumlndert Arbeitsorganisationen in der Regel um zu rationalisieren Betriebsvereinba-rungen begrenzen die Moumlglichkeiten der technischen

Anwendungen zum Schutz der Beschaumlftigten Sie koumlnnen die sozialen Nachteile die mit der Entwick-lung einhergehen und sich auf Arbeitsbedingungen und -organisationen auswirken abmildern

Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten

Regelungen zur webbasierten Kommunikation fin-den sich in Betriebsvereinbarungen zu Themen wie Social-Media-Nutzung Umgang mit Internet- und E-Mail-Anwendungen sowie Nutzung von mobilen Endgeraumlten Die Vernetzung via Informations- und Kommunikationstechnologien bezieht sich auf diver-se Programme Cloud-Anwendungen1 Remote-Zu-griffe GPS-Ortung und Datenauswertungen sowie Sicherheitssysteme sind einige Regelungsthemen

Folgt man einer aktuellen Befragung von Ernst amp Young dann wird in Unternehmen Digitalisierung aktuell besonders dort zum Thema wo es um Kun-denbeziehungen geht (Ernst amp Young 2015 S 16) Die Nutzung mobiler Endgeraumlte ist bei den befrag-ten Unternehmen heute der bedeutendste Techno-logietrend (69 ) gefolgt von Social Media (60 ) und Analysetools (60 ) (ebd S 32) Cloud-Anwen-dungen werden nach dieser internationalen Befra-gung erst von 50 der Unternehmen als derzeit re-levant bewertet 3-D-Druck Robotertechnologien und smarte Materialien noch von gut einem Drittel der Unternehmen Befragt wurden 1025 Unterneh-men in 12 Nationen

Auf einzelne Branchen bezogen lassen sich diese Aussagen zum Beispiel fuumlr die Logistikbranche un-termauern Dort ist gerade die Kombination des Ein-satzes mobiler Endgeraumlte mit netzbasierter GPS-Steuerung und RFID-Technologie (und Barcodes) in-teressant Nach einer Studie von Pricewaterhouse

1 Gemeint sind SaaS (Software as a Service) Programme wie E-Mail E-Collaboration Sicherheitsanwendungen PaaS (Platform as a Service) Auslagerung von Geschaumlftsprozessen etwa zur Lohnbuchhaltung IaaS (Infrastructure as a Service) z B Speicherplatz und Entwicklungsplattformen etc

PersonalpolitikAus- und WeiterbildungArbeitszeitEntgelt Sozialleistungen SozialpolitikArbeits- und GesundheitsschutzUmweltschutzArbeits- und UnternehmensorganisationTechnologie und IKTBeschaumlftigungssicherung Data 1 2042 540 3946 1315 1452 641 82 1670 2472 1449 Data 2 16 11 -05 0 08 03 12

Data 3 12 08 -08 1 1 1 1

Data 4 0 -1 -12 -13 -08 -11 0

Data 5 -1 -15 -16 -18 -1 -12 -05

Umweltschutz

0 1000 2000 3000 4000

Personalpolitik Aus- und Weiterbildung

Arbeitszeit Entgelt

Sozialleistungen Sozialpolitik Arbeits- und Gesundheitsschutz

Umweltschutz Arbeits- und Unternehmensorganisation

Technologie und IKT Beschaumlftigungssicherung

Mitbestimmung

0 1000 2000 3000 4000

Personalpolitik Aus- und Weiterbildung

Arbeitszeit Entgelt

Sozialleistungen Sozialpolitik Arbeits- und Gesundheitsschutz

Umweltschutz Arbeits- und Unternehmensorganisation

Technologie und IKT Beschaumlftigungssicherung

Mitbestimmung

Titel Untertitel

Abbildung 1

Bestand der Vereinbarungen in Kategorien

Abbildung 1

Bestand der Vereinbarungen in Kategorien

Abbildung 1

Titel Untertitel

Abbildung 1 (158mm)

Fuszlignote Quelle Quellenangabe

Quelle Archiv Betriebliche Vereinbarungen Bestand (Mai 2015) 16389 Dokumente in 11 Kategorien

Quelle Archiv Betriebliche Vereinbarungen Bestand (Mai 2015) 16389 Dokumente in 11 Kategorien

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 5

Coopers (vgl PWC 2014) steigt die Nachfrage nach Cloud-Anwendungen kontinuierlich und Social-Me-dia-Anwendungen sind das Top-Instrument fuumlr den Kontakt und die Kommunikation mit Kunden Da die Vielfalt und Quellen der Daten stetig wachsen sind offenbar auch hier Datenanalysetools vielverspre-chend (Stichwort Big Data) Echtzeiterkennung von Fahrzeugstandorten fuumlr Kunden ist inzwischen Alltag Neue Geschaumlftsideen werden in neuen Datenerfas-sungsmoumlglichkeiten gesehen (Luftverschmutzung messende oder den Straszligenbelag pruumlfende Fahrzeu-ge etc) Lagerhaltung und Logistik sind ohne Digitali-sierung nicht mehr denkbar ndash in allen Industrien Mit-tels RFID-Technologie zur Identifizierung und Ortung von Waren und Menschen wird sich ein Konzept wie das Internet der Dinge vermutlich rasant weiterentwi-ckeln koumlnnen Informationsbasierten Dienstleistun-gen rund um die Nutzung von Produkten wird ein groszliger Markt vorausgesagt (vgl Bienzeisler 2014)

Fragt man danach was auf der betrieblichen Ebe-ne vorhanden ist so kommt man zu sehr verschieden weitreichenden Themen und Ansatzpunkten

In Betriebsvereinbarungen wird fuumlr den heutigen Stand umfangreich Informations- und Kommunikati-onstechnik (IKT) geregelt Das gilt fuumlr IKT-Rahmen-vereinbarungen Telekommunikation Datenschutz Einsatz von und Arbeit mit Technik im Buumlro (Mail Te-lefonie Video etc) Seltener stellt die Digitalisierung an sich ein Thema dar Es geht vor allem darum Leis-tungs- und Verhaltenskontrolle zu begrenzen Daten-schutz fuumlr Beschaumlftigte zu gewaumlhrleisten trotz wach-sender Datenberge sowie breiter und schneller wer-dender Datenstroumlme In verschiedenen Kontext- themen wie z B Arbeits- und Gesundheitsschutz Ar-beitszeit Qualifizierung und Mitbestimmung wird versucht soziale Nachteile zu mildern Im Folgenden werden beobachtete Regelungstrends zu einzelnen Gestaltungsfeldern im Uumlberblick zusammengefasst

IKT-Rahmenvereinbarung

Die Bedeutung der Informations- und Kommunikati-onstechnologie (IKT) wird weiter wachsen (vgl BDI 2015) Betriebs- und Personalraumlte werden tendenzi-ell haumlufiger als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig beteiligt Dies legt die Auswertung von 140 Verein-barungen nahe (vgl BoumlkerDemuth 2013) Die Ge-staltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherr-schung Denn letztlich ist eine vollstaumlndige Uumlberwa-chung der IKT unmoumlglich IKT-Rahmenvereinbarun-gen sind freiwillige Vereinbarungen Sie vereinfa-chen haumlufig Mitbestimmungsverfahren indem Grund- saumltze festgeschrieben werden zur Beteiligung zur Arbeit in paritaumltischen Ausschuumlssen zum Informati-onsfluss etc In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzli-chen Mitbestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der betrieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Projektentwicklungen mitwirken kann Ein Beispiel stammt aus dem Jahr 2010

Beispiel bdquoMit dem Betriebsrat werden auf Wunsch der [Fir-ma] oder des Betriebsrats vor Projektbeginn in einer Projektvereinbarung folgende Punkte festgelegt - Art und Umfang der Teilnahme des Betriebsrats an

den Projektsitzungen und dem Lenkungsausschuss - Meilensteine oder Projektabschnitte die einer Be-

ratung oder Zustimmung des Betriebsrats beduumlr-fen bevor das Projekt weitergefuumlhrt werden kann

- lesender online-Zugriff auf die vollstaumlndige Projekt-dokumentation und die Sitzungsprotokolleldquo

(Versicherungsgewerbe 0902014702010)2

Ein solcher Trend haumlngt sicherlich auch vom Know How der Akteure und vermutlich von der Branche ab Das folgende Beispiel ist in dieser Hinsicht fort-schrittlich weil die Regelung bereits aus dem Jahr 2000 stammt und verhaumlltnismaumlszligig offen ist

Beispiel bdquoGeschaumlftsleitung (GL) und Standort-Betriebsrat (BR) der [hellip]-Gruppe am Standort [hellip] sind sich darin einig dass ein zukunftsorientierter Einsatz der Informati-onstechnik dem Wohle des Unternehmens sowie sei-ner Mitarbeiter zu dienen hat Dieses Ziel kann nur er-reicht werden wenn GL BR und Mitarbeiter gleicher-maszligen die Anwendung neuer Technologien mit- tragen und mitgestalten Dazu ist es notwendig - dass der Betriebsrat und die betroffenen Mitarbeiter

sich konstruktiv und qualifiziert am Entscheidungs- und Gestaltungsprozess beteiligen koumlnnen [hellip]

- dass die mit der Projektabwicklung befassten IT-Stellen durch diese Regelungen nicht behindert werden bzw dass auf die Belange der hier Be-schaumlftigten Ruumlcksicht genommen wirdldquo

(NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobilelek-tronik 0902013602000)

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrol-le Daher werden hier einige Beispiele ausfuumlhrlicher dokumentiert Ein absolutes Verbot der Leistungs- und Verhaltenskontrolle wie das folgende wird nicht immer ausgesprochen

Beispiel bdquoEin IT-System darf grundsaumltzlich nicht zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle genutzt werden Abwei-chungen sind mit dem Betriebsrat zu vereinbarenldquo (Wasserversorger 0902014112006)

Eher schlieszligt sich an das Verbot die definierte Aus-nahme an Die folgende Regelung erweitert den Ausschluss der Kontrolle einzelner Beschaumlftigter und von Mitarbeitergruppen und benennt die Akteu-re an denen es nicht vorbei gehen darf Betriebsrat und Datenschutzbeauftragte

2 Die Kennung am Ende des Zitats bezeichnet die Quelle und den Standort der Vereinbarung im Archiv (Branche Themalfd NrJahr)

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 6

Beispiel bdquoEs ist ausdruumlcklich ausgeschlossen dass die erho-benen und verarbeiteten personenbezogenen oder beziehbaren Daten zum Zwecke der Verhaltens- undoder Leistungskontrolle bezogen auf einen MitarbeiterIn oder eine Gruppe MitarbeiterInnen eingesetzt werden es sei denn der BR und der Da-tenschutzbeauftragte stimmen dem im Einzelfall ge-sondert zuldquo (Kreditgewerbe 0902014382006)

Einzelkontrollen werden an gesetzliche oder tarifli-che Bestimmungen gebunden die eine Kontrolle zu-lassen wuumlrden

BeispielbdquoEine Kontrolle der Leistung oder des Verhaltens ein-zelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen un-ter Nutzung elektronisch gespeicherter personenbe-zogener Daten wird [hellip] nicht einseitig durchgefuumlhrt soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht bestehtldquo (Baugewerbe 0902014752010)

Im Zusammenhang mit Outsourcing von IT-Systemen und deren Organisation werden Regelungen notwen-dig die auch Dienstleistern Maszlignahmen untersagen die der Leistungs- und Verhaltenskontrolle dienen koumlnnten Entsprechende vertragliche Regelungen ge-maumlszlig sect 11 BDSG gehen nach Ansicht der betrieblichen Vertragspartner nicht weit genug Sie halten daher eine Regelung wie die folgende fuumlr notwendig

Beispiel bdquoDer Arbeitgeber unterlaumlsst es ohne ausdruumlckliche Zustimmung des Betriebsrates Auswertungen von personenbezogenen Daten die durch diese BV aus-geschlossen sind durch Dritte vornehmen zu lassen bzw zu verwendenldquo (Verlags- und Druckgewerbe 0902012692005)

Nachstehend werden die zulaumlssigen Zwecke von Aus-wertungen in allgemeiner Form aufgelistet Jegliche daruumlber hinausgehende Nutzung ist dann verboten

BeispielbdquoSoweit im Einsatz befindliche luK-Systeme Aktivitauml-ten der Benutzer aufzeichnen duumlrfen diese nur - zur Gewaumlhrleistung der Systemsicherheit - zur Gewaumlhrleistung von Datenschutz und Daten-

sicherheit - zur Uumlberpruumlfung der Einhaltung von Betriebsver-

einbarungen und gesetzlichen Vorschriften - zur Analyse und Korrektur technischer Fehler in

den Systemen zur Steuerung und Optimierung der Systeme

- zur Abrechnung verbrauchter Systemleistungen - zur Wahrung gesetzlicher Aufbewahrungsvor-schriften

- zur Wahrung von Pruumlfungsauflagen durch Finanz-behoumlrden und Wirtschaftspruumlfer

benutzt werdenldquo (Ernaumlhrungsgewerbe 0902014942008)

Die Regelungen begrenzen die Verwendung auf ei-nen oder mehrere Zwecke die Aufzeichnung wird jedoch nicht generell angezweifelt In weiteren Ein-zelvereinbarungen werden Ergaumlnzungen zu einzel-nen Systemen abgeschlossen Im Idealfall entsteht auf diese Weise eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen

Insgesamt lassen die vorliegenden IKT-Rahmen-vereinbarungen neueren Datums den Schluss zu dass Betriebsraumlte ihre Rechte kompetent nutzen Es leuchtet ein dass wachsende Ressourcen- und Zeit-probleme im Betriebsrat entstehen da die digitale Durchdringung von Prozessen und die Innovations-geschwindigkeit bei IKT enorm ist Updates von Programmen und umfangreiche Aumlnderungen folgen in kurzer Taktung Besonders die vertrauensvolle Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt daher einen groszligen Stellenwert Lenkungs-ausschuumlsse paritaumltische Kommissionen und Trans-parenz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlgli-chen Das wird besonders dann relevant wenn z B noch mehr Daten ausgelagert werden und die Ge-fahr besteht dass Cloud-Anwendungen die Mitbe-stimmungsmoumlglichkeiten ins Leere laufen lassen weil Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden

Nutzung von E-Mail und Internet

Der betriebliche Umgang mit dem Internet ist selbstverstaumlndlich Die E-Mail hat eine ungebrochen wichtige Bedeutung in der Kommunikation mit Kun-dinnen und Kunden die Recherche im Internet ist fuumlr viele Beschaumlftigte Alltag Entsprechend weniger Raum nehmen heute Regelungen ein die bestim-men ob Beschaumlftigte die Internetdienste uumlberhaupt nutzen duumlrfen der Zugang zum Netz ist selbstver-staumlndlich Die in fruumlheren Auswertungen festgestell-ten Unklarheiten diesbezuumlglich kommen so in neue-ren Vereinbarungen kaum noch vor (vgl BoumlkerDe-

Kurz und knapp

- Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlufiger als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig beteiligt Dies legt die Auswer-tung von 140 Vereinbarungen nahe Die Gestaltung des Technik-einsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kont-rolle und Beherrschung

- In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmer-vertretung uumlber die gesetzlichen Mitbestimmungsprozesse hin-aus als Gestalter der betrieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Projektentwicklungen mitwirken kann

- Zentrale Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswer-tung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 7

muth 2014) Haumlufig finden sich Regelungen die eine private Nutzung in der Freizeit und in den Pausen er-lauben nachdem die Beschaumlftigten eine Erklaumlrung unterzeichnet haben mit der datenschutzrechtliche Beschraumlnkungen zur Protokollierung und Auswer-tung fuumlr den Arbeitgeber aufgehoben werden Leis-tungs- und Verhaltenskontrolle wird regelmaumlszligig auf dem Papier ausgeschlossen Im Umgang mit Proto-kolldateien sind Spielraumlume vorhanden um diese auszuwerten Die missbraumluchliche Nutzung von In-ternetdiensten soll bewiesen werden

Relevant wird dies insbesondere wenn E-Mail- und Internetdienste durch die Arbeitnehmervertre-tungen genutzt werden und ein besonderer Schutz der Daten notwendig wird Die folgende Regelung ist dafuumlr beispielhaft Sie bezieht zusaumltzlich alle an-deren Personen und Gruppierungen ein die per Ge-setz einem besonderen Schutz unterliegen

Beispiel bdquoWerksaumlrzte Psychologen Suchtberater Suchtkran-kenhelfer Sozialberater Betriebsraumlte und Jugend- und Auszubildendenvertreter und andere Interessen-vertreter der Belegschaft Schwerbehindertenvertre-ter Pressemitarbeiter und Rechtsanwaumllte sowie die im betrieblichen Datenschutz taumltigen Personen und die [betrieblichen Datenschutzbeauftragten] genie-szligen einen Sonderschutz Eine Liste der geschuumltzten Personen wird durch die lokale Personalabteilung dem zustaumlndigen Administrator zur Einrichtung und dem lokalen Betriebsrat zur Uumlberpruumlfung der Einhal-tung dieser Betriebsvereinbarung zur Verfuumlgung ge-stellt E-Mails die an diesen Personenkreis gerichtet sind unterliegen dem maximalen Schutzldquo (Bran-chenuumlbergreifend 0903001882010)

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeits-verdichtungen werden in den meisten Vereinbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet Selten werden etwa ausfuumlhrliche Regelungen zum Umgang mit Abwe-senheitszeiten und Vertretungsregelungen formuliert

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Diese Geraumlte werden in den Vereinbarungen bisher kaum mit ihren umfassenden Einsatzmoumlglichkeiten wahrgenommen bezogen auf die Kommunikation (Te-lefon Kurznachrichten und elektronische Post) und

Kurz und knapp

- Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Vereinbarungen zur E-Mail-Nut-zung nicht betrachtet

das Informationsmanagement (Adressbuch Kalender Aufgabenlisten Projektsoftware) Mobile Device Ma-nagement (MDM) ermoumlglicht es alle mobilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfigurationen zentral zu ver-walten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und An-wendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbe-stimmung Nur wenige Vereinbarungen erfassen das Thema bislang umfassend (vgl Thannheiser 2015) Durch MDM werden mobile Geraumlte transparent ortbar und auswertbar ndash was der Verhaltens- und Leistungs-kontrolle Wege eroumlffnet Alle mobilen Zugriffe auf Do-kumente werden vom MDM-System luumlckenlos aufge-zeichnet Schnittstellen ermoumlglichen die Weitergabe an beliebige andere Systeme Daruumlber hinaus ist der sogenannte Echtzeit-Remote-Zugriff moumlglich (Remote Control) Je nach Freigabe ist es moumlglich sich auf Mo-biltelefone aufzuschalten und diese fernzubedienen

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspannun-gen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtliche Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leistungs-kontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte einge-setzte Software bleiben ebenso haumlufig unbeantwor-tet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Ta-blets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen

Unter dem Begriff Social Media werden alle techni-schen Moumlglichkeiten zusammengefasst die es er-lauben z B auf Plattformen miteinander in Kontakt zu treten um sich zu vernetzen mediale Inhalte ge-meinsam zu erarbeiten zu teilen oder zu kooperie-ren Unternehmen nutzen Social-Media-Angebote heute fuumlr interne wie externe Bereiche Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessenvertretun-gen und Arbeitgeber nicht selten vor vollendeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt Be-schaumlftigte schaffen Fakten und veraumlndern Unterneh-

Kurz und knapp

- Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mobilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfigurationen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Sys-temen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Vereinbarun-gen erfassen das Thema bislang umfassend

- Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Ver-spannungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtliche Fra-gen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leistungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbeantwortet Die Nutzung von Apps auf Smart-phones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 8

men indem sie den im Privatleben alltaumlglichen Ge-brauch in das Berufsleben hineintragen

Die Auswertung von Regelungen zur Social-Me-dia-Verwendung in Betrieben zeigt Nur selten wur-den Betriebs- und Dienstvereinbarungen abge-schlossen dafuumlr mehr Richtlinien bzw Social-Me-dia-Guidelines (vgl GreveWedde 2014)

BeispielbdquoDie Nutzung sozialer Netzwerke wie Twitter Face-book Xing oder Wikipedia gewinnt eine immer groumlszlige-re Bedeutung [hellip] Die [Firma] kann sich hier darstel-len ihre Produkte verbreiten und fuumlr sie werben Es liegt im Interesse der [Firma] das Engagement der Mitarbeiter im Bereich der sozialen Medien zu foumlrdern [hellip] Um den Beschaumlftigten Sicherheit im Umgang mit den sozialen Netzwerken zu geben und daruumlber hinaus die Interessen beider Seiten gleichermaszligen zu wah-ren haben die Betriebsparteien einen Kodex erstellt als Regelwerk fuumlr das digitale Miteinander im Internetldquo (Verlags- und Druckgewerbe 0903002262011)

Manche Unternehmen beziehen ihre Richtlinien aus-druumlcklich auf die dienstliche Nutzung Demgegen-uumlber entwickeln andere ihre Richtlinien offenbar ge-rade dafuumlr Beschaumlftigten Regeln fuumlr die private Nut-zung von Social Media an die Hand zu geben

BeispielbdquoDer Leitfaden ist nicht als Anleitung fuumlr Mitarbeiter ge-dacht die fuumlr die offiziellen Kommunikationskanaumlle [der Firma] zustaumlndig sind Es geht hier vielmehr um Ihre persoumlnlichen Aktivitaumlten in den Social Media sowohl waumlhrend der Arbeitszeit als auch zuhause Generell ist es Ihre Sache was Sie auszligerhalb der Arbeitszeit tunldquo (Telekommunikationsdienstleister 0903002872010)

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungspflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals relativ schnell erstellt wur-den um der rasanten Nutzung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spiel-regeln zusammenzufassen Dies ist dann eine Basis auf der die eigentlich mitbestimmungspflichtigen Fragen kuumlnftig umfassend geregelt werden koumlnnen und sollten

Kurz und knapp

- Bei Social-Media-Anwendungen stehen Inter-essenvertretungen und Arbeitgeber nicht sel-ten vor vollendeten Tatsachen denn die Nut-zung findet bereits statt

- Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oft-mals relativ schnell erstellt wurden um der ra-santen Nutzung sozialer Medien eine rechtli-che Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammenzufassen

GPS-Zugriff auf Daten u a

Der Zugriff auf Daten z B mittels GPS Funknetz oder RFID birgt ein enormes Rationalisierungs- und Ein-sparpotenzial Bewegungsdaten von Menschen und Waren mittels GPS-Ortung auszuwerten kann fuumlr den Kundenservice die Optimierung von Einsaumltzen Be-standskontrollen Abstimmungsprozesse (mit dem Smartphone) genutzt werden Im Hinblick auf verbesserte Kundenfreundlichkeit kann die Weiterga-be von Standortdaten eine groszlige Rolle spielen Fuumlr Beschaumlftigte sind gegebenenfalls Regelungen zum Datenschutz notwendig Datensparsamkeit Zweck-bindung und Persoumlnlichkeitsschutz sollen vor unzulaumls-sigen Kontrollen schuumltzen In Vereinbarungen werden daher vor allem Datenauswertungen eingeschraumlnkt (vgl Kiper 2011) Vereinzelt duumlrfen personenbezogene Daten nur im Ausnahmefall und mit Zustimmung der Interessenvertretung ausgewertet werden oder die Auswertung wird an die Zustimmung der Interessen-vertretung gebunden Regelungsgegenstand ist oft-mals aber nicht ob sondern wie Daten ausgewertet werden Wie ernsthaft und streng diese Regelungen in der Praxis umgesetzt werden ist unklar

Datenschutz und Kontrolle

In juumlngerer Zeit werden Regelungsstrategien er-probt wonach der Betriebsrat zwar grundsaumltzlich je-der Software-Einfuumlhrung zustimmt aber nur unter der Bedingung dass Leistungs- und Verhaltenskont-rolle ausgeschlossen ist Dies wird mit einem Son-derkuumlndigungsrecht untermauert Falls gegen diese Vereinbarung verstoszligen wird folgt der sofortige Stopp der weiteren Software-Einfuumlhrung So kann sich ein schnelles Verfahren ergeben das gegebe-nenfalls ein teures Verfahren fuumlr das Unternehmen im Fall der Kuumlndigung nach sich zieht Zu kontrollie-ren ob eine Vereinbarung eingehalten wird kann je-doch relativ schwierig werden Gerade bei internati-onalen Konzernen kann zusaumltzlich eine Herausforde-rung darstellen wenn verschiedene Datenschutz- niveaus und -verstaumlndnisse vorherrschen

Bei der Deutschen Bahn brachte ein groszliger Da-tenskandal im Jahr 2009 Bewegung in den Daten-schutz Eine heute vorbildliches Daten- und Daten-schutzmanagement regelt die Datenstroumlme sehr streng Die Konzernbetriebsvereinbarung Beschaumlf-tigtendatenschutz steht im Konzern uumlber allen ande-ren internen Regelungen Das System wurde ins Le-ben gerufen um Beschaumlftigte zu schuumltzen aber auch um Kontrollen mit entsprechender Verhaumlltnis-maumlszligigkeit zu ermoumlglichen (vgl Kiesche 2015) ndash al-lerdings erst nachdem sich ein umfassender Skan-dal ereignet hatte

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem star-ken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Anti-terror-Verordnungen Vorgesehen ist der Abgleich von Beschaumlftigtendaten mit Namenslisten von so-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 9

genannten Terrorverdaumlchtigen Ob dies erlaubt ist und wenn ja welche Mitbestimmungspflicht ausge-loumlst wird ist unter Juristen umstritten Einige Kon-zerne haben inzwischen Betriebsvereinbarungen abgeschlossen um zumindest das Verfahren mitzu-gestalten (vgl Thannheiser 2015)

BeispielbdquoFuumlr die Erhebung Verarbeitung und Nutzung von Beschaumlftigtendaten zum Abgleich gegen Sanktions-listen sind das Bundesdatenschutzgesetz sowie die Konzernrichtlinien zum Datenschutz maszliggeblich Beim Abgleich der Beschaumlftigten- und Bewerberda-ten ist der Grundsatz der Datensparsamkeit zu be-achten und auf das zwingend erforderliche Mindest-maszlig zu beschraumlnkenldquo (0906002192014)

Auch hier zeigt sich die hohe Relevanz einer vertrau-ensvollen betrieblichen Zusammenarbeit der han-delnden Akteure

Kurz und knapp

- Viele Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen so-wie der Vermeidung von Leistungs- und Ver-haltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander ab-gestimmten flexiblen Regelungen die ver-bindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Ver-handlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

- Datensicherheit und Beschaumlftigtendaten-schutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Un-ternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat entstehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rahmengebende Tarifvertraumlge und ge-setzliche Regelungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur technisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsendes Thema

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krank-heitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausgewer-tet werden koumlnnen

- Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kon-trolle und die Verhinderung von Missbrauch und Straftaten durch zu wenig Kontrolle ste-hen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarun-gen zu sogenannten EU-Antiterror-Verord-nungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Neue Automatisierungsansaumltze Kommunikation zwischen Mensch und Maschine sowie neue Ge-nerationen von Robotern sind im Konzept Industrie 40 der Kern Eine prognostizierte Entwicklung fuumlr das Unternehmen 40 kann darin bestehen dass bdquopolarisierte Organisationenldquo entstehen werden mit hochspezialisierten Experten und abgewerte-ten Fachkraumlften (Hirsch-Kreinsen 2014) Anderer-seits koumlnnen bdquoSchwarm-Organisationenldquo entste-hen mit hochqualifizierten und gleichberechtigten Beschaumlftigten die selbst ihre Arbeit definieren und hochflexibel agieren (ebd) Welche Arbeitsorgani-sation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Pers-pektive sie Produktion und Arbeit sehen (vgl BDI 2015) Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Neue Produktionssysteme (Lean Production) etwa bringen diverse Aspekte zusammen Effizi-enz des Workflows verbessern Kostensenkung Qualitaumltsverbesserung Leistungsbemessung und Kennzahlensysteme Teamarbeit Betriebsdatener-fassung Motivationsverbesserung Verschwen-dung vermeiden etc Neben Effizienz geht es auch um die Transparenz und Kontrolle von Arbeitsleis-tung Scheinbar schleichend werden heute Ar-beitsorganisationen und Produktionsprozesse op-timiert Dies gilt fuumlr produzierende wie fuumlr indirek-te Bereiche in Verwaltungen (z B Lean im Buumlro) Taumltigkeiten werden staumlrker standardisiert und ge-taktet quasi in einer Flieszligfertigung miteinander verknuumlpft mit dem Ziel die Fehlerquote auf Null zu senken In den Produktionen und Buumlros scheinen sich diese Veraumlnderungen ambivalent auf die Ar-beitsbedingungen der Beschaumlftigten auszuwirken Durch verbesserte Organisationsweisen von Ar-beitsgaumlngen entstehen einerseits Arbeitsentlas-tungen diesen stehen jedoch z B wachsender Leistungsdruck durch hohe Transparenz Monoto-nie durch Standardisierung und Taktverkuumlrzungen gegenuumlber

Einen Blick in die Zukunft kann man heute schon in ersten Ansaumltzen werfen (vgl Beispiele in Ittermann ua 2015) Bei Audi in Ingolstadt arbei-tet ein Roboter inzwischen mit Menschen zusam-men an der Montagelinie Dies wird als bdquoerste Mensch-Maschine-Kooperation im VW-Konzernldquo betrachtet (IG Metall 2015a) Dabei gelten folgen-de Grundsaumltze Man arbeitet Hand in Hand aber der Roboter uumlbernimmt schwere Arbeit Routinen werden automatisiert und der Mensch steuert die Maschine Die Zukunft wird in einer noch flexible-ren Fertigung gesehen Maschinen tauschen un-tereinander Daten direkt aus Teile bewegen sich

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 10

selbststaumlndig und autonom durch die Produktion Ob der Mensch dann noch die Taktzeiten vorge-ben wird ist nicht klar aber auch nicht unmoumlglich Schluumlssel fuumlr vieles ist die Aus- und Weiterbil-dung Bei Audi entstehen neue Berufe und Qualifi-kationsprofile um diese flexible Fertigung zu be-herrschen

Eine der modernsten Fabriken das Elektronik-werk von Siemens in Amberg wurde inzwischen beschrieben (vgl Kraft 2015) Die digitalisierte Produktion arbeitet bdquoon demandldquo mit einer Quali-taumlt von 999988 50 Millionen Datensaumltze pro Tag halten nahezu alles fest was wann und wo passiert Bei Fehlern wird die Ursache gefunden nichts kann vertuscht werden Die Technik redu-ziert Fehler und macht die Arbeit abwechslungs-reicher Der Betriebsrat bleibt fortlaufend infor-miert Eine Betriebsvereinbarung verhindert dass bei Rationalisierungen betriebsbedingte Kuumlndi-gungen erfolgen koumlnnen Auch hier ist Weiterbil-dung der Schluumlssel zum Erhalt von Arbeitsplaumltzen in einer sich fortlaufend wandelnden Produktion (vgl IG Metall 2015b)

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt (vgl Pfaumlfflin et al 2011) Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubau-en So kann ein paritaumltisch besetzter Lenkungs-ausschuss dafuumlr sorgen dass Betriebsraumlte durch Mitbestimmung eingreifen koumlnnen wenn die Ver-aumlnderungsprozesse zu negativen Auswirkungen fuumlhren

Beispielbdquo[Die Firma] und der BR richten einen paritaumltisch besetzten Lenkungsausschuss ein Dieser Len-kungsausschuss ist berechtigt in die Veraumlnde-rungsprozesse einzugreifen und Maszlignahmen zwingend einzuleiten sofern eine nachteilige Aus-wirkung auf die Arbeitsbelastung abzusehen istldquo (Datenverarbeitung und Softwareentwicklung 06080012011)

Die Vereinbarung regelt dass die Veraumlnderungen evaluiert werden und im Hinblick auf Arbeitsbelas-tungen konkrete Loumlsungsschritte unternommen wer-den muumlssen etwa zum individuellen Stressabbau so-wie bezogen auf Prozess- und Organisationsbedin-gungen

Regelmaumlszligige Gespraumlche erhoumlhen die Transpa-renz liefern Informationen und verbessern gegebe-nenfalls die Zusammenarbeit In vielen Unterneh-men werden existierende Betriebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhal-tenskontrolle weiterentwickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)

sind keine neuen Managementmethoden um Ar-beits- und Leistungsprozesse zu optimieren Haumlu-fig werden neue Standards im sogenannten konti-nuierlichen Verbesserungsprozessen mit beteili-gungsorientierten Elementen entwickelt Hier stehen Kundenerwartungen und die betrieblichen Ziele im Vordergrund Diese beziehen sich haumlufig auf Kostensenkungen Produktivitaumltssteigerungen und die Entwicklung neuer Produkte Hinzu kom-men auch Ziele wie gute Arbeitsbedingungen Umweltschutz und sozialer Zusammenhalt

QM und KVP bilden auch fuumlr ganzheitliche Pro-duktionssysteme wichtige Rahmenbedingungen Sie werden meist mit Betriebs- oder Dienstverein-barungen geregelt (vgl Bechmann 2010) Festge-legt werden die konkreten Formen der Beteili-gung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutzbe-stimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes Die rechtliche Grundlage fuumlr die Regelungen bilden vor allem Mitbestimmungsrechte bezogen auf die Ordnung des Betriebs die technisch gestuumltzte Kontrolle von Leistung und Verhalten der Be-schaumlftigten auf den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz die Gestaltung des betriebli-chen Vorschlagswesens und betriebliche Qualifi-zierungsmaszlignahmen

Kurz und knapp

- Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht voll-staumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit sehen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlf-tigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

- Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichti-ges Handlungsfeld Bei der Einfuumlhrung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

- In vielen Unternehmen werden existierende Betriebsvereinba-rungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Daten-schutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterentwi-ckelt werden muumlssen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 11

QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwick-lung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Be-schaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlf-tigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachge-ordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wich-tige Ziele fuumlr die Zukunft

Festgelegt wird wie Beschaumlftigte und ihre In-teressenvertretung uumlber alle Ablaumlufe und Unterla-gen im Zusammenhang mit QM und KVP infor-miert werden und Einfluss auf deren wesentliche Elemente nehmen koumlnnen Einfluss nehmen be-zieht sich insbesondere auf Definitionen von Ar-beitsvorgaben und Zielwerten wie z B

ndash Inhalten des QM-Handbuchs ndash der Planung und Durchfuumlhrung von Audits ndash der Erfassung und Verwendung von Beschaumlf-

tigtendaten uumlber Leistung und Verhalten (in-klusive Ruumlckmeldungen und Beschwerden von Kunden)

ndash der Themenauswahl fuumlr Qualitaumltszirkel oder KVP-Teams und ihrer personellen Zusam-mensetzung

ndash der Foumlrderung der Arbeit der Qualitaumltszirkel KVP-Teams

ndash der Bewertung und Nutzung der Ergebnisse der QualitaumltszirkelKVP-Teams

Bemerkenswert haumlufig wird in den vorliegenden Vereinbarungen betont dass der gesamte Pro-zess die Kreativitaumlt und Motivation der Beschaumlf-tigten foumlrdern soll ndash und nur dies auch zum Erfolg fuumlhren kann QM und KVP bilden insofern einen wesentlichen Faktor fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit der Unternehmen was auch in einer groumlszligeren Zahl juumlngerer Regelungen zum Ideenmanagement als moderner Variante des betrieblichen Vorschlags-wesens erkennbar wird

Fuumlr die Betriebs- und Personalraumlte oumlffnet sich ein Einflussfeld das neben dem Schutz vor nega-tiven Konsequenzen auch die Chancen fuumlr per-soumlnliche Weiterentwicklung und Praumlmierung gu-ter Ideen der Beschaumlftigten zum Inhalt hat Dabei wird auch die groszlige Bedeutung von Gruppenpro-zessen deutlich die sich teilweise in Gruppen-praumlmien niederschlaumlgt Dennoch enthalten ein-zelne Vereinbarungen auch relativ strenge Vor-schriften zu Qualitaumlt und Leistung der Be- schaumlftigten und deren Uumlberwachung Sie schlie-szligen individuelle Sanktionen nicht aus stellen aber eine kleine Minderheit dar die sich auf ein-zelne Dienstleistungsbranchen (z B Call-Center) beschraumlnkt Die groszlige Mehrheit der Vereinba-rungen stellt jedoch eher den Aspekt der Foumlrde-rung und Nutzung der Kreativitaumlt der Beschaumlftig-ten ins Zentrum

Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation gestalten

Das technisch Moumlgliche zum Schutz von Beschaumlf-tigten zu begrenzen und Regelungen zum Einsatz zur Nutzung und zur Kontrolle zu formulieren ist die eine Seite die Auswirkung technologischer Entwicklungen auf die Arbeitsbedingungen steht auf der anderen Seite Auswirkungen ergeben sich z B aktuell auf die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsorten Organisationsprozesse und Leis-tungsbedingungen werden neu strukturiert durch sich selbst regulierende Teams durch Selbststeue-rung und mittels Zielvereinbarungen Arbeitszeit und Freizeit sowie Arbeitsort und privater Wohn-sitz gehen ineinander uumlber und sollen doch vonein-ander abgrenzbar bleiben

Staumlndige Erreichbarkeit

Weil heute bereits Arbeitsort und Arbeitszeit flexi-bel sind ndash vor allem aufgrund mobiler Endgeraumlte ndash heiszligt ein aktuell diskutiertes Problem staumlndige Er-reichbarkeit Unbezahlte Mehrarbeit durch Arbeit am Wochenende im Urlaub am Feierabend sind weit verbreitet Nach einer aktuellen Umfrage le-sen 42 der Deutschen in der Freizeit dienstliche Mails oder Nachrichten (FAZ 2015)

Die Nutzung digitaler mobiler Arbeitsmittel hat die Kommunikation erleichtert aber Zeitprobleme

Kurz und knapp

- Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebliches Vorschlags-wesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorien-tierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Bemerkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlrdern soll kreativ und moti-viert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unternehmen

- Festgelegt werden die konkreten Formen der Beteiligung der Be-schaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestal-tung sowie Schutzbestimmungen zur Vermeidung negativer Aus-wirkungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktio-nen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

- QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetz-te Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an al-len nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 12

verschaumlrft Das Ergebnis scheint nicht nur eine In-tensivierung der Arbeit sondern auch deren zeitli-che Ausdehnung zu sein Aus Arbeitnehmersicht sollte Mehrarbeit vermieden werden bzw diese zumindest nicht unbezahlt und unausgeglichen bleiben Es geht auch darum Menschen zu befaumlhi-gen im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten selbst Gren-zen zu ziehen souveraumln mit der Arbeitszeit umge-hen zu koumlnnen und Anforderungen an Flexibilitaumlt selbstbestimmter zu gestalten Mit sehr verschie-den weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men

Regelungen werden getroffen so dass Vorge-setzte nicht auszligerhalb definierter Zeiten auf Be-schaumlftigte zugreifen Die Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit laumlsst sich im Prinzip relativ einfach bewerkstelligen

BeispielbdquoWaumlhrend der Pausen und nach Dienstende ist das Handy der Firma [hellip] auszuschaltenldquo (Sonstige Verkehrsdienstleister 0902021062003)

BeispielAllerdings ist diese Regelung 12 Jahre alt Inzwi-schen sind Verbreitung mobiler Endgeraumlte und tech-nische Moumlglichkeiten um ein vielfaches gewachsen so dass diese Regelung zwar noch guumlltig ist jedoch vermutlich haumlufig unterlaufen wird Diese Regelun-gen uumlberlaumlsst es den Beschaumlftigten auszligerhalb der Arbeitszeit und des Betriebsgelaumlndes die dienstli-chen mobilen Kommunikationsgeraumlte zu nutzen oder auch nicht

BeispielbdquoEs besteht ausdruumlcklich keine Verpflichtung au-szligerhalb der Rahmenarbeitszeit fuumlr die [Firma] mittels dieser Kommunikation erreichbar zu sein (Grund-stuumlcks- und Wohnungswesen 0903002052009)

Ein naheliegender Gedanke ist eine technische Louml-sung zu regeln die nicht so schnell unterlaufen wer-den kann wie z B begrenzte Zugriffszeiten auf das Firmennetz

BeispielbdquoWaumlhrend des Zeitfensters von 1815 Uhr bis 0700 Uhr und an Wochenenden steht die Telefonfunktion zur Verfuumlgung alle anderen Anwendungen nicht [hellip] Uumlber besondere Einzelfaumllle die durch diese Ver-fahrensregelung nicht ausreichend abgedeckt sind werden Unternehmen und Betriebsrat einvernehm-lich entscheidenldquo (0902021742011)

Die folgende Vereinbarung ist noch zwei Jahre juumln-ger und geht wieder einen anderen Weg Sie regelt Reaktionszeiten und das Recht auf Abwesenheits-freiraumlume

BeispielbdquoDer Mitarbeiter stimmt mit seinem Vorgesetzten unter Beruumlcksichtigung und Abwaumlgung betrieblicher und privater Erfordernisse seine Erreichbarkeit ab Diese orientiert sich an der im jeweiligen Team uumlbli-chen Lage der Arbeitszeit kann aber auf Wunsch des Mitarbeiters davon abweichen Auszligerhalb der ab-gestimmten Zeiten der Erreichbarkeit hat der Mitar-beiter im Sinne der Ruhe und Erholung das Recht nicht erreichbar zu sein Dazu zaumlhlen in der Regel ndash so-weit nicht Bestandteile des jeweiligen Arbeits-zeitmo-dells ndash die Abend- und Morgenstunden sowie Samsta-ge Sonn- und Feiertage Der Mitarbeiter muss auszliger-dem die Moumlglichkeit haben die ihm uumlbertragenen Aufgaben in einer angemessenen Zeit innerhalb der uumlblichen Arbeitszeiten oder innerhalb der mit seinem Vorgesetzen abgestimmten [Zeiten] erledigen zu koumln-nen (Reaktionszeit)ldquo (0801022192013)

Bei Dienstreisen gemeinsamen Projekten uumlber Zeit-zonen hinweg und bei der Arbeit beim Kunden be-stimmen zusaumltzlich auch aumluszligere Faktoren die Arbeit Wichtig ist daher auch Reisezeiten angemessen zu bewerten und Arbeitszeit korrekt zu erfassen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Vo-raussetzung dafuumlr dass ein Zeitausgleich uumlberhaupt moumlglich wird (vgl Hinrichs 2014)

Mobile Telearbeit

Staumlndige Erreichbarkeit ist ein wesentliches Anlie-gen heutiger Vereinbarungen rund um mobile Ar-

Kurz und knapp

- Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leistungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebs-vereinbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbestimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlgli-chen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

- Mit sehr verschieden weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Ar-beitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

- Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelun-gen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinba-rungen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Com-pliance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 13

beit und die Nutzung mobiler Endgeraumlte Eines der ersten Unternehmen das mit einer Betriebsverein-barung zur Regelung der staumlndigen Erreichbarkeit im Jahr 2011 die oumlffentliche Debatte anregte war die Volkswagen AG (vgl Spiegel 2014) Man verein-barte zunaumlchst dass Serverfunktionen auszligerhalb der vertraglichen Arbeitszeit fuumlr tariflich Beschaumlftig-te abgeschaltet werden Ein weiteres ebenfalls oumlf-fentlich diskutiertes Beispiel in diesem Kontext bie-tet die Daimler AG Das Unternehmen ermoumlglicht uumlber einen elektronischen Abwesenheits- assistenten namens bdquoMail on Holidayldquo alle E-Mails die waumlhrend des Urlaubs eingehen automatisch louml-schen zu lassen Die Botschaft Man muss nicht waumlhrend seines Urlaubs arbeiten Seit Sommer 2013 existiert im Bundesarbeitsministerium eine Verein-barung wonach Fuumlhrungskraumlfte nur noch in begruumln-deten Ausnahmefaumlllen Beschaumlftigte in ihrer Freizeit per E-Mail oder telefonisch kontaktieren duumlrfen Der Betriebsrat der BMW AG wurde 2014 mit dem Deut-schen Betriebsraumlte-Preis in Gold ausgezeichnet fuumlr eine Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der mobi-len Arbeit Vorteile flexibler Arbeitszeiten und -orte werden genutzt um gleichzeitig eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen unter anderem durch das Recht auf Nichterreichbarkeit Kompetenzen werden geschult und die Arbeitszeit wird konsequent er-fasst Auch bei Bosch vereinbarte man dass Ar-beitszeit und Arbeitsort eigenverantwortlich und aufgabenbezogen mobil gestaltet und abgestimmt werden koumlnnen Feste Bedingung ist dass die Ar-beitszeit nach wie vor erfasst und verguumltet wird

Sehr unterschiedliche aktuelle Beduumlrfnisse von Beschaumlftigten und Fuumlhrungskraumlften werden aufge-griffen Man sucht gemeinsam nach kollektiven Louml-sungen Aber die Quadratur des Kreises lautet Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten Wenn etwa bei Vertrauensarbeitszeit auf eine Ar-beitszeiterfassung verzichtet wird dann fehlt Be-schaumlftigten ein sehr zentrales Instrument um Leis-tungsforderungen und Leistungsverdichtung uumlber-haupt dokumentieren und dann auch abbauen zu koumlnnen (vgl Klein-Schneider 2007) Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexiblen Ar-beitszeitgestaltung gelebt werden Compliance be-deutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Vom Ausmaszlig der Flexibilitaumlt in der Arbeitszeitregu-lierung sind sowohl die Produktionsbedingungen von Unternehmen als auch die Arbeits- und die Le-bensbedingungen von Beschaumlftigten maszliggeblich be- troffen Arbeitszeitgestaltung ist daher ein wesentli-

ches Kernelement der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarif-vertrag vereinbart wurden Betriebsparteien regeln die Gestaltung von Arbeitszeitkonten vor allem den Auf- und Abbau ihre Verwendung sie regeln auch ob wann und wie Guthaben entstehen koumlnnen ob und wie Mehrarbeit verguumltet wird wie Rahmenar-beitszeiten aussehen wann Arbeitszeit voruumlberge-hend verkuumlrzt wird etc

Es gibt eine Fuumllle an tariflichen Regelungen um flexible Arbeitszeiten zu gestalten (vgl Bispinck 2015) Die aktuelle Debatte um eine scheinbar not-wendige Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes er-waumlchst daher kaum aus der betrieblichen Realitaumlt Arbeitszeitkonten sind das notwendige Instrument um flexible Arbeitszeiten uumlberhaupt zu gestalten Mit Kontenmodellen koumlnnen betriebs- und marktbe-dingte Schwankungen der Produktion in woumlchentli-chen monatlichen oder auch jaumlhrlichen Arbeitszei-ten festgehalten kontrolliert und ausgeglichen wer-den Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeitaus-gleich (vgl Hamm 2013) Einfache Gleitzeitkonten mit monatlichem Ausgleichsmechanismus erlauben es dass Zeitgutschriften gespart und im Verlauf der vier Wochen genutzt werden Die angesparte Zeit kann auch uumlber laumlngere Zeitraumlume als einen Monat auf Konten gespart werden Uumlblich ist dann die Ver-wendung von Jahreskonten Auf diese Weise koumln-nen Betriebe auch in Schichtarbeit flexiblere Ar-beitszeiten entwickeln (vgl Grzech-Sukalo 2013)

Um eine fuumlr Beschaumlftigte bdquoplanbareldquo Flexibilisie-rung der Arbeit zu ermoumlglichen sehen Vereinbarun-gen Grundplanungen z B uumlber ein Jahr vor Diese kann an betriebliche Auftragsschwankungen ange-passt werden Zusatz- und Ausfallschichten in ei-nem flexiblen Schichtsystem werden uumlberwiegend von der Arbeitgeberseite bestimmt um den Perso-naleinsatz bedarfsgerecht zu gestalten Unterneh-men nutzen heute diverse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusammenhaumlngendes Gesamtkonzept

ndash Ein Gleitzeitkonto gleicht kleinere monatliche Schwankungen der Stunden aus

ndash Ein individuelles Arbeitszeitkonto mit Verteil-zeitraumlumen wird als Jahresarbeitszeit geregelt so dass taumlgliche und woumlchentliche Zeiten schwanken koumlnnen

ndash Auf Flexi-Konten werden Stunden gespart die fuumlr konjunkturbedingte Engpaumlsse zur Verfuuml-gung stehen so dass Beschaumlftigung gesichert und Kurzarbeit vermieden werden kann

ndash Langzeitkonten mit mehrjaumlhrigen Ansparpha-sen sind fuumlr laumlngere bezahlte Freistellungen nutzbar z B als Sabbatical Qualifizierungs-zeit vorgezogener Ruhestand

Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzun-gen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 14

barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Kuumlnftig wird es vermut-lich noch wichtiger sein die Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu koppeln Ent-grenzung zu begrenzen und Arbeitszeit schlichtweg wieder zu erfassen Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumen-te (vgl HofmannSmolenski 2015)

22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen

Der demografische Wandel bedeutet seit laumlngerer Zeit schon prognostizierte groszlige Umwaumllzungen Der demo-grafische Wandel kann sich je nach Branche sehr ver-schieden zeigen und mit sehr unterschiedlichen Maszlig-nahmen in der betrieblichen Realitaumlt gestaltet werden In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungsfortschritten (vgl Busse et al 2015) Haumlu-fig heiszligt demografischer Wandel im Betrieb dreierlei

ndash verschiedene Beschaumlftigtengruppen zu integrieren erwerbstaumltige Muumltter mit Arbeitszeitmodellen (vor allem Teilzeit) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung bzw Kinderbetreuung Men-schen mit Migrationshintergrund junge und alte Menschen Leistungsveraumlnderte Als neues Thema wird es auch darum gehen Fluumlchtlinge moumlglichst effizient in den Arbeitsmarkt zu integrieren

ndash Arbeits- und Gesundheitsschutz zu realisieren

Kurz und knapp

- Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernelement der Tarifpolitik Betriebspartei-en regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt wer-den kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wur-den Unternehmen nutzen heute diverse Ar-beitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

- Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anlie-gen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeit-ausgleich Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Aus-einandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der vereinbarten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang be-trieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber ge-stellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

fuumlr alternde Belegschaften ganzheitliche Ge-faumlhrdungsbeurteilungen alter(n)sgerechte Ar-beitsgestaltung Altersteilzeit

ndash Fachkraumlftebedarf abdecken Ausbildung gestal-ten Weiterbildung und lebenslanges Lernen si-chern und foumlrdern

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben konzentrierten sich sehr lange auf die Fra-ge der angemessenen Lage und Verteilung von Ar-beitszeit bezogen auf die Notwendigkeit Kinder und Berufstaumltigkeit besser zu vereinbaren (vgl MaschkeZurholt 2013) Inzwischen weitete sich das Thema auf die Pflege von Familienangehoumlrigen aus Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen verbunden ist Unter-nehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrich-tungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexible Zeitarran-gements (vgl Reuyszlig 2015 MaschkeZurholt 2013)

Allerdings koumlnnen im Lebensverlauf sehr viele un-terschiedliche Ereignisse es erfordern dass die Work-Life-Balance neu austariert werden will und man vor allem seine Arbeitszeit flexibel gestalten moumlchte oder muss Beschaumlftigte die ins Berufsleben starten ha-ben wahrscheinlich andere Arbeitszeitbeduumlrfnisse als Beschaumlftigte mit Familienpflichten die verlaumlssliche Ar-beitszeiten benoumltigen Menschen die sich kurz vor dem Ruhestand befinden oder gesundheitlich einge-schraumlnkt sind setzen wiederum andere Prioritaumlten

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsvereinba-rungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlig-nahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen die Tarifvertraumlge3 und einige Betriebsvereinbarungen

3 Einige Tarifvertraumlge sowie Betriebsvereinbarungen sehen Alters-struktur- oder Demografie-Analysen vor z B der bdquoTarifvertrag zur Gestaltung des demographischen Wandels in der Eisen- und Stahl-industrieldquo vom November 2006 oder der BCE-Tarifvertrag bdquoLebens-arbeitszeit und Demografieldquo (2008) Weitere Themen der Tarifver-traumlge sind z B flexible (Demografie-)Fonds fuumlr unterschiedliche Belange (flexible Arbeitszeiten fuumlr bestimmte Personengruppen) Arbeits- und Gesundheitsschutz Qualifizierungsoffensiven etc

Kurz und knapp

- In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unter-schiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungs-fortschritten

- Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Be-reitstellung von Ressourcen verbunden ist Unternehmen unter-stuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexi-ble Zeitarrangements

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 15

vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektio-nen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Im bdquoTarifvertrag Demografie der chemischen In-dustrieldquo (2008) sind die verbindliche Regelung von Altersstrukturanalysen sowie finanzielle Beitraumlge fuumlr Demografie-Fonds geregelt Dies wird im Un-ternehmen spezifiziert Fuumlr Unternehmen ohne Be-triebsrat ist hier die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung geregelt Moumlgliche Zweckbindungen des Fonds koumlnnen fuumlr Langzeit-konten Altersuumlbergaumlnge (Altersteilzeit Teilrente) Altersvorsorge Berufsunfaumlhigkeit und lebenspha-senorientierte Arbeitszeitgestaltung genutzt wer-den Uumlber die Haumllfte der Beschaumlftigten der chemi-schen Industrie wird von diesen Leistungen ver-sorgt (Jungvogel 2013 S 235)

Betriebsvereinbarungen zur lebensphasenorien-tierten Arbeitszeitgestaltung regeln zB

BeispielbdquoDie Betriebsparteien wollen fuumlr eine lebensphasen-orientierte Arbeitszeitgestaltung aller Beschaumlftigten der [Firma] einen verringerten Arbeitseinsatz in be-stimmten Lebensphasen ermoumlglichen sofern nicht andere gesetzliche oderund tarifliche Bestimmun-gen in Anspruch genommen werden koumlnnen [hellip] Lebensphasen koumlnnen beispielsweise sein - die Betreuung pflegebeduumlrftiger Angehoumlriger - Vor- und Nachsorgezeiten bei Erkrankungen des

Partners undoder der Kinder - Unterstuumltzung der Lebens- und Arbeitssituatio-

nen des Partners undoder der Kinder - intensive Begleitung von Kindern waumlhrend der

Einschulungsphase oder es Uumlbergangs an wei-terfuumlhrende Schulen

- gleitender Wiedereinstieg nach einer familienbe-dingten Auszeit

- die berufsbegleitende Absolvierung einer Wei-terbildungeines Studiums

- unvorhersehbare familiaumlrepersoumlnliche Ausnah-mesituationen [hellip]

Zur Ermoumlglichung [hellip] wird ein Topf in Houmlhe von 50 TEUR pa gebildet [hellip]ldquo (NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobil-elektronik 03020028602015)

Kurz und knapp - Regelungen existieren sowohl auf Branchen-

bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Be-triebsvereinbarungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie

- Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifver-traumlge und Betriebsvereinbarungen vor um zu-naumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Wichtige Stichworte fuumlr Maszlignahmen sind Gesundheits- bzw Eingliede-rungsmanagement Belastungsreduzierungen Er-gonomie sowie alters- und alternsgerechte Arbeits-bedingungen und ganzheitliche Gefaumlhrdungsbeur-teilungen

Die gesetzliche Pflicht zur Gefaumlhrdungsbeurtei-lung wird inzwischen von 51 der Unternehmen (BAuA 2015) erfuumlllt und in der Regel in Betriebsver-einbarungen festgeschrieben Vor allem kleine Be-triebe mit bis zu 49 Beschaumlftigten hinken deutlich hinterher

Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure Die Sick AG wurde vor einiger Zeit bekannt mit einer Vereinba-rung zur Umsetzung ganzheitlicher Gefaumlhrdungs-beurteilungen Der nicht konfliktfreie Prozess fuumlhr-te zur Etablierung eines paritaumltisch besetzten Steu-erungskreises der die Verfahren lenkt Das Ziel ist vor allem Stress und Fehlbelastungen zu erkennen und gezielte Loumlsungen von sehr unterschiedlicher Reichweite sehr konkret mit vielen kleinen Loumlsun-gen gemeinsam zu entwickeln (vgl Molitor 2013) Das koumlnnen stoumlrungsfreie Arbeitszeiten sein redu-zierte Geraumluschbelastungen durch Telefonklingeln vereinbarte Zeitpuffer etc

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Bereits heute wird an bdquointelligenter persoumlnlicher Schutz-kleidungldquo fuumlr Feuerwehreinsatzkraumlfte gearbeitet (vgl Roszlignagel 2012) Einsatzkraumlfte koumlnnen in Ge-fahrensituationen geortet und selbst besser ge-schuumltzt werden indem unter anderem ihre Koumlrper-funktionen mittels Datenuumlbertragung im Einsatz permanent uumlberwacht werden Wie wird kuumlnftig gewaumlhrleistet dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausge-wertet werden koumlnnen Im betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) sind erste bdquozarteldquo Ansaumlt-ze fuumlr betriebliche Umgangsformen gefunden um entsprechend sensibel mit Daten umzugehen So sollte beispielsweise die BEM-Akte der bzw des Betroffenen separat gefuumlhrt und nicht in die Perso-nalakte integriert werden Ein Hebel fuumlr den Ar-beits- und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestimmung liegt auch darin die gesicherten arbeitswissen-schaftlichen Erkenntnisse uumlber die menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gel-tung zu bringen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 16

23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 17

2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 18

24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

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oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

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2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 22

immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 23

- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 24

4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

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5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

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Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

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Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

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Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

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IG Metall (2013) Arbeit sicher und fair Die Befragung Download unter wwwigmetallde

Ittermann PeterNiehaus JonathanHirsch-Kreinsen Hartmut (2015) Arbeiten in der Industrie 40 DortmundJungvogel Christian (2013) Tarifvertragliche Regelungen fuumlr den demografischen Wandel in Arbeitsrecht im Betrieb 2013 S 233-236

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Kiesche (2015 im Erscheinen) Datenschutz im DB-Konzern Fallstudie Hans-Boumlckler-Stif-tung (Hg) Duumlsseldorf

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Kratzer Nick (2003) Grenzenlose Anforde-rungen erweiterte Spielraumlume begrenzte Ressourcen Reihe Forschung aus der Hans-Boumlckler-Stiftung Bd 48 Berlin

Kraft Andreas (2015) Zu Besuch in der digi-talen Fabrik in Mitbestimmung 1+22015

Lohmann-Haislah Andrea (2012) Stressre-port Deutschland 2012 BAuA (Hg) Dortmund

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Meyer Werft (Hg) (2015) Das Papenburger Modell Download unter httpwwwmeyer-werftde

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Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 30

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Thannheiser Achim (2015) EU-Antiterror-verordnung und Mitarbeiter-Screening Rei-he Betriebs- und DienstvereinbarungenKurz-auswertungen Duumlsseldorf

verdi ndash Vereinte Dienstleistungsgewerk-schaft (2015) Gute Arbeit und Digitalisie-rung Prozessanalysen und Gestaltungspers-pektiven fuumlr eine humane digitale Arbeitswelt berlin

Wetzel Detlef (2015) Arbeit 40 Freiburg

Wotschack Philip (2012) bdquoKeine Zeit fuumlr die Auszeit Lebensarbeitszeit als Aspekt so-zialer Ungleichheitldquo In Soziale Welt Jg 63 H 1 S 25-44

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 3: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 3

liche Arbeitsplaumltze vernichtet werden Zugleich koumlnnen aber auch neue Berufsbilder entstehen und dies koumlnnte eine Entwicklung hin zu mehr Stammbeschaumlftigten bewirken Fuumlr dies spricht dass in kapitalintensiven produzierenden Bran-chen tendenziell langfristig investiert wird und es entsprechend sinnvoll ist qualifizierte Beschaumlf-tigte langfristig zu binden und in sie zu investie-ren Tarifvertraumlge und Mitbestimmung stuumltzen und stabilisieren diese Kooperationsformen Das entgegengesetzte Szenario mit schrumpfenden Kernen und ausufernden Randbelegschaften er-fordert neue Antworten da hier Mitbestimmung und Tarifvertraumlge bislang nicht umfassend invol-viert sind sondern verdraumlngt werden

Aus der Mitbestimmungsperspektive stellen sich daher viele Fragen Wie koumlnnen Traumlger der Mitbestimmung den Wandel strategisch und im Interesse der Beschaumlftigten mitgestalten Wie werden kollektive Akteure unterstuumltzt um unter den sich veraumlndernden Rahmenbedingungen handlungsfaumlhig zu bleiben Wer bleibt womoumlg-lich auf der Strecke innerhalb der Belegschaft Welche Weichen muumlssen innerhalb der Arbeits- und Sozialbeziehungen und vom Staat jetzt ge-stellt werden

Die meisten Arbeitnehmer- und Mitbestim-mungsrechte sind heute hauptsaumlchlich an die In-stitutionen bdquoArbeitsvertragldquo und bdquoBetriebldquo ge-bunden Welche Bedeutung haben in Zukunft der Betrieb und die Betriebszugehoumlrigkeit Wer sorgt fuumlr gute Rahmenbedingungen wenn kein Be-triebsrat und kein Tarifvertrag existiert Welche Bedeutung und Wertschaumltzung hat ein Tarifver-trag hat eine Betriebsvereinbarung Wie wird die Technik gestaltet

Wenn kein Technikdeterminismus betrieben wird muss Mitbestimmung schon sehr fruumlh in der Phase der Technikentwicklung und -gestal-tung eine zentrale Rolle spielen (vgl Hirsch-Kreinsen 2013 454ff) Anregungen dazu liefern die Ausfuumlhrungen zu IKT-Rahmenvereinbarun-gen Vereinbarungen zu neuen Produktionssyste-men und KVP in diesem Beitrag Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unternehmen Be-schaumlftigte und erwerbsfaumlhige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm werden wenn Beteiligung und Chancengleichheit befoumlrdert werden nicht jedoch wenn nur wenige Perso-nengruppen davon profitieren und Mitbestim-mung eine nachgelagerte soziale Angelegenheit ist Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Ver-antwortlichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterentwicklung und Staumlrkung entspre-chend stellen

Das skizzierte Paket technologischer und orga-nisatorischer Groszligveraumlnderungen wird die Ar-beitswelt in den kommenden Jahren treffen Da-her lauten die Leitfragen fuumlr diesen Report

Die Hans-Boumlckler-Stiftung dokumentiert seit Jahren das breite Spektrum betrieblicher Mitbestimmungs-praxis in abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen Einige Vereinbarungen und Handlungsfelder markie-ren heute schon moumlgliche Pfade in die mitbestimm-te Arbeitswelt 40 Einige Beispiele sind hier zusam-mengetragen Wir knuumlpfen mit diesem Report an die Gestaltungsanforderungen fuumlr die Arbeit der Zu-kunft an Reiner Hoffmann hat diese praumlgnant in 11 Thesen benannt In weiteren Ausfuumlhrungen sind ausfuumlhrliche Einschaumltzungen diskutiert (vgl Hoff-mann 2015 ua) Daruumlber hinaus wurden bereits fuumlr eine neue Ordnung der Arbeit politische Forderun-gen formuliert Dieser Report unterstreicht die Not-wendigkeit zum Handeln (vgl DGB 2013) und reiht sich ein in das Leitthema der Hans-Boumlckler-Stiftung im Jahr 2015 bdquoArbeit ist die Quelle von Wohlstandldquo

Einige Fragestellungen aus der Mitbestimmungsperspektive

bull Wie koumlnnen Traumlger der Mitbestimmung den Wandel strategisch und im Interesse der Be-schaumlftigten mitgestalten

bull Wie werden kollektive Akteure unterstuumltzt um unter den sich veraumlndernden Rahmenbedin-gungen handlungsfaumlhig zu bleiben

bull Wer bleibt womoumlglich auf der Strecke inner-halb der Belegschaft

bull Welche Weichen muumlssen innerhalb der Ar-beits- und Sozialbeziehungen und vom Staat jetzt gestellt werden

bull Die meisten Arbeitnehmer- und Mitbestim-mungsrechte sind heute hauptsaumlchlich an die Institutionen bdquoArbeitsvertragldquo und bdquoBetriebldquo ge-bunden Welche Bedeutung haben in Zukunft der Betrieb und die Betriebszugehoumlrigkeit

bull Wer sorgt fuumlr gute Rahmenbedingungen wenn kein Betriebsrat und kein Tarifvertrag existiert

bull Welche Bedeutung und Wertschaumltzung hat ein Tarifvertrag hat eine Betriebsvereinbarung

bull Wie kann Mitbestimmung schon bei der Ent-wicklung und Gestaltung von Technik beruumlck-sichtigt werden

Was bedeutet Arbeiten 40 bereits heute im betrieblichen AlltagIn welcher Verbindung steht der politische Diskurs mit der betrieblichen Praxis

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 4

2 BETRIEBLICHE PRAXIS

Arbeitszeitgestaltung Informations- und Kommuni-kationstechnologie Personalpolitik ndash zu diesen weit-reichenden Themengebieten werden die meisten betrieblichen Vereinbarungen in Deutschland abge-schlossen Das Archiv Betriebliche Vereinbarungen der Hans-Boumlckler-Stiftung umfasst insgesamt uumlber 16000 Dokumente zu 11 ThemenclusternDiese Sammlung ist nicht repraumlsentativ denn es gibt kein zentrales Register fuumlr abgeschlossene Be-triebs- und Dienstvereinbarungen Es existiert keine vollstaumlndige Uumlbersicht zu Umfang und Themen die in Betriebsvereinbarungen in Deutschland verhan-delt und reguliert werden Das Archiv Betriebliche Vereinbarungen beherbergt jedoch mit Abstand die groumlszligte Sammlung dieser Art Auswertungen geben Einblick in die verbindlich verhandelten Kompromis-se (wwwboecklerdebetriebsvereinbarungen)

Die aktuelle repraumlsentative WSI-Betriebsraumltebe-fragung gibt ua Auskunft uumlber die Themenpalette von Betriebsvereinbarungen Nach ersten Auswer-tungen haben knapp 68 der Unternehmen aus denen die befragten Betriebsraumlte stammen eine Betriebsvereinbarung zum Datenschutz sowie zu Arbeitszeitkonten abgeschlossen In den Feldern Einsatz von Technik und Arbeitszeit befinden sich gegenwaumlrtig die wichtigsten Verhandlungsthemen zur Gestaltung im Betrieb (Die Auswertung wird derzeit erarbeitet vgl BaumannMaschke iE)

21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung

Digitalisierung eroumlffnet zahlreiche betriebliche Ge-staltungsfelder fuumlr die Mitbestimmung Im Folgen-den wird der Versuch unternommen den Fokus auf aktuelle Aushandlungsprozesse im Betrieb zu legen mit Schwerpunkten bei sehr verschiedenen internet-basierten vernetzten Arbeits- und Produktionsab-laumlufen Da es sich bei der Digitalisierung um eine sehr weitreichende Entwicklung handelt bietet es sich an in technischer Hinsicht drei Ebenen zu un-terscheiden (Pfeiffer 2015)

a) webbasierte Kommunikation auf Plattformen zur Unterstuumltzung der Arbeitsprozesse ndash z B zur Ter-min- und Schichtplankoordinierungb) neue datentechnische Verknuumlpfungen von und mit Gegenstaumlnden die es bislang nicht gab ndash Inter-net der Dingec) neue Automatisierungsansaumltze ndash z B zweiarmi-ge Roboter mit neuer Sensorik 3-D-Drucker

Diese Entwicklungen ereignen sich jedoch nicht schlagartig sondern stellen sukzessive Veraumlnderun-gen dar In der betrieblichen Realitaumlt wirken sich die-se drei Ebenen auf verschiedene Weise aus je nach Anwendung und Branche Die Richtung ist jedoch stets aumlhnlich Man veraumlndert Arbeitsorganisationen in der Regel um zu rationalisieren Betriebsvereinba-rungen begrenzen die Moumlglichkeiten der technischen

Anwendungen zum Schutz der Beschaumlftigten Sie koumlnnen die sozialen Nachteile die mit der Entwick-lung einhergehen und sich auf Arbeitsbedingungen und -organisationen auswirken abmildern

Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten

Regelungen zur webbasierten Kommunikation fin-den sich in Betriebsvereinbarungen zu Themen wie Social-Media-Nutzung Umgang mit Internet- und E-Mail-Anwendungen sowie Nutzung von mobilen Endgeraumlten Die Vernetzung via Informations- und Kommunikationstechnologien bezieht sich auf diver-se Programme Cloud-Anwendungen1 Remote-Zu-griffe GPS-Ortung und Datenauswertungen sowie Sicherheitssysteme sind einige Regelungsthemen

Folgt man einer aktuellen Befragung von Ernst amp Young dann wird in Unternehmen Digitalisierung aktuell besonders dort zum Thema wo es um Kun-denbeziehungen geht (Ernst amp Young 2015 S 16) Die Nutzung mobiler Endgeraumlte ist bei den befrag-ten Unternehmen heute der bedeutendste Techno-logietrend (69 ) gefolgt von Social Media (60 ) und Analysetools (60 ) (ebd S 32) Cloud-Anwen-dungen werden nach dieser internationalen Befra-gung erst von 50 der Unternehmen als derzeit re-levant bewertet 3-D-Druck Robotertechnologien und smarte Materialien noch von gut einem Drittel der Unternehmen Befragt wurden 1025 Unterneh-men in 12 Nationen

Auf einzelne Branchen bezogen lassen sich diese Aussagen zum Beispiel fuumlr die Logistikbranche un-termauern Dort ist gerade die Kombination des Ein-satzes mobiler Endgeraumlte mit netzbasierter GPS-Steuerung und RFID-Technologie (und Barcodes) in-teressant Nach einer Studie von Pricewaterhouse

1 Gemeint sind SaaS (Software as a Service) Programme wie E-Mail E-Collaboration Sicherheitsanwendungen PaaS (Platform as a Service) Auslagerung von Geschaumlftsprozessen etwa zur Lohnbuchhaltung IaaS (Infrastructure as a Service) z B Speicherplatz und Entwicklungsplattformen etc

PersonalpolitikAus- und WeiterbildungArbeitszeitEntgelt Sozialleistungen SozialpolitikArbeits- und GesundheitsschutzUmweltschutzArbeits- und UnternehmensorganisationTechnologie und IKTBeschaumlftigungssicherung Data 1 2042 540 3946 1315 1452 641 82 1670 2472 1449 Data 2 16 11 -05 0 08 03 12

Data 3 12 08 -08 1 1 1 1

Data 4 0 -1 -12 -13 -08 -11 0

Data 5 -1 -15 -16 -18 -1 -12 -05

Umweltschutz

0 1000 2000 3000 4000

Personalpolitik Aus- und Weiterbildung

Arbeitszeit Entgelt

Sozialleistungen Sozialpolitik Arbeits- und Gesundheitsschutz

Umweltschutz Arbeits- und Unternehmensorganisation

Technologie und IKT Beschaumlftigungssicherung

Mitbestimmung

0 1000 2000 3000 4000

Personalpolitik Aus- und Weiterbildung

Arbeitszeit Entgelt

Sozialleistungen Sozialpolitik Arbeits- und Gesundheitsschutz

Umweltschutz Arbeits- und Unternehmensorganisation

Technologie und IKT Beschaumlftigungssicherung

Mitbestimmung

Titel Untertitel

Abbildung 1

Bestand der Vereinbarungen in Kategorien

Abbildung 1

Bestand der Vereinbarungen in Kategorien

Abbildung 1

Titel Untertitel

Abbildung 1 (158mm)

Fuszlignote Quelle Quellenangabe

Quelle Archiv Betriebliche Vereinbarungen Bestand (Mai 2015) 16389 Dokumente in 11 Kategorien

Quelle Archiv Betriebliche Vereinbarungen Bestand (Mai 2015) 16389 Dokumente in 11 Kategorien

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 5

Coopers (vgl PWC 2014) steigt die Nachfrage nach Cloud-Anwendungen kontinuierlich und Social-Me-dia-Anwendungen sind das Top-Instrument fuumlr den Kontakt und die Kommunikation mit Kunden Da die Vielfalt und Quellen der Daten stetig wachsen sind offenbar auch hier Datenanalysetools vielverspre-chend (Stichwort Big Data) Echtzeiterkennung von Fahrzeugstandorten fuumlr Kunden ist inzwischen Alltag Neue Geschaumlftsideen werden in neuen Datenerfas-sungsmoumlglichkeiten gesehen (Luftverschmutzung messende oder den Straszligenbelag pruumlfende Fahrzeu-ge etc) Lagerhaltung und Logistik sind ohne Digitali-sierung nicht mehr denkbar ndash in allen Industrien Mit-tels RFID-Technologie zur Identifizierung und Ortung von Waren und Menschen wird sich ein Konzept wie das Internet der Dinge vermutlich rasant weiterentwi-ckeln koumlnnen Informationsbasierten Dienstleistun-gen rund um die Nutzung von Produkten wird ein groszliger Markt vorausgesagt (vgl Bienzeisler 2014)

Fragt man danach was auf der betrieblichen Ebe-ne vorhanden ist so kommt man zu sehr verschieden weitreichenden Themen und Ansatzpunkten

In Betriebsvereinbarungen wird fuumlr den heutigen Stand umfangreich Informations- und Kommunikati-onstechnik (IKT) geregelt Das gilt fuumlr IKT-Rahmen-vereinbarungen Telekommunikation Datenschutz Einsatz von und Arbeit mit Technik im Buumlro (Mail Te-lefonie Video etc) Seltener stellt die Digitalisierung an sich ein Thema dar Es geht vor allem darum Leis-tungs- und Verhaltenskontrolle zu begrenzen Daten-schutz fuumlr Beschaumlftigte zu gewaumlhrleisten trotz wach-sender Datenberge sowie breiter und schneller wer-dender Datenstroumlme In verschiedenen Kontext- themen wie z B Arbeits- und Gesundheitsschutz Ar-beitszeit Qualifizierung und Mitbestimmung wird versucht soziale Nachteile zu mildern Im Folgenden werden beobachtete Regelungstrends zu einzelnen Gestaltungsfeldern im Uumlberblick zusammengefasst

IKT-Rahmenvereinbarung

Die Bedeutung der Informations- und Kommunikati-onstechnologie (IKT) wird weiter wachsen (vgl BDI 2015) Betriebs- und Personalraumlte werden tendenzi-ell haumlufiger als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig beteiligt Dies legt die Auswertung von 140 Verein-barungen nahe (vgl BoumlkerDemuth 2013) Die Ge-staltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherr-schung Denn letztlich ist eine vollstaumlndige Uumlberwa-chung der IKT unmoumlglich IKT-Rahmenvereinbarun-gen sind freiwillige Vereinbarungen Sie vereinfa-chen haumlufig Mitbestimmungsverfahren indem Grund- saumltze festgeschrieben werden zur Beteiligung zur Arbeit in paritaumltischen Ausschuumlssen zum Informati-onsfluss etc In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzli-chen Mitbestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der betrieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Projektentwicklungen mitwirken kann Ein Beispiel stammt aus dem Jahr 2010

Beispiel bdquoMit dem Betriebsrat werden auf Wunsch der [Fir-ma] oder des Betriebsrats vor Projektbeginn in einer Projektvereinbarung folgende Punkte festgelegt - Art und Umfang der Teilnahme des Betriebsrats an

den Projektsitzungen und dem Lenkungsausschuss - Meilensteine oder Projektabschnitte die einer Be-

ratung oder Zustimmung des Betriebsrats beduumlr-fen bevor das Projekt weitergefuumlhrt werden kann

- lesender online-Zugriff auf die vollstaumlndige Projekt-dokumentation und die Sitzungsprotokolleldquo

(Versicherungsgewerbe 0902014702010)2

Ein solcher Trend haumlngt sicherlich auch vom Know How der Akteure und vermutlich von der Branche ab Das folgende Beispiel ist in dieser Hinsicht fort-schrittlich weil die Regelung bereits aus dem Jahr 2000 stammt und verhaumlltnismaumlszligig offen ist

Beispiel bdquoGeschaumlftsleitung (GL) und Standort-Betriebsrat (BR) der [hellip]-Gruppe am Standort [hellip] sind sich darin einig dass ein zukunftsorientierter Einsatz der Informati-onstechnik dem Wohle des Unternehmens sowie sei-ner Mitarbeiter zu dienen hat Dieses Ziel kann nur er-reicht werden wenn GL BR und Mitarbeiter gleicher-maszligen die Anwendung neuer Technologien mit- tragen und mitgestalten Dazu ist es notwendig - dass der Betriebsrat und die betroffenen Mitarbeiter

sich konstruktiv und qualifiziert am Entscheidungs- und Gestaltungsprozess beteiligen koumlnnen [hellip]

- dass die mit der Projektabwicklung befassten IT-Stellen durch diese Regelungen nicht behindert werden bzw dass auf die Belange der hier Be-schaumlftigten Ruumlcksicht genommen wirdldquo

(NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobilelek-tronik 0902013602000)

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrol-le Daher werden hier einige Beispiele ausfuumlhrlicher dokumentiert Ein absolutes Verbot der Leistungs- und Verhaltenskontrolle wie das folgende wird nicht immer ausgesprochen

Beispiel bdquoEin IT-System darf grundsaumltzlich nicht zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle genutzt werden Abwei-chungen sind mit dem Betriebsrat zu vereinbarenldquo (Wasserversorger 0902014112006)

Eher schlieszligt sich an das Verbot die definierte Aus-nahme an Die folgende Regelung erweitert den Ausschluss der Kontrolle einzelner Beschaumlftigter und von Mitarbeitergruppen und benennt die Akteu-re an denen es nicht vorbei gehen darf Betriebsrat und Datenschutzbeauftragte

2 Die Kennung am Ende des Zitats bezeichnet die Quelle und den Standort der Vereinbarung im Archiv (Branche Themalfd NrJahr)

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 6

Beispiel bdquoEs ist ausdruumlcklich ausgeschlossen dass die erho-benen und verarbeiteten personenbezogenen oder beziehbaren Daten zum Zwecke der Verhaltens- undoder Leistungskontrolle bezogen auf einen MitarbeiterIn oder eine Gruppe MitarbeiterInnen eingesetzt werden es sei denn der BR und der Da-tenschutzbeauftragte stimmen dem im Einzelfall ge-sondert zuldquo (Kreditgewerbe 0902014382006)

Einzelkontrollen werden an gesetzliche oder tarifli-che Bestimmungen gebunden die eine Kontrolle zu-lassen wuumlrden

BeispielbdquoEine Kontrolle der Leistung oder des Verhaltens ein-zelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen un-ter Nutzung elektronisch gespeicherter personenbe-zogener Daten wird [hellip] nicht einseitig durchgefuumlhrt soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht bestehtldquo (Baugewerbe 0902014752010)

Im Zusammenhang mit Outsourcing von IT-Systemen und deren Organisation werden Regelungen notwen-dig die auch Dienstleistern Maszlignahmen untersagen die der Leistungs- und Verhaltenskontrolle dienen koumlnnten Entsprechende vertragliche Regelungen ge-maumlszlig sect 11 BDSG gehen nach Ansicht der betrieblichen Vertragspartner nicht weit genug Sie halten daher eine Regelung wie die folgende fuumlr notwendig

Beispiel bdquoDer Arbeitgeber unterlaumlsst es ohne ausdruumlckliche Zustimmung des Betriebsrates Auswertungen von personenbezogenen Daten die durch diese BV aus-geschlossen sind durch Dritte vornehmen zu lassen bzw zu verwendenldquo (Verlags- und Druckgewerbe 0902012692005)

Nachstehend werden die zulaumlssigen Zwecke von Aus-wertungen in allgemeiner Form aufgelistet Jegliche daruumlber hinausgehende Nutzung ist dann verboten

BeispielbdquoSoweit im Einsatz befindliche luK-Systeme Aktivitauml-ten der Benutzer aufzeichnen duumlrfen diese nur - zur Gewaumlhrleistung der Systemsicherheit - zur Gewaumlhrleistung von Datenschutz und Daten-

sicherheit - zur Uumlberpruumlfung der Einhaltung von Betriebsver-

einbarungen und gesetzlichen Vorschriften - zur Analyse und Korrektur technischer Fehler in

den Systemen zur Steuerung und Optimierung der Systeme

- zur Abrechnung verbrauchter Systemleistungen - zur Wahrung gesetzlicher Aufbewahrungsvor-schriften

- zur Wahrung von Pruumlfungsauflagen durch Finanz-behoumlrden und Wirtschaftspruumlfer

benutzt werdenldquo (Ernaumlhrungsgewerbe 0902014942008)

Die Regelungen begrenzen die Verwendung auf ei-nen oder mehrere Zwecke die Aufzeichnung wird jedoch nicht generell angezweifelt In weiteren Ein-zelvereinbarungen werden Ergaumlnzungen zu einzel-nen Systemen abgeschlossen Im Idealfall entsteht auf diese Weise eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen

Insgesamt lassen die vorliegenden IKT-Rahmen-vereinbarungen neueren Datums den Schluss zu dass Betriebsraumlte ihre Rechte kompetent nutzen Es leuchtet ein dass wachsende Ressourcen- und Zeit-probleme im Betriebsrat entstehen da die digitale Durchdringung von Prozessen und die Innovations-geschwindigkeit bei IKT enorm ist Updates von Programmen und umfangreiche Aumlnderungen folgen in kurzer Taktung Besonders die vertrauensvolle Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt daher einen groszligen Stellenwert Lenkungs-ausschuumlsse paritaumltische Kommissionen und Trans-parenz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlgli-chen Das wird besonders dann relevant wenn z B noch mehr Daten ausgelagert werden und die Ge-fahr besteht dass Cloud-Anwendungen die Mitbe-stimmungsmoumlglichkeiten ins Leere laufen lassen weil Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden

Nutzung von E-Mail und Internet

Der betriebliche Umgang mit dem Internet ist selbstverstaumlndlich Die E-Mail hat eine ungebrochen wichtige Bedeutung in der Kommunikation mit Kun-dinnen und Kunden die Recherche im Internet ist fuumlr viele Beschaumlftigte Alltag Entsprechend weniger Raum nehmen heute Regelungen ein die bestim-men ob Beschaumlftigte die Internetdienste uumlberhaupt nutzen duumlrfen der Zugang zum Netz ist selbstver-staumlndlich Die in fruumlheren Auswertungen festgestell-ten Unklarheiten diesbezuumlglich kommen so in neue-ren Vereinbarungen kaum noch vor (vgl BoumlkerDe-

Kurz und knapp

- Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlufiger als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig beteiligt Dies legt die Auswer-tung von 140 Vereinbarungen nahe Die Gestaltung des Technik-einsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kont-rolle und Beherrschung

- In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmer-vertretung uumlber die gesetzlichen Mitbestimmungsprozesse hin-aus als Gestalter der betrieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Projektentwicklungen mitwirken kann

- Zentrale Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswer-tung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 7

muth 2014) Haumlufig finden sich Regelungen die eine private Nutzung in der Freizeit und in den Pausen er-lauben nachdem die Beschaumlftigten eine Erklaumlrung unterzeichnet haben mit der datenschutzrechtliche Beschraumlnkungen zur Protokollierung und Auswer-tung fuumlr den Arbeitgeber aufgehoben werden Leis-tungs- und Verhaltenskontrolle wird regelmaumlszligig auf dem Papier ausgeschlossen Im Umgang mit Proto-kolldateien sind Spielraumlume vorhanden um diese auszuwerten Die missbraumluchliche Nutzung von In-ternetdiensten soll bewiesen werden

Relevant wird dies insbesondere wenn E-Mail- und Internetdienste durch die Arbeitnehmervertre-tungen genutzt werden und ein besonderer Schutz der Daten notwendig wird Die folgende Regelung ist dafuumlr beispielhaft Sie bezieht zusaumltzlich alle an-deren Personen und Gruppierungen ein die per Ge-setz einem besonderen Schutz unterliegen

Beispiel bdquoWerksaumlrzte Psychologen Suchtberater Suchtkran-kenhelfer Sozialberater Betriebsraumlte und Jugend- und Auszubildendenvertreter und andere Interessen-vertreter der Belegschaft Schwerbehindertenvertre-ter Pressemitarbeiter und Rechtsanwaumllte sowie die im betrieblichen Datenschutz taumltigen Personen und die [betrieblichen Datenschutzbeauftragten] genie-szligen einen Sonderschutz Eine Liste der geschuumltzten Personen wird durch die lokale Personalabteilung dem zustaumlndigen Administrator zur Einrichtung und dem lokalen Betriebsrat zur Uumlberpruumlfung der Einhal-tung dieser Betriebsvereinbarung zur Verfuumlgung ge-stellt E-Mails die an diesen Personenkreis gerichtet sind unterliegen dem maximalen Schutzldquo (Bran-chenuumlbergreifend 0903001882010)

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeits-verdichtungen werden in den meisten Vereinbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet Selten werden etwa ausfuumlhrliche Regelungen zum Umgang mit Abwe-senheitszeiten und Vertretungsregelungen formuliert

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Diese Geraumlte werden in den Vereinbarungen bisher kaum mit ihren umfassenden Einsatzmoumlglichkeiten wahrgenommen bezogen auf die Kommunikation (Te-lefon Kurznachrichten und elektronische Post) und

Kurz und knapp

- Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Vereinbarungen zur E-Mail-Nut-zung nicht betrachtet

das Informationsmanagement (Adressbuch Kalender Aufgabenlisten Projektsoftware) Mobile Device Ma-nagement (MDM) ermoumlglicht es alle mobilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfigurationen zentral zu ver-walten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und An-wendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbe-stimmung Nur wenige Vereinbarungen erfassen das Thema bislang umfassend (vgl Thannheiser 2015) Durch MDM werden mobile Geraumlte transparent ortbar und auswertbar ndash was der Verhaltens- und Leistungs-kontrolle Wege eroumlffnet Alle mobilen Zugriffe auf Do-kumente werden vom MDM-System luumlckenlos aufge-zeichnet Schnittstellen ermoumlglichen die Weitergabe an beliebige andere Systeme Daruumlber hinaus ist der sogenannte Echtzeit-Remote-Zugriff moumlglich (Remote Control) Je nach Freigabe ist es moumlglich sich auf Mo-biltelefone aufzuschalten und diese fernzubedienen

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspannun-gen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtliche Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leistungs-kontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte einge-setzte Software bleiben ebenso haumlufig unbeantwor-tet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Ta-blets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen

Unter dem Begriff Social Media werden alle techni-schen Moumlglichkeiten zusammengefasst die es er-lauben z B auf Plattformen miteinander in Kontakt zu treten um sich zu vernetzen mediale Inhalte ge-meinsam zu erarbeiten zu teilen oder zu kooperie-ren Unternehmen nutzen Social-Media-Angebote heute fuumlr interne wie externe Bereiche Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessenvertretun-gen und Arbeitgeber nicht selten vor vollendeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt Be-schaumlftigte schaffen Fakten und veraumlndern Unterneh-

Kurz und knapp

- Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mobilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfigurationen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Sys-temen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Vereinbarun-gen erfassen das Thema bislang umfassend

- Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Ver-spannungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtliche Fra-gen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leistungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbeantwortet Die Nutzung von Apps auf Smart-phones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 8

men indem sie den im Privatleben alltaumlglichen Ge-brauch in das Berufsleben hineintragen

Die Auswertung von Regelungen zur Social-Me-dia-Verwendung in Betrieben zeigt Nur selten wur-den Betriebs- und Dienstvereinbarungen abge-schlossen dafuumlr mehr Richtlinien bzw Social-Me-dia-Guidelines (vgl GreveWedde 2014)

BeispielbdquoDie Nutzung sozialer Netzwerke wie Twitter Face-book Xing oder Wikipedia gewinnt eine immer groumlszlige-re Bedeutung [hellip] Die [Firma] kann sich hier darstel-len ihre Produkte verbreiten und fuumlr sie werben Es liegt im Interesse der [Firma] das Engagement der Mitarbeiter im Bereich der sozialen Medien zu foumlrdern [hellip] Um den Beschaumlftigten Sicherheit im Umgang mit den sozialen Netzwerken zu geben und daruumlber hinaus die Interessen beider Seiten gleichermaszligen zu wah-ren haben die Betriebsparteien einen Kodex erstellt als Regelwerk fuumlr das digitale Miteinander im Internetldquo (Verlags- und Druckgewerbe 0903002262011)

Manche Unternehmen beziehen ihre Richtlinien aus-druumlcklich auf die dienstliche Nutzung Demgegen-uumlber entwickeln andere ihre Richtlinien offenbar ge-rade dafuumlr Beschaumlftigten Regeln fuumlr die private Nut-zung von Social Media an die Hand zu geben

BeispielbdquoDer Leitfaden ist nicht als Anleitung fuumlr Mitarbeiter ge-dacht die fuumlr die offiziellen Kommunikationskanaumlle [der Firma] zustaumlndig sind Es geht hier vielmehr um Ihre persoumlnlichen Aktivitaumlten in den Social Media sowohl waumlhrend der Arbeitszeit als auch zuhause Generell ist es Ihre Sache was Sie auszligerhalb der Arbeitszeit tunldquo (Telekommunikationsdienstleister 0903002872010)

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungspflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals relativ schnell erstellt wur-den um der rasanten Nutzung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spiel-regeln zusammenzufassen Dies ist dann eine Basis auf der die eigentlich mitbestimmungspflichtigen Fragen kuumlnftig umfassend geregelt werden koumlnnen und sollten

Kurz und knapp

- Bei Social-Media-Anwendungen stehen Inter-essenvertretungen und Arbeitgeber nicht sel-ten vor vollendeten Tatsachen denn die Nut-zung findet bereits statt

- Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oft-mals relativ schnell erstellt wurden um der ra-santen Nutzung sozialer Medien eine rechtli-che Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammenzufassen

GPS-Zugriff auf Daten u a

Der Zugriff auf Daten z B mittels GPS Funknetz oder RFID birgt ein enormes Rationalisierungs- und Ein-sparpotenzial Bewegungsdaten von Menschen und Waren mittels GPS-Ortung auszuwerten kann fuumlr den Kundenservice die Optimierung von Einsaumltzen Be-standskontrollen Abstimmungsprozesse (mit dem Smartphone) genutzt werden Im Hinblick auf verbesserte Kundenfreundlichkeit kann die Weiterga-be von Standortdaten eine groszlige Rolle spielen Fuumlr Beschaumlftigte sind gegebenenfalls Regelungen zum Datenschutz notwendig Datensparsamkeit Zweck-bindung und Persoumlnlichkeitsschutz sollen vor unzulaumls-sigen Kontrollen schuumltzen In Vereinbarungen werden daher vor allem Datenauswertungen eingeschraumlnkt (vgl Kiper 2011) Vereinzelt duumlrfen personenbezogene Daten nur im Ausnahmefall und mit Zustimmung der Interessenvertretung ausgewertet werden oder die Auswertung wird an die Zustimmung der Interessen-vertretung gebunden Regelungsgegenstand ist oft-mals aber nicht ob sondern wie Daten ausgewertet werden Wie ernsthaft und streng diese Regelungen in der Praxis umgesetzt werden ist unklar

Datenschutz und Kontrolle

In juumlngerer Zeit werden Regelungsstrategien er-probt wonach der Betriebsrat zwar grundsaumltzlich je-der Software-Einfuumlhrung zustimmt aber nur unter der Bedingung dass Leistungs- und Verhaltenskont-rolle ausgeschlossen ist Dies wird mit einem Son-derkuumlndigungsrecht untermauert Falls gegen diese Vereinbarung verstoszligen wird folgt der sofortige Stopp der weiteren Software-Einfuumlhrung So kann sich ein schnelles Verfahren ergeben das gegebe-nenfalls ein teures Verfahren fuumlr das Unternehmen im Fall der Kuumlndigung nach sich zieht Zu kontrollie-ren ob eine Vereinbarung eingehalten wird kann je-doch relativ schwierig werden Gerade bei internati-onalen Konzernen kann zusaumltzlich eine Herausforde-rung darstellen wenn verschiedene Datenschutz- niveaus und -verstaumlndnisse vorherrschen

Bei der Deutschen Bahn brachte ein groszliger Da-tenskandal im Jahr 2009 Bewegung in den Daten-schutz Eine heute vorbildliches Daten- und Daten-schutzmanagement regelt die Datenstroumlme sehr streng Die Konzernbetriebsvereinbarung Beschaumlf-tigtendatenschutz steht im Konzern uumlber allen ande-ren internen Regelungen Das System wurde ins Le-ben gerufen um Beschaumlftigte zu schuumltzen aber auch um Kontrollen mit entsprechender Verhaumlltnis-maumlszligigkeit zu ermoumlglichen (vgl Kiesche 2015) ndash al-lerdings erst nachdem sich ein umfassender Skan-dal ereignet hatte

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem star-ken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Anti-terror-Verordnungen Vorgesehen ist der Abgleich von Beschaumlftigtendaten mit Namenslisten von so-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 9

genannten Terrorverdaumlchtigen Ob dies erlaubt ist und wenn ja welche Mitbestimmungspflicht ausge-loumlst wird ist unter Juristen umstritten Einige Kon-zerne haben inzwischen Betriebsvereinbarungen abgeschlossen um zumindest das Verfahren mitzu-gestalten (vgl Thannheiser 2015)

BeispielbdquoFuumlr die Erhebung Verarbeitung und Nutzung von Beschaumlftigtendaten zum Abgleich gegen Sanktions-listen sind das Bundesdatenschutzgesetz sowie die Konzernrichtlinien zum Datenschutz maszliggeblich Beim Abgleich der Beschaumlftigten- und Bewerberda-ten ist der Grundsatz der Datensparsamkeit zu be-achten und auf das zwingend erforderliche Mindest-maszlig zu beschraumlnkenldquo (0906002192014)

Auch hier zeigt sich die hohe Relevanz einer vertrau-ensvollen betrieblichen Zusammenarbeit der han-delnden Akteure

Kurz und knapp

- Viele Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen so-wie der Vermeidung von Leistungs- und Ver-haltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander ab-gestimmten flexiblen Regelungen die ver-bindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Ver-handlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

- Datensicherheit und Beschaumlftigtendaten-schutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Un-ternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat entstehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rahmengebende Tarifvertraumlge und ge-setzliche Regelungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur technisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsendes Thema

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krank-heitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausgewer-tet werden koumlnnen

- Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kon-trolle und die Verhinderung von Missbrauch und Straftaten durch zu wenig Kontrolle ste-hen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarun-gen zu sogenannten EU-Antiterror-Verord-nungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Neue Automatisierungsansaumltze Kommunikation zwischen Mensch und Maschine sowie neue Ge-nerationen von Robotern sind im Konzept Industrie 40 der Kern Eine prognostizierte Entwicklung fuumlr das Unternehmen 40 kann darin bestehen dass bdquopolarisierte Organisationenldquo entstehen werden mit hochspezialisierten Experten und abgewerte-ten Fachkraumlften (Hirsch-Kreinsen 2014) Anderer-seits koumlnnen bdquoSchwarm-Organisationenldquo entste-hen mit hochqualifizierten und gleichberechtigten Beschaumlftigten die selbst ihre Arbeit definieren und hochflexibel agieren (ebd) Welche Arbeitsorgani-sation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Pers-pektive sie Produktion und Arbeit sehen (vgl BDI 2015) Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Neue Produktionssysteme (Lean Production) etwa bringen diverse Aspekte zusammen Effizi-enz des Workflows verbessern Kostensenkung Qualitaumltsverbesserung Leistungsbemessung und Kennzahlensysteme Teamarbeit Betriebsdatener-fassung Motivationsverbesserung Verschwen-dung vermeiden etc Neben Effizienz geht es auch um die Transparenz und Kontrolle von Arbeitsleis-tung Scheinbar schleichend werden heute Ar-beitsorganisationen und Produktionsprozesse op-timiert Dies gilt fuumlr produzierende wie fuumlr indirek-te Bereiche in Verwaltungen (z B Lean im Buumlro) Taumltigkeiten werden staumlrker standardisiert und ge-taktet quasi in einer Flieszligfertigung miteinander verknuumlpft mit dem Ziel die Fehlerquote auf Null zu senken In den Produktionen und Buumlros scheinen sich diese Veraumlnderungen ambivalent auf die Ar-beitsbedingungen der Beschaumlftigten auszuwirken Durch verbesserte Organisationsweisen von Ar-beitsgaumlngen entstehen einerseits Arbeitsentlas-tungen diesen stehen jedoch z B wachsender Leistungsdruck durch hohe Transparenz Monoto-nie durch Standardisierung und Taktverkuumlrzungen gegenuumlber

Einen Blick in die Zukunft kann man heute schon in ersten Ansaumltzen werfen (vgl Beispiele in Ittermann ua 2015) Bei Audi in Ingolstadt arbei-tet ein Roboter inzwischen mit Menschen zusam-men an der Montagelinie Dies wird als bdquoerste Mensch-Maschine-Kooperation im VW-Konzernldquo betrachtet (IG Metall 2015a) Dabei gelten folgen-de Grundsaumltze Man arbeitet Hand in Hand aber der Roboter uumlbernimmt schwere Arbeit Routinen werden automatisiert und der Mensch steuert die Maschine Die Zukunft wird in einer noch flexible-ren Fertigung gesehen Maschinen tauschen un-tereinander Daten direkt aus Teile bewegen sich

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 10

selbststaumlndig und autonom durch die Produktion Ob der Mensch dann noch die Taktzeiten vorge-ben wird ist nicht klar aber auch nicht unmoumlglich Schluumlssel fuumlr vieles ist die Aus- und Weiterbil-dung Bei Audi entstehen neue Berufe und Qualifi-kationsprofile um diese flexible Fertigung zu be-herrschen

Eine der modernsten Fabriken das Elektronik-werk von Siemens in Amberg wurde inzwischen beschrieben (vgl Kraft 2015) Die digitalisierte Produktion arbeitet bdquoon demandldquo mit einer Quali-taumlt von 999988 50 Millionen Datensaumltze pro Tag halten nahezu alles fest was wann und wo passiert Bei Fehlern wird die Ursache gefunden nichts kann vertuscht werden Die Technik redu-ziert Fehler und macht die Arbeit abwechslungs-reicher Der Betriebsrat bleibt fortlaufend infor-miert Eine Betriebsvereinbarung verhindert dass bei Rationalisierungen betriebsbedingte Kuumlndi-gungen erfolgen koumlnnen Auch hier ist Weiterbil-dung der Schluumlssel zum Erhalt von Arbeitsplaumltzen in einer sich fortlaufend wandelnden Produktion (vgl IG Metall 2015b)

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt (vgl Pfaumlfflin et al 2011) Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubau-en So kann ein paritaumltisch besetzter Lenkungs-ausschuss dafuumlr sorgen dass Betriebsraumlte durch Mitbestimmung eingreifen koumlnnen wenn die Ver-aumlnderungsprozesse zu negativen Auswirkungen fuumlhren

Beispielbdquo[Die Firma] und der BR richten einen paritaumltisch besetzten Lenkungsausschuss ein Dieser Len-kungsausschuss ist berechtigt in die Veraumlnde-rungsprozesse einzugreifen und Maszlignahmen zwingend einzuleiten sofern eine nachteilige Aus-wirkung auf die Arbeitsbelastung abzusehen istldquo (Datenverarbeitung und Softwareentwicklung 06080012011)

Die Vereinbarung regelt dass die Veraumlnderungen evaluiert werden und im Hinblick auf Arbeitsbelas-tungen konkrete Loumlsungsschritte unternommen wer-den muumlssen etwa zum individuellen Stressabbau so-wie bezogen auf Prozess- und Organisationsbedin-gungen

Regelmaumlszligige Gespraumlche erhoumlhen die Transpa-renz liefern Informationen und verbessern gegebe-nenfalls die Zusammenarbeit In vielen Unterneh-men werden existierende Betriebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhal-tenskontrolle weiterentwickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)

sind keine neuen Managementmethoden um Ar-beits- und Leistungsprozesse zu optimieren Haumlu-fig werden neue Standards im sogenannten konti-nuierlichen Verbesserungsprozessen mit beteili-gungsorientierten Elementen entwickelt Hier stehen Kundenerwartungen und die betrieblichen Ziele im Vordergrund Diese beziehen sich haumlufig auf Kostensenkungen Produktivitaumltssteigerungen und die Entwicklung neuer Produkte Hinzu kom-men auch Ziele wie gute Arbeitsbedingungen Umweltschutz und sozialer Zusammenhalt

QM und KVP bilden auch fuumlr ganzheitliche Pro-duktionssysteme wichtige Rahmenbedingungen Sie werden meist mit Betriebs- oder Dienstverein-barungen geregelt (vgl Bechmann 2010) Festge-legt werden die konkreten Formen der Beteili-gung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutzbe-stimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes Die rechtliche Grundlage fuumlr die Regelungen bilden vor allem Mitbestimmungsrechte bezogen auf die Ordnung des Betriebs die technisch gestuumltzte Kontrolle von Leistung und Verhalten der Be-schaumlftigten auf den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz die Gestaltung des betriebli-chen Vorschlagswesens und betriebliche Qualifi-zierungsmaszlignahmen

Kurz und knapp

- Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht voll-staumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit sehen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlf-tigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

- Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichti-ges Handlungsfeld Bei der Einfuumlhrung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

- In vielen Unternehmen werden existierende Betriebsvereinba-rungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Daten-schutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterentwi-ckelt werden muumlssen

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QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwick-lung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Be-schaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlf-tigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachge-ordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wich-tige Ziele fuumlr die Zukunft

Festgelegt wird wie Beschaumlftigte und ihre In-teressenvertretung uumlber alle Ablaumlufe und Unterla-gen im Zusammenhang mit QM und KVP infor-miert werden und Einfluss auf deren wesentliche Elemente nehmen koumlnnen Einfluss nehmen be-zieht sich insbesondere auf Definitionen von Ar-beitsvorgaben und Zielwerten wie z B

ndash Inhalten des QM-Handbuchs ndash der Planung und Durchfuumlhrung von Audits ndash der Erfassung und Verwendung von Beschaumlf-

tigtendaten uumlber Leistung und Verhalten (in-klusive Ruumlckmeldungen und Beschwerden von Kunden)

ndash der Themenauswahl fuumlr Qualitaumltszirkel oder KVP-Teams und ihrer personellen Zusam-mensetzung

ndash der Foumlrderung der Arbeit der Qualitaumltszirkel KVP-Teams

ndash der Bewertung und Nutzung der Ergebnisse der QualitaumltszirkelKVP-Teams

Bemerkenswert haumlufig wird in den vorliegenden Vereinbarungen betont dass der gesamte Pro-zess die Kreativitaumlt und Motivation der Beschaumlf-tigten foumlrdern soll ndash und nur dies auch zum Erfolg fuumlhren kann QM und KVP bilden insofern einen wesentlichen Faktor fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit der Unternehmen was auch in einer groumlszligeren Zahl juumlngerer Regelungen zum Ideenmanagement als moderner Variante des betrieblichen Vorschlags-wesens erkennbar wird

Fuumlr die Betriebs- und Personalraumlte oumlffnet sich ein Einflussfeld das neben dem Schutz vor nega-tiven Konsequenzen auch die Chancen fuumlr per-soumlnliche Weiterentwicklung und Praumlmierung gu-ter Ideen der Beschaumlftigten zum Inhalt hat Dabei wird auch die groszlige Bedeutung von Gruppenpro-zessen deutlich die sich teilweise in Gruppen-praumlmien niederschlaumlgt Dennoch enthalten ein-zelne Vereinbarungen auch relativ strenge Vor-schriften zu Qualitaumlt und Leistung der Be- schaumlftigten und deren Uumlberwachung Sie schlie-szligen individuelle Sanktionen nicht aus stellen aber eine kleine Minderheit dar die sich auf ein-zelne Dienstleistungsbranchen (z B Call-Center) beschraumlnkt Die groszlige Mehrheit der Vereinba-rungen stellt jedoch eher den Aspekt der Foumlrde-rung und Nutzung der Kreativitaumlt der Beschaumlftig-ten ins Zentrum

Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation gestalten

Das technisch Moumlgliche zum Schutz von Beschaumlf-tigten zu begrenzen und Regelungen zum Einsatz zur Nutzung und zur Kontrolle zu formulieren ist die eine Seite die Auswirkung technologischer Entwicklungen auf die Arbeitsbedingungen steht auf der anderen Seite Auswirkungen ergeben sich z B aktuell auf die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsorten Organisationsprozesse und Leis-tungsbedingungen werden neu strukturiert durch sich selbst regulierende Teams durch Selbststeue-rung und mittels Zielvereinbarungen Arbeitszeit und Freizeit sowie Arbeitsort und privater Wohn-sitz gehen ineinander uumlber und sollen doch vonein-ander abgrenzbar bleiben

Staumlndige Erreichbarkeit

Weil heute bereits Arbeitsort und Arbeitszeit flexi-bel sind ndash vor allem aufgrund mobiler Endgeraumlte ndash heiszligt ein aktuell diskutiertes Problem staumlndige Er-reichbarkeit Unbezahlte Mehrarbeit durch Arbeit am Wochenende im Urlaub am Feierabend sind weit verbreitet Nach einer aktuellen Umfrage le-sen 42 der Deutschen in der Freizeit dienstliche Mails oder Nachrichten (FAZ 2015)

Die Nutzung digitaler mobiler Arbeitsmittel hat die Kommunikation erleichtert aber Zeitprobleme

Kurz und knapp

- Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebliches Vorschlags-wesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorien-tierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Bemerkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlrdern soll kreativ und moti-viert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unternehmen

- Festgelegt werden die konkreten Formen der Beteiligung der Be-schaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestal-tung sowie Schutzbestimmungen zur Vermeidung negativer Aus-wirkungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktio-nen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

- QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetz-te Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an al-len nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

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verschaumlrft Das Ergebnis scheint nicht nur eine In-tensivierung der Arbeit sondern auch deren zeitli-che Ausdehnung zu sein Aus Arbeitnehmersicht sollte Mehrarbeit vermieden werden bzw diese zumindest nicht unbezahlt und unausgeglichen bleiben Es geht auch darum Menschen zu befaumlhi-gen im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten selbst Gren-zen zu ziehen souveraumln mit der Arbeitszeit umge-hen zu koumlnnen und Anforderungen an Flexibilitaumlt selbstbestimmter zu gestalten Mit sehr verschie-den weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men

Regelungen werden getroffen so dass Vorge-setzte nicht auszligerhalb definierter Zeiten auf Be-schaumlftigte zugreifen Die Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit laumlsst sich im Prinzip relativ einfach bewerkstelligen

BeispielbdquoWaumlhrend der Pausen und nach Dienstende ist das Handy der Firma [hellip] auszuschaltenldquo (Sonstige Verkehrsdienstleister 0902021062003)

BeispielAllerdings ist diese Regelung 12 Jahre alt Inzwi-schen sind Verbreitung mobiler Endgeraumlte und tech-nische Moumlglichkeiten um ein vielfaches gewachsen so dass diese Regelung zwar noch guumlltig ist jedoch vermutlich haumlufig unterlaufen wird Diese Regelun-gen uumlberlaumlsst es den Beschaumlftigten auszligerhalb der Arbeitszeit und des Betriebsgelaumlndes die dienstli-chen mobilen Kommunikationsgeraumlte zu nutzen oder auch nicht

BeispielbdquoEs besteht ausdruumlcklich keine Verpflichtung au-szligerhalb der Rahmenarbeitszeit fuumlr die [Firma] mittels dieser Kommunikation erreichbar zu sein (Grund-stuumlcks- und Wohnungswesen 0903002052009)

Ein naheliegender Gedanke ist eine technische Louml-sung zu regeln die nicht so schnell unterlaufen wer-den kann wie z B begrenzte Zugriffszeiten auf das Firmennetz

BeispielbdquoWaumlhrend des Zeitfensters von 1815 Uhr bis 0700 Uhr und an Wochenenden steht die Telefonfunktion zur Verfuumlgung alle anderen Anwendungen nicht [hellip] Uumlber besondere Einzelfaumllle die durch diese Ver-fahrensregelung nicht ausreichend abgedeckt sind werden Unternehmen und Betriebsrat einvernehm-lich entscheidenldquo (0902021742011)

Die folgende Vereinbarung ist noch zwei Jahre juumln-ger und geht wieder einen anderen Weg Sie regelt Reaktionszeiten und das Recht auf Abwesenheits-freiraumlume

BeispielbdquoDer Mitarbeiter stimmt mit seinem Vorgesetzten unter Beruumlcksichtigung und Abwaumlgung betrieblicher und privater Erfordernisse seine Erreichbarkeit ab Diese orientiert sich an der im jeweiligen Team uumlbli-chen Lage der Arbeitszeit kann aber auf Wunsch des Mitarbeiters davon abweichen Auszligerhalb der ab-gestimmten Zeiten der Erreichbarkeit hat der Mitar-beiter im Sinne der Ruhe und Erholung das Recht nicht erreichbar zu sein Dazu zaumlhlen in der Regel ndash so-weit nicht Bestandteile des jeweiligen Arbeits-zeitmo-dells ndash die Abend- und Morgenstunden sowie Samsta-ge Sonn- und Feiertage Der Mitarbeiter muss auszliger-dem die Moumlglichkeit haben die ihm uumlbertragenen Aufgaben in einer angemessenen Zeit innerhalb der uumlblichen Arbeitszeiten oder innerhalb der mit seinem Vorgesetzen abgestimmten [Zeiten] erledigen zu koumln-nen (Reaktionszeit)ldquo (0801022192013)

Bei Dienstreisen gemeinsamen Projekten uumlber Zeit-zonen hinweg und bei der Arbeit beim Kunden be-stimmen zusaumltzlich auch aumluszligere Faktoren die Arbeit Wichtig ist daher auch Reisezeiten angemessen zu bewerten und Arbeitszeit korrekt zu erfassen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Vo-raussetzung dafuumlr dass ein Zeitausgleich uumlberhaupt moumlglich wird (vgl Hinrichs 2014)

Mobile Telearbeit

Staumlndige Erreichbarkeit ist ein wesentliches Anlie-gen heutiger Vereinbarungen rund um mobile Ar-

Kurz und knapp

- Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leistungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebs-vereinbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbestimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlgli-chen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

- Mit sehr verschieden weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Ar-beitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

- Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelun-gen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinba-rungen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Com-pliance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 13

beit und die Nutzung mobiler Endgeraumlte Eines der ersten Unternehmen das mit einer Betriebsverein-barung zur Regelung der staumlndigen Erreichbarkeit im Jahr 2011 die oumlffentliche Debatte anregte war die Volkswagen AG (vgl Spiegel 2014) Man verein-barte zunaumlchst dass Serverfunktionen auszligerhalb der vertraglichen Arbeitszeit fuumlr tariflich Beschaumlftig-te abgeschaltet werden Ein weiteres ebenfalls oumlf-fentlich diskutiertes Beispiel in diesem Kontext bie-tet die Daimler AG Das Unternehmen ermoumlglicht uumlber einen elektronischen Abwesenheits- assistenten namens bdquoMail on Holidayldquo alle E-Mails die waumlhrend des Urlaubs eingehen automatisch louml-schen zu lassen Die Botschaft Man muss nicht waumlhrend seines Urlaubs arbeiten Seit Sommer 2013 existiert im Bundesarbeitsministerium eine Verein-barung wonach Fuumlhrungskraumlfte nur noch in begruumln-deten Ausnahmefaumlllen Beschaumlftigte in ihrer Freizeit per E-Mail oder telefonisch kontaktieren duumlrfen Der Betriebsrat der BMW AG wurde 2014 mit dem Deut-schen Betriebsraumlte-Preis in Gold ausgezeichnet fuumlr eine Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der mobi-len Arbeit Vorteile flexibler Arbeitszeiten und -orte werden genutzt um gleichzeitig eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen unter anderem durch das Recht auf Nichterreichbarkeit Kompetenzen werden geschult und die Arbeitszeit wird konsequent er-fasst Auch bei Bosch vereinbarte man dass Ar-beitszeit und Arbeitsort eigenverantwortlich und aufgabenbezogen mobil gestaltet und abgestimmt werden koumlnnen Feste Bedingung ist dass die Ar-beitszeit nach wie vor erfasst und verguumltet wird

Sehr unterschiedliche aktuelle Beduumlrfnisse von Beschaumlftigten und Fuumlhrungskraumlften werden aufge-griffen Man sucht gemeinsam nach kollektiven Louml-sungen Aber die Quadratur des Kreises lautet Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten Wenn etwa bei Vertrauensarbeitszeit auf eine Ar-beitszeiterfassung verzichtet wird dann fehlt Be-schaumlftigten ein sehr zentrales Instrument um Leis-tungsforderungen und Leistungsverdichtung uumlber-haupt dokumentieren und dann auch abbauen zu koumlnnen (vgl Klein-Schneider 2007) Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexiblen Ar-beitszeitgestaltung gelebt werden Compliance be-deutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Vom Ausmaszlig der Flexibilitaumlt in der Arbeitszeitregu-lierung sind sowohl die Produktionsbedingungen von Unternehmen als auch die Arbeits- und die Le-bensbedingungen von Beschaumlftigten maszliggeblich be- troffen Arbeitszeitgestaltung ist daher ein wesentli-

ches Kernelement der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarif-vertrag vereinbart wurden Betriebsparteien regeln die Gestaltung von Arbeitszeitkonten vor allem den Auf- und Abbau ihre Verwendung sie regeln auch ob wann und wie Guthaben entstehen koumlnnen ob und wie Mehrarbeit verguumltet wird wie Rahmenar-beitszeiten aussehen wann Arbeitszeit voruumlberge-hend verkuumlrzt wird etc

Es gibt eine Fuumllle an tariflichen Regelungen um flexible Arbeitszeiten zu gestalten (vgl Bispinck 2015) Die aktuelle Debatte um eine scheinbar not-wendige Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes er-waumlchst daher kaum aus der betrieblichen Realitaumlt Arbeitszeitkonten sind das notwendige Instrument um flexible Arbeitszeiten uumlberhaupt zu gestalten Mit Kontenmodellen koumlnnen betriebs- und marktbe-dingte Schwankungen der Produktion in woumlchentli-chen monatlichen oder auch jaumlhrlichen Arbeitszei-ten festgehalten kontrolliert und ausgeglichen wer-den Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeitaus-gleich (vgl Hamm 2013) Einfache Gleitzeitkonten mit monatlichem Ausgleichsmechanismus erlauben es dass Zeitgutschriften gespart und im Verlauf der vier Wochen genutzt werden Die angesparte Zeit kann auch uumlber laumlngere Zeitraumlume als einen Monat auf Konten gespart werden Uumlblich ist dann die Ver-wendung von Jahreskonten Auf diese Weise koumln-nen Betriebe auch in Schichtarbeit flexiblere Ar-beitszeiten entwickeln (vgl Grzech-Sukalo 2013)

Um eine fuumlr Beschaumlftigte bdquoplanbareldquo Flexibilisie-rung der Arbeit zu ermoumlglichen sehen Vereinbarun-gen Grundplanungen z B uumlber ein Jahr vor Diese kann an betriebliche Auftragsschwankungen ange-passt werden Zusatz- und Ausfallschichten in ei-nem flexiblen Schichtsystem werden uumlberwiegend von der Arbeitgeberseite bestimmt um den Perso-naleinsatz bedarfsgerecht zu gestalten Unterneh-men nutzen heute diverse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusammenhaumlngendes Gesamtkonzept

ndash Ein Gleitzeitkonto gleicht kleinere monatliche Schwankungen der Stunden aus

ndash Ein individuelles Arbeitszeitkonto mit Verteil-zeitraumlumen wird als Jahresarbeitszeit geregelt so dass taumlgliche und woumlchentliche Zeiten schwanken koumlnnen

ndash Auf Flexi-Konten werden Stunden gespart die fuumlr konjunkturbedingte Engpaumlsse zur Verfuuml-gung stehen so dass Beschaumlftigung gesichert und Kurzarbeit vermieden werden kann

ndash Langzeitkonten mit mehrjaumlhrigen Ansparpha-sen sind fuumlr laumlngere bezahlte Freistellungen nutzbar z B als Sabbatical Qualifizierungs-zeit vorgezogener Ruhestand

Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzun-gen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 14

barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Kuumlnftig wird es vermut-lich noch wichtiger sein die Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu koppeln Ent-grenzung zu begrenzen und Arbeitszeit schlichtweg wieder zu erfassen Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumen-te (vgl HofmannSmolenski 2015)

22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen

Der demografische Wandel bedeutet seit laumlngerer Zeit schon prognostizierte groszlige Umwaumllzungen Der demo-grafische Wandel kann sich je nach Branche sehr ver-schieden zeigen und mit sehr unterschiedlichen Maszlig-nahmen in der betrieblichen Realitaumlt gestaltet werden In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungsfortschritten (vgl Busse et al 2015) Haumlu-fig heiszligt demografischer Wandel im Betrieb dreierlei

ndash verschiedene Beschaumlftigtengruppen zu integrieren erwerbstaumltige Muumltter mit Arbeitszeitmodellen (vor allem Teilzeit) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung bzw Kinderbetreuung Men-schen mit Migrationshintergrund junge und alte Menschen Leistungsveraumlnderte Als neues Thema wird es auch darum gehen Fluumlchtlinge moumlglichst effizient in den Arbeitsmarkt zu integrieren

ndash Arbeits- und Gesundheitsschutz zu realisieren

Kurz und knapp

- Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernelement der Tarifpolitik Betriebspartei-en regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt wer-den kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wur-den Unternehmen nutzen heute diverse Ar-beitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

- Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anlie-gen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeit-ausgleich Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Aus-einandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der vereinbarten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang be-trieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber ge-stellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

fuumlr alternde Belegschaften ganzheitliche Ge-faumlhrdungsbeurteilungen alter(n)sgerechte Ar-beitsgestaltung Altersteilzeit

ndash Fachkraumlftebedarf abdecken Ausbildung gestal-ten Weiterbildung und lebenslanges Lernen si-chern und foumlrdern

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben konzentrierten sich sehr lange auf die Fra-ge der angemessenen Lage und Verteilung von Ar-beitszeit bezogen auf die Notwendigkeit Kinder und Berufstaumltigkeit besser zu vereinbaren (vgl MaschkeZurholt 2013) Inzwischen weitete sich das Thema auf die Pflege von Familienangehoumlrigen aus Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen verbunden ist Unter-nehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrich-tungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexible Zeitarran-gements (vgl Reuyszlig 2015 MaschkeZurholt 2013)

Allerdings koumlnnen im Lebensverlauf sehr viele un-terschiedliche Ereignisse es erfordern dass die Work-Life-Balance neu austariert werden will und man vor allem seine Arbeitszeit flexibel gestalten moumlchte oder muss Beschaumlftigte die ins Berufsleben starten ha-ben wahrscheinlich andere Arbeitszeitbeduumlrfnisse als Beschaumlftigte mit Familienpflichten die verlaumlssliche Ar-beitszeiten benoumltigen Menschen die sich kurz vor dem Ruhestand befinden oder gesundheitlich einge-schraumlnkt sind setzen wiederum andere Prioritaumlten

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsvereinba-rungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlig-nahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen die Tarifvertraumlge3 und einige Betriebsvereinbarungen

3 Einige Tarifvertraumlge sowie Betriebsvereinbarungen sehen Alters-struktur- oder Demografie-Analysen vor z B der bdquoTarifvertrag zur Gestaltung des demographischen Wandels in der Eisen- und Stahl-industrieldquo vom November 2006 oder der BCE-Tarifvertrag bdquoLebens-arbeitszeit und Demografieldquo (2008) Weitere Themen der Tarifver-traumlge sind z B flexible (Demografie-)Fonds fuumlr unterschiedliche Belange (flexible Arbeitszeiten fuumlr bestimmte Personengruppen) Arbeits- und Gesundheitsschutz Qualifizierungsoffensiven etc

Kurz und knapp

- In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unter-schiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungs-fortschritten

- Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Be-reitstellung von Ressourcen verbunden ist Unternehmen unter-stuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexi-ble Zeitarrangements

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vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektio-nen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Im bdquoTarifvertrag Demografie der chemischen In-dustrieldquo (2008) sind die verbindliche Regelung von Altersstrukturanalysen sowie finanzielle Beitraumlge fuumlr Demografie-Fonds geregelt Dies wird im Un-ternehmen spezifiziert Fuumlr Unternehmen ohne Be-triebsrat ist hier die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung geregelt Moumlgliche Zweckbindungen des Fonds koumlnnen fuumlr Langzeit-konten Altersuumlbergaumlnge (Altersteilzeit Teilrente) Altersvorsorge Berufsunfaumlhigkeit und lebenspha-senorientierte Arbeitszeitgestaltung genutzt wer-den Uumlber die Haumllfte der Beschaumlftigten der chemi-schen Industrie wird von diesen Leistungen ver-sorgt (Jungvogel 2013 S 235)

Betriebsvereinbarungen zur lebensphasenorien-tierten Arbeitszeitgestaltung regeln zB

BeispielbdquoDie Betriebsparteien wollen fuumlr eine lebensphasen-orientierte Arbeitszeitgestaltung aller Beschaumlftigten der [Firma] einen verringerten Arbeitseinsatz in be-stimmten Lebensphasen ermoumlglichen sofern nicht andere gesetzliche oderund tarifliche Bestimmun-gen in Anspruch genommen werden koumlnnen [hellip] Lebensphasen koumlnnen beispielsweise sein - die Betreuung pflegebeduumlrftiger Angehoumlriger - Vor- und Nachsorgezeiten bei Erkrankungen des

Partners undoder der Kinder - Unterstuumltzung der Lebens- und Arbeitssituatio-

nen des Partners undoder der Kinder - intensive Begleitung von Kindern waumlhrend der

Einschulungsphase oder es Uumlbergangs an wei-terfuumlhrende Schulen

- gleitender Wiedereinstieg nach einer familienbe-dingten Auszeit

- die berufsbegleitende Absolvierung einer Wei-terbildungeines Studiums

- unvorhersehbare familiaumlrepersoumlnliche Ausnah-mesituationen [hellip]

Zur Ermoumlglichung [hellip] wird ein Topf in Houmlhe von 50 TEUR pa gebildet [hellip]ldquo (NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobil-elektronik 03020028602015)

Kurz und knapp - Regelungen existieren sowohl auf Branchen-

bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Be-triebsvereinbarungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie

- Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifver-traumlge und Betriebsvereinbarungen vor um zu-naumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Wichtige Stichworte fuumlr Maszlignahmen sind Gesundheits- bzw Eingliede-rungsmanagement Belastungsreduzierungen Er-gonomie sowie alters- und alternsgerechte Arbeits-bedingungen und ganzheitliche Gefaumlhrdungsbeur-teilungen

Die gesetzliche Pflicht zur Gefaumlhrdungsbeurtei-lung wird inzwischen von 51 der Unternehmen (BAuA 2015) erfuumlllt und in der Regel in Betriebsver-einbarungen festgeschrieben Vor allem kleine Be-triebe mit bis zu 49 Beschaumlftigten hinken deutlich hinterher

Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure Die Sick AG wurde vor einiger Zeit bekannt mit einer Vereinba-rung zur Umsetzung ganzheitlicher Gefaumlhrdungs-beurteilungen Der nicht konfliktfreie Prozess fuumlhr-te zur Etablierung eines paritaumltisch besetzten Steu-erungskreises der die Verfahren lenkt Das Ziel ist vor allem Stress und Fehlbelastungen zu erkennen und gezielte Loumlsungen von sehr unterschiedlicher Reichweite sehr konkret mit vielen kleinen Loumlsun-gen gemeinsam zu entwickeln (vgl Molitor 2013) Das koumlnnen stoumlrungsfreie Arbeitszeiten sein redu-zierte Geraumluschbelastungen durch Telefonklingeln vereinbarte Zeitpuffer etc

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Bereits heute wird an bdquointelligenter persoumlnlicher Schutz-kleidungldquo fuumlr Feuerwehreinsatzkraumlfte gearbeitet (vgl Roszlignagel 2012) Einsatzkraumlfte koumlnnen in Ge-fahrensituationen geortet und selbst besser ge-schuumltzt werden indem unter anderem ihre Koumlrper-funktionen mittels Datenuumlbertragung im Einsatz permanent uumlberwacht werden Wie wird kuumlnftig gewaumlhrleistet dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausge-wertet werden koumlnnen Im betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) sind erste bdquozarteldquo Ansaumlt-ze fuumlr betriebliche Umgangsformen gefunden um entsprechend sensibel mit Daten umzugehen So sollte beispielsweise die BEM-Akte der bzw des Betroffenen separat gefuumlhrt und nicht in die Perso-nalakte integriert werden Ein Hebel fuumlr den Ar-beits- und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestimmung liegt auch darin die gesicherten arbeitswissen-schaftlichen Erkenntnisse uumlber die menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gel-tung zu bringen

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23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

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2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

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24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

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oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 20

2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 22

immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 23

- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 24

4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 25

5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 26

Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 27

Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 28

Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 4: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 4

2 BETRIEBLICHE PRAXIS

Arbeitszeitgestaltung Informations- und Kommuni-kationstechnologie Personalpolitik ndash zu diesen weit-reichenden Themengebieten werden die meisten betrieblichen Vereinbarungen in Deutschland abge-schlossen Das Archiv Betriebliche Vereinbarungen der Hans-Boumlckler-Stiftung umfasst insgesamt uumlber 16000 Dokumente zu 11 ThemenclusternDiese Sammlung ist nicht repraumlsentativ denn es gibt kein zentrales Register fuumlr abgeschlossene Be-triebs- und Dienstvereinbarungen Es existiert keine vollstaumlndige Uumlbersicht zu Umfang und Themen die in Betriebsvereinbarungen in Deutschland verhan-delt und reguliert werden Das Archiv Betriebliche Vereinbarungen beherbergt jedoch mit Abstand die groumlszligte Sammlung dieser Art Auswertungen geben Einblick in die verbindlich verhandelten Kompromis-se (wwwboecklerdebetriebsvereinbarungen)

Die aktuelle repraumlsentative WSI-Betriebsraumltebe-fragung gibt ua Auskunft uumlber die Themenpalette von Betriebsvereinbarungen Nach ersten Auswer-tungen haben knapp 68 der Unternehmen aus denen die befragten Betriebsraumlte stammen eine Betriebsvereinbarung zum Datenschutz sowie zu Arbeitszeitkonten abgeschlossen In den Feldern Einsatz von Technik und Arbeitszeit befinden sich gegenwaumlrtig die wichtigsten Verhandlungsthemen zur Gestaltung im Betrieb (Die Auswertung wird derzeit erarbeitet vgl BaumannMaschke iE)

21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung

Digitalisierung eroumlffnet zahlreiche betriebliche Ge-staltungsfelder fuumlr die Mitbestimmung Im Folgen-den wird der Versuch unternommen den Fokus auf aktuelle Aushandlungsprozesse im Betrieb zu legen mit Schwerpunkten bei sehr verschiedenen internet-basierten vernetzten Arbeits- und Produktionsab-laumlufen Da es sich bei der Digitalisierung um eine sehr weitreichende Entwicklung handelt bietet es sich an in technischer Hinsicht drei Ebenen zu un-terscheiden (Pfeiffer 2015)

a) webbasierte Kommunikation auf Plattformen zur Unterstuumltzung der Arbeitsprozesse ndash z B zur Ter-min- und Schichtplankoordinierungb) neue datentechnische Verknuumlpfungen von und mit Gegenstaumlnden die es bislang nicht gab ndash Inter-net der Dingec) neue Automatisierungsansaumltze ndash z B zweiarmi-ge Roboter mit neuer Sensorik 3-D-Drucker

Diese Entwicklungen ereignen sich jedoch nicht schlagartig sondern stellen sukzessive Veraumlnderun-gen dar In der betrieblichen Realitaumlt wirken sich die-se drei Ebenen auf verschiedene Weise aus je nach Anwendung und Branche Die Richtung ist jedoch stets aumlhnlich Man veraumlndert Arbeitsorganisationen in der Regel um zu rationalisieren Betriebsvereinba-rungen begrenzen die Moumlglichkeiten der technischen

Anwendungen zum Schutz der Beschaumlftigten Sie koumlnnen die sozialen Nachteile die mit der Entwick-lung einhergehen und sich auf Arbeitsbedingungen und -organisationen auswirken abmildern

Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten

Regelungen zur webbasierten Kommunikation fin-den sich in Betriebsvereinbarungen zu Themen wie Social-Media-Nutzung Umgang mit Internet- und E-Mail-Anwendungen sowie Nutzung von mobilen Endgeraumlten Die Vernetzung via Informations- und Kommunikationstechnologien bezieht sich auf diver-se Programme Cloud-Anwendungen1 Remote-Zu-griffe GPS-Ortung und Datenauswertungen sowie Sicherheitssysteme sind einige Regelungsthemen

Folgt man einer aktuellen Befragung von Ernst amp Young dann wird in Unternehmen Digitalisierung aktuell besonders dort zum Thema wo es um Kun-denbeziehungen geht (Ernst amp Young 2015 S 16) Die Nutzung mobiler Endgeraumlte ist bei den befrag-ten Unternehmen heute der bedeutendste Techno-logietrend (69 ) gefolgt von Social Media (60 ) und Analysetools (60 ) (ebd S 32) Cloud-Anwen-dungen werden nach dieser internationalen Befra-gung erst von 50 der Unternehmen als derzeit re-levant bewertet 3-D-Druck Robotertechnologien und smarte Materialien noch von gut einem Drittel der Unternehmen Befragt wurden 1025 Unterneh-men in 12 Nationen

Auf einzelne Branchen bezogen lassen sich diese Aussagen zum Beispiel fuumlr die Logistikbranche un-termauern Dort ist gerade die Kombination des Ein-satzes mobiler Endgeraumlte mit netzbasierter GPS-Steuerung und RFID-Technologie (und Barcodes) in-teressant Nach einer Studie von Pricewaterhouse

1 Gemeint sind SaaS (Software as a Service) Programme wie E-Mail E-Collaboration Sicherheitsanwendungen PaaS (Platform as a Service) Auslagerung von Geschaumlftsprozessen etwa zur Lohnbuchhaltung IaaS (Infrastructure as a Service) z B Speicherplatz und Entwicklungsplattformen etc

PersonalpolitikAus- und WeiterbildungArbeitszeitEntgelt Sozialleistungen SozialpolitikArbeits- und GesundheitsschutzUmweltschutzArbeits- und UnternehmensorganisationTechnologie und IKTBeschaumlftigungssicherung Data 1 2042 540 3946 1315 1452 641 82 1670 2472 1449 Data 2 16 11 -05 0 08 03 12

Data 3 12 08 -08 1 1 1 1

Data 4 0 -1 -12 -13 -08 -11 0

Data 5 -1 -15 -16 -18 -1 -12 -05

Umweltschutz

0 1000 2000 3000 4000

Personalpolitik Aus- und Weiterbildung

Arbeitszeit Entgelt

Sozialleistungen Sozialpolitik Arbeits- und Gesundheitsschutz

Umweltschutz Arbeits- und Unternehmensorganisation

Technologie und IKT Beschaumlftigungssicherung

Mitbestimmung

0 1000 2000 3000 4000

Personalpolitik Aus- und Weiterbildung

Arbeitszeit Entgelt

Sozialleistungen Sozialpolitik Arbeits- und Gesundheitsschutz

Umweltschutz Arbeits- und Unternehmensorganisation

Technologie und IKT Beschaumlftigungssicherung

Mitbestimmung

Titel Untertitel

Abbildung 1

Bestand der Vereinbarungen in Kategorien

Abbildung 1

Bestand der Vereinbarungen in Kategorien

Abbildung 1

Titel Untertitel

Abbildung 1 (158mm)

Fuszlignote Quelle Quellenangabe

Quelle Archiv Betriebliche Vereinbarungen Bestand (Mai 2015) 16389 Dokumente in 11 Kategorien

Quelle Archiv Betriebliche Vereinbarungen Bestand (Mai 2015) 16389 Dokumente in 11 Kategorien

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 5

Coopers (vgl PWC 2014) steigt die Nachfrage nach Cloud-Anwendungen kontinuierlich und Social-Me-dia-Anwendungen sind das Top-Instrument fuumlr den Kontakt und die Kommunikation mit Kunden Da die Vielfalt und Quellen der Daten stetig wachsen sind offenbar auch hier Datenanalysetools vielverspre-chend (Stichwort Big Data) Echtzeiterkennung von Fahrzeugstandorten fuumlr Kunden ist inzwischen Alltag Neue Geschaumlftsideen werden in neuen Datenerfas-sungsmoumlglichkeiten gesehen (Luftverschmutzung messende oder den Straszligenbelag pruumlfende Fahrzeu-ge etc) Lagerhaltung und Logistik sind ohne Digitali-sierung nicht mehr denkbar ndash in allen Industrien Mit-tels RFID-Technologie zur Identifizierung und Ortung von Waren und Menschen wird sich ein Konzept wie das Internet der Dinge vermutlich rasant weiterentwi-ckeln koumlnnen Informationsbasierten Dienstleistun-gen rund um die Nutzung von Produkten wird ein groszliger Markt vorausgesagt (vgl Bienzeisler 2014)

Fragt man danach was auf der betrieblichen Ebe-ne vorhanden ist so kommt man zu sehr verschieden weitreichenden Themen und Ansatzpunkten

In Betriebsvereinbarungen wird fuumlr den heutigen Stand umfangreich Informations- und Kommunikati-onstechnik (IKT) geregelt Das gilt fuumlr IKT-Rahmen-vereinbarungen Telekommunikation Datenschutz Einsatz von und Arbeit mit Technik im Buumlro (Mail Te-lefonie Video etc) Seltener stellt die Digitalisierung an sich ein Thema dar Es geht vor allem darum Leis-tungs- und Verhaltenskontrolle zu begrenzen Daten-schutz fuumlr Beschaumlftigte zu gewaumlhrleisten trotz wach-sender Datenberge sowie breiter und schneller wer-dender Datenstroumlme In verschiedenen Kontext- themen wie z B Arbeits- und Gesundheitsschutz Ar-beitszeit Qualifizierung und Mitbestimmung wird versucht soziale Nachteile zu mildern Im Folgenden werden beobachtete Regelungstrends zu einzelnen Gestaltungsfeldern im Uumlberblick zusammengefasst

IKT-Rahmenvereinbarung

Die Bedeutung der Informations- und Kommunikati-onstechnologie (IKT) wird weiter wachsen (vgl BDI 2015) Betriebs- und Personalraumlte werden tendenzi-ell haumlufiger als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig beteiligt Dies legt die Auswertung von 140 Verein-barungen nahe (vgl BoumlkerDemuth 2013) Die Ge-staltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherr-schung Denn letztlich ist eine vollstaumlndige Uumlberwa-chung der IKT unmoumlglich IKT-Rahmenvereinbarun-gen sind freiwillige Vereinbarungen Sie vereinfa-chen haumlufig Mitbestimmungsverfahren indem Grund- saumltze festgeschrieben werden zur Beteiligung zur Arbeit in paritaumltischen Ausschuumlssen zum Informati-onsfluss etc In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzli-chen Mitbestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der betrieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Projektentwicklungen mitwirken kann Ein Beispiel stammt aus dem Jahr 2010

Beispiel bdquoMit dem Betriebsrat werden auf Wunsch der [Fir-ma] oder des Betriebsrats vor Projektbeginn in einer Projektvereinbarung folgende Punkte festgelegt - Art und Umfang der Teilnahme des Betriebsrats an

den Projektsitzungen und dem Lenkungsausschuss - Meilensteine oder Projektabschnitte die einer Be-

ratung oder Zustimmung des Betriebsrats beduumlr-fen bevor das Projekt weitergefuumlhrt werden kann

- lesender online-Zugriff auf die vollstaumlndige Projekt-dokumentation und die Sitzungsprotokolleldquo

(Versicherungsgewerbe 0902014702010)2

Ein solcher Trend haumlngt sicherlich auch vom Know How der Akteure und vermutlich von der Branche ab Das folgende Beispiel ist in dieser Hinsicht fort-schrittlich weil die Regelung bereits aus dem Jahr 2000 stammt und verhaumlltnismaumlszligig offen ist

Beispiel bdquoGeschaumlftsleitung (GL) und Standort-Betriebsrat (BR) der [hellip]-Gruppe am Standort [hellip] sind sich darin einig dass ein zukunftsorientierter Einsatz der Informati-onstechnik dem Wohle des Unternehmens sowie sei-ner Mitarbeiter zu dienen hat Dieses Ziel kann nur er-reicht werden wenn GL BR und Mitarbeiter gleicher-maszligen die Anwendung neuer Technologien mit- tragen und mitgestalten Dazu ist es notwendig - dass der Betriebsrat und die betroffenen Mitarbeiter

sich konstruktiv und qualifiziert am Entscheidungs- und Gestaltungsprozess beteiligen koumlnnen [hellip]

- dass die mit der Projektabwicklung befassten IT-Stellen durch diese Regelungen nicht behindert werden bzw dass auf die Belange der hier Be-schaumlftigten Ruumlcksicht genommen wirdldquo

(NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobilelek-tronik 0902013602000)

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrol-le Daher werden hier einige Beispiele ausfuumlhrlicher dokumentiert Ein absolutes Verbot der Leistungs- und Verhaltenskontrolle wie das folgende wird nicht immer ausgesprochen

Beispiel bdquoEin IT-System darf grundsaumltzlich nicht zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle genutzt werden Abwei-chungen sind mit dem Betriebsrat zu vereinbarenldquo (Wasserversorger 0902014112006)

Eher schlieszligt sich an das Verbot die definierte Aus-nahme an Die folgende Regelung erweitert den Ausschluss der Kontrolle einzelner Beschaumlftigter und von Mitarbeitergruppen und benennt die Akteu-re an denen es nicht vorbei gehen darf Betriebsrat und Datenschutzbeauftragte

2 Die Kennung am Ende des Zitats bezeichnet die Quelle und den Standort der Vereinbarung im Archiv (Branche Themalfd NrJahr)

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 6

Beispiel bdquoEs ist ausdruumlcklich ausgeschlossen dass die erho-benen und verarbeiteten personenbezogenen oder beziehbaren Daten zum Zwecke der Verhaltens- undoder Leistungskontrolle bezogen auf einen MitarbeiterIn oder eine Gruppe MitarbeiterInnen eingesetzt werden es sei denn der BR und der Da-tenschutzbeauftragte stimmen dem im Einzelfall ge-sondert zuldquo (Kreditgewerbe 0902014382006)

Einzelkontrollen werden an gesetzliche oder tarifli-che Bestimmungen gebunden die eine Kontrolle zu-lassen wuumlrden

BeispielbdquoEine Kontrolle der Leistung oder des Verhaltens ein-zelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen un-ter Nutzung elektronisch gespeicherter personenbe-zogener Daten wird [hellip] nicht einseitig durchgefuumlhrt soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht bestehtldquo (Baugewerbe 0902014752010)

Im Zusammenhang mit Outsourcing von IT-Systemen und deren Organisation werden Regelungen notwen-dig die auch Dienstleistern Maszlignahmen untersagen die der Leistungs- und Verhaltenskontrolle dienen koumlnnten Entsprechende vertragliche Regelungen ge-maumlszlig sect 11 BDSG gehen nach Ansicht der betrieblichen Vertragspartner nicht weit genug Sie halten daher eine Regelung wie die folgende fuumlr notwendig

Beispiel bdquoDer Arbeitgeber unterlaumlsst es ohne ausdruumlckliche Zustimmung des Betriebsrates Auswertungen von personenbezogenen Daten die durch diese BV aus-geschlossen sind durch Dritte vornehmen zu lassen bzw zu verwendenldquo (Verlags- und Druckgewerbe 0902012692005)

Nachstehend werden die zulaumlssigen Zwecke von Aus-wertungen in allgemeiner Form aufgelistet Jegliche daruumlber hinausgehende Nutzung ist dann verboten

BeispielbdquoSoweit im Einsatz befindliche luK-Systeme Aktivitauml-ten der Benutzer aufzeichnen duumlrfen diese nur - zur Gewaumlhrleistung der Systemsicherheit - zur Gewaumlhrleistung von Datenschutz und Daten-

sicherheit - zur Uumlberpruumlfung der Einhaltung von Betriebsver-

einbarungen und gesetzlichen Vorschriften - zur Analyse und Korrektur technischer Fehler in

den Systemen zur Steuerung und Optimierung der Systeme

- zur Abrechnung verbrauchter Systemleistungen - zur Wahrung gesetzlicher Aufbewahrungsvor-schriften

- zur Wahrung von Pruumlfungsauflagen durch Finanz-behoumlrden und Wirtschaftspruumlfer

benutzt werdenldquo (Ernaumlhrungsgewerbe 0902014942008)

Die Regelungen begrenzen die Verwendung auf ei-nen oder mehrere Zwecke die Aufzeichnung wird jedoch nicht generell angezweifelt In weiteren Ein-zelvereinbarungen werden Ergaumlnzungen zu einzel-nen Systemen abgeschlossen Im Idealfall entsteht auf diese Weise eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen

Insgesamt lassen die vorliegenden IKT-Rahmen-vereinbarungen neueren Datums den Schluss zu dass Betriebsraumlte ihre Rechte kompetent nutzen Es leuchtet ein dass wachsende Ressourcen- und Zeit-probleme im Betriebsrat entstehen da die digitale Durchdringung von Prozessen und die Innovations-geschwindigkeit bei IKT enorm ist Updates von Programmen und umfangreiche Aumlnderungen folgen in kurzer Taktung Besonders die vertrauensvolle Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt daher einen groszligen Stellenwert Lenkungs-ausschuumlsse paritaumltische Kommissionen und Trans-parenz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlgli-chen Das wird besonders dann relevant wenn z B noch mehr Daten ausgelagert werden und die Ge-fahr besteht dass Cloud-Anwendungen die Mitbe-stimmungsmoumlglichkeiten ins Leere laufen lassen weil Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden

Nutzung von E-Mail und Internet

Der betriebliche Umgang mit dem Internet ist selbstverstaumlndlich Die E-Mail hat eine ungebrochen wichtige Bedeutung in der Kommunikation mit Kun-dinnen und Kunden die Recherche im Internet ist fuumlr viele Beschaumlftigte Alltag Entsprechend weniger Raum nehmen heute Regelungen ein die bestim-men ob Beschaumlftigte die Internetdienste uumlberhaupt nutzen duumlrfen der Zugang zum Netz ist selbstver-staumlndlich Die in fruumlheren Auswertungen festgestell-ten Unklarheiten diesbezuumlglich kommen so in neue-ren Vereinbarungen kaum noch vor (vgl BoumlkerDe-

Kurz und knapp

- Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlufiger als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig beteiligt Dies legt die Auswer-tung von 140 Vereinbarungen nahe Die Gestaltung des Technik-einsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kont-rolle und Beherrschung

- In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmer-vertretung uumlber die gesetzlichen Mitbestimmungsprozesse hin-aus als Gestalter der betrieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Projektentwicklungen mitwirken kann

- Zentrale Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswer-tung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 7

muth 2014) Haumlufig finden sich Regelungen die eine private Nutzung in der Freizeit und in den Pausen er-lauben nachdem die Beschaumlftigten eine Erklaumlrung unterzeichnet haben mit der datenschutzrechtliche Beschraumlnkungen zur Protokollierung und Auswer-tung fuumlr den Arbeitgeber aufgehoben werden Leis-tungs- und Verhaltenskontrolle wird regelmaumlszligig auf dem Papier ausgeschlossen Im Umgang mit Proto-kolldateien sind Spielraumlume vorhanden um diese auszuwerten Die missbraumluchliche Nutzung von In-ternetdiensten soll bewiesen werden

Relevant wird dies insbesondere wenn E-Mail- und Internetdienste durch die Arbeitnehmervertre-tungen genutzt werden und ein besonderer Schutz der Daten notwendig wird Die folgende Regelung ist dafuumlr beispielhaft Sie bezieht zusaumltzlich alle an-deren Personen und Gruppierungen ein die per Ge-setz einem besonderen Schutz unterliegen

Beispiel bdquoWerksaumlrzte Psychologen Suchtberater Suchtkran-kenhelfer Sozialberater Betriebsraumlte und Jugend- und Auszubildendenvertreter und andere Interessen-vertreter der Belegschaft Schwerbehindertenvertre-ter Pressemitarbeiter und Rechtsanwaumllte sowie die im betrieblichen Datenschutz taumltigen Personen und die [betrieblichen Datenschutzbeauftragten] genie-szligen einen Sonderschutz Eine Liste der geschuumltzten Personen wird durch die lokale Personalabteilung dem zustaumlndigen Administrator zur Einrichtung und dem lokalen Betriebsrat zur Uumlberpruumlfung der Einhal-tung dieser Betriebsvereinbarung zur Verfuumlgung ge-stellt E-Mails die an diesen Personenkreis gerichtet sind unterliegen dem maximalen Schutzldquo (Bran-chenuumlbergreifend 0903001882010)

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeits-verdichtungen werden in den meisten Vereinbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet Selten werden etwa ausfuumlhrliche Regelungen zum Umgang mit Abwe-senheitszeiten und Vertretungsregelungen formuliert

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Diese Geraumlte werden in den Vereinbarungen bisher kaum mit ihren umfassenden Einsatzmoumlglichkeiten wahrgenommen bezogen auf die Kommunikation (Te-lefon Kurznachrichten und elektronische Post) und

Kurz und knapp

- Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Vereinbarungen zur E-Mail-Nut-zung nicht betrachtet

das Informationsmanagement (Adressbuch Kalender Aufgabenlisten Projektsoftware) Mobile Device Ma-nagement (MDM) ermoumlglicht es alle mobilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfigurationen zentral zu ver-walten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und An-wendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbe-stimmung Nur wenige Vereinbarungen erfassen das Thema bislang umfassend (vgl Thannheiser 2015) Durch MDM werden mobile Geraumlte transparent ortbar und auswertbar ndash was der Verhaltens- und Leistungs-kontrolle Wege eroumlffnet Alle mobilen Zugriffe auf Do-kumente werden vom MDM-System luumlckenlos aufge-zeichnet Schnittstellen ermoumlglichen die Weitergabe an beliebige andere Systeme Daruumlber hinaus ist der sogenannte Echtzeit-Remote-Zugriff moumlglich (Remote Control) Je nach Freigabe ist es moumlglich sich auf Mo-biltelefone aufzuschalten und diese fernzubedienen

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspannun-gen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtliche Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leistungs-kontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte einge-setzte Software bleiben ebenso haumlufig unbeantwor-tet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Ta-blets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen

Unter dem Begriff Social Media werden alle techni-schen Moumlglichkeiten zusammengefasst die es er-lauben z B auf Plattformen miteinander in Kontakt zu treten um sich zu vernetzen mediale Inhalte ge-meinsam zu erarbeiten zu teilen oder zu kooperie-ren Unternehmen nutzen Social-Media-Angebote heute fuumlr interne wie externe Bereiche Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessenvertretun-gen und Arbeitgeber nicht selten vor vollendeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt Be-schaumlftigte schaffen Fakten und veraumlndern Unterneh-

Kurz und knapp

- Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mobilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfigurationen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Sys-temen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Vereinbarun-gen erfassen das Thema bislang umfassend

- Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Ver-spannungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtliche Fra-gen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leistungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbeantwortet Die Nutzung von Apps auf Smart-phones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 8

men indem sie den im Privatleben alltaumlglichen Ge-brauch in das Berufsleben hineintragen

Die Auswertung von Regelungen zur Social-Me-dia-Verwendung in Betrieben zeigt Nur selten wur-den Betriebs- und Dienstvereinbarungen abge-schlossen dafuumlr mehr Richtlinien bzw Social-Me-dia-Guidelines (vgl GreveWedde 2014)

BeispielbdquoDie Nutzung sozialer Netzwerke wie Twitter Face-book Xing oder Wikipedia gewinnt eine immer groumlszlige-re Bedeutung [hellip] Die [Firma] kann sich hier darstel-len ihre Produkte verbreiten und fuumlr sie werben Es liegt im Interesse der [Firma] das Engagement der Mitarbeiter im Bereich der sozialen Medien zu foumlrdern [hellip] Um den Beschaumlftigten Sicherheit im Umgang mit den sozialen Netzwerken zu geben und daruumlber hinaus die Interessen beider Seiten gleichermaszligen zu wah-ren haben die Betriebsparteien einen Kodex erstellt als Regelwerk fuumlr das digitale Miteinander im Internetldquo (Verlags- und Druckgewerbe 0903002262011)

Manche Unternehmen beziehen ihre Richtlinien aus-druumlcklich auf die dienstliche Nutzung Demgegen-uumlber entwickeln andere ihre Richtlinien offenbar ge-rade dafuumlr Beschaumlftigten Regeln fuumlr die private Nut-zung von Social Media an die Hand zu geben

BeispielbdquoDer Leitfaden ist nicht als Anleitung fuumlr Mitarbeiter ge-dacht die fuumlr die offiziellen Kommunikationskanaumlle [der Firma] zustaumlndig sind Es geht hier vielmehr um Ihre persoumlnlichen Aktivitaumlten in den Social Media sowohl waumlhrend der Arbeitszeit als auch zuhause Generell ist es Ihre Sache was Sie auszligerhalb der Arbeitszeit tunldquo (Telekommunikationsdienstleister 0903002872010)

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungspflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals relativ schnell erstellt wur-den um der rasanten Nutzung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spiel-regeln zusammenzufassen Dies ist dann eine Basis auf der die eigentlich mitbestimmungspflichtigen Fragen kuumlnftig umfassend geregelt werden koumlnnen und sollten

Kurz und knapp

- Bei Social-Media-Anwendungen stehen Inter-essenvertretungen und Arbeitgeber nicht sel-ten vor vollendeten Tatsachen denn die Nut-zung findet bereits statt

- Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oft-mals relativ schnell erstellt wurden um der ra-santen Nutzung sozialer Medien eine rechtli-che Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammenzufassen

GPS-Zugriff auf Daten u a

Der Zugriff auf Daten z B mittels GPS Funknetz oder RFID birgt ein enormes Rationalisierungs- und Ein-sparpotenzial Bewegungsdaten von Menschen und Waren mittels GPS-Ortung auszuwerten kann fuumlr den Kundenservice die Optimierung von Einsaumltzen Be-standskontrollen Abstimmungsprozesse (mit dem Smartphone) genutzt werden Im Hinblick auf verbesserte Kundenfreundlichkeit kann die Weiterga-be von Standortdaten eine groszlige Rolle spielen Fuumlr Beschaumlftigte sind gegebenenfalls Regelungen zum Datenschutz notwendig Datensparsamkeit Zweck-bindung und Persoumlnlichkeitsschutz sollen vor unzulaumls-sigen Kontrollen schuumltzen In Vereinbarungen werden daher vor allem Datenauswertungen eingeschraumlnkt (vgl Kiper 2011) Vereinzelt duumlrfen personenbezogene Daten nur im Ausnahmefall und mit Zustimmung der Interessenvertretung ausgewertet werden oder die Auswertung wird an die Zustimmung der Interessen-vertretung gebunden Regelungsgegenstand ist oft-mals aber nicht ob sondern wie Daten ausgewertet werden Wie ernsthaft und streng diese Regelungen in der Praxis umgesetzt werden ist unklar

Datenschutz und Kontrolle

In juumlngerer Zeit werden Regelungsstrategien er-probt wonach der Betriebsrat zwar grundsaumltzlich je-der Software-Einfuumlhrung zustimmt aber nur unter der Bedingung dass Leistungs- und Verhaltenskont-rolle ausgeschlossen ist Dies wird mit einem Son-derkuumlndigungsrecht untermauert Falls gegen diese Vereinbarung verstoszligen wird folgt der sofortige Stopp der weiteren Software-Einfuumlhrung So kann sich ein schnelles Verfahren ergeben das gegebe-nenfalls ein teures Verfahren fuumlr das Unternehmen im Fall der Kuumlndigung nach sich zieht Zu kontrollie-ren ob eine Vereinbarung eingehalten wird kann je-doch relativ schwierig werden Gerade bei internati-onalen Konzernen kann zusaumltzlich eine Herausforde-rung darstellen wenn verschiedene Datenschutz- niveaus und -verstaumlndnisse vorherrschen

Bei der Deutschen Bahn brachte ein groszliger Da-tenskandal im Jahr 2009 Bewegung in den Daten-schutz Eine heute vorbildliches Daten- und Daten-schutzmanagement regelt die Datenstroumlme sehr streng Die Konzernbetriebsvereinbarung Beschaumlf-tigtendatenschutz steht im Konzern uumlber allen ande-ren internen Regelungen Das System wurde ins Le-ben gerufen um Beschaumlftigte zu schuumltzen aber auch um Kontrollen mit entsprechender Verhaumlltnis-maumlszligigkeit zu ermoumlglichen (vgl Kiesche 2015) ndash al-lerdings erst nachdem sich ein umfassender Skan-dal ereignet hatte

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem star-ken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Anti-terror-Verordnungen Vorgesehen ist der Abgleich von Beschaumlftigtendaten mit Namenslisten von so-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 9

genannten Terrorverdaumlchtigen Ob dies erlaubt ist und wenn ja welche Mitbestimmungspflicht ausge-loumlst wird ist unter Juristen umstritten Einige Kon-zerne haben inzwischen Betriebsvereinbarungen abgeschlossen um zumindest das Verfahren mitzu-gestalten (vgl Thannheiser 2015)

BeispielbdquoFuumlr die Erhebung Verarbeitung und Nutzung von Beschaumlftigtendaten zum Abgleich gegen Sanktions-listen sind das Bundesdatenschutzgesetz sowie die Konzernrichtlinien zum Datenschutz maszliggeblich Beim Abgleich der Beschaumlftigten- und Bewerberda-ten ist der Grundsatz der Datensparsamkeit zu be-achten und auf das zwingend erforderliche Mindest-maszlig zu beschraumlnkenldquo (0906002192014)

Auch hier zeigt sich die hohe Relevanz einer vertrau-ensvollen betrieblichen Zusammenarbeit der han-delnden Akteure

Kurz und knapp

- Viele Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen so-wie der Vermeidung von Leistungs- und Ver-haltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander ab-gestimmten flexiblen Regelungen die ver-bindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Ver-handlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

- Datensicherheit und Beschaumlftigtendaten-schutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Un-ternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat entstehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rahmengebende Tarifvertraumlge und ge-setzliche Regelungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur technisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsendes Thema

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krank-heitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausgewer-tet werden koumlnnen

- Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kon-trolle und die Verhinderung von Missbrauch und Straftaten durch zu wenig Kontrolle ste-hen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarun-gen zu sogenannten EU-Antiterror-Verord-nungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Neue Automatisierungsansaumltze Kommunikation zwischen Mensch und Maschine sowie neue Ge-nerationen von Robotern sind im Konzept Industrie 40 der Kern Eine prognostizierte Entwicklung fuumlr das Unternehmen 40 kann darin bestehen dass bdquopolarisierte Organisationenldquo entstehen werden mit hochspezialisierten Experten und abgewerte-ten Fachkraumlften (Hirsch-Kreinsen 2014) Anderer-seits koumlnnen bdquoSchwarm-Organisationenldquo entste-hen mit hochqualifizierten und gleichberechtigten Beschaumlftigten die selbst ihre Arbeit definieren und hochflexibel agieren (ebd) Welche Arbeitsorgani-sation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Pers-pektive sie Produktion und Arbeit sehen (vgl BDI 2015) Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Neue Produktionssysteme (Lean Production) etwa bringen diverse Aspekte zusammen Effizi-enz des Workflows verbessern Kostensenkung Qualitaumltsverbesserung Leistungsbemessung und Kennzahlensysteme Teamarbeit Betriebsdatener-fassung Motivationsverbesserung Verschwen-dung vermeiden etc Neben Effizienz geht es auch um die Transparenz und Kontrolle von Arbeitsleis-tung Scheinbar schleichend werden heute Ar-beitsorganisationen und Produktionsprozesse op-timiert Dies gilt fuumlr produzierende wie fuumlr indirek-te Bereiche in Verwaltungen (z B Lean im Buumlro) Taumltigkeiten werden staumlrker standardisiert und ge-taktet quasi in einer Flieszligfertigung miteinander verknuumlpft mit dem Ziel die Fehlerquote auf Null zu senken In den Produktionen und Buumlros scheinen sich diese Veraumlnderungen ambivalent auf die Ar-beitsbedingungen der Beschaumlftigten auszuwirken Durch verbesserte Organisationsweisen von Ar-beitsgaumlngen entstehen einerseits Arbeitsentlas-tungen diesen stehen jedoch z B wachsender Leistungsdruck durch hohe Transparenz Monoto-nie durch Standardisierung und Taktverkuumlrzungen gegenuumlber

Einen Blick in die Zukunft kann man heute schon in ersten Ansaumltzen werfen (vgl Beispiele in Ittermann ua 2015) Bei Audi in Ingolstadt arbei-tet ein Roboter inzwischen mit Menschen zusam-men an der Montagelinie Dies wird als bdquoerste Mensch-Maschine-Kooperation im VW-Konzernldquo betrachtet (IG Metall 2015a) Dabei gelten folgen-de Grundsaumltze Man arbeitet Hand in Hand aber der Roboter uumlbernimmt schwere Arbeit Routinen werden automatisiert und der Mensch steuert die Maschine Die Zukunft wird in einer noch flexible-ren Fertigung gesehen Maschinen tauschen un-tereinander Daten direkt aus Teile bewegen sich

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selbststaumlndig und autonom durch die Produktion Ob der Mensch dann noch die Taktzeiten vorge-ben wird ist nicht klar aber auch nicht unmoumlglich Schluumlssel fuumlr vieles ist die Aus- und Weiterbil-dung Bei Audi entstehen neue Berufe und Qualifi-kationsprofile um diese flexible Fertigung zu be-herrschen

Eine der modernsten Fabriken das Elektronik-werk von Siemens in Amberg wurde inzwischen beschrieben (vgl Kraft 2015) Die digitalisierte Produktion arbeitet bdquoon demandldquo mit einer Quali-taumlt von 999988 50 Millionen Datensaumltze pro Tag halten nahezu alles fest was wann und wo passiert Bei Fehlern wird die Ursache gefunden nichts kann vertuscht werden Die Technik redu-ziert Fehler und macht die Arbeit abwechslungs-reicher Der Betriebsrat bleibt fortlaufend infor-miert Eine Betriebsvereinbarung verhindert dass bei Rationalisierungen betriebsbedingte Kuumlndi-gungen erfolgen koumlnnen Auch hier ist Weiterbil-dung der Schluumlssel zum Erhalt von Arbeitsplaumltzen in einer sich fortlaufend wandelnden Produktion (vgl IG Metall 2015b)

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt (vgl Pfaumlfflin et al 2011) Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubau-en So kann ein paritaumltisch besetzter Lenkungs-ausschuss dafuumlr sorgen dass Betriebsraumlte durch Mitbestimmung eingreifen koumlnnen wenn die Ver-aumlnderungsprozesse zu negativen Auswirkungen fuumlhren

Beispielbdquo[Die Firma] und der BR richten einen paritaumltisch besetzten Lenkungsausschuss ein Dieser Len-kungsausschuss ist berechtigt in die Veraumlnde-rungsprozesse einzugreifen und Maszlignahmen zwingend einzuleiten sofern eine nachteilige Aus-wirkung auf die Arbeitsbelastung abzusehen istldquo (Datenverarbeitung und Softwareentwicklung 06080012011)

Die Vereinbarung regelt dass die Veraumlnderungen evaluiert werden und im Hinblick auf Arbeitsbelas-tungen konkrete Loumlsungsschritte unternommen wer-den muumlssen etwa zum individuellen Stressabbau so-wie bezogen auf Prozess- und Organisationsbedin-gungen

Regelmaumlszligige Gespraumlche erhoumlhen die Transpa-renz liefern Informationen und verbessern gegebe-nenfalls die Zusammenarbeit In vielen Unterneh-men werden existierende Betriebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhal-tenskontrolle weiterentwickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)

sind keine neuen Managementmethoden um Ar-beits- und Leistungsprozesse zu optimieren Haumlu-fig werden neue Standards im sogenannten konti-nuierlichen Verbesserungsprozessen mit beteili-gungsorientierten Elementen entwickelt Hier stehen Kundenerwartungen und die betrieblichen Ziele im Vordergrund Diese beziehen sich haumlufig auf Kostensenkungen Produktivitaumltssteigerungen und die Entwicklung neuer Produkte Hinzu kom-men auch Ziele wie gute Arbeitsbedingungen Umweltschutz und sozialer Zusammenhalt

QM und KVP bilden auch fuumlr ganzheitliche Pro-duktionssysteme wichtige Rahmenbedingungen Sie werden meist mit Betriebs- oder Dienstverein-barungen geregelt (vgl Bechmann 2010) Festge-legt werden die konkreten Formen der Beteili-gung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutzbe-stimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes Die rechtliche Grundlage fuumlr die Regelungen bilden vor allem Mitbestimmungsrechte bezogen auf die Ordnung des Betriebs die technisch gestuumltzte Kontrolle von Leistung und Verhalten der Be-schaumlftigten auf den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz die Gestaltung des betriebli-chen Vorschlagswesens und betriebliche Qualifi-zierungsmaszlignahmen

Kurz und knapp

- Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht voll-staumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit sehen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlf-tigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

- Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichti-ges Handlungsfeld Bei der Einfuumlhrung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

- In vielen Unternehmen werden existierende Betriebsvereinba-rungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Daten-schutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterentwi-ckelt werden muumlssen

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QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwick-lung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Be-schaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlf-tigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachge-ordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wich-tige Ziele fuumlr die Zukunft

Festgelegt wird wie Beschaumlftigte und ihre In-teressenvertretung uumlber alle Ablaumlufe und Unterla-gen im Zusammenhang mit QM und KVP infor-miert werden und Einfluss auf deren wesentliche Elemente nehmen koumlnnen Einfluss nehmen be-zieht sich insbesondere auf Definitionen von Ar-beitsvorgaben und Zielwerten wie z B

ndash Inhalten des QM-Handbuchs ndash der Planung und Durchfuumlhrung von Audits ndash der Erfassung und Verwendung von Beschaumlf-

tigtendaten uumlber Leistung und Verhalten (in-klusive Ruumlckmeldungen und Beschwerden von Kunden)

ndash der Themenauswahl fuumlr Qualitaumltszirkel oder KVP-Teams und ihrer personellen Zusam-mensetzung

ndash der Foumlrderung der Arbeit der Qualitaumltszirkel KVP-Teams

ndash der Bewertung und Nutzung der Ergebnisse der QualitaumltszirkelKVP-Teams

Bemerkenswert haumlufig wird in den vorliegenden Vereinbarungen betont dass der gesamte Pro-zess die Kreativitaumlt und Motivation der Beschaumlf-tigten foumlrdern soll ndash und nur dies auch zum Erfolg fuumlhren kann QM und KVP bilden insofern einen wesentlichen Faktor fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit der Unternehmen was auch in einer groumlszligeren Zahl juumlngerer Regelungen zum Ideenmanagement als moderner Variante des betrieblichen Vorschlags-wesens erkennbar wird

Fuumlr die Betriebs- und Personalraumlte oumlffnet sich ein Einflussfeld das neben dem Schutz vor nega-tiven Konsequenzen auch die Chancen fuumlr per-soumlnliche Weiterentwicklung und Praumlmierung gu-ter Ideen der Beschaumlftigten zum Inhalt hat Dabei wird auch die groszlige Bedeutung von Gruppenpro-zessen deutlich die sich teilweise in Gruppen-praumlmien niederschlaumlgt Dennoch enthalten ein-zelne Vereinbarungen auch relativ strenge Vor-schriften zu Qualitaumlt und Leistung der Be- schaumlftigten und deren Uumlberwachung Sie schlie-szligen individuelle Sanktionen nicht aus stellen aber eine kleine Minderheit dar die sich auf ein-zelne Dienstleistungsbranchen (z B Call-Center) beschraumlnkt Die groszlige Mehrheit der Vereinba-rungen stellt jedoch eher den Aspekt der Foumlrde-rung und Nutzung der Kreativitaumlt der Beschaumlftig-ten ins Zentrum

Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation gestalten

Das technisch Moumlgliche zum Schutz von Beschaumlf-tigten zu begrenzen und Regelungen zum Einsatz zur Nutzung und zur Kontrolle zu formulieren ist die eine Seite die Auswirkung technologischer Entwicklungen auf die Arbeitsbedingungen steht auf der anderen Seite Auswirkungen ergeben sich z B aktuell auf die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsorten Organisationsprozesse und Leis-tungsbedingungen werden neu strukturiert durch sich selbst regulierende Teams durch Selbststeue-rung und mittels Zielvereinbarungen Arbeitszeit und Freizeit sowie Arbeitsort und privater Wohn-sitz gehen ineinander uumlber und sollen doch vonein-ander abgrenzbar bleiben

Staumlndige Erreichbarkeit

Weil heute bereits Arbeitsort und Arbeitszeit flexi-bel sind ndash vor allem aufgrund mobiler Endgeraumlte ndash heiszligt ein aktuell diskutiertes Problem staumlndige Er-reichbarkeit Unbezahlte Mehrarbeit durch Arbeit am Wochenende im Urlaub am Feierabend sind weit verbreitet Nach einer aktuellen Umfrage le-sen 42 der Deutschen in der Freizeit dienstliche Mails oder Nachrichten (FAZ 2015)

Die Nutzung digitaler mobiler Arbeitsmittel hat die Kommunikation erleichtert aber Zeitprobleme

Kurz und knapp

- Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebliches Vorschlags-wesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorien-tierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Bemerkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlrdern soll kreativ und moti-viert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unternehmen

- Festgelegt werden die konkreten Formen der Beteiligung der Be-schaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestal-tung sowie Schutzbestimmungen zur Vermeidung negativer Aus-wirkungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktio-nen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

- QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetz-te Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an al-len nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

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verschaumlrft Das Ergebnis scheint nicht nur eine In-tensivierung der Arbeit sondern auch deren zeitli-che Ausdehnung zu sein Aus Arbeitnehmersicht sollte Mehrarbeit vermieden werden bzw diese zumindest nicht unbezahlt und unausgeglichen bleiben Es geht auch darum Menschen zu befaumlhi-gen im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten selbst Gren-zen zu ziehen souveraumln mit der Arbeitszeit umge-hen zu koumlnnen und Anforderungen an Flexibilitaumlt selbstbestimmter zu gestalten Mit sehr verschie-den weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men

Regelungen werden getroffen so dass Vorge-setzte nicht auszligerhalb definierter Zeiten auf Be-schaumlftigte zugreifen Die Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit laumlsst sich im Prinzip relativ einfach bewerkstelligen

BeispielbdquoWaumlhrend der Pausen und nach Dienstende ist das Handy der Firma [hellip] auszuschaltenldquo (Sonstige Verkehrsdienstleister 0902021062003)

BeispielAllerdings ist diese Regelung 12 Jahre alt Inzwi-schen sind Verbreitung mobiler Endgeraumlte und tech-nische Moumlglichkeiten um ein vielfaches gewachsen so dass diese Regelung zwar noch guumlltig ist jedoch vermutlich haumlufig unterlaufen wird Diese Regelun-gen uumlberlaumlsst es den Beschaumlftigten auszligerhalb der Arbeitszeit und des Betriebsgelaumlndes die dienstli-chen mobilen Kommunikationsgeraumlte zu nutzen oder auch nicht

BeispielbdquoEs besteht ausdruumlcklich keine Verpflichtung au-szligerhalb der Rahmenarbeitszeit fuumlr die [Firma] mittels dieser Kommunikation erreichbar zu sein (Grund-stuumlcks- und Wohnungswesen 0903002052009)

Ein naheliegender Gedanke ist eine technische Louml-sung zu regeln die nicht so schnell unterlaufen wer-den kann wie z B begrenzte Zugriffszeiten auf das Firmennetz

BeispielbdquoWaumlhrend des Zeitfensters von 1815 Uhr bis 0700 Uhr und an Wochenenden steht die Telefonfunktion zur Verfuumlgung alle anderen Anwendungen nicht [hellip] Uumlber besondere Einzelfaumllle die durch diese Ver-fahrensregelung nicht ausreichend abgedeckt sind werden Unternehmen und Betriebsrat einvernehm-lich entscheidenldquo (0902021742011)

Die folgende Vereinbarung ist noch zwei Jahre juumln-ger und geht wieder einen anderen Weg Sie regelt Reaktionszeiten und das Recht auf Abwesenheits-freiraumlume

BeispielbdquoDer Mitarbeiter stimmt mit seinem Vorgesetzten unter Beruumlcksichtigung und Abwaumlgung betrieblicher und privater Erfordernisse seine Erreichbarkeit ab Diese orientiert sich an der im jeweiligen Team uumlbli-chen Lage der Arbeitszeit kann aber auf Wunsch des Mitarbeiters davon abweichen Auszligerhalb der ab-gestimmten Zeiten der Erreichbarkeit hat der Mitar-beiter im Sinne der Ruhe und Erholung das Recht nicht erreichbar zu sein Dazu zaumlhlen in der Regel ndash so-weit nicht Bestandteile des jeweiligen Arbeits-zeitmo-dells ndash die Abend- und Morgenstunden sowie Samsta-ge Sonn- und Feiertage Der Mitarbeiter muss auszliger-dem die Moumlglichkeit haben die ihm uumlbertragenen Aufgaben in einer angemessenen Zeit innerhalb der uumlblichen Arbeitszeiten oder innerhalb der mit seinem Vorgesetzen abgestimmten [Zeiten] erledigen zu koumln-nen (Reaktionszeit)ldquo (0801022192013)

Bei Dienstreisen gemeinsamen Projekten uumlber Zeit-zonen hinweg und bei der Arbeit beim Kunden be-stimmen zusaumltzlich auch aumluszligere Faktoren die Arbeit Wichtig ist daher auch Reisezeiten angemessen zu bewerten und Arbeitszeit korrekt zu erfassen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Vo-raussetzung dafuumlr dass ein Zeitausgleich uumlberhaupt moumlglich wird (vgl Hinrichs 2014)

Mobile Telearbeit

Staumlndige Erreichbarkeit ist ein wesentliches Anlie-gen heutiger Vereinbarungen rund um mobile Ar-

Kurz und knapp

- Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leistungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebs-vereinbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbestimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlgli-chen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

- Mit sehr verschieden weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Ar-beitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

- Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelun-gen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinba-rungen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Com-pliance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 13

beit und die Nutzung mobiler Endgeraumlte Eines der ersten Unternehmen das mit einer Betriebsverein-barung zur Regelung der staumlndigen Erreichbarkeit im Jahr 2011 die oumlffentliche Debatte anregte war die Volkswagen AG (vgl Spiegel 2014) Man verein-barte zunaumlchst dass Serverfunktionen auszligerhalb der vertraglichen Arbeitszeit fuumlr tariflich Beschaumlftig-te abgeschaltet werden Ein weiteres ebenfalls oumlf-fentlich diskutiertes Beispiel in diesem Kontext bie-tet die Daimler AG Das Unternehmen ermoumlglicht uumlber einen elektronischen Abwesenheits- assistenten namens bdquoMail on Holidayldquo alle E-Mails die waumlhrend des Urlaubs eingehen automatisch louml-schen zu lassen Die Botschaft Man muss nicht waumlhrend seines Urlaubs arbeiten Seit Sommer 2013 existiert im Bundesarbeitsministerium eine Verein-barung wonach Fuumlhrungskraumlfte nur noch in begruumln-deten Ausnahmefaumlllen Beschaumlftigte in ihrer Freizeit per E-Mail oder telefonisch kontaktieren duumlrfen Der Betriebsrat der BMW AG wurde 2014 mit dem Deut-schen Betriebsraumlte-Preis in Gold ausgezeichnet fuumlr eine Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der mobi-len Arbeit Vorteile flexibler Arbeitszeiten und -orte werden genutzt um gleichzeitig eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen unter anderem durch das Recht auf Nichterreichbarkeit Kompetenzen werden geschult und die Arbeitszeit wird konsequent er-fasst Auch bei Bosch vereinbarte man dass Ar-beitszeit und Arbeitsort eigenverantwortlich und aufgabenbezogen mobil gestaltet und abgestimmt werden koumlnnen Feste Bedingung ist dass die Ar-beitszeit nach wie vor erfasst und verguumltet wird

Sehr unterschiedliche aktuelle Beduumlrfnisse von Beschaumlftigten und Fuumlhrungskraumlften werden aufge-griffen Man sucht gemeinsam nach kollektiven Louml-sungen Aber die Quadratur des Kreises lautet Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten Wenn etwa bei Vertrauensarbeitszeit auf eine Ar-beitszeiterfassung verzichtet wird dann fehlt Be-schaumlftigten ein sehr zentrales Instrument um Leis-tungsforderungen und Leistungsverdichtung uumlber-haupt dokumentieren und dann auch abbauen zu koumlnnen (vgl Klein-Schneider 2007) Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexiblen Ar-beitszeitgestaltung gelebt werden Compliance be-deutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Vom Ausmaszlig der Flexibilitaumlt in der Arbeitszeitregu-lierung sind sowohl die Produktionsbedingungen von Unternehmen als auch die Arbeits- und die Le-bensbedingungen von Beschaumlftigten maszliggeblich be- troffen Arbeitszeitgestaltung ist daher ein wesentli-

ches Kernelement der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarif-vertrag vereinbart wurden Betriebsparteien regeln die Gestaltung von Arbeitszeitkonten vor allem den Auf- und Abbau ihre Verwendung sie regeln auch ob wann und wie Guthaben entstehen koumlnnen ob und wie Mehrarbeit verguumltet wird wie Rahmenar-beitszeiten aussehen wann Arbeitszeit voruumlberge-hend verkuumlrzt wird etc

Es gibt eine Fuumllle an tariflichen Regelungen um flexible Arbeitszeiten zu gestalten (vgl Bispinck 2015) Die aktuelle Debatte um eine scheinbar not-wendige Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes er-waumlchst daher kaum aus der betrieblichen Realitaumlt Arbeitszeitkonten sind das notwendige Instrument um flexible Arbeitszeiten uumlberhaupt zu gestalten Mit Kontenmodellen koumlnnen betriebs- und marktbe-dingte Schwankungen der Produktion in woumlchentli-chen monatlichen oder auch jaumlhrlichen Arbeitszei-ten festgehalten kontrolliert und ausgeglichen wer-den Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeitaus-gleich (vgl Hamm 2013) Einfache Gleitzeitkonten mit monatlichem Ausgleichsmechanismus erlauben es dass Zeitgutschriften gespart und im Verlauf der vier Wochen genutzt werden Die angesparte Zeit kann auch uumlber laumlngere Zeitraumlume als einen Monat auf Konten gespart werden Uumlblich ist dann die Ver-wendung von Jahreskonten Auf diese Weise koumln-nen Betriebe auch in Schichtarbeit flexiblere Ar-beitszeiten entwickeln (vgl Grzech-Sukalo 2013)

Um eine fuumlr Beschaumlftigte bdquoplanbareldquo Flexibilisie-rung der Arbeit zu ermoumlglichen sehen Vereinbarun-gen Grundplanungen z B uumlber ein Jahr vor Diese kann an betriebliche Auftragsschwankungen ange-passt werden Zusatz- und Ausfallschichten in ei-nem flexiblen Schichtsystem werden uumlberwiegend von der Arbeitgeberseite bestimmt um den Perso-naleinsatz bedarfsgerecht zu gestalten Unterneh-men nutzen heute diverse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusammenhaumlngendes Gesamtkonzept

ndash Ein Gleitzeitkonto gleicht kleinere monatliche Schwankungen der Stunden aus

ndash Ein individuelles Arbeitszeitkonto mit Verteil-zeitraumlumen wird als Jahresarbeitszeit geregelt so dass taumlgliche und woumlchentliche Zeiten schwanken koumlnnen

ndash Auf Flexi-Konten werden Stunden gespart die fuumlr konjunkturbedingte Engpaumlsse zur Verfuuml-gung stehen so dass Beschaumlftigung gesichert und Kurzarbeit vermieden werden kann

ndash Langzeitkonten mit mehrjaumlhrigen Ansparpha-sen sind fuumlr laumlngere bezahlte Freistellungen nutzbar z B als Sabbatical Qualifizierungs-zeit vorgezogener Ruhestand

Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzun-gen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 14

barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Kuumlnftig wird es vermut-lich noch wichtiger sein die Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu koppeln Ent-grenzung zu begrenzen und Arbeitszeit schlichtweg wieder zu erfassen Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumen-te (vgl HofmannSmolenski 2015)

22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen

Der demografische Wandel bedeutet seit laumlngerer Zeit schon prognostizierte groszlige Umwaumllzungen Der demo-grafische Wandel kann sich je nach Branche sehr ver-schieden zeigen und mit sehr unterschiedlichen Maszlig-nahmen in der betrieblichen Realitaumlt gestaltet werden In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungsfortschritten (vgl Busse et al 2015) Haumlu-fig heiszligt demografischer Wandel im Betrieb dreierlei

ndash verschiedene Beschaumlftigtengruppen zu integrieren erwerbstaumltige Muumltter mit Arbeitszeitmodellen (vor allem Teilzeit) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung bzw Kinderbetreuung Men-schen mit Migrationshintergrund junge und alte Menschen Leistungsveraumlnderte Als neues Thema wird es auch darum gehen Fluumlchtlinge moumlglichst effizient in den Arbeitsmarkt zu integrieren

ndash Arbeits- und Gesundheitsschutz zu realisieren

Kurz und knapp

- Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernelement der Tarifpolitik Betriebspartei-en regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt wer-den kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wur-den Unternehmen nutzen heute diverse Ar-beitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

- Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anlie-gen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeit-ausgleich Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Aus-einandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der vereinbarten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang be-trieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber ge-stellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

fuumlr alternde Belegschaften ganzheitliche Ge-faumlhrdungsbeurteilungen alter(n)sgerechte Ar-beitsgestaltung Altersteilzeit

ndash Fachkraumlftebedarf abdecken Ausbildung gestal-ten Weiterbildung und lebenslanges Lernen si-chern und foumlrdern

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben konzentrierten sich sehr lange auf die Fra-ge der angemessenen Lage und Verteilung von Ar-beitszeit bezogen auf die Notwendigkeit Kinder und Berufstaumltigkeit besser zu vereinbaren (vgl MaschkeZurholt 2013) Inzwischen weitete sich das Thema auf die Pflege von Familienangehoumlrigen aus Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen verbunden ist Unter-nehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrich-tungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexible Zeitarran-gements (vgl Reuyszlig 2015 MaschkeZurholt 2013)

Allerdings koumlnnen im Lebensverlauf sehr viele un-terschiedliche Ereignisse es erfordern dass die Work-Life-Balance neu austariert werden will und man vor allem seine Arbeitszeit flexibel gestalten moumlchte oder muss Beschaumlftigte die ins Berufsleben starten ha-ben wahrscheinlich andere Arbeitszeitbeduumlrfnisse als Beschaumlftigte mit Familienpflichten die verlaumlssliche Ar-beitszeiten benoumltigen Menschen die sich kurz vor dem Ruhestand befinden oder gesundheitlich einge-schraumlnkt sind setzen wiederum andere Prioritaumlten

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsvereinba-rungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlig-nahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen die Tarifvertraumlge3 und einige Betriebsvereinbarungen

3 Einige Tarifvertraumlge sowie Betriebsvereinbarungen sehen Alters-struktur- oder Demografie-Analysen vor z B der bdquoTarifvertrag zur Gestaltung des demographischen Wandels in der Eisen- und Stahl-industrieldquo vom November 2006 oder der BCE-Tarifvertrag bdquoLebens-arbeitszeit und Demografieldquo (2008) Weitere Themen der Tarifver-traumlge sind z B flexible (Demografie-)Fonds fuumlr unterschiedliche Belange (flexible Arbeitszeiten fuumlr bestimmte Personengruppen) Arbeits- und Gesundheitsschutz Qualifizierungsoffensiven etc

Kurz und knapp

- In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unter-schiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungs-fortschritten

- Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Be-reitstellung von Ressourcen verbunden ist Unternehmen unter-stuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexi-ble Zeitarrangements

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 15

vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektio-nen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Im bdquoTarifvertrag Demografie der chemischen In-dustrieldquo (2008) sind die verbindliche Regelung von Altersstrukturanalysen sowie finanzielle Beitraumlge fuumlr Demografie-Fonds geregelt Dies wird im Un-ternehmen spezifiziert Fuumlr Unternehmen ohne Be-triebsrat ist hier die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung geregelt Moumlgliche Zweckbindungen des Fonds koumlnnen fuumlr Langzeit-konten Altersuumlbergaumlnge (Altersteilzeit Teilrente) Altersvorsorge Berufsunfaumlhigkeit und lebenspha-senorientierte Arbeitszeitgestaltung genutzt wer-den Uumlber die Haumllfte der Beschaumlftigten der chemi-schen Industrie wird von diesen Leistungen ver-sorgt (Jungvogel 2013 S 235)

Betriebsvereinbarungen zur lebensphasenorien-tierten Arbeitszeitgestaltung regeln zB

BeispielbdquoDie Betriebsparteien wollen fuumlr eine lebensphasen-orientierte Arbeitszeitgestaltung aller Beschaumlftigten der [Firma] einen verringerten Arbeitseinsatz in be-stimmten Lebensphasen ermoumlglichen sofern nicht andere gesetzliche oderund tarifliche Bestimmun-gen in Anspruch genommen werden koumlnnen [hellip] Lebensphasen koumlnnen beispielsweise sein - die Betreuung pflegebeduumlrftiger Angehoumlriger - Vor- und Nachsorgezeiten bei Erkrankungen des

Partners undoder der Kinder - Unterstuumltzung der Lebens- und Arbeitssituatio-

nen des Partners undoder der Kinder - intensive Begleitung von Kindern waumlhrend der

Einschulungsphase oder es Uumlbergangs an wei-terfuumlhrende Schulen

- gleitender Wiedereinstieg nach einer familienbe-dingten Auszeit

- die berufsbegleitende Absolvierung einer Wei-terbildungeines Studiums

- unvorhersehbare familiaumlrepersoumlnliche Ausnah-mesituationen [hellip]

Zur Ermoumlglichung [hellip] wird ein Topf in Houmlhe von 50 TEUR pa gebildet [hellip]ldquo (NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobil-elektronik 03020028602015)

Kurz und knapp - Regelungen existieren sowohl auf Branchen-

bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Be-triebsvereinbarungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie

- Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifver-traumlge und Betriebsvereinbarungen vor um zu-naumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Wichtige Stichworte fuumlr Maszlignahmen sind Gesundheits- bzw Eingliede-rungsmanagement Belastungsreduzierungen Er-gonomie sowie alters- und alternsgerechte Arbeits-bedingungen und ganzheitliche Gefaumlhrdungsbeur-teilungen

Die gesetzliche Pflicht zur Gefaumlhrdungsbeurtei-lung wird inzwischen von 51 der Unternehmen (BAuA 2015) erfuumlllt und in der Regel in Betriebsver-einbarungen festgeschrieben Vor allem kleine Be-triebe mit bis zu 49 Beschaumlftigten hinken deutlich hinterher

Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure Die Sick AG wurde vor einiger Zeit bekannt mit einer Vereinba-rung zur Umsetzung ganzheitlicher Gefaumlhrdungs-beurteilungen Der nicht konfliktfreie Prozess fuumlhr-te zur Etablierung eines paritaumltisch besetzten Steu-erungskreises der die Verfahren lenkt Das Ziel ist vor allem Stress und Fehlbelastungen zu erkennen und gezielte Loumlsungen von sehr unterschiedlicher Reichweite sehr konkret mit vielen kleinen Loumlsun-gen gemeinsam zu entwickeln (vgl Molitor 2013) Das koumlnnen stoumlrungsfreie Arbeitszeiten sein redu-zierte Geraumluschbelastungen durch Telefonklingeln vereinbarte Zeitpuffer etc

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Bereits heute wird an bdquointelligenter persoumlnlicher Schutz-kleidungldquo fuumlr Feuerwehreinsatzkraumlfte gearbeitet (vgl Roszlignagel 2012) Einsatzkraumlfte koumlnnen in Ge-fahrensituationen geortet und selbst besser ge-schuumltzt werden indem unter anderem ihre Koumlrper-funktionen mittels Datenuumlbertragung im Einsatz permanent uumlberwacht werden Wie wird kuumlnftig gewaumlhrleistet dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausge-wertet werden koumlnnen Im betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) sind erste bdquozarteldquo Ansaumlt-ze fuumlr betriebliche Umgangsformen gefunden um entsprechend sensibel mit Daten umzugehen So sollte beispielsweise die BEM-Akte der bzw des Betroffenen separat gefuumlhrt und nicht in die Perso-nalakte integriert werden Ein Hebel fuumlr den Ar-beits- und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestimmung liegt auch darin die gesicherten arbeitswissen-schaftlichen Erkenntnisse uumlber die menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gel-tung zu bringen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 16

23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 17

2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

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24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

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oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

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2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

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immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

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- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

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4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

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5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 26

Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 27

Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 28

Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 5: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 5

Coopers (vgl PWC 2014) steigt die Nachfrage nach Cloud-Anwendungen kontinuierlich und Social-Me-dia-Anwendungen sind das Top-Instrument fuumlr den Kontakt und die Kommunikation mit Kunden Da die Vielfalt und Quellen der Daten stetig wachsen sind offenbar auch hier Datenanalysetools vielverspre-chend (Stichwort Big Data) Echtzeiterkennung von Fahrzeugstandorten fuumlr Kunden ist inzwischen Alltag Neue Geschaumlftsideen werden in neuen Datenerfas-sungsmoumlglichkeiten gesehen (Luftverschmutzung messende oder den Straszligenbelag pruumlfende Fahrzeu-ge etc) Lagerhaltung und Logistik sind ohne Digitali-sierung nicht mehr denkbar ndash in allen Industrien Mit-tels RFID-Technologie zur Identifizierung und Ortung von Waren und Menschen wird sich ein Konzept wie das Internet der Dinge vermutlich rasant weiterentwi-ckeln koumlnnen Informationsbasierten Dienstleistun-gen rund um die Nutzung von Produkten wird ein groszliger Markt vorausgesagt (vgl Bienzeisler 2014)

Fragt man danach was auf der betrieblichen Ebe-ne vorhanden ist so kommt man zu sehr verschieden weitreichenden Themen und Ansatzpunkten

In Betriebsvereinbarungen wird fuumlr den heutigen Stand umfangreich Informations- und Kommunikati-onstechnik (IKT) geregelt Das gilt fuumlr IKT-Rahmen-vereinbarungen Telekommunikation Datenschutz Einsatz von und Arbeit mit Technik im Buumlro (Mail Te-lefonie Video etc) Seltener stellt die Digitalisierung an sich ein Thema dar Es geht vor allem darum Leis-tungs- und Verhaltenskontrolle zu begrenzen Daten-schutz fuumlr Beschaumlftigte zu gewaumlhrleisten trotz wach-sender Datenberge sowie breiter und schneller wer-dender Datenstroumlme In verschiedenen Kontext- themen wie z B Arbeits- und Gesundheitsschutz Ar-beitszeit Qualifizierung und Mitbestimmung wird versucht soziale Nachteile zu mildern Im Folgenden werden beobachtete Regelungstrends zu einzelnen Gestaltungsfeldern im Uumlberblick zusammengefasst

IKT-Rahmenvereinbarung

Die Bedeutung der Informations- und Kommunikati-onstechnologie (IKT) wird weiter wachsen (vgl BDI 2015) Betriebs- und Personalraumlte werden tendenzi-ell haumlufiger als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig beteiligt Dies legt die Auswertung von 140 Verein-barungen nahe (vgl BoumlkerDemuth 2013) Die Ge-staltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherr-schung Denn letztlich ist eine vollstaumlndige Uumlberwa-chung der IKT unmoumlglich IKT-Rahmenvereinbarun-gen sind freiwillige Vereinbarungen Sie vereinfa-chen haumlufig Mitbestimmungsverfahren indem Grund- saumltze festgeschrieben werden zur Beteiligung zur Arbeit in paritaumltischen Ausschuumlssen zum Informati-onsfluss etc In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzli-chen Mitbestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der betrieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Projektentwicklungen mitwirken kann Ein Beispiel stammt aus dem Jahr 2010

Beispiel bdquoMit dem Betriebsrat werden auf Wunsch der [Fir-ma] oder des Betriebsrats vor Projektbeginn in einer Projektvereinbarung folgende Punkte festgelegt - Art und Umfang der Teilnahme des Betriebsrats an

den Projektsitzungen und dem Lenkungsausschuss - Meilensteine oder Projektabschnitte die einer Be-

ratung oder Zustimmung des Betriebsrats beduumlr-fen bevor das Projekt weitergefuumlhrt werden kann

- lesender online-Zugriff auf die vollstaumlndige Projekt-dokumentation und die Sitzungsprotokolleldquo

(Versicherungsgewerbe 0902014702010)2

Ein solcher Trend haumlngt sicherlich auch vom Know How der Akteure und vermutlich von der Branche ab Das folgende Beispiel ist in dieser Hinsicht fort-schrittlich weil die Regelung bereits aus dem Jahr 2000 stammt und verhaumlltnismaumlszligig offen ist

Beispiel bdquoGeschaumlftsleitung (GL) und Standort-Betriebsrat (BR) der [hellip]-Gruppe am Standort [hellip] sind sich darin einig dass ein zukunftsorientierter Einsatz der Informati-onstechnik dem Wohle des Unternehmens sowie sei-ner Mitarbeiter zu dienen hat Dieses Ziel kann nur er-reicht werden wenn GL BR und Mitarbeiter gleicher-maszligen die Anwendung neuer Technologien mit- tragen und mitgestalten Dazu ist es notwendig - dass der Betriebsrat und die betroffenen Mitarbeiter

sich konstruktiv und qualifiziert am Entscheidungs- und Gestaltungsprozess beteiligen koumlnnen [hellip]

- dass die mit der Projektabwicklung befassten IT-Stellen durch diese Regelungen nicht behindert werden bzw dass auf die Belange der hier Be-schaumlftigten Ruumlcksicht genommen wirdldquo

(NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobilelek-tronik 0902013602000)

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrol-le Daher werden hier einige Beispiele ausfuumlhrlicher dokumentiert Ein absolutes Verbot der Leistungs- und Verhaltenskontrolle wie das folgende wird nicht immer ausgesprochen

Beispiel bdquoEin IT-System darf grundsaumltzlich nicht zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle genutzt werden Abwei-chungen sind mit dem Betriebsrat zu vereinbarenldquo (Wasserversorger 0902014112006)

Eher schlieszligt sich an das Verbot die definierte Aus-nahme an Die folgende Regelung erweitert den Ausschluss der Kontrolle einzelner Beschaumlftigter und von Mitarbeitergruppen und benennt die Akteu-re an denen es nicht vorbei gehen darf Betriebsrat und Datenschutzbeauftragte

2 Die Kennung am Ende des Zitats bezeichnet die Quelle und den Standort der Vereinbarung im Archiv (Branche Themalfd NrJahr)

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 6

Beispiel bdquoEs ist ausdruumlcklich ausgeschlossen dass die erho-benen und verarbeiteten personenbezogenen oder beziehbaren Daten zum Zwecke der Verhaltens- undoder Leistungskontrolle bezogen auf einen MitarbeiterIn oder eine Gruppe MitarbeiterInnen eingesetzt werden es sei denn der BR und der Da-tenschutzbeauftragte stimmen dem im Einzelfall ge-sondert zuldquo (Kreditgewerbe 0902014382006)

Einzelkontrollen werden an gesetzliche oder tarifli-che Bestimmungen gebunden die eine Kontrolle zu-lassen wuumlrden

BeispielbdquoEine Kontrolle der Leistung oder des Verhaltens ein-zelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen un-ter Nutzung elektronisch gespeicherter personenbe-zogener Daten wird [hellip] nicht einseitig durchgefuumlhrt soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht bestehtldquo (Baugewerbe 0902014752010)

Im Zusammenhang mit Outsourcing von IT-Systemen und deren Organisation werden Regelungen notwen-dig die auch Dienstleistern Maszlignahmen untersagen die der Leistungs- und Verhaltenskontrolle dienen koumlnnten Entsprechende vertragliche Regelungen ge-maumlszlig sect 11 BDSG gehen nach Ansicht der betrieblichen Vertragspartner nicht weit genug Sie halten daher eine Regelung wie die folgende fuumlr notwendig

Beispiel bdquoDer Arbeitgeber unterlaumlsst es ohne ausdruumlckliche Zustimmung des Betriebsrates Auswertungen von personenbezogenen Daten die durch diese BV aus-geschlossen sind durch Dritte vornehmen zu lassen bzw zu verwendenldquo (Verlags- und Druckgewerbe 0902012692005)

Nachstehend werden die zulaumlssigen Zwecke von Aus-wertungen in allgemeiner Form aufgelistet Jegliche daruumlber hinausgehende Nutzung ist dann verboten

BeispielbdquoSoweit im Einsatz befindliche luK-Systeme Aktivitauml-ten der Benutzer aufzeichnen duumlrfen diese nur - zur Gewaumlhrleistung der Systemsicherheit - zur Gewaumlhrleistung von Datenschutz und Daten-

sicherheit - zur Uumlberpruumlfung der Einhaltung von Betriebsver-

einbarungen und gesetzlichen Vorschriften - zur Analyse und Korrektur technischer Fehler in

den Systemen zur Steuerung und Optimierung der Systeme

- zur Abrechnung verbrauchter Systemleistungen - zur Wahrung gesetzlicher Aufbewahrungsvor-schriften

- zur Wahrung von Pruumlfungsauflagen durch Finanz-behoumlrden und Wirtschaftspruumlfer

benutzt werdenldquo (Ernaumlhrungsgewerbe 0902014942008)

Die Regelungen begrenzen die Verwendung auf ei-nen oder mehrere Zwecke die Aufzeichnung wird jedoch nicht generell angezweifelt In weiteren Ein-zelvereinbarungen werden Ergaumlnzungen zu einzel-nen Systemen abgeschlossen Im Idealfall entsteht auf diese Weise eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen

Insgesamt lassen die vorliegenden IKT-Rahmen-vereinbarungen neueren Datums den Schluss zu dass Betriebsraumlte ihre Rechte kompetent nutzen Es leuchtet ein dass wachsende Ressourcen- und Zeit-probleme im Betriebsrat entstehen da die digitale Durchdringung von Prozessen und die Innovations-geschwindigkeit bei IKT enorm ist Updates von Programmen und umfangreiche Aumlnderungen folgen in kurzer Taktung Besonders die vertrauensvolle Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt daher einen groszligen Stellenwert Lenkungs-ausschuumlsse paritaumltische Kommissionen und Trans-parenz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlgli-chen Das wird besonders dann relevant wenn z B noch mehr Daten ausgelagert werden und die Ge-fahr besteht dass Cloud-Anwendungen die Mitbe-stimmungsmoumlglichkeiten ins Leere laufen lassen weil Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden

Nutzung von E-Mail und Internet

Der betriebliche Umgang mit dem Internet ist selbstverstaumlndlich Die E-Mail hat eine ungebrochen wichtige Bedeutung in der Kommunikation mit Kun-dinnen und Kunden die Recherche im Internet ist fuumlr viele Beschaumlftigte Alltag Entsprechend weniger Raum nehmen heute Regelungen ein die bestim-men ob Beschaumlftigte die Internetdienste uumlberhaupt nutzen duumlrfen der Zugang zum Netz ist selbstver-staumlndlich Die in fruumlheren Auswertungen festgestell-ten Unklarheiten diesbezuumlglich kommen so in neue-ren Vereinbarungen kaum noch vor (vgl BoumlkerDe-

Kurz und knapp

- Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlufiger als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig beteiligt Dies legt die Auswer-tung von 140 Vereinbarungen nahe Die Gestaltung des Technik-einsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kont-rolle und Beherrschung

- In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmer-vertretung uumlber die gesetzlichen Mitbestimmungsprozesse hin-aus als Gestalter der betrieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Projektentwicklungen mitwirken kann

- Zentrale Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswer-tung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 7

muth 2014) Haumlufig finden sich Regelungen die eine private Nutzung in der Freizeit und in den Pausen er-lauben nachdem die Beschaumlftigten eine Erklaumlrung unterzeichnet haben mit der datenschutzrechtliche Beschraumlnkungen zur Protokollierung und Auswer-tung fuumlr den Arbeitgeber aufgehoben werden Leis-tungs- und Verhaltenskontrolle wird regelmaumlszligig auf dem Papier ausgeschlossen Im Umgang mit Proto-kolldateien sind Spielraumlume vorhanden um diese auszuwerten Die missbraumluchliche Nutzung von In-ternetdiensten soll bewiesen werden

Relevant wird dies insbesondere wenn E-Mail- und Internetdienste durch die Arbeitnehmervertre-tungen genutzt werden und ein besonderer Schutz der Daten notwendig wird Die folgende Regelung ist dafuumlr beispielhaft Sie bezieht zusaumltzlich alle an-deren Personen und Gruppierungen ein die per Ge-setz einem besonderen Schutz unterliegen

Beispiel bdquoWerksaumlrzte Psychologen Suchtberater Suchtkran-kenhelfer Sozialberater Betriebsraumlte und Jugend- und Auszubildendenvertreter und andere Interessen-vertreter der Belegschaft Schwerbehindertenvertre-ter Pressemitarbeiter und Rechtsanwaumllte sowie die im betrieblichen Datenschutz taumltigen Personen und die [betrieblichen Datenschutzbeauftragten] genie-szligen einen Sonderschutz Eine Liste der geschuumltzten Personen wird durch die lokale Personalabteilung dem zustaumlndigen Administrator zur Einrichtung und dem lokalen Betriebsrat zur Uumlberpruumlfung der Einhal-tung dieser Betriebsvereinbarung zur Verfuumlgung ge-stellt E-Mails die an diesen Personenkreis gerichtet sind unterliegen dem maximalen Schutzldquo (Bran-chenuumlbergreifend 0903001882010)

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeits-verdichtungen werden in den meisten Vereinbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet Selten werden etwa ausfuumlhrliche Regelungen zum Umgang mit Abwe-senheitszeiten und Vertretungsregelungen formuliert

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Diese Geraumlte werden in den Vereinbarungen bisher kaum mit ihren umfassenden Einsatzmoumlglichkeiten wahrgenommen bezogen auf die Kommunikation (Te-lefon Kurznachrichten und elektronische Post) und

Kurz und knapp

- Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Vereinbarungen zur E-Mail-Nut-zung nicht betrachtet

das Informationsmanagement (Adressbuch Kalender Aufgabenlisten Projektsoftware) Mobile Device Ma-nagement (MDM) ermoumlglicht es alle mobilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfigurationen zentral zu ver-walten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und An-wendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbe-stimmung Nur wenige Vereinbarungen erfassen das Thema bislang umfassend (vgl Thannheiser 2015) Durch MDM werden mobile Geraumlte transparent ortbar und auswertbar ndash was der Verhaltens- und Leistungs-kontrolle Wege eroumlffnet Alle mobilen Zugriffe auf Do-kumente werden vom MDM-System luumlckenlos aufge-zeichnet Schnittstellen ermoumlglichen die Weitergabe an beliebige andere Systeme Daruumlber hinaus ist der sogenannte Echtzeit-Remote-Zugriff moumlglich (Remote Control) Je nach Freigabe ist es moumlglich sich auf Mo-biltelefone aufzuschalten und diese fernzubedienen

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspannun-gen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtliche Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leistungs-kontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte einge-setzte Software bleiben ebenso haumlufig unbeantwor-tet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Ta-blets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen

Unter dem Begriff Social Media werden alle techni-schen Moumlglichkeiten zusammengefasst die es er-lauben z B auf Plattformen miteinander in Kontakt zu treten um sich zu vernetzen mediale Inhalte ge-meinsam zu erarbeiten zu teilen oder zu kooperie-ren Unternehmen nutzen Social-Media-Angebote heute fuumlr interne wie externe Bereiche Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessenvertretun-gen und Arbeitgeber nicht selten vor vollendeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt Be-schaumlftigte schaffen Fakten und veraumlndern Unterneh-

Kurz und knapp

- Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mobilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfigurationen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Sys-temen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Vereinbarun-gen erfassen das Thema bislang umfassend

- Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Ver-spannungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtliche Fra-gen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leistungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbeantwortet Die Nutzung von Apps auf Smart-phones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 8

men indem sie den im Privatleben alltaumlglichen Ge-brauch in das Berufsleben hineintragen

Die Auswertung von Regelungen zur Social-Me-dia-Verwendung in Betrieben zeigt Nur selten wur-den Betriebs- und Dienstvereinbarungen abge-schlossen dafuumlr mehr Richtlinien bzw Social-Me-dia-Guidelines (vgl GreveWedde 2014)

BeispielbdquoDie Nutzung sozialer Netzwerke wie Twitter Face-book Xing oder Wikipedia gewinnt eine immer groumlszlige-re Bedeutung [hellip] Die [Firma] kann sich hier darstel-len ihre Produkte verbreiten und fuumlr sie werben Es liegt im Interesse der [Firma] das Engagement der Mitarbeiter im Bereich der sozialen Medien zu foumlrdern [hellip] Um den Beschaumlftigten Sicherheit im Umgang mit den sozialen Netzwerken zu geben und daruumlber hinaus die Interessen beider Seiten gleichermaszligen zu wah-ren haben die Betriebsparteien einen Kodex erstellt als Regelwerk fuumlr das digitale Miteinander im Internetldquo (Verlags- und Druckgewerbe 0903002262011)

Manche Unternehmen beziehen ihre Richtlinien aus-druumlcklich auf die dienstliche Nutzung Demgegen-uumlber entwickeln andere ihre Richtlinien offenbar ge-rade dafuumlr Beschaumlftigten Regeln fuumlr die private Nut-zung von Social Media an die Hand zu geben

BeispielbdquoDer Leitfaden ist nicht als Anleitung fuumlr Mitarbeiter ge-dacht die fuumlr die offiziellen Kommunikationskanaumlle [der Firma] zustaumlndig sind Es geht hier vielmehr um Ihre persoumlnlichen Aktivitaumlten in den Social Media sowohl waumlhrend der Arbeitszeit als auch zuhause Generell ist es Ihre Sache was Sie auszligerhalb der Arbeitszeit tunldquo (Telekommunikationsdienstleister 0903002872010)

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungspflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals relativ schnell erstellt wur-den um der rasanten Nutzung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spiel-regeln zusammenzufassen Dies ist dann eine Basis auf der die eigentlich mitbestimmungspflichtigen Fragen kuumlnftig umfassend geregelt werden koumlnnen und sollten

Kurz und knapp

- Bei Social-Media-Anwendungen stehen Inter-essenvertretungen und Arbeitgeber nicht sel-ten vor vollendeten Tatsachen denn die Nut-zung findet bereits statt

- Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oft-mals relativ schnell erstellt wurden um der ra-santen Nutzung sozialer Medien eine rechtli-che Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammenzufassen

GPS-Zugriff auf Daten u a

Der Zugriff auf Daten z B mittels GPS Funknetz oder RFID birgt ein enormes Rationalisierungs- und Ein-sparpotenzial Bewegungsdaten von Menschen und Waren mittels GPS-Ortung auszuwerten kann fuumlr den Kundenservice die Optimierung von Einsaumltzen Be-standskontrollen Abstimmungsprozesse (mit dem Smartphone) genutzt werden Im Hinblick auf verbesserte Kundenfreundlichkeit kann die Weiterga-be von Standortdaten eine groszlige Rolle spielen Fuumlr Beschaumlftigte sind gegebenenfalls Regelungen zum Datenschutz notwendig Datensparsamkeit Zweck-bindung und Persoumlnlichkeitsschutz sollen vor unzulaumls-sigen Kontrollen schuumltzen In Vereinbarungen werden daher vor allem Datenauswertungen eingeschraumlnkt (vgl Kiper 2011) Vereinzelt duumlrfen personenbezogene Daten nur im Ausnahmefall und mit Zustimmung der Interessenvertretung ausgewertet werden oder die Auswertung wird an die Zustimmung der Interessen-vertretung gebunden Regelungsgegenstand ist oft-mals aber nicht ob sondern wie Daten ausgewertet werden Wie ernsthaft und streng diese Regelungen in der Praxis umgesetzt werden ist unklar

Datenschutz und Kontrolle

In juumlngerer Zeit werden Regelungsstrategien er-probt wonach der Betriebsrat zwar grundsaumltzlich je-der Software-Einfuumlhrung zustimmt aber nur unter der Bedingung dass Leistungs- und Verhaltenskont-rolle ausgeschlossen ist Dies wird mit einem Son-derkuumlndigungsrecht untermauert Falls gegen diese Vereinbarung verstoszligen wird folgt der sofortige Stopp der weiteren Software-Einfuumlhrung So kann sich ein schnelles Verfahren ergeben das gegebe-nenfalls ein teures Verfahren fuumlr das Unternehmen im Fall der Kuumlndigung nach sich zieht Zu kontrollie-ren ob eine Vereinbarung eingehalten wird kann je-doch relativ schwierig werden Gerade bei internati-onalen Konzernen kann zusaumltzlich eine Herausforde-rung darstellen wenn verschiedene Datenschutz- niveaus und -verstaumlndnisse vorherrschen

Bei der Deutschen Bahn brachte ein groszliger Da-tenskandal im Jahr 2009 Bewegung in den Daten-schutz Eine heute vorbildliches Daten- und Daten-schutzmanagement regelt die Datenstroumlme sehr streng Die Konzernbetriebsvereinbarung Beschaumlf-tigtendatenschutz steht im Konzern uumlber allen ande-ren internen Regelungen Das System wurde ins Le-ben gerufen um Beschaumlftigte zu schuumltzen aber auch um Kontrollen mit entsprechender Verhaumlltnis-maumlszligigkeit zu ermoumlglichen (vgl Kiesche 2015) ndash al-lerdings erst nachdem sich ein umfassender Skan-dal ereignet hatte

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem star-ken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Anti-terror-Verordnungen Vorgesehen ist der Abgleich von Beschaumlftigtendaten mit Namenslisten von so-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 9

genannten Terrorverdaumlchtigen Ob dies erlaubt ist und wenn ja welche Mitbestimmungspflicht ausge-loumlst wird ist unter Juristen umstritten Einige Kon-zerne haben inzwischen Betriebsvereinbarungen abgeschlossen um zumindest das Verfahren mitzu-gestalten (vgl Thannheiser 2015)

BeispielbdquoFuumlr die Erhebung Verarbeitung und Nutzung von Beschaumlftigtendaten zum Abgleich gegen Sanktions-listen sind das Bundesdatenschutzgesetz sowie die Konzernrichtlinien zum Datenschutz maszliggeblich Beim Abgleich der Beschaumlftigten- und Bewerberda-ten ist der Grundsatz der Datensparsamkeit zu be-achten und auf das zwingend erforderliche Mindest-maszlig zu beschraumlnkenldquo (0906002192014)

Auch hier zeigt sich die hohe Relevanz einer vertrau-ensvollen betrieblichen Zusammenarbeit der han-delnden Akteure

Kurz und knapp

- Viele Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen so-wie der Vermeidung von Leistungs- und Ver-haltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander ab-gestimmten flexiblen Regelungen die ver-bindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Ver-handlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

- Datensicherheit und Beschaumlftigtendaten-schutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Un-ternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat entstehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rahmengebende Tarifvertraumlge und ge-setzliche Regelungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur technisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsendes Thema

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krank-heitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausgewer-tet werden koumlnnen

- Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kon-trolle und die Verhinderung von Missbrauch und Straftaten durch zu wenig Kontrolle ste-hen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarun-gen zu sogenannten EU-Antiterror-Verord-nungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Neue Automatisierungsansaumltze Kommunikation zwischen Mensch und Maschine sowie neue Ge-nerationen von Robotern sind im Konzept Industrie 40 der Kern Eine prognostizierte Entwicklung fuumlr das Unternehmen 40 kann darin bestehen dass bdquopolarisierte Organisationenldquo entstehen werden mit hochspezialisierten Experten und abgewerte-ten Fachkraumlften (Hirsch-Kreinsen 2014) Anderer-seits koumlnnen bdquoSchwarm-Organisationenldquo entste-hen mit hochqualifizierten und gleichberechtigten Beschaumlftigten die selbst ihre Arbeit definieren und hochflexibel agieren (ebd) Welche Arbeitsorgani-sation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Pers-pektive sie Produktion und Arbeit sehen (vgl BDI 2015) Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Neue Produktionssysteme (Lean Production) etwa bringen diverse Aspekte zusammen Effizi-enz des Workflows verbessern Kostensenkung Qualitaumltsverbesserung Leistungsbemessung und Kennzahlensysteme Teamarbeit Betriebsdatener-fassung Motivationsverbesserung Verschwen-dung vermeiden etc Neben Effizienz geht es auch um die Transparenz und Kontrolle von Arbeitsleis-tung Scheinbar schleichend werden heute Ar-beitsorganisationen und Produktionsprozesse op-timiert Dies gilt fuumlr produzierende wie fuumlr indirek-te Bereiche in Verwaltungen (z B Lean im Buumlro) Taumltigkeiten werden staumlrker standardisiert und ge-taktet quasi in einer Flieszligfertigung miteinander verknuumlpft mit dem Ziel die Fehlerquote auf Null zu senken In den Produktionen und Buumlros scheinen sich diese Veraumlnderungen ambivalent auf die Ar-beitsbedingungen der Beschaumlftigten auszuwirken Durch verbesserte Organisationsweisen von Ar-beitsgaumlngen entstehen einerseits Arbeitsentlas-tungen diesen stehen jedoch z B wachsender Leistungsdruck durch hohe Transparenz Monoto-nie durch Standardisierung und Taktverkuumlrzungen gegenuumlber

Einen Blick in die Zukunft kann man heute schon in ersten Ansaumltzen werfen (vgl Beispiele in Ittermann ua 2015) Bei Audi in Ingolstadt arbei-tet ein Roboter inzwischen mit Menschen zusam-men an der Montagelinie Dies wird als bdquoerste Mensch-Maschine-Kooperation im VW-Konzernldquo betrachtet (IG Metall 2015a) Dabei gelten folgen-de Grundsaumltze Man arbeitet Hand in Hand aber der Roboter uumlbernimmt schwere Arbeit Routinen werden automatisiert und der Mensch steuert die Maschine Die Zukunft wird in einer noch flexible-ren Fertigung gesehen Maschinen tauschen un-tereinander Daten direkt aus Teile bewegen sich

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selbststaumlndig und autonom durch die Produktion Ob der Mensch dann noch die Taktzeiten vorge-ben wird ist nicht klar aber auch nicht unmoumlglich Schluumlssel fuumlr vieles ist die Aus- und Weiterbil-dung Bei Audi entstehen neue Berufe und Qualifi-kationsprofile um diese flexible Fertigung zu be-herrschen

Eine der modernsten Fabriken das Elektronik-werk von Siemens in Amberg wurde inzwischen beschrieben (vgl Kraft 2015) Die digitalisierte Produktion arbeitet bdquoon demandldquo mit einer Quali-taumlt von 999988 50 Millionen Datensaumltze pro Tag halten nahezu alles fest was wann und wo passiert Bei Fehlern wird die Ursache gefunden nichts kann vertuscht werden Die Technik redu-ziert Fehler und macht die Arbeit abwechslungs-reicher Der Betriebsrat bleibt fortlaufend infor-miert Eine Betriebsvereinbarung verhindert dass bei Rationalisierungen betriebsbedingte Kuumlndi-gungen erfolgen koumlnnen Auch hier ist Weiterbil-dung der Schluumlssel zum Erhalt von Arbeitsplaumltzen in einer sich fortlaufend wandelnden Produktion (vgl IG Metall 2015b)

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt (vgl Pfaumlfflin et al 2011) Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubau-en So kann ein paritaumltisch besetzter Lenkungs-ausschuss dafuumlr sorgen dass Betriebsraumlte durch Mitbestimmung eingreifen koumlnnen wenn die Ver-aumlnderungsprozesse zu negativen Auswirkungen fuumlhren

Beispielbdquo[Die Firma] und der BR richten einen paritaumltisch besetzten Lenkungsausschuss ein Dieser Len-kungsausschuss ist berechtigt in die Veraumlnde-rungsprozesse einzugreifen und Maszlignahmen zwingend einzuleiten sofern eine nachteilige Aus-wirkung auf die Arbeitsbelastung abzusehen istldquo (Datenverarbeitung und Softwareentwicklung 06080012011)

Die Vereinbarung regelt dass die Veraumlnderungen evaluiert werden und im Hinblick auf Arbeitsbelas-tungen konkrete Loumlsungsschritte unternommen wer-den muumlssen etwa zum individuellen Stressabbau so-wie bezogen auf Prozess- und Organisationsbedin-gungen

Regelmaumlszligige Gespraumlche erhoumlhen die Transpa-renz liefern Informationen und verbessern gegebe-nenfalls die Zusammenarbeit In vielen Unterneh-men werden existierende Betriebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhal-tenskontrolle weiterentwickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)

sind keine neuen Managementmethoden um Ar-beits- und Leistungsprozesse zu optimieren Haumlu-fig werden neue Standards im sogenannten konti-nuierlichen Verbesserungsprozessen mit beteili-gungsorientierten Elementen entwickelt Hier stehen Kundenerwartungen und die betrieblichen Ziele im Vordergrund Diese beziehen sich haumlufig auf Kostensenkungen Produktivitaumltssteigerungen und die Entwicklung neuer Produkte Hinzu kom-men auch Ziele wie gute Arbeitsbedingungen Umweltschutz und sozialer Zusammenhalt

QM und KVP bilden auch fuumlr ganzheitliche Pro-duktionssysteme wichtige Rahmenbedingungen Sie werden meist mit Betriebs- oder Dienstverein-barungen geregelt (vgl Bechmann 2010) Festge-legt werden die konkreten Formen der Beteili-gung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutzbe-stimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes Die rechtliche Grundlage fuumlr die Regelungen bilden vor allem Mitbestimmungsrechte bezogen auf die Ordnung des Betriebs die technisch gestuumltzte Kontrolle von Leistung und Verhalten der Be-schaumlftigten auf den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz die Gestaltung des betriebli-chen Vorschlagswesens und betriebliche Qualifi-zierungsmaszlignahmen

Kurz und knapp

- Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht voll-staumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit sehen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlf-tigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

- Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichti-ges Handlungsfeld Bei der Einfuumlhrung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

- In vielen Unternehmen werden existierende Betriebsvereinba-rungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Daten-schutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterentwi-ckelt werden muumlssen

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QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwick-lung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Be-schaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlf-tigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachge-ordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wich-tige Ziele fuumlr die Zukunft

Festgelegt wird wie Beschaumlftigte und ihre In-teressenvertretung uumlber alle Ablaumlufe und Unterla-gen im Zusammenhang mit QM und KVP infor-miert werden und Einfluss auf deren wesentliche Elemente nehmen koumlnnen Einfluss nehmen be-zieht sich insbesondere auf Definitionen von Ar-beitsvorgaben und Zielwerten wie z B

ndash Inhalten des QM-Handbuchs ndash der Planung und Durchfuumlhrung von Audits ndash der Erfassung und Verwendung von Beschaumlf-

tigtendaten uumlber Leistung und Verhalten (in-klusive Ruumlckmeldungen und Beschwerden von Kunden)

ndash der Themenauswahl fuumlr Qualitaumltszirkel oder KVP-Teams und ihrer personellen Zusam-mensetzung

ndash der Foumlrderung der Arbeit der Qualitaumltszirkel KVP-Teams

ndash der Bewertung und Nutzung der Ergebnisse der QualitaumltszirkelKVP-Teams

Bemerkenswert haumlufig wird in den vorliegenden Vereinbarungen betont dass der gesamte Pro-zess die Kreativitaumlt und Motivation der Beschaumlf-tigten foumlrdern soll ndash und nur dies auch zum Erfolg fuumlhren kann QM und KVP bilden insofern einen wesentlichen Faktor fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit der Unternehmen was auch in einer groumlszligeren Zahl juumlngerer Regelungen zum Ideenmanagement als moderner Variante des betrieblichen Vorschlags-wesens erkennbar wird

Fuumlr die Betriebs- und Personalraumlte oumlffnet sich ein Einflussfeld das neben dem Schutz vor nega-tiven Konsequenzen auch die Chancen fuumlr per-soumlnliche Weiterentwicklung und Praumlmierung gu-ter Ideen der Beschaumlftigten zum Inhalt hat Dabei wird auch die groszlige Bedeutung von Gruppenpro-zessen deutlich die sich teilweise in Gruppen-praumlmien niederschlaumlgt Dennoch enthalten ein-zelne Vereinbarungen auch relativ strenge Vor-schriften zu Qualitaumlt und Leistung der Be- schaumlftigten und deren Uumlberwachung Sie schlie-szligen individuelle Sanktionen nicht aus stellen aber eine kleine Minderheit dar die sich auf ein-zelne Dienstleistungsbranchen (z B Call-Center) beschraumlnkt Die groszlige Mehrheit der Vereinba-rungen stellt jedoch eher den Aspekt der Foumlrde-rung und Nutzung der Kreativitaumlt der Beschaumlftig-ten ins Zentrum

Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation gestalten

Das technisch Moumlgliche zum Schutz von Beschaumlf-tigten zu begrenzen und Regelungen zum Einsatz zur Nutzung und zur Kontrolle zu formulieren ist die eine Seite die Auswirkung technologischer Entwicklungen auf die Arbeitsbedingungen steht auf der anderen Seite Auswirkungen ergeben sich z B aktuell auf die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsorten Organisationsprozesse und Leis-tungsbedingungen werden neu strukturiert durch sich selbst regulierende Teams durch Selbststeue-rung und mittels Zielvereinbarungen Arbeitszeit und Freizeit sowie Arbeitsort und privater Wohn-sitz gehen ineinander uumlber und sollen doch vonein-ander abgrenzbar bleiben

Staumlndige Erreichbarkeit

Weil heute bereits Arbeitsort und Arbeitszeit flexi-bel sind ndash vor allem aufgrund mobiler Endgeraumlte ndash heiszligt ein aktuell diskutiertes Problem staumlndige Er-reichbarkeit Unbezahlte Mehrarbeit durch Arbeit am Wochenende im Urlaub am Feierabend sind weit verbreitet Nach einer aktuellen Umfrage le-sen 42 der Deutschen in der Freizeit dienstliche Mails oder Nachrichten (FAZ 2015)

Die Nutzung digitaler mobiler Arbeitsmittel hat die Kommunikation erleichtert aber Zeitprobleme

Kurz und knapp

- Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebliches Vorschlags-wesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorien-tierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Bemerkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlrdern soll kreativ und moti-viert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unternehmen

- Festgelegt werden die konkreten Formen der Beteiligung der Be-schaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestal-tung sowie Schutzbestimmungen zur Vermeidung negativer Aus-wirkungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktio-nen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

- QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetz-te Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an al-len nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

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verschaumlrft Das Ergebnis scheint nicht nur eine In-tensivierung der Arbeit sondern auch deren zeitli-che Ausdehnung zu sein Aus Arbeitnehmersicht sollte Mehrarbeit vermieden werden bzw diese zumindest nicht unbezahlt und unausgeglichen bleiben Es geht auch darum Menschen zu befaumlhi-gen im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten selbst Gren-zen zu ziehen souveraumln mit der Arbeitszeit umge-hen zu koumlnnen und Anforderungen an Flexibilitaumlt selbstbestimmter zu gestalten Mit sehr verschie-den weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men

Regelungen werden getroffen so dass Vorge-setzte nicht auszligerhalb definierter Zeiten auf Be-schaumlftigte zugreifen Die Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit laumlsst sich im Prinzip relativ einfach bewerkstelligen

BeispielbdquoWaumlhrend der Pausen und nach Dienstende ist das Handy der Firma [hellip] auszuschaltenldquo (Sonstige Verkehrsdienstleister 0902021062003)

BeispielAllerdings ist diese Regelung 12 Jahre alt Inzwi-schen sind Verbreitung mobiler Endgeraumlte und tech-nische Moumlglichkeiten um ein vielfaches gewachsen so dass diese Regelung zwar noch guumlltig ist jedoch vermutlich haumlufig unterlaufen wird Diese Regelun-gen uumlberlaumlsst es den Beschaumlftigten auszligerhalb der Arbeitszeit und des Betriebsgelaumlndes die dienstli-chen mobilen Kommunikationsgeraumlte zu nutzen oder auch nicht

BeispielbdquoEs besteht ausdruumlcklich keine Verpflichtung au-szligerhalb der Rahmenarbeitszeit fuumlr die [Firma] mittels dieser Kommunikation erreichbar zu sein (Grund-stuumlcks- und Wohnungswesen 0903002052009)

Ein naheliegender Gedanke ist eine technische Louml-sung zu regeln die nicht so schnell unterlaufen wer-den kann wie z B begrenzte Zugriffszeiten auf das Firmennetz

BeispielbdquoWaumlhrend des Zeitfensters von 1815 Uhr bis 0700 Uhr und an Wochenenden steht die Telefonfunktion zur Verfuumlgung alle anderen Anwendungen nicht [hellip] Uumlber besondere Einzelfaumllle die durch diese Ver-fahrensregelung nicht ausreichend abgedeckt sind werden Unternehmen und Betriebsrat einvernehm-lich entscheidenldquo (0902021742011)

Die folgende Vereinbarung ist noch zwei Jahre juumln-ger und geht wieder einen anderen Weg Sie regelt Reaktionszeiten und das Recht auf Abwesenheits-freiraumlume

BeispielbdquoDer Mitarbeiter stimmt mit seinem Vorgesetzten unter Beruumlcksichtigung und Abwaumlgung betrieblicher und privater Erfordernisse seine Erreichbarkeit ab Diese orientiert sich an der im jeweiligen Team uumlbli-chen Lage der Arbeitszeit kann aber auf Wunsch des Mitarbeiters davon abweichen Auszligerhalb der ab-gestimmten Zeiten der Erreichbarkeit hat der Mitar-beiter im Sinne der Ruhe und Erholung das Recht nicht erreichbar zu sein Dazu zaumlhlen in der Regel ndash so-weit nicht Bestandteile des jeweiligen Arbeits-zeitmo-dells ndash die Abend- und Morgenstunden sowie Samsta-ge Sonn- und Feiertage Der Mitarbeiter muss auszliger-dem die Moumlglichkeit haben die ihm uumlbertragenen Aufgaben in einer angemessenen Zeit innerhalb der uumlblichen Arbeitszeiten oder innerhalb der mit seinem Vorgesetzen abgestimmten [Zeiten] erledigen zu koumln-nen (Reaktionszeit)ldquo (0801022192013)

Bei Dienstreisen gemeinsamen Projekten uumlber Zeit-zonen hinweg und bei der Arbeit beim Kunden be-stimmen zusaumltzlich auch aumluszligere Faktoren die Arbeit Wichtig ist daher auch Reisezeiten angemessen zu bewerten und Arbeitszeit korrekt zu erfassen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Vo-raussetzung dafuumlr dass ein Zeitausgleich uumlberhaupt moumlglich wird (vgl Hinrichs 2014)

Mobile Telearbeit

Staumlndige Erreichbarkeit ist ein wesentliches Anlie-gen heutiger Vereinbarungen rund um mobile Ar-

Kurz und knapp

- Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leistungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebs-vereinbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbestimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlgli-chen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

- Mit sehr verschieden weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Ar-beitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

- Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelun-gen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinba-rungen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Com-pliance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

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beit und die Nutzung mobiler Endgeraumlte Eines der ersten Unternehmen das mit einer Betriebsverein-barung zur Regelung der staumlndigen Erreichbarkeit im Jahr 2011 die oumlffentliche Debatte anregte war die Volkswagen AG (vgl Spiegel 2014) Man verein-barte zunaumlchst dass Serverfunktionen auszligerhalb der vertraglichen Arbeitszeit fuumlr tariflich Beschaumlftig-te abgeschaltet werden Ein weiteres ebenfalls oumlf-fentlich diskutiertes Beispiel in diesem Kontext bie-tet die Daimler AG Das Unternehmen ermoumlglicht uumlber einen elektronischen Abwesenheits- assistenten namens bdquoMail on Holidayldquo alle E-Mails die waumlhrend des Urlaubs eingehen automatisch louml-schen zu lassen Die Botschaft Man muss nicht waumlhrend seines Urlaubs arbeiten Seit Sommer 2013 existiert im Bundesarbeitsministerium eine Verein-barung wonach Fuumlhrungskraumlfte nur noch in begruumln-deten Ausnahmefaumlllen Beschaumlftigte in ihrer Freizeit per E-Mail oder telefonisch kontaktieren duumlrfen Der Betriebsrat der BMW AG wurde 2014 mit dem Deut-schen Betriebsraumlte-Preis in Gold ausgezeichnet fuumlr eine Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der mobi-len Arbeit Vorteile flexibler Arbeitszeiten und -orte werden genutzt um gleichzeitig eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen unter anderem durch das Recht auf Nichterreichbarkeit Kompetenzen werden geschult und die Arbeitszeit wird konsequent er-fasst Auch bei Bosch vereinbarte man dass Ar-beitszeit und Arbeitsort eigenverantwortlich und aufgabenbezogen mobil gestaltet und abgestimmt werden koumlnnen Feste Bedingung ist dass die Ar-beitszeit nach wie vor erfasst und verguumltet wird

Sehr unterschiedliche aktuelle Beduumlrfnisse von Beschaumlftigten und Fuumlhrungskraumlften werden aufge-griffen Man sucht gemeinsam nach kollektiven Louml-sungen Aber die Quadratur des Kreises lautet Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten Wenn etwa bei Vertrauensarbeitszeit auf eine Ar-beitszeiterfassung verzichtet wird dann fehlt Be-schaumlftigten ein sehr zentrales Instrument um Leis-tungsforderungen und Leistungsverdichtung uumlber-haupt dokumentieren und dann auch abbauen zu koumlnnen (vgl Klein-Schneider 2007) Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexiblen Ar-beitszeitgestaltung gelebt werden Compliance be-deutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Vom Ausmaszlig der Flexibilitaumlt in der Arbeitszeitregu-lierung sind sowohl die Produktionsbedingungen von Unternehmen als auch die Arbeits- und die Le-bensbedingungen von Beschaumlftigten maszliggeblich be- troffen Arbeitszeitgestaltung ist daher ein wesentli-

ches Kernelement der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarif-vertrag vereinbart wurden Betriebsparteien regeln die Gestaltung von Arbeitszeitkonten vor allem den Auf- und Abbau ihre Verwendung sie regeln auch ob wann und wie Guthaben entstehen koumlnnen ob und wie Mehrarbeit verguumltet wird wie Rahmenar-beitszeiten aussehen wann Arbeitszeit voruumlberge-hend verkuumlrzt wird etc

Es gibt eine Fuumllle an tariflichen Regelungen um flexible Arbeitszeiten zu gestalten (vgl Bispinck 2015) Die aktuelle Debatte um eine scheinbar not-wendige Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes er-waumlchst daher kaum aus der betrieblichen Realitaumlt Arbeitszeitkonten sind das notwendige Instrument um flexible Arbeitszeiten uumlberhaupt zu gestalten Mit Kontenmodellen koumlnnen betriebs- und marktbe-dingte Schwankungen der Produktion in woumlchentli-chen monatlichen oder auch jaumlhrlichen Arbeitszei-ten festgehalten kontrolliert und ausgeglichen wer-den Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeitaus-gleich (vgl Hamm 2013) Einfache Gleitzeitkonten mit monatlichem Ausgleichsmechanismus erlauben es dass Zeitgutschriften gespart und im Verlauf der vier Wochen genutzt werden Die angesparte Zeit kann auch uumlber laumlngere Zeitraumlume als einen Monat auf Konten gespart werden Uumlblich ist dann die Ver-wendung von Jahreskonten Auf diese Weise koumln-nen Betriebe auch in Schichtarbeit flexiblere Ar-beitszeiten entwickeln (vgl Grzech-Sukalo 2013)

Um eine fuumlr Beschaumlftigte bdquoplanbareldquo Flexibilisie-rung der Arbeit zu ermoumlglichen sehen Vereinbarun-gen Grundplanungen z B uumlber ein Jahr vor Diese kann an betriebliche Auftragsschwankungen ange-passt werden Zusatz- und Ausfallschichten in ei-nem flexiblen Schichtsystem werden uumlberwiegend von der Arbeitgeberseite bestimmt um den Perso-naleinsatz bedarfsgerecht zu gestalten Unterneh-men nutzen heute diverse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusammenhaumlngendes Gesamtkonzept

ndash Ein Gleitzeitkonto gleicht kleinere monatliche Schwankungen der Stunden aus

ndash Ein individuelles Arbeitszeitkonto mit Verteil-zeitraumlumen wird als Jahresarbeitszeit geregelt so dass taumlgliche und woumlchentliche Zeiten schwanken koumlnnen

ndash Auf Flexi-Konten werden Stunden gespart die fuumlr konjunkturbedingte Engpaumlsse zur Verfuuml-gung stehen so dass Beschaumlftigung gesichert und Kurzarbeit vermieden werden kann

ndash Langzeitkonten mit mehrjaumlhrigen Ansparpha-sen sind fuumlr laumlngere bezahlte Freistellungen nutzbar z B als Sabbatical Qualifizierungs-zeit vorgezogener Ruhestand

Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzun-gen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-

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barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Kuumlnftig wird es vermut-lich noch wichtiger sein die Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu koppeln Ent-grenzung zu begrenzen und Arbeitszeit schlichtweg wieder zu erfassen Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumen-te (vgl HofmannSmolenski 2015)

22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen

Der demografische Wandel bedeutet seit laumlngerer Zeit schon prognostizierte groszlige Umwaumllzungen Der demo-grafische Wandel kann sich je nach Branche sehr ver-schieden zeigen und mit sehr unterschiedlichen Maszlig-nahmen in der betrieblichen Realitaumlt gestaltet werden In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungsfortschritten (vgl Busse et al 2015) Haumlu-fig heiszligt demografischer Wandel im Betrieb dreierlei

ndash verschiedene Beschaumlftigtengruppen zu integrieren erwerbstaumltige Muumltter mit Arbeitszeitmodellen (vor allem Teilzeit) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung bzw Kinderbetreuung Men-schen mit Migrationshintergrund junge und alte Menschen Leistungsveraumlnderte Als neues Thema wird es auch darum gehen Fluumlchtlinge moumlglichst effizient in den Arbeitsmarkt zu integrieren

ndash Arbeits- und Gesundheitsschutz zu realisieren

Kurz und knapp

- Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernelement der Tarifpolitik Betriebspartei-en regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt wer-den kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wur-den Unternehmen nutzen heute diverse Ar-beitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

- Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anlie-gen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeit-ausgleich Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Aus-einandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der vereinbarten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang be-trieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber ge-stellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

fuumlr alternde Belegschaften ganzheitliche Ge-faumlhrdungsbeurteilungen alter(n)sgerechte Ar-beitsgestaltung Altersteilzeit

ndash Fachkraumlftebedarf abdecken Ausbildung gestal-ten Weiterbildung und lebenslanges Lernen si-chern und foumlrdern

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben konzentrierten sich sehr lange auf die Fra-ge der angemessenen Lage und Verteilung von Ar-beitszeit bezogen auf die Notwendigkeit Kinder und Berufstaumltigkeit besser zu vereinbaren (vgl MaschkeZurholt 2013) Inzwischen weitete sich das Thema auf die Pflege von Familienangehoumlrigen aus Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen verbunden ist Unter-nehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrich-tungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexible Zeitarran-gements (vgl Reuyszlig 2015 MaschkeZurholt 2013)

Allerdings koumlnnen im Lebensverlauf sehr viele un-terschiedliche Ereignisse es erfordern dass die Work-Life-Balance neu austariert werden will und man vor allem seine Arbeitszeit flexibel gestalten moumlchte oder muss Beschaumlftigte die ins Berufsleben starten ha-ben wahrscheinlich andere Arbeitszeitbeduumlrfnisse als Beschaumlftigte mit Familienpflichten die verlaumlssliche Ar-beitszeiten benoumltigen Menschen die sich kurz vor dem Ruhestand befinden oder gesundheitlich einge-schraumlnkt sind setzen wiederum andere Prioritaumlten

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsvereinba-rungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlig-nahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen die Tarifvertraumlge3 und einige Betriebsvereinbarungen

3 Einige Tarifvertraumlge sowie Betriebsvereinbarungen sehen Alters-struktur- oder Demografie-Analysen vor z B der bdquoTarifvertrag zur Gestaltung des demographischen Wandels in der Eisen- und Stahl-industrieldquo vom November 2006 oder der BCE-Tarifvertrag bdquoLebens-arbeitszeit und Demografieldquo (2008) Weitere Themen der Tarifver-traumlge sind z B flexible (Demografie-)Fonds fuumlr unterschiedliche Belange (flexible Arbeitszeiten fuumlr bestimmte Personengruppen) Arbeits- und Gesundheitsschutz Qualifizierungsoffensiven etc

Kurz und knapp

- In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unter-schiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungs-fortschritten

- Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Be-reitstellung von Ressourcen verbunden ist Unternehmen unter-stuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexi-ble Zeitarrangements

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vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektio-nen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Im bdquoTarifvertrag Demografie der chemischen In-dustrieldquo (2008) sind die verbindliche Regelung von Altersstrukturanalysen sowie finanzielle Beitraumlge fuumlr Demografie-Fonds geregelt Dies wird im Un-ternehmen spezifiziert Fuumlr Unternehmen ohne Be-triebsrat ist hier die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung geregelt Moumlgliche Zweckbindungen des Fonds koumlnnen fuumlr Langzeit-konten Altersuumlbergaumlnge (Altersteilzeit Teilrente) Altersvorsorge Berufsunfaumlhigkeit und lebenspha-senorientierte Arbeitszeitgestaltung genutzt wer-den Uumlber die Haumllfte der Beschaumlftigten der chemi-schen Industrie wird von diesen Leistungen ver-sorgt (Jungvogel 2013 S 235)

Betriebsvereinbarungen zur lebensphasenorien-tierten Arbeitszeitgestaltung regeln zB

BeispielbdquoDie Betriebsparteien wollen fuumlr eine lebensphasen-orientierte Arbeitszeitgestaltung aller Beschaumlftigten der [Firma] einen verringerten Arbeitseinsatz in be-stimmten Lebensphasen ermoumlglichen sofern nicht andere gesetzliche oderund tarifliche Bestimmun-gen in Anspruch genommen werden koumlnnen [hellip] Lebensphasen koumlnnen beispielsweise sein - die Betreuung pflegebeduumlrftiger Angehoumlriger - Vor- und Nachsorgezeiten bei Erkrankungen des

Partners undoder der Kinder - Unterstuumltzung der Lebens- und Arbeitssituatio-

nen des Partners undoder der Kinder - intensive Begleitung von Kindern waumlhrend der

Einschulungsphase oder es Uumlbergangs an wei-terfuumlhrende Schulen

- gleitender Wiedereinstieg nach einer familienbe-dingten Auszeit

- die berufsbegleitende Absolvierung einer Wei-terbildungeines Studiums

- unvorhersehbare familiaumlrepersoumlnliche Ausnah-mesituationen [hellip]

Zur Ermoumlglichung [hellip] wird ein Topf in Houmlhe von 50 TEUR pa gebildet [hellip]ldquo (NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobil-elektronik 03020028602015)

Kurz und knapp - Regelungen existieren sowohl auf Branchen-

bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Be-triebsvereinbarungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie

- Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifver-traumlge und Betriebsvereinbarungen vor um zu-naumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Wichtige Stichworte fuumlr Maszlignahmen sind Gesundheits- bzw Eingliede-rungsmanagement Belastungsreduzierungen Er-gonomie sowie alters- und alternsgerechte Arbeits-bedingungen und ganzheitliche Gefaumlhrdungsbeur-teilungen

Die gesetzliche Pflicht zur Gefaumlhrdungsbeurtei-lung wird inzwischen von 51 der Unternehmen (BAuA 2015) erfuumlllt und in der Regel in Betriebsver-einbarungen festgeschrieben Vor allem kleine Be-triebe mit bis zu 49 Beschaumlftigten hinken deutlich hinterher

Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure Die Sick AG wurde vor einiger Zeit bekannt mit einer Vereinba-rung zur Umsetzung ganzheitlicher Gefaumlhrdungs-beurteilungen Der nicht konfliktfreie Prozess fuumlhr-te zur Etablierung eines paritaumltisch besetzten Steu-erungskreises der die Verfahren lenkt Das Ziel ist vor allem Stress und Fehlbelastungen zu erkennen und gezielte Loumlsungen von sehr unterschiedlicher Reichweite sehr konkret mit vielen kleinen Loumlsun-gen gemeinsam zu entwickeln (vgl Molitor 2013) Das koumlnnen stoumlrungsfreie Arbeitszeiten sein redu-zierte Geraumluschbelastungen durch Telefonklingeln vereinbarte Zeitpuffer etc

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Bereits heute wird an bdquointelligenter persoumlnlicher Schutz-kleidungldquo fuumlr Feuerwehreinsatzkraumlfte gearbeitet (vgl Roszlignagel 2012) Einsatzkraumlfte koumlnnen in Ge-fahrensituationen geortet und selbst besser ge-schuumltzt werden indem unter anderem ihre Koumlrper-funktionen mittels Datenuumlbertragung im Einsatz permanent uumlberwacht werden Wie wird kuumlnftig gewaumlhrleistet dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausge-wertet werden koumlnnen Im betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) sind erste bdquozarteldquo Ansaumlt-ze fuumlr betriebliche Umgangsformen gefunden um entsprechend sensibel mit Daten umzugehen So sollte beispielsweise die BEM-Akte der bzw des Betroffenen separat gefuumlhrt und nicht in die Perso-nalakte integriert werden Ein Hebel fuumlr den Ar-beits- und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestimmung liegt auch darin die gesicherten arbeitswissen-schaftlichen Erkenntnisse uumlber die menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gel-tung zu bringen

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23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

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2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 18

24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

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oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

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2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

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immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 23

- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

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4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 25

5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 26

Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 27

Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

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Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 6: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 6

Beispiel bdquoEs ist ausdruumlcklich ausgeschlossen dass die erho-benen und verarbeiteten personenbezogenen oder beziehbaren Daten zum Zwecke der Verhaltens- undoder Leistungskontrolle bezogen auf einen MitarbeiterIn oder eine Gruppe MitarbeiterInnen eingesetzt werden es sei denn der BR und der Da-tenschutzbeauftragte stimmen dem im Einzelfall ge-sondert zuldquo (Kreditgewerbe 0902014382006)

Einzelkontrollen werden an gesetzliche oder tarifli-che Bestimmungen gebunden die eine Kontrolle zu-lassen wuumlrden

BeispielbdquoEine Kontrolle der Leistung oder des Verhaltens ein-zelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen un-ter Nutzung elektronisch gespeicherter personenbe-zogener Daten wird [hellip] nicht einseitig durchgefuumlhrt soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht bestehtldquo (Baugewerbe 0902014752010)

Im Zusammenhang mit Outsourcing von IT-Systemen und deren Organisation werden Regelungen notwen-dig die auch Dienstleistern Maszlignahmen untersagen die der Leistungs- und Verhaltenskontrolle dienen koumlnnten Entsprechende vertragliche Regelungen ge-maumlszlig sect 11 BDSG gehen nach Ansicht der betrieblichen Vertragspartner nicht weit genug Sie halten daher eine Regelung wie die folgende fuumlr notwendig

Beispiel bdquoDer Arbeitgeber unterlaumlsst es ohne ausdruumlckliche Zustimmung des Betriebsrates Auswertungen von personenbezogenen Daten die durch diese BV aus-geschlossen sind durch Dritte vornehmen zu lassen bzw zu verwendenldquo (Verlags- und Druckgewerbe 0902012692005)

Nachstehend werden die zulaumlssigen Zwecke von Aus-wertungen in allgemeiner Form aufgelistet Jegliche daruumlber hinausgehende Nutzung ist dann verboten

BeispielbdquoSoweit im Einsatz befindliche luK-Systeme Aktivitauml-ten der Benutzer aufzeichnen duumlrfen diese nur - zur Gewaumlhrleistung der Systemsicherheit - zur Gewaumlhrleistung von Datenschutz und Daten-

sicherheit - zur Uumlberpruumlfung der Einhaltung von Betriebsver-

einbarungen und gesetzlichen Vorschriften - zur Analyse und Korrektur technischer Fehler in

den Systemen zur Steuerung und Optimierung der Systeme

- zur Abrechnung verbrauchter Systemleistungen - zur Wahrung gesetzlicher Aufbewahrungsvor-schriften

- zur Wahrung von Pruumlfungsauflagen durch Finanz-behoumlrden und Wirtschaftspruumlfer

benutzt werdenldquo (Ernaumlhrungsgewerbe 0902014942008)

Die Regelungen begrenzen die Verwendung auf ei-nen oder mehrere Zwecke die Aufzeichnung wird jedoch nicht generell angezweifelt In weiteren Ein-zelvereinbarungen werden Ergaumlnzungen zu einzel-nen Systemen abgeschlossen Im Idealfall entsteht auf diese Weise eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen

Insgesamt lassen die vorliegenden IKT-Rahmen-vereinbarungen neueren Datums den Schluss zu dass Betriebsraumlte ihre Rechte kompetent nutzen Es leuchtet ein dass wachsende Ressourcen- und Zeit-probleme im Betriebsrat entstehen da die digitale Durchdringung von Prozessen und die Innovations-geschwindigkeit bei IKT enorm ist Updates von Programmen und umfangreiche Aumlnderungen folgen in kurzer Taktung Besonders die vertrauensvolle Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt daher einen groszligen Stellenwert Lenkungs-ausschuumlsse paritaumltische Kommissionen und Trans-parenz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlgli-chen Das wird besonders dann relevant wenn z B noch mehr Daten ausgelagert werden und die Ge-fahr besteht dass Cloud-Anwendungen die Mitbe-stimmungsmoumlglichkeiten ins Leere laufen lassen weil Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden

Nutzung von E-Mail und Internet

Der betriebliche Umgang mit dem Internet ist selbstverstaumlndlich Die E-Mail hat eine ungebrochen wichtige Bedeutung in der Kommunikation mit Kun-dinnen und Kunden die Recherche im Internet ist fuumlr viele Beschaumlftigte Alltag Entsprechend weniger Raum nehmen heute Regelungen ein die bestim-men ob Beschaumlftigte die Internetdienste uumlberhaupt nutzen duumlrfen der Zugang zum Netz ist selbstver-staumlndlich Die in fruumlheren Auswertungen festgestell-ten Unklarheiten diesbezuumlglich kommen so in neue-ren Vereinbarungen kaum noch vor (vgl BoumlkerDe-

Kurz und knapp

- Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlufiger als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig beteiligt Dies legt die Auswer-tung von 140 Vereinbarungen nahe Die Gestaltung des Technik-einsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kont-rolle und Beherrschung

- In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmer-vertretung uumlber die gesetzlichen Mitbestimmungsprozesse hin-aus als Gestalter der betrieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Projektentwicklungen mitwirken kann

- Zentrale Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswer-tung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

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muth 2014) Haumlufig finden sich Regelungen die eine private Nutzung in der Freizeit und in den Pausen er-lauben nachdem die Beschaumlftigten eine Erklaumlrung unterzeichnet haben mit der datenschutzrechtliche Beschraumlnkungen zur Protokollierung und Auswer-tung fuumlr den Arbeitgeber aufgehoben werden Leis-tungs- und Verhaltenskontrolle wird regelmaumlszligig auf dem Papier ausgeschlossen Im Umgang mit Proto-kolldateien sind Spielraumlume vorhanden um diese auszuwerten Die missbraumluchliche Nutzung von In-ternetdiensten soll bewiesen werden

Relevant wird dies insbesondere wenn E-Mail- und Internetdienste durch die Arbeitnehmervertre-tungen genutzt werden und ein besonderer Schutz der Daten notwendig wird Die folgende Regelung ist dafuumlr beispielhaft Sie bezieht zusaumltzlich alle an-deren Personen und Gruppierungen ein die per Ge-setz einem besonderen Schutz unterliegen

Beispiel bdquoWerksaumlrzte Psychologen Suchtberater Suchtkran-kenhelfer Sozialberater Betriebsraumlte und Jugend- und Auszubildendenvertreter und andere Interessen-vertreter der Belegschaft Schwerbehindertenvertre-ter Pressemitarbeiter und Rechtsanwaumllte sowie die im betrieblichen Datenschutz taumltigen Personen und die [betrieblichen Datenschutzbeauftragten] genie-szligen einen Sonderschutz Eine Liste der geschuumltzten Personen wird durch die lokale Personalabteilung dem zustaumlndigen Administrator zur Einrichtung und dem lokalen Betriebsrat zur Uumlberpruumlfung der Einhal-tung dieser Betriebsvereinbarung zur Verfuumlgung ge-stellt E-Mails die an diesen Personenkreis gerichtet sind unterliegen dem maximalen Schutzldquo (Bran-chenuumlbergreifend 0903001882010)

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeits-verdichtungen werden in den meisten Vereinbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet Selten werden etwa ausfuumlhrliche Regelungen zum Umgang mit Abwe-senheitszeiten und Vertretungsregelungen formuliert

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Diese Geraumlte werden in den Vereinbarungen bisher kaum mit ihren umfassenden Einsatzmoumlglichkeiten wahrgenommen bezogen auf die Kommunikation (Te-lefon Kurznachrichten und elektronische Post) und

Kurz und knapp

- Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Vereinbarungen zur E-Mail-Nut-zung nicht betrachtet

das Informationsmanagement (Adressbuch Kalender Aufgabenlisten Projektsoftware) Mobile Device Ma-nagement (MDM) ermoumlglicht es alle mobilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfigurationen zentral zu ver-walten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und An-wendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbe-stimmung Nur wenige Vereinbarungen erfassen das Thema bislang umfassend (vgl Thannheiser 2015) Durch MDM werden mobile Geraumlte transparent ortbar und auswertbar ndash was der Verhaltens- und Leistungs-kontrolle Wege eroumlffnet Alle mobilen Zugriffe auf Do-kumente werden vom MDM-System luumlckenlos aufge-zeichnet Schnittstellen ermoumlglichen die Weitergabe an beliebige andere Systeme Daruumlber hinaus ist der sogenannte Echtzeit-Remote-Zugriff moumlglich (Remote Control) Je nach Freigabe ist es moumlglich sich auf Mo-biltelefone aufzuschalten und diese fernzubedienen

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspannun-gen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtliche Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leistungs-kontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte einge-setzte Software bleiben ebenso haumlufig unbeantwor-tet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Ta-blets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen

Unter dem Begriff Social Media werden alle techni-schen Moumlglichkeiten zusammengefasst die es er-lauben z B auf Plattformen miteinander in Kontakt zu treten um sich zu vernetzen mediale Inhalte ge-meinsam zu erarbeiten zu teilen oder zu kooperie-ren Unternehmen nutzen Social-Media-Angebote heute fuumlr interne wie externe Bereiche Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessenvertretun-gen und Arbeitgeber nicht selten vor vollendeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt Be-schaumlftigte schaffen Fakten und veraumlndern Unterneh-

Kurz und knapp

- Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mobilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfigurationen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Sys-temen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Vereinbarun-gen erfassen das Thema bislang umfassend

- Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Ver-spannungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtliche Fra-gen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leistungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbeantwortet Die Nutzung von Apps auf Smart-phones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

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men indem sie den im Privatleben alltaumlglichen Ge-brauch in das Berufsleben hineintragen

Die Auswertung von Regelungen zur Social-Me-dia-Verwendung in Betrieben zeigt Nur selten wur-den Betriebs- und Dienstvereinbarungen abge-schlossen dafuumlr mehr Richtlinien bzw Social-Me-dia-Guidelines (vgl GreveWedde 2014)

BeispielbdquoDie Nutzung sozialer Netzwerke wie Twitter Face-book Xing oder Wikipedia gewinnt eine immer groumlszlige-re Bedeutung [hellip] Die [Firma] kann sich hier darstel-len ihre Produkte verbreiten und fuumlr sie werben Es liegt im Interesse der [Firma] das Engagement der Mitarbeiter im Bereich der sozialen Medien zu foumlrdern [hellip] Um den Beschaumlftigten Sicherheit im Umgang mit den sozialen Netzwerken zu geben und daruumlber hinaus die Interessen beider Seiten gleichermaszligen zu wah-ren haben die Betriebsparteien einen Kodex erstellt als Regelwerk fuumlr das digitale Miteinander im Internetldquo (Verlags- und Druckgewerbe 0903002262011)

Manche Unternehmen beziehen ihre Richtlinien aus-druumlcklich auf die dienstliche Nutzung Demgegen-uumlber entwickeln andere ihre Richtlinien offenbar ge-rade dafuumlr Beschaumlftigten Regeln fuumlr die private Nut-zung von Social Media an die Hand zu geben

BeispielbdquoDer Leitfaden ist nicht als Anleitung fuumlr Mitarbeiter ge-dacht die fuumlr die offiziellen Kommunikationskanaumlle [der Firma] zustaumlndig sind Es geht hier vielmehr um Ihre persoumlnlichen Aktivitaumlten in den Social Media sowohl waumlhrend der Arbeitszeit als auch zuhause Generell ist es Ihre Sache was Sie auszligerhalb der Arbeitszeit tunldquo (Telekommunikationsdienstleister 0903002872010)

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungspflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals relativ schnell erstellt wur-den um der rasanten Nutzung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spiel-regeln zusammenzufassen Dies ist dann eine Basis auf der die eigentlich mitbestimmungspflichtigen Fragen kuumlnftig umfassend geregelt werden koumlnnen und sollten

Kurz und knapp

- Bei Social-Media-Anwendungen stehen Inter-essenvertretungen und Arbeitgeber nicht sel-ten vor vollendeten Tatsachen denn die Nut-zung findet bereits statt

- Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oft-mals relativ schnell erstellt wurden um der ra-santen Nutzung sozialer Medien eine rechtli-che Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammenzufassen

GPS-Zugriff auf Daten u a

Der Zugriff auf Daten z B mittels GPS Funknetz oder RFID birgt ein enormes Rationalisierungs- und Ein-sparpotenzial Bewegungsdaten von Menschen und Waren mittels GPS-Ortung auszuwerten kann fuumlr den Kundenservice die Optimierung von Einsaumltzen Be-standskontrollen Abstimmungsprozesse (mit dem Smartphone) genutzt werden Im Hinblick auf verbesserte Kundenfreundlichkeit kann die Weiterga-be von Standortdaten eine groszlige Rolle spielen Fuumlr Beschaumlftigte sind gegebenenfalls Regelungen zum Datenschutz notwendig Datensparsamkeit Zweck-bindung und Persoumlnlichkeitsschutz sollen vor unzulaumls-sigen Kontrollen schuumltzen In Vereinbarungen werden daher vor allem Datenauswertungen eingeschraumlnkt (vgl Kiper 2011) Vereinzelt duumlrfen personenbezogene Daten nur im Ausnahmefall und mit Zustimmung der Interessenvertretung ausgewertet werden oder die Auswertung wird an die Zustimmung der Interessen-vertretung gebunden Regelungsgegenstand ist oft-mals aber nicht ob sondern wie Daten ausgewertet werden Wie ernsthaft und streng diese Regelungen in der Praxis umgesetzt werden ist unklar

Datenschutz und Kontrolle

In juumlngerer Zeit werden Regelungsstrategien er-probt wonach der Betriebsrat zwar grundsaumltzlich je-der Software-Einfuumlhrung zustimmt aber nur unter der Bedingung dass Leistungs- und Verhaltenskont-rolle ausgeschlossen ist Dies wird mit einem Son-derkuumlndigungsrecht untermauert Falls gegen diese Vereinbarung verstoszligen wird folgt der sofortige Stopp der weiteren Software-Einfuumlhrung So kann sich ein schnelles Verfahren ergeben das gegebe-nenfalls ein teures Verfahren fuumlr das Unternehmen im Fall der Kuumlndigung nach sich zieht Zu kontrollie-ren ob eine Vereinbarung eingehalten wird kann je-doch relativ schwierig werden Gerade bei internati-onalen Konzernen kann zusaumltzlich eine Herausforde-rung darstellen wenn verschiedene Datenschutz- niveaus und -verstaumlndnisse vorherrschen

Bei der Deutschen Bahn brachte ein groszliger Da-tenskandal im Jahr 2009 Bewegung in den Daten-schutz Eine heute vorbildliches Daten- und Daten-schutzmanagement regelt die Datenstroumlme sehr streng Die Konzernbetriebsvereinbarung Beschaumlf-tigtendatenschutz steht im Konzern uumlber allen ande-ren internen Regelungen Das System wurde ins Le-ben gerufen um Beschaumlftigte zu schuumltzen aber auch um Kontrollen mit entsprechender Verhaumlltnis-maumlszligigkeit zu ermoumlglichen (vgl Kiesche 2015) ndash al-lerdings erst nachdem sich ein umfassender Skan-dal ereignet hatte

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem star-ken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Anti-terror-Verordnungen Vorgesehen ist der Abgleich von Beschaumlftigtendaten mit Namenslisten von so-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 9

genannten Terrorverdaumlchtigen Ob dies erlaubt ist und wenn ja welche Mitbestimmungspflicht ausge-loumlst wird ist unter Juristen umstritten Einige Kon-zerne haben inzwischen Betriebsvereinbarungen abgeschlossen um zumindest das Verfahren mitzu-gestalten (vgl Thannheiser 2015)

BeispielbdquoFuumlr die Erhebung Verarbeitung und Nutzung von Beschaumlftigtendaten zum Abgleich gegen Sanktions-listen sind das Bundesdatenschutzgesetz sowie die Konzernrichtlinien zum Datenschutz maszliggeblich Beim Abgleich der Beschaumlftigten- und Bewerberda-ten ist der Grundsatz der Datensparsamkeit zu be-achten und auf das zwingend erforderliche Mindest-maszlig zu beschraumlnkenldquo (0906002192014)

Auch hier zeigt sich die hohe Relevanz einer vertrau-ensvollen betrieblichen Zusammenarbeit der han-delnden Akteure

Kurz und knapp

- Viele Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen so-wie der Vermeidung von Leistungs- und Ver-haltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander ab-gestimmten flexiblen Regelungen die ver-bindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Ver-handlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

- Datensicherheit und Beschaumlftigtendaten-schutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Un-ternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat entstehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rahmengebende Tarifvertraumlge und ge-setzliche Regelungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur technisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsendes Thema

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krank-heitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausgewer-tet werden koumlnnen

- Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kon-trolle und die Verhinderung von Missbrauch und Straftaten durch zu wenig Kontrolle ste-hen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarun-gen zu sogenannten EU-Antiterror-Verord-nungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Neue Automatisierungsansaumltze Kommunikation zwischen Mensch und Maschine sowie neue Ge-nerationen von Robotern sind im Konzept Industrie 40 der Kern Eine prognostizierte Entwicklung fuumlr das Unternehmen 40 kann darin bestehen dass bdquopolarisierte Organisationenldquo entstehen werden mit hochspezialisierten Experten und abgewerte-ten Fachkraumlften (Hirsch-Kreinsen 2014) Anderer-seits koumlnnen bdquoSchwarm-Organisationenldquo entste-hen mit hochqualifizierten und gleichberechtigten Beschaumlftigten die selbst ihre Arbeit definieren und hochflexibel agieren (ebd) Welche Arbeitsorgani-sation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Pers-pektive sie Produktion und Arbeit sehen (vgl BDI 2015) Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Neue Produktionssysteme (Lean Production) etwa bringen diverse Aspekte zusammen Effizi-enz des Workflows verbessern Kostensenkung Qualitaumltsverbesserung Leistungsbemessung und Kennzahlensysteme Teamarbeit Betriebsdatener-fassung Motivationsverbesserung Verschwen-dung vermeiden etc Neben Effizienz geht es auch um die Transparenz und Kontrolle von Arbeitsleis-tung Scheinbar schleichend werden heute Ar-beitsorganisationen und Produktionsprozesse op-timiert Dies gilt fuumlr produzierende wie fuumlr indirek-te Bereiche in Verwaltungen (z B Lean im Buumlro) Taumltigkeiten werden staumlrker standardisiert und ge-taktet quasi in einer Flieszligfertigung miteinander verknuumlpft mit dem Ziel die Fehlerquote auf Null zu senken In den Produktionen und Buumlros scheinen sich diese Veraumlnderungen ambivalent auf die Ar-beitsbedingungen der Beschaumlftigten auszuwirken Durch verbesserte Organisationsweisen von Ar-beitsgaumlngen entstehen einerseits Arbeitsentlas-tungen diesen stehen jedoch z B wachsender Leistungsdruck durch hohe Transparenz Monoto-nie durch Standardisierung und Taktverkuumlrzungen gegenuumlber

Einen Blick in die Zukunft kann man heute schon in ersten Ansaumltzen werfen (vgl Beispiele in Ittermann ua 2015) Bei Audi in Ingolstadt arbei-tet ein Roboter inzwischen mit Menschen zusam-men an der Montagelinie Dies wird als bdquoerste Mensch-Maschine-Kooperation im VW-Konzernldquo betrachtet (IG Metall 2015a) Dabei gelten folgen-de Grundsaumltze Man arbeitet Hand in Hand aber der Roboter uumlbernimmt schwere Arbeit Routinen werden automatisiert und der Mensch steuert die Maschine Die Zukunft wird in einer noch flexible-ren Fertigung gesehen Maschinen tauschen un-tereinander Daten direkt aus Teile bewegen sich

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selbststaumlndig und autonom durch die Produktion Ob der Mensch dann noch die Taktzeiten vorge-ben wird ist nicht klar aber auch nicht unmoumlglich Schluumlssel fuumlr vieles ist die Aus- und Weiterbil-dung Bei Audi entstehen neue Berufe und Qualifi-kationsprofile um diese flexible Fertigung zu be-herrschen

Eine der modernsten Fabriken das Elektronik-werk von Siemens in Amberg wurde inzwischen beschrieben (vgl Kraft 2015) Die digitalisierte Produktion arbeitet bdquoon demandldquo mit einer Quali-taumlt von 999988 50 Millionen Datensaumltze pro Tag halten nahezu alles fest was wann und wo passiert Bei Fehlern wird die Ursache gefunden nichts kann vertuscht werden Die Technik redu-ziert Fehler und macht die Arbeit abwechslungs-reicher Der Betriebsrat bleibt fortlaufend infor-miert Eine Betriebsvereinbarung verhindert dass bei Rationalisierungen betriebsbedingte Kuumlndi-gungen erfolgen koumlnnen Auch hier ist Weiterbil-dung der Schluumlssel zum Erhalt von Arbeitsplaumltzen in einer sich fortlaufend wandelnden Produktion (vgl IG Metall 2015b)

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt (vgl Pfaumlfflin et al 2011) Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubau-en So kann ein paritaumltisch besetzter Lenkungs-ausschuss dafuumlr sorgen dass Betriebsraumlte durch Mitbestimmung eingreifen koumlnnen wenn die Ver-aumlnderungsprozesse zu negativen Auswirkungen fuumlhren

Beispielbdquo[Die Firma] und der BR richten einen paritaumltisch besetzten Lenkungsausschuss ein Dieser Len-kungsausschuss ist berechtigt in die Veraumlnde-rungsprozesse einzugreifen und Maszlignahmen zwingend einzuleiten sofern eine nachteilige Aus-wirkung auf die Arbeitsbelastung abzusehen istldquo (Datenverarbeitung und Softwareentwicklung 06080012011)

Die Vereinbarung regelt dass die Veraumlnderungen evaluiert werden und im Hinblick auf Arbeitsbelas-tungen konkrete Loumlsungsschritte unternommen wer-den muumlssen etwa zum individuellen Stressabbau so-wie bezogen auf Prozess- und Organisationsbedin-gungen

Regelmaumlszligige Gespraumlche erhoumlhen die Transpa-renz liefern Informationen und verbessern gegebe-nenfalls die Zusammenarbeit In vielen Unterneh-men werden existierende Betriebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhal-tenskontrolle weiterentwickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)

sind keine neuen Managementmethoden um Ar-beits- und Leistungsprozesse zu optimieren Haumlu-fig werden neue Standards im sogenannten konti-nuierlichen Verbesserungsprozessen mit beteili-gungsorientierten Elementen entwickelt Hier stehen Kundenerwartungen und die betrieblichen Ziele im Vordergrund Diese beziehen sich haumlufig auf Kostensenkungen Produktivitaumltssteigerungen und die Entwicklung neuer Produkte Hinzu kom-men auch Ziele wie gute Arbeitsbedingungen Umweltschutz und sozialer Zusammenhalt

QM und KVP bilden auch fuumlr ganzheitliche Pro-duktionssysteme wichtige Rahmenbedingungen Sie werden meist mit Betriebs- oder Dienstverein-barungen geregelt (vgl Bechmann 2010) Festge-legt werden die konkreten Formen der Beteili-gung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutzbe-stimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes Die rechtliche Grundlage fuumlr die Regelungen bilden vor allem Mitbestimmungsrechte bezogen auf die Ordnung des Betriebs die technisch gestuumltzte Kontrolle von Leistung und Verhalten der Be-schaumlftigten auf den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz die Gestaltung des betriebli-chen Vorschlagswesens und betriebliche Qualifi-zierungsmaszlignahmen

Kurz und knapp

- Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht voll-staumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit sehen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlf-tigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

- Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichti-ges Handlungsfeld Bei der Einfuumlhrung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

- In vielen Unternehmen werden existierende Betriebsvereinba-rungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Daten-schutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterentwi-ckelt werden muumlssen

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QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwick-lung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Be-schaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlf-tigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachge-ordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wich-tige Ziele fuumlr die Zukunft

Festgelegt wird wie Beschaumlftigte und ihre In-teressenvertretung uumlber alle Ablaumlufe und Unterla-gen im Zusammenhang mit QM und KVP infor-miert werden und Einfluss auf deren wesentliche Elemente nehmen koumlnnen Einfluss nehmen be-zieht sich insbesondere auf Definitionen von Ar-beitsvorgaben und Zielwerten wie z B

ndash Inhalten des QM-Handbuchs ndash der Planung und Durchfuumlhrung von Audits ndash der Erfassung und Verwendung von Beschaumlf-

tigtendaten uumlber Leistung und Verhalten (in-klusive Ruumlckmeldungen und Beschwerden von Kunden)

ndash der Themenauswahl fuumlr Qualitaumltszirkel oder KVP-Teams und ihrer personellen Zusam-mensetzung

ndash der Foumlrderung der Arbeit der Qualitaumltszirkel KVP-Teams

ndash der Bewertung und Nutzung der Ergebnisse der QualitaumltszirkelKVP-Teams

Bemerkenswert haumlufig wird in den vorliegenden Vereinbarungen betont dass der gesamte Pro-zess die Kreativitaumlt und Motivation der Beschaumlf-tigten foumlrdern soll ndash und nur dies auch zum Erfolg fuumlhren kann QM und KVP bilden insofern einen wesentlichen Faktor fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit der Unternehmen was auch in einer groumlszligeren Zahl juumlngerer Regelungen zum Ideenmanagement als moderner Variante des betrieblichen Vorschlags-wesens erkennbar wird

Fuumlr die Betriebs- und Personalraumlte oumlffnet sich ein Einflussfeld das neben dem Schutz vor nega-tiven Konsequenzen auch die Chancen fuumlr per-soumlnliche Weiterentwicklung und Praumlmierung gu-ter Ideen der Beschaumlftigten zum Inhalt hat Dabei wird auch die groszlige Bedeutung von Gruppenpro-zessen deutlich die sich teilweise in Gruppen-praumlmien niederschlaumlgt Dennoch enthalten ein-zelne Vereinbarungen auch relativ strenge Vor-schriften zu Qualitaumlt und Leistung der Be- schaumlftigten und deren Uumlberwachung Sie schlie-szligen individuelle Sanktionen nicht aus stellen aber eine kleine Minderheit dar die sich auf ein-zelne Dienstleistungsbranchen (z B Call-Center) beschraumlnkt Die groszlige Mehrheit der Vereinba-rungen stellt jedoch eher den Aspekt der Foumlrde-rung und Nutzung der Kreativitaumlt der Beschaumlftig-ten ins Zentrum

Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation gestalten

Das technisch Moumlgliche zum Schutz von Beschaumlf-tigten zu begrenzen und Regelungen zum Einsatz zur Nutzung und zur Kontrolle zu formulieren ist die eine Seite die Auswirkung technologischer Entwicklungen auf die Arbeitsbedingungen steht auf der anderen Seite Auswirkungen ergeben sich z B aktuell auf die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsorten Organisationsprozesse und Leis-tungsbedingungen werden neu strukturiert durch sich selbst regulierende Teams durch Selbststeue-rung und mittels Zielvereinbarungen Arbeitszeit und Freizeit sowie Arbeitsort und privater Wohn-sitz gehen ineinander uumlber und sollen doch vonein-ander abgrenzbar bleiben

Staumlndige Erreichbarkeit

Weil heute bereits Arbeitsort und Arbeitszeit flexi-bel sind ndash vor allem aufgrund mobiler Endgeraumlte ndash heiszligt ein aktuell diskutiertes Problem staumlndige Er-reichbarkeit Unbezahlte Mehrarbeit durch Arbeit am Wochenende im Urlaub am Feierabend sind weit verbreitet Nach einer aktuellen Umfrage le-sen 42 der Deutschen in der Freizeit dienstliche Mails oder Nachrichten (FAZ 2015)

Die Nutzung digitaler mobiler Arbeitsmittel hat die Kommunikation erleichtert aber Zeitprobleme

Kurz und knapp

- Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebliches Vorschlags-wesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorien-tierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Bemerkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlrdern soll kreativ und moti-viert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unternehmen

- Festgelegt werden die konkreten Formen der Beteiligung der Be-schaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestal-tung sowie Schutzbestimmungen zur Vermeidung negativer Aus-wirkungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktio-nen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

- QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetz-te Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an al-len nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 12

verschaumlrft Das Ergebnis scheint nicht nur eine In-tensivierung der Arbeit sondern auch deren zeitli-che Ausdehnung zu sein Aus Arbeitnehmersicht sollte Mehrarbeit vermieden werden bzw diese zumindest nicht unbezahlt und unausgeglichen bleiben Es geht auch darum Menschen zu befaumlhi-gen im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten selbst Gren-zen zu ziehen souveraumln mit der Arbeitszeit umge-hen zu koumlnnen und Anforderungen an Flexibilitaumlt selbstbestimmter zu gestalten Mit sehr verschie-den weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men

Regelungen werden getroffen so dass Vorge-setzte nicht auszligerhalb definierter Zeiten auf Be-schaumlftigte zugreifen Die Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit laumlsst sich im Prinzip relativ einfach bewerkstelligen

BeispielbdquoWaumlhrend der Pausen und nach Dienstende ist das Handy der Firma [hellip] auszuschaltenldquo (Sonstige Verkehrsdienstleister 0902021062003)

BeispielAllerdings ist diese Regelung 12 Jahre alt Inzwi-schen sind Verbreitung mobiler Endgeraumlte und tech-nische Moumlglichkeiten um ein vielfaches gewachsen so dass diese Regelung zwar noch guumlltig ist jedoch vermutlich haumlufig unterlaufen wird Diese Regelun-gen uumlberlaumlsst es den Beschaumlftigten auszligerhalb der Arbeitszeit und des Betriebsgelaumlndes die dienstli-chen mobilen Kommunikationsgeraumlte zu nutzen oder auch nicht

BeispielbdquoEs besteht ausdruumlcklich keine Verpflichtung au-szligerhalb der Rahmenarbeitszeit fuumlr die [Firma] mittels dieser Kommunikation erreichbar zu sein (Grund-stuumlcks- und Wohnungswesen 0903002052009)

Ein naheliegender Gedanke ist eine technische Louml-sung zu regeln die nicht so schnell unterlaufen wer-den kann wie z B begrenzte Zugriffszeiten auf das Firmennetz

BeispielbdquoWaumlhrend des Zeitfensters von 1815 Uhr bis 0700 Uhr und an Wochenenden steht die Telefonfunktion zur Verfuumlgung alle anderen Anwendungen nicht [hellip] Uumlber besondere Einzelfaumllle die durch diese Ver-fahrensregelung nicht ausreichend abgedeckt sind werden Unternehmen und Betriebsrat einvernehm-lich entscheidenldquo (0902021742011)

Die folgende Vereinbarung ist noch zwei Jahre juumln-ger und geht wieder einen anderen Weg Sie regelt Reaktionszeiten und das Recht auf Abwesenheits-freiraumlume

BeispielbdquoDer Mitarbeiter stimmt mit seinem Vorgesetzten unter Beruumlcksichtigung und Abwaumlgung betrieblicher und privater Erfordernisse seine Erreichbarkeit ab Diese orientiert sich an der im jeweiligen Team uumlbli-chen Lage der Arbeitszeit kann aber auf Wunsch des Mitarbeiters davon abweichen Auszligerhalb der ab-gestimmten Zeiten der Erreichbarkeit hat der Mitar-beiter im Sinne der Ruhe und Erholung das Recht nicht erreichbar zu sein Dazu zaumlhlen in der Regel ndash so-weit nicht Bestandteile des jeweiligen Arbeits-zeitmo-dells ndash die Abend- und Morgenstunden sowie Samsta-ge Sonn- und Feiertage Der Mitarbeiter muss auszliger-dem die Moumlglichkeit haben die ihm uumlbertragenen Aufgaben in einer angemessenen Zeit innerhalb der uumlblichen Arbeitszeiten oder innerhalb der mit seinem Vorgesetzen abgestimmten [Zeiten] erledigen zu koumln-nen (Reaktionszeit)ldquo (0801022192013)

Bei Dienstreisen gemeinsamen Projekten uumlber Zeit-zonen hinweg und bei der Arbeit beim Kunden be-stimmen zusaumltzlich auch aumluszligere Faktoren die Arbeit Wichtig ist daher auch Reisezeiten angemessen zu bewerten und Arbeitszeit korrekt zu erfassen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Vo-raussetzung dafuumlr dass ein Zeitausgleich uumlberhaupt moumlglich wird (vgl Hinrichs 2014)

Mobile Telearbeit

Staumlndige Erreichbarkeit ist ein wesentliches Anlie-gen heutiger Vereinbarungen rund um mobile Ar-

Kurz und knapp

- Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leistungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebs-vereinbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbestimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlgli-chen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

- Mit sehr verschieden weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Ar-beitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

- Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelun-gen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinba-rungen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Com-pliance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

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beit und die Nutzung mobiler Endgeraumlte Eines der ersten Unternehmen das mit einer Betriebsverein-barung zur Regelung der staumlndigen Erreichbarkeit im Jahr 2011 die oumlffentliche Debatte anregte war die Volkswagen AG (vgl Spiegel 2014) Man verein-barte zunaumlchst dass Serverfunktionen auszligerhalb der vertraglichen Arbeitszeit fuumlr tariflich Beschaumlftig-te abgeschaltet werden Ein weiteres ebenfalls oumlf-fentlich diskutiertes Beispiel in diesem Kontext bie-tet die Daimler AG Das Unternehmen ermoumlglicht uumlber einen elektronischen Abwesenheits- assistenten namens bdquoMail on Holidayldquo alle E-Mails die waumlhrend des Urlaubs eingehen automatisch louml-schen zu lassen Die Botschaft Man muss nicht waumlhrend seines Urlaubs arbeiten Seit Sommer 2013 existiert im Bundesarbeitsministerium eine Verein-barung wonach Fuumlhrungskraumlfte nur noch in begruumln-deten Ausnahmefaumlllen Beschaumlftigte in ihrer Freizeit per E-Mail oder telefonisch kontaktieren duumlrfen Der Betriebsrat der BMW AG wurde 2014 mit dem Deut-schen Betriebsraumlte-Preis in Gold ausgezeichnet fuumlr eine Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der mobi-len Arbeit Vorteile flexibler Arbeitszeiten und -orte werden genutzt um gleichzeitig eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen unter anderem durch das Recht auf Nichterreichbarkeit Kompetenzen werden geschult und die Arbeitszeit wird konsequent er-fasst Auch bei Bosch vereinbarte man dass Ar-beitszeit und Arbeitsort eigenverantwortlich und aufgabenbezogen mobil gestaltet und abgestimmt werden koumlnnen Feste Bedingung ist dass die Ar-beitszeit nach wie vor erfasst und verguumltet wird

Sehr unterschiedliche aktuelle Beduumlrfnisse von Beschaumlftigten und Fuumlhrungskraumlften werden aufge-griffen Man sucht gemeinsam nach kollektiven Louml-sungen Aber die Quadratur des Kreises lautet Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten Wenn etwa bei Vertrauensarbeitszeit auf eine Ar-beitszeiterfassung verzichtet wird dann fehlt Be-schaumlftigten ein sehr zentrales Instrument um Leis-tungsforderungen und Leistungsverdichtung uumlber-haupt dokumentieren und dann auch abbauen zu koumlnnen (vgl Klein-Schneider 2007) Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexiblen Ar-beitszeitgestaltung gelebt werden Compliance be-deutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Vom Ausmaszlig der Flexibilitaumlt in der Arbeitszeitregu-lierung sind sowohl die Produktionsbedingungen von Unternehmen als auch die Arbeits- und die Le-bensbedingungen von Beschaumlftigten maszliggeblich be- troffen Arbeitszeitgestaltung ist daher ein wesentli-

ches Kernelement der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarif-vertrag vereinbart wurden Betriebsparteien regeln die Gestaltung von Arbeitszeitkonten vor allem den Auf- und Abbau ihre Verwendung sie regeln auch ob wann und wie Guthaben entstehen koumlnnen ob und wie Mehrarbeit verguumltet wird wie Rahmenar-beitszeiten aussehen wann Arbeitszeit voruumlberge-hend verkuumlrzt wird etc

Es gibt eine Fuumllle an tariflichen Regelungen um flexible Arbeitszeiten zu gestalten (vgl Bispinck 2015) Die aktuelle Debatte um eine scheinbar not-wendige Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes er-waumlchst daher kaum aus der betrieblichen Realitaumlt Arbeitszeitkonten sind das notwendige Instrument um flexible Arbeitszeiten uumlberhaupt zu gestalten Mit Kontenmodellen koumlnnen betriebs- und marktbe-dingte Schwankungen der Produktion in woumlchentli-chen monatlichen oder auch jaumlhrlichen Arbeitszei-ten festgehalten kontrolliert und ausgeglichen wer-den Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeitaus-gleich (vgl Hamm 2013) Einfache Gleitzeitkonten mit monatlichem Ausgleichsmechanismus erlauben es dass Zeitgutschriften gespart und im Verlauf der vier Wochen genutzt werden Die angesparte Zeit kann auch uumlber laumlngere Zeitraumlume als einen Monat auf Konten gespart werden Uumlblich ist dann die Ver-wendung von Jahreskonten Auf diese Weise koumln-nen Betriebe auch in Schichtarbeit flexiblere Ar-beitszeiten entwickeln (vgl Grzech-Sukalo 2013)

Um eine fuumlr Beschaumlftigte bdquoplanbareldquo Flexibilisie-rung der Arbeit zu ermoumlglichen sehen Vereinbarun-gen Grundplanungen z B uumlber ein Jahr vor Diese kann an betriebliche Auftragsschwankungen ange-passt werden Zusatz- und Ausfallschichten in ei-nem flexiblen Schichtsystem werden uumlberwiegend von der Arbeitgeberseite bestimmt um den Perso-naleinsatz bedarfsgerecht zu gestalten Unterneh-men nutzen heute diverse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusammenhaumlngendes Gesamtkonzept

ndash Ein Gleitzeitkonto gleicht kleinere monatliche Schwankungen der Stunden aus

ndash Ein individuelles Arbeitszeitkonto mit Verteil-zeitraumlumen wird als Jahresarbeitszeit geregelt so dass taumlgliche und woumlchentliche Zeiten schwanken koumlnnen

ndash Auf Flexi-Konten werden Stunden gespart die fuumlr konjunkturbedingte Engpaumlsse zur Verfuuml-gung stehen so dass Beschaumlftigung gesichert und Kurzarbeit vermieden werden kann

ndash Langzeitkonten mit mehrjaumlhrigen Ansparpha-sen sind fuumlr laumlngere bezahlte Freistellungen nutzbar z B als Sabbatical Qualifizierungs-zeit vorgezogener Ruhestand

Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzun-gen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-

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barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Kuumlnftig wird es vermut-lich noch wichtiger sein die Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu koppeln Ent-grenzung zu begrenzen und Arbeitszeit schlichtweg wieder zu erfassen Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumen-te (vgl HofmannSmolenski 2015)

22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen

Der demografische Wandel bedeutet seit laumlngerer Zeit schon prognostizierte groszlige Umwaumllzungen Der demo-grafische Wandel kann sich je nach Branche sehr ver-schieden zeigen und mit sehr unterschiedlichen Maszlig-nahmen in der betrieblichen Realitaumlt gestaltet werden In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungsfortschritten (vgl Busse et al 2015) Haumlu-fig heiszligt demografischer Wandel im Betrieb dreierlei

ndash verschiedene Beschaumlftigtengruppen zu integrieren erwerbstaumltige Muumltter mit Arbeitszeitmodellen (vor allem Teilzeit) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung bzw Kinderbetreuung Men-schen mit Migrationshintergrund junge und alte Menschen Leistungsveraumlnderte Als neues Thema wird es auch darum gehen Fluumlchtlinge moumlglichst effizient in den Arbeitsmarkt zu integrieren

ndash Arbeits- und Gesundheitsschutz zu realisieren

Kurz und knapp

- Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernelement der Tarifpolitik Betriebspartei-en regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt wer-den kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wur-den Unternehmen nutzen heute diverse Ar-beitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

- Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anlie-gen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeit-ausgleich Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Aus-einandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der vereinbarten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang be-trieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber ge-stellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

fuumlr alternde Belegschaften ganzheitliche Ge-faumlhrdungsbeurteilungen alter(n)sgerechte Ar-beitsgestaltung Altersteilzeit

ndash Fachkraumlftebedarf abdecken Ausbildung gestal-ten Weiterbildung und lebenslanges Lernen si-chern und foumlrdern

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben konzentrierten sich sehr lange auf die Fra-ge der angemessenen Lage und Verteilung von Ar-beitszeit bezogen auf die Notwendigkeit Kinder und Berufstaumltigkeit besser zu vereinbaren (vgl MaschkeZurholt 2013) Inzwischen weitete sich das Thema auf die Pflege von Familienangehoumlrigen aus Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen verbunden ist Unter-nehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrich-tungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexible Zeitarran-gements (vgl Reuyszlig 2015 MaschkeZurholt 2013)

Allerdings koumlnnen im Lebensverlauf sehr viele un-terschiedliche Ereignisse es erfordern dass die Work-Life-Balance neu austariert werden will und man vor allem seine Arbeitszeit flexibel gestalten moumlchte oder muss Beschaumlftigte die ins Berufsleben starten ha-ben wahrscheinlich andere Arbeitszeitbeduumlrfnisse als Beschaumlftigte mit Familienpflichten die verlaumlssliche Ar-beitszeiten benoumltigen Menschen die sich kurz vor dem Ruhestand befinden oder gesundheitlich einge-schraumlnkt sind setzen wiederum andere Prioritaumlten

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsvereinba-rungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlig-nahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen die Tarifvertraumlge3 und einige Betriebsvereinbarungen

3 Einige Tarifvertraumlge sowie Betriebsvereinbarungen sehen Alters-struktur- oder Demografie-Analysen vor z B der bdquoTarifvertrag zur Gestaltung des demographischen Wandels in der Eisen- und Stahl-industrieldquo vom November 2006 oder der BCE-Tarifvertrag bdquoLebens-arbeitszeit und Demografieldquo (2008) Weitere Themen der Tarifver-traumlge sind z B flexible (Demografie-)Fonds fuumlr unterschiedliche Belange (flexible Arbeitszeiten fuumlr bestimmte Personengruppen) Arbeits- und Gesundheitsschutz Qualifizierungsoffensiven etc

Kurz und knapp

- In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unter-schiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungs-fortschritten

- Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Be-reitstellung von Ressourcen verbunden ist Unternehmen unter-stuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexi-ble Zeitarrangements

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vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektio-nen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Im bdquoTarifvertrag Demografie der chemischen In-dustrieldquo (2008) sind die verbindliche Regelung von Altersstrukturanalysen sowie finanzielle Beitraumlge fuumlr Demografie-Fonds geregelt Dies wird im Un-ternehmen spezifiziert Fuumlr Unternehmen ohne Be-triebsrat ist hier die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung geregelt Moumlgliche Zweckbindungen des Fonds koumlnnen fuumlr Langzeit-konten Altersuumlbergaumlnge (Altersteilzeit Teilrente) Altersvorsorge Berufsunfaumlhigkeit und lebenspha-senorientierte Arbeitszeitgestaltung genutzt wer-den Uumlber die Haumllfte der Beschaumlftigten der chemi-schen Industrie wird von diesen Leistungen ver-sorgt (Jungvogel 2013 S 235)

Betriebsvereinbarungen zur lebensphasenorien-tierten Arbeitszeitgestaltung regeln zB

BeispielbdquoDie Betriebsparteien wollen fuumlr eine lebensphasen-orientierte Arbeitszeitgestaltung aller Beschaumlftigten der [Firma] einen verringerten Arbeitseinsatz in be-stimmten Lebensphasen ermoumlglichen sofern nicht andere gesetzliche oderund tarifliche Bestimmun-gen in Anspruch genommen werden koumlnnen [hellip] Lebensphasen koumlnnen beispielsweise sein - die Betreuung pflegebeduumlrftiger Angehoumlriger - Vor- und Nachsorgezeiten bei Erkrankungen des

Partners undoder der Kinder - Unterstuumltzung der Lebens- und Arbeitssituatio-

nen des Partners undoder der Kinder - intensive Begleitung von Kindern waumlhrend der

Einschulungsphase oder es Uumlbergangs an wei-terfuumlhrende Schulen

- gleitender Wiedereinstieg nach einer familienbe-dingten Auszeit

- die berufsbegleitende Absolvierung einer Wei-terbildungeines Studiums

- unvorhersehbare familiaumlrepersoumlnliche Ausnah-mesituationen [hellip]

Zur Ermoumlglichung [hellip] wird ein Topf in Houmlhe von 50 TEUR pa gebildet [hellip]ldquo (NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobil-elektronik 03020028602015)

Kurz und knapp - Regelungen existieren sowohl auf Branchen-

bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Be-triebsvereinbarungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie

- Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifver-traumlge und Betriebsvereinbarungen vor um zu-naumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Wichtige Stichworte fuumlr Maszlignahmen sind Gesundheits- bzw Eingliede-rungsmanagement Belastungsreduzierungen Er-gonomie sowie alters- und alternsgerechte Arbeits-bedingungen und ganzheitliche Gefaumlhrdungsbeur-teilungen

Die gesetzliche Pflicht zur Gefaumlhrdungsbeurtei-lung wird inzwischen von 51 der Unternehmen (BAuA 2015) erfuumlllt und in der Regel in Betriebsver-einbarungen festgeschrieben Vor allem kleine Be-triebe mit bis zu 49 Beschaumlftigten hinken deutlich hinterher

Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure Die Sick AG wurde vor einiger Zeit bekannt mit einer Vereinba-rung zur Umsetzung ganzheitlicher Gefaumlhrdungs-beurteilungen Der nicht konfliktfreie Prozess fuumlhr-te zur Etablierung eines paritaumltisch besetzten Steu-erungskreises der die Verfahren lenkt Das Ziel ist vor allem Stress und Fehlbelastungen zu erkennen und gezielte Loumlsungen von sehr unterschiedlicher Reichweite sehr konkret mit vielen kleinen Loumlsun-gen gemeinsam zu entwickeln (vgl Molitor 2013) Das koumlnnen stoumlrungsfreie Arbeitszeiten sein redu-zierte Geraumluschbelastungen durch Telefonklingeln vereinbarte Zeitpuffer etc

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Bereits heute wird an bdquointelligenter persoumlnlicher Schutz-kleidungldquo fuumlr Feuerwehreinsatzkraumlfte gearbeitet (vgl Roszlignagel 2012) Einsatzkraumlfte koumlnnen in Ge-fahrensituationen geortet und selbst besser ge-schuumltzt werden indem unter anderem ihre Koumlrper-funktionen mittels Datenuumlbertragung im Einsatz permanent uumlberwacht werden Wie wird kuumlnftig gewaumlhrleistet dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausge-wertet werden koumlnnen Im betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) sind erste bdquozarteldquo Ansaumlt-ze fuumlr betriebliche Umgangsformen gefunden um entsprechend sensibel mit Daten umzugehen So sollte beispielsweise die BEM-Akte der bzw des Betroffenen separat gefuumlhrt und nicht in die Perso-nalakte integriert werden Ein Hebel fuumlr den Ar-beits- und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestimmung liegt auch darin die gesicherten arbeitswissen-schaftlichen Erkenntnisse uumlber die menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gel-tung zu bringen

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23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

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2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 18

24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

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oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

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2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

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immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

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- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

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4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 25

5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 26

Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

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Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

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Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 7: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 7

muth 2014) Haumlufig finden sich Regelungen die eine private Nutzung in der Freizeit und in den Pausen er-lauben nachdem die Beschaumlftigten eine Erklaumlrung unterzeichnet haben mit der datenschutzrechtliche Beschraumlnkungen zur Protokollierung und Auswer-tung fuumlr den Arbeitgeber aufgehoben werden Leis-tungs- und Verhaltenskontrolle wird regelmaumlszligig auf dem Papier ausgeschlossen Im Umgang mit Proto-kolldateien sind Spielraumlume vorhanden um diese auszuwerten Die missbraumluchliche Nutzung von In-ternetdiensten soll bewiesen werden

Relevant wird dies insbesondere wenn E-Mail- und Internetdienste durch die Arbeitnehmervertre-tungen genutzt werden und ein besonderer Schutz der Daten notwendig wird Die folgende Regelung ist dafuumlr beispielhaft Sie bezieht zusaumltzlich alle an-deren Personen und Gruppierungen ein die per Ge-setz einem besonderen Schutz unterliegen

Beispiel bdquoWerksaumlrzte Psychologen Suchtberater Suchtkran-kenhelfer Sozialberater Betriebsraumlte und Jugend- und Auszubildendenvertreter und andere Interessen-vertreter der Belegschaft Schwerbehindertenvertre-ter Pressemitarbeiter und Rechtsanwaumllte sowie die im betrieblichen Datenschutz taumltigen Personen und die [betrieblichen Datenschutzbeauftragten] genie-szligen einen Sonderschutz Eine Liste der geschuumltzten Personen wird durch die lokale Personalabteilung dem zustaumlndigen Administrator zur Einrichtung und dem lokalen Betriebsrat zur Uumlberpruumlfung der Einhal-tung dieser Betriebsvereinbarung zur Verfuumlgung ge-stellt E-Mails die an diesen Personenkreis gerichtet sind unterliegen dem maximalen Schutzldquo (Bran-chenuumlbergreifend 0903001882010)

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeits-verdichtungen werden in den meisten Vereinbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet Selten werden etwa ausfuumlhrliche Regelungen zum Umgang mit Abwe-senheitszeiten und Vertretungsregelungen formuliert

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Diese Geraumlte werden in den Vereinbarungen bisher kaum mit ihren umfassenden Einsatzmoumlglichkeiten wahrgenommen bezogen auf die Kommunikation (Te-lefon Kurznachrichten und elektronische Post) und

Kurz und knapp

- Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Vereinbarungen zur E-Mail-Nut-zung nicht betrachtet

das Informationsmanagement (Adressbuch Kalender Aufgabenlisten Projektsoftware) Mobile Device Ma-nagement (MDM) ermoumlglicht es alle mobilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfigurationen zentral zu ver-walten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und An-wendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbe-stimmung Nur wenige Vereinbarungen erfassen das Thema bislang umfassend (vgl Thannheiser 2015) Durch MDM werden mobile Geraumlte transparent ortbar und auswertbar ndash was der Verhaltens- und Leistungs-kontrolle Wege eroumlffnet Alle mobilen Zugriffe auf Do-kumente werden vom MDM-System luumlckenlos aufge-zeichnet Schnittstellen ermoumlglichen die Weitergabe an beliebige andere Systeme Daruumlber hinaus ist der sogenannte Echtzeit-Remote-Zugriff moumlglich (Remote Control) Je nach Freigabe ist es moumlglich sich auf Mo-biltelefone aufzuschalten und diese fernzubedienen

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspannun-gen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtliche Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leistungs-kontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte einge-setzte Software bleiben ebenso haumlufig unbeantwor-tet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Ta-blets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen

Unter dem Begriff Social Media werden alle techni-schen Moumlglichkeiten zusammengefasst die es er-lauben z B auf Plattformen miteinander in Kontakt zu treten um sich zu vernetzen mediale Inhalte ge-meinsam zu erarbeiten zu teilen oder zu kooperie-ren Unternehmen nutzen Social-Media-Angebote heute fuumlr interne wie externe Bereiche Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessenvertretun-gen und Arbeitgeber nicht selten vor vollendeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt Be-schaumlftigte schaffen Fakten und veraumlndern Unterneh-

Kurz und knapp

- Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mobilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfigurationen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Sys-temen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Vereinbarun-gen erfassen das Thema bislang umfassend

- Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Ver-spannungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtliche Fra-gen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leistungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbeantwortet Die Nutzung von Apps auf Smart-phones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 8

men indem sie den im Privatleben alltaumlglichen Ge-brauch in das Berufsleben hineintragen

Die Auswertung von Regelungen zur Social-Me-dia-Verwendung in Betrieben zeigt Nur selten wur-den Betriebs- und Dienstvereinbarungen abge-schlossen dafuumlr mehr Richtlinien bzw Social-Me-dia-Guidelines (vgl GreveWedde 2014)

BeispielbdquoDie Nutzung sozialer Netzwerke wie Twitter Face-book Xing oder Wikipedia gewinnt eine immer groumlszlige-re Bedeutung [hellip] Die [Firma] kann sich hier darstel-len ihre Produkte verbreiten und fuumlr sie werben Es liegt im Interesse der [Firma] das Engagement der Mitarbeiter im Bereich der sozialen Medien zu foumlrdern [hellip] Um den Beschaumlftigten Sicherheit im Umgang mit den sozialen Netzwerken zu geben und daruumlber hinaus die Interessen beider Seiten gleichermaszligen zu wah-ren haben die Betriebsparteien einen Kodex erstellt als Regelwerk fuumlr das digitale Miteinander im Internetldquo (Verlags- und Druckgewerbe 0903002262011)

Manche Unternehmen beziehen ihre Richtlinien aus-druumlcklich auf die dienstliche Nutzung Demgegen-uumlber entwickeln andere ihre Richtlinien offenbar ge-rade dafuumlr Beschaumlftigten Regeln fuumlr die private Nut-zung von Social Media an die Hand zu geben

BeispielbdquoDer Leitfaden ist nicht als Anleitung fuumlr Mitarbeiter ge-dacht die fuumlr die offiziellen Kommunikationskanaumlle [der Firma] zustaumlndig sind Es geht hier vielmehr um Ihre persoumlnlichen Aktivitaumlten in den Social Media sowohl waumlhrend der Arbeitszeit als auch zuhause Generell ist es Ihre Sache was Sie auszligerhalb der Arbeitszeit tunldquo (Telekommunikationsdienstleister 0903002872010)

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungspflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals relativ schnell erstellt wur-den um der rasanten Nutzung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spiel-regeln zusammenzufassen Dies ist dann eine Basis auf der die eigentlich mitbestimmungspflichtigen Fragen kuumlnftig umfassend geregelt werden koumlnnen und sollten

Kurz und knapp

- Bei Social-Media-Anwendungen stehen Inter-essenvertretungen und Arbeitgeber nicht sel-ten vor vollendeten Tatsachen denn die Nut-zung findet bereits statt

- Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oft-mals relativ schnell erstellt wurden um der ra-santen Nutzung sozialer Medien eine rechtli-che Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammenzufassen

GPS-Zugriff auf Daten u a

Der Zugriff auf Daten z B mittels GPS Funknetz oder RFID birgt ein enormes Rationalisierungs- und Ein-sparpotenzial Bewegungsdaten von Menschen und Waren mittels GPS-Ortung auszuwerten kann fuumlr den Kundenservice die Optimierung von Einsaumltzen Be-standskontrollen Abstimmungsprozesse (mit dem Smartphone) genutzt werden Im Hinblick auf verbesserte Kundenfreundlichkeit kann die Weiterga-be von Standortdaten eine groszlige Rolle spielen Fuumlr Beschaumlftigte sind gegebenenfalls Regelungen zum Datenschutz notwendig Datensparsamkeit Zweck-bindung und Persoumlnlichkeitsschutz sollen vor unzulaumls-sigen Kontrollen schuumltzen In Vereinbarungen werden daher vor allem Datenauswertungen eingeschraumlnkt (vgl Kiper 2011) Vereinzelt duumlrfen personenbezogene Daten nur im Ausnahmefall und mit Zustimmung der Interessenvertretung ausgewertet werden oder die Auswertung wird an die Zustimmung der Interessen-vertretung gebunden Regelungsgegenstand ist oft-mals aber nicht ob sondern wie Daten ausgewertet werden Wie ernsthaft und streng diese Regelungen in der Praxis umgesetzt werden ist unklar

Datenschutz und Kontrolle

In juumlngerer Zeit werden Regelungsstrategien er-probt wonach der Betriebsrat zwar grundsaumltzlich je-der Software-Einfuumlhrung zustimmt aber nur unter der Bedingung dass Leistungs- und Verhaltenskont-rolle ausgeschlossen ist Dies wird mit einem Son-derkuumlndigungsrecht untermauert Falls gegen diese Vereinbarung verstoszligen wird folgt der sofortige Stopp der weiteren Software-Einfuumlhrung So kann sich ein schnelles Verfahren ergeben das gegebe-nenfalls ein teures Verfahren fuumlr das Unternehmen im Fall der Kuumlndigung nach sich zieht Zu kontrollie-ren ob eine Vereinbarung eingehalten wird kann je-doch relativ schwierig werden Gerade bei internati-onalen Konzernen kann zusaumltzlich eine Herausforde-rung darstellen wenn verschiedene Datenschutz- niveaus und -verstaumlndnisse vorherrschen

Bei der Deutschen Bahn brachte ein groszliger Da-tenskandal im Jahr 2009 Bewegung in den Daten-schutz Eine heute vorbildliches Daten- und Daten-schutzmanagement regelt die Datenstroumlme sehr streng Die Konzernbetriebsvereinbarung Beschaumlf-tigtendatenschutz steht im Konzern uumlber allen ande-ren internen Regelungen Das System wurde ins Le-ben gerufen um Beschaumlftigte zu schuumltzen aber auch um Kontrollen mit entsprechender Verhaumlltnis-maumlszligigkeit zu ermoumlglichen (vgl Kiesche 2015) ndash al-lerdings erst nachdem sich ein umfassender Skan-dal ereignet hatte

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem star-ken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Anti-terror-Verordnungen Vorgesehen ist der Abgleich von Beschaumlftigtendaten mit Namenslisten von so-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 9

genannten Terrorverdaumlchtigen Ob dies erlaubt ist und wenn ja welche Mitbestimmungspflicht ausge-loumlst wird ist unter Juristen umstritten Einige Kon-zerne haben inzwischen Betriebsvereinbarungen abgeschlossen um zumindest das Verfahren mitzu-gestalten (vgl Thannheiser 2015)

BeispielbdquoFuumlr die Erhebung Verarbeitung und Nutzung von Beschaumlftigtendaten zum Abgleich gegen Sanktions-listen sind das Bundesdatenschutzgesetz sowie die Konzernrichtlinien zum Datenschutz maszliggeblich Beim Abgleich der Beschaumlftigten- und Bewerberda-ten ist der Grundsatz der Datensparsamkeit zu be-achten und auf das zwingend erforderliche Mindest-maszlig zu beschraumlnkenldquo (0906002192014)

Auch hier zeigt sich die hohe Relevanz einer vertrau-ensvollen betrieblichen Zusammenarbeit der han-delnden Akteure

Kurz und knapp

- Viele Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen so-wie der Vermeidung von Leistungs- und Ver-haltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander ab-gestimmten flexiblen Regelungen die ver-bindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Ver-handlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

- Datensicherheit und Beschaumlftigtendaten-schutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Un-ternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat entstehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rahmengebende Tarifvertraumlge und ge-setzliche Regelungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur technisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsendes Thema

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krank-heitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausgewer-tet werden koumlnnen

- Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kon-trolle und die Verhinderung von Missbrauch und Straftaten durch zu wenig Kontrolle ste-hen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarun-gen zu sogenannten EU-Antiterror-Verord-nungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Neue Automatisierungsansaumltze Kommunikation zwischen Mensch und Maschine sowie neue Ge-nerationen von Robotern sind im Konzept Industrie 40 der Kern Eine prognostizierte Entwicklung fuumlr das Unternehmen 40 kann darin bestehen dass bdquopolarisierte Organisationenldquo entstehen werden mit hochspezialisierten Experten und abgewerte-ten Fachkraumlften (Hirsch-Kreinsen 2014) Anderer-seits koumlnnen bdquoSchwarm-Organisationenldquo entste-hen mit hochqualifizierten und gleichberechtigten Beschaumlftigten die selbst ihre Arbeit definieren und hochflexibel agieren (ebd) Welche Arbeitsorgani-sation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Pers-pektive sie Produktion und Arbeit sehen (vgl BDI 2015) Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Neue Produktionssysteme (Lean Production) etwa bringen diverse Aspekte zusammen Effizi-enz des Workflows verbessern Kostensenkung Qualitaumltsverbesserung Leistungsbemessung und Kennzahlensysteme Teamarbeit Betriebsdatener-fassung Motivationsverbesserung Verschwen-dung vermeiden etc Neben Effizienz geht es auch um die Transparenz und Kontrolle von Arbeitsleis-tung Scheinbar schleichend werden heute Ar-beitsorganisationen und Produktionsprozesse op-timiert Dies gilt fuumlr produzierende wie fuumlr indirek-te Bereiche in Verwaltungen (z B Lean im Buumlro) Taumltigkeiten werden staumlrker standardisiert und ge-taktet quasi in einer Flieszligfertigung miteinander verknuumlpft mit dem Ziel die Fehlerquote auf Null zu senken In den Produktionen und Buumlros scheinen sich diese Veraumlnderungen ambivalent auf die Ar-beitsbedingungen der Beschaumlftigten auszuwirken Durch verbesserte Organisationsweisen von Ar-beitsgaumlngen entstehen einerseits Arbeitsentlas-tungen diesen stehen jedoch z B wachsender Leistungsdruck durch hohe Transparenz Monoto-nie durch Standardisierung und Taktverkuumlrzungen gegenuumlber

Einen Blick in die Zukunft kann man heute schon in ersten Ansaumltzen werfen (vgl Beispiele in Ittermann ua 2015) Bei Audi in Ingolstadt arbei-tet ein Roboter inzwischen mit Menschen zusam-men an der Montagelinie Dies wird als bdquoerste Mensch-Maschine-Kooperation im VW-Konzernldquo betrachtet (IG Metall 2015a) Dabei gelten folgen-de Grundsaumltze Man arbeitet Hand in Hand aber der Roboter uumlbernimmt schwere Arbeit Routinen werden automatisiert und der Mensch steuert die Maschine Die Zukunft wird in einer noch flexible-ren Fertigung gesehen Maschinen tauschen un-tereinander Daten direkt aus Teile bewegen sich

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 10

selbststaumlndig und autonom durch die Produktion Ob der Mensch dann noch die Taktzeiten vorge-ben wird ist nicht klar aber auch nicht unmoumlglich Schluumlssel fuumlr vieles ist die Aus- und Weiterbil-dung Bei Audi entstehen neue Berufe und Qualifi-kationsprofile um diese flexible Fertigung zu be-herrschen

Eine der modernsten Fabriken das Elektronik-werk von Siemens in Amberg wurde inzwischen beschrieben (vgl Kraft 2015) Die digitalisierte Produktion arbeitet bdquoon demandldquo mit einer Quali-taumlt von 999988 50 Millionen Datensaumltze pro Tag halten nahezu alles fest was wann und wo passiert Bei Fehlern wird die Ursache gefunden nichts kann vertuscht werden Die Technik redu-ziert Fehler und macht die Arbeit abwechslungs-reicher Der Betriebsrat bleibt fortlaufend infor-miert Eine Betriebsvereinbarung verhindert dass bei Rationalisierungen betriebsbedingte Kuumlndi-gungen erfolgen koumlnnen Auch hier ist Weiterbil-dung der Schluumlssel zum Erhalt von Arbeitsplaumltzen in einer sich fortlaufend wandelnden Produktion (vgl IG Metall 2015b)

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt (vgl Pfaumlfflin et al 2011) Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubau-en So kann ein paritaumltisch besetzter Lenkungs-ausschuss dafuumlr sorgen dass Betriebsraumlte durch Mitbestimmung eingreifen koumlnnen wenn die Ver-aumlnderungsprozesse zu negativen Auswirkungen fuumlhren

Beispielbdquo[Die Firma] und der BR richten einen paritaumltisch besetzten Lenkungsausschuss ein Dieser Len-kungsausschuss ist berechtigt in die Veraumlnde-rungsprozesse einzugreifen und Maszlignahmen zwingend einzuleiten sofern eine nachteilige Aus-wirkung auf die Arbeitsbelastung abzusehen istldquo (Datenverarbeitung und Softwareentwicklung 06080012011)

Die Vereinbarung regelt dass die Veraumlnderungen evaluiert werden und im Hinblick auf Arbeitsbelas-tungen konkrete Loumlsungsschritte unternommen wer-den muumlssen etwa zum individuellen Stressabbau so-wie bezogen auf Prozess- und Organisationsbedin-gungen

Regelmaumlszligige Gespraumlche erhoumlhen die Transpa-renz liefern Informationen und verbessern gegebe-nenfalls die Zusammenarbeit In vielen Unterneh-men werden existierende Betriebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhal-tenskontrolle weiterentwickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)

sind keine neuen Managementmethoden um Ar-beits- und Leistungsprozesse zu optimieren Haumlu-fig werden neue Standards im sogenannten konti-nuierlichen Verbesserungsprozessen mit beteili-gungsorientierten Elementen entwickelt Hier stehen Kundenerwartungen und die betrieblichen Ziele im Vordergrund Diese beziehen sich haumlufig auf Kostensenkungen Produktivitaumltssteigerungen und die Entwicklung neuer Produkte Hinzu kom-men auch Ziele wie gute Arbeitsbedingungen Umweltschutz und sozialer Zusammenhalt

QM und KVP bilden auch fuumlr ganzheitliche Pro-duktionssysteme wichtige Rahmenbedingungen Sie werden meist mit Betriebs- oder Dienstverein-barungen geregelt (vgl Bechmann 2010) Festge-legt werden die konkreten Formen der Beteili-gung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutzbe-stimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes Die rechtliche Grundlage fuumlr die Regelungen bilden vor allem Mitbestimmungsrechte bezogen auf die Ordnung des Betriebs die technisch gestuumltzte Kontrolle von Leistung und Verhalten der Be-schaumlftigten auf den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz die Gestaltung des betriebli-chen Vorschlagswesens und betriebliche Qualifi-zierungsmaszlignahmen

Kurz und knapp

- Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht voll-staumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit sehen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlf-tigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

- Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichti-ges Handlungsfeld Bei der Einfuumlhrung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

- In vielen Unternehmen werden existierende Betriebsvereinba-rungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Daten-schutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterentwi-ckelt werden muumlssen

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QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwick-lung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Be-schaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlf-tigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachge-ordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wich-tige Ziele fuumlr die Zukunft

Festgelegt wird wie Beschaumlftigte und ihre In-teressenvertretung uumlber alle Ablaumlufe und Unterla-gen im Zusammenhang mit QM und KVP infor-miert werden und Einfluss auf deren wesentliche Elemente nehmen koumlnnen Einfluss nehmen be-zieht sich insbesondere auf Definitionen von Ar-beitsvorgaben und Zielwerten wie z B

ndash Inhalten des QM-Handbuchs ndash der Planung und Durchfuumlhrung von Audits ndash der Erfassung und Verwendung von Beschaumlf-

tigtendaten uumlber Leistung und Verhalten (in-klusive Ruumlckmeldungen und Beschwerden von Kunden)

ndash der Themenauswahl fuumlr Qualitaumltszirkel oder KVP-Teams und ihrer personellen Zusam-mensetzung

ndash der Foumlrderung der Arbeit der Qualitaumltszirkel KVP-Teams

ndash der Bewertung und Nutzung der Ergebnisse der QualitaumltszirkelKVP-Teams

Bemerkenswert haumlufig wird in den vorliegenden Vereinbarungen betont dass der gesamte Pro-zess die Kreativitaumlt und Motivation der Beschaumlf-tigten foumlrdern soll ndash und nur dies auch zum Erfolg fuumlhren kann QM und KVP bilden insofern einen wesentlichen Faktor fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit der Unternehmen was auch in einer groumlszligeren Zahl juumlngerer Regelungen zum Ideenmanagement als moderner Variante des betrieblichen Vorschlags-wesens erkennbar wird

Fuumlr die Betriebs- und Personalraumlte oumlffnet sich ein Einflussfeld das neben dem Schutz vor nega-tiven Konsequenzen auch die Chancen fuumlr per-soumlnliche Weiterentwicklung und Praumlmierung gu-ter Ideen der Beschaumlftigten zum Inhalt hat Dabei wird auch die groszlige Bedeutung von Gruppenpro-zessen deutlich die sich teilweise in Gruppen-praumlmien niederschlaumlgt Dennoch enthalten ein-zelne Vereinbarungen auch relativ strenge Vor-schriften zu Qualitaumlt und Leistung der Be- schaumlftigten und deren Uumlberwachung Sie schlie-szligen individuelle Sanktionen nicht aus stellen aber eine kleine Minderheit dar die sich auf ein-zelne Dienstleistungsbranchen (z B Call-Center) beschraumlnkt Die groszlige Mehrheit der Vereinba-rungen stellt jedoch eher den Aspekt der Foumlrde-rung und Nutzung der Kreativitaumlt der Beschaumlftig-ten ins Zentrum

Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation gestalten

Das technisch Moumlgliche zum Schutz von Beschaumlf-tigten zu begrenzen und Regelungen zum Einsatz zur Nutzung und zur Kontrolle zu formulieren ist die eine Seite die Auswirkung technologischer Entwicklungen auf die Arbeitsbedingungen steht auf der anderen Seite Auswirkungen ergeben sich z B aktuell auf die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsorten Organisationsprozesse und Leis-tungsbedingungen werden neu strukturiert durch sich selbst regulierende Teams durch Selbststeue-rung und mittels Zielvereinbarungen Arbeitszeit und Freizeit sowie Arbeitsort und privater Wohn-sitz gehen ineinander uumlber und sollen doch vonein-ander abgrenzbar bleiben

Staumlndige Erreichbarkeit

Weil heute bereits Arbeitsort und Arbeitszeit flexi-bel sind ndash vor allem aufgrund mobiler Endgeraumlte ndash heiszligt ein aktuell diskutiertes Problem staumlndige Er-reichbarkeit Unbezahlte Mehrarbeit durch Arbeit am Wochenende im Urlaub am Feierabend sind weit verbreitet Nach einer aktuellen Umfrage le-sen 42 der Deutschen in der Freizeit dienstliche Mails oder Nachrichten (FAZ 2015)

Die Nutzung digitaler mobiler Arbeitsmittel hat die Kommunikation erleichtert aber Zeitprobleme

Kurz und knapp

- Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebliches Vorschlags-wesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorien-tierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Bemerkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlrdern soll kreativ und moti-viert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unternehmen

- Festgelegt werden die konkreten Formen der Beteiligung der Be-schaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestal-tung sowie Schutzbestimmungen zur Vermeidung negativer Aus-wirkungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktio-nen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

- QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetz-te Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an al-len nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

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verschaumlrft Das Ergebnis scheint nicht nur eine In-tensivierung der Arbeit sondern auch deren zeitli-che Ausdehnung zu sein Aus Arbeitnehmersicht sollte Mehrarbeit vermieden werden bzw diese zumindest nicht unbezahlt und unausgeglichen bleiben Es geht auch darum Menschen zu befaumlhi-gen im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten selbst Gren-zen zu ziehen souveraumln mit der Arbeitszeit umge-hen zu koumlnnen und Anforderungen an Flexibilitaumlt selbstbestimmter zu gestalten Mit sehr verschie-den weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men

Regelungen werden getroffen so dass Vorge-setzte nicht auszligerhalb definierter Zeiten auf Be-schaumlftigte zugreifen Die Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit laumlsst sich im Prinzip relativ einfach bewerkstelligen

BeispielbdquoWaumlhrend der Pausen und nach Dienstende ist das Handy der Firma [hellip] auszuschaltenldquo (Sonstige Verkehrsdienstleister 0902021062003)

BeispielAllerdings ist diese Regelung 12 Jahre alt Inzwi-schen sind Verbreitung mobiler Endgeraumlte und tech-nische Moumlglichkeiten um ein vielfaches gewachsen so dass diese Regelung zwar noch guumlltig ist jedoch vermutlich haumlufig unterlaufen wird Diese Regelun-gen uumlberlaumlsst es den Beschaumlftigten auszligerhalb der Arbeitszeit und des Betriebsgelaumlndes die dienstli-chen mobilen Kommunikationsgeraumlte zu nutzen oder auch nicht

BeispielbdquoEs besteht ausdruumlcklich keine Verpflichtung au-szligerhalb der Rahmenarbeitszeit fuumlr die [Firma] mittels dieser Kommunikation erreichbar zu sein (Grund-stuumlcks- und Wohnungswesen 0903002052009)

Ein naheliegender Gedanke ist eine technische Louml-sung zu regeln die nicht so schnell unterlaufen wer-den kann wie z B begrenzte Zugriffszeiten auf das Firmennetz

BeispielbdquoWaumlhrend des Zeitfensters von 1815 Uhr bis 0700 Uhr und an Wochenenden steht die Telefonfunktion zur Verfuumlgung alle anderen Anwendungen nicht [hellip] Uumlber besondere Einzelfaumllle die durch diese Ver-fahrensregelung nicht ausreichend abgedeckt sind werden Unternehmen und Betriebsrat einvernehm-lich entscheidenldquo (0902021742011)

Die folgende Vereinbarung ist noch zwei Jahre juumln-ger und geht wieder einen anderen Weg Sie regelt Reaktionszeiten und das Recht auf Abwesenheits-freiraumlume

BeispielbdquoDer Mitarbeiter stimmt mit seinem Vorgesetzten unter Beruumlcksichtigung und Abwaumlgung betrieblicher und privater Erfordernisse seine Erreichbarkeit ab Diese orientiert sich an der im jeweiligen Team uumlbli-chen Lage der Arbeitszeit kann aber auf Wunsch des Mitarbeiters davon abweichen Auszligerhalb der ab-gestimmten Zeiten der Erreichbarkeit hat der Mitar-beiter im Sinne der Ruhe und Erholung das Recht nicht erreichbar zu sein Dazu zaumlhlen in der Regel ndash so-weit nicht Bestandteile des jeweiligen Arbeits-zeitmo-dells ndash die Abend- und Morgenstunden sowie Samsta-ge Sonn- und Feiertage Der Mitarbeiter muss auszliger-dem die Moumlglichkeit haben die ihm uumlbertragenen Aufgaben in einer angemessenen Zeit innerhalb der uumlblichen Arbeitszeiten oder innerhalb der mit seinem Vorgesetzen abgestimmten [Zeiten] erledigen zu koumln-nen (Reaktionszeit)ldquo (0801022192013)

Bei Dienstreisen gemeinsamen Projekten uumlber Zeit-zonen hinweg und bei der Arbeit beim Kunden be-stimmen zusaumltzlich auch aumluszligere Faktoren die Arbeit Wichtig ist daher auch Reisezeiten angemessen zu bewerten und Arbeitszeit korrekt zu erfassen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Vo-raussetzung dafuumlr dass ein Zeitausgleich uumlberhaupt moumlglich wird (vgl Hinrichs 2014)

Mobile Telearbeit

Staumlndige Erreichbarkeit ist ein wesentliches Anlie-gen heutiger Vereinbarungen rund um mobile Ar-

Kurz und knapp

- Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leistungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebs-vereinbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbestimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlgli-chen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

- Mit sehr verschieden weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Ar-beitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

- Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelun-gen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinba-rungen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Com-pliance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

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beit und die Nutzung mobiler Endgeraumlte Eines der ersten Unternehmen das mit einer Betriebsverein-barung zur Regelung der staumlndigen Erreichbarkeit im Jahr 2011 die oumlffentliche Debatte anregte war die Volkswagen AG (vgl Spiegel 2014) Man verein-barte zunaumlchst dass Serverfunktionen auszligerhalb der vertraglichen Arbeitszeit fuumlr tariflich Beschaumlftig-te abgeschaltet werden Ein weiteres ebenfalls oumlf-fentlich diskutiertes Beispiel in diesem Kontext bie-tet die Daimler AG Das Unternehmen ermoumlglicht uumlber einen elektronischen Abwesenheits- assistenten namens bdquoMail on Holidayldquo alle E-Mails die waumlhrend des Urlaubs eingehen automatisch louml-schen zu lassen Die Botschaft Man muss nicht waumlhrend seines Urlaubs arbeiten Seit Sommer 2013 existiert im Bundesarbeitsministerium eine Verein-barung wonach Fuumlhrungskraumlfte nur noch in begruumln-deten Ausnahmefaumlllen Beschaumlftigte in ihrer Freizeit per E-Mail oder telefonisch kontaktieren duumlrfen Der Betriebsrat der BMW AG wurde 2014 mit dem Deut-schen Betriebsraumlte-Preis in Gold ausgezeichnet fuumlr eine Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der mobi-len Arbeit Vorteile flexibler Arbeitszeiten und -orte werden genutzt um gleichzeitig eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen unter anderem durch das Recht auf Nichterreichbarkeit Kompetenzen werden geschult und die Arbeitszeit wird konsequent er-fasst Auch bei Bosch vereinbarte man dass Ar-beitszeit und Arbeitsort eigenverantwortlich und aufgabenbezogen mobil gestaltet und abgestimmt werden koumlnnen Feste Bedingung ist dass die Ar-beitszeit nach wie vor erfasst und verguumltet wird

Sehr unterschiedliche aktuelle Beduumlrfnisse von Beschaumlftigten und Fuumlhrungskraumlften werden aufge-griffen Man sucht gemeinsam nach kollektiven Louml-sungen Aber die Quadratur des Kreises lautet Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten Wenn etwa bei Vertrauensarbeitszeit auf eine Ar-beitszeiterfassung verzichtet wird dann fehlt Be-schaumlftigten ein sehr zentrales Instrument um Leis-tungsforderungen und Leistungsverdichtung uumlber-haupt dokumentieren und dann auch abbauen zu koumlnnen (vgl Klein-Schneider 2007) Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexiblen Ar-beitszeitgestaltung gelebt werden Compliance be-deutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Vom Ausmaszlig der Flexibilitaumlt in der Arbeitszeitregu-lierung sind sowohl die Produktionsbedingungen von Unternehmen als auch die Arbeits- und die Le-bensbedingungen von Beschaumlftigten maszliggeblich be- troffen Arbeitszeitgestaltung ist daher ein wesentli-

ches Kernelement der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarif-vertrag vereinbart wurden Betriebsparteien regeln die Gestaltung von Arbeitszeitkonten vor allem den Auf- und Abbau ihre Verwendung sie regeln auch ob wann und wie Guthaben entstehen koumlnnen ob und wie Mehrarbeit verguumltet wird wie Rahmenar-beitszeiten aussehen wann Arbeitszeit voruumlberge-hend verkuumlrzt wird etc

Es gibt eine Fuumllle an tariflichen Regelungen um flexible Arbeitszeiten zu gestalten (vgl Bispinck 2015) Die aktuelle Debatte um eine scheinbar not-wendige Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes er-waumlchst daher kaum aus der betrieblichen Realitaumlt Arbeitszeitkonten sind das notwendige Instrument um flexible Arbeitszeiten uumlberhaupt zu gestalten Mit Kontenmodellen koumlnnen betriebs- und marktbe-dingte Schwankungen der Produktion in woumlchentli-chen monatlichen oder auch jaumlhrlichen Arbeitszei-ten festgehalten kontrolliert und ausgeglichen wer-den Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeitaus-gleich (vgl Hamm 2013) Einfache Gleitzeitkonten mit monatlichem Ausgleichsmechanismus erlauben es dass Zeitgutschriften gespart und im Verlauf der vier Wochen genutzt werden Die angesparte Zeit kann auch uumlber laumlngere Zeitraumlume als einen Monat auf Konten gespart werden Uumlblich ist dann die Ver-wendung von Jahreskonten Auf diese Weise koumln-nen Betriebe auch in Schichtarbeit flexiblere Ar-beitszeiten entwickeln (vgl Grzech-Sukalo 2013)

Um eine fuumlr Beschaumlftigte bdquoplanbareldquo Flexibilisie-rung der Arbeit zu ermoumlglichen sehen Vereinbarun-gen Grundplanungen z B uumlber ein Jahr vor Diese kann an betriebliche Auftragsschwankungen ange-passt werden Zusatz- und Ausfallschichten in ei-nem flexiblen Schichtsystem werden uumlberwiegend von der Arbeitgeberseite bestimmt um den Perso-naleinsatz bedarfsgerecht zu gestalten Unterneh-men nutzen heute diverse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusammenhaumlngendes Gesamtkonzept

ndash Ein Gleitzeitkonto gleicht kleinere monatliche Schwankungen der Stunden aus

ndash Ein individuelles Arbeitszeitkonto mit Verteil-zeitraumlumen wird als Jahresarbeitszeit geregelt so dass taumlgliche und woumlchentliche Zeiten schwanken koumlnnen

ndash Auf Flexi-Konten werden Stunden gespart die fuumlr konjunkturbedingte Engpaumlsse zur Verfuuml-gung stehen so dass Beschaumlftigung gesichert und Kurzarbeit vermieden werden kann

ndash Langzeitkonten mit mehrjaumlhrigen Ansparpha-sen sind fuumlr laumlngere bezahlte Freistellungen nutzbar z B als Sabbatical Qualifizierungs-zeit vorgezogener Ruhestand

Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzun-gen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 14

barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Kuumlnftig wird es vermut-lich noch wichtiger sein die Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu koppeln Ent-grenzung zu begrenzen und Arbeitszeit schlichtweg wieder zu erfassen Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumen-te (vgl HofmannSmolenski 2015)

22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen

Der demografische Wandel bedeutet seit laumlngerer Zeit schon prognostizierte groszlige Umwaumllzungen Der demo-grafische Wandel kann sich je nach Branche sehr ver-schieden zeigen und mit sehr unterschiedlichen Maszlig-nahmen in der betrieblichen Realitaumlt gestaltet werden In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungsfortschritten (vgl Busse et al 2015) Haumlu-fig heiszligt demografischer Wandel im Betrieb dreierlei

ndash verschiedene Beschaumlftigtengruppen zu integrieren erwerbstaumltige Muumltter mit Arbeitszeitmodellen (vor allem Teilzeit) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung bzw Kinderbetreuung Men-schen mit Migrationshintergrund junge und alte Menschen Leistungsveraumlnderte Als neues Thema wird es auch darum gehen Fluumlchtlinge moumlglichst effizient in den Arbeitsmarkt zu integrieren

ndash Arbeits- und Gesundheitsschutz zu realisieren

Kurz und knapp

- Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernelement der Tarifpolitik Betriebspartei-en regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt wer-den kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wur-den Unternehmen nutzen heute diverse Ar-beitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

- Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anlie-gen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeit-ausgleich Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Aus-einandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der vereinbarten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang be-trieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber ge-stellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

fuumlr alternde Belegschaften ganzheitliche Ge-faumlhrdungsbeurteilungen alter(n)sgerechte Ar-beitsgestaltung Altersteilzeit

ndash Fachkraumlftebedarf abdecken Ausbildung gestal-ten Weiterbildung und lebenslanges Lernen si-chern und foumlrdern

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben konzentrierten sich sehr lange auf die Fra-ge der angemessenen Lage und Verteilung von Ar-beitszeit bezogen auf die Notwendigkeit Kinder und Berufstaumltigkeit besser zu vereinbaren (vgl MaschkeZurholt 2013) Inzwischen weitete sich das Thema auf die Pflege von Familienangehoumlrigen aus Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen verbunden ist Unter-nehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrich-tungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexible Zeitarran-gements (vgl Reuyszlig 2015 MaschkeZurholt 2013)

Allerdings koumlnnen im Lebensverlauf sehr viele un-terschiedliche Ereignisse es erfordern dass die Work-Life-Balance neu austariert werden will und man vor allem seine Arbeitszeit flexibel gestalten moumlchte oder muss Beschaumlftigte die ins Berufsleben starten ha-ben wahrscheinlich andere Arbeitszeitbeduumlrfnisse als Beschaumlftigte mit Familienpflichten die verlaumlssliche Ar-beitszeiten benoumltigen Menschen die sich kurz vor dem Ruhestand befinden oder gesundheitlich einge-schraumlnkt sind setzen wiederum andere Prioritaumlten

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsvereinba-rungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlig-nahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen die Tarifvertraumlge3 und einige Betriebsvereinbarungen

3 Einige Tarifvertraumlge sowie Betriebsvereinbarungen sehen Alters-struktur- oder Demografie-Analysen vor z B der bdquoTarifvertrag zur Gestaltung des demographischen Wandels in der Eisen- und Stahl-industrieldquo vom November 2006 oder der BCE-Tarifvertrag bdquoLebens-arbeitszeit und Demografieldquo (2008) Weitere Themen der Tarifver-traumlge sind z B flexible (Demografie-)Fonds fuumlr unterschiedliche Belange (flexible Arbeitszeiten fuumlr bestimmte Personengruppen) Arbeits- und Gesundheitsschutz Qualifizierungsoffensiven etc

Kurz und knapp

- In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unter-schiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungs-fortschritten

- Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Be-reitstellung von Ressourcen verbunden ist Unternehmen unter-stuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexi-ble Zeitarrangements

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vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektio-nen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Im bdquoTarifvertrag Demografie der chemischen In-dustrieldquo (2008) sind die verbindliche Regelung von Altersstrukturanalysen sowie finanzielle Beitraumlge fuumlr Demografie-Fonds geregelt Dies wird im Un-ternehmen spezifiziert Fuumlr Unternehmen ohne Be-triebsrat ist hier die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung geregelt Moumlgliche Zweckbindungen des Fonds koumlnnen fuumlr Langzeit-konten Altersuumlbergaumlnge (Altersteilzeit Teilrente) Altersvorsorge Berufsunfaumlhigkeit und lebenspha-senorientierte Arbeitszeitgestaltung genutzt wer-den Uumlber die Haumllfte der Beschaumlftigten der chemi-schen Industrie wird von diesen Leistungen ver-sorgt (Jungvogel 2013 S 235)

Betriebsvereinbarungen zur lebensphasenorien-tierten Arbeitszeitgestaltung regeln zB

BeispielbdquoDie Betriebsparteien wollen fuumlr eine lebensphasen-orientierte Arbeitszeitgestaltung aller Beschaumlftigten der [Firma] einen verringerten Arbeitseinsatz in be-stimmten Lebensphasen ermoumlglichen sofern nicht andere gesetzliche oderund tarifliche Bestimmun-gen in Anspruch genommen werden koumlnnen [hellip] Lebensphasen koumlnnen beispielsweise sein - die Betreuung pflegebeduumlrftiger Angehoumlriger - Vor- und Nachsorgezeiten bei Erkrankungen des

Partners undoder der Kinder - Unterstuumltzung der Lebens- und Arbeitssituatio-

nen des Partners undoder der Kinder - intensive Begleitung von Kindern waumlhrend der

Einschulungsphase oder es Uumlbergangs an wei-terfuumlhrende Schulen

- gleitender Wiedereinstieg nach einer familienbe-dingten Auszeit

- die berufsbegleitende Absolvierung einer Wei-terbildungeines Studiums

- unvorhersehbare familiaumlrepersoumlnliche Ausnah-mesituationen [hellip]

Zur Ermoumlglichung [hellip] wird ein Topf in Houmlhe von 50 TEUR pa gebildet [hellip]ldquo (NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobil-elektronik 03020028602015)

Kurz und knapp - Regelungen existieren sowohl auf Branchen-

bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Be-triebsvereinbarungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie

- Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifver-traumlge und Betriebsvereinbarungen vor um zu-naumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Wichtige Stichworte fuumlr Maszlignahmen sind Gesundheits- bzw Eingliede-rungsmanagement Belastungsreduzierungen Er-gonomie sowie alters- und alternsgerechte Arbeits-bedingungen und ganzheitliche Gefaumlhrdungsbeur-teilungen

Die gesetzliche Pflicht zur Gefaumlhrdungsbeurtei-lung wird inzwischen von 51 der Unternehmen (BAuA 2015) erfuumlllt und in der Regel in Betriebsver-einbarungen festgeschrieben Vor allem kleine Be-triebe mit bis zu 49 Beschaumlftigten hinken deutlich hinterher

Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure Die Sick AG wurde vor einiger Zeit bekannt mit einer Vereinba-rung zur Umsetzung ganzheitlicher Gefaumlhrdungs-beurteilungen Der nicht konfliktfreie Prozess fuumlhr-te zur Etablierung eines paritaumltisch besetzten Steu-erungskreises der die Verfahren lenkt Das Ziel ist vor allem Stress und Fehlbelastungen zu erkennen und gezielte Loumlsungen von sehr unterschiedlicher Reichweite sehr konkret mit vielen kleinen Loumlsun-gen gemeinsam zu entwickeln (vgl Molitor 2013) Das koumlnnen stoumlrungsfreie Arbeitszeiten sein redu-zierte Geraumluschbelastungen durch Telefonklingeln vereinbarte Zeitpuffer etc

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Bereits heute wird an bdquointelligenter persoumlnlicher Schutz-kleidungldquo fuumlr Feuerwehreinsatzkraumlfte gearbeitet (vgl Roszlignagel 2012) Einsatzkraumlfte koumlnnen in Ge-fahrensituationen geortet und selbst besser ge-schuumltzt werden indem unter anderem ihre Koumlrper-funktionen mittels Datenuumlbertragung im Einsatz permanent uumlberwacht werden Wie wird kuumlnftig gewaumlhrleistet dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausge-wertet werden koumlnnen Im betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) sind erste bdquozarteldquo Ansaumlt-ze fuumlr betriebliche Umgangsformen gefunden um entsprechend sensibel mit Daten umzugehen So sollte beispielsweise die BEM-Akte der bzw des Betroffenen separat gefuumlhrt und nicht in die Perso-nalakte integriert werden Ein Hebel fuumlr den Ar-beits- und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestimmung liegt auch darin die gesicherten arbeitswissen-schaftlichen Erkenntnisse uumlber die menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gel-tung zu bringen

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23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 17

2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

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24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 19

oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

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2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

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immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 23

- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

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4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

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5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

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Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 27

Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 28

Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 8: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 8

men indem sie den im Privatleben alltaumlglichen Ge-brauch in das Berufsleben hineintragen

Die Auswertung von Regelungen zur Social-Me-dia-Verwendung in Betrieben zeigt Nur selten wur-den Betriebs- und Dienstvereinbarungen abge-schlossen dafuumlr mehr Richtlinien bzw Social-Me-dia-Guidelines (vgl GreveWedde 2014)

BeispielbdquoDie Nutzung sozialer Netzwerke wie Twitter Face-book Xing oder Wikipedia gewinnt eine immer groumlszlige-re Bedeutung [hellip] Die [Firma] kann sich hier darstel-len ihre Produkte verbreiten und fuumlr sie werben Es liegt im Interesse der [Firma] das Engagement der Mitarbeiter im Bereich der sozialen Medien zu foumlrdern [hellip] Um den Beschaumlftigten Sicherheit im Umgang mit den sozialen Netzwerken zu geben und daruumlber hinaus die Interessen beider Seiten gleichermaszligen zu wah-ren haben die Betriebsparteien einen Kodex erstellt als Regelwerk fuumlr das digitale Miteinander im Internetldquo (Verlags- und Druckgewerbe 0903002262011)

Manche Unternehmen beziehen ihre Richtlinien aus-druumlcklich auf die dienstliche Nutzung Demgegen-uumlber entwickeln andere ihre Richtlinien offenbar ge-rade dafuumlr Beschaumlftigten Regeln fuumlr die private Nut-zung von Social Media an die Hand zu geben

BeispielbdquoDer Leitfaden ist nicht als Anleitung fuumlr Mitarbeiter ge-dacht die fuumlr die offiziellen Kommunikationskanaumlle [der Firma] zustaumlndig sind Es geht hier vielmehr um Ihre persoumlnlichen Aktivitaumlten in den Social Media sowohl waumlhrend der Arbeitszeit als auch zuhause Generell ist es Ihre Sache was Sie auszligerhalb der Arbeitszeit tunldquo (Telekommunikationsdienstleister 0903002872010)

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungspflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals relativ schnell erstellt wur-den um der rasanten Nutzung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spiel-regeln zusammenzufassen Dies ist dann eine Basis auf der die eigentlich mitbestimmungspflichtigen Fragen kuumlnftig umfassend geregelt werden koumlnnen und sollten

Kurz und knapp

- Bei Social-Media-Anwendungen stehen Inter-essenvertretungen und Arbeitgeber nicht sel-ten vor vollendeten Tatsachen denn die Nut-zung findet bereits statt

- Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oft-mals relativ schnell erstellt wurden um der ra-santen Nutzung sozialer Medien eine rechtli-che Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammenzufassen

GPS-Zugriff auf Daten u a

Der Zugriff auf Daten z B mittels GPS Funknetz oder RFID birgt ein enormes Rationalisierungs- und Ein-sparpotenzial Bewegungsdaten von Menschen und Waren mittels GPS-Ortung auszuwerten kann fuumlr den Kundenservice die Optimierung von Einsaumltzen Be-standskontrollen Abstimmungsprozesse (mit dem Smartphone) genutzt werden Im Hinblick auf verbesserte Kundenfreundlichkeit kann die Weiterga-be von Standortdaten eine groszlige Rolle spielen Fuumlr Beschaumlftigte sind gegebenenfalls Regelungen zum Datenschutz notwendig Datensparsamkeit Zweck-bindung und Persoumlnlichkeitsschutz sollen vor unzulaumls-sigen Kontrollen schuumltzen In Vereinbarungen werden daher vor allem Datenauswertungen eingeschraumlnkt (vgl Kiper 2011) Vereinzelt duumlrfen personenbezogene Daten nur im Ausnahmefall und mit Zustimmung der Interessenvertretung ausgewertet werden oder die Auswertung wird an die Zustimmung der Interessen-vertretung gebunden Regelungsgegenstand ist oft-mals aber nicht ob sondern wie Daten ausgewertet werden Wie ernsthaft und streng diese Regelungen in der Praxis umgesetzt werden ist unklar

Datenschutz und Kontrolle

In juumlngerer Zeit werden Regelungsstrategien er-probt wonach der Betriebsrat zwar grundsaumltzlich je-der Software-Einfuumlhrung zustimmt aber nur unter der Bedingung dass Leistungs- und Verhaltenskont-rolle ausgeschlossen ist Dies wird mit einem Son-derkuumlndigungsrecht untermauert Falls gegen diese Vereinbarung verstoszligen wird folgt der sofortige Stopp der weiteren Software-Einfuumlhrung So kann sich ein schnelles Verfahren ergeben das gegebe-nenfalls ein teures Verfahren fuumlr das Unternehmen im Fall der Kuumlndigung nach sich zieht Zu kontrollie-ren ob eine Vereinbarung eingehalten wird kann je-doch relativ schwierig werden Gerade bei internati-onalen Konzernen kann zusaumltzlich eine Herausforde-rung darstellen wenn verschiedene Datenschutz- niveaus und -verstaumlndnisse vorherrschen

Bei der Deutschen Bahn brachte ein groszliger Da-tenskandal im Jahr 2009 Bewegung in den Daten-schutz Eine heute vorbildliches Daten- und Daten-schutzmanagement regelt die Datenstroumlme sehr streng Die Konzernbetriebsvereinbarung Beschaumlf-tigtendatenschutz steht im Konzern uumlber allen ande-ren internen Regelungen Das System wurde ins Le-ben gerufen um Beschaumlftigte zu schuumltzen aber auch um Kontrollen mit entsprechender Verhaumlltnis-maumlszligigkeit zu ermoumlglichen (vgl Kiesche 2015) ndash al-lerdings erst nachdem sich ein umfassender Skan-dal ereignet hatte

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem star-ken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Anti-terror-Verordnungen Vorgesehen ist der Abgleich von Beschaumlftigtendaten mit Namenslisten von so-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 9

genannten Terrorverdaumlchtigen Ob dies erlaubt ist und wenn ja welche Mitbestimmungspflicht ausge-loumlst wird ist unter Juristen umstritten Einige Kon-zerne haben inzwischen Betriebsvereinbarungen abgeschlossen um zumindest das Verfahren mitzu-gestalten (vgl Thannheiser 2015)

BeispielbdquoFuumlr die Erhebung Verarbeitung und Nutzung von Beschaumlftigtendaten zum Abgleich gegen Sanktions-listen sind das Bundesdatenschutzgesetz sowie die Konzernrichtlinien zum Datenschutz maszliggeblich Beim Abgleich der Beschaumlftigten- und Bewerberda-ten ist der Grundsatz der Datensparsamkeit zu be-achten und auf das zwingend erforderliche Mindest-maszlig zu beschraumlnkenldquo (0906002192014)

Auch hier zeigt sich die hohe Relevanz einer vertrau-ensvollen betrieblichen Zusammenarbeit der han-delnden Akteure

Kurz und knapp

- Viele Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen so-wie der Vermeidung von Leistungs- und Ver-haltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander ab-gestimmten flexiblen Regelungen die ver-bindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Ver-handlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

- Datensicherheit und Beschaumlftigtendaten-schutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Un-ternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat entstehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rahmengebende Tarifvertraumlge und ge-setzliche Regelungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur technisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsendes Thema

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krank-heitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausgewer-tet werden koumlnnen

- Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kon-trolle und die Verhinderung von Missbrauch und Straftaten durch zu wenig Kontrolle ste-hen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarun-gen zu sogenannten EU-Antiterror-Verord-nungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Neue Automatisierungsansaumltze Kommunikation zwischen Mensch und Maschine sowie neue Ge-nerationen von Robotern sind im Konzept Industrie 40 der Kern Eine prognostizierte Entwicklung fuumlr das Unternehmen 40 kann darin bestehen dass bdquopolarisierte Organisationenldquo entstehen werden mit hochspezialisierten Experten und abgewerte-ten Fachkraumlften (Hirsch-Kreinsen 2014) Anderer-seits koumlnnen bdquoSchwarm-Organisationenldquo entste-hen mit hochqualifizierten und gleichberechtigten Beschaumlftigten die selbst ihre Arbeit definieren und hochflexibel agieren (ebd) Welche Arbeitsorgani-sation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Pers-pektive sie Produktion und Arbeit sehen (vgl BDI 2015) Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Neue Produktionssysteme (Lean Production) etwa bringen diverse Aspekte zusammen Effizi-enz des Workflows verbessern Kostensenkung Qualitaumltsverbesserung Leistungsbemessung und Kennzahlensysteme Teamarbeit Betriebsdatener-fassung Motivationsverbesserung Verschwen-dung vermeiden etc Neben Effizienz geht es auch um die Transparenz und Kontrolle von Arbeitsleis-tung Scheinbar schleichend werden heute Ar-beitsorganisationen und Produktionsprozesse op-timiert Dies gilt fuumlr produzierende wie fuumlr indirek-te Bereiche in Verwaltungen (z B Lean im Buumlro) Taumltigkeiten werden staumlrker standardisiert und ge-taktet quasi in einer Flieszligfertigung miteinander verknuumlpft mit dem Ziel die Fehlerquote auf Null zu senken In den Produktionen und Buumlros scheinen sich diese Veraumlnderungen ambivalent auf die Ar-beitsbedingungen der Beschaumlftigten auszuwirken Durch verbesserte Organisationsweisen von Ar-beitsgaumlngen entstehen einerseits Arbeitsentlas-tungen diesen stehen jedoch z B wachsender Leistungsdruck durch hohe Transparenz Monoto-nie durch Standardisierung und Taktverkuumlrzungen gegenuumlber

Einen Blick in die Zukunft kann man heute schon in ersten Ansaumltzen werfen (vgl Beispiele in Ittermann ua 2015) Bei Audi in Ingolstadt arbei-tet ein Roboter inzwischen mit Menschen zusam-men an der Montagelinie Dies wird als bdquoerste Mensch-Maschine-Kooperation im VW-Konzernldquo betrachtet (IG Metall 2015a) Dabei gelten folgen-de Grundsaumltze Man arbeitet Hand in Hand aber der Roboter uumlbernimmt schwere Arbeit Routinen werden automatisiert und der Mensch steuert die Maschine Die Zukunft wird in einer noch flexible-ren Fertigung gesehen Maschinen tauschen un-tereinander Daten direkt aus Teile bewegen sich

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selbststaumlndig und autonom durch die Produktion Ob der Mensch dann noch die Taktzeiten vorge-ben wird ist nicht klar aber auch nicht unmoumlglich Schluumlssel fuumlr vieles ist die Aus- und Weiterbil-dung Bei Audi entstehen neue Berufe und Qualifi-kationsprofile um diese flexible Fertigung zu be-herrschen

Eine der modernsten Fabriken das Elektronik-werk von Siemens in Amberg wurde inzwischen beschrieben (vgl Kraft 2015) Die digitalisierte Produktion arbeitet bdquoon demandldquo mit einer Quali-taumlt von 999988 50 Millionen Datensaumltze pro Tag halten nahezu alles fest was wann und wo passiert Bei Fehlern wird die Ursache gefunden nichts kann vertuscht werden Die Technik redu-ziert Fehler und macht die Arbeit abwechslungs-reicher Der Betriebsrat bleibt fortlaufend infor-miert Eine Betriebsvereinbarung verhindert dass bei Rationalisierungen betriebsbedingte Kuumlndi-gungen erfolgen koumlnnen Auch hier ist Weiterbil-dung der Schluumlssel zum Erhalt von Arbeitsplaumltzen in einer sich fortlaufend wandelnden Produktion (vgl IG Metall 2015b)

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt (vgl Pfaumlfflin et al 2011) Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubau-en So kann ein paritaumltisch besetzter Lenkungs-ausschuss dafuumlr sorgen dass Betriebsraumlte durch Mitbestimmung eingreifen koumlnnen wenn die Ver-aumlnderungsprozesse zu negativen Auswirkungen fuumlhren

Beispielbdquo[Die Firma] und der BR richten einen paritaumltisch besetzten Lenkungsausschuss ein Dieser Len-kungsausschuss ist berechtigt in die Veraumlnde-rungsprozesse einzugreifen und Maszlignahmen zwingend einzuleiten sofern eine nachteilige Aus-wirkung auf die Arbeitsbelastung abzusehen istldquo (Datenverarbeitung und Softwareentwicklung 06080012011)

Die Vereinbarung regelt dass die Veraumlnderungen evaluiert werden und im Hinblick auf Arbeitsbelas-tungen konkrete Loumlsungsschritte unternommen wer-den muumlssen etwa zum individuellen Stressabbau so-wie bezogen auf Prozess- und Organisationsbedin-gungen

Regelmaumlszligige Gespraumlche erhoumlhen die Transpa-renz liefern Informationen und verbessern gegebe-nenfalls die Zusammenarbeit In vielen Unterneh-men werden existierende Betriebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhal-tenskontrolle weiterentwickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)

sind keine neuen Managementmethoden um Ar-beits- und Leistungsprozesse zu optimieren Haumlu-fig werden neue Standards im sogenannten konti-nuierlichen Verbesserungsprozessen mit beteili-gungsorientierten Elementen entwickelt Hier stehen Kundenerwartungen und die betrieblichen Ziele im Vordergrund Diese beziehen sich haumlufig auf Kostensenkungen Produktivitaumltssteigerungen und die Entwicklung neuer Produkte Hinzu kom-men auch Ziele wie gute Arbeitsbedingungen Umweltschutz und sozialer Zusammenhalt

QM und KVP bilden auch fuumlr ganzheitliche Pro-duktionssysteme wichtige Rahmenbedingungen Sie werden meist mit Betriebs- oder Dienstverein-barungen geregelt (vgl Bechmann 2010) Festge-legt werden die konkreten Formen der Beteili-gung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutzbe-stimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes Die rechtliche Grundlage fuumlr die Regelungen bilden vor allem Mitbestimmungsrechte bezogen auf die Ordnung des Betriebs die technisch gestuumltzte Kontrolle von Leistung und Verhalten der Be-schaumlftigten auf den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz die Gestaltung des betriebli-chen Vorschlagswesens und betriebliche Qualifi-zierungsmaszlignahmen

Kurz und knapp

- Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht voll-staumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit sehen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlf-tigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

- Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichti-ges Handlungsfeld Bei der Einfuumlhrung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

- In vielen Unternehmen werden existierende Betriebsvereinba-rungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Daten-schutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterentwi-ckelt werden muumlssen

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QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwick-lung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Be-schaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlf-tigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachge-ordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wich-tige Ziele fuumlr die Zukunft

Festgelegt wird wie Beschaumlftigte und ihre In-teressenvertretung uumlber alle Ablaumlufe und Unterla-gen im Zusammenhang mit QM und KVP infor-miert werden und Einfluss auf deren wesentliche Elemente nehmen koumlnnen Einfluss nehmen be-zieht sich insbesondere auf Definitionen von Ar-beitsvorgaben und Zielwerten wie z B

ndash Inhalten des QM-Handbuchs ndash der Planung und Durchfuumlhrung von Audits ndash der Erfassung und Verwendung von Beschaumlf-

tigtendaten uumlber Leistung und Verhalten (in-klusive Ruumlckmeldungen und Beschwerden von Kunden)

ndash der Themenauswahl fuumlr Qualitaumltszirkel oder KVP-Teams und ihrer personellen Zusam-mensetzung

ndash der Foumlrderung der Arbeit der Qualitaumltszirkel KVP-Teams

ndash der Bewertung und Nutzung der Ergebnisse der QualitaumltszirkelKVP-Teams

Bemerkenswert haumlufig wird in den vorliegenden Vereinbarungen betont dass der gesamte Pro-zess die Kreativitaumlt und Motivation der Beschaumlf-tigten foumlrdern soll ndash und nur dies auch zum Erfolg fuumlhren kann QM und KVP bilden insofern einen wesentlichen Faktor fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit der Unternehmen was auch in einer groumlszligeren Zahl juumlngerer Regelungen zum Ideenmanagement als moderner Variante des betrieblichen Vorschlags-wesens erkennbar wird

Fuumlr die Betriebs- und Personalraumlte oumlffnet sich ein Einflussfeld das neben dem Schutz vor nega-tiven Konsequenzen auch die Chancen fuumlr per-soumlnliche Weiterentwicklung und Praumlmierung gu-ter Ideen der Beschaumlftigten zum Inhalt hat Dabei wird auch die groszlige Bedeutung von Gruppenpro-zessen deutlich die sich teilweise in Gruppen-praumlmien niederschlaumlgt Dennoch enthalten ein-zelne Vereinbarungen auch relativ strenge Vor-schriften zu Qualitaumlt und Leistung der Be- schaumlftigten und deren Uumlberwachung Sie schlie-szligen individuelle Sanktionen nicht aus stellen aber eine kleine Minderheit dar die sich auf ein-zelne Dienstleistungsbranchen (z B Call-Center) beschraumlnkt Die groszlige Mehrheit der Vereinba-rungen stellt jedoch eher den Aspekt der Foumlrde-rung und Nutzung der Kreativitaumlt der Beschaumlftig-ten ins Zentrum

Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation gestalten

Das technisch Moumlgliche zum Schutz von Beschaumlf-tigten zu begrenzen und Regelungen zum Einsatz zur Nutzung und zur Kontrolle zu formulieren ist die eine Seite die Auswirkung technologischer Entwicklungen auf die Arbeitsbedingungen steht auf der anderen Seite Auswirkungen ergeben sich z B aktuell auf die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsorten Organisationsprozesse und Leis-tungsbedingungen werden neu strukturiert durch sich selbst regulierende Teams durch Selbststeue-rung und mittels Zielvereinbarungen Arbeitszeit und Freizeit sowie Arbeitsort und privater Wohn-sitz gehen ineinander uumlber und sollen doch vonein-ander abgrenzbar bleiben

Staumlndige Erreichbarkeit

Weil heute bereits Arbeitsort und Arbeitszeit flexi-bel sind ndash vor allem aufgrund mobiler Endgeraumlte ndash heiszligt ein aktuell diskutiertes Problem staumlndige Er-reichbarkeit Unbezahlte Mehrarbeit durch Arbeit am Wochenende im Urlaub am Feierabend sind weit verbreitet Nach einer aktuellen Umfrage le-sen 42 der Deutschen in der Freizeit dienstliche Mails oder Nachrichten (FAZ 2015)

Die Nutzung digitaler mobiler Arbeitsmittel hat die Kommunikation erleichtert aber Zeitprobleme

Kurz und knapp

- Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebliches Vorschlags-wesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorien-tierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Bemerkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlrdern soll kreativ und moti-viert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unternehmen

- Festgelegt werden die konkreten Formen der Beteiligung der Be-schaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestal-tung sowie Schutzbestimmungen zur Vermeidung negativer Aus-wirkungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktio-nen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

- QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetz-te Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an al-len nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

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verschaumlrft Das Ergebnis scheint nicht nur eine In-tensivierung der Arbeit sondern auch deren zeitli-che Ausdehnung zu sein Aus Arbeitnehmersicht sollte Mehrarbeit vermieden werden bzw diese zumindest nicht unbezahlt und unausgeglichen bleiben Es geht auch darum Menschen zu befaumlhi-gen im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten selbst Gren-zen zu ziehen souveraumln mit der Arbeitszeit umge-hen zu koumlnnen und Anforderungen an Flexibilitaumlt selbstbestimmter zu gestalten Mit sehr verschie-den weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men

Regelungen werden getroffen so dass Vorge-setzte nicht auszligerhalb definierter Zeiten auf Be-schaumlftigte zugreifen Die Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit laumlsst sich im Prinzip relativ einfach bewerkstelligen

BeispielbdquoWaumlhrend der Pausen und nach Dienstende ist das Handy der Firma [hellip] auszuschaltenldquo (Sonstige Verkehrsdienstleister 0902021062003)

BeispielAllerdings ist diese Regelung 12 Jahre alt Inzwi-schen sind Verbreitung mobiler Endgeraumlte und tech-nische Moumlglichkeiten um ein vielfaches gewachsen so dass diese Regelung zwar noch guumlltig ist jedoch vermutlich haumlufig unterlaufen wird Diese Regelun-gen uumlberlaumlsst es den Beschaumlftigten auszligerhalb der Arbeitszeit und des Betriebsgelaumlndes die dienstli-chen mobilen Kommunikationsgeraumlte zu nutzen oder auch nicht

BeispielbdquoEs besteht ausdruumlcklich keine Verpflichtung au-szligerhalb der Rahmenarbeitszeit fuumlr die [Firma] mittels dieser Kommunikation erreichbar zu sein (Grund-stuumlcks- und Wohnungswesen 0903002052009)

Ein naheliegender Gedanke ist eine technische Louml-sung zu regeln die nicht so schnell unterlaufen wer-den kann wie z B begrenzte Zugriffszeiten auf das Firmennetz

BeispielbdquoWaumlhrend des Zeitfensters von 1815 Uhr bis 0700 Uhr und an Wochenenden steht die Telefonfunktion zur Verfuumlgung alle anderen Anwendungen nicht [hellip] Uumlber besondere Einzelfaumllle die durch diese Ver-fahrensregelung nicht ausreichend abgedeckt sind werden Unternehmen und Betriebsrat einvernehm-lich entscheidenldquo (0902021742011)

Die folgende Vereinbarung ist noch zwei Jahre juumln-ger und geht wieder einen anderen Weg Sie regelt Reaktionszeiten und das Recht auf Abwesenheits-freiraumlume

BeispielbdquoDer Mitarbeiter stimmt mit seinem Vorgesetzten unter Beruumlcksichtigung und Abwaumlgung betrieblicher und privater Erfordernisse seine Erreichbarkeit ab Diese orientiert sich an der im jeweiligen Team uumlbli-chen Lage der Arbeitszeit kann aber auf Wunsch des Mitarbeiters davon abweichen Auszligerhalb der ab-gestimmten Zeiten der Erreichbarkeit hat der Mitar-beiter im Sinne der Ruhe und Erholung das Recht nicht erreichbar zu sein Dazu zaumlhlen in der Regel ndash so-weit nicht Bestandteile des jeweiligen Arbeits-zeitmo-dells ndash die Abend- und Morgenstunden sowie Samsta-ge Sonn- und Feiertage Der Mitarbeiter muss auszliger-dem die Moumlglichkeit haben die ihm uumlbertragenen Aufgaben in einer angemessenen Zeit innerhalb der uumlblichen Arbeitszeiten oder innerhalb der mit seinem Vorgesetzen abgestimmten [Zeiten] erledigen zu koumln-nen (Reaktionszeit)ldquo (0801022192013)

Bei Dienstreisen gemeinsamen Projekten uumlber Zeit-zonen hinweg und bei der Arbeit beim Kunden be-stimmen zusaumltzlich auch aumluszligere Faktoren die Arbeit Wichtig ist daher auch Reisezeiten angemessen zu bewerten und Arbeitszeit korrekt zu erfassen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Vo-raussetzung dafuumlr dass ein Zeitausgleich uumlberhaupt moumlglich wird (vgl Hinrichs 2014)

Mobile Telearbeit

Staumlndige Erreichbarkeit ist ein wesentliches Anlie-gen heutiger Vereinbarungen rund um mobile Ar-

Kurz und knapp

- Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leistungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebs-vereinbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbestimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlgli-chen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

- Mit sehr verschieden weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Ar-beitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

- Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelun-gen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinba-rungen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Com-pliance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 13

beit und die Nutzung mobiler Endgeraumlte Eines der ersten Unternehmen das mit einer Betriebsverein-barung zur Regelung der staumlndigen Erreichbarkeit im Jahr 2011 die oumlffentliche Debatte anregte war die Volkswagen AG (vgl Spiegel 2014) Man verein-barte zunaumlchst dass Serverfunktionen auszligerhalb der vertraglichen Arbeitszeit fuumlr tariflich Beschaumlftig-te abgeschaltet werden Ein weiteres ebenfalls oumlf-fentlich diskutiertes Beispiel in diesem Kontext bie-tet die Daimler AG Das Unternehmen ermoumlglicht uumlber einen elektronischen Abwesenheits- assistenten namens bdquoMail on Holidayldquo alle E-Mails die waumlhrend des Urlaubs eingehen automatisch louml-schen zu lassen Die Botschaft Man muss nicht waumlhrend seines Urlaubs arbeiten Seit Sommer 2013 existiert im Bundesarbeitsministerium eine Verein-barung wonach Fuumlhrungskraumlfte nur noch in begruumln-deten Ausnahmefaumlllen Beschaumlftigte in ihrer Freizeit per E-Mail oder telefonisch kontaktieren duumlrfen Der Betriebsrat der BMW AG wurde 2014 mit dem Deut-schen Betriebsraumlte-Preis in Gold ausgezeichnet fuumlr eine Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der mobi-len Arbeit Vorteile flexibler Arbeitszeiten und -orte werden genutzt um gleichzeitig eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen unter anderem durch das Recht auf Nichterreichbarkeit Kompetenzen werden geschult und die Arbeitszeit wird konsequent er-fasst Auch bei Bosch vereinbarte man dass Ar-beitszeit und Arbeitsort eigenverantwortlich und aufgabenbezogen mobil gestaltet und abgestimmt werden koumlnnen Feste Bedingung ist dass die Ar-beitszeit nach wie vor erfasst und verguumltet wird

Sehr unterschiedliche aktuelle Beduumlrfnisse von Beschaumlftigten und Fuumlhrungskraumlften werden aufge-griffen Man sucht gemeinsam nach kollektiven Louml-sungen Aber die Quadratur des Kreises lautet Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten Wenn etwa bei Vertrauensarbeitszeit auf eine Ar-beitszeiterfassung verzichtet wird dann fehlt Be-schaumlftigten ein sehr zentrales Instrument um Leis-tungsforderungen und Leistungsverdichtung uumlber-haupt dokumentieren und dann auch abbauen zu koumlnnen (vgl Klein-Schneider 2007) Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexiblen Ar-beitszeitgestaltung gelebt werden Compliance be-deutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Vom Ausmaszlig der Flexibilitaumlt in der Arbeitszeitregu-lierung sind sowohl die Produktionsbedingungen von Unternehmen als auch die Arbeits- und die Le-bensbedingungen von Beschaumlftigten maszliggeblich be- troffen Arbeitszeitgestaltung ist daher ein wesentli-

ches Kernelement der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarif-vertrag vereinbart wurden Betriebsparteien regeln die Gestaltung von Arbeitszeitkonten vor allem den Auf- und Abbau ihre Verwendung sie regeln auch ob wann und wie Guthaben entstehen koumlnnen ob und wie Mehrarbeit verguumltet wird wie Rahmenar-beitszeiten aussehen wann Arbeitszeit voruumlberge-hend verkuumlrzt wird etc

Es gibt eine Fuumllle an tariflichen Regelungen um flexible Arbeitszeiten zu gestalten (vgl Bispinck 2015) Die aktuelle Debatte um eine scheinbar not-wendige Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes er-waumlchst daher kaum aus der betrieblichen Realitaumlt Arbeitszeitkonten sind das notwendige Instrument um flexible Arbeitszeiten uumlberhaupt zu gestalten Mit Kontenmodellen koumlnnen betriebs- und marktbe-dingte Schwankungen der Produktion in woumlchentli-chen monatlichen oder auch jaumlhrlichen Arbeitszei-ten festgehalten kontrolliert und ausgeglichen wer-den Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeitaus-gleich (vgl Hamm 2013) Einfache Gleitzeitkonten mit monatlichem Ausgleichsmechanismus erlauben es dass Zeitgutschriften gespart und im Verlauf der vier Wochen genutzt werden Die angesparte Zeit kann auch uumlber laumlngere Zeitraumlume als einen Monat auf Konten gespart werden Uumlblich ist dann die Ver-wendung von Jahreskonten Auf diese Weise koumln-nen Betriebe auch in Schichtarbeit flexiblere Ar-beitszeiten entwickeln (vgl Grzech-Sukalo 2013)

Um eine fuumlr Beschaumlftigte bdquoplanbareldquo Flexibilisie-rung der Arbeit zu ermoumlglichen sehen Vereinbarun-gen Grundplanungen z B uumlber ein Jahr vor Diese kann an betriebliche Auftragsschwankungen ange-passt werden Zusatz- und Ausfallschichten in ei-nem flexiblen Schichtsystem werden uumlberwiegend von der Arbeitgeberseite bestimmt um den Perso-naleinsatz bedarfsgerecht zu gestalten Unterneh-men nutzen heute diverse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusammenhaumlngendes Gesamtkonzept

ndash Ein Gleitzeitkonto gleicht kleinere monatliche Schwankungen der Stunden aus

ndash Ein individuelles Arbeitszeitkonto mit Verteil-zeitraumlumen wird als Jahresarbeitszeit geregelt so dass taumlgliche und woumlchentliche Zeiten schwanken koumlnnen

ndash Auf Flexi-Konten werden Stunden gespart die fuumlr konjunkturbedingte Engpaumlsse zur Verfuuml-gung stehen so dass Beschaumlftigung gesichert und Kurzarbeit vermieden werden kann

ndash Langzeitkonten mit mehrjaumlhrigen Ansparpha-sen sind fuumlr laumlngere bezahlte Freistellungen nutzbar z B als Sabbatical Qualifizierungs-zeit vorgezogener Ruhestand

Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzun-gen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 14

barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Kuumlnftig wird es vermut-lich noch wichtiger sein die Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu koppeln Ent-grenzung zu begrenzen und Arbeitszeit schlichtweg wieder zu erfassen Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumen-te (vgl HofmannSmolenski 2015)

22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen

Der demografische Wandel bedeutet seit laumlngerer Zeit schon prognostizierte groszlige Umwaumllzungen Der demo-grafische Wandel kann sich je nach Branche sehr ver-schieden zeigen und mit sehr unterschiedlichen Maszlig-nahmen in der betrieblichen Realitaumlt gestaltet werden In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungsfortschritten (vgl Busse et al 2015) Haumlu-fig heiszligt demografischer Wandel im Betrieb dreierlei

ndash verschiedene Beschaumlftigtengruppen zu integrieren erwerbstaumltige Muumltter mit Arbeitszeitmodellen (vor allem Teilzeit) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung bzw Kinderbetreuung Men-schen mit Migrationshintergrund junge und alte Menschen Leistungsveraumlnderte Als neues Thema wird es auch darum gehen Fluumlchtlinge moumlglichst effizient in den Arbeitsmarkt zu integrieren

ndash Arbeits- und Gesundheitsschutz zu realisieren

Kurz und knapp

- Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernelement der Tarifpolitik Betriebspartei-en regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt wer-den kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wur-den Unternehmen nutzen heute diverse Ar-beitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

- Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anlie-gen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeit-ausgleich Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Aus-einandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der vereinbarten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang be-trieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber ge-stellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

fuumlr alternde Belegschaften ganzheitliche Ge-faumlhrdungsbeurteilungen alter(n)sgerechte Ar-beitsgestaltung Altersteilzeit

ndash Fachkraumlftebedarf abdecken Ausbildung gestal-ten Weiterbildung und lebenslanges Lernen si-chern und foumlrdern

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben konzentrierten sich sehr lange auf die Fra-ge der angemessenen Lage und Verteilung von Ar-beitszeit bezogen auf die Notwendigkeit Kinder und Berufstaumltigkeit besser zu vereinbaren (vgl MaschkeZurholt 2013) Inzwischen weitete sich das Thema auf die Pflege von Familienangehoumlrigen aus Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen verbunden ist Unter-nehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrich-tungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexible Zeitarran-gements (vgl Reuyszlig 2015 MaschkeZurholt 2013)

Allerdings koumlnnen im Lebensverlauf sehr viele un-terschiedliche Ereignisse es erfordern dass die Work-Life-Balance neu austariert werden will und man vor allem seine Arbeitszeit flexibel gestalten moumlchte oder muss Beschaumlftigte die ins Berufsleben starten ha-ben wahrscheinlich andere Arbeitszeitbeduumlrfnisse als Beschaumlftigte mit Familienpflichten die verlaumlssliche Ar-beitszeiten benoumltigen Menschen die sich kurz vor dem Ruhestand befinden oder gesundheitlich einge-schraumlnkt sind setzen wiederum andere Prioritaumlten

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsvereinba-rungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlig-nahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen die Tarifvertraumlge3 und einige Betriebsvereinbarungen

3 Einige Tarifvertraumlge sowie Betriebsvereinbarungen sehen Alters-struktur- oder Demografie-Analysen vor z B der bdquoTarifvertrag zur Gestaltung des demographischen Wandels in der Eisen- und Stahl-industrieldquo vom November 2006 oder der BCE-Tarifvertrag bdquoLebens-arbeitszeit und Demografieldquo (2008) Weitere Themen der Tarifver-traumlge sind z B flexible (Demografie-)Fonds fuumlr unterschiedliche Belange (flexible Arbeitszeiten fuumlr bestimmte Personengruppen) Arbeits- und Gesundheitsschutz Qualifizierungsoffensiven etc

Kurz und knapp

- In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unter-schiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungs-fortschritten

- Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Be-reitstellung von Ressourcen verbunden ist Unternehmen unter-stuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexi-ble Zeitarrangements

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 15

vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektio-nen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Im bdquoTarifvertrag Demografie der chemischen In-dustrieldquo (2008) sind die verbindliche Regelung von Altersstrukturanalysen sowie finanzielle Beitraumlge fuumlr Demografie-Fonds geregelt Dies wird im Un-ternehmen spezifiziert Fuumlr Unternehmen ohne Be-triebsrat ist hier die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung geregelt Moumlgliche Zweckbindungen des Fonds koumlnnen fuumlr Langzeit-konten Altersuumlbergaumlnge (Altersteilzeit Teilrente) Altersvorsorge Berufsunfaumlhigkeit und lebenspha-senorientierte Arbeitszeitgestaltung genutzt wer-den Uumlber die Haumllfte der Beschaumlftigten der chemi-schen Industrie wird von diesen Leistungen ver-sorgt (Jungvogel 2013 S 235)

Betriebsvereinbarungen zur lebensphasenorien-tierten Arbeitszeitgestaltung regeln zB

BeispielbdquoDie Betriebsparteien wollen fuumlr eine lebensphasen-orientierte Arbeitszeitgestaltung aller Beschaumlftigten der [Firma] einen verringerten Arbeitseinsatz in be-stimmten Lebensphasen ermoumlglichen sofern nicht andere gesetzliche oderund tarifliche Bestimmun-gen in Anspruch genommen werden koumlnnen [hellip] Lebensphasen koumlnnen beispielsweise sein - die Betreuung pflegebeduumlrftiger Angehoumlriger - Vor- und Nachsorgezeiten bei Erkrankungen des

Partners undoder der Kinder - Unterstuumltzung der Lebens- und Arbeitssituatio-

nen des Partners undoder der Kinder - intensive Begleitung von Kindern waumlhrend der

Einschulungsphase oder es Uumlbergangs an wei-terfuumlhrende Schulen

- gleitender Wiedereinstieg nach einer familienbe-dingten Auszeit

- die berufsbegleitende Absolvierung einer Wei-terbildungeines Studiums

- unvorhersehbare familiaumlrepersoumlnliche Ausnah-mesituationen [hellip]

Zur Ermoumlglichung [hellip] wird ein Topf in Houmlhe von 50 TEUR pa gebildet [hellip]ldquo (NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobil-elektronik 03020028602015)

Kurz und knapp - Regelungen existieren sowohl auf Branchen-

bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Be-triebsvereinbarungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie

- Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifver-traumlge und Betriebsvereinbarungen vor um zu-naumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Wichtige Stichworte fuumlr Maszlignahmen sind Gesundheits- bzw Eingliede-rungsmanagement Belastungsreduzierungen Er-gonomie sowie alters- und alternsgerechte Arbeits-bedingungen und ganzheitliche Gefaumlhrdungsbeur-teilungen

Die gesetzliche Pflicht zur Gefaumlhrdungsbeurtei-lung wird inzwischen von 51 der Unternehmen (BAuA 2015) erfuumlllt und in der Regel in Betriebsver-einbarungen festgeschrieben Vor allem kleine Be-triebe mit bis zu 49 Beschaumlftigten hinken deutlich hinterher

Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure Die Sick AG wurde vor einiger Zeit bekannt mit einer Vereinba-rung zur Umsetzung ganzheitlicher Gefaumlhrdungs-beurteilungen Der nicht konfliktfreie Prozess fuumlhr-te zur Etablierung eines paritaumltisch besetzten Steu-erungskreises der die Verfahren lenkt Das Ziel ist vor allem Stress und Fehlbelastungen zu erkennen und gezielte Loumlsungen von sehr unterschiedlicher Reichweite sehr konkret mit vielen kleinen Loumlsun-gen gemeinsam zu entwickeln (vgl Molitor 2013) Das koumlnnen stoumlrungsfreie Arbeitszeiten sein redu-zierte Geraumluschbelastungen durch Telefonklingeln vereinbarte Zeitpuffer etc

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Bereits heute wird an bdquointelligenter persoumlnlicher Schutz-kleidungldquo fuumlr Feuerwehreinsatzkraumlfte gearbeitet (vgl Roszlignagel 2012) Einsatzkraumlfte koumlnnen in Ge-fahrensituationen geortet und selbst besser ge-schuumltzt werden indem unter anderem ihre Koumlrper-funktionen mittels Datenuumlbertragung im Einsatz permanent uumlberwacht werden Wie wird kuumlnftig gewaumlhrleistet dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausge-wertet werden koumlnnen Im betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) sind erste bdquozarteldquo Ansaumlt-ze fuumlr betriebliche Umgangsformen gefunden um entsprechend sensibel mit Daten umzugehen So sollte beispielsweise die BEM-Akte der bzw des Betroffenen separat gefuumlhrt und nicht in die Perso-nalakte integriert werden Ein Hebel fuumlr den Ar-beits- und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestimmung liegt auch darin die gesicherten arbeitswissen-schaftlichen Erkenntnisse uumlber die menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gel-tung zu bringen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 16

23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 17

2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

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24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

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oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

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2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

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immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

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- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

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4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

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5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

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Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

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Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

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Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

BAuABundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg) (2015) Arbeitswelt im Wandel ndash Zahlen Daten Fakten Gefaumlhr-dungsbeurteilung Download unter httpwwwbauadedeInformationen-fuer-die-Praxis [892015]

BCG Boston Consulting Group (2015) Man and Machine in Industry 40 Download un-ter wwwbcgde

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 9: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 9

genannten Terrorverdaumlchtigen Ob dies erlaubt ist und wenn ja welche Mitbestimmungspflicht ausge-loumlst wird ist unter Juristen umstritten Einige Kon-zerne haben inzwischen Betriebsvereinbarungen abgeschlossen um zumindest das Verfahren mitzu-gestalten (vgl Thannheiser 2015)

BeispielbdquoFuumlr die Erhebung Verarbeitung und Nutzung von Beschaumlftigtendaten zum Abgleich gegen Sanktions-listen sind das Bundesdatenschutzgesetz sowie die Konzernrichtlinien zum Datenschutz maszliggeblich Beim Abgleich der Beschaumlftigten- und Bewerberda-ten ist der Grundsatz der Datensparsamkeit zu be-achten und auf das zwingend erforderliche Mindest-maszlig zu beschraumlnkenldquo (0906002192014)

Auch hier zeigt sich die hohe Relevanz einer vertrau-ensvollen betrieblichen Zusammenarbeit der han-delnden Akteure

Kurz und knapp

- Viele Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen so-wie der Vermeidung von Leistungs- und Ver-haltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander ab-gestimmten flexiblen Regelungen die ver-bindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Ver-handlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

- Datensicherheit und Beschaumlftigtendaten-schutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Un-ternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat entstehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rahmengebende Tarifvertraumlge und ge-setzliche Regelungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur technisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsendes Thema

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krank-heitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausgewer-tet werden koumlnnen

- Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kon-trolle und die Verhinderung von Missbrauch und Straftaten durch zu wenig Kontrolle ste-hen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarun-gen zu sogenannten EU-Antiterror-Verord-nungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Neue Automatisierungsansaumltze Kommunikation zwischen Mensch und Maschine sowie neue Ge-nerationen von Robotern sind im Konzept Industrie 40 der Kern Eine prognostizierte Entwicklung fuumlr das Unternehmen 40 kann darin bestehen dass bdquopolarisierte Organisationenldquo entstehen werden mit hochspezialisierten Experten und abgewerte-ten Fachkraumlften (Hirsch-Kreinsen 2014) Anderer-seits koumlnnen bdquoSchwarm-Organisationenldquo entste-hen mit hochqualifizierten und gleichberechtigten Beschaumlftigten die selbst ihre Arbeit definieren und hochflexibel agieren (ebd) Welche Arbeitsorgani-sation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Pers-pektive sie Produktion und Arbeit sehen (vgl BDI 2015) Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Neue Produktionssysteme (Lean Production) etwa bringen diverse Aspekte zusammen Effizi-enz des Workflows verbessern Kostensenkung Qualitaumltsverbesserung Leistungsbemessung und Kennzahlensysteme Teamarbeit Betriebsdatener-fassung Motivationsverbesserung Verschwen-dung vermeiden etc Neben Effizienz geht es auch um die Transparenz und Kontrolle von Arbeitsleis-tung Scheinbar schleichend werden heute Ar-beitsorganisationen und Produktionsprozesse op-timiert Dies gilt fuumlr produzierende wie fuumlr indirek-te Bereiche in Verwaltungen (z B Lean im Buumlro) Taumltigkeiten werden staumlrker standardisiert und ge-taktet quasi in einer Flieszligfertigung miteinander verknuumlpft mit dem Ziel die Fehlerquote auf Null zu senken In den Produktionen und Buumlros scheinen sich diese Veraumlnderungen ambivalent auf die Ar-beitsbedingungen der Beschaumlftigten auszuwirken Durch verbesserte Organisationsweisen von Ar-beitsgaumlngen entstehen einerseits Arbeitsentlas-tungen diesen stehen jedoch z B wachsender Leistungsdruck durch hohe Transparenz Monoto-nie durch Standardisierung und Taktverkuumlrzungen gegenuumlber

Einen Blick in die Zukunft kann man heute schon in ersten Ansaumltzen werfen (vgl Beispiele in Ittermann ua 2015) Bei Audi in Ingolstadt arbei-tet ein Roboter inzwischen mit Menschen zusam-men an der Montagelinie Dies wird als bdquoerste Mensch-Maschine-Kooperation im VW-Konzernldquo betrachtet (IG Metall 2015a) Dabei gelten folgen-de Grundsaumltze Man arbeitet Hand in Hand aber der Roboter uumlbernimmt schwere Arbeit Routinen werden automatisiert und der Mensch steuert die Maschine Die Zukunft wird in einer noch flexible-ren Fertigung gesehen Maschinen tauschen un-tereinander Daten direkt aus Teile bewegen sich

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 10

selbststaumlndig und autonom durch die Produktion Ob der Mensch dann noch die Taktzeiten vorge-ben wird ist nicht klar aber auch nicht unmoumlglich Schluumlssel fuumlr vieles ist die Aus- und Weiterbil-dung Bei Audi entstehen neue Berufe und Qualifi-kationsprofile um diese flexible Fertigung zu be-herrschen

Eine der modernsten Fabriken das Elektronik-werk von Siemens in Amberg wurde inzwischen beschrieben (vgl Kraft 2015) Die digitalisierte Produktion arbeitet bdquoon demandldquo mit einer Quali-taumlt von 999988 50 Millionen Datensaumltze pro Tag halten nahezu alles fest was wann und wo passiert Bei Fehlern wird die Ursache gefunden nichts kann vertuscht werden Die Technik redu-ziert Fehler und macht die Arbeit abwechslungs-reicher Der Betriebsrat bleibt fortlaufend infor-miert Eine Betriebsvereinbarung verhindert dass bei Rationalisierungen betriebsbedingte Kuumlndi-gungen erfolgen koumlnnen Auch hier ist Weiterbil-dung der Schluumlssel zum Erhalt von Arbeitsplaumltzen in einer sich fortlaufend wandelnden Produktion (vgl IG Metall 2015b)

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt (vgl Pfaumlfflin et al 2011) Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubau-en So kann ein paritaumltisch besetzter Lenkungs-ausschuss dafuumlr sorgen dass Betriebsraumlte durch Mitbestimmung eingreifen koumlnnen wenn die Ver-aumlnderungsprozesse zu negativen Auswirkungen fuumlhren

Beispielbdquo[Die Firma] und der BR richten einen paritaumltisch besetzten Lenkungsausschuss ein Dieser Len-kungsausschuss ist berechtigt in die Veraumlnde-rungsprozesse einzugreifen und Maszlignahmen zwingend einzuleiten sofern eine nachteilige Aus-wirkung auf die Arbeitsbelastung abzusehen istldquo (Datenverarbeitung und Softwareentwicklung 06080012011)

Die Vereinbarung regelt dass die Veraumlnderungen evaluiert werden und im Hinblick auf Arbeitsbelas-tungen konkrete Loumlsungsschritte unternommen wer-den muumlssen etwa zum individuellen Stressabbau so-wie bezogen auf Prozess- und Organisationsbedin-gungen

Regelmaumlszligige Gespraumlche erhoumlhen die Transpa-renz liefern Informationen und verbessern gegebe-nenfalls die Zusammenarbeit In vielen Unterneh-men werden existierende Betriebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhal-tenskontrolle weiterentwickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)

sind keine neuen Managementmethoden um Ar-beits- und Leistungsprozesse zu optimieren Haumlu-fig werden neue Standards im sogenannten konti-nuierlichen Verbesserungsprozessen mit beteili-gungsorientierten Elementen entwickelt Hier stehen Kundenerwartungen und die betrieblichen Ziele im Vordergrund Diese beziehen sich haumlufig auf Kostensenkungen Produktivitaumltssteigerungen und die Entwicklung neuer Produkte Hinzu kom-men auch Ziele wie gute Arbeitsbedingungen Umweltschutz und sozialer Zusammenhalt

QM und KVP bilden auch fuumlr ganzheitliche Pro-duktionssysteme wichtige Rahmenbedingungen Sie werden meist mit Betriebs- oder Dienstverein-barungen geregelt (vgl Bechmann 2010) Festge-legt werden die konkreten Formen der Beteili-gung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutzbe-stimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes Die rechtliche Grundlage fuumlr die Regelungen bilden vor allem Mitbestimmungsrechte bezogen auf die Ordnung des Betriebs die technisch gestuumltzte Kontrolle von Leistung und Verhalten der Be-schaumlftigten auf den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz die Gestaltung des betriebli-chen Vorschlagswesens und betriebliche Qualifi-zierungsmaszlignahmen

Kurz und knapp

- Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht voll-staumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit sehen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlf-tigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

- Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichti-ges Handlungsfeld Bei der Einfuumlhrung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

- In vielen Unternehmen werden existierende Betriebsvereinba-rungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Daten-schutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterentwi-ckelt werden muumlssen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 11

QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwick-lung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Be-schaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlf-tigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachge-ordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wich-tige Ziele fuumlr die Zukunft

Festgelegt wird wie Beschaumlftigte und ihre In-teressenvertretung uumlber alle Ablaumlufe und Unterla-gen im Zusammenhang mit QM und KVP infor-miert werden und Einfluss auf deren wesentliche Elemente nehmen koumlnnen Einfluss nehmen be-zieht sich insbesondere auf Definitionen von Ar-beitsvorgaben und Zielwerten wie z B

ndash Inhalten des QM-Handbuchs ndash der Planung und Durchfuumlhrung von Audits ndash der Erfassung und Verwendung von Beschaumlf-

tigtendaten uumlber Leistung und Verhalten (in-klusive Ruumlckmeldungen und Beschwerden von Kunden)

ndash der Themenauswahl fuumlr Qualitaumltszirkel oder KVP-Teams und ihrer personellen Zusam-mensetzung

ndash der Foumlrderung der Arbeit der Qualitaumltszirkel KVP-Teams

ndash der Bewertung und Nutzung der Ergebnisse der QualitaumltszirkelKVP-Teams

Bemerkenswert haumlufig wird in den vorliegenden Vereinbarungen betont dass der gesamte Pro-zess die Kreativitaumlt und Motivation der Beschaumlf-tigten foumlrdern soll ndash und nur dies auch zum Erfolg fuumlhren kann QM und KVP bilden insofern einen wesentlichen Faktor fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit der Unternehmen was auch in einer groumlszligeren Zahl juumlngerer Regelungen zum Ideenmanagement als moderner Variante des betrieblichen Vorschlags-wesens erkennbar wird

Fuumlr die Betriebs- und Personalraumlte oumlffnet sich ein Einflussfeld das neben dem Schutz vor nega-tiven Konsequenzen auch die Chancen fuumlr per-soumlnliche Weiterentwicklung und Praumlmierung gu-ter Ideen der Beschaumlftigten zum Inhalt hat Dabei wird auch die groszlige Bedeutung von Gruppenpro-zessen deutlich die sich teilweise in Gruppen-praumlmien niederschlaumlgt Dennoch enthalten ein-zelne Vereinbarungen auch relativ strenge Vor-schriften zu Qualitaumlt und Leistung der Be- schaumlftigten und deren Uumlberwachung Sie schlie-szligen individuelle Sanktionen nicht aus stellen aber eine kleine Minderheit dar die sich auf ein-zelne Dienstleistungsbranchen (z B Call-Center) beschraumlnkt Die groszlige Mehrheit der Vereinba-rungen stellt jedoch eher den Aspekt der Foumlrde-rung und Nutzung der Kreativitaumlt der Beschaumlftig-ten ins Zentrum

Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation gestalten

Das technisch Moumlgliche zum Schutz von Beschaumlf-tigten zu begrenzen und Regelungen zum Einsatz zur Nutzung und zur Kontrolle zu formulieren ist die eine Seite die Auswirkung technologischer Entwicklungen auf die Arbeitsbedingungen steht auf der anderen Seite Auswirkungen ergeben sich z B aktuell auf die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsorten Organisationsprozesse und Leis-tungsbedingungen werden neu strukturiert durch sich selbst regulierende Teams durch Selbststeue-rung und mittels Zielvereinbarungen Arbeitszeit und Freizeit sowie Arbeitsort und privater Wohn-sitz gehen ineinander uumlber und sollen doch vonein-ander abgrenzbar bleiben

Staumlndige Erreichbarkeit

Weil heute bereits Arbeitsort und Arbeitszeit flexi-bel sind ndash vor allem aufgrund mobiler Endgeraumlte ndash heiszligt ein aktuell diskutiertes Problem staumlndige Er-reichbarkeit Unbezahlte Mehrarbeit durch Arbeit am Wochenende im Urlaub am Feierabend sind weit verbreitet Nach einer aktuellen Umfrage le-sen 42 der Deutschen in der Freizeit dienstliche Mails oder Nachrichten (FAZ 2015)

Die Nutzung digitaler mobiler Arbeitsmittel hat die Kommunikation erleichtert aber Zeitprobleme

Kurz und knapp

- Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebliches Vorschlags-wesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorien-tierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Bemerkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlrdern soll kreativ und moti-viert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unternehmen

- Festgelegt werden die konkreten Formen der Beteiligung der Be-schaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestal-tung sowie Schutzbestimmungen zur Vermeidung negativer Aus-wirkungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktio-nen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

- QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetz-te Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an al-len nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 12

verschaumlrft Das Ergebnis scheint nicht nur eine In-tensivierung der Arbeit sondern auch deren zeitli-che Ausdehnung zu sein Aus Arbeitnehmersicht sollte Mehrarbeit vermieden werden bzw diese zumindest nicht unbezahlt und unausgeglichen bleiben Es geht auch darum Menschen zu befaumlhi-gen im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten selbst Gren-zen zu ziehen souveraumln mit der Arbeitszeit umge-hen zu koumlnnen und Anforderungen an Flexibilitaumlt selbstbestimmter zu gestalten Mit sehr verschie-den weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men

Regelungen werden getroffen so dass Vorge-setzte nicht auszligerhalb definierter Zeiten auf Be-schaumlftigte zugreifen Die Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit laumlsst sich im Prinzip relativ einfach bewerkstelligen

BeispielbdquoWaumlhrend der Pausen und nach Dienstende ist das Handy der Firma [hellip] auszuschaltenldquo (Sonstige Verkehrsdienstleister 0902021062003)

BeispielAllerdings ist diese Regelung 12 Jahre alt Inzwi-schen sind Verbreitung mobiler Endgeraumlte und tech-nische Moumlglichkeiten um ein vielfaches gewachsen so dass diese Regelung zwar noch guumlltig ist jedoch vermutlich haumlufig unterlaufen wird Diese Regelun-gen uumlberlaumlsst es den Beschaumlftigten auszligerhalb der Arbeitszeit und des Betriebsgelaumlndes die dienstli-chen mobilen Kommunikationsgeraumlte zu nutzen oder auch nicht

BeispielbdquoEs besteht ausdruumlcklich keine Verpflichtung au-szligerhalb der Rahmenarbeitszeit fuumlr die [Firma] mittels dieser Kommunikation erreichbar zu sein (Grund-stuumlcks- und Wohnungswesen 0903002052009)

Ein naheliegender Gedanke ist eine technische Louml-sung zu regeln die nicht so schnell unterlaufen wer-den kann wie z B begrenzte Zugriffszeiten auf das Firmennetz

BeispielbdquoWaumlhrend des Zeitfensters von 1815 Uhr bis 0700 Uhr und an Wochenenden steht die Telefonfunktion zur Verfuumlgung alle anderen Anwendungen nicht [hellip] Uumlber besondere Einzelfaumllle die durch diese Ver-fahrensregelung nicht ausreichend abgedeckt sind werden Unternehmen und Betriebsrat einvernehm-lich entscheidenldquo (0902021742011)

Die folgende Vereinbarung ist noch zwei Jahre juumln-ger und geht wieder einen anderen Weg Sie regelt Reaktionszeiten und das Recht auf Abwesenheits-freiraumlume

BeispielbdquoDer Mitarbeiter stimmt mit seinem Vorgesetzten unter Beruumlcksichtigung und Abwaumlgung betrieblicher und privater Erfordernisse seine Erreichbarkeit ab Diese orientiert sich an der im jeweiligen Team uumlbli-chen Lage der Arbeitszeit kann aber auf Wunsch des Mitarbeiters davon abweichen Auszligerhalb der ab-gestimmten Zeiten der Erreichbarkeit hat der Mitar-beiter im Sinne der Ruhe und Erholung das Recht nicht erreichbar zu sein Dazu zaumlhlen in der Regel ndash so-weit nicht Bestandteile des jeweiligen Arbeits-zeitmo-dells ndash die Abend- und Morgenstunden sowie Samsta-ge Sonn- und Feiertage Der Mitarbeiter muss auszliger-dem die Moumlglichkeit haben die ihm uumlbertragenen Aufgaben in einer angemessenen Zeit innerhalb der uumlblichen Arbeitszeiten oder innerhalb der mit seinem Vorgesetzen abgestimmten [Zeiten] erledigen zu koumln-nen (Reaktionszeit)ldquo (0801022192013)

Bei Dienstreisen gemeinsamen Projekten uumlber Zeit-zonen hinweg und bei der Arbeit beim Kunden be-stimmen zusaumltzlich auch aumluszligere Faktoren die Arbeit Wichtig ist daher auch Reisezeiten angemessen zu bewerten und Arbeitszeit korrekt zu erfassen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Vo-raussetzung dafuumlr dass ein Zeitausgleich uumlberhaupt moumlglich wird (vgl Hinrichs 2014)

Mobile Telearbeit

Staumlndige Erreichbarkeit ist ein wesentliches Anlie-gen heutiger Vereinbarungen rund um mobile Ar-

Kurz und knapp

- Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leistungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebs-vereinbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbestimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlgli-chen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

- Mit sehr verschieden weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Ar-beitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

- Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelun-gen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinba-rungen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Com-pliance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

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beit und die Nutzung mobiler Endgeraumlte Eines der ersten Unternehmen das mit einer Betriebsverein-barung zur Regelung der staumlndigen Erreichbarkeit im Jahr 2011 die oumlffentliche Debatte anregte war die Volkswagen AG (vgl Spiegel 2014) Man verein-barte zunaumlchst dass Serverfunktionen auszligerhalb der vertraglichen Arbeitszeit fuumlr tariflich Beschaumlftig-te abgeschaltet werden Ein weiteres ebenfalls oumlf-fentlich diskutiertes Beispiel in diesem Kontext bie-tet die Daimler AG Das Unternehmen ermoumlglicht uumlber einen elektronischen Abwesenheits- assistenten namens bdquoMail on Holidayldquo alle E-Mails die waumlhrend des Urlaubs eingehen automatisch louml-schen zu lassen Die Botschaft Man muss nicht waumlhrend seines Urlaubs arbeiten Seit Sommer 2013 existiert im Bundesarbeitsministerium eine Verein-barung wonach Fuumlhrungskraumlfte nur noch in begruumln-deten Ausnahmefaumlllen Beschaumlftigte in ihrer Freizeit per E-Mail oder telefonisch kontaktieren duumlrfen Der Betriebsrat der BMW AG wurde 2014 mit dem Deut-schen Betriebsraumlte-Preis in Gold ausgezeichnet fuumlr eine Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der mobi-len Arbeit Vorteile flexibler Arbeitszeiten und -orte werden genutzt um gleichzeitig eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen unter anderem durch das Recht auf Nichterreichbarkeit Kompetenzen werden geschult und die Arbeitszeit wird konsequent er-fasst Auch bei Bosch vereinbarte man dass Ar-beitszeit und Arbeitsort eigenverantwortlich und aufgabenbezogen mobil gestaltet und abgestimmt werden koumlnnen Feste Bedingung ist dass die Ar-beitszeit nach wie vor erfasst und verguumltet wird

Sehr unterschiedliche aktuelle Beduumlrfnisse von Beschaumlftigten und Fuumlhrungskraumlften werden aufge-griffen Man sucht gemeinsam nach kollektiven Louml-sungen Aber die Quadratur des Kreises lautet Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten Wenn etwa bei Vertrauensarbeitszeit auf eine Ar-beitszeiterfassung verzichtet wird dann fehlt Be-schaumlftigten ein sehr zentrales Instrument um Leis-tungsforderungen und Leistungsverdichtung uumlber-haupt dokumentieren und dann auch abbauen zu koumlnnen (vgl Klein-Schneider 2007) Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexiblen Ar-beitszeitgestaltung gelebt werden Compliance be-deutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Vom Ausmaszlig der Flexibilitaumlt in der Arbeitszeitregu-lierung sind sowohl die Produktionsbedingungen von Unternehmen als auch die Arbeits- und die Le-bensbedingungen von Beschaumlftigten maszliggeblich be- troffen Arbeitszeitgestaltung ist daher ein wesentli-

ches Kernelement der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarif-vertrag vereinbart wurden Betriebsparteien regeln die Gestaltung von Arbeitszeitkonten vor allem den Auf- und Abbau ihre Verwendung sie regeln auch ob wann und wie Guthaben entstehen koumlnnen ob und wie Mehrarbeit verguumltet wird wie Rahmenar-beitszeiten aussehen wann Arbeitszeit voruumlberge-hend verkuumlrzt wird etc

Es gibt eine Fuumllle an tariflichen Regelungen um flexible Arbeitszeiten zu gestalten (vgl Bispinck 2015) Die aktuelle Debatte um eine scheinbar not-wendige Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes er-waumlchst daher kaum aus der betrieblichen Realitaumlt Arbeitszeitkonten sind das notwendige Instrument um flexible Arbeitszeiten uumlberhaupt zu gestalten Mit Kontenmodellen koumlnnen betriebs- und marktbe-dingte Schwankungen der Produktion in woumlchentli-chen monatlichen oder auch jaumlhrlichen Arbeitszei-ten festgehalten kontrolliert und ausgeglichen wer-den Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeitaus-gleich (vgl Hamm 2013) Einfache Gleitzeitkonten mit monatlichem Ausgleichsmechanismus erlauben es dass Zeitgutschriften gespart und im Verlauf der vier Wochen genutzt werden Die angesparte Zeit kann auch uumlber laumlngere Zeitraumlume als einen Monat auf Konten gespart werden Uumlblich ist dann die Ver-wendung von Jahreskonten Auf diese Weise koumln-nen Betriebe auch in Schichtarbeit flexiblere Ar-beitszeiten entwickeln (vgl Grzech-Sukalo 2013)

Um eine fuumlr Beschaumlftigte bdquoplanbareldquo Flexibilisie-rung der Arbeit zu ermoumlglichen sehen Vereinbarun-gen Grundplanungen z B uumlber ein Jahr vor Diese kann an betriebliche Auftragsschwankungen ange-passt werden Zusatz- und Ausfallschichten in ei-nem flexiblen Schichtsystem werden uumlberwiegend von der Arbeitgeberseite bestimmt um den Perso-naleinsatz bedarfsgerecht zu gestalten Unterneh-men nutzen heute diverse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusammenhaumlngendes Gesamtkonzept

ndash Ein Gleitzeitkonto gleicht kleinere monatliche Schwankungen der Stunden aus

ndash Ein individuelles Arbeitszeitkonto mit Verteil-zeitraumlumen wird als Jahresarbeitszeit geregelt so dass taumlgliche und woumlchentliche Zeiten schwanken koumlnnen

ndash Auf Flexi-Konten werden Stunden gespart die fuumlr konjunkturbedingte Engpaumlsse zur Verfuuml-gung stehen so dass Beschaumlftigung gesichert und Kurzarbeit vermieden werden kann

ndash Langzeitkonten mit mehrjaumlhrigen Ansparpha-sen sind fuumlr laumlngere bezahlte Freistellungen nutzbar z B als Sabbatical Qualifizierungs-zeit vorgezogener Ruhestand

Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzun-gen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 14

barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Kuumlnftig wird es vermut-lich noch wichtiger sein die Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu koppeln Ent-grenzung zu begrenzen und Arbeitszeit schlichtweg wieder zu erfassen Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumen-te (vgl HofmannSmolenski 2015)

22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen

Der demografische Wandel bedeutet seit laumlngerer Zeit schon prognostizierte groszlige Umwaumllzungen Der demo-grafische Wandel kann sich je nach Branche sehr ver-schieden zeigen und mit sehr unterschiedlichen Maszlig-nahmen in der betrieblichen Realitaumlt gestaltet werden In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungsfortschritten (vgl Busse et al 2015) Haumlu-fig heiszligt demografischer Wandel im Betrieb dreierlei

ndash verschiedene Beschaumlftigtengruppen zu integrieren erwerbstaumltige Muumltter mit Arbeitszeitmodellen (vor allem Teilzeit) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung bzw Kinderbetreuung Men-schen mit Migrationshintergrund junge und alte Menschen Leistungsveraumlnderte Als neues Thema wird es auch darum gehen Fluumlchtlinge moumlglichst effizient in den Arbeitsmarkt zu integrieren

ndash Arbeits- und Gesundheitsschutz zu realisieren

Kurz und knapp

- Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernelement der Tarifpolitik Betriebspartei-en regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt wer-den kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wur-den Unternehmen nutzen heute diverse Ar-beitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

- Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anlie-gen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeit-ausgleich Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Aus-einandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der vereinbarten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang be-trieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber ge-stellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

fuumlr alternde Belegschaften ganzheitliche Ge-faumlhrdungsbeurteilungen alter(n)sgerechte Ar-beitsgestaltung Altersteilzeit

ndash Fachkraumlftebedarf abdecken Ausbildung gestal-ten Weiterbildung und lebenslanges Lernen si-chern und foumlrdern

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben konzentrierten sich sehr lange auf die Fra-ge der angemessenen Lage und Verteilung von Ar-beitszeit bezogen auf die Notwendigkeit Kinder und Berufstaumltigkeit besser zu vereinbaren (vgl MaschkeZurholt 2013) Inzwischen weitete sich das Thema auf die Pflege von Familienangehoumlrigen aus Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen verbunden ist Unter-nehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrich-tungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexible Zeitarran-gements (vgl Reuyszlig 2015 MaschkeZurholt 2013)

Allerdings koumlnnen im Lebensverlauf sehr viele un-terschiedliche Ereignisse es erfordern dass die Work-Life-Balance neu austariert werden will und man vor allem seine Arbeitszeit flexibel gestalten moumlchte oder muss Beschaumlftigte die ins Berufsleben starten ha-ben wahrscheinlich andere Arbeitszeitbeduumlrfnisse als Beschaumlftigte mit Familienpflichten die verlaumlssliche Ar-beitszeiten benoumltigen Menschen die sich kurz vor dem Ruhestand befinden oder gesundheitlich einge-schraumlnkt sind setzen wiederum andere Prioritaumlten

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsvereinba-rungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlig-nahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen die Tarifvertraumlge3 und einige Betriebsvereinbarungen

3 Einige Tarifvertraumlge sowie Betriebsvereinbarungen sehen Alters-struktur- oder Demografie-Analysen vor z B der bdquoTarifvertrag zur Gestaltung des demographischen Wandels in der Eisen- und Stahl-industrieldquo vom November 2006 oder der BCE-Tarifvertrag bdquoLebens-arbeitszeit und Demografieldquo (2008) Weitere Themen der Tarifver-traumlge sind z B flexible (Demografie-)Fonds fuumlr unterschiedliche Belange (flexible Arbeitszeiten fuumlr bestimmte Personengruppen) Arbeits- und Gesundheitsschutz Qualifizierungsoffensiven etc

Kurz und knapp

- In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unter-schiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungs-fortschritten

- Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Be-reitstellung von Ressourcen verbunden ist Unternehmen unter-stuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexi-ble Zeitarrangements

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vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektio-nen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Im bdquoTarifvertrag Demografie der chemischen In-dustrieldquo (2008) sind die verbindliche Regelung von Altersstrukturanalysen sowie finanzielle Beitraumlge fuumlr Demografie-Fonds geregelt Dies wird im Un-ternehmen spezifiziert Fuumlr Unternehmen ohne Be-triebsrat ist hier die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung geregelt Moumlgliche Zweckbindungen des Fonds koumlnnen fuumlr Langzeit-konten Altersuumlbergaumlnge (Altersteilzeit Teilrente) Altersvorsorge Berufsunfaumlhigkeit und lebenspha-senorientierte Arbeitszeitgestaltung genutzt wer-den Uumlber die Haumllfte der Beschaumlftigten der chemi-schen Industrie wird von diesen Leistungen ver-sorgt (Jungvogel 2013 S 235)

Betriebsvereinbarungen zur lebensphasenorien-tierten Arbeitszeitgestaltung regeln zB

BeispielbdquoDie Betriebsparteien wollen fuumlr eine lebensphasen-orientierte Arbeitszeitgestaltung aller Beschaumlftigten der [Firma] einen verringerten Arbeitseinsatz in be-stimmten Lebensphasen ermoumlglichen sofern nicht andere gesetzliche oderund tarifliche Bestimmun-gen in Anspruch genommen werden koumlnnen [hellip] Lebensphasen koumlnnen beispielsweise sein - die Betreuung pflegebeduumlrftiger Angehoumlriger - Vor- und Nachsorgezeiten bei Erkrankungen des

Partners undoder der Kinder - Unterstuumltzung der Lebens- und Arbeitssituatio-

nen des Partners undoder der Kinder - intensive Begleitung von Kindern waumlhrend der

Einschulungsphase oder es Uumlbergangs an wei-terfuumlhrende Schulen

- gleitender Wiedereinstieg nach einer familienbe-dingten Auszeit

- die berufsbegleitende Absolvierung einer Wei-terbildungeines Studiums

- unvorhersehbare familiaumlrepersoumlnliche Ausnah-mesituationen [hellip]

Zur Ermoumlglichung [hellip] wird ein Topf in Houmlhe von 50 TEUR pa gebildet [hellip]ldquo (NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobil-elektronik 03020028602015)

Kurz und knapp - Regelungen existieren sowohl auf Branchen-

bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Be-triebsvereinbarungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie

- Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifver-traumlge und Betriebsvereinbarungen vor um zu-naumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Wichtige Stichworte fuumlr Maszlignahmen sind Gesundheits- bzw Eingliede-rungsmanagement Belastungsreduzierungen Er-gonomie sowie alters- und alternsgerechte Arbeits-bedingungen und ganzheitliche Gefaumlhrdungsbeur-teilungen

Die gesetzliche Pflicht zur Gefaumlhrdungsbeurtei-lung wird inzwischen von 51 der Unternehmen (BAuA 2015) erfuumlllt und in der Regel in Betriebsver-einbarungen festgeschrieben Vor allem kleine Be-triebe mit bis zu 49 Beschaumlftigten hinken deutlich hinterher

Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure Die Sick AG wurde vor einiger Zeit bekannt mit einer Vereinba-rung zur Umsetzung ganzheitlicher Gefaumlhrdungs-beurteilungen Der nicht konfliktfreie Prozess fuumlhr-te zur Etablierung eines paritaumltisch besetzten Steu-erungskreises der die Verfahren lenkt Das Ziel ist vor allem Stress und Fehlbelastungen zu erkennen und gezielte Loumlsungen von sehr unterschiedlicher Reichweite sehr konkret mit vielen kleinen Loumlsun-gen gemeinsam zu entwickeln (vgl Molitor 2013) Das koumlnnen stoumlrungsfreie Arbeitszeiten sein redu-zierte Geraumluschbelastungen durch Telefonklingeln vereinbarte Zeitpuffer etc

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Bereits heute wird an bdquointelligenter persoumlnlicher Schutz-kleidungldquo fuumlr Feuerwehreinsatzkraumlfte gearbeitet (vgl Roszlignagel 2012) Einsatzkraumlfte koumlnnen in Ge-fahrensituationen geortet und selbst besser ge-schuumltzt werden indem unter anderem ihre Koumlrper-funktionen mittels Datenuumlbertragung im Einsatz permanent uumlberwacht werden Wie wird kuumlnftig gewaumlhrleistet dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausge-wertet werden koumlnnen Im betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) sind erste bdquozarteldquo Ansaumlt-ze fuumlr betriebliche Umgangsformen gefunden um entsprechend sensibel mit Daten umzugehen So sollte beispielsweise die BEM-Akte der bzw des Betroffenen separat gefuumlhrt und nicht in die Perso-nalakte integriert werden Ein Hebel fuumlr den Ar-beits- und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestimmung liegt auch darin die gesicherten arbeitswissen-schaftlichen Erkenntnisse uumlber die menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gel-tung zu bringen

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23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

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2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 18

24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 19

oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 20

2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

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immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

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- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

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4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

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5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

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Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 27

Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 28

Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 10: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 10

selbststaumlndig und autonom durch die Produktion Ob der Mensch dann noch die Taktzeiten vorge-ben wird ist nicht klar aber auch nicht unmoumlglich Schluumlssel fuumlr vieles ist die Aus- und Weiterbil-dung Bei Audi entstehen neue Berufe und Qualifi-kationsprofile um diese flexible Fertigung zu be-herrschen

Eine der modernsten Fabriken das Elektronik-werk von Siemens in Amberg wurde inzwischen beschrieben (vgl Kraft 2015) Die digitalisierte Produktion arbeitet bdquoon demandldquo mit einer Quali-taumlt von 999988 50 Millionen Datensaumltze pro Tag halten nahezu alles fest was wann und wo passiert Bei Fehlern wird die Ursache gefunden nichts kann vertuscht werden Die Technik redu-ziert Fehler und macht die Arbeit abwechslungs-reicher Der Betriebsrat bleibt fortlaufend infor-miert Eine Betriebsvereinbarung verhindert dass bei Rationalisierungen betriebsbedingte Kuumlndi-gungen erfolgen koumlnnen Auch hier ist Weiterbil-dung der Schluumlssel zum Erhalt von Arbeitsplaumltzen in einer sich fortlaufend wandelnden Produktion (vgl IG Metall 2015b)

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt (vgl Pfaumlfflin et al 2011) Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubau-en So kann ein paritaumltisch besetzter Lenkungs-ausschuss dafuumlr sorgen dass Betriebsraumlte durch Mitbestimmung eingreifen koumlnnen wenn die Ver-aumlnderungsprozesse zu negativen Auswirkungen fuumlhren

Beispielbdquo[Die Firma] und der BR richten einen paritaumltisch besetzten Lenkungsausschuss ein Dieser Len-kungsausschuss ist berechtigt in die Veraumlnde-rungsprozesse einzugreifen und Maszlignahmen zwingend einzuleiten sofern eine nachteilige Aus-wirkung auf die Arbeitsbelastung abzusehen istldquo (Datenverarbeitung und Softwareentwicklung 06080012011)

Die Vereinbarung regelt dass die Veraumlnderungen evaluiert werden und im Hinblick auf Arbeitsbelas-tungen konkrete Loumlsungsschritte unternommen wer-den muumlssen etwa zum individuellen Stressabbau so-wie bezogen auf Prozess- und Organisationsbedin-gungen

Regelmaumlszligige Gespraumlche erhoumlhen die Transpa-renz liefern Informationen und verbessern gegebe-nenfalls die Zusammenarbeit In vielen Unterneh-men werden existierende Betriebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhal-tenskontrolle weiterentwickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)

sind keine neuen Managementmethoden um Ar-beits- und Leistungsprozesse zu optimieren Haumlu-fig werden neue Standards im sogenannten konti-nuierlichen Verbesserungsprozessen mit beteili-gungsorientierten Elementen entwickelt Hier stehen Kundenerwartungen und die betrieblichen Ziele im Vordergrund Diese beziehen sich haumlufig auf Kostensenkungen Produktivitaumltssteigerungen und die Entwicklung neuer Produkte Hinzu kom-men auch Ziele wie gute Arbeitsbedingungen Umweltschutz und sozialer Zusammenhalt

QM und KVP bilden auch fuumlr ganzheitliche Pro-duktionssysteme wichtige Rahmenbedingungen Sie werden meist mit Betriebs- oder Dienstverein-barungen geregelt (vgl Bechmann 2010) Festge-legt werden die konkreten Formen der Beteili-gung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutzbe-stimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes Die rechtliche Grundlage fuumlr die Regelungen bilden vor allem Mitbestimmungsrechte bezogen auf die Ordnung des Betriebs die technisch gestuumltzte Kontrolle von Leistung und Verhalten der Be-schaumlftigten auf den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz die Gestaltung des betriebli-chen Vorschlagswesens und betriebliche Qualifi-zierungsmaszlignahmen

Kurz und knapp

- Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht voll-staumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen welche Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit sehen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte betriebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Beteiligung von Beschaumlf-tigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

- Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichti-ges Handlungsfeld Bei der Einfuumlhrung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

- In vielen Unternehmen werden existierende Betriebsvereinba-rungen z B zur Leistungsbemessung uumlber Kennzahlensyste-men zur autonomen Teamarbeit und auch wieder zum Daten-schutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterentwi-ckelt werden muumlssen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 11

QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwick-lung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Be-schaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlf-tigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachge-ordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wich-tige Ziele fuumlr die Zukunft

Festgelegt wird wie Beschaumlftigte und ihre In-teressenvertretung uumlber alle Ablaumlufe und Unterla-gen im Zusammenhang mit QM und KVP infor-miert werden und Einfluss auf deren wesentliche Elemente nehmen koumlnnen Einfluss nehmen be-zieht sich insbesondere auf Definitionen von Ar-beitsvorgaben und Zielwerten wie z B

ndash Inhalten des QM-Handbuchs ndash der Planung und Durchfuumlhrung von Audits ndash der Erfassung und Verwendung von Beschaumlf-

tigtendaten uumlber Leistung und Verhalten (in-klusive Ruumlckmeldungen und Beschwerden von Kunden)

ndash der Themenauswahl fuumlr Qualitaumltszirkel oder KVP-Teams und ihrer personellen Zusam-mensetzung

ndash der Foumlrderung der Arbeit der Qualitaumltszirkel KVP-Teams

ndash der Bewertung und Nutzung der Ergebnisse der QualitaumltszirkelKVP-Teams

Bemerkenswert haumlufig wird in den vorliegenden Vereinbarungen betont dass der gesamte Pro-zess die Kreativitaumlt und Motivation der Beschaumlf-tigten foumlrdern soll ndash und nur dies auch zum Erfolg fuumlhren kann QM und KVP bilden insofern einen wesentlichen Faktor fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit der Unternehmen was auch in einer groumlszligeren Zahl juumlngerer Regelungen zum Ideenmanagement als moderner Variante des betrieblichen Vorschlags-wesens erkennbar wird

Fuumlr die Betriebs- und Personalraumlte oumlffnet sich ein Einflussfeld das neben dem Schutz vor nega-tiven Konsequenzen auch die Chancen fuumlr per-soumlnliche Weiterentwicklung und Praumlmierung gu-ter Ideen der Beschaumlftigten zum Inhalt hat Dabei wird auch die groszlige Bedeutung von Gruppenpro-zessen deutlich die sich teilweise in Gruppen-praumlmien niederschlaumlgt Dennoch enthalten ein-zelne Vereinbarungen auch relativ strenge Vor-schriften zu Qualitaumlt und Leistung der Be- schaumlftigten und deren Uumlberwachung Sie schlie-szligen individuelle Sanktionen nicht aus stellen aber eine kleine Minderheit dar die sich auf ein-zelne Dienstleistungsbranchen (z B Call-Center) beschraumlnkt Die groszlige Mehrheit der Vereinba-rungen stellt jedoch eher den Aspekt der Foumlrde-rung und Nutzung der Kreativitaumlt der Beschaumlftig-ten ins Zentrum

Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation gestalten

Das technisch Moumlgliche zum Schutz von Beschaumlf-tigten zu begrenzen und Regelungen zum Einsatz zur Nutzung und zur Kontrolle zu formulieren ist die eine Seite die Auswirkung technologischer Entwicklungen auf die Arbeitsbedingungen steht auf der anderen Seite Auswirkungen ergeben sich z B aktuell auf die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsorten Organisationsprozesse und Leis-tungsbedingungen werden neu strukturiert durch sich selbst regulierende Teams durch Selbststeue-rung und mittels Zielvereinbarungen Arbeitszeit und Freizeit sowie Arbeitsort und privater Wohn-sitz gehen ineinander uumlber und sollen doch vonein-ander abgrenzbar bleiben

Staumlndige Erreichbarkeit

Weil heute bereits Arbeitsort und Arbeitszeit flexi-bel sind ndash vor allem aufgrund mobiler Endgeraumlte ndash heiszligt ein aktuell diskutiertes Problem staumlndige Er-reichbarkeit Unbezahlte Mehrarbeit durch Arbeit am Wochenende im Urlaub am Feierabend sind weit verbreitet Nach einer aktuellen Umfrage le-sen 42 der Deutschen in der Freizeit dienstliche Mails oder Nachrichten (FAZ 2015)

Die Nutzung digitaler mobiler Arbeitsmittel hat die Kommunikation erleichtert aber Zeitprobleme

Kurz und knapp

- Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebliches Vorschlags-wesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorien-tierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Bemerkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlrdern soll kreativ und moti-viert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unternehmen

- Festgelegt werden die konkreten Formen der Beteiligung der Be-schaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestal-tung sowie Schutzbestimmungen zur Vermeidung negativer Aus-wirkungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktio-nen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

- QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetz-te Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an al-len nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

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verschaumlrft Das Ergebnis scheint nicht nur eine In-tensivierung der Arbeit sondern auch deren zeitli-che Ausdehnung zu sein Aus Arbeitnehmersicht sollte Mehrarbeit vermieden werden bzw diese zumindest nicht unbezahlt und unausgeglichen bleiben Es geht auch darum Menschen zu befaumlhi-gen im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten selbst Gren-zen zu ziehen souveraumln mit der Arbeitszeit umge-hen zu koumlnnen und Anforderungen an Flexibilitaumlt selbstbestimmter zu gestalten Mit sehr verschie-den weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men

Regelungen werden getroffen so dass Vorge-setzte nicht auszligerhalb definierter Zeiten auf Be-schaumlftigte zugreifen Die Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit laumlsst sich im Prinzip relativ einfach bewerkstelligen

BeispielbdquoWaumlhrend der Pausen und nach Dienstende ist das Handy der Firma [hellip] auszuschaltenldquo (Sonstige Verkehrsdienstleister 0902021062003)

BeispielAllerdings ist diese Regelung 12 Jahre alt Inzwi-schen sind Verbreitung mobiler Endgeraumlte und tech-nische Moumlglichkeiten um ein vielfaches gewachsen so dass diese Regelung zwar noch guumlltig ist jedoch vermutlich haumlufig unterlaufen wird Diese Regelun-gen uumlberlaumlsst es den Beschaumlftigten auszligerhalb der Arbeitszeit und des Betriebsgelaumlndes die dienstli-chen mobilen Kommunikationsgeraumlte zu nutzen oder auch nicht

BeispielbdquoEs besteht ausdruumlcklich keine Verpflichtung au-szligerhalb der Rahmenarbeitszeit fuumlr die [Firma] mittels dieser Kommunikation erreichbar zu sein (Grund-stuumlcks- und Wohnungswesen 0903002052009)

Ein naheliegender Gedanke ist eine technische Louml-sung zu regeln die nicht so schnell unterlaufen wer-den kann wie z B begrenzte Zugriffszeiten auf das Firmennetz

BeispielbdquoWaumlhrend des Zeitfensters von 1815 Uhr bis 0700 Uhr und an Wochenenden steht die Telefonfunktion zur Verfuumlgung alle anderen Anwendungen nicht [hellip] Uumlber besondere Einzelfaumllle die durch diese Ver-fahrensregelung nicht ausreichend abgedeckt sind werden Unternehmen und Betriebsrat einvernehm-lich entscheidenldquo (0902021742011)

Die folgende Vereinbarung ist noch zwei Jahre juumln-ger und geht wieder einen anderen Weg Sie regelt Reaktionszeiten und das Recht auf Abwesenheits-freiraumlume

BeispielbdquoDer Mitarbeiter stimmt mit seinem Vorgesetzten unter Beruumlcksichtigung und Abwaumlgung betrieblicher und privater Erfordernisse seine Erreichbarkeit ab Diese orientiert sich an der im jeweiligen Team uumlbli-chen Lage der Arbeitszeit kann aber auf Wunsch des Mitarbeiters davon abweichen Auszligerhalb der ab-gestimmten Zeiten der Erreichbarkeit hat der Mitar-beiter im Sinne der Ruhe und Erholung das Recht nicht erreichbar zu sein Dazu zaumlhlen in der Regel ndash so-weit nicht Bestandteile des jeweiligen Arbeits-zeitmo-dells ndash die Abend- und Morgenstunden sowie Samsta-ge Sonn- und Feiertage Der Mitarbeiter muss auszliger-dem die Moumlglichkeit haben die ihm uumlbertragenen Aufgaben in einer angemessenen Zeit innerhalb der uumlblichen Arbeitszeiten oder innerhalb der mit seinem Vorgesetzen abgestimmten [Zeiten] erledigen zu koumln-nen (Reaktionszeit)ldquo (0801022192013)

Bei Dienstreisen gemeinsamen Projekten uumlber Zeit-zonen hinweg und bei der Arbeit beim Kunden be-stimmen zusaumltzlich auch aumluszligere Faktoren die Arbeit Wichtig ist daher auch Reisezeiten angemessen zu bewerten und Arbeitszeit korrekt zu erfassen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Vo-raussetzung dafuumlr dass ein Zeitausgleich uumlberhaupt moumlglich wird (vgl Hinrichs 2014)

Mobile Telearbeit

Staumlndige Erreichbarkeit ist ein wesentliches Anlie-gen heutiger Vereinbarungen rund um mobile Ar-

Kurz und knapp

- Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leistungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebs-vereinbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbestimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlgli-chen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

- Mit sehr verschieden weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Ar-beitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

- Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelun-gen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinba-rungen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Com-pliance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

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beit und die Nutzung mobiler Endgeraumlte Eines der ersten Unternehmen das mit einer Betriebsverein-barung zur Regelung der staumlndigen Erreichbarkeit im Jahr 2011 die oumlffentliche Debatte anregte war die Volkswagen AG (vgl Spiegel 2014) Man verein-barte zunaumlchst dass Serverfunktionen auszligerhalb der vertraglichen Arbeitszeit fuumlr tariflich Beschaumlftig-te abgeschaltet werden Ein weiteres ebenfalls oumlf-fentlich diskutiertes Beispiel in diesem Kontext bie-tet die Daimler AG Das Unternehmen ermoumlglicht uumlber einen elektronischen Abwesenheits- assistenten namens bdquoMail on Holidayldquo alle E-Mails die waumlhrend des Urlaubs eingehen automatisch louml-schen zu lassen Die Botschaft Man muss nicht waumlhrend seines Urlaubs arbeiten Seit Sommer 2013 existiert im Bundesarbeitsministerium eine Verein-barung wonach Fuumlhrungskraumlfte nur noch in begruumln-deten Ausnahmefaumlllen Beschaumlftigte in ihrer Freizeit per E-Mail oder telefonisch kontaktieren duumlrfen Der Betriebsrat der BMW AG wurde 2014 mit dem Deut-schen Betriebsraumlte-Preis in Gold ausgezeichnet fuumlr eine Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der mobi-len Arbeit Vorteile flexibler Arbeitszeiten und -orte werden genutzt um gleichzeitig eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen unter anderem durch das Recht auf Nichterreichbarkeit Kompetenzen werden geschult und die Arbeitszeit wird konsequent er-fasst Auch bei Bosch vereinbarte man dass Ar-beitszeit und Arbeitsort eigenverantwortlich und aufgabenbezogen mobil gestaltet und abgestimmt werden koumlnnen Feste Bedingung ist dass die Ar-beitszeit nach wie vor erfasst und verguumltet wird

Sehr unterschiedliche aktuelle Beduumlrfnisse von Beschaumlftigten und Fuumlhrungskraumlften werden aufge-griffen Man sucht gemeinsam nach kollektiven Louml-sungen Aber die Quadratur des Kreises lautet Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten Wenn etwa bei Vertrauensarbeitszeit auf eine Ar-beitszeiterfassung verzichtet wird dann fehlt Be-schaumlftigten ein sehr zentrales Instrument um Leis-tungsforderungen und Leistungsverdichtung uumlber-haupt dokumentieren und dann auch abbauen zu koumlnnen (vgl Klein-Schneider 2007) Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexiblen Ar-beitszeitgestaltung gelebt werden Compliance be-deutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Vom Ausmaszlig der Flexibilitaumlt in der Arbeitszeitregu-lierung sind sowohl die Produktionsbedingungen von Unternehmen als auch die Arbeits- und die Le-bensbedingungen von Beschaumlftigten maszliggeblich be- troffen Arbeitszeitgestaltung ist daher ein wesentli-

ches Kernelement der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarif-vertrag vereinbart wurden Betriebsparteien regeln die Gestaltung von Arbeitszeitkonten vor allem den Auf- und Abbau ihre Verwendung sie regeln auch ob wann und wie Guthaben entstehen koumlnnen ob und wie Mehrarbeit verguumltet wird wie Rahmenar-beitszeiten aussehen wann Arbeitszeit voruumlberge-hend verkuumlrzt wird etc

Es gibt eine Fuumllle an tariflichen Regelungen um flexible Arbeitszeiten zu gestalten (vgl Bispinck 2015) Die aktuelle Debatte um eine scheinbar not-wendige Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes er-waumlchst daher kaum aus der betrieblichen Realitaumlt Arbeitszeitkonten sind das notwendige Instrument um flexible Arbeitszeiten uumlberhaupt zu gestalten Mit Kontenmodellen koumlnnen betriebs- und marktbe-dingte Schwankungen der Produktion in woumlchentli-chen monatlichen oder auch jaumlhrlichen Arbeitszei-ten festgehalten kontrolliert und ausgeglichen wer-den Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeitaus-gleich (vgl Hamm 2013) Einfache Gleitzeitkonten mit monatlichem Ausgleichsmechanismus erlauben es dass Zeitgutschriften gespart und im Verlauf der vier Wochen genutzt werden Die angesparte Zeit kann auch uumlber laumlngere Zeitraumlume als einen Monat auf Konten gespart werden Uumlblich ist dann die Ver-wendung von Jahreskonten Auf diese Weise koumln-nen Betriebe auch in Schichtarbeit flexiblere Ar-beitszeiten entwickeln (vgl Grzech-Sukalo 2013)

Um eine fuumlr Beschaumlftigte bdquoplanbareldquo Flexibilisie-rung der Arbeit zu ermoumlglichen sehen Vereinbarun-gen Grundplanungen z B uumlber ein Jahr vor Diese kann an betriebliche Auftragsschwankungen ange-passt werden Zusatz- und Ausfallschichten in ei-nem flexiblen Schichtsystem werden uumlberwiegend von der Arbeitgeberseite bestimmt um den Perso-naleinsatz bedarfsgerecht zu gestalten Unterneh-men nutzen heute diverse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusammenhaumlngendes Gesamtkonzept

ndash Ein Gleitzeitkonto gleicht kleinere monatliche Schwankungen der Stunden aus

ndash Ein individuelles Arbeitszeitkonto mit Verteil-zeitraumlumen wird als Jahresarbeitszeit geregelt so dass taumlgliche und woumlchentliche Zeiten schwanken koumlnnen

ndash Auf Flexi-Konten werden Stunden gespart die fuumlr konjunkturbedingte Engpaumlsse zur Verfuuml-gung stehen so dass Beschaumlftigung gesichert und Kurzarbeit vermieden werden kann

ndash Langzeitkonten mit mehrjaumlhrigen Ansparpha-sen sind fuumlr laumlngere bezahlte Freistellungen nutzbar z B als Sabbatical Qualifizierungs-zeit vorgezogener Ruhestand

Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzun-gen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-

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barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Kuumlnftig wird es vermut-lich noch wichtiger sein die Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu koppeln Ent-grenzung zu begrenzen und Arbeitszeit schlichtweg wieder zu erfassen Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumen-te (vgl HofmannSmolenski 2015)

22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen

Der demografische Wandel bedeutet seit laumlngerer Zeit schon prognostizierte groszlige Umwaumllzungen Der demo-grafische Wandel kann sich je nach Branche sehr ver-schieden zeigen und mit sehr unterschiedlichen Maszlig-nahmen in der betrieblichen Realitaumlt gestaltet werden In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungsfortschritten (vgl Busse et al 2015) Haumlu-fig heiszligt demografischer Wandel im Betrieb dreierlei

ndash verschiedene Beschaumlftigtengruppen zu integrieren erwerbstaumltige Muumltter mit Arbeitszeitmodellen (vor allem Teilzeit) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung bzw Kinderbetreuung Men-schen mit Migrationshintergrund junge und alte Menschen Leistungsveraumlnderte Als neues Thema wird es auch darum gehen Fluumlchtlinge moumlglichst effizient in den Arbeitsmarkt zu integrieren

ndash Arbeits- und Gesundheitsschutz zu realisieren

Kurz und knapp

- Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernelement der Tarifpolitik Betriebspartei-en regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt wer-den kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wur-den Unternehmen nutzen heute diverse Ar-beitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

- Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anlie-gen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeit-ausgleich Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Aus-einandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der vereinbarten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang be-trieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber ge-stellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

fuumlr alternde Belegschaften ganzheitliche Ge-faumlhrdungsbeurteilungen alter(n)sgerechte Ar-beitsgestaltung Altersteilzeit

ndash Fachkraumlftebedarf abdecken Ausbildung gestal-ten Weiterbildung und lebenslanges Lernen si-chern und foumlrdern

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben konzentrierten sich sehr lange auf die Fra-ge der angemessenen Lage und Verteilung von Ar-beitszeit bezogen auf die Notwendigkeit Kinder und Berufstaumltigkeit besser zu vereinbaren (vgl MaschkeZurholt 2013) Inzwischen weitete sich das Thema auf die Pflege von Familienangehoumlrigen aus Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen verbunden ist Unter-nehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrich-tungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexible Zeitarran-gements (vgl Reuyszlig 2015 MaschkeZurholt 2013)

Allerdings koumlnnen im Lebensverlauf sehr viele un-terschiedliche Ereignisse es erfordern dass die Work-Life-Balance neu austariert werden will und man vor allem seine Arbeitszeit flexibel gestalten moumlchte oder muss Beschaumlftigte die ins Berufsleben starten ha-ben wahrscheinlich andere Arbeitszeitbeduumlrfnisse als Beschaumlftigte mit Familienpflichten die verlaumlssliche Ar-beitszeiten benoumltigen Menschen die sich kurz vor dem Ruhestand befinden oder gesundheitlich einge-schraumlnkt sind setzen wiederum andere Prioritaumlten

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsvereinba-rungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlig-nahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen die Tarifvertraumlge3 und einige Betriebsvereinbarungen

3 Einige Tarifvertraumlge sowie Betriebsvereinbarungen sehen Alters-struktur- oder Demografie-Analysen vor z B der bdquoTarifvertrag zur Gestaltung des demographischen Wandels in der Eisen- und Stahl-industrieldquo vom November 2006 oder der BCE-Tarifvertrag bdquoLebens-arbeitszeit und Demografieldquo (2008) Weitere Themen der Tarifver-traumlge sind z B flexible (Demografie-)Fonds fuumlr unterschiedliche Belange (flexible Arbeitszeiten fuumlr bestimmte Personengruppen) Arbeits- und Gesundheitsschutz Qualifizierungsoffensiven etc

Kurz und knapp

- In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unter-schiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungs-fortschritten

- Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Be-reitstellung von Ressourcen verbunden ist Unternehmen unter-stuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexi-ble Zeitarrangements

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vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektio-nen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Im bdquoTarifvertrag Demografie der chemischen In-dustrieldquo (2008) sind die verbindliche Regelung von Altersstrukturanalysen sowie finanzielle Beitraumlge fuumlr Demografie-Fonds geregelt Dies wird im Un-ternehmen spezifiziert Fuumlr Unternehmen ohne Be-triebsrat ist hier die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung geregelt Moumlgliche Zweckbindungen des Fonds koumlnnen fuumlr Langzeit-konten Altersuumlbergaumlnge (Altersteilzeit Teilrente) Altersvorsorge Berufsunfaumlhigkeit und lebenspha-senorientierte Arbeitszeitgestaltung genutzt wer-den Uumlber die Haumllfte der Beschaumlftigten der chemi-schen Industrie wird von diesen Leistungen ver-sorgt (Jungvogel 2013 S 235)

Betriebsvereinbarungen zur lebensphasenorien-tierten Arbeitszeitgestaltung regeln zB

BeispielbdquoDie Betriebsparteien wollen fuumlr eine lebensphasen-orientierte Arbeitszeitgestaltung aller Beschaumlftigten der [Firma] einen verringerten Arbeitseinsatz in be-stimmten Lebensphasen ermoumlglichen sofern nicht andere gesetzliche oderund tarifliche Bestimmun-gen in Anspruch genommen werden koumlnnen [hellip] Lebensphasen koumlnnen beispielsweise sein - die Betreuung pflegebeduumlrftiger Angehoumlriger - Vor- und Nachsorgezeiten bei Erkrankungen des

Partners undoder der Kinder - Unterstuumltzung der Lebens- und Arbeitssituatio-

nen des Partners undoder der Kinder - intensive Begleitung von Kindern waumlhrend der

Einschulungsphase oder es Uumlbergangs an wei-terfuumlhrende Schulen

- gleitender Wiedereinstieg nach einer familienbe-dingten Auszeit

- die berufsbegleitende Absolvierung einer Wei-terbildungeines Studiums

- unvorhersehbare familiaumlrepersoumlnliche Ausnah-mesituationen [hellip]

Zur Ermoumlglichung [hellip] wird ein Topf in Houmlhe von 50 TEUR pa gebildet [hellip]ldquo (NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobil-elektronik 03020028602015)

Kurz und knapp - Regelungen existieren sowohl auf Branchen-

bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Be-triebsvereinbarungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie

- Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifver-traumlge und Betriebsvereinbarungen vor um zu-naumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Wichtige Stichworte fuumlr Maszlignahmen sind Gesundheits- bzw Eingliede-rungsmanagement Belastungsreduzierungen Er-gonomie sowie alters- und alternsgerechte Arbeits-bedingungen und ganzheitliche Gefaumlhrdungsbeur-teilungen

Die gesetzliche Pflicht zur Gefaumlhrdungsbeurtei-lung wird inzwischen von 51 der Unternehmen (BAuA 2015) erfuumlllt und in der Regel in Betriebsver-einbarungen festgeschrieben Vor allem kleine Be-triebe mit bis zu 49 Beschaumlftigten hinken deutlich hinterher

Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure Die Sick AG wurde vor einiger Zeit bekannt mit einer Vereinba-rung zur Umsetzung ganzheitlicher Gefaumlhrdungs-beurteilungen Der nicht konfliktfreie Prozess fuumlhr-te zur Etablierung eines paritaumltisch besetzten Steu-erungskreises der die Verfahren lenkt Das Ziel ist vor allem Stress und Fehlbelastungen zu erkennen und gezielte Loumlsungen von sehr unterschiedlicher Reichweite sehr konkret mit vielen kleinen Loumlsun-gen gemeinsam zu entwickeln (vgl Molitor 2013) Das koumlnnen stoumlrungsfreie Arbeitszeiten sein redu-zierte Geraumluschbelastungen durch Telefonklingeln vereinbarte Zeitpuffer etc

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Bereits heute wird an bdquointelligenter persoumlnlicher Schutz-kleidungldquo fuumlr Feuerwehreinsatzkraumlfte gearbeitet (vgl Roszlignagel 2012) Einsatzkraumlfte koumlnnen in Ge-fahrensituationen geortet und selbst besser ge-schuumltzt werden indem unter anderem ihre Koumlrper-funktionen mittels Datenuumlbertragung im Einsatz permanent uumlberwacht werden Wie wird kuumlnftig gewaumlhrleistet dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausge-wertet werden koumlnnen Im betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) sind erste bdquozarteldquo Ansaumlt-ze fuumlr betriebliche Umgangsformen gefunden um entsprechend sensibel mit Daten umzugehen So sollte beispielsweise die BEM-Akte der bzw des Betroffenen separat gefuumlhrt und nicht in die Perso-nalakte integriert werden Ein Hebel fuumlr den Ar-beits- und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestimmung liegt auch darin die gesicherten arbeitswissen-schaftlichen Erkenntnisse uumlber die menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gel-tung zu bringen

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23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

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2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 18

24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

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oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

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2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

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immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

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- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 24

4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

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5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

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Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

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Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

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Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

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Wetzel Detlef (2015) Arbeit 40 Freiburg

Wotschack Philip (2012) bdquoKeine Zeit fuumlr die Auszeit Lebensarbeitszeit als Aspekt so-zialer Ungleichheitldquo In Soziale Welt Jg 63 H 1 S 25-44

WSIWirtschafts- und sozialwissenschaftli-ches Institut (Hg) (2014) Atypische Be-schaumlftigung bleibt in Deutschland hoch Pressemitteilung 2992014 Download unter httpwwwboecklerde45167_51173htm [2992015]

Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 11: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 11

QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwick-lung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Be-schaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlf-tigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachge-ordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wich-tige Ziele fuumlr die Zukunft

Festgelegt wird wie Beschaumlftigte und ihre In-teressenvertretung uumlber alle Ablaumlufe und Unterla-gen im Zusammenhang mit QM und KVP infor-miert werden und Einfluss auf deren wesentliche Elemente nehmen koumlnnen Einfluss nehmen be-zieht sich insbesondere auf Definitionen von Ar-beitsvorgaben und Zielwerten wie z B

ndash Inhalten des QM-Handbuchs ndash der Planung und Durchfuumlhrung von Audits ndash der Erfassung und Verwendung von Beschaumlf-

tigtendaten uumlber Leistung und Verhalten (in-klusive Ruumlckmeldungen und Beschwerden von Kunden)

ndash der Themenauswahl fuumlr Qualitaumltszirkel oder KVP-Teams und ihrer personellen Zusam-mensetzung

ndash der Foumlrderung der Arbeit der Qualitaumltszirkel KVP-Teams

ndash der Bewertung und Nutzung der Ergebnisse der QualitaumltszirkelKVP-Teams

Bemerkenswert haumlufig wird in den vorliegenden Vereinbarungen betont dass der gesamte Pro-zess die Kreativitaumlt und Motivation der Beschaumlf-tigten foumlrdern soll ndash und nur dies auch zum Erfolg fuumlhren kann QM und KVP bilden insofern einen wesentlichen Faktor fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit der Unternehmen was auch in einer groumlszligeren Zahl juumlngerer Regelungen zum Ideenmanagement als moderner Variante des betrieblichen Vorschlags-wesens erkennbar wird

Fuumlr die Betriebs- und Personalraumlte oumlffnet sich ein Einflussfeld das neben dem Schutz vor nega-tiven Konsequenzen auch die Chancen fuumlr per-soumlnliche Weiterentwicklung und Praumlmierung gu-ter Ideen der Beschaumlftigten zum Inhalt hat Dabei wird auch die groszlige Bedeutung von Gruppenpro-zessen deutlich die sich teilweise in Gruppen-praumlmien niederschlaumlgt Dennoch enthalten ein-zelne Vereinbarungen auch relativ strenge Vor-schriften zu Qualitaumlt und Leistung der Be- schaumlftigten und deren Uumlberwachung Sie schlie-szligen individuelle Sanktionen nicht aus stellen aber eine kleine Minderheit dar die sich auf ein-zelne Dienstleistungsbranchen (z B Call-Center) beschraumlnkt Die groszlige Mehrheit der Vereinba-rungen stellt jedoch eher den Aspekt der Foumlrde-rung und Nutzung der Kreativitaumlt der Beschaumlftig-ten ins Zentrum

Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation gestalten

Das technisch Moumlgliche zum Schutz von Beschaumlf-tigten zu begrenzen und Regelungen zum Einsatz zur Nutzung und zur Kontrolle zu formulieren ist die eine Seite die Auswirkung technologischer Entwicklungen auf die Arbeitsbedingungen steht auf der anderen Seite Auswirkungen ergeben sich z B aktuell auf die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsorten Organisationsprozesse und Leis-tungsbedingungen werden neu strukturiert durch sich selbst regulierende Teams durch Selbststeue-rung und mittels Zielvereinbarungen Arbeitszeit und Freizeit sowie Arbeitsort und privater Wohn-sitz gehen ineinander uumlber und sollen doch vonein-ander abgrenzbar bleiben

Staumlndige Erreichbarkeit

Weil heute bereits Arbeitsort und Arbeitszeit flexi-bel sind ndash vor allem aufgrund mobiler Endgeraumlte ndash heiszligt ein aktuell diskutiertes Problem staumlndige Er-reichbarkeit Unbezahlte Mehrarbeit durch Arbeit am Wochenende im Urlaub am Feierabend sind weit verbreitet Nach einer aktuellen Umfrage le-sen 42 der Deutschen in der Freizeit dienstliche Mails oder Nachrichten (FAZ 2015)

Die Nutzung digitaler mobiler Arbeitsmittel hat die Kommunikation erleichtert aber Zeitprobleme

Kurz und knapp

- Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebliches Vorschlags-wesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorien-tierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Bemerkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlrdern soll kreativ und moti-viert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unternehmen

- Festgelegt werden die konkreten Formen der Beteiligung der Be-schaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestal-tung sowie Schutzbestimmungen zur Vermeidung negativer Aus-wirkungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktio-nen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

- QM und KVP orientierten sich an der Weiterentwicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Beschaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim strukturellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetz-te Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an al-len nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremien teilzu-nehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 12

verschaumlrft Das Ergebnis scheint nicht nur eine In-tensivierung der Arbeit sondern auch deren zeitli-che Ausdehnung zu sein Aus Arbeitnehmersicht sollte Mehrarbeit vermieden werden bzw diese zumindest nicht unbezahlt und unausgeglichen bleiben Es geht auch darum Menschen zu befaumlhi-gen im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten selbst Gren-zen zu ziehen souveraumln mit der Arbeitszeit umge-hen zu koumlnnen und Anforderungen an Flexibilitaumlt selbstbestimmter zu gestalten Mit sehr verschie-den weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men

Regelungen werden getroffen so dass Vorge-setzte nicht auszligerhalb definierter Zeiten auf Be-schaumlftigte zugreifen Die Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit laumlsst sich im Prinzip relativ einfach bewerkstelligen

BeispielbdquoWaumlhrend der Pausen und nach Dienstende ist das Handy der Firma [hellip] auszuschaltenldquo (Sonstige Verkehrsdienstleister 0902021062003)

BeispielAllerdings ist diese Regelung 12 Jahre alt Inzwi-schen sind Verbreitung mobiler Endgeraumlte und tech-nische Moumlglichkeiten um ein vielfaches gewachsen so dass diese Regelung zwar noch guumlltig ist jedoch vermutlich haumlufig unterlaufen wird Diese Regelun-gen uumlberlaumlsst es den Beschaumlftigten auszligerhalb der Arbeitszeit und des Betriebsgelaumlndes die dienstli-chen mobilen Kommunikationsgeraumlte zu nutzen oder auch nicht

BeispielbdquoEs besteht ausdruumlcklich keine Verpflichtung au-szligerhalb der Rahmenarbeitszeit fuumlr die [Firma] mittels dieser Kommunikation erreichbar zu sein (Grund-stuumlcks- und Wohnungswesen 0903002052009)

Ein naheliegender Gedanke ist eine technische Louml-sung zu regeln die nicht so schnell unterlaufen wer-den kann wie z B begrenzte Zugriffszeiten auf das Firmennetz

BeispielbdquoWaumlhrend des Zeitfensters von 1815 Uhr bis 0700 Uhr und an Wochenenden steht die Telefonfunktion zur Verfuumlgung alle anderen Anwendungen nicht [hellip] Uumlber besondere Einzelfaumllle die durch diese Ver-fahrensregelung nicht ausreichend abgedeckt sind werden Unternehmen und Betriebsrat einvernehm-lich entscheidenldquo (0902021742011)

Die folgende Vereinbarung ist noch zwei Jahre juumln-ger und geht wieder einen anderen Weg Sie regelt Reaktionszeiten und das Recht auf Abwesenheits-freiraumlume

BeispielbdquoDer Mitarbeiter stimmt mit seinem Vorgesetzten unter Beruumlcksichtigung und Abwaumlgung betrieblicher und privater Erfordernisse seine Erreichbarkeit ab Diese orientiert sich an der im jeweiligen Team uumlbli-chen Lage der Arbeitszeit kann aber auf Wunsch des Mitarbeiters davon abweichen Auszligerhalb der ab-gestimmten Zeiten der Erreichbarkeit hat der Mitar-beiter im Sinne der Ruhe und Erholung das Recht nicht erreichbar zu sein Dazu zaumlhlen in der Regel ndash so-weit nicht Bestandteile des jeweiligen Arbeits-zeitmo-dells ndash die Abend- und Morgenstunden sowie Samsta-ge Sonn- und Feiertage Der Mitarbeiter muss auszliger-dem die Moumlglichkeit haben die ihm uumlbertragenen Aufgaben in einer angemessenen Zeit innerhalb der uumlblichen Arbeitszeiten oder innerhalb der mit seinem Vorgesetzen abgestimmten [Zeiten] erledigen zu koumln-nen (Reaktionszeit)ldquo (0801022192013)

Bei Dienstreisen gemeinsamen Projekten uumlber Zeit-zonen hinweg und bei der Arbeit beim Kunden be-stimmen zusaumltzlich auch aumluszligere Faktoren die Arbeit Wichtig ist daher auch Reisezeiten angemessen zu bewerten und Arbeitszeit korrekt zu erfassen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Vo-raussetzung dafuumlr dass ein Zeitausgleich uumlberhaupt moumlglich wird (vgl Hinrichs 2014)

Mobile Telearbeit

Staumlndige Erreichbarkeit ist ein wesentliches Anlie-gen heutiger Vereinbarungen rund um mobile Ar-

Kurz und knapp

- Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leistungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebs-vereinbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbestimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlgli-chen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

- Mit sehr verschieden weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Ar-beitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

- Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelun-gen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinba-rungen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Com-pliance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 13

beit und die Nutzung mobiler Endgeraumlte Eines der ersten Unternehmen das mit einer Betriebsverein-barung zur Regelung der staumlndigen Erreichbarkeit im Jahr 2011 die oumlffentliche Debatte anregte war die Volkswagen AG (vgl Spiegel 2014) Man verein-barte zunaumlchst dass Serverfunktionen auszligerhalb der vertraglichen Arbeitszeit fuumlr tariflich Beschaumlftig-te abgeschaltet werden Ein weiteres ebenfalls oumlf-fentlich diskutiertes Beispiel in diesem Kontext bie-tet die Daimler AG Das Unternehmen ermoumlglicht uumlber einen elektronischen Abwesenheits- assistenten namens bdquoMail on Holidayldquo alle E-Mails die waumlhrend des Urlaubs eingehen automatisch louml-schen zu lassen Die Botschaft Man muss nicht waumlhrend seines Urlaubs arbeiten Seit Sommer 2013 existiert im Bundesarbeitsministerium eine Verein-barung wonach Fuumlhrungskraumlfte nur noch in begruumln-deten Ausnahmefaumlllen Beschaumlftigte in ihrer Freizeit per E-Mail oder telefonisch kontaktieren duumlrfen Der Betriebsrat der BMW AG wurde 2014 mit dem Deut-schen Betriebsraumlte-Preis in Gold ausgezeichnet fuumlr eine Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der mobi-len Arbeit Vorteile flexibler Arbeitszeiten und -orte werden genutzt um gleichzeitig eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen unter anderem durch das Recht auf Nichterreichbarkeit Kompetenzen werden geschult und die Arbeitszeit wird konsequent er-fasst Auch bei Bosch vereinbarte man dass Ar-beitszeit und Arbeitsort eigenverantwortlich und aufgabenbezogen mobil gestaltet und abgestimmt werden koumlnnen Feste Bedingung ist dass die Ar-beitszeit nach wie vor erfasst und verguumltet wird

Sehr unterschiedliche aktuelle Beduumlrfnisse von Beschaumlftigten und Fuumlhrungskraumlften werden aufge-griffen Man sucht gemeinsam nach kollektiven Louml-sungen Aber die Quadratur des Kreises lautet Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten Wenn etwa bei Vertrauensarbeitszeit auf eine Ar-beitszeiterfassung verzichtet wird dann fehlt Be-schaumlftigten ein sehr zentrales Instrument um Leis-tungsforderungen und Leistungsverdichtung uumlber-haupt dokumentieren und dann auch abbauen zu koumlnnen (vgl Klein-Schneider 2007) Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexiblen Ar-beitszeitgestaltung gelebt werden Compliance be-deutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Vom Ausmaszlig der Flexibilitaumlt in der Arbeitszeitregu-lierung sind sowohl die Produktionsbedingungen von Unternehmen als auch die Arbeits- und die Le-bensbedingungen von Beschaumlftigten maszliggeblich be- troffen Arbeitszeitgestaltung ist daher ein wesentli-

ches Kernelement der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarif-vertrag vereinbart wurden Betriebsparteien regeln die Gestaltung von Arbeitszeitkonten vor allem den Auf- und Abbau ihre Verwendung sie regeln auch ob wann und wie Guthaben entstehen koumlnnen ob und wie Mehrarbeit verguumltet wird wie Rahmenar-beitszeiten aussehen wann Arbeitszeit voruumlberge-hend verkuumlrzt wird etc

Es gibt eine Fuumllle an tariflichen Regelungen um flexible Arbeitszeiten zu gestalten (vgl Bispinck 2015) Die aktuelle Debatte um eine scheinbar not-wendige Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes er-waumlchst daher kaum aus der betrieblichen Realitaumlt Arbeitszeitkonten sind das notwendige Instrument um flexible Arbeitszeiten uumlberhaupt zu gestalten Mit Kontenmodellen koumlnnen betriebs- und marktbe-dingte Schwankungen der Produktion in woumlchentli-chen monatlichen oder auch jaumlhrlichen Arbeitszei-ten festgehalten kontrolliert und ausgeglichen wer-den Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeitaus-gleich (vgl Hamm 2013) Einfache Gleitzeitkonten mit monatlichem Ausgleichsmechanismus erlauben es dass Zeitgutschriften gespart und im Verlauf der vier Wochen genutzt werden Die angesparte Zeit kann auch uumlber laumlngere Zeitraumlume als einen Monat auf Konten gespart werden Uumlblich ist dann die Ver-wendung von Jahreskonten Auf diese Weise koumln-nen Betriebe auch in Schichtarbeit flexiblere Ar-beitszeiten entwickeln (vgl Grzech-Sukalo 2013)

Um eine fuumlr Beschaumlftigte bdquoplanbareldquo Flexibilisie-rung der Arbeit zu ermoumlglichen sehen Vereinbarun-gen Grundplanungen z B uumlber ein Jahr vor Diese kann an betriebliche Auftragsschwankungen ange-passt werden Zusatz- und Ausfallschichten in ei-nem flexiblen Schichtsystem werden uumlberwiegend von der Arbeitgeberseite bestimmt um den Perso-naleinsatz bedarfsgerecht zu gestalten Unterneh-men nutzen heute diverse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusammenhaumlngendes Gesamtkonzept

ndash Ein Gleitzeitkonto gleicht kleinere monatliche Schwankungen der Stunden aus

ndash Ein individuelles Arbeitszeitkonto mit Verteil-zeitraumlumen wird als Jahresarbeitszeit geregelt so dass taumlgliche und woumlchentliche Zeiten schwanken koumlnnen

ndash Auf Flexi-Konten werden Stunden gespart die fuumlr konjunkturbedingte Engpaumlsse zur Verfuuml-gung stehen so dass Beschaumlftigung gesichert und Kurzarbeit vermieden werden kann

ndash Langzeitkonten mit mehrjaumlhrigen Ansparpha-sen sind fuumlr laumlngere bezahlte Freistellungen nutzbar z B als Sabbatical Qualifizierungs-zeit vorgezogener Ruhestand

Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzun-gen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 14

barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Kuumlnftig wird es vermut-lich noch wichtiger sein die Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu koppeln Ent-grenzung zu begrenzen und Arbeitszeit schlichtweg wieder zu erfassen Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumen-te (vgl HofmannSmolenski 2015)

22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen

Der demografische Wandel bedeutet seit laumlngerer Zeit schon prognostizierte groszlige Umwaumllzungen Der demo-grafische Wandel kann sich je nach Branche sehr ver-schieden zeigen und mit sehr unterschiedlichen Maszlig-nahmen in der betrieblichen Realitaumlt gestaltet werden In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungsfortschritten (vgl Busse et al 2015) Haumlu-fig heiszligt demografischer Wandel im Betrieb dreierlei

ndash verschiedene Beschaumlftigtengruppen zu integrieren erwerbstaumltige Muumltter mit Arbeitszeitmodellen (vor allem Teilzeit) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung bzw Kinderbetreuung Men-schen mit Migrationshintergrund junge und alte Menschen Leistungsveraumlnderte Als neues Thema wird es auch darum gehen Fluumlchtlinge moumlglichst effizient in den Arbeitsmarkt zu integrieren

ndash Arbeits- und Gesundheitsschutz zu realisieren

Kurz und knapp

- Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernelement der Tarifpolitik Betriebspartei-en regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt wer-den kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wur-den Unternehmen nutzen heute diverse Ar-beitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

- Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anlie-gen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeit-ausgleich Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Aus-einandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der vereinbarten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang be-trieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber ge-stellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

fuumlr alternde Belegschaften ganzheitliche Ge-faumlhrdungsbeurteilungen alter(n)sgerechte Ar-beitsgestaltung Altersteilzeit

ndash Fachkraumlftebedarf abdecken Ausbildung gestal-ten Weiterbildung und lebenslanges Lernen si-chern und foumlrdern

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben konzentrierten sich sehr lange auf die Fra-ge der angemessenen Lage und Verteilung von Ar-beitszeit bezogen auf die Notwendigkeit Kinder und Berufstaumltigkeit besser zu vereinbaren (vgl MaschkeZurholt 2013) Inzwischen weitete sich das Thema auf die Pflege von Familienangehoumlrigen aus Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen verbunden ist Unter-nehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrich-tungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexible Zeitarran-gements (vgl Reuyszlig 2015 MaschkeZurholt 2013)

Allerdings koumlnnen im Lebensverlauf sehr viele un-terschiedliche Ereignisse es erfordern dass die Work-Life-Balance neu austariert werden will und man vor allem seine Arbeitszeit flexibel gestalten moumlchte oder muss Beschaumlftigte die ins Berufsleben starten ha-ben wahrscheinlich andere Arbeitszeitbeduumlrfnisse als Beschaumlftigte mit Familienpflichten die verlaumlssliche Ar-beitszeiten benoumltigen Menschen die sich kurz vor dem Ruhestand befinden oder gesundheitlich einge-schraumlnkt sind setzen wiederum andere Prioritaumlten

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsvereinba-rungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlig-nahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen die Tarifvertraumlge3 und einige Betriebsvereinbarungen

3 Einige Tarifvertraumlge sowie Betriebsvereinbarungen sehen Alters-struktur- oder Demografie-Analysen vor z B der bdquoTarifvertrag zur Gestaltung des demographischen Wandels in der Eisen- und Stahl-industrieldquo vom November 2006 oder der BCE-Tarifvertrag bdquoLebens-arbeitszeit und Demografieldquo (2008) Weitere Themen der Tarifver-traumlge sind z B flexible (Demografie-)Fonds fuumlr unterschiedliche Belange (flexible Arbeitszeiten fuumlr bestimmte Personengruppen) Arbeits- und Gesundheitsschutz Qualifizierungsoffensiven etc

Kurz und knapp

- In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unter-schiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungs-fortschritten

- Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Be-reitstellung von Ressourcen verbunden ist Unternehmen unter-stuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexi-ble Zeitarrangements

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 15

vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektio-nen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Im bdquoTarifvertrag Demografie der chemischen In-dustrieldquo (2008) sind die verbindliche Regelung von Altersstrukturanalysen sowie finanzielle Beitraumlge fuumlr Demografie-Fonds geregelt Dies wird im Un-ternehmen spezifiziert Fuumlr Unternehmen ohne Be-triebsrat ist hier die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung geregelt Moumlgliche Zweckbindungen des Fonds koumlnnen fuumlr Langzeit-konten Altersuumlbergaumlnge (Altersteilzeit Teilrente) Altersvorsorge Berufsunfaumlhigkeit und lebenspha-senorientierte Arbeitszeitgestaltung genutzt wer-den Uumlber die Haumllfte der Beschaumlftigten der chemi-schen Industrie wird von diesen Leistungen ver-sorgt (Jungvogel 2013 S 235)

Betriebsvereinbarungen zur lebensphasenorien-tierten Arbeitszeitgestaltung regeln zB

BeispielbdquoDie Betriebsparteien wollen fuumlr eine lebensphasen-orientierte Arbeitszeitgestaltung aller Beschaumlftigten der [Firma] einen verringerten Arbeitseinsatz in be-stimmten Lebensphasen ermoumlglichen sofern nicht andere gesetzliche oderund tarifliche Bestimmun-gen in Anspruch genommen werden koumlnnen [hellip] Lebensphasen koumlnnen beispielsweise sein - die Betreuung pflegebeduumlrftiger Angehoumlriger - Vor- und Nachsorgezeiten bei Erkrankungen des

Partners undoder der Kinder - Unterstuumltzung der Lebens- und Arbeitssituatio-

nen des Partners undoder der Kinder - intensive Begleitung von Kindern waumlhrend der

Einschulungsphase oder es Uumlbergangs an wei-terfuumlhrende Schulen

- gleitender Wiedereinstieg nach einer familienbe-dingten Auszeit

- die berufsbegleitende Absolvierung einer Wei-terbildungeines Studiums

- unvorhersehbare familiaumlrepersoumlnliche Ausnah-mesituationen [hellip]

Zur Ermoumlglichung [hellip] wird ein Topf in Houmlhe von 50 TEUR pa gebildet [hellip]ldquo (NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobil-elektronik 03020028602015)

Kurz und knapp - Regelungen existieren sowohl auf Branchen-

bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Be-triebsvereinbarungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie

- Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifver-traumlge und Betriebsvereinbarungen vor um zu-naumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Wichtige Stichworte fuumlr Maszlignahmen sind Gesundheits- bzw Eingliede-rungsmanagement Belastungsreduzierungen Er-gonomie sowie alters- und alternsgerechte Arbeits-bedingungen und ganzheitliche Gefaumlhrdungsbeur-teilungen

Die gesetzliche Pflicht zur Gefaumlhrdungsbeurtei-lung wird inzwischen von 51 der Unternehmen (BAuA 2015) erfuumlllt und in der Regel in Betriebsver-einbarungen festgeschrieben Vor allem kleine Be-triebe mit bis zu 49 Beschaumlftigten hinken deutlich hinterher

Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure Die Sick AG wurde vor einiger Zeit bekannt mit einer Vereinba-rung zur Umsetzung ganzheitlicher Gefaumlhrdungs-beurteilungen Der nicht konfliktfreie Prozess fuumlhr-te zur Etablierung eines paritaumltisch besetzten Steu-erungskreises der die Verfahren lenkt Das Ziel ist vor allem Stress und Fehlbelastungen zu erkennen und gezielte Loumlsungen von sehr unterschiedlicher Reichweite sehr konkret mit vielen kleinen Loumlsun-gen gemeinsam zu entwickeln (vgl Molitor 2013) Das koumlnnen stoumlrungsfreie Arbeitszeiten sein redu-zierte Geraumluschbelastungen durch Telefonklingeln vereinbarte Zeitpuffer etc

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Bereits heute wird an bdquointelligenter persoumlnlicher Schutz-kleidungldquo fuumlr Feuerwehreinsatzkraumlfte gearbeitet (vgl Roszlignagel 2012) Einsatzkraumlfte koumlnnen in Ge-fahrensituationen geortet und selbst besser ge-schuumltzt werden indem unter anderem ihre Koumlrper-funktionen mittels Datenuumlbertragung im Einsatz permanent uumlberwacht werden Wie wird kuumlnftig gewaumlhrleistet dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausge-wertet werden koumlnnen Im betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) sind erste bdquozarteldquo Ansaumlt-ze fuumlr betriebliche Umgangsformen gefunden um entsprechend sensibel mit Daten umzugehen So sollte beispielsweise die BEM-Akte der bzw des Betroffenen separat gefuumlhrt und nicht in die Perso-nalakte integriert werden Ein Hebel fuumlr den Ar-beits- und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestimmung liegt auch darin die gesicherten arbeitswissen-schaftlichen Erkenntnisse uumlber die menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gel-tung zu bringen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 16

23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 17

2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 18

24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 19

oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 20

2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 22

immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 23

- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 24

4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 25

5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

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Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

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Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

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Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 12: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 12

verschaumlrft Das Ergebnis scheint nicht nur eine In-tensivierung der Arbeit sondern auch deren zeitli-che Ausdehnung zu sein Aus Arbeitnehmersicht sollte Mehrarbeit vermieden werden bzw diese zumindest nicht unbezahlt und unausgeglichen bleiben Es geht auch darum Menschen zu befaumlhi-gen im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten selbst Gren-zen zu ziehen souveraumln mit der Arbeitszeit umge-hen zu koumlnnen und Anforderungen an Flexibilitaumlt selbstbestimmter zu gestalten Mit sehr verschie-den weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men

Regelungen werden getroffen so dass Vorge-setzte nicht auszligerhalb definierter Zeiten auf Be-schaumlftigte zugreifen Die Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit laumlsst sich im Prinzip relativ einfach bewerkstelligen

BeispielbdquoWaumlhrend der Pausen und nach Dienstende ist das Handy der Firma [hellip] auszuschaltenldquo (Sonstige Verkehrsdienstleister 0902021062003)

BeispielAllerdings ist diese Regelung 12 Jahre alt Inzwi-schen sind Verbreitung mobiler Endgeraumlte und tech-nische Moumlglichkeiten um ein vielfaches gewachsen so dass diese Regelung zwar noch guumlltig ist jedoch vermutlich haumlufig unterlaufen wird Diese Regelun-gen uumlberlaumlsst es den Beschaumlftigten auszligerhalb der Arbeitszeit und des Betriebsgelaumlndes die dienstli-chen mobilen Kommunikationsgeraumlte zu nutzen oder auch nicht

BeispielbdquoEs besteht ausdruumlcklich keine Verpflichtung au-szligerhalb der Rahmenarbeitszeit fuumlr die [Firma] mittels dieser Kommunikation erreichbar zu sein (Grund-stuumlcks- und Wohnungswesen 0903002052009)

Ein naheliegender Gedanke ist eine technische Louml-sung zu regeln die nicht so schnell unterlaufen wer-den kann wie z B begrenzte Zugriffszeiten auf das Firmennetz

BeispielbdquoWaumlhrend des Zeitfensters von 1815 Uhr bis 0700 Uhr und an Wochenenden steht die Telefonfunktion zur Verfuumlgung alle anderen Anwendungen nicht [hellip] Uumlber besondere Einzelfaumllle die durch diese Ver-fahrensregelung nicht ausreichend abgedeckt sind werden Unternehmen und Betriebsrat einvernehm-lich entscheidenldquo (0902021742011)

Die folgende Vereinbarung ist noch zwei Jahre juumln-ger und geht wieder einen anderen Weg Sie regelt Reaktionszeiten und das Recht auf Abwesenheits-freiraumlume

BeispielbdquoDer Mitarbeiter stimmt mit seinem Vorgesetzten unter Beruumlcksichtigung und Abwaumlgung betrieblicher und privater Erfordernisse seine Erreichbarkeit ab Diese orientiert sich an der im jeweiligen Team uumlbli-chen Lage der Arbeitszeit kann aber auf Wunsch des Mitarbeiters davon abweichen Auszligerhalb der ab-gestimmten Zeiten der Erreichbarkeit hat der Mitar-beiter im Sinne der Ruhe und Erholung das Recht nicht erreichbar zu sein Dazu zaumlhlen in der Regel ndash so-weit nicht Bestandteile des jeweiligen Arbeits-zeitmo-dells ndash die Abend- und Morgenstunden sowie Samsta-ge Sonn- und Feiertage Der Mitarbeiter muss auszliger-dem die Moumlglichkeit haben die ihm uumlbertragenen Aufgaben in einer angemessenen Zeit innerhalb der uumlblichen Arbeitszeiten oder innerhalb der mit seinem Vorgesetzen abgestimmten [Zeiten] erledigen zu koumln-nen (Reaktionszeit)ldquo (0801022192013)

Bei Dienstreisen gemeinsamen Projekten uumlber Zeit-zonen hinweg und bei der Arbeit beim Kunden be-stimmen zusaumltzlich auch aumluszligere Faktoren die Arbeit Wichtig ist daher auch Reisezeiten angemessen zu bewerten und Arbeitszeit korrekt zu erfassen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Vo-raussetzung dafuumlr dass ein Zeitausgleich uumlberhaupt moumlglich wird (vgl Hinrichs 2014)

Mobile Telearbeit

Staumlndige Erreichbarkeit ist ein wesentliches Anlie-gen heutiger Vereinbarungen rund um mobile Ar-

Kurz und knapp

- Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leistungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebs-vereinbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbestimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlgli-chen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

- Mit sehr verschieden weitreichenden Regelungen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Ar-beitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

- Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelun-gen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinba-rungen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Com-pliance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 13

beit und die Nutzung mobiler Endgeraumlte Eines der ersten Unternehmen das mit einer Betriebsverein-barung zur Regelung der staumlndigen Erreichbarkeit im Jahr 2011 die oumlffentliche Debatte anregte war die Volkswagen AG (vgl Spiegel 2014) Man verein-barte zunaumlchst dass Serverfunktionen auszligerhalb der vertraglichen Arbeitszeit fuumlr tariflich Beschaumlftig-te abgeschaltet werden Ein weiteres ebenfalls oumlf-fentlich diskutiertes Beispiel in diesem Kontext bie-tet die Daimler AG Das Unternehmen ermoumlglicht uumlber einen elektronischen Abwesenheits- assistenten namens bdquoMail on Holidayldquo alle E-Mails die waumlhrend des Urlaubs eingehen automatisch louml-schen zu lassen Die Botschaft Man muss nicht waumlhrend seines Urlaubs arbeiten Seit Sommer 2013 existiert im Bundesarbeitsministerium eine Verein-barung wonach Fuumlhrungskraumlfte nur noch in begruumln-deten Ausnahmefaumlllen Beschaumlftigte in ihrer Freizeit per E-Mail oder telefonisch kontaktieren duumlrfen Der Betriebsrat der BMW AG wurde 2014 mit dem Deut-schen Betriebsraumlte-Preis in Gold ausgezeichnet fuumlr eine Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der mobi-len Arbeit Vorteile flexibler Arbeitszeiten und -orte werden genutzt um gleichzeitig eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen unter anderem durch das Recht auf Nichterreichbarkeit Kompetenzen werden geschult und die Arbeitszeit wird konsequent er-fasst Auch bei Bosch vereinbarte man dass Ar-beitszeit und Arbeitsort eigenverantwortlich und aufgabenbezogen mobil gestaltet und abgestimmt werden koumlnnen Feste Bedingung ist dass die Ar-beitszeit nach wie vor erfasst und verguumltet wird

Sehr unterschiedliche aktuelle Beduumlrfnisse von Beschaumlftigten und Fuumlhrungskraumlften werden aufge-griffen Man sucht gemeinsam nach kollektiven Louml-sungen Aber die Quadratur des Kreises lautet Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten Wenn etwa bei Vertrauensarbeitszeit auf eine Ar-beitszeiterfassung verzichtet wird dann fehlt Be-schaumlftigten ein sehr zentrales Instrument um Leis-tungsforderungen und Leistungsverdichtung uumlber-haupt dokumentieren und dann auch abbauen zu koumlnnen (vgl Klein-Schneider 2007) Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexiblen Ar-beitszeitgestaltung gelebt werden Compliance be-deutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Vom Ausmaszlig der Flexibilitaumlt in der Arbeitszeitregu-lierung sind sowohl die Produktionsbedingungen von Unternehmen als auch die Arbeits- und die Le-bensbedingungen von Beschaumlftigten maszliggeblich be- troffen Arbeitszeitgestaltung ist daher ein wesentli-

ches Kernelement der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarif-vertrag vereinbart wurden Betriebsparteien regeln die Gestaltung von Arbeitszeitkonten vor allem den Auf- und Abbau ihre Verwendung sie regeln auch ob wann und wie Guthaben entstehen koumlnnen ob und wie Mehrarbeit verguumltet wird wie Rahmenar-beitszeiten aussehen wann Arbeitszeit voruumlberge-hend verkuumlrzt wird etc

Es gibt eine Fuumllle an tariflichen Regelungen um flexible Arbeitszeiten zu gestalten (vgl Bispinck 2015) Die aktuelle Debatte um eine scheinbar not-wendige Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes er-waumlchst daher kaum aus der betrieblichen Realitaumlt Arbeitszeitkonten sind das notwendige Instrument um flexible Arbeitszeiten uumlberhaupt zu gestalten Mit Kontenmodellen koumlnnen betriebs- und marktbe-dingte Schwankungen der Produktion in woumlchentli-chen monatlichen oder auch jaumlhrlichen Arbeitszei-ten festgehalten kontrolliert und ausgeglichen wer-den Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeitaus-gleich (vgl Hamm 2013) Einfache Gleitzeitkonten mit monatlichem Ausgleichsmechanismus erlauben es dass Zeitgutschriften gespart und im Verlauf der vier Wochen genutzt werden Die angesparte Zeit kann auch uumlber laumlngere Zeitraumlume als einen Monat auf Konten gespart werden Uumlblich ist dann die Ver-wendung von Jahreskonten Auf diese Weise koumln-nen Betriebe auch in Schichtarbeit flexiblere Ar-beitszeiten entwickeln (vgl Grzech-Sukalo 2013)

Um eine fuumlr Beschaumlftigte bdquoplanbareldquo Flexibilisie-rung der Arbeit zu ermoumlglichen sehen Vereinbarun-gen Grundplanungen z B uumlber ein Jahr vor Diese kann an betriebliche Auftragsschwankungen ange-passt werden Zusatz- und Ausfallschichten in ei-nem flexiblen Schichtsystem werden uumlberwiegend von der Arbeitgeberseite bestimmt um den Perso-naleinsatz bedarfsgerecht zu gestalten Unterneh-men nutzen heute diverse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusammenhaumlngendes Gesamtkonzept

ndash Ein Gleitzeitkonto gleicht kleinere monatliche Schwankungen der Stunden aus

ndash Ein individuelles Arbeitszeitkonto mit Verteil-zeitraumlumen wird als Jahresarbeitszeit geregelt so dass taumlgliche und woumlchentliche Zeiten schwanken koumlnnen

ndash Auf Flexi-Konten werden Stunden gespart die fuumlr konjunkturbedingte Engpaumlsse zur Verfuuml-gung stehen so dass Beschaumlftigung gesichert und Kurzarbeit vermieden werden kann

ndash Langzeitkonten mit mehrjaumlhrigen Ansparpha-sen sind fuumlr laumlngere bezahlte Freistellungen nutzbar z B als Sabbatical Qualifizierungs-zeit vorgezogener Ruhestand

Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzun-gen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 14

barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Kuumlnftig wird es vermut-lich noch wichtiger sein die Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu koppeln Ent-grenzung zu begrenzen und Arbeitszeit schlichtweg wieder zu erfassen Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumen-te (vgl HofmannSmolenski 2015)

22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen

Der demografische Wandel bedeutet seit laumlngerer Zeit schon prognostizierte groszlige Umwaumllzungen Der demo-grafische Wandel kann sich je nach Branche sehr ver-schieden zeigen und mit sehr unterschiedlichen Maszlig-nahmen in der betrieblichen Realitaumlt gestaltet werden In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungsfortschritten (vgl Busse et al 2015) Haumlu-fig heiszligt demografischer Wandel im Betrieb dreierlei

ndash verschiedene Beschaumlftigtengruppen zu integrieren erwerbstaumltige Muumltter mit Arbeitszeitmodellen (vor allem Teilzeit) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung bzw Kinderbetreuung Men-schen mit Migrationshintergrund junge und alte Menschen Leistungsveraumlnderte Als neues Thema wird es auch darum gehen Fluumlchtlinge moumlglichst effizient in den Arbeitsmarkt zu integrieren

ndash Arbeits- und Gesundheitsschutz zu realisieren

Kurz und knapp

- Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernelement der Tarifpolitik Betriebspartei-en regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt wer-den kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wur-den Unternehmen nutzen heute diverse Ar-beitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

- Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anlie-gen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeit-ausgleich Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Aus-einandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der vereinbarten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang be-trieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber ge-stellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

fuumlr alternde Belegschaften ganzheitliche Ge-faumlhrdungsbeurteilungen alter(n)sgerechte Ar-beitsgestaltung Altersteilzeit

ndash Fachkraumlftebedarf abdecken Ausbildung gestal-ten Weiterbildung und lebenslanges Lernen si-chern und foumlrdern

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben konzentrierten sich sehr lange auf die Fra-ge der angemessenen Lage und Verteilung von Ar-beitszeit bezogen auf die Notwendigkeit Kinder und Berufstaumltigkeit besser zu vereinbaren (vgl MaschkeZurholt 2013) Inzwischen weitete sich das Thema auf die Pflege von Familienangehoumlrigen aus Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen verbunden ist Unter-nehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrich-tungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexible Zeitarran-gements (vgl Reuyszlig 2015 MaschkeZurholt 2013)

Allerdings koumlnnen im Lebensverlauf sehr viele un-terschiedliche Ereignisse es erfordern dass die Work-Life-Balance neu austariert werden will und man vor allem seine Arbeitszeit flexibel gestalten moumlchte oder muss Beschaumlftigte die ins Berufsleben starten ha-ben wahrscheinlich andere Arbeitszeitbeduumlrfnisse als Beschaumlftigte mit Familienpflichten die verlaumlssliche Ar-beitszeiten benoumltigen Menschen die sich kurz vor dem Ruhestand befinden oder gesundheitlich einge-schraumlnkt sind setzen wiederum andere Prioritaumlten

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsvereinba-rungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlig-nahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen die Tarifvertraumlge3 und einige Betriebsvereinbarungen

3 Einige Tarifvertraumlge sowie Betriebsvereinbarungen sehen Alters-struktur- oder Demografie-Analysen vor z B der bdquoTarifvertrag zur Gestaltung des demographischen Wandels in der Eisen- und Stahl-industrieldquo vom November 2006 oder der BCE-Tarifvertrag bdquoLebens-arbeitszeit und Demografieldquo (2008) Weitere Themen der Tarifver-traumlge sind z B flexible (Demografie-)Fonds fuumlr unterschiedliche Belange (flexible Arbeitszeiten fuumlr bestimmte Personengruppen) Arbeits- und Gesundheitsschutz Qualifizierungsoffensiven etc

Kurz und knapp

- In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unter-schiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungs-fortschritten

- Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Be-reitstellung von Ressourcen verbunden ist Unternehmen unter-stuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexi-ble Zeitarrangements

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 15

vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektio-nen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Im bdquoTarifvertrag Demografie der chemischen In-dustrieldquo (2008) sind die verbindliche Regelung von Altersstrukturanalysen sowie finanzielle Beitraumlge fuumlr Demografie-Fonds geregelt Dies wird im Un-ternehmen spezifiziert Fuumlr Unternehmen ohne Be-triebsrat ist hier die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung geregelt Moumlgliche Zweckbindungen des Fonds koumlnnen fuumlr Langzeit-konten Altersuumlbergaumlnge (Altersteilzeit Teilrente) Altersvorsorge Berufsunfaumlhigkeit und lebenspha-senorientierte Arbeitszeitgestaltung genutzt wer-den Uumlber die Haumllfte der Beschaumlftigten der chemi-schen Industrie wird von diesen Leistungen ver-sorgt (Jungvogel 2013 S 235)

Betriebsvereinbarungen zur lebensphasenorien-tierten Arbeitszeitgestaltung regeln zB

BeispielbdquoDie Betriebsparteien wollen fuumlr eine lebensphasen-orientierte Arbeitszeitgestaltung aller Beschaumlftigten der [Firma] einen verringerten Arbeitseinsatz in be-stimmten Lebensphasen ermoumlglichen sofern nicht andere gesetzliche oderund tarifliche Bestimmun-gen in Anspruch genommen werden koumlnnen [hellip] Lebensphasen koumlnnen beispielsweise sein - die Betreuung pflegebeduumlrftiger Angehoumlriger - Vor- und Nachsorgezeiten bei Erkrankungen des

Partners undoder der Kinder - Unterstuumltzung der Lebens- und Arbeitssituatio-

nen des Partners undoder der Kinder - intensive Begleitung von Kindern waumlhrend der

Einschulungsphase oder es Uumlbergangs an wei-terfuumlhrende Schulen

- gleitender Wiedereinstieg nach einer familienbe-dingten Auszeit

- die berufsbegleitende Absolvierung einer Wei-terbildungeines Studiums

- unvorhersehbare familiaumlrepersoumlnliche Ausnah-mesituationen [hellip]

Zur Ermoumlglichung [hellip] wird ein Topf in Houmlhe von 50 TEUR pa gebildet [hellip]ldquo (NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobil-elektronik 03020028602015)

Kurz und knapp - Regelungen existieren sowohl auf Branchen-

bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Be-triebsvereinbarungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie

- Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifver-traumlge und Betriebsvereinbarungen vor um zu-naumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Wichtige Stichworte fuumlr Maszlignahmen sind Gesundheits- bzw Eingliede-rungsmanagement Belastungsreduzierungen Er-gonomie sowie alters- und alternsgerechte Arbeits-bedingungen und ganzheitliche Gefaumlhrdungsbeur-teilungen

Die gesetzliche Pflicht zur Gefaumlhrdungsbeurtei-lung wird inzwischen von 51 der Unternehmen (BAuA 2015) erfuumlllt und in der Regel in Betriebsver-einbarungen festgeschrieben Vor allem kleine Be-triebe mit bis zu 49 Beschaumlftigten hinken deutlich hinterher

Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure Die Sick AG wurde vor einiger Zeit bekannt mit einer Vereinba-rung zur Umsetzung ganzheitlicher Gefaumlhrdungs-beurteilungen Der nicht konfliktfreie Prozess fuumlhr-te zur Etablierung eines paritaumltisch besetzten Steu-erungskreises der die Verfahren lenkt Das Ziel ist vor allem Stress und Fehlbelastungen zu erkennen und gezielte Loumlsungen von sehr unterschiedlicher Reichweite sehr konkret mit vielen kleinen Loumlsun-gen gemeinsam zu entwickeln (vgl Molitor 2013) Das koumlnnen stoumlrungsfreie Arbeitszeiten sein redu-zierte Geraumluschbelastungen durch Telefonklingeln vereinbarte Zeitpuffer etc

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Bereits heute wird an bdquointelligenter persoumlnlicher Schutz-kleidungldquo fuumlr Feuerwehreinsatzkraumlfte gearbeitet (vgl Roszlignagel 2012) Einsatzkraumlfte koumlnnen in Ge-fahrensituationen geortet und selbst besser ge-schuumltzt werden indem unter anderem ihre Koumlrper-funktionen mittels Datenuumlbertragung im Einsatz permanent uumlberwacht werden Wie wird kuumlnftig gewaumlhrleistet dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausge-wertet werden koumlnnen Im betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) sind erste bdquozarteldquo Ansaumlt-ze fuumlr betriebliche Umgangsformen gefunden um entsprechend sensibel mit Daten umzugehen So sollte beispielsweise die BEM-Akte der bzw des Betroffenen separat gefuumlhrt und nicht in die Perso-nalakte integriert werden Ein Hebel fuumlr den Ar-beits- und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestimmung liegt auch darin die gesicherten arbeitswissen-schaftlichen Erkenntnisse uumlber die menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gel-tung zu bringen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 16

23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 17

2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 18

24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 19

oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 20

2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 22

immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 23

- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 24

4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 25

5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

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Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

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Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

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Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

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Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 30

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 13: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 13

beit und die Nutzung mobiler Endgeraumlte Eines der ersten Unternehmen das mit einer Betriebsverein-barung zur Regelung der staumlndigen Erreichbarkeit im Jahr 2011 die oumlffentliche Debatte anregte war die Volkswagen AG (vgl Spiegel 2014) Man verein-barte zunaumlchst dass Serverfunktionen auszligerhalb der vertraglichen Arbeitszeit fuumlr tariflich Beschaumlftig-te abgeschaltet werden Ein weiteres ebenfalls oumlf-fentlich diskutiertes Beispiel in diesem Kontext bie-tet die Daimler AG Das Unternehmen ermoumlglicht uumlber einen elektronischen Abwesenheits- assistenten namens bdquoMail on Holidayldquo alle E-Mails die waumlhrend des Urlaubs eingehen automatisch louml-schen zu lassen Die Botschaft Man muss nicht waumlhrend seines Urlaubs arbeiten Seit Sommer 2013 existiert im Bundesarbeitsministerium eine Verein-barung wonach Fuumlhrungskraumlfte nur noch in begruumln-deten Ausnahmefaumlllen Beschaumlftigte in ihrer Freizeit per E-Mail oder telefonisch kontaktieren duumlrfen Der Betriebsrat der BMW AG wurde 2014 mit dem Deut-schen Betriebsraumlte-Preis in Gold ausgezeichnet fuumlr eine Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der mobi-len Arbeit Vorteile flexibler Arbeitszeiten und -orte werden genutzt um gleichzeitig eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen unter anderem durch das Recht auf Nichterreichbarkeit Kompetenzen werden geschult und die Arbeitszeit wird konsequent er-fasst Auch bei Bosch vereinbarte man dass Ar-beitszeit und Arbeitsort eigenverantwortlich und aufgabenbezogen mobil gestaltet und abgestimmt werden koumlnnen Feste Bedingung ist dass die Ar-beitszeit nach wie vor erfasst und verguumltet wird

Sehr unterschiedliche aktuelle Beduumlrfnisse von Beschaumlftigten und Fuumlhrungskraumlften werden aufge-griffen Man sucht gemeinsam nach kollektiven Louml-sungen Aber die Quadratur des Kreises lautet Es gilt sowohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Arbeitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibilitaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten Wenn etwa bei Vertrauensarbeitszeit auf eine Ar-beitszeiterfassung verzichtet wird dann fehlt Be-schaumlftigten ein sehr zentrales Instrument um Leis-tungsforderungen und Leistungsverdichtung uumlber-haupt dokumentieren und dann auch abbauen zu koumlnnen (vgl Klein-Schneider 2007) Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsregelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekom-men greifen dann wenn Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unternehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexiblen Ar-beitszeitgestaltung gelebt werden Compliance be-deutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Vom Ausmaszlig der Flexibilitaumlt in der Arbeitszeitregu-lierung sind sowohl die Produktionsbedingungen von Unternehmen als auch die Arbeits- und die Le-bensbedingungen von Beschaumlftigten maszliggeblich be- troffen Arbeitszeitgestaltung ist daher ein wesentli-

ches Kernelement der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarif-vertrag vereinbart wurden Betriebsparteien regeln die Gestaltung von Arbeitszeitkonten vor allem den Auf- und Abbau ihre Verwendung sie regeln auch ob wann und wie Guthaben entstehen koumlnnen ob und wie Mehrarbeit verguumltet wird wie Rahmenar-beitszeiten aussehen wann Arbeitszeit voruumlberge-hend verkuumlrzt wird etc

Es gibt eine Fuumllle an tariflichen Regelungen um flexible Arbeitszeiten zu gestalten (vgl Bispinck 2015) Die aktuelle Debatte um eine scheinbar not-wendige Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes er-waumlchst daher kaum aus der betrieblichen Realitaumlt Arbeitszeitkonten sind das notwendige Instrument um flexible Arbeitszeiten uumlberhaupt zu gestalten Mit Kontenmodellen koumlnnen betriebs- und marktbe-dingte Schwankungen der Produktion in woumlchentli-chen monatlichen oder auch jaumlhrlichen Arbeitszei-ten festgehalten kontrolliert und ausgeglichen wer-den Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeitaus-gleich (vgl Hamm 2013) Einfache Gleitzeitkonten mit monatlichem Ausgleichsmechanismus erlauben es dass Zeitgutschriften gespart und im Verlauf der vier Wochen genutzt werden Die angesparte Zeit kann auch uumlber laumlngere Zeitraumlume als einen Monat auf Konten gespart werden Uumlblich ist dann die Ver-wendung von Jahreskonten Auf diese Weise koumln-nen Betriebe auch in Schichtarbeit flexiblere Ar-beitszeiten entwickeln (vgl Grzech-Sukalo 2013)

Um eine fuumlr Beschaumlftigte bdquoplanbareldquo Flexibilisie-rung der Arbeit zu ermoumlglichen sehen Vereinbarun-gen Grundplanungen z B uumlber ein Jahr vor Diese kann an betriebliche Auftragsschwankungen ange-passt werden Zusatz- und Ausfallschichten in ei-nem flexiblen Schichtsystem werden uumlberwiegend von der Arbeitgeberseite bestimmt um den Perso-naleinsatz bedarfsgerecht zu gestalten Unterneh-men nutzen heute diverse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusammenhaumlngendes Gesamtkonzept

ndash Ein Gleitzeitkonto gleicht kleinere monatliche Schwankungen der Stunden aus

ndash Ein individuelles Arbeitszeitkonto mit Verteil-zeitraumlumen wird als Jahresarbeitszeit geregelt so dass taumlgliche und woumlchentliche Zeiten schwanken koumlnnen

ndash Auf Flexi-Konten werden Stunden gespart die fuumlr konjunkturbedingte Engpaumlsse zur Verfuuml-gung stehen so dass Beschaumlftigung gesichert und Kurzarbeit vermieden werden kann

ndash Langzeitkonten mit mehrjaumlhrigen Ansparpha-sen sind fuumlr laumlngere bezahlte Freistellungen nutzbar z B als Sabbatical Qualifizierungs-zeit vorgezogener Ruhestand

Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzun-gen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 14

barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Kuumlnftig wird es vermut-lich noch wichtiger sein die Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu koppeln Ent-grenzung zu begrenzen und Arbeitszeit schlichtweg wieder zu erfassen Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumen-te (vgl HofmannSmolenski 2015)

22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen

Der demografische Wandel bedeutet seit laumlngerer Zeit schon prognostizierte groszlige Umwaumllzungen Der demo-grafische Wandel kann sich je nach Branche sehr ver-schieden zeigen und mit sehr unterschiedlichen Maszlig-nahmen in der betrieblichen Realitaumlt gestaltet werden In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungsfortschritten (vgl Busse et al 2015) Haumlu-fig heiszligt demografischer Wandel im Betrieb dreierlei

ndash verschiedene Beschaumlftigtengruppen zu integrieren erwerbstaumltige Muumltter mit Arbeitszeitmodellen (vor allem Teilzeit) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung bzw Kinderbetreuung Men-schen mit Migrationshintergrund junge und alte Menschen Leistungsveraumlnderte Als neues Thema wird es auch darum gehen Fluumlchtlinge moumlglichst effizient in den Arbeitsmarkt zu integrieren

ndash Arbeits- und Gesundheitsschutz zu realisieren

Kurz und knapp

- Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernelement der Tarifpolitik Betriebspartei-en regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt wer-den kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wur-den Unternehmen nutzen heute diverse Ar-beitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

- Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anlie-gen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeit-ausgleich Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Aus-einandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der vereinbarten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang be-trieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber ge-stellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

fuumlr alternde Belegschaften ganzheitliche Ge-faumlhrdungsbeurteilungen alter(n)sgerechte Ar-beitsgestaltung Altersteilzeit

ndash Fachkraumlftebedarf abdecken Ausbildung gestal-ten Weiterbildung und lebenslanges Lernen si-chern und foumlrdern

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben konzentrierten sich sehr lange auf die Fra-ge der angemessenen Lage und Verteilung von Ar-beitszeit bezogen auf die Notwendigkeit Kinder und Berufstaumltigkeit besser zu vereinbaren (vgl MaschkeZurholt 2013) Inzwischen weitete sich das Thema auf die Pflege von Familienangehoumlrigen aus Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen verbunden ist Unter-nehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrich-tungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexible Zeitarran-gements (vgl Reuyszlig 2015 MaschkeZurholt 2013)

Allerdings koumlnnen im Lebensverlauf sehr viele un-terschiedliche Ereignisse es erfordern dass die Work-Life-Balance neu austariert werden will und man vor allem seine Arbeitszeit flexibel gestalten moumlchte oder muss Beschaumlftigte die ins Berufsleben starten ha-ben wahrscheinlich andere Arbeitszeitbeduumlrfnisse als Beschaumlftigte mit Familienpflichten die verlaumlssliche Ar-beitszeiten benoumltigen Menschen die sich kurz vor dem Ruhestand befinden oder gesundheitlich einge-schraumlnkt sind setzen wiederum andere Prioritaumlten

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsvereinba-rungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlig-nahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen die Tarifvertraumlge3 und einige Betriebsvereinbarungen

3 Einige Tarifvertraumlge sowie Betriebsvereinbarungen sehen Alters-struktur- oder Demografie-Analysen vor z B der bdquoTarifvertrag zur Gestaltung des demographischen Wandels in der Eisen- und Stahl-industrieldquo vom November 2006 oder der BCE-Tarifvertrag bdquoLebens-arbeitszeit und Demografieldquo (2008) Weitere Themen der Tarifver-traumlge sind z B flexible (Demografie-)Fonds fuumlr unterschiedliche Belange (flexible Arbeitszeiten fuumlr bestimmte Personengruppen) Arbeits- und Gesundheitsschutz Qualifizierungsoffensiven etc

Kurz und knapp

- In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unter-schiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungs-fortschritten

- Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Be-reitstellung von Ressourcen verbunden ist Unternehmen unter-stuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexi-ble Zeitarrangements

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 15

vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektio-nen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Im bdquoTarifvertrag Demografie der chemischen In-dustrieldquo (2008) sind die verbindliche Regelung von Altersstrukturanalysen sowie finanzielle Beitraumlge fuumlr Demografie-Fonds geregelt Dies wird im Un-ternehmen spezifiziert Fuumlr Unternehmen ohne Be-triebsrat ist hier die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung geregelt Moumlgliche Zweckbindungen des Fonds koumlnnen fuumlr Langzeit-konten Altersuumlbergaumlnge (Altersteilzeit Teilrente) Altersvorsorge Berufsunfaumlhigkeit und lebenspha-senorientierte Arbeitszeitgestaltung genutzt wer-den Uumlber die Haumllfte der Beschaumlftigten der chemi-schen Industrie wird von diesen Leistungen ver-sorgt (Jungvogel 2013 S 235)

Betriebsvereinbarungen zur lebensphasenorien-tierten Arbeitszeitgestaltung regeln zB

BeispielbdquoDie Betriebsparteien wollen fuumlr eine lebensphasen-orientierte Arbeitszeitgestaltung aller Beschaumlftigten der [Firma] einen verringerten Arbeitseinsatz in be-stimmten Lebensphasen ermoumlglichen sofern nicht andere gesetzliche oderund tarifliche Bestimmun-gen in Anspruch genommen werden koumlnnen [hellip] Lebensphasen koumlnnen beispielsweise sein - die Betreuung pflegebeduumlrftiger Angehoumlriger - Vor- und Nachsorgezeiten bei Erkrankungen des

Partners undoder der Kinder - Unterstuumltzung der Lebens- und Arbeitssituatio-

nen des Partners undoder der Kinder - intensive Begleitung von Kindern waumlhrend der

Einschulungsphase oder es Uumlbergangs an wei-terfuumlhrende Schulen

- gleitender Wiedereinstieg nach einer familienbe-dingten Auszeit

- die berufsbegleitende Absolvierung einer Wei-terbildungeines Studiums

- unvorhersehbare familiaumlrepersoumlnliche Ausnah-mesituationen [hellip]

Zur Ermoumlglichung [hellip] wird ein Topf in Houmlhe von 50 TEUR pa gebildet [hellip]ldquo (NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobil-elektronik 03020028602015)

Kurz und knapp - Regelungen existieren sowohl auf Branchen-

bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Be-triebsvereinbarungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie

- Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifver-traumlge und Betriebsvereinbarungen vor um zu-naumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Wichtige Stichworte fuumlr Maszlignahmen sind Gesundheits- bzw Eingliede-rungsmanagement Belastungsreduzierungen Er-gonomie sowie alters- und alternsgerechte Arbeits-bedingungen und ganzheitliche Gefaumlhrdungsbeur-teilungen

Die gesetzliche Pflicht zur Gefaumlhrdungsbeurtei-lung wird inzwischen von 51 der Unternehmen (BAuA 2015) erfuumlllt und in der Regel in Betriebsver-einbarungen festgeschrieben Vor allem kleine Be-triebe mit bis zu 49 Beschaumlftigten hinken deutlich hinterher

Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure Die Sick AG wurde vor einiger Zeit bekannt mit einer Vereinba-rung zur Umsetzung ganzheitlicher Gefaumlhrdungs-beurteilungen Der nicht konfliktfreie Prozess fuumlhr-te zur Etablierung eines paritaumltisch besetzten Steu-erungskreises der die Verfahren lenkt Das Ziel ist vor allem Stress und Fehlbelastungen zu erkennen und gezielte Loumlsungen von sehr unterschiedlicher Reichweite sehr konkret mit vielen kleinen Loumlsun-gen gemeinsam zu entwickeln (vgl Molitor 2013) Das koumlnnen stoumlrungsfreie Arbeitszeiten sein redu-zierte Geraumluschbelastungen durch Telefonklingeln vereinbarte Zeitpuffer etc

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Bereits heute wird an bdquointelligenter persoumlnlicher Schutz-kleidungldquo fuumlr Feuerwehreinsatzkraumlfte gearbeitet (vgl Roszlignagel 2012) Einsatzkraumlfte koumlnnen in Ge-fahrensituationen geortet und selbst besser ge-schuumltzt werden indem unter anderem ihre Koumlrper-funktionen mittels Datenuumlbertragung im Einsatz permanent uumlberwacht werden Wie wird kuumlnftig gewaumlhrleistet dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausge-wertet werden koumlnnen Im betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) sind erste bdquozarteldquo Ansaumlt-ze fuumlr betriebliche Umgangsformen gefunden um entsprechend sensibel mit Daten umzugehen So sollte beispielsweise die BEM-Akte der bzw des Betroffenen separat gefuumlhrt und nicht in die Perso-nalakte integriert werden Ein Hebel fuumlr den Ar-beits- und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestimmung liegt auch darin die gesicherten arbeitswissen-schaftlichen Erkenntnisse uumlber die menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gel-tung zu bringen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 16

23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 17

2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 18

24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

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oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

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2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

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immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 23

- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

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4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 25

5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 26

Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 27

Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

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Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 14: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 14

barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Kuumlnftig wird es vermut-lich noch wichtiger sein die Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu koppeln Ent-grenzung zu begrenzen und Arbeitszeit schlichtweg wieder zu erfassen Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumen-te (vgl HofmannSmolenski 2015)

22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen

Der demografische Wandel bedeutet seit laumlngerer Zeit schon prognostizierte groszlige Umwaumllzungen Der demo-grafische Wandel kann sich je nach Branche sehr ver-schieden zeigen und mit sehr unterschiedlichen Maszlig-nahmen in der betrieblichen Realitaumlt gestaltet werden In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungsfortschritten (vgl Busse et al 2015) Haumlu-fig heiszligt demografischer Wandel im Betrieb dreierlei

ndash verschiedene Beschaumlftigtengruppen zu integrieren erwerbstaumltige Muumltter mit Arbeitszeitmodellen (vor allem Teilzeit) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeverantwortung bzw Kinderbetreuung Men-schen mit Migrationshintergrund junge und alte Menschen Leistungsveraumlnderte Als neues Thema wird es auch darum gehen Fluumlchtlinge moumlglichst effizient in den Arbeitsmarkt zu integrieren

ndash Arbeits- und Gesundheitsschutz zu realisieren

Kurz und knapp

- Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernelement der Tarifpolitik Betriebspartei-en regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt wer-den kann deren Rahmenbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wur-den Unternehmen nutzen heute diverse Ar-beitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

- Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anlie-gen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinbarungen Verfahrensweisen zum Zeit-ausgleich Haumlufig kreisen die alltaumlglichen Aus-einandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der vereinbarten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang be-trieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber ge-stellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

fuumlr alternde Belegschaften ganzheitliche Ge-faumlhrdungsbeurteilungen alter(n)sgerechte Ar-beitsgestaltung Altersteilzeit

ndash Fachkraumlftebedarf abdecken Ausbildung gestal-ten Weiterbildung und lebenslanges Lernen si-chern und foumlrdern

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben konzentrierten sich sehr lange auf die Fra-ge der angemessenen Lage und Verteilung von Ar-beitszeit bezogen auf die Notwendigkeit Kinder und Berufstaumltigkeit besser zu vereinbaren (vgl MaschkeZurholt 2013) Inzwischen weitete sich das Thema auf die Pflege von Familienangehoumlrigen aus Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen verbunden ist Unter-nehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrich-tungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexible Zeitarran-gements (vgl Reuyszlig 2015 MaschkeZurholt 2013)

Allerdings koumlnnen im Lebensverlauf sehr viele un-terschiedliche Ereignisse es erfordern dass die Work-Life-Balance neu austariert werden will und man vor allem seine Arbeitszeit flexibel gestalten moumlchte oder muss Beschaumlftigte die ins Berufsleben starten ha-ben wahrscheinlich andere Arbeitszeitbeduumlrfnisse als Beschaumlftigte mit Familienpflichten die verlaumlssliche Ar-beitszeiten benoumltigen Menschen die sich kurz vor dem Ruhestand befinden oder gesundheitlich einge-schraumlnkt sind setzen wiederum andere Prioritaumlten

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsvereinba-rungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlig-nahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen die Tarifvertraumlge3 und einige Betriebsvereinbarungen

3 Einige Tarifvertraumlge sowie Betriebsvereinbarungen sehen Alters-struktur- oder Demografie-Analysen vor z B der bdquoTarifvertrag zur Gestaltung des demographischen Wandels in der Eisen- und Stahl-industrieldquo vom November 2006 oder der BCE-Tarifvertrag bdquoLebens-arbeitszeit und Demografieldquo (2008) Weitere Themen der Tarifver-traumlge sind z B flexible (Demografie-)Fonds fuumlr unterschiedliche Belange (flexible Arbeitszeiten fuumlr bestimmte Personengruppen) Arbeits- und Gesundheitsschutz Qualifizierungsoffensiven etc

Kurz und knapp

- In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unter-schiedlicher Reichweite und sehr verschiedenen Umsetzungs-fortschritten

- Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unternehmen mit der Be-reitstellung von Ressourcen verbunden ist Unternehmen unter-stuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbeitraumlge oder flexi-ble Zeitarrangements

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 15

vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektio-nen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Im bdquoTarifvertrag Demografie der chemischen In-dustrieldquo (2008) sind die verbindliche Regelung von Altersstrukturanalysen sowie finanzielle Beitraumlge fuumlr Demografie-Fonds geregelt Dies wird im Un-ternehmen spezifiziert Fuumlr Unternehmen ohne Be-triebsrat ist hier die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung geregelt Moumlgliche Zweckbindungen des Fonds koumlnnen fuumlr Langzeit-konten Altersuumlbergaumlnge (Altersteilzeit Teilrente) Altersvorsorge Berufsunfaumlhigkeit und lebenspha-senorientierte Arbeitszeitgestaltung genutzt wer-den Uumlber die Haumllfte der Beschaumlftigten der chemi-schen Industrie wird von diesen Leistungen ver-sorgt (Jungvogel 2013 S 235)

Betriebsvereinbarungen zur lebensphasenorien-tierten Arbeitszeitgestaltung regeln zB

BeispielbdquoDie Betriebsparteien wollen fuumlr eine lebensphasen-orientierte Arbeitszeitgestaltung aller Beschaumlftigten der [Firma] einen verringerten Arbeitseinsatz in be-stimmten Lebensphasen ermoumlglichen sofern nicht andere gesetzliche oderund tarifliche Bestimmun-gen in Anspruch genommen werden koumlnnen [hellip] Lebensphasen koumlnnen beispielsweise sein - die Betreuung pflegebeduumlrftiger Angehoumlriger - Vor- und Nachsorgezeiten bei Erkrankungen des

Partners undoder der Kinder - Unterstuumltzung der Lebens- und Arbeitssituatio-

nen des Partners undoder der Kinder - intensive Begleitung von Kindern waumlhrend der

Einschulungsphase oder es Uumlbergangs an wei-terfuumlhrende Schulen

- gleitender Wiedereinstieg nach einer familienbe-dingten Auszeit

- die berufsbegleitende Absolvierung einer Wei-terbildungeines Studiums

- unvorhersehbare familiaumlrepersoumlnliche Ausnah-mesituationen [hellip]

Zur Ermoumlglichung [hellip] wird ein Topf in Houmlhe von 50 TEUR pa gebildet [hellip]ldquo (NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobil-elektronik 03020028602015)

Kurz und knapp - Regelungen existieren sowohl auf Branchen-

bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Be-triebsvereinbarungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie

- Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifver-traumlge und Betriebsvereinbarungen vor um zu-naumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Wichtige Stichworte fuumlr Maszlignahmen sind Gesundheits- bzw Eingliede-rungsmanagement Belastungsreduzierungen Er-gonomie sowie alters- und alternsgerechte Arbeits-bedingungen und ganzheitliche Gefaumlhrdungsbeur-teilungen

Die gesetzliche Pflicht zur Gefaumlhrdungsbeurtei-lung wird inzwischen von 51 der Unternehmen (BAuA 2015) erfuumlllt und in der Regel in Betriebsver-einbarungen festgeschrieben Vor allem kleine Be-triebe mit bis zu 49 Beschaumlftigten hinken deutlich hinterher

Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure Die Sick AG wurde vor einiger Zeit bekannt mit einer Vereinba-rung zur Umsetzung ganzheitlicher Gefaumlhrdungs-beurteilungen Der nicht konfliktfreie Prozess fuumlhr-te zur Etablierung eines paritaumltisch besetzten Steu-erungskreises der die Verfahren lenkt Das Ziel ist vor allem Stress und Fehlbelastungen zu erkennen und gezielte Loumlsungen von sehr unterschiedlicher Reichweite sehr konkret mit vielen kleinen Loumlsun-gen gemeinsam zu entwickeln (vgl Molitor 2013) Das koumlnnen stoumlrungsfreie Arbeitszeiten sein redu-zierte Geraumluschbelastungen durch Telefonklingeln vereinbarte Zeitpuffer etc

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Bereits heute wird an bdquointelligenter persoumlnlicher Schutz-kleidungldquo fuumlr Feuerwehreinsatzkraumlfte gearbeitet (vgl Roszlignagel 2012) Einsatzkraumlfte koumlnnen in Ge-fahrensituationen geortet und selbst besser ge-schuumltzt werden indem unter anderem ihre Koumlrper-funktionen mittels Datenuumlbertragung im Einsatz permanent uumlberwacht werden Wie wird kuumlnftig gewaumlhrleistet dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausge-wertet werden koumlnnen Im betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) sind erste bdquozarteldquo Ansaumlt-ze fuumlr betriebliche Umgangsformen gefunden um entsprechend sensibel mit Daten umzugehen So sollte beispielsweise die BEM-Akte der bzw des Betroffenen separat gefuumlhrt und nicht in die Perso-nalakte integriert werden Ein Hebel fuumlr den Ar-beits- und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestimmung liegt auch darin die gesicherten arbeitswissen-schaftlichen Erkenntnisse uumlber die menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gel-tung zu bringen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 16

23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

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2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

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24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

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oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 20

2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 22

immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 23

- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 24

4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 25

5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 26

Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 27

Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 28

Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 15: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 15

vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektio-nen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Im bdquoTarifvertrag Demografie der chemischen In-dustrieldquo (2008) sind die verbindliche Regelung von Altersstrukturanalysen sowie finanzielle Beitraumlge fuumlr Demografie-Fonds geregelt Dies wird im Un-ternehmen spezifiziert Fuumlr Unternehmen ohne Be-triebsrat ist hier die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung geregelt Moumlgliche Zweckbindungen des Fonds koumlnnen fuumlr Langzeit-konten Altersuumlbergaumlnge (Altersteilzeit Teilrente) Altersvorsorge Berufsunfaumlhigkeit und lebenspha-senorientierte Arbeitszeitgestaltung genutzt wer-den Uumlber die Haumllfte der Beschaumlftigten der chemi-schen Industrie wird von diesen Leistungen ver-sorgt (Jungvogel 2013 S 235)

Betriebsvereinbarungen zur lebensphasenorien-tierten Arbeitszeitgestaltung regeln zB

BeispielbdquoDie Betriebsparteien wollen fuumlr eine lebensphasen-orientierte Arbeitszeitgestaltung aller Beschaumlftigten der [Firma] einen verringerten Arbeitseinsatz in be-stimmten Lebensphasen ermoumlglichen sofern nicht andere gesetzliche oderund tarifliche Bestimmun-gen in Anspruch genommen werden koumlnnen [hellip] Lebensphasen koumlnnen beispielsweise sein - die Betreuung pflegebeduumlrftiger Angehoumlriger - Vor- und Nachsorgezeiten bei Erkrankungen des

Partners undoder der Kinder - Unterstuumltzung der Lebens- und Arbeitssituatio-

nen des Partners undoder der Kinder - intensive Begleitung von Kindern waumlhrend der

Einschulungsphase oder es Uumlbergangs an wei-terfuumlhrende Schulen

- gleitender Wiedereinstieg nach einer familienbe-dingten Auszeit

- die berufsbegleitende Absolvierung einer Wei-terbildungeines Studiums

- unvorhersehbare familiaumlrepersoumlnliche Ausnah-mesituationen [hellip]

Zur Ermoumlglichung [hellip] wird ein Topf in Houmlhe von 50 TEUR pa gebildet [hellip]ldquo (NachrichtentechnikUnterhaltungs- Automobil-elektronik 03020028602015)

Kurz und knapp - Regelungen existieren sowohl auf Branchen-

bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Be-triebsvereinbarungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie

- Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifver-traumlge und Betriebsvereinbarungen vor um zu-naumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Projektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltig-keitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Wichtige Stichworte fuumlr Maszlignahmen sind Gesundheits- bzw Eingliede-rungsmanagement Belastungsreduzierungen Er-gonomie sowie alters- und alternsgerechte Arbeits-bedingungen und ganzheitliche Gefaumlhrdungsbeur-teilungen

Die gesetzliche Pflicht zur Gefaumlhrdungsbeurtei-lung wird inzwischen von 51 der Unternehmen (BAuA 2015) erfuumlllt und in der Regel in Betriebsver-einbarungen festgeschrieben Vor allem kleine Be-triebe mit bis zu 49 Beschaumlftigten hinken deutlich hinterher

Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure Die Sick AG wurde vor einiger Zeit bekannt mit einer Vereinba-rung zur Umsetzung ganzheitlicher Gefaumlhrdungs-beurteilungen Der nicht konfliktfreie Prozess fuumlhr-te zur Etablierung eines paritaumltisch besetzten Steu-erungskreises der die Verfahren lenkt Das Ziel ist vor allem Stress und Fehlbelastungen zu erkennen und gezielte Loumlsungen von sehr unterschiedlicher Reichweite sehr konkret mit vielen kleinen Loumlsun-gen gemeinsam zu entwickeln (vgl Molitor 2013) Das koumlnnen stoumlrungsfreie Arbeitszeiten sein redu-zierte Geraumluschbelastungen durch Telefonklingeln vereinbarte Zeitpuffer etc

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Bereits heute wird an bdquointelligenter persoumlnlicher Schutz-kleidungldquo fuumlr Feuerwehreinsatzkraumlfte gearbeitet (vgl Roszlignagel 2012) Einsatzkraumlfte koumlnnen in Ge-fahrensituationen geortet und selbst besser ge-schuumltzt werden indem unter anderem ihre Koumlrper-funktionen mittels Datenuumlbertragung im Einsatz permanent uumlberwacht werden Wie wird kuumlnftig gewaumlhrleistet dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftigten nicht ausge-wertet werden koumlnnen Im betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) sind erste bdquozarteldquo Ansaumlt-ze fuumlr betriebliche Umgangsformen gefunden um entsprechend sensibel mit Daten umzugehen So sollte beispielsweise die BEM-Akte der bzw des Betroffenen separat gefuumlhrt und nicht in die Perso-nalakte integriert werden Ein Hebel fuumlr den Ar-beits- und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestimmung liegt auch darin die gesicherten arbeitswissen-schaftlichen Erkenntnisse uumlber die menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gel-tung zu bringen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 16

23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 17

2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 18

24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

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oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 20

2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 22

immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 23

- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 24

4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

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5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

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Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

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Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

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Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

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Roszlignagel AJandt SSkistimsHZirfas J (2012) Zulaumlssigkeit von Feuerwehr-Schutzanzuumlgen mit Sensoren und Anforde-rungen an den Umgang mit personenbezoge-nen Daten Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg) Dortmund

Thannheiser Achim (2015) Mobile Device Management Reihe Betriebs- und Dienstver-einbarungenKurzauswertungen Duumlsseldorf

Thannheiser Achim (2015) EU-Antiterror-verordnung und Mitarbeiter-Screening Rei-he Betriebs- und DienstvereinbarungenKurz-auswertungen Duumlsseldorf

verdi ndash Vereinte Dienstleistungsgewerk-schaft (2015) Gute Arbeit und Digitalisie-rung Prozessanalysen und Gestaltungspers-pektiven fuumlr eine humane digitale Arbeitswelt berlin

Wetzel Detlef (2015) Arbeit 40 Freiburg

Wotschack Philip (2012) bdquoKeine Zeit fuumlr die Auszeit Lebensarbeitszeit als Aspekt so-zialer Ungleichheitldquo In Soziale Welt Jg 63 H 1 S 25-44

WSIWirtschafts- und sozialwissenschaftli-ches Institut (Hg) (2014) Atypische Be-schaumlftigung bleibt in Deutschland hoch Pressemitteilung 2992014 Download unter httpwwwboecklerde45167_51173htm [2992015]

Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 16: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 16

23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Veraumlnderte Wertvorstellungen der Menschen wach-sende Anspruumlche an ein staumlrker selbstbestimmtes Arbeiten und gleichzeitig auftretende unsichere Be-schaumlftigungserwartungen am Arbeitsmarkt werden im Gruumlnbuch Arbeiten 40 auch als Trends genannt Die Wuumlnsche von Menschen nach einer staumlrker am Leben orientierten Arbeitszeitgestaltung nach kuumlr-zeren Arbeitszeiten nach mehr Wahlfreiheit und Souveraumlnitaumlt nach einer beruflichen Perspektive spiegeln sich in groszlig angelegten Befragungen (z B IG Metall 2013 DGB Index Gute Arbeit) Individuali-sierte Arrangements werden mehr Gewicht bekom-men in der Arbeitswelt 40 Moderne Management-konzepte setzen ebenfalls darauf Beschaumlftigte auto-nomer und eigenverantwortlicher arbeiten zu lassen Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Ei-genverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlbertra-gen und man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern sondern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfor-dern (vgl Kratzer 2003 Lohmann-Haislah 2012) Der Preis fuumlr das Mehr an vermeintlicher Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

Flexible Arbeitszeitgestaltung kann mehr Zeitsou-veraumlnitaumlt und eine bessere Vereinbarkeit im Privaten

Kurz und knapp

- Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr verschieden Der Fokus liegt oft auf Verbesse-rungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftigten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlhrung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhr-denden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbe-dingungen auf die der Einzelne nur bedingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang

- Psychische Belastungen sind noch nicht lange auf der Agenda betrieblicher Akteure

- In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Datenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind

- Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheits-schutz in der Arbeitswelt 40 und fuumlr die Wahr-nehmung von Mitbestimmung liegt auch dar-in die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschengerechte Gestal-tung zu bringen

mit sich bringen Diese Wirkrichtung kann jedoch nicht ohne weiteres fuumlr alle Beschaumlftigten und fuumlr jede Situation unterstellt werden Menschen mit einem relativ flexiblen Privatleben koumlnnen tenden-ziell mit wachsender Flexibilitaumlt im Beruf auch pri-vat jonglieren Bereits 2003 wurde resuumlmiert Spielraumlume einer besseren Vereinbarkeit von Ar-beit und Leben erwachsen vor allem aus der priva-ten Flexibilitaumlt dies sei nicht der Flexibilisierung in der Arbeitswelt zu verdanken (vgl Kratzer 2003 S 209) Gemeint ist dass Beschaumlftigte dann mehr von wachsender Flexibilisierung der Arbeitszeiten profitieren wenn sie selbst Gestaltungsspielraumlume im Privaten finden fuumlr flexible Anforderungen ihrer Arbeit Es laumlsst sich zeigen dass flexible Zeitge-staltung fuumlr einzelne Beschaumlftigtengruppen funkti-oniert Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexi-bilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlas-ten helfen Fuumlr diese Form der Flexibilitaumlt gibt es inzwischen eine ganze Reihe positiver Instrumen-te mit denen der Spagat das Berufliche und das Private besser zu vereinbaren auch bisweilen ge-lingt und so fuumlr Entlastung gesorgt wird Sehr haumlu-fig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeit-konten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen Ob und wie Vertretungsregelungen gefunden werden wie mit Mehrarbeit der vertretenden Kollegen umgegan-gen wird bleibt bisweilen unklar (vgl HofmannSmolenki 2015) Ein kurzer Uumlberblick uumlber die zahl-reichen Varianten

ndash Teilzeitangebote kurze Vollzeit (z B 32 StdWoche) bis mind 15 StdWoche abgestufte Teilzeitvarianten

ndash Job-Sharing zwei Beschaumlftigte teilen sich ei-nen Arbeitsplatz in Teilzeit

ndash flexible Anfangs- und Endzeiten flexible Pau-senregelungen

ndash kurzfristige und laumlngerfristige Freistellungen zur Pflege und Betreuung entsprechend den gesetzlichen Moumlglichkeiten ergaumlnzt um finanzi-elle Entlastung

ndash Ruumlcksicht bei der betrieblichen Urlaubsplanung auf Schulferien und Urlaubszeiten des Partners

ndash Teilzeit waumlhrend der Elternzeit waumlhrend Pfle-gephasen

ndash Sabbatical als Sonderform des Langzeitkontos fuumlr laumlngere Freistellungen

ndash Bildungszeitkonten um systematisch und kon-tinuierlich Anteile der geleisteten Arbeitszeit oder Entgelt speziell fuumlr Weiterbildungsmaszlig-nahmen anzusparen

Diese Instrumente werden sehr unterschiedlich ge-nutzt Fuumlr Gruppen wie z B Niedrigverdiener sind einige Instrumente kaum bzw nicht geeignet Das Angebot geht an ihnen vorbei Niedrigverdienende teilzeitbeschaumlftigte Frauen geraten sogar in eine doppelte Benachteiligung Sie koumlnnen auf Zeit nur eingeschraumlnkt zugreifen und haben keine Moumlglich-keit Zeit fuumlr die Zukunft anzusparen (vgl Wotschak

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 17

2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

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24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 19

oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 20

2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

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immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

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- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

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4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

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5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

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Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

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Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

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Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 17: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 17

2012 S 39) Auch befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus lang-fristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausge-schlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt (ebd) Sowohl das Teilzeit- und Be-fristungsgesetz als auch viele Vereinbarungen ver-langen zwar die Gleichstellung sowie gleiche be-rufliche Entwicklungschancen fuumlr Teilzeitbeschaumlf-tigte Allerdings bleibt es haumlufig beim Appell Tatsaumlchlich und faktisch bedeutet Teilzeitarbeit sehr haumlufig geringer wertgeschaumltzte Taumltigkeiten auszuuumlben sowie Hemmnisse fuumlr Karriere und Ein-kommenszuwaumlchse Die Ruumlckkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitstelle ist nicht garantiert

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisation der betrieblichen Arbeit und die aus-reichende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Mehr Selbstbestimmung kann bedeuten mehr Zeit- und Ortssouveraumlnitaumlt zu erhalten Im Fokus sind haumlufig gut qualifizierte und gut entlohnte Be-schaumlftigte Geht man gedanklich einen Schritt zu-ruumlck dann setzt mehr Selbstbestimmung zu-naumlchst voraus uumlberhaupt eine Beschaumlftigungs-perspektive zu haben Selbstbestimmter arbeiten bedeutet daher auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeits-verhaumlltnissen zu gestalten so dass lebensweltli-che Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumlnnen Mehr als 40 der Arbeitsverhaumlltnisse bundes-weit sind atypisch (WSI 2014) Leiharbeit Werk-vertraumlge Befristung SoloselbststaumlndigeCrowd-work Minijobs und Teilzeit Der maumlnnliche unbe-fristete vollzeitbeschaumlftigte Alleinverdiener der Familie ist immer seltener Sinnbild fuumlr das bdquoNor-malarbeitsverhaumlltnisldquo Was ist ein normales Ar-beitsverhaumlltnis in der Arbeitswelt 40 Sind dann bedeutend mehr Menschen solo selbststaumlndig und arbeiten auf der Basis von Werkvertraumlgen oder als Crowdworker fuumlr verschiedene Unterneh-men

Heute sind Entgelt- und Versorgungsleistungen fuumlr viele atypisch beschaumlftigte Menschen kaum ausreichend bzw sogar prekaumlr (ebd) Prekaumlre Ar-beitsbedingungen von Randbeschaumlftigten erzeu-gen zusaumltzlich enormen Druck auf existierende Stammarbeitsplaumltze Besonders aktuell wird dies beim Thema Werkvertraumlge Inzwischen gelang es erste Tarifvertraumlge abzuschlieszligen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag ver-einbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte (vgl Meyer Werft 2015) Auf die-

se Weise wird erste Mitwirkung bei der Personal-planung und Fremdvergabe erreicht Die verein-barten Mindeststandards regeln fuumlr Werkvertraumlge die Arbeitszeit entsprechend den Gesetzen Stan-dards fuumlr sichere und hygienische Arbeitsumwel-ten und unter anderem gesundheitsgerechte Be-schaumlftigungsbedingungen Der Betriebsrat kann die Einhaltung kontrollieren Auszligerdem wird ein Mindestlohn von euro 850 festgelegt Weitere Rege-lungen betreffen die Nutzung der betrieblichen sozialen Infrastruktur und des Wohnraums Der Betriebsrat pruumlft mit dem Arbeitgeber in einer dauerhaften paritaumltisch besetzten Arbeitsgruppe die Einhaltung der Regelungen In der Stahlindus-trie konnte ebenfalls zum Schutz der Werkver-tragsbeschaumlftigten der Umgang mit Werkvertrauml-gen im Jahr 2014 erstmals tariflich geregelt wer-den Werkunternehmen sind verpflichtet Arbeits- zeiten einzuhalten und Sicherheitseinweisungen durchzufuumlhren Vor Auftragsvergabe an ein Fremd- unternehmen muumlssen Betriebe pruumlfen ob die Ar-beit von eigenen Mitarbeitern geleistet werden kann Inzwischen konnten weitere Tarifvertraumlge fuumlr Werkunternehmen vereinbart werden (vgl IG Metall 2015c) Darauf aufbauend werden auch Betriebsvereinbarungen verhandelt Hier ist ein Kernelement die Einrichtung von paritaumltischen Ausschuumlssen sowie die Einbindung des Betriebs-rates in einen transparenten Informationsfluss Fuumlr die weitere Entwicklung wird es mit entschei-dend sein ob es gelingt Branchenstandards durchzusetzen und ob Betriebsraumlte die Einhal-tung von Gesetzen und Tarifvertraumlgen kontrollie-ren werden koumlnnen Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausreichend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann ein-gerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenzgrundlage berauben

Selbstbestimmt arbeiten bedeutet auch junge Menschen zu foumlrdern und zu entwickeln damit sie selbststaumlndig ihren Lebensunterhalt erarbei-ten koumlnnen Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Ta-rifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Jugendliche eta-bliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten Das Programm ist erfolgreich und belegt ein-drucksvoll dass Menschen Chancen brauchen um sich entwickeln zu koumlnnen (vgl Wetzel 2015) Deutlich wird auch dass die Sicht auf die Chan-cen und Foumlrderung von Menschen relativ ist und eine Frage der Perspektive Dies wird auch in Zu-kunft so sein wenn es darum geht herauszufin-den Wer kann selbstbestimmter arbeiten und wer nicht

Und Selbstbestimmung bedeutet auch das Recht auf die Verfuumlgungsgewalt uumlber die eigenen Daten zu haben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 18

24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 19

oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 20

2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

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immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

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- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

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4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

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5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

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Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

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Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 28

Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 18: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 18

24 Qualifizierung und lebenslanges Lernen

Wenn Digitalisierung neue Kompetenzfelder und verkuumlrzte Innovations- und Wissenszyklen mit sich bringt dann verlieren Qualifikationen vermutlich kuumlnftig schneller ihren Wert Kontinuierliche Anpas-sungen von Unternehmen in der Aus- und Weiterbil-dung sind daher sehr notwendig genauso wie stra-tegisch richtige Entscheidungen der Unternehmer (vgl BDI 2015 S 50 ff) Inzwischen unterstreichen einige neue Studien die Notwendigkeit zur Staumlrkung der Weiterbildungsaktivitaumlten in der Debatte um die Arbeitswelt 40 fuumlr qualifizierte und fuumlr gering quali-fizierte Menschen die erwerbstaumltig oder auch ar-beitslos sind (vgl Bertelsmann 2015 BCG 2015) Ob viele einfache Taumltigkeiten in der Produktion und in Dienstleistungsbereichen entfallen werden sich ver-aumlndern und neue hinzu kommen ist denkbar aber im Ausmaszlig noch ungewiss und umstritten Es ent-stehen neue Berufsbilder und die Bedeutung konti-nuierlicher Bildung im Lebensverlauf wird weiter wachsen Das Wissen muss mit dem Wandel in der Produktion Schritt halten uumlber den gesamten Le-bensverlauf und fuumlr alle Beschaumlftigtengruppen und potenzielle Erwerbstaumltige

Duale Ausbildung und Duales Studium

In diesem Zusammenhang wird argumentiert dass gerade die duale Ausbildung und duales Studium in Deutschland fuumlr die Zukunft von Arbeit eine ent-scheidende Rolle und eine sehr wichtige Basis sind

Die Staumlrken zeigen sich darin dass in Deutschland bdquobesonders viele Beschaumlftigungskategorien in ein Produkt ein[gehen]ldquo (PfeifferSuphan 2015 S 10) 70 verschiedene Jobs tragen zu 50 der Beschaumlfti-gung bei Das ist mehr als irgendwo anders Dem System der dualen Berufsausbildung kommt dabei eine sehr wichtige Schluumlsselrolle zu (ebd) Denn es bedeutet dass das menschliche Potenzial in der Facharbeit fuumlr die Arbeitswelt von morgen vorhan-den ist wenn bdquo71 der Erwerbstaumltigen in Deutsch-land heute in der Lage sind mit Komplexitaumlt umzu-gehenldquo (ebd S 27) In vielen Betriebsvereinbarun-gen zur dualen Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsgegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb (vgl BusseKlein 2010) Das liegt im Wesentlichen daran dass Ausbildung zum Alltagsgeschaumlft vieler Betriebe in Deutschland gehoumlrt und einen wichtigen Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen den Betriebsparteien bildet Das Regelungsspekt-rum reicht von der Festlegung der Anzahl Ausbil-dungsplaumltze uumlber die Planung und Durchfuumlhrung des betrieblichen Teils der dualen Berufsausbildung bis hin zu Fragen der Uumlbernahme von Auszubilden-den in ein regulaumlres Beschaumlftigungsverhaumlltnis Da-neben werden in den Vereinbarungen viele Einzel-aspekte geregelt etwa die Auswahl und Einstellung von Auszubildenden die Ausstattung der Ausbil-dungsplaumltze und der Einsatz der Auszubildenden die Arbeits- und Urlaubszeiten das Beurteilungs- und Foumlrderwesen Verguumltungen und Zuwendungen

Kurz und knapp

- Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinba-rung uumlbertragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automa-tisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Gefahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsouveraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann womoumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreichbarkeit

- Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten helfen Sehr haumlufig wird beispielsweise ange-boten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbei-tete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

- Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

- Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibili-sierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeits-zeitgestaltung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Organisa-tion der betrieblichen Arbeit und die ausreichende Personalaus-stattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

- Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Arbeitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Menschen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnis-sen zu gestalten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbst-bestimmbaren und waumlhlbaren Planungshorizonten entstehen koumln-nen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Informa-tions- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebsraumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremd-vergabe erreicht

- Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist jedoch nicht ausrei-chend wenn es darum geht dass Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompetenzen von Unternehmen auszulagern Echte Mit-bestimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssicherung muumlssen dann eingerichtet werden damit Unternehmen sich nicht ihrer ei-genen Existenzgrundlage berauben

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 19

oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 20

2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

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3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

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immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

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- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

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4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

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5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

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Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

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Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 28

Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 19: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 19

oder die Einhaltung von Schutzvorschriften In einer groszligen Zahl von Vereinbarungen werden zudem die Rechte und Pflichten sowohl des Auszubildenden wie des Ausbildenden definiert Schlieszliglich werden in den Vereinbarungen auch Fragen der Integration von schwerbehinderten Auszubildenden in den Be-trieb sowie der Gleichbehandlung aller Auszubil-denden unabhaumlngig von ihrem Geschlecht und ihrer Herkunft angesprochen

Eine weitere Variante Das duale Studium bietet sowohl Unternehmen als auch Studierenden eine Reihe von Vorteilen Die Betriebe erhalten auf diese Weise hoch qualifizierte Beschaumlftigte die bereits gut mit den betrieblichen Ablaumlufen und der betrieb-lichen Kultur vertraut sind und eine hohe Bindung an das Unternehmen haben Studierenden bietet ein duales Studium sehr gute Beschaumlftigungs- und Auf-stiegschancen da sie in aller Regel uumlbernommen und weiter gefoumlrdert werden Es gibt vier verschie-dene Typen von dualen Studiengaumlngen 1) solche die eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf integrieren und zu einem doppelten Ab-schluss fuumlhren 2) solche die ein Studium mit laumln-geren Praxisphasen im Betrieb verknuumlpfen 3) be-rufsintegrierende duale Studiengaumlnge die eine berufliche Teilzeittaumltigkeit konsequent und inhaltlich mit einem Studium kombinieren sowie 4) berufs-begleitende Studiengaumlnge in denen ein Studium neben der betrieblichen Vollzeittaumltigkeit ndash und rela-tiv unabhaumlngig davon ndash absolviert wird In der Pra-xis verschwimmen die Grenzen zwischen diesen vier Typen Sie unterscheiden sich vor allem in Be-zug auf die Einbindung von Studierenden in den Be-trieb und auf das angestrebte Studienziel In Be-triebsvereinbarungen zum dualen Studium sind we-sentliche Regelungsaspekte den Status der dual Studierenden im Betrieb zu klaumlren Entgelt und Ar-beitszeiten sowie die Uumlbernahme in ein Arbeitsver-haumlltnis nach der Ausbildungdem Studium zu regeln (vgl Busse 2009)

BeispielbdquoDas Unternehmen bietet jedes Jahr zwei Bewerbern einen Dualen Studiengang an Das Studium erstreckt sich uumlber maximal 5 Jahre und endet mit einem Be-rufsabschluss als Industriemechaniker und einem Ba-chelor of Engineering oder einem Diplom-Ingenieurab-schluss Das Unternehmen bietet betriebliche Ausbil-dungsphasen Praxissemester und das Schreiben einer Diplomarbeit anldquo (Metallerzeugung und -bearbeitung 1001002412005)

BeispielbdquoDie veraumlnderte Arbeitswelt und die Qualitaumltsan-forderungen in unserem Industriezweig erfordern Mitarbeiter mit hohen fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und ausgepraumlgten persoumlnlichen Kom-petenzen Daher soll die Berufsausbildung neben der fachlichen Ausbildung auch der Foumlrderung und Entwicklung wichtiger persoumlnlicher Schluumls-selqualifikationen einen erheblichen Stellenwert

beimessenldquo (Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeu-ge 010602682005)

In der aktuellen Debatte um Industrie 40 besteht je-doch die Gefahr dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken ge-rade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Arbeits-formen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt wer-den Es ist nicht nur eine Minderheit den Anforderungen der Zukunft gewachsen sondern die Mehrheit Moumlgli-che Defizite lassen sich weniger beim Menschen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestal-tung im Unternehmen selbst sehen Das Beispiel des Tarifvertrages Foumlrderjahre bei Porsche ist auch in die-ser Hinsicht wichtig

Betriebliche Weiterbildung

Zwischen 2011 und 2014 hat es in den institutionellen Rahmenbedingungen keine gravierenden Veraumlnderun-gen fuumlr betriebliche Weiterbildung gegeben (im Fol-genden Heidemann 2015) Allerdings haben sich wirt-schaftliche und soziale Rahmenbedingungen fuumlr be-triebliche Qualifizierungspolitik geaumlndert Stichworte sind Strukturwandel Einsatz neuer Technik betriebli-che Restrukturierungen mit Qualifizierungs- und Fach-kraumlftebedarf Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stel-len dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

Die Tarifpartner der chemischen Industrie haben

Kurz und knapp

- Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unterneh-men muumlssen gut ausbilden und die duale Ausbildung staumlrken so-wie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuellen Debatte besteht die Gefahr dass das duale Ausbil-dungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlr-ken gerade dieses Systems fuumlr die anspruchsvollen Anforderun-gen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unterneh-mern erkannt und konstruktiv weiterentwickelt werden

- Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Menschen als viel-mehr bei den Bedingungen fuumlr die Arbeitsgestaltung im Unter-nehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dua-len Ausbildung wird deutlich dass es kaum einen Regelungsge-genstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhrlich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Be-trieb

- Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrderjahr fuumlr benachteiligte Ju-gendliche etabliert werden das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 20

2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 21

3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 22

immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

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- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

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4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

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5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

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Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

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Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

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Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 20: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 20

2008 die Bestimmungen des Weiterbildungstarifvertra-ges von 2003 in das Tarifwerk zu bdquoLebensarbeitszeit und Demografieldquo uumlbergeleitet Geregelt werden be-triebliche Qualifizierungsplanung und individuelle Quali-fizierungsvereinbarungen die durch Betriebsvereinba-rungen umgesetzt werden muumlssen In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungs-tarifvertraumlge Freistellungen ohne Bezuumlge fuumlr per-soumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Tarifbe-zirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bil-dungszeitkonten angespart werden

Weiterbildung steht heute staumlrker als fruumlher im Kontext systematischer Personalentwicklung ne-ben dem Technikeinsatz stehen betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung im Vordergrund Vereinbarungen zu E-Learning und Wissensmanagement werden haumlufig abgeschlos-sen Betriebliche Vereinbarungen zur Weiterbildung regeln nicht das betriebliche Bildungsgeschehen insgesamt sondern eher Teilbereiche So werden Bedarfe festgestellt und der Ablauf von Qualifizie-rungsgespraumlchen geklaumlrt auszligerdem geht es um Regelungen fuumlr Freistellungen Zeit und Kosten bei verschiedenen Arten von Weiterbildung betriebli-che Informationen uumlber Weiterbildungsangebote sowie um die Sicherung von Qualitaumlt und Wirkung der durchgefuumlhrten Weiterbildung Mitarbeiterge-spraumlche zur Feststellung des Qualifizierungsbedarfs wurden in den Tarifvertraumlgen der 2000er Jahre ver-ankert und gelten inzwischen als bewaumlhrte Metho-de zur Bedarfserhebung Heute wird Weiterbildung oumlfter als fruumlher in den Rahmen einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung gestellt meist in groumlszligeren Unternehmen Dabei geht es um

ndash Instrumente fuumlr die Feststellung von Personal-entwicklungsbedarf

ndash Qualifizierung ndash Aufgabeneinsatz Job-Rotation und Beteiligung

an Projekten ndash Verfahren der Leistungs- und Potenzialein-

schaumltzung von Mitarbeitern ndash individuelle Entwicklungsplaumlne ndash Fuumlhrungskraumlfte-Feedback ndash Kriterien fuumlr die Personalauswahl

Neu ist die Buumlndelung zu ausgefeilten Konzepten Dies kann darauf hinweisen dass in den letzten Jah-ren betriebliche Personalentwicklung staumlrker syste-matisiert wurde In fruumlheren Vereinbarungen wur-den Zeitbudgets fuumlr Weiterbildung fuumlr die Beschaumlf-tigten insgesamt festgelegt in einzelnen Faumlllen sogar ein Bildungsbudgets fuumlr den Betrieb Auszliger-dem enthielten aumlltere Betriebstarifvertraumlge auch in-dividuelle Anspruumlche die aber an bestimmte Bedin-gungen gebunden waren (Nutzung des Zeitbudgets der Arbeitszeitverkuumlrzung) Weiterhin wurde auch ein individuelles zeitliches Weiterbildungskontin-gent festgeschrieben um Vorschriften fuumlr die Be-

rufsausuumlbung in professionalisierten Taumltigkeiten des Gesundheitswesens (medizinischer und pflegeri-scher Berufe) zu erfuumlllen Unter den eigenstaumlndigen Vereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung ha-ben solche zum Lernen uumlber elektronische Netze (E-Learning) deutlich zugenommen

Mehr als zwei Drittel aller Vereinbarungen mit Weiterbildungsregelungen aus anderen Regelungs-feldern wurden zu den Themen Technikeinsatz Be-triebliches Personalwesen sowie Betriebliche Re-strukturierung und Beschaumlftigungssicherung abge-schlossen Auffaumlllig ist dass Weiterbildung im Zusammenhang mit Fragen des demografischen Wandels im Betrieb nur vereinzelt in Vereinbarun-gen angesprochen wird Dabei wird eher beilaumlufig gefordert auch aumlltere Beschaumlftigte in Weiterbildung einzubeziehen oder Fachkraumlfte durch Weiterbil-dungsangebote an den Betrieb zu binden Moumlgli-cherweise wirken hier aber auch die in einigen Bran-chen abgeschlossenen Tarifvertraumlge zum demogra-fischen Wandel bereits aus sich heraus ohne dass es weiterer betrieblicher Vereinbarungen beduumlrfte Im Spiegel der neueren Vereinbarung zeigt sich wie Weiterbildung zunehmend als arbeitsplatznahe Kompetenzentwicklung organisiert und damit auch der Mitbestimmung besser zugaumlnglich wird

Kurz und knapp

- Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarifrunde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer welche Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbeiten 40 und wer nicht

- In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Frei-stellungen ohne Bezuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In einigen Ta-rifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumlnnen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuellen Bildungszeitkonten angespart wer-den

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 21

3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 22

immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 23

- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 24

4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 25

5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 26

Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

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Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

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Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 21: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 21

3 HERAUSFORDERUNGEN FUumlR DIE MITBESTIMMUNG IM BETRIEB

Auf vielfaumlltige Weise tragen Betriebsraumlte traumlgt das System der Mitbestimmung dazu bei Arbeitsbedin-gungen besser zu gestalten und mit Betriebsverein-barungen Transparenz gerechte Behandlung gleiche Chancen mildere Nachteile Verbindlichkeit und Schutz herzustellen Sie gleichen Interessen aus ent-schaumlrfen Konflikte und gestalten Arbeits- und Le-benswelten konkret Die Betriebsverfassung steht in einer langen Tradition von Gesetzen zur Verankerung der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland Sie gibt dem Betriebsrat die anspruchsvolle Rolle gleich-zeitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und wirtschaftliche Betriebsziele zu beruumlcksichtigen Er ist gesetzlich verpflichtet vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungspartner mit dem Arbeit-geber gute Loumlsungen erarbeiten koumlnnen zeigt die be-triebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwort-liche Arbeitsdirektoren im Vorstand der Unterneh-men mitbestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck erwirkt werden kann Mitbestimmung ist in Deutschland ein gewachsenes System als Bestandteil der Unternehmensfuumlhrung Sie ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft Wer Arbeiten 40 als beteili-gungsorientiertes Arbeiten und Wirtschaften ver-steht muss auch ein Commitment also das Bekennt-nis zur Mitbestimmung geben und dies in den eige-nen Reihen vorantreiben OT-Mitgliedschaften der Arbeitgeberverbaumlnde schwaumlchen das System

Bis heute wurde kein Gesetz den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern Betriebsraumlten und Gewerk-schaften geschenkt Mitbestimmungsrechte muss-ten erkaumlmpft werden Und das Vorhandensein eines Rechts bedeutet nicht automatisch dass es auch an-erkannt wird Man muss das Recht haben und es dann anwenden um Maszlignahmen gestalten und rea-lisieren zu koumlnnen

In diesem Lichte betrachtet sind mit Digitalisie-rung und Arbeiten 40 zwar Beteiligung und Mitbe-stimmung implizit gemeint zugleich sind Versuche zu erkennen industrielle Beziehungen zu deregulieren Technikgestuumltzt findet Deregulierung von Arbeitsbe-dingungen faktisch bereits statt Arbeiten ist zu jeder Zeit und an allen Orten moumlglich wachsende Leis-tungsverdichtung und staumlndige Erreichbarkeit erzeu-gen so viel Druck dass individuell Grenzen kaum ge-setzt werden koumlnnen Moumlglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle und wachsende nationale Grenzen uumlberschreitende Datenstroumlme sind nicht ohne weiteres fuumlr die Zukunft zu regulieren

Selbst Beteiligung und individuelle Teilhabe am Arbeitsplatz werden statt kollektiver Mitbestimmung

ins Feld gefuumlhrt Direkte Beteiligung durch mehr Au-tonomie und mehr Eigenverantwortung fuumlr Beschaumlf-tigte taucht in vielen Konzepten zur Personalfuumlhrung auf Das meint mehr selbstgesteuerte Leistungser-bringung Dies ist einerseits begruumlszligenswert weil ggf Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftig-ten entstehen Aber das darf nicht verwechselt wer-den mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Denn mit selbstgesteuer-ter Leistungserbringung kommt auch die Gefahr dass Menschen sich chronisch uumlberfordern Verein-barungen und Vertraumlge werden unterlaufen (zB aus-stempeln und weiter arbeiten) wenn sie nicht gegen-steuern und keine kollektive Interessenvertretung den Ruumlcken staumlrken kann zum Nein sagen

Ein anderes Argument gegen kollektive Interes-senvertretung wird mit Teilhabe auf rein freiwilliger Basis individuell und selbst verpflichtend gefuumlhrt ohne verbriefte kollektive Mitbestimmungsrechte Sobald ernsthafte Konflikte auftreten geht echte Mitbestimmung nur mit Verbindlichkeit Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Insofern richtet sich der Aushandlungsprozess im Betrieb haumlufig darauf Rechte uumlberhaupt zu erhalten Und be-reits sicher geglaubte Rechte muumlssen bestaumlrkt wer-den Menschen sind trotz grenzenloser Erreichbar-keit nicht verpflichtet im Urlaub zu arbeiten das Ar-beitszeitgesetz und tarifvertragliche Oumlffnungen bieten hohe Flexibilitaumlt Warum sollte noch weiter bdquoflexibilisiertldquo werden Selbststeuerung von Be-schaumlftigten und Ergebnisorientierung sind bereits Elemente von mehr Selbstbestimmung der Beschaumlf-tigten aber auch ein Instrument der Personalfuumlhrung in einem bdquoSystem permanenter Bewaumlhrungldquo (BoesBultemeier 2008 NeckelWagner 2014)

Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Voraussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rah-men der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner Allerdings gilt fuumlr 34 der Beschaumlftigten in Westdeutschland und fuumlr 49 der Beschaumlftigten in Ostdeutschland weder ein Tarifvertrag noch existiert ein Betriebsrat (EllguthKohaut 2015) Wie das IAB-Betriebspanel zudem zeigt werden 40 der westdeutschen und 54 der ost-deutschen Arbeitnehmer nicht von Tarifvertraumlgen er-fasst damit sind hochgerechnet sogar 66 der west-deutschen und 80 der ostdeutschen Betriebe be-troffen (EllguthKohaut 2015)

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlber-frachtet werden Den Sozialpartnern kommt hier die besondere Aufgabe in der Zukunft zu die betriebli-che Arena durch Tarifvertraumlge zu schuumltzen In den

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immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

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- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

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4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

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5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

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Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

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Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 28

Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 22: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 22

immer noch wachsenden Betriebsrats- und Tarifver-tragsfreien Zonen kann ein Mindestmaszlig an vertret-baren Arbeitsbedingungen existieren wenn Be-triebsraumlte gegruumlndet werden und Tarifvertraumlge zur Geltung gebracht werden

Es geht bei Arbeiten 40 auch darum betriebliche Mitbestimmung weiterzuentwickeln so dass sie nicht leer laumluft weil die betrieblichen Strukturen sich veraumlndern die Rechte und Rechtewahrneh-mung aber auf der Strecke bleiben und nicht ausge-uumlbt werden koumlnnen Mitbestimmung droht ins Lee-re zu laufen

ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein au-torisierter Verhandlungspartner auf der Arbeit-geberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomi-siert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behin-dert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsrats-rechte zu erodieren droht

Wenn die Arbeitswelt umgestaltet wird bzw wer-den soll dann kann das nicht ohne die Beschaumlftig-ten ihre Betriebsraumlte und die Sozialpartner gelingen Anders formuliert Die bdquoTransformation im Zuge von sbquoIndustrie 40lsquo muss die Stakeholder von Beginn an einbeziehenldquo (Nebe 2014) Betriebsraumlte und Ge-werkschaften sind kompetente und legitime Akteu-re die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den An-fang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende Die Arbeitswelt von morgen bie-tet groszlige Chancen zur Beteiligung wenn die be-trieblichen Akteure und die Sozialpartner das wollen und gemeinsam Loumlsungen entwickeln

Verbesserte Qualifikationen und individuelle Le-bensstile haben die Anspruumlche von Menschen an ihre Arbeit veraumlndert Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingun-gen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chan-cen fuumlr neue Beteiligungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven betrieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz Mitbestimmung kann so gestaltet sein dass Belegschaften sich vertreten fuumlhlen und zugleich aktiv Beteiligung ausuumlben koumlnnen Und das nuumltzt dem Unternehmen und seinem Erfolg In dieser Weise verstanden kommt Demokratie am Ar-beitsplatz nicht ohne kollektive Interessenvertre-

tung innerhalb und auszligerhalb des Betriebes aus im Gegenteil letztere schafft erst die Voraussetzung und Bewegungsfreiheit fuumlr individuelle Teilhabe und Wahrnehmung von Rechten Dabei sollte Teilhabe nicht auf materielle Beteiligung am Unternehmen reduziert oder gleichgesetzt werden Materielle Be-teiligung am Unternehmen meint finanzielle Risiko-uumlbernahme durch Beschaumlftigte und ggf eine Betei-ligung am Gewinn Arbeitnehmer tragen ohnehin das Beschaumlftigungsrisiko dh koumlnnen arbeitslos werden und sie tragen zusaumltzlich das Risiko im schlimmsten Fall ihre Kapitaleinlage in der Krise wo-moumlglich zu verlieren

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 23

- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 24

4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 25

5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 26

Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 27

Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 28

Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 23: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 23

- Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhand-lungspartner mit dem Arbeitgeber gute Louml-sungen erarbeiten koumlnnen zeigt die betriebli-che Praxis Damit sie ernst genommen wer-den und gewichtige Argumente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungsrechte notwen-dig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeitsdi-rektoren im Vorstand der Unternehmen mit-bestimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Ge-werkschaften mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbindung und Nachdruck er-wirkt werden kann

- Spielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlf-tigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrnehmung von Rechten und mit De-mokratie am Arbeitsplatz Wenn in der Reali-taumlt Interessen ausgehandelt werden sind har-te Mitbestimmungsrechte die Voraussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbestim-mung ist die Existenz eines Betriebsrates Vo-raussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestal-tungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozialpartner

- Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifi-schen Betriebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Gestaltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifver-tragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orientieren Ge-setzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die betriebliche Arena darf nicht mit Konflik-ten uumlberfrachtet werden

- Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen - bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die Anwendungen

nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

- in internationalen Konzernen in denen kein autorisierter Ver-handlungspartner auf der Arbeitgeberseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompeten-zen verfuumlgt

- wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unternehmen arbei-tenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Inte-ressenvertretung durch wachsende Randbelegschaften ato-misiert wird

- wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werdenwenn die vorhandenen Kompetenzen der handeln-den Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderun-gen der Zukunft

- wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodie-ren droht

- Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legiti-me Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt werden sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumls-sen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

- Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbe-stimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozia-len Marktwirtschaft

Kurz und knapp

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 24

4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 25

5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 26

Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

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Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

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Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 24: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 24

4 FAZIT Adi Preissler (Fuszligballspieler und -trainer) hat es einst auf den Punkt gebracht bdquoGrau ist alle Theorie Ent-scheidend ist auf dem Platzldquo Das trifft in gewisser Weise auch beim Thema Arbeiten 40 zu Heute ist noch offen welche theoretisch denkbaren politisch diskutierten und prognostizierbaren zukuumlnftigen Sze-narien tatsaumlchlich Realitaumlt werden Es kommt darauf an wie heute die Weichen gestellt werden und wel-che Verfahren und Prozesse in der konkreten betrieb-lichen Praxis existieren werden Welche Loumlsungen koumlnnen sich durchsetzen Wie und womit lassen sich gute Arbeitsbedingungen gewaumlhrleisten Das Gruumlnbuch gibt erste Hinweise und bietet einige Anre-gungen

Weiterbildung und individuelle Teilhabe wird eine zentrale Stellschraube fuumlr den Einzelnen sein Be-triebliche Mitbestimmung wird die zentrale Stell-schraube fuumlr alle Beschaumlftigten sein

Aber die besondere Rolle der Sozialpartner und betrieblichen Akteure der Mitbestimmung fuumlr die Ar-beitswelt der Zukunft muss auf dem Weg zum Weiszlig-buch noch deutlicher herausgearbeitet werden Denn die Vielzahl an Handlungsmoumlglichkeiten die mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung ver-bunden ist und die sich unter anderem in der Gestal-tungsvielfalt guter Betriebsvereinbarungen spiegelt eroumlffnet gerade fuumlr die beteiligungsstarke Arbeits-welt 40 enorme Chancen Echte paritaumltisch besetzte Kommissionen zu diversen Handlungsfeldern der Betriebsverfassung die fruumlhe Einbeziehung der Inte-ressenvertretung bei echten Gestaltungsthemen wie technischer Entwicklungen Arbeitszeit sowie Aus- und Weiterbildung sind wiederkehrende markante Ansatzpunkte Dann haben mehr Beschaumlftigte kol-lektiven Einfluss auf das was Arbeiten 40 sein kann

Chancen liegen darin gemeinsam mit Betriebsrauml-ten Loumlsungen zu finden weil sie bdquoihreldquo Unterneh-men und die Beschaumlftigten kennen Betriebsraumlte fruumlhzeitig in Prozesse einzubinden ist daher voraus-schauend wenn es um die Gestaltung guter Arbeits-bedingungen und um die Sicherung von Arbeitsplaumlt-zen geht Nach der Beraterweisheit bdquoJeder be-kommt den Betriebsrat den er verdientldquo ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit hierfuumlr die Mess-latte

bdquoUnternehmer muumlssen die richtigen strategi-schen Entscheidungen treffen Investitionen taumltigen und ihre Mitarbeiter in diesem Prozess begleiten Studien belegen dass nur solche Unternehmen zu-kunftsfaumlhig bleiben die uumlber den eigenen Sektor hi-naus denken und die Potenziale der fortschreiten-den Digitalisierung konsequent nutzenldquo (BDI 2015 S 50) Insofern und in diesem Sinne bestehen Wahl-moumlglichkeiten fuumlr den Unternehmer Es koumlnnen Louml-sungen entwickelt werden die neuen technologi-schen und arbeitsorganisatorischen Herausforde-rungen entsprechen und zugleich den Anspruumlchen der arbeitenden Menschen gerecht werden um Wettbewerbsfaumlhigkeit zu erhalten Arbeitsbedin-

gungen zu gestalten und Arbeitsplaumltze zu sichern Einige Ansatzpunkte aus der Gegenwart wurden hier in einem ersten Entwurf zusammengetragen

Digitalisierung und Wertewandel sind nicht auf die Arbeitswelt beschraumlnkt Die Veraumlnderungspro-zesse in der Arbeitswelt sind mit allen gesellschaft-lichen Teilbereichen verwoben Soziale Sicherungs-systeme Kultur und Bildung Sicherheit Infrastruk-tur etc Demokratie und Beteiligung sind die zentralen Strukturmerkmale in dieser Gesellschaft und das schlieszligt auch die Arbeitswelt mit ein Die Auswirkungen heutiger Aktionen und Aktivitaumlten fuumlr das Arbeiten und Wirtschaften in der Zukunft sind unbekannt Um so mehr kommt es auf die Ver-antwortung an die insbesondere Sozialpartner und Betriebsparteien gemeinsam uumlbernehmen Die Ar-beitnehmerseite nicht zu beteiligen an Entscheidun-gen oder sie als bloszlige Juniorpartner zu behandeln wird den Herausforderungen nicht gerecht (Be-triebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbeziehungen be-waumlhrt hat und nun entsprechend in gemeinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegan-gen werden muss von

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 25

5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 26

Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 27

Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

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Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 25: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 25

5 IM UumlBERBLICK Digitalisierung und Arbeiten 40 kann fuumlr Unter-

nehmen und Beschaumlftigte ein erfolgreiches Zu-kunftsprogramm werden wenn Beteiligung von Be-schaumlftigten und Betriebsraumlten befoumlrdert werden Ob viele oder wenige Menschen profitieren haumlngt da-von ab ob Sozialpartner und politisch Verantwortli-che sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark machen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiterent-wicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompe-tente und legitime Akteure die nicht nachgelagert angehoumlrt sondern bei Forschung und Entwicklung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestimmung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwick-lung von Technik nicht an das Ende wenn negative soziale Auswirkungen nur noch gemildert werden sollen Einige Anregungen dazu liefern Betriebsver-einbarungen

Ob viele oder wenige profitieren haumlngt davon ab dass die Sozialpartner und die politisch Verantwort-lichen sich fuumlr Mitbestimmungsrechte stark ma-chen und die politischen Weichen fuumlr eine Weiter-entwicklung und Staumlrkung entsprechend stellen

Betriebsvereinbarungen vereinfachen Mitbestim-mungsverfahren indem verbindliche Grundsaumltze und Verfahrensweisen festgeschrieben werden Be-triebsraumlte koumlnnen auf diese Weise korrigierend ein-greifen wenn Veraumlnderungsprozesse zu negative Auswirkungen fuumlhren Besonders die vertrauensvol-le Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure be-kommt einen noch groumlszligeren Stellenwert wenn das auf gleicher Augenhoumlhe geschieht Lenkungsaus-schuumlsse paritaumltische Kommissionen und Transpa-renz durch echte Information sind wichtige Stell-schrauben fuumlr die betriebliche Beteiligung Dies er-setzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die auf Augenhoumlhe Verhandlungen erst ermoumlglichen Das wird besonders dann relevant wenn Vertraumlge mit Dritten geschlossen werden z B bei Datenaus-lagerungen Cloud-Anwendungen und Outsourcing durch Werkvertraumlge die Kernkompetenzen der Un-ternehmen treffen

Menschen wollen sich staumlrker an der Gestaltung ihrer Arbeit und Arbeitsbedingungen beteiligen und einbringen Das eroumlffnet Chancen fuumlr neue Beteili-gungsformen als Verstaumlrkung der kollektiven be-trieblichen Mitbestimmung nicht als deren Ersatz

(Betriebliche) Mitbestimmung ist der Pfad der sich fuumlr leistungsfaumlhige Arbeits- und Sozialbezie-hungen bewaumlhrt hat und nun entsprechend in ge-meinsamer Verantwortung weiter entwickelt und weiter gegangen werden muss von Mitbestim-mung ist das demokratische Gestaltungsprinzip in der sozialen Marktwirtschaft

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestalten-des Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

IKT-Rahmenvereinbarung

Betriebs- und Personalraumlte werden tendenziell haumlu-figer als noch vor 10 bis 15 Jahren fruumlhzeitig betei-ligt Dies legt die Auswertung von 140 Vereinbarun-gen nahe Die Gestaltung des Technikeinsatzes steht heute staumlrker im Vordergrund weniger die Kontrolle und Beherrschung

In einigen Regelungen ist vorgesehen dass die Arbeitnehmervertretung uumlber die gesetzlichen Mit-bestimmungsprozesse hinaus als Gestalter der be-trieblichen IKT aktiv taumltig ist und auch bei IT-Pro-jektentwicklungen mitwirken kann

Zentrale Regelungen widmen sich dem Daten-schutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Nutzung von E-Mail und Internet

Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch die E-Mail- und Internetnutzung sowie wachsende Arbeitsverdichtungen werden in den meisten Ver-einbarungen zur E-Mail-Nutzung nicht betrachtet

Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte

Mobile Device Management ermoumlglicht es alle mo-bilen Geraumlte mit Anwendungen und Konfiguratio-nen zentral zu verwalten und zu uumlberwachen Die Einfuumlhrung und Anwendung von MDM-Systemen unterliegt der Mitbestimmung Nur wenige Verein-barungen erfassen das Thema bislang umfassend

Bisher nicht geregelt sind Ergonomie-Aspekte insbesondere bei Geraumlten mit kleinen Bildschirmen mit denen E-Mails bearbeitet werden sowie der Schutz vor Uumlberlastung z B der Augen Verspan-nungen oder Haltungsschaumlden Datenschutzrechtli-che Fragen sowie Fragen zur Verhaltens- und Leis-tungskontrolle durch die zur Verwaltung der Geraumlte eingesetzte Software bleiben ebenso haumlufig unbe-antwortet Die Nutzung von Apps auf Smartphones und Tablets spielt bisher kaum eine Rolle

Nutzung und Umgang mit Social-Media-An-wendungen

Bei Social-Media-Anwendungen stehen Interessen-vertretungen und Arbeitgeber nicht selten vor voll-endeten Tatsachen denn die Nutzung findet bereits statt

Zwar wird eine Vielzahl von mitbestimmungs-pflichtigen Sachverhalten beruumlhrt jedoch liegt die Vermutung nahe dass die Guidelines oftmals rela-tiv schnell erstellt wurden um der rasanten Nut-zung sozialer Medien eine rechtliche Grundlage zu geben und die wichtigsten Spielregeln zusammen-zufassen

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 26

Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 27

Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 28

Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

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Oerder Katharina (2015) Mitbestimmung 40 ndash Der Wandel der Arbeitswelt als Chance fuumlr mehr Beteiligung in spwZeitschrift fuumlr sozialistische Politik und Wirtschaft 42015 S 23ndash26

Pfeiffer Sabine (2015) Im Interview mit Detlef Wetzel in Wetzel Detlef (2015) Ar-beiten 40 Freiburg S 28ndash44

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 30

Pfeiffer SabineSuphan Anne (2015) Der AV-Index Lebendiges Arbeitsvermoumlgen und Erfah-rung als Ressourcen auf dem Weg zu Industrie 40 Draft vom 1342015 Universitaumlt HohenheimPfaumlfflin HeinzSchwarz-Kocher MartinSeibold Bettina (2011) Neue Produktions-konzepte Wirkungen und Gestaltungsoptio-nen aus Sicht der Betriebsraumlte Betriebsraumlte-befragung zu GPS und Folgerungen in Arbeitsrecht im Betrieb Heft 22011 S 92

PricewaterhouseCoopers (2014) Transport und Logistik Kompass Digitalisierung in der Logistik Download unter wwwpwcde

Reuyszlig Stefan (2015) Freistellungen zur Pflege und Betreuung Reihe Betriebs- und DienstvereinbarungenKurzauswertungen Duumlsseldorf

Roszlignagel AJandt SSkistimsHZirfas J (2012) Zulaumlssigkeit von Feuerwehr-Schutzanzuumlgen mit Sensoren und Anforde-rungen an den Umgang mit personenbezoge-nen Daten Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg) Dortmund

Thannheiser Achim (2015) Mobile Device Management Reihe Betriebs- und Dienstver-einbarungenKurzauswertungen Duumlsseldorf

Thannheiser Achim (2015) EU-Antiterror-verordnung und Mitarbeiter-Screening Rei-he Betriebs- und DienstvereinbarungenKurz-auswertungen Duumlsseldorf

verdi ndash Vereinte Dienstleistungsgewerk-schaft (2015) Gute Arbeit und Digitalisie-rung Prozessanalysen und Gestaltungspers-pektiven fuumlr eine humane digitale Arbeitswelt berlin

Wetzel Detlef (2015) Arbeit 40 Freiburg

Wotschack Philip (2012) bdquoKeine Zeit fuumlr die Auszeit Lebensarbeitszeit als Aspekt so-zialer Ungleichheitldquo In Soziale Welt Jg 63 H 1 S 25-44

WSIWirtschafts- und sozialwissenschaftli-ches Institut (Hg) (2014) Atypische Be-schaumlftigung bleibt in Deutschland hoch Pressemitteilung 2992014 Download unter httpwwwboecklerde45167_51173htm [2992015]

Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 26: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 26

Datenschutz und Kontrolle

Viele Regelungen widmen sich dem Datenschutz der Auswertung von Protokollen sowie der Vermei-dung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen Im Idealfall entsteht eine Vereinbarungshierarchie mit aufeinander abgestimmten flexiblen Regelungen die verbindliche Strukturen schaffen Transparenz und Effizienz herstellen Dies ersetzt jedoch nicht echte Mitbestimmungsrechte die Verhandlungen auf Augenhoumlhe erst ermoumlglichen

Datensicherheit und Beschaumlftigtendatenschutz gehoumlren zusammen und sind fuumlr Unternehmer und Betriebsraumlte relevant Es braucht dafuumlr Kompetenz auf beiden Seiten im Unternehmen Wachsende Ressourcen- und Zeitprobleme im Betriebsrat ent-stehen weil die digitale Durchdringung von Prozes-sen und die Innovationsgeschwindigkeit bei IKT enorm ist Die betriebliche Ebene muss durch Rah-mengebende Tarifvertraumlge und gesetzliche Rege-lungen entlastet und auch auf diese Weise gestaumlrkt werden Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie der Umgang mit Datenschutz ist nicht nur tech-nisch sondern ist vor allem ein politisch zu loumlsen-des Thema

In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesundheits- und Da-tenschutz staumlrker zusammenzudenken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass gesammelte Gesundheits- und Krankheitsdaten von Beschaumlftig-ten nicht ausgewertet werden koumlnnen

Der Schutz von Beschaumlftigten vor zu viel Kontrol-le und die Verhinderung von Missbrauch und Straf-taten durch zu wenig Kontrolle stehen in einem starken Spannungsverhaumlltnis Das zeigen juumlngst auch Betriebsvereinbarungen zu sogenannten EU-Antiterror-Verordnungen

Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme

Welche Arbeitsorganisation Realitaumlt werden wird ist nicht vollstaumlndig determiniert Dies haumlngt auch davon ab welche Wahl Unternehmer treffen wel-che Weichen wie fruumlhzeitig gestellt werden und aus welcher Perspektive sie Produktion und Arbeit se-hen Hier oumlffnet sich ein groszliges Feld fuumlr echte be-triebliche Mitbestimmung wenn Teilhabe und Be-teiligung von Beschaumlftigten und Betriebsraumlten ernst genommen wird

Fuumlr die betriebliche Mitbestimmung offenbart sich ein wichtiges Handlungsfeld Bei der Einfuumlh-rung und Umsetzung sind Betriebsraumlte jedoch nicht uumlberall unbedingt gut beteiligt Daher besteht ein notwendiger Weg darin in Betriebsvereinbarungen zunaumlchst feste Institutionen zur Mitbestimmung zu schaffen Strukturen zu etablieren Qualifizierung auszubauen

In vielen Unternehmen werden existierende Be-triebsvereinbarungen z B zur Leistungsbemes-sung uumlber Kennzahlensystemen zur autonomen

Teamarbeit und auch wieder zum Datenschutz und zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle weiterent-wickelt werden muumlssen

Qualitaumltsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Kontinuierliche Verbesserungsprozesse betriebli-ches Vorschlagswesen und Qualitaumltsmanagement liefern viele beteiligungsorientierte Elemente fuumlr verbesserte Arbeits- und Leistungsprozesse Be-merkenswert haumlufig wird in Vereinbarungen betont dass der gesamte Prozess Beschaumlftigte darin foumlr-dern soll kreativ und motiviert zu sein und dass sich nur so auch ein Erfolg einstellen kann QM und KVP bilden insofern wesentliche mitbestimmte Hand-lungsfelder fuumlr die Zukunftsfaumlhigkeit von Unterneh-men

Festgelegt werden die konkreten Formen der Be-teiligung der Beschaumlftigten und ihrer Betriebsraumlte an der Entwicklung und Gestaltung sowie Schutz-bestimmungen zur Vermeidung negativer Auswir-kungen fuumlr Beschaumlftigte insbesondere durch Leis-tungs- und Verhaltensuumlberwachung sowie durch den Verlust von Funktionen Qualifikationen und Einkommen sowie des Arbeitsplatzes

QM und KVP orientierten sich an der Weiterent-wicklung von Kompetenzen und Faumlhigkeiten der Beschaumlftigten und nicht primaumlr am Aufdecken von Fehlern und dem Finden von bdquoSchuldigenldquo Be-schaumlftigte und Betriebsraumlte werden beim struktu-rellen Aufbau moumlglichst gleichberechtigt beteiligt z B durch paritaumltisch besetzte Lenkungsgremien und das Recht der Interessenvertreter an allen nachgeordneten Projekt- und Entscheidungsgremi-en teilzunehmen Aus Sicht der Beschaumlftigten sind das wichtige Ziele fuumlr die Zukunft

Staumlndige Erreichbarkeit

Staumlndige Erreichbarkeit heiszligt Ort und Zeit der Leis-tungserbringung sind hochflexibel Das beruumlhrt die Mitbestimmung bei Arbeitszeit und Technikeinsatz Zu diesen Feldern werden die meisten Betriebsver-einbarungen abgeschlossen Betriebliche Mitbe-stimmung muss hier ausgebaut und in Tarifvertraumlge eingebettet sein Tarifvertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen sind wichtige Instrumente um Leistungserbringung wieder an die vereinbarte Arbeitszeit zu binden

Mit sehr verschieden weitreichenden Regelun-gen wird versucht die staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen Wenn Arbeitszeit praumlzise erfasst wird dann ist das eine Voraussetzung dafuumlr dass Arbeitszeit wieder begrenzt werden kann und ein Ausgleich uumlberhaupt moumlglich wird Es gilt so-wohl individuelle Freiraumlume zur Gestaltung von Ar-beitszeit -ort und -organisation zu erhalten als auch Schutz vor einem Uumlbermaszlig an Entgrenzung Flexibi-litaumlt und Arbeitsverdichtung zu gewaumlhrleisten

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 27

Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 28

Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

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Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

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Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

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IMPRESSUM

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AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

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    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 27: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 27

Zeitpuffer Nichterreichbarkeit und Abwesenheitsre-gelungen um staumlndige Erreichbarkeit in den Griff zu bekommen greifen dann wenn Einhaltung von Ge-setzen und Richtlinien ohnehin Anliegen im Unter-nehmen sind und Betriebsvereinbarungen zur flexi-blen Arbeitszeitgestaltung gelebt werden Compli-ance bedeutet auch Mitbestimmung zu respektieren

Flexible Arbeitszeitgestaltung

Arbeitszeitgestaltung ist ein wesentliches Kernele-ment der Tarifpolitik Betriebsparteien regeln wie die Flexibilitaumlt umgesetzt werden kann deren Rah-menbedingungen im besten Falle im Tarifvertrag vereinbart wurden Unternehmen nutzen heute di-verse Arbeitszeitkonten parallel als eine Art zusam-menhaumlngendes Gesamtkonzept

Weil Zeitsouveraumlnitaumlt ein wesentliches Anliegen von Beschaumlftigten ist regeln die meisten Vereinba-rungen Verfahrensweisen zum Zeitausgleich Haumlu-fig kreisen die alltaumlglichen Auseinandersetzungen um die Einhaltung und Durchsetzung der verein-barten Vorgaben und darum wie dem gewichtigen Vorrang betrieblicher Belange dennoch ein Maszlig an selbstbestimmter Arbeitszeit gegenuumlber gestellt und durchgesetzt werden kann Insofern sind Tarif-vertraumlge die Mitbestimmung bei der Begrenzung von Leistungen ermoumlglichen und Grenzen ziehen wichtige Instrumente

Demografischer Wandel

In der Praxis existieren viele verschiedene Konzepte mit unterschiedlicher Reichweite und sehr verschie-denen Umsetzungsfortschritten

Auch hier zeigt sich dass gute Praxis im Unter-nehmen mit der Bereitstellung von Ressourcen ver-bunden ist Unternehmen unterstuumltzen materiell den Verdienstausfall bei Pflegenden finanzieren Kinderbetreuungseinrichtungen leisten Foumlrderbei-traumlge oder flexible Zeitarrangements

Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren

Regelungen existieren sowohl auf Branchen- bzw tarifvertraglicher Ebene als auch in Betriebsverein-barungen Vorreiter waren z B die Stahlindustrie und die chemische Industrie Viele Unternehmen starten Maszlignahmen mit Altersstrukturanalysen Dies sehen Tarifvertraumlge und Betriebsvereinbarun-gen vor um zunaumlchst Ist-Zustaumlnde und dann Pro-jektionen fuumlr die Zukunft fuumlr Qualifikationen bzw Taumltigkeitsgruppen abzuleiten

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Herangehensweisen sind ebenfalls sehr ver-schieden Der Fokus liegt oft auf Verbesserungen der individuellen Verhaltensweisen von Beschaumlftig-ten (Gesundheitsfoumlrderung Sportangebote Ernaumlh-rung etc) jedoch haben die Verbesserungen von gesundheitsgefaumlhrdenden Arbeitsverhaumlltnissen und Arbeitsbedingungen auf die der Einzelne nur be-

dingt Einfluss nehmen kann nach dem Arbeits-schutzgesetz stets Vorrang Psychische Belastun-gen sind noch nicht lange auf der Agenda betriebli-cher Akteure In Zukunft wird es vermutlich noch relevanter werden Arbeitsbelastungen Gesund-heits- und Datenschutz staumlrker zusammenzuden-ken Es muss gewaumlhrleistet sein und bleiben dass Beschaumlftigtendaten geschuumltzt sind Ein Hebel fuumlr den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Arbeits-welt 40 und die Wahrnehmung von Mitbestim-mung liegt auch darin die gesicherten arbeitswis-senschaftlichen Erkenntnisse uumlber menschenge-rechte Gestaltung der Arbeit wieder staumlrker zur Gestaltung zu bringen

Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten

Immer haumlufiger wird Beschaumlftigten generell mehr Eigenverantwortung mittels Zielvereinbarung uumlber-tragen Man schaut vor allem auf das Ergebnis Auf diese Weise waumlchst nicht automatisch die Faumlhigkeit mit sich selbst zu steuern es waumlchst auch die Ge-fahr sich wider besseren Wissens zu uumlberfordern Der Preis fuumlr das Mehr an Wahlfreiheit und Zeitsou-veraumlnitaumlt aus Sicht der Beschaumlftigten ist dann wo-moumlglich die Arbeit auf Abruf bzw staumlndige Erreich-barkeit

Ein Mehr an planbarer beruflicher Zeitflexibilitaumlt kann das weniger flexible Privatleben entlasten hel-fen Sehr haumlufig wird beispielsweise angeboten auf Arbeitszeitkonten gesparte erarbeitete Zeit fuumlr kuumlrzere oder laumlngere Freiraumlume nutzen zu koumlnnen

Befristet Beschaumlftigte geraten haumlufig aus dem Blickfeld weil sie gerade aus langfristig wirkenden betrieblichen Regelungen ausgeschlossen werden Fuumlr Leiharbeitskraumlfte sind viele Regelungen gar nicht vorhanden Langzeitkonten werden haumlufiger in groszligen Unternehmen geregelt und genutzt

Will man dem Lebensverlauf staumlrker gerecht werden mit flexibilisierten Arbeitszeiten dann muumlsste nicht zuletzt neben der Arbeitszeitgestal-tung fuumlr sehr heterogene Beduumlrfnisse auch die Or-ganisation der betrieblichen Arbeit und die ausrei-chende Personalausstattung im Unternehmen ein Thema sein damit Zeitreduzierung der einen nicht zur Mehrbelastung von anderen Kolleginnen und Kollegen fuumlhrt

Selbstbestimmter arbeiten bedeutet auch Ar-beitsbedingungen und Wahlfreiheiten fuumlr Men-schen in prekaumlren Arbeitsverhaumlltnissen zu gestal-ten so dass lebensweltliche Perspektiven mit selbstbestimmbaren und waumlhlbaren Planungshori-zonten entstehen koumlnnen Bei der Meyer Werft wurde 2013 ein erster Haustarifvertrag vereinbart mit Mindeststandards fuumlr Werkvertraumlge und Infor-mations- und Mitbestimmungsrechten fuumlr Betriebs-raumlte Auf diese Weise wird erste Mitwirkung bei der Personalplanung und Fremdvergabe erreicht

Das Informationsrecht fuumlr den Betriebsrat ist je-doch nicht ausreichend wenn es darum geht dass

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 28

Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

BAuABundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg) (2015) Arbeitswelt im Wandel ndash Zahlen Daten Fakten Gefaumlhr-dungsbeurteilung Download unter httpwwwbauadedeInformationen-fuer-die-Praxis [892015]

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Bienzeisler Bernd (2014) Wie smarte Dienste die Arbeit aufmischen in Mitbe-stimmung 62014 Download unter httpwwwboecklerde47487_47528htm [2992015]

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Boes AndreasBultemeier Anja (2008) An-erkennung im System permanenter Bewaumlh-rung Download unter httpwwwisf-muen-chendepdfboes-bultemeier-anerkennungpdf [2992015]

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Boumlker Karl-HermannDemuth Ute (2014) E-Mail-Nutzung und Internetdienste Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarungen Frank-furt am Main

Boumlker Karl-HermannDemuth Ute (2013) IKT-Rahmenvereinbarungen Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarungen Hans-Boumlckler-Stiftung (Hg) Frankfurt am Main

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Busse GerdKlein Klaudia (2010) Duale Berufsausbildung Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarungen Hans-Boumlckler-Stiftung (Hg) Frankfurt am Main

Busse GerdMaschke ManuelaUllenboom Detlef (2015 im Erscheinen) Trendbericht demografischer Wandel Download unter wwwboecklerde

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Grzech-Sukalo HiltraudHaumlnecke Kerstin (2013) Flexible Schichtarbeit Reihe Be-triebs- und DienstvereinbarungenKurzaus-wertung Download unter wwwboecklerde

Hamm Ingo (2013) Flexible Arbeitszeiten ndash Kontenmodelle Reihe Betriebs- und Dienst-vereinbarungen Frankfurt am Main

Heidemann Winfried (2015) Trendbericht Betriebliche Weiterbildung 2 aktualisierte Ausgabe MB-Report Nr 9 Download unter wwwboecklerde

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Hirsch-Kreinsen Hartmut (2013) Technik-soziologie in Hirsch-Kreinsen HartmutMinssen Heiner (Hg) Lexikon der Arbeits- und Industriesoziologie Berlin

Hoffmann ReinerBogedan Claudia (Hg) (2015) Arbeit der Zukunft FrankfurtM

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IG Metall (2015a) Kollege Roboter Down-load unter wwwigmetallde

IG Metall (2015b) Zu Besuch in der digita-len Fabrik Download unter wwwigmetalldeIG Metall (2015c) Mit Werkvertrag httpswwwigmetalldewerkvertraege-10399htm [2992015]

IG Metall (2013) Arbeit sicher und fair Die Befragung Download unter wwwigmetallde

Ittermann PeterNiehaus JonathanHirsch-Kreinsen Hartmut (2015) Arbeiten in der Industrie 40 DortmundJungvogel Christian (2013) Tarifvertragliche Regelungen fuumlr den demografischen Wandel in Arbeitsrecht im Betrieb 2013 S 233-236

Kaufmann Matthias (2014) Erreichbarkeit nach Dienstschluss Spiegel Online 1722014 Download unter httpwwwspie-gelde [2992015]

Kiesche (2015 im Erscheinen) Datenschutz im DB-Konzern Fallstudie Hans-Boumlckler-Stif-tung (Hg) Duumlsseldorf

Kiper Manuel (2011) Umgang mit Bord-computern Ortungssystemen und Smartpho-nes Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarun-genKurzauswertungen Duumlsseldorf

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Kratzer Nick (2003) Grenzenlose Anforde-rungen erweiterte Spielraumlume begrenzte Ressourcen Reihe Forschung aus der Hans-Boumlckler-Stiftung Bd 48 Berlin

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Lohmann-Haislah Andrea (2012) Stressre-port Deutschland 2012 BAuA (Hg) Dortmund

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Pfeiffer Sabine (2015) Im Interview mit Detlef Wetzel in Wetzel Detlef (2015) Ar-beiten 40 Freiburg S 28ndash44

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 30

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PricewaterhouseCoopers (2014) Transport und Logistik Kompass Digitalisierung in der Logistik Download unter wwwpwcde

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Thannheiser Achim (2015) EU-Antiterror-verordnung und Mitarbeiter-Screening Rei-he Betriebs- und DienstvereinbarungenKurz-auswertungen Duumlsseldorf

verdi ndash Vereinte Dienstleistungsgewerk-schaft (2015) Gute Arbeit und Digitalisie-rung Prozessanalysen und Gestaltungspers-pektiven fuumlr eine humane digitale Arbeitswelt berlin

Wetzel Detlef (2015) Arbeit 40 Freiburg

Wotschack Philip (2012) bdquoKeine Zeit fuumlr die Auszeit Lebensarbeitszeit als Aspekt so-zialer Ungleichheitldquo In Soziale Welt Jg 63 H 1 S 25-44

WSIWirtschafts- und sozialwissenschaftli-ches Institut (Hg) (2014) Atypische Be-schaumlftigung bleibt in Deutschland hoch Pressemitteilung 2992014 Download unter httpwwwboecklerde45167_51173htm [2992015]

Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
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Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 28

Werkvertraumlge genutzt werden um Kernkompeten-zen von Unternehmen auszulagern Echte Mitbe-stimmungsrechte etwa zur Beschaumlftigungssiche-rung muumlssen dann eingerichtet werden damit Un-ternehmen sich nicht ihrer eigenen Existenz- grundlage berauben

Duale Ausbildung und Duales Studium

Der dualen Ausbildung kommt eine Schluumlsselrolle zu Unternehmen muumlssen gut ausbilden und die du-ale Ausbildung staumlrken sowie in betriebliche Aus- und Weiterbildung investieren wollen In der aktuel-len Debatte besteht die Gefahr dass das duale Aus-bildungssystem in Deutschland geschwaumlcht wird wenn die Staumlrken gerade dieses Systems fuumlr die an-spruchsvollen Anforderungen von morgen nicht von politischen Akteuren und Unternehmern er-kannt und konstruktiv weiterentwickelt werden Moumlgliche Defizite lassen sich weniger beim Men-schen als vielmehr bei den Bedingungen fuumlr die Ar-beitsgestaltung im Unternehmen selbst sehen In vielen Betriebsvereinbarungen zur dualen Ausbil-dung wird deutlich dass es kaum einen Regelungs-gegenstand gibt der aumlhnlich detailliert und ausfuumlhr-lich durch Vereinbarungen abgesichert ist wie die duale Ausbildung im Betrieb

Ein Beispiel zur Foumlrderung ist der Tarifvertrag bdquoFoumlrderjahreldquo bei Porsche Dort konnte ein Foumlrder-jahr fuumlr benachteiligte Jugendliche etabliert wer-den das ihnen die Chance gibt eine Ausbildung beim Automobilhersteller zu erhalten

Betriebliche Weiterbildung

Kern aktueller Auseinandersetzungen in einer Tarif-runde 2015 war die Frage Wer bestimmt wer wel-che Weiterbildung machen kann Hier zeigt sich bereits wie wichtig es ist heute Weichen zu stellen dafuumlr wer zu den Gewinnern zaumlhlen wird bei Arbei-ten 40 und wer nicht

In der Metall- und Elektroindustrie ermoumlglichen die im Fruumlhjahr 2015 abgeschlossenen regionalen Qualifizierungstarifvertraumlge Freistellungen ohne Be- zuumlge fuumlr persoumlnliche Weiterbildung und jetzt auch Teilzeitarbeit von bis zu sieben Jahren Dauer In ei-nigen Tarifbezirken (z B Nordrhein-Westfalen) koumln-nen dafuumlr auch Lohn- und Zeitanteile auf individuel-len Bildungszeitkonten angespart werden

Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb

Dass Betriebsraumlte als kompetente Verhandlungs-partner mit dem Arbeitgeber gute Loumlsungen erar-beiten koumlnnen zeigt die betriebliche Praxis Damit sie ernst genommen werden und gewichtige Argu-mente einbringen koumlnnen sind Mitbestimmungs-rechte notwendig und Partner Zu den wichtigen Partnern gehoumlren personalverantwortliche Arbeits-direktoren im Vorstand der Unternehmen mitbe-

stimmte Aufsichtsraumlte sowie externe Gewerkschaf-ten mit Organisationsmacht aus der heraus Tarifbin-dung und Nachdruck erwirkt werden kannSpielraumlume fuumlr mehr Autonomie bei Beschaumlftigten duumlrfen nicht verwechselt werden mit der Wahrneh-mung von Rechten und mit Demokratie am Arbeits-platz Wenn in der Realitaumlt Interessen ausgehandelt werden sind harte Mitbestimmungsrechte die Vor-aussetzung Voraussetzung fuumlr betriebliche Mitbe-stimmung ist die Existenz eines Betriebsrates Vor-aussetzung fuumlr gute Betriebsvereinbarungen ist ein verbindlicher Rahmen der Gestaltungsspielraumlume eroumlffnet geschaffen durch Tarifvertraumlge der Sozial-partner

Die in Branchentarifvertraumlgen und spezifischen Be-triebsvereinbarungen gewachsene Praxis weitet Ge-staltungsspielraumlume fuumlr alle Betriebe in Branchen aus auch fuumlr tarifvertragsfreie Unternehmen die sich zumindest an der tariflichen Benchmark orien-tieren Gesetzliche Rahmenbedingungen muumlssen als Leitplanken und Auffanglinie fungieren denn die be-triebliche Arena darf nicht mit Konflikten uumlberfrach-tet werden

Mitbestimmung droht ins Leere zu laufen ndash bei cloudbasierten IT-Systemen wenn die An-wendungen nicht mehr vom Unternehmen selbst sondern von Dritten gesteuert werden

ndash in internationalen Konzernen in denen kein auto-risierter Verhandlungspartner auf der Arbeitge-berseite vorhanden ist oder auf nationaler Ebene nicht uumlber ausreichend Kompetenzen verfuumlgt

ndash wenn Betriebsraumlte nicht mehr fuumlr die im Unter-nehmen arbeitenden Menschen zustaumlndig sind weil die Basis fuumlr die Interessenvertretung durch wachsende Randbelegschaften atomisiert wird

ndash wenn Betriebsratsgruumlndungen ver- und behindert werden

ndash wenn die vorhandenen Kompetenzen der han-delnden Akteure heute nicht ausreichen fuumlr die Herausforderungen der Zukunft

ndash wenn der Betrieb als Basis der Betriebsratsrechte zu erodieren droht

Betriebsraumlte und Gewerkschaften sind kompetente und legitime Akteure die nicht nachgelagert ange-houmlrt werden sondern bei Forschung und Entwick-lung direkt einbezogen werden muumlssen Mitbestim-mung gehoumlrt an den Anfang der Gestaltung und Entwicklung von Technik nicht an das Ende

Die Sozialpartner und der Staat muumlssen das System der Mitbestimmung staumlrken indem Tarifvertrags- und Betriebsratsfreie Zonen verringert werden Denn es gibt keine Alternative zur Mitbestimmung als gestaltendes Strukturelement in der sozialen Marktwirtschaft

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

BAuABundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg) (2015) Arbeitswelt im Wandel ndash Zahlen Daten Fakten Gefaumlhr-dungsbeurteilung Download unter httpwwwbauadedeInformationen-fuer-die-Praxis [892015]

BCG Boston Consulting Group (2015) Man and Machine in Industry 40 Download un-ter wwwbcgde

BDIBundesverband der deutschen Indust-rie (Hg) (2015) Zukunft durch Industrie Den Wandel als Chance begreifen ndash Heraus-forderungen und Implikationen Berlin

Bechmann Reinhard (2010) Qualitaumltsma-nagement und kontinuierlicher Verbesse-rungsprozess Reihe Betriebs- und Dienstver-einbarungen Frankfurt am Main

Bertelsmann Stiftung (2015) Technologi-scher Wandel und Beschaumlftigungspolarisie-rung in Deutschland Policy Brief 201507

Bienzeisler Bernd (2014) Wie smarte Dienste die Arbeit aufmischen in Mitbe-stimmung 62014 Download unter httpwwwboecklerde47487_47528htm [2992015]

Bispinck Reinhard (2015) Tarifliche Regelun-gen bieten groszligen Spielraum fuumlr betriebliche Gestaltung Download unter wwwboecklerde

BMAS (2015) Gruumlnbuch Arbeiten 40 Download wwwbmasde [2992015]

Boes AndreasBultemeier Anja (2008) An-erkennung im System permanenter Bewaumlh-rung Download unter httpwwwisf-muen-chendepdfboes-bultemeier-anerkennungpdf [2992015]

Bonin HolgerGregory TerryZierahn Ul-rich (2015) Uumlbertragung der Studie von FreyOsborne auf Deutschland Kurzexpertise Nr 57 Mannheim

Boumlker Karl-HermannDemuth Ute (2014) E-Mail-Nutzung und Internetdienste Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarungen Frank-furt am Main

Boumlker Karl-HermannDemuth Ute (2013) IKT-Rahmenvereinbarungen Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarungen Hans-Boumlckler-Stiftung (Hg) Frankfurt am Main

Busse Gerd (2009) Duales Studium Be-triebliche Ausbildung und Studium Reihe Betriebs- und DienstvereinbarungenKurz-auswertung Download www boecklerde

Busse GerdKlein Klaudia (2010) Duale Berufsausbildung Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarungen Hans-Boumlckler-Stiftung (Hg) Frankfurt am Main

Busse GerdMaschke ManuelaUllenboom Detlef (2015 im Erscheinen) Trendbericht demografischer Wandel Download unter wwwboecklerde

LITERATUR DGB (2013) Neue Ordnung der Arbeit Berlin Download wwwdgbde [2992015]

Ellguth PeterKohaut Susanne (2015) Tarif-bindung und betriebliche Interessenvertretung in WSI-Mitteilungen 42015 S 290ndash297

Ernst amp Young (2015) Digitalisierung 2015 Deutsche Unternehmen im Digitalisierungs-dilemma Download unter wwweycom

FAZ (2015) Arbeitsmails in der Freizeit Download unter httpwwwfaznetarchiv [2992015]

Frey Carl BenediktOsborne Michael A (2013) The Future of Employment Oxford

Greve SilkeWedde Peter (2014) Social-Media-Guidelines Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarungen Frankfurt am Main

Grzech-Sukalo HiltraudHaumlnecke Kerstin (2013) Flexible Schichtarbeit Reihe Be-triebs- und DienstvereinbarungenKurzaus-wertung Download unter wwwboecklerde

Hamm Ingo (2013) Flexible Arbeitszeiten ndash Kontenmodelle Reihe Betriebs- und Dienst-vereinbarungen Frankfurt am Main

Heidemann Winfried (2015) Trendbericht Betriebliche Weiterbildung 2 aktualisierte Ausgabe MB-Report Nr 9 Download unter wwwboecklerde

Hertwig MarkusKirsch JohannesWirth Carsten (2015) Onsite-Werkvertraumlge Verbrei-tung und Praktiken im Verarbeitenden Gewer-be in WSI-Mitteilungen 62015 S 457-465

Hinrichs Sven (2014) Dienstreisen Reihe Betriebs- und DienstvereinbarungenKurz-auswertungen Duumlsseldorf

Hirsch-Kreinsen Hartmut (2014) Welche Auswirkungen hat bdquoIndustrie 40ldquo auf die Ar-beitswelt wiso direkt Friedrich-Ebert-Stif-tung (Hg) Berlin

Hirsch-Kreinsen Hartmut (2013) Technik-soziologie in Hirsch-Kreinsen HartmutMinssen Heiner (Hg) Lexikon der Arbeits- und Industriesoziologie Berlin

Hoffmann ReinerBogedan Claudia (Hg) (2015) Arbeit der Zukunft FrankfurtM

Hofmann JoumlrgSmolenki Tanja (2015) So-zialstaat 40 ndash Tarifbindung und Arbeitszeit entscheiden in WSI-Mitteilungen 62015 S 466ndash472

IG Metall (2015a) Kollege Roboter Down-load unter wwwigmetallde

IG Metall (2015b) Zu Besuch in der digita-len Fabrik Download unter wwwigmetalldeIG Metall (2015c) Mit Werkvertrag httpswwwigmetalldewerkvertraege-10399htm [2992015]

IG Metall (2013) Arbeit sicher und fair Die Befragung Download unter wwwigmetallde

Ittermann PeterNiehaus JonathanHirsch-Kreinsen Hartmut (2015) Arbeiten in der Industrie 40 DortmundJungvogel Christian (2013) Tarifvertragliche Regelungen fuumlr den demografischen Wandel in Arbeitsrecht im Betrieb 2013 S 233-236

Kaufmann Matthias (2014) Erreichbarkeit nach Dienstschluss Spiegel Online 1722014 Download unter httpwwwspie-gelde [2992015]

Kiesche (2015 im Erscheinen) Datenschutz im DB-Konzern Fallstudie Hans-Boumlckler-Stif-tung (Hg) Duumlsseldorf

Kiper Manuel (2011) Umgang mit Bord-computern Ortungssystemen und Smartpho-nes Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarun-genKurzauswertungen Duumlsseldorf

Klebe Thomas (2013) Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen ndash Gewerkschaftli-che Perspektiven Vortrag 1122013 Berlin

Klein-Schneider (2007) Flexible Arbeitszei-ten ndash Vertrauensarbeitszeit Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarungen Hans-Boumlckler-Stiftung (Hg) Frankfurt am Main

Kratzer Nick (2003) Grenzenlose Anforde-rungen erweiterte Spielraumlume begrenzte Ressourcen Reihe Forschung aus der Hans-Boumlckler-Stiftung Bd 48 Berlin

Kraft Andreas (2015) Zu Besuch in der digi-talen Fabrik in Mitbestimmung 1+22015

Lohmann-Haislah Andrea (2012) Stressre-port Deutschland 2012 BAuA (Hg) Dortmund

Maschke ManuelaZurholt Gerburg (2013) Chancengleich und familienfreundlich Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarungen Hans-Boumlckler-Stiftung (Hg) Frankfurt am Main

Meyer Werft (Hg) (2015) Das Papenburger Modell Download unter httpwwwmeyer-werftde

Molitor Carmen (2013) Es geht auch an-ders in Mitbestimmung 122013 S 28ndash31

Nebe Katja (2014) bdquoIndustrie 40 ndash Betriebs-verfassung 40ldquo Vortrag Rechtspolitischer Kongress bdquoDemokratisierung von Gesellschaft und Arbeitsweltldquo Berlin 25 Maumlrz 2014

Neckel SighardWagner Greta (2014) So-ziales Leiden an Wachstum und Wettbewerb in WSI-Mitteilungen 72014 S 536ndash542

Oerder Katharina (2015) Mitbestimmung 40 ndash Der Wandel der Arbeitswelt als Chance fuumlr mehr Beteiligung in spwZeitschrift fuumlr sozialistische Politik und Wirtschaft 42015 S 23ndash26

Pfeiffer Sabine (2015) Im Interview mit Detlef Wetzel in Wetzel Detlef (2015) Ar-beiten 40 Freiburg S 28ndash44

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 30

Pfeiffer SabineSuphan Anne (2015) Der AV-Index Lebendiges Arbeitsvermoumlgen und Erfah-rung als Ressourcen auf dem Weg zu Industrie 40 Draft vom 1342015 Universitaumlt HohenheimPfaumlfflin HeinzSchwarz-Kocher MartinSeibold Bettina (2011) Neue Produktions-konzepte Wirkungen und Gestaltungsoptio-nen aus Sicht der Betriebsraumlte Betriebsraumlte-befragung zu GPS und Folgerungen in Arbeitsrecht im Betrieb Heft 22011 S 92

PricewaterhouseCoopers (2014) Transport und Logistik Kompass Digitalisierung in der Logistik Download unter wwwpwcde

Reuyszlig Stefan (2015) Freistellungen zur Pflege und Betreuung Reihe Betriebs- und DienstvereinbarungenKurzauswertungen Duumlsseldorf

Roszlignagel AJandt SSkistimsHZirfas J (2012) Zulaumlssigkeit von Feuerwehr-Schutzanzuumlgen mit Sensoren und Anforde-rungen an den Umgang mit personenbezoge-nen Daten Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg) Dortmund

Thannheiser Achim (2015) Mobile Device Management Reihe Betriebs- und Dienstver-einbarungenKurzauswertungen Duumlsseldorf

Thannheiser Achim (2015) EU-Antiterror-verordnung und Mitarbeiter-Screening Rei-he Betriebs- und DienstvereinbarungenKurz-auswertungen Duumlsseldorf

verdi ndash Vereinte Dienstleistungsgewerk-schaft (2015) Gute Arbeit und Digitalisie-rung Prozessanalysen und Gestaltungspers-pektiven fuumlr eine humane digitale Arbeitswelt berlin

Wetzel Detlef (2015) Arbeit 40 Freiburg

Wotschack Philip (2012) bdquoKeine Zeit fuumlr die Auszeit Lebensarbeitszeit als Aspekt so-zialer Ungleichheitldquo In Soziale Welt Jg 63 H 1 S 25-44

WSIWirtschafts- und sozialwissenschaftli-ches Institut (Hg) (2014) Atypische Be-schaumlftigung bleibt in Deutschland hoch Pressemitteilung 2992014 Download unter httpwwwboecklerde45167_51173htm [2992015]

Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
Page 29: Arbeiten 4.0 - Diskurs und Praxis in ... · Digitalisierung und Arbeiten 4.0 kann für Unternehmen, Be-schäftigte und erwerbsfähige Menschen ein er-folgreiches Zukunftsprogramm

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 29

BAuABundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg) (2015) Arbeitswelt im Wandel ndash Zahlen Daten Fakten Gefaumlhr-dungsbeurteilung Download unter httpwwwbauadedeInformationen-fuer-die-Praxis [892015]

BCG Boston Consulting Group (2015) Man and Machine in Industry 40 Download un-ter wwwbcgde

BDIBundesverband der deutschen Indust-rie (Hg) (2015) Zukunft durch Industrie Den Wandel als Chance begreifen ndash Heraus-forderungen und Implikationen Berlin

Bechmann Reinhard (2010) Qualitaumltsma-nagement und kontinuierlicher Verbesse-rungsprozess Reihe Betriebs- und Dienstver-einbarungen Frankfurt am Main

Bertelsmann Stiftung (2015) Technologi-scher Wandel und Beschaumlftigungspolarisie-rung in Deutschland Policy Brief 201507

Bienzeisler Bernd (2014) Wie smarte Dienste die Arbeit aufmischen in Mitbe-stimmung 62014 Download unter httpwwwboecklerde47487_47528htm [2992015]

Bispinck Reinhard (2015) Tarifliche Regelun-gen bieten groszligen Spielraum fuumlr betriebliche Gestaltung Download unter wwwboecklerde

BMAS (2015) Gruumlnbuch Arbeiten 40 Download wwwbmasde [2992015]

Boes AndreasBultemeier Anja (2008) An-erkennung im System permanenter Bewaumlh-rung Download unter httpwwwisf-muen-chendepdfboes-bultemeier-anerkennungpdf [2992015]

Bonin HolgerGregory TerryZierahn Ul-rich (2015) Uumlbertragung der Studie von FreyOsborne auf Deutschland Kurzexpertise Nr 57 Mannheim

Boumlker Karl-HermannDemuth Ute (2014) E-Mail-Nutzung und Internetdienste Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarungen Frank-furt am Main

Boumlker Karl-HermannDemuth Ute (2013) IKT-Rahmenvereinbarungen Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarungen Hans-Boumlckler-Stiftung (Hg) Frankfurt am Main

Busse Gerd (2009) Duales Studium Be-triebliche Ausbildung und Studium Reihe Betriebs- und DienstvereinbarungenKurz-auswertung Download www boecklerde

Busse GerdKlein Klaudia (2010) Duale Berufsausbildung Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarungen Hans-Boumlckler-Stiftung (Hg) Frankfurt am Main

Busse GerdMaschke ManuelaUllenboom Detlef (2015 im Erscheinen) Trendbericht demografischer Wandel Download unter wwwboecklerde

LITERATUR DGB (2013) Neue Ordnung der Arbeit Berlin Download wwwdgbde [2992015]

Ellguth PeterKohaut Susanne (2015) Tarif-bindung und betriebliche Interessenvertretung in WSI-Mitteilungen 42015 S 290ndash297

Ernst amp Young (2015) Digitalisierung 2015 Deutsche Unternehmen im Digitalisierungs-dilemma Download unter wwweycom

FAZ (2015) Arbeitsmails in der Freizeit Download unter httpwwwfaznetarchiv [2992015]

Frey Carl BenediktOsborne Michael A (2013) The Future of Employment Oxford

Greve SilkeWedde Peter (2014) Social-Media-Guidelines Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarungen Frankfurt am Main

Grzech-Sukalo HiltraudHaumlnecke Kerstin (2013) Flexible Schichtarbeit Reihe Be-triebs- und DienstvereinbarungenKurzaus-wertung Download unter wwwboecklerde

Hamm Ingo (2013) Flexible Arbeitszeiten ndash Kontenmodelle Reihe Betriebs- und Dienst-vereinbarungen Frankfurt am Main

Heidemann Winfried (2015) Trendbericht Betriebliche Weiterbildung 2 aktualisierte Ausgabe MB-Report Nr 9 Download unter wwwboecklerde

Hertwig MarkusKirsch JohannesWirth Carsten (2015) Onsite-Werkvertraumlge Verbrei-tung und Praktiken im Verarbeitenden Gewer-be in WSI-Mitteilungen 62015 S 457-465

Hinrichs Sven (2014) Dienstreisen Reihe Betriebs- und DienstvereinbarungenKurz-auswertungen Duumlsseldorf

Hirsch-Kreinsen Hartmut (2014) Welche Auswirkungen hat bdquoIndustrie 40ldquo auf die Ar-beitswelt wiso direkt Friedrich-Ebert-Stif-tung (Hg) Berlin

Hirsch-Kreinsen Hartmut (2013) Technik-soziologie in Hirsch-Kreinsen HartmutMinssen Heiner (Hg) Lexikon der Arbeits- und Industriesoziologie Berlin

Hoffmann ReinerBogedan Claudia (Hg) (2015) Arbeit der Zukunft FrankfurtM

Hofmann JoumlrgSmolenki Tanja (2015) So-zialstaat 40 ndash Tarifbindung und Arbeitszeit entscheiden in WSI-Mitteilungen 62015 S 466ndash472

IG Metall (2015a) Kollege Roboter Down-load unter wwwigmetallde

IG Metall (2015b) Zu Besuch in der digita-len Fabrik Download unter wwwigmetalldeIG Metall (2015c) Mit Werkvertrag httpswwwigmetalldewerkvertraege-10399htm [2992015]

IG Metall (2013) Arbeit sicher und fair Die Befragung Download unter wwwigmetallde

Ittermann PeterNiehaus JonathanHirsch-Kreinsen Hartmut (2015) Arbeiten in der Industrie 40 DortmundJungvogel Christian (2013) Tarifvertragliche Regelungen fuumlr den demografischen Wandel in Arbeitsrecht im Betrieb 2013 S 233-236

Kaufmann Matthias (2014) Erreichbarkeit nach Dienstschluss Spiegel Online 1722014 Download unter httpwwwspie-gelde [2992015]

Kiesche (2015 im Erscheinen) Datenschutz im DB-Konzern Fallstudie Hans-Boumlckler-Stif-tung (Hg) Duumlsseldorf

Kiper Manuel (2011) Umgang mit Bord-computern Ortungssystemen und Smartpho-nes Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarun-genKurzauswertungen Duumlsseldorf

Klebe Thomas (2013) Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen ndash Gewerkschaftli-che Perspektiven Vortrag 1122013 Berlin

Klein-Schneider (2007) Flexible Arbeitszei-ten ndash Vertrauensarbeitszeit Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarungen Hans-Boumlckler-Stiftung (Hg) Frankfurt am Main

Kratzer Nick (2003) Grenzenlose Anforde-rungen erweiterte Spielraumlume begrenzte Ressourcen Reihe Forschung aus der Hans-Boumlckler-Stiftung Bd 48 Berlin

Kraft Andreas (2015) Zu Besuch in der digi-talen Fabrik in Mitbestimmung 1+22015

Lohmann-Haislah Andrea (2012) Stressre-port Deutschland 2012 BAuA (Hg) Dortmund

Maschke ManuelaZurholt Gerburg (2013) Chancengleich und familienfreundlich Reihe Betriebs- und Dienstvereinbarungen Hans-Boumlckler-Stiftung (Hg) Frankfurt am Main

Meyer Werft (Hg) (2015) Das Papenburger Modell Download unter httpwwwmeyer-werftde

Molitor Carmen (2013) Es geht auch an-ders in Mitbestimmung 122013 S 28ndash31

Nebe Katja (2014) bdquoIndustrie 40 ndash Betriebs-verfassung 40ldquo Vortrag Rechtspolitischer Kongress bdquoDemokratisierung von Gesellschaft und Arbeitsweltldquo Berlin 25 Maumlrz 2014

Neckel SighardWagner Greta (2014) So-ziales Leiden an Wachstum und Wettbewerb in WSI-Mitteilungen 72014 S 536ndash542

Oerder Katharina (2015) Mitbestimmung 40 ndash Der Wandel der Arbeitswelt als Chance fuumlr mehr Beteiligung in spwZeitschrift fuumlr sozialistische Politik und Wirtschaft 42015 S 23ndash26

Pfeiffer Sabine (2015) Im Interview mit Detlef Wetzel in Wetzel Detlef (2015) Ar-beiten 40 Freiburg S 28ndash44

Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 30

Pfeiffer SabineSuphan Anne (2015) Der AV-Index Lebendiges Arbeitsvermoumlgen und Erfah-rung als Ressourcen auf dem Weg zu Industrie 40 Draft vom 1342015 Universitaumlt HohenheimPfaumlfflin HeinzSchwarz-Kocher MartinSeibold Bettina (2011) Neue Produktions-konzepte Wirkungen und Gestaltungsoptio-nen aus Sicht der Betriebsraumlte Betriebsraumlte-befragung zu GPS und Folgerungen in Arbeitsrecht im Betrieb Heft 22011 S 92

PricewaterhouseCoopers (2014) Transport und Logistik Kompass Digitalisierung in der Logistik Download unter wwwpwcde

Reuyszlig Stefan (2015) Freistellungen zur Pflege und Betreuung Reihe Betriebs- und DienstvereinbarungenKurzauswertungen Duumlsseldorf

Roszlignagel AJandt SSkistimsHZirfas J (2012) Zulaumlssigkeit von Feuerwehr-Schutzanzuumlgen mit Sensoren und Anforde-rungen an den Umgang mit personenbezoge-nen Daten Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg) Dortmund

Thannheiser Achim (2015) Mobile Device Management Reihe Betriebs- und Dienstver-einbarungenKurzauswertungen Duumlsseldorf

Thannheiser Achim (2015) EU-Antiterror-verordnung und Mitarbeiter-Screening Rei-he Betriebs- und DienstvereinbarungenKurz-auswertungen Duumlsseldorf

verdi ndash Vereinte Dienstleistungsgewerk-schaft (2015) Gute Arbeit und Digitalisie-rung Prozessanalysen und Gestaltungspers-pektiven fuumlr eine humane digitale Arbeitswelt berlin

Wetzel Detlef (2015) Arbeit 40 Freiburg

Wotschack Philip (2012) bdquoKeine Zeit fuumlr die Auszeit Lebensarbeitszeit als Aspekt so-zialer Ungleichheitldquo In Soziale Welt Jg 63 H 1 S 25-44

WSIWirtschafts- und sozialwissenschaftli-ches Institut (Hg) (2014) Atypische Be-schaumlftigung bleibt in Deutschland hoch Pressemitteilung 2992014 Download unter httpwwwboecklerde45167_51173htm [2992015]

Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur
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Mitbestimmungsfoumlrderung Report Nr 14 middot Oktober 2015 middot Seite 30

Pfeiffer SabineSuphan Anne (2015) Der AV-Index Lebendiges Arbeitsvermoumlgen und Erfah-rung als Ressourcen auf dem Weg zu Industrie 40 Draft vom 1342015 Universitaumlt HohenheimPfaumlfflin HeinzSchwarz-Kocher MartinSeibold Bettina (2011) Neue Produktions-konzepte Wirkungen und Gestaltungsoptio-nen aus Sicht der Betriebsraumlte Betriebsraumlte-befragung zu GPS und Folgerungen in Arbeitsrecht im Betrieb Heft 22011 S 92

PricewaterhouseCoopers (2014) Transport und Logistik Kompass Digitalisierung in der Logistik Download unter wwwpwcde

Reuyszlig Stefan (2015) Freistellungen zur Pflege und Betreuung Reihe Betriebs- und DienstvereinbarungenKurzauswertungen Duumlsseldorf

Roszlignagel AJandt SSkistimsHZirfas J (2012) Zulaumlssigkeit von Feuerwehr-Schutzanzuumlgen mit Sensoren und Anforde-rungen an den Umgang mit personenbezoge-nen Daten Bundesanstalt fuumlr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg) Dortmund

Thannheiser Achim (2015) Mobile Device Management Reihe Betriebs- und Dienstver-einbarungenKurzauswertungen Duumlsseldorf

Thannheiser Achim (2015) EU-Antiterror-verordnung und Mitarbeiter-Screening Rei-he Betriebs- und DienstvereinbarungenKurz-auswertungen Duumlsseldorf

verdi ndash Vereinte Dienstleistungsgewerk-schaft (2015) Gute Arbeit und Digitalisie-rung Prozessanalysen und Gestaltungspers-pektiven fuumlr eine humane digitale Arbeitswelt berlin

Wetzel Detlef (2015) Arbeit 40 Freiburg

Wotschack Philip (2012) bdquoKeine Zeit fuumlr die Auszeit Lebensarbeitszeit als Aspekt so-zialer Ungleichheitldquo In Soziale Welt Jg 63 H 1 S 25-44

WSIWirtschafts- und sozialwissenschaftli-ches Institut (Hg) (2014) Atypische Be-schaumlftigung bleibt in Deutschland hoch Pressemitteilung 2992014 Download unter httpwwwboecklerde45167_51173htm [2992015]

Die Hans-Boumlckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs- Forschungs- und

Studien foumlrderungswerk des DGB

Sie ist in allen ihren Aufgaben feldern der Mitbestimmung

als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet

Sie wirbt fuumlr diese Idee unterstuumltzt Mandatstraumlger in Mitbestimmungs-

funktionen und tritt fuumlr erweiterte Mitbestimmungsrechte ein

IMPRESSUM

Ausgabe142015 Arbeiten 40Diskurs und Praxis in BetriebsvereinbarungenISSN 2364-0413

AutorenDr Manuela MaschkeLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

Nils Werner M AMitarbeiter Archiv Betriebliche VereinbarungenAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungHans-Boumlckler-Stiftung

KontaktDr Manuela MaschkeHans-Boumlckler-StiftungAbteilung MitbestimmungsfoumlrderungLeiterin Archiv Betriebliche VereinbarungenbetriebsvereinbarungboecklerdeHans-Boumlckler-Straszlige 3940476 DuumlsseldorfTel 0211 7778-224 und -167Manuela-Maschkeboecklerdewwwboecklerdebetriebsvereinbarungen

ProduktionSetzkasten GmbH DuumlsseldorfDuumlsseldorf Oktober 2015

  • Auf einen Blick
  • 1 Einfuumlhrung
  • Betriebliche Weiterbildung
  • Duale Ausbildung und Duales Studium
  • 23 Anspruumlche an selbstbestimmtes Leben und Arbeiten
  • 22 Demografischer Wandel in Tarifvertraumlgen und Betriebsvereinbarungen
    • Verschiedene Beschaumlftigtengruppen integrieren
    • Arbeits- und Gesundheitsschutz
      • 21 Arbeitsbedingungen und Digitalisierung
        • Einsatz der Technik begrenzen Anwendungen gestalten
        • IKT-Rahmenvereinbarung
        • Nutzung und Management mobiler Endgeraumlte
        • Nutzung und Umgang mit Social-Media-Anwendungen
        • GPS-Zugriff auf Daten u a
        • Datenschutz und Kontrolle
        • Automatisierung Standardisierung und neue Produktionssysteme
        • Qualitaumltsmanagement (QM) und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
        • Staumlndige Erreichbarkeit
        • Mobile Telearbeit
        • Flexible Arbeitszeitgestaltung
          • 3 Herausforderungen fuumlr die Mitbestimmung im Betrieb
          • 4 Fazit
          • 5 Zusammenfassung
          • Literatur