arbeitsrechtliche aspekte bei sanierung und restrukturierung

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Personalmaßnahmen, Interessenausgleich, Sozialplan, insolvenzrechtliche Aspekte und Qualifizierungskonzepte März 2021 www.der-betrieb.de Spezial Kündigung und Kurzarbeit 4 Sozialplan und Interessenausgleich 7 Freiwilligenprogramme 12 Transfergesellschaft 14 Massenentlassungsanzeige 18 Insolvenzplan und Haftungsrisiken 21 Arbeitsrechtliche Aspekte bei Sanierung und Restrukturierung EF AR In Kooperation mit:

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Page 1: Arbeitsrechtliche Aspekte bei Sanierung und Restrukturierung

Personalmaßnahmen, Interessenausgleich,Sozialplan, insolvenzrechtliche Aspekteund Qualifizierungskonzepte

März 2021www.der-betrieb.de

Spezial

Kündigung und Kurzarbeit ■ 4 Sozialplan und Interessenausgleich ■ 7 Freiwilligenprogramme ■ 12

Transfergesellschaft ■ 1 4 Massenentlassungsanzeige ■ 18 Insolvenzplan und Haftungsrisiken ■ 2 1

Arbeitsrechtliche Aspektebei Sanierung undRestrukturierung

E FAR

In Kooperation mit:

Page 2: Arbeitsrechtliche Aspekte bei Sanierung und Restrukturierung

Inhalt

E I N L E I T U N G

Vorbereitung ist King – das Fundament derRestrukturierungRA/FAArbR Thomas Niklas S. 2

K Ü N D I G U N G

Betriebsbedingte Kündigungen und KurzarbeitRAin/FAinArbR Katrin Peter S. 4

S O Z I A L P L A N U N DI N T E R E S S E N A U S G L E I C H

Grundzüge der SozialplangestaltungRAin Dr. Maren Henseler S. 7

Gestaltungsmöglichkeiten beimInteressenausgleichRA Dr. Björn Braun, LL.M. S. 10

F R E I W I L L I G E N P R O G R A M M E

Personalabbau mithilfe vonFreiwilligenprogrammenRA/FAArbR Dr. Tim Wißmann, LL.M. S. 12

T R A N S F E R G E S E L L S C H A F T

Planungssicherer Personalabbau mittelsTransfergesellschaftRAin Claudia Vey S. 14

M A S S E N E N T L A S S U N G

Massenentlassungsanzeigen richtig formulierenRA Dr. Michel Hoffmann, LL.B. S. 18

I N S O LV E N Z R E C H T

Sanierung von Unternehmen mittelsInsolvenzplanRA/FAArbR Thomas Faas S. 21

Haftungsrisiken bei (fehlender)InsolvenzantragungRA/FAArbR Thomas Faas S. 23

W E I T E R B I L D U N G

Qualifizierungschancengesetz:Weiterbildung in der KriseRA Dr. Thomas Köllmann S. 26

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DER BETRIEB Spezial

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Sanierung durchRestrukturierungLiebe Leserinnen und Leser,die Corona-Pandemie hat Deutschland und die Welt weiter fest im Griff. Nichtnur das gesellschaftliche Leben steht aufgrund der Kontaktbeschränkungen undsonstigen pandemiebedingten Restriktionen still. Zahlreiche Unternehmen sehensich trotz staatlicher Unterstützung bereits jetzt oder in absehbarer Zukunft miteiner existenzbedrohenden Krise konfrontiert. Und das betrifft nicht nur einzelneBranchen, sondern weitestgehend die gesamte Marktwirtschaft. Kurzarbeitergeld,Kredithilfen und Fördermittel sowie Steuererleichterungen werden möglicherweisevielfach nicht ausreichen, um den Fortbestand der Unternehmen zu sichern.

Vor diesem Hintergrund ist es absehbar, dass in den kommenden Wochen undMonaten in vielen Branchen Restrukturierungs- und Personalmaßnahmen in denFokus rücken werden. Wo können finanzielle Mittel freigemacht werden? Wie könnenUnternehmen auf die anhaltende Krise reagieren? Welche arbeitsrechtlichen Hand-lungsoptionen gibt es? Mit diesem Spezial möchten wir eine erste Orientierung zuden wichtigsten in diesem Zusammenhang auftretenden Fragen geben. Dies betrifftunter anderem die zielgerichtete strategische Vorbereitung einer Restrukturierung,den Personalabbau durch Freiwilligenprogramme oder unter Einbeziehung vonTransfergesellschaften, Interessenausgleich und Sozialplan sowie Anforderungenbei Massenentlassungen. Darüber hinaus kristallisieren sich aber auch schon insol-venzrechtliche Themen heraus, wie die Sanierung von Unternehmen im Rahmeneines Insolvenzplans und die Vermeidung möglicher Haftungsrisiken bei Insolvenz.Ergänzend wird beleuchtet, wie staatliche Förderungsangebote zur Weiterbildung derBelegschaft genutzt werden können, um die Wettbewerbsfähigkeit auch in Krisenzei-ten und danach nachhaltig zu stärken.

Unterstützt wurde dieses Spezial durch unseren Kooperationspartner, das Experten-forum Arbeitsrecht (#EFAR), mit dem wir zusammen auch die Webinar-Reihe „Exper-ten-Talks Arbeitsrecht“ durchführen. Das #EFAR ist ein Metablog zum Arbeitsrechtund bereitet Fachinformationen für die arbeitsrechtliche Community in Unterneh-men, Kanzleien und Verbänden auf. Und das in neuen Formen der Kommunikationund Kollaboration, die insbesondere der arbeitsrechtlichen Community helfen, effizi-enter und vernetzter zu arbeiten. Das #EFAR weist fortlaufend auf die Entwicklungenund Themen im Arbeitsrecht hin, die für die betriebliche und beratende Praxis vonInteresse sind bzw. sein sollten. Dazu beteiligt sich das #EFAR durch eigene Beiträgean der Diskussion. Sie finden das #EFAR online unter www.efarbeitsrecht.net.

Ich wünsche eine informative und gewinnbringende Lektüre dieses Spezials!

Claus Dettki, verantwortlicher [email protected]

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EDITORIAL

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2 DER BETRIEB Spezial

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Vorbereitung ist King – dasFundament der Restrukturierung

Eine gute Vorbereitung ist für eine erfolgreiche Restrukturierung unerlässlich

Wenngleich es in der Praxis aufgrund wirtschaftlicher Gegebenheiten nicht seltenschnell gehen muss, ist die profunde Vorbereitung einer Restrukturierung essenziell

wichtig für deren erfolgreiche Umsetzung. Versäumnisse oder Fehler, die dort erfolgen,lassen sich später vielfach nur noch schwer oder gar nicht mehr heilen.

RA/FAArbR Thomas Niklasist Partner bei Küttner Rechtsanwälte in Köln.

Kontakt: [email protected]

Gesellschaftsrechtlich oder arbeitsrechtlich?Die Hintergründe, Motive und Ziele von Restrukturierungensind vielfältig. Nicht weniger vielfältig sind die Gestaltungs-möglichkeiten. Insoweit ist zunächst zu klären, ob eine reingesellschaftsrechtliche Maßnahme – etwa in Form einesShare Deals – oder eine arbeitsrechtliche Maßnahme in Redesteht bzw. welche Möglichkeit sinnvoller ist. Bei rein gesell-schaftsrechtlichen Maßnahmen bestehen in der Regel diegeringsten Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte der Arbeit-nehmerseite. Deutlich aufwändiger wird es, wenn ein Abbauvon Personal, Veränderungen auf betrieblicher Ebene oderÜbertragungen von Betrieben in Rede stehen. Schlussendlichsind die arbeitsrechtlichen Implikationen aber nur ein Teil, diebei den Überlegungen zur Wahl der sinnvollsten Gestaltungs-möglichkeit eine Rolle spielen. Daneben zu beachten sindauch die sonstigen rechtlichen Auswirkungen, insbesonderein gesellschafts-, steuer- und vergaberechtlicher Hinsicht,sowie – nicht weniger wichtig – die personalpolitischen undbetriebspsychologischen Konsequenzen.

Liegt eine Betriebsänderung vor?Existiert ein Betriebsrat, ist eine weitere wesentliche Wei-chenstellung für die Durchführung einer Restrukturierungdie Frage, ob eine Betriebsänderung im Sinne der §§ 111 ff.BetrVG vorliegt, die zu den hierin geregelten Beteiligungs-rechten des Betriebsrats führt. Denn nach diesen Vorschriftenhat der Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig über geplanteMaßnahmen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaftoder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können,umfassend zu unterrichten und die geplante Betriebsän-derung mit dem Betriebsrat zu beraten. Daneben muss derArbeitgeber mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleichversuchen und – sofern mit der Restrukturierungsmaßnahmewirtschaftliche Nachteile verbunden sind – einen Sozialplanabschließen. Besteht im Unternehmen ein Wirtschaftsaus-schuss, ist dieser ebenfalls umfassend und unter Vorlage der

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relevanten Vereinbarungen und Regelungen (BestehenKündigungsverbote oder Standortgarantien? Existierennoch anwendbare Sozialpläne? Welche Kündigungsfristengelten? Wie weit reicht das arbeitsvertragliche Direktions-recht? Finden Tarifverträge – unmittelbar oder mittelsarbeitsvertraglicher Bezugnahme – Anwendung?). All dieseInformationen sind zu ermitteln und zu prüfen. Denn nurso ist es überhaupt möglich, die (bestmögliche) Art undWeise der Umsetzung zu erarbeiten, aber auch die Kostender Restrukturierung zu kalkulieren.

Realistische ZeitplanungZu der guten Vorbereitung einer Restrukturierung gehörteine realistische Zeitplanung. Denn insbesondere dann,wenn im Unternehmen ein Betriebsrat besteht und dieRestrukturierung eine Betriebsänderung im Sinne der§§ 111 ff. BetrVG darstellt, können sich die Verhandlungenüber einen dann zu versuchenden Interessenausgleichund ebenso regelmäßig notwendigen Sozialplan mehrereWochen und Monate hinziehen. Dies gilt insbesonderedann, wenn sich die Betriebsparteien nicht einigen könnenund der Gang in die Einigungsstelle notwendig wird. Füreine einvernehmliche Bestellung der Einigungsstelle bis zuderen ersten Zusammentreten ist insoweit ein Zeitraumvon rund zwei bis vier Wochen zu veranschlagen. Könnensich die Betriebsparteien jedoch auf die Person der bzw. desVorsitzenden bzw. die Anzahl der Beisitzer nicht einigen, isteine Bestellung durch das Arbeitsgericht erforderlich. Einederartige gerichtliche Bestellung dauert erfahrungsgemäß– gerechnet vom Zeitpunkt des Eingangs des Antrags-schriftsatzes beim Arbeitsgericht – zwischen vier und 16Wochen, die als worst case berücksichtigt werden sollten.Ausgehend hiervon sollte man vor einer Restrukturierungeinen möglichst detaillierten Ablaufplan erstellen, indemdie vorbereitenden Maßnahmen, die Verhandlungen sowiedie Umsetzung Schritt für Schritt hinterlegt sind. Neben derzeitlichen Komponente gehört hierzu auch die klare Zuwei-sung von Verantwortlichkeiten (Was? Wann? Wer?).

KommunikationSchließlich ist ein wesentlicher Bestandteil der Vorbereitungeiner Restrukturierung die Kommunikation gegenüber denInteressenvertretungen und der Belegschaft. Denn insbeson-dere dann, wenn sich die Maßnahme nicht in einem reinenPersonalabbau erschöpft, werden die Umsetzung und dasGelingen wesentlich davon beeinflusst, dass alle Beteiligtenvon Beginn an mitgenommen und von der Notwendigkeit derMaßnahme überzeugt werden bzw. diese zumindest akzeptie-ren. Da es sich zum einen um ein Terrain handelt, in welchemUnternehmen nicht tagtäglich unterwegs sind und zum ande-ren vielfach um negative Nachrichten, kann es sich mitunteranbieten, Kommunikationsdienstleister hinzuzuziehen, diebei der Vorbereitung der Kommunikation unterstützen. Jenach politischer Dimension und Umfang der Restrukturie-rung ist zudem die Kommunikation gegenüber der Presseund den Medien sowie gegenüber politischen „Playern“ nichtzu vergessen.

erforderlichen Unterlagen über die geplante Maßnahme zuunterrichten und sind diesem die sich daraus ergebendenAuswirkungen auf die Personalplanungen darzustellen. Dieshat noch vor, spätestens jedoch mit der Unterrichtung desBetriebsrats zu erfolgen.

Die Unterrichtungen erfolgen in der Regel mittels einerPräsentation oder – sofern die ausführlichere Variantegewählt wird – mittels eines sogenannten „Whitebooks“,wo die Hintergründe sowie die einzelnen Maßnahmen undder geplante Umsetzungszeitpunkt dargelegt werden. Auchwenn insoweit „lediglich“ eine Präsentation vorbereitet wird,ist zu berücksichtigen, dass die Aufbereitung der Daten unddie Vorbereitung der Dokumente zumeist aufwändig sindund nicht unerhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Dies giltumso mehr, wenn die Unterrichtungen im Sinne der §§ 111 ff.BetrVG und § 106 BetrVG im Falle einer Massenentlassung umdie dann notwendige Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 KSchGergänzt werden. Zudem sollten bereits in diesem Stadium dieInformationen gesammelt werden, die für die Beantwortungzu erwartender Fragen des Betriebsrats erforderlich sind.Anderenfalls hat der Betriebsrat gleich zu Beginn ein probatesMittel, um den Auftakt der Verhandlungen hinauszuzögern,indem er sich auf die nicht hinreichende Information derArbeitnehmervertreter beruft.

Wer ist Verhandlungspartner?Wer der richtige Verhandlungspartner ist, richtet sich nachder unternehmerischen Entscheidung. Denn es ist derArbeitgeber, der über den Umfang der Maßnahme und damitauch darüber bestimmt, wer sein Verhandlungspartner ist.Für die Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte nach §§ 111ff. BetrVG ist in der Regel der örtliche Betriebsrat zuständig.Entscheidet sich der Arbeitgeber hingegen für betriebs- oderunternehmensübergreifende Restrukturierungsmaßnah-men, obliegt – deren Bestehen vorausgesetzt – die Verhand-lung zumindest des Interessenausgleichs regelmäßig demGesamt- oder Konzernbetriebsrat, sofern es zwingend einereinheitlichen Vereinbarung bedarf. Selbst wenn zunächstnur eine betriebsbezogene Restrukturierung geplant ist,eröffnet dies dem Arbeitgeber wichtige Gestaltungsspiel-räume bezüglich der zu beteiligenden Gremien. Schließlichspielen bei den Verhandlungen nicht nur rechtliche, sondernauch taktische und politische Gesichtspunkte eine nichtunwesentliche Rolle.

Due DiligenceSind die Grundlagen der geplanten Restrukturierung umris-sen, ist in der Regel eine interne Due Diligence unerlässlich,bei der die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse desUnternehmens umfassend geprüft werden. Schließlich sindfür die Wahl der richtigen Gestaltung und Vorgehensweiseder rechtliche und tatsächliche Rahmen sowie die jeweiligeInteressenlage maßgeblich. Aus arbeitsrechtlicher Sichtbeinhaltet dies insbesondere die Ermittlung der tatsächli-chen Ist-Struktur (Wie ist die Betriebs- und Beschäftigten-struktur? Wie ist die Vergütungsstruktur? Welche Sozial-daten haben die Arbeitnehmer?) sowie der arbeitsrechtlich

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Betriebsbedingte Kündigungenund Kurzarbeit

Häufige Fehlerquellen und wie Fallstricke vermieden werden können

Genügen Kurzarbeit und staatliche Schutzschirm-Maßnahmen nicht mehr, um die wirt-schaftliche Situation zu stabilisieren, ist für viele Unternehmen ein Personalabbau un-

vermeidbar. Welche Aspekte im Zusammenspiel von betriebsbedingten (Beendigungs-)Kündigungen und Kurzarbeit zu beachten sind und welche Fehlerquellen es zu vermei-

den gilt, wird nachfolgend dargestellt.

RAin/FAinArbR Katrin Peterist Associate bei Küttner Rechtsanwälte in Köln.

Kontakt: [email protected]

Sind betriebsbedingte Kündigungen trotz Kurzarbeitmöglich?Während betriebsbedingte Kündigungen einen dauer-haften Arbeitsausfall voraussetzen, verlangt die Kurz-arbeit (resp. die Gewährung von Kurzarbeitergeld), dassder Arbeitsausfall nur vorübergehend ist. Hieraus folgtzunächst, dass Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündi-gung sich grundsätzlich ausschließen. Denn liegt nur einvorübergehender Arbeitsausfall vor, steht dies dem erfor-derlichen endgültigen Wegfall des Beschäftigungsbedarfsals Voraussetzung einer betriebsbedingten Kündigung ent-gegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass betriebsbedingteKündigungen während der Kurzarbeit generell unzulässigwären. Im Gegenteil: Der Frage, ob der Arbeitsausfall vorü-bergehend oder endgültig ist, liegt eine prognostische Ent-scheidung zu Grunde. Die Umstände und die Perspektivehinsichtlich des zukünftigen Arbeitsausfalls können sichim Laufe der Zeit ändern, so dass sich die einst getroffeneprognostische Entscheidung als unzutreffend erweist. DieUmstände können sich so ändern, dass der Arbeitsausfallendgültig ist und dies so eine betriebsbedingte Kündigungrechtfertigen kann.

Betriebsbedingte Kündigungen während einer Kurzar-beit sind damit zwar nicht ausgeschlossen – zu beachten istjedoch, dass manche Vereinbarungen zur Kurzarbeit einenAusschluss von betriebsbedingten Kündigungen währendder Kurzarbeit oder auch darüber hinaus vorsehen. Ein sol-cher Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen findet sichhäufig in Betriebsvereinbarungen oder tarifvertraglichenRegelungen. Der Umfang derartiger Restriktionen muss daherim Vorfeld geprüft und beachtet werden.

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5DER BETRIEB Spezial

DB-Spezialwww.der-betrieb.de Restrukturierung

„Auch während der Corona-Pandemieist beim Aufeinandertreffen von Kurz-arbeit und betriebsbedingten Kündi-

gungen erhöhte Sorgfalt geboten.“

haben, einen dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfsbedingen. Durch die Anzeige von Kurzarbeit und die Gewäh-rung von Kurzarbeitergeld wird zunächst indiziert, dass dasUnternehmen nur von einem vorübergehenden Arbeitsausfallausgegangen ist. Schwenkt das Unternehmen um und gehtvon einem dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfsaus, trifft es eine erhöhte Darlegungs- und Beweislast ineinem etwaigen Kündigungsschutzprozess. So muss wider-spruchsfrei dargestellt werden können, aufgrund welcherspäter eingetretenen, weiteren Umstände eine korrigierendeunternehmerische Entscheidung getroffen worden ist, dieden Beschäftigungsbedarf nunmehr endgültig entfallen lässt.Dies bedeutet: Damit die Indizwirkung beseitigt werden kann,muss sich die Situation im Unternehmen und die Einschät-zung über den zukünftigen Arbeitskräftebedarf nach Einfüh-rung der Kurzarbeit verändert haben.

Besonders herausfordernd gestaltet sich die Situationfür den Arbeitgeber, wenn er sich zur Begründung seinerunternehmerischen Entscheidung auf sog. außerbetrieblicheUmstände berufen will, wie z. B. anhaltende wirtschaftlicheVerluste, Auftragsrückgang oder Gewinnverluste. In diesemFall können Arbeitsplätze auch nur in dem Umfang abge-baut werden, wie dies durch die geltend gemachten äußerenUmstände bedingt ist. Letzteres muss das Unternehmenabbilden können. Gelingt eine solche Darlegung nicht oderist die Kalkulation des Unternehmens nach Auffassung desGerichts unzutreffend, ist die Kündigung unwirksam. Inner-betriebliche Umstände demgegenüber, wie z. B. der Abbaueiner Hierarchieebene oder die Schließung einer Abteilung,werden seitens der Gerichte lediglich auf ihre Willkür hinüberprüft. Gleichwohl muss der Arbeitgeber auch in einersolchen Konstellation darlegen können, warum aufgrund derUmsetzung der unternehmerischen Entscheidung der Arbeits-bedarf endgültig entfällt. Die Umsetzung eines unternehmeri-schen Konzeptes, welches beispielsweise auf eine allgemeinePersonalreduzierung um 10 % hinausläuft, ist daher besondersherausfordernd.

Keine unternehmensweite Weiterbeschäftigungs-möglichkeitBesondere Sorgfalt ist auch hinsichtlich der Frage geboten,ob es anderweitige, freie Arbeitsplätze gibt, auf denen der von

Es ist auch denkbar, dass innerhalb eines Betriebs in einerBetriebsabteilung Kurzarbeit eingeführt wird, während ineiner anderen Betriebsabteilung aufgrund einer eigenständi-gen unternehmerischen Entscheidung eine Restrukturierung,bspw. in Form eines Personalabbaus, durchgeführt wird. Diesist möglich. Kurzarbeit wird in diesen Fällen nur gegenüberArbeitnehmern eingesetzt, deren Arbeitsplätze gerade nichtabgebaut werden sollen, so dass in dem anderen, abgrenzba-ren Bereich ein Personalabbau umgesetzt werden kann.

Was sind die Voraussetzungen einer betriebsbeding-ten Kündigung?Voraussetzung einer jeden betriebsbedingten Kündigung ist,dass dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, die denWeiterbeschäftigungsbedarf des betroffenen Arbeitnehmersim Betrieb dauerhaft entfallen lassen. Dies bedeutet:

• Es müssen außer- oder innerbetriebliche Umstände vorlie-gen, aus denen sich ein dauerhafter Wegfall des Beschäfti-gungsbedarfs ergibt,

• es gibt unternehmensweit keine Weiterbeschäftigungs-möglichkeiten für den Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatzwegfällt und

• eine auf den Betrieb bezogene Sozialauswahl hat ergeben,dass der zu kündigende Arbeitnehmer sozial am wenigs-ten schutzwürdig ist.

Allein aufgrund der Corona-Pandemie bestehen keineErleichterungen hinsichtlich der Wirksamkeit einer betriebs-bedingten Kündigung. Dass diese nicht zum „Selbstläufer“wird, wurde inzwischen auch durch mehrere erstinstanz-liche Urteile bestätigt. Insbesondere in den Konstellationen,in denen ein von Kurzarbeit betroffener Arbeitnehmerbetriebsbedingt gekündigt werden soll, ist ganz im Gegenteilerhöhte Sorgfalt im Rahmen der Vorbereitung der Kündi-gung geboten.

Korrigierende unternehmerische Entscheidung erfor-derlichSoll ein Personalabbau in einem Betrieb resp. in einer Betriebs-abteilung durchgeführt werden, in der zuvor noch Kurzarbeitbestand, muss der Arbeitgeber zunächst inner- oder außer-betriebliche Umstände vorbringen können, die jenseits derGründe, die bereits zur Einführung der Kurzarbeit geführt

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6 DER BETRIEB Spezial

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„Das Zusammenspiel von Kurzarbeitund betriebsbedingter Kündigung

erfordert eine sorgfältige Vorbereitungder Personalabbaumaßnahmen.“

Anhand der Kriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter,Unterhaltspf lichten und Schwerbehinderung vollziehtsich sodann die eigentliche Sozialauswahl innerhalbder Vergleichsgruppe. Nicht mit einzubeziehen sind sog.Leistungsträger sowie Arbeitnehmer, die zum Zeitpunktdes Ausspruchs der Kündigung aufgrund eines Sonder-kündigungsschutzes nicht ordentlich kündbar sind. EineAusklammerung von Leistungsträgern bleibt in der Praxisjedoch die Ausnahme; sie ist für den darlegungs- undbeweisbelasteten Arbeitgeber regelmäßig nur sehr schwerzu begründen.

Was sind die Folgen einer betriebsbedingten Kündi-gung von Arbeitnehmern in Kurzarbeit?Mit dem Zugang der Kündigung ist das Arbeitsverhältnisnicht mehr „ungekündigt“. Dies bedeutet, dass auch Kurzar-beitergeld nicht mehr bezogen werden kann. Der Anspruchauf Kurzarbeitergeld entfällt ab dem nächsten Tag.

In der Praxis stellt sich dann die Frage, in welcher Höheder Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss. Dies hängt vondem Inhalt der Kurzarbeitsvereinbarung ab: Wurde einesog. Kopplungsklausel vereinbart, wonach die Kurzarbeitnur dann ihre Wirkung entfaltet, wenn die Voraussetzun-gen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld vorliegen, istder Arbeitgeber gehalten, mit dem kündigungsbedingtenWegfall der Kurzarbeit grundsätzlich die volle Vergütungzu gewähren. Ist die Kurzarbeit demgegenüber nicht andie Zahlung des Kurzarbeitergeldes gekoppelt, muss derArbeitgeber Arbeitslohn grundsätzlich nur in Höhe dergekürzten Arbeitszeit leisten. Wurde indes die Zahlung einesAufstockungsbetrags vereinbart, ist auch dieser grundsätz-lich weiterzuzahlen.

FazitDas Zusammenspiel von Kurzarbeit und betriebsbedingterKündigung erfordert eine sorgfältige Vorbereitung der Perso-nalabbaumaßnahmen. Um Fallstricke zu vermeiden, bedarf eseines gut dokumentieren Restrukturierungskonzeptes. Diesnicht zuletzt, um auch spezifische Folgefragen, wie beispiels-weise das Vorliegen einer sozialplanpflichtigen Betriebsände-rung oder einer notwendigen Massenentlassungsanzeige, imBlick zu behalten.

der Kündigung betroffene Arbeitnehmer weiterbeschäftigtwerden kann. Der Arbeitgeber muss von sich aus das Vorliegeneines freien Arbeitsplatzes prüfen und diesen dem Arbeitneh-mer vor bzw. mit Ausspruch der Kündigung, ggf. im Wegeeiner Änderungskündigung, anbieten.

In der Praxis werden häufig zwei Dinge übersehen: Zumeinen ist die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nicht nurbetriebs-, sondern unternehmensweit zu prüfen. Hierzu gehörtauch die Frage, ob der Arbeitnehmer auf dem freien Arbeits-platz nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaß-nahmen beschäftigt werden kann. Zum anderen sind auch„geringerwertige“, freie Arbeitsplätze anzubieten, d.h. solche,die nur zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vor-handen sind, sog. Vorrang der Änderungskündigung. Ledig-lich höherwertige Arbeitsplätze sind nicht zu berücksichtigen,es besteht „kein Anspruch auf Beförderung“. Gibt es parallelzu dem Personalabbau Stellenausschreibungen, macht diesden Ausspruch (wirksamer) Beendigungskündigungen umsoschwerer oder gar unmöglich.

Betriebsbezogene SozialauswahlIn einem letzten Schritt muss der Arbeitgeber überprüfen,ob der zu kündigende Arbeitnehmer auch der unter sozialenGesichtspunkten am wenigsten schutzwürdige ist.

Im Rahmen der Sozialauswahl muss der Arbeitgeber keine„punktgenaue“ Auswahl treffen – gibt es mehrere vertretbareEntscheidungen mit einer angemessenen Berücksichtigungder Sozialdaten, ist die Sozialauswahl nicht zu beanstanden.Es gibt also nicht zwangsläufig nur eine richtige Auswahlent-scheidung.

In die Sozialauswahl sind zunächst die Arbeitnehmer desBetriebs einzubeziehen, die vergleichbar sind. Vergleichbar sindalle Arbeitnehmer, die im Wege des Direktionsrechts gegenseitigausgetauscht werden können. Voraussetzung für die Vergleich-barkeit ist weiter, dass die Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatzentfällt, die Funktion eines oder mehrerer anderer Arbeitnehmerauf der Grundlage der vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeitenund unter Berücksichtigung einer zumutbaren Einarbeitungs-zeit – zugrundezulegen sind in der Regel rund drei Monate –übernehmen können. Dies wird in der Regel anzunehmen sein,wenn die Mitarbeiter sich auch während des Urlaubs vertretenoder es einen sonstigen Personalaustausch gibt.

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Grundzüge der SozialplangestaltungWelche Inhalte notwendig, welche sinnvoll sind und was es dabei im Zusammenspiel mit dem Betriebsrat

zu beachten gilt

Liegt eine Betriebsänderung im Sinne der §§111 ff. BetrVG vor, hat der Arbeitgeber mitdem Betriebsrat nicht nur einen Interessenausgleich zu verhandeln. Vielmehr geht dies

regelmäßig auch mit einer Verpflichtung zum Abschluss eines Sozialplans einher.

RAin Dr. Maren Henselerist Associate bei Küttner Rechtsanwälte in Köln.

Kontakt: [email protected]

Was regelt der Sozialplan?Während der Interessenausgleich das ob, wann und wieeiner Betriebsänderung regelt, ist es gemäß § 112 Abs. 1Satz 2 BetrVG die Aufgabe des Sozialplans, etwaig hierausresultierende wirtschaftliche Nachteile der Arbeitnehmerauszugleichen bzw. zumindest abzumildern. Neben demklassischen „Abfindungssozialplan“ im Fall von Entlassungenhaben Sozialpläne in der Praxis insoweit beispielsweise auchdie mögliche Nutzung von Förderungsmöglichkeiten zurEingliederung von Arbeitnehmern in den Arbeitsmarkt undQualifizierungsmaßnahmen zum Gegenstand.

Wann besteht eine Sozialplanpflicht?Im Grundsatz kann der Betriebsrat bei jeder Betriebsänderungim Sinne der §§ 111 ff. BetrVG einen Sozialplan verlangen,sofern

a) die Betriebsänderung mit wirtschaftlichen Nachteilenverbunden ist und

b) kein Ausnahmetatbestand des § 112a BetrVGvorliegt. Anders als beim Interessenausgleich, der zwischenden Betriebsparteien nur – wenn auch bis in die Einigungs-stelle – versucht werden muss, kann der Betriebsrat denAbschluss eines Sozialplans mithin in der Regel erzwingen;kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, soentscheidet gemäß § 112 Abs. 4 BetrVG die Einigungsstelleüber die Aufstellung des Sozialplans durch einen Spruch.

Ausnahmen von der SozialplanpflichtEine Verpflichtung zum Abschluss eines Sozialplans bestehtnicht, wenn die Betriebsänderung nicht mit wirtschaftlichenNachteilen verbunden ist. Dies ist vielfach etwa dann der Fall,wenn Betriebsteile ausgegliedert und im Wege eines Betriebs-teilübergangs gemäß § 613a BGB auf ein anderes Unterneh-men übertragen werden. Behalten die hiervon betroffenenArbeitnehmer ihre Arbeitsplätze letztlich unverändert undohne örtliche Veränderung, sodass noch nicht einmal eineverlängerte Fahrtstrecke auszugleichen wäre, besteht für denAbschluss eines Sozialplans kein Raum.

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8 DER BETRIEB Spezial

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„Bei der Entscheidung, welche Nachteile in welchemUmfang ausgeglichen oder gemindert werden sollen,

sind die Betriebsparteien im Wesentlichen frei.“

haben sie aber einerseits Sinn und Zweck des Sozialplans(=Ausgleich oder Milderung der wirtschaftlichen Nachteile) undandererseits den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehand-lungsgrundsatz sowie Diskriminierungsverbote zu beachten.

Berechnung von AbfindungenGeht die Betriebsänderung mit Entlassungen einher, sehen dieSozialpläne nach wie vor zumeist Rechenformeln vor, anhandderer die Abfindungen berechnet werden. Die gängigstenFormeln sind hierbei die Faktorformel (Bruttomonatsgehalt× Betriebszugehörigkeit × Faktor) sowie die Divisorformel,die zusätzlich noch das Alter der Arbeitnehmer berücksich-tigt (Bruttomonatsgehalt × Betriebszugehörigkeit × Alter /Divisor). Wenngleich diese Formeln für alle Beteiligten leichtkalkulierbar sind und nicht zuletzt deshalb die Verhandlun-gen mit dem Betriebsrat erleichtern, verkennen sie doch dieÜberbrückungsfunktion des Sozialplans. Schließlich sollmit den Abfindungen nicht ein Treuebonus für vergangeneDienste geleistet, sondern die Zeit einer zu befürchtendenArbeitslosigkeit in der Zukunft überbrückt werden. Einzel-fallbezogene Abfindungskalkulationen entsprechen diesemZweck insoweit deutlich mehr und sind – je nach Branche undArbeitsmarktsituation – auch mitunter deutlich günstiger alsdas „Gießkannenprinzip“. Allerdings bedürfen sie auch einerdeutlich intensiveren Vorbereitung und werden von Betriebs-räten nach wie vor vielfach abgelehnt.

In welcher Art und Weise die mit der Betriebsänderungeinhergehenden wirtschaftlichen Nachteile sonst ausgegli-chen oder gemildert werden können, hängt schlussendlich vonden einzelnen Nachteilen ab. Bei Entlassungen können bei-spielsweise auch Überbrückungsgelder zur Aufstockung desArbeitslosengeldes und Outplacementleistungen vereinbartwerden, bei Betriebsverlagerungen kommen demgegenüber inder Regel die Erstattung oder zumindest Beihilfen zu Fahrt-und Umzugskosten in Betracht, bei der Einführung neuerArbeitsmethoden und Fertigungsverfahren die Übernahmevon Umschulungs- und Fortbildungskosten.

Hinweis: Dem Sozialplan kommt nicht zuletzt auch eineSteuerungsfunktion zu. Je nachdem, was mit der Betriebs-änderung bezweckt ist, kann es sich empfehlen, großzügigeUmzugs- oder andere Unterstützungsleistungen bei geringe-ren Abfindungszahlen vorzusehen (wenn bei einer Betriebs-verlegung ein Großteil der Belegschaft beibehalten werdensoll) oder aber durch besonders hohe Abfindungen Anreizezum Ausscheiden zu setzen.

Erschöpft sich die geplante Betriebsänderung in dem Abbauvon Personal, ist ein Sozialplan demgegenüber nur erzwingbar,wenn die in § 112a Abs. 1 BetrVG genannten Schwellenwerteüberschritten sind, und zwar

• in Betrieben mit in der Regel weniger als 60 Arbeitneh-mern: 20% der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer,aber mindestens 6 Arbeitnehmer,

• in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und wenigerals 250 Arbeitnehmern: 20% oder mindestens 37 Arbeit-nehmer,

• in Betrieben mit in der Regel mindestens 250 und wenigerals 500 Arbeitnehmern: 15% oder mindestens 60 Arbeit-nehmer,

• in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitneh-mern: 10%, aber mindestens 60 Arbeitnehmer.

Vorsicht: Sind die Schwellenwerte des § 112a Abs. 1 BetrVGnicht überschritten, bedeutet dies nicht, dass der Arbeitge-ber gar nicht erst über den Sozialplan verhandeln muss. DerAbschluss ist lediglich nicht erzwingbar.

Darüber hinaus enthält § 112a Abs. 2 BetrVG eine Pri-vilegierung für neugegründete Unternehmen. Damit dieseGelegenheit haben, sich im Markt zu etablieren sowie ihreStruktur zu finden und zu festigen, besteht innerhalb der ers-ten vier Jahre nach Neugründung ebenfalls keine Pflicht zumAbschluss von Sozialplänen (§ 112a Abs. 2 BetrVG).

Vorsicht: Da mit der Vorschrift unternehmerisches Neu-engagement privilegiert werden soll, findet die Regelung aufdurch rechtliche Umstrukturierung „neu“ entstandene Unter-nehmen ebenso wenig Anwendung wie auf Fälle, in denen dasneue Unternehmen bei Fortführung der bisherigen Aktivitätenlediglich pro forma oder zu dem Zweck gegründet wurde, umeinen Betrieb zu übernehmen, der dann stillgelegt wird.

Was kann, darf und sollte geregelt werden?Bei der Entscheidung, welche Nachteile in welchem Umfangausgeglichen oder gemindert werden sollen, sind die Betriebs-parteien im Wesentlichen frei. Ausgehend von der zukunfts-bezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion habendie Betriebsparteien insoweit einen großen Beurteilungs- undGestaltungsspielraum. Der Beurteilungsspielraum betrifft dietatsächlich mit der Betriebsänderung für die Arbeitnehmerverbundenen wirtschaftlichen Folgen. Im Rahmen ihres Gestal-tungsspielraums können die Betriebsparteien sodann festlegen,ob, in welchem Umfang und wie sie die prognostizierten wirt-schaftlichen Nachteile ausgleichen oder abmildern. Hierbei

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DB-Spezialwww.der-betrieb.de Restrukturierung

„Liegt eine Betriebsänderung vor, istder Abschluss eines Sozialplans zumeist

zwingend.“

bei ihrer Entscheidungsfindung an den – nicht abschließendaufgezählten – Grundsätzen des § 112 Abs. 5 BetrVG zu orien-tieren. Dies hat nicht zuletzt Auswirkungen auf die Ober- undUntergrenze des Sozialplanvolumens. Während es außerhalbeines Insolvenzverfahrens keine absolute Höchstgrenze fürSozialplanabfindungen gibt, darf das von der Einigungsstellefestgelegte Gesamtvolumen nicht den Betrag überschreiten,der für den vollen Ausgleich aller wirtschaftlichen Nachteileder Arbeitnehmer erforderlich ist. Andererseits ist zu beach-ten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nachDurchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeits-plätze nicht gefährdet werden. Als maßgebliche Untergrenzemuss die Einigungsstelle mindestens Leistungen vorsehen,die im Einzelfall noch als spürbare Milderung der wirtschaft-lichen Nachteile angesehen werden können.

Hinweis: In einer jüngeren Entscheidung hat das Bundes-arbeitsgericht insoweit einen Einigungsstellenspruch noch alsermessensgemäß erachtet, der für die Berechnung der Abfin-dungen – neben Zuschlägen für Unterhaltsverpf lichtungenund Schwerbehinderungen – die übliche Faktorformel und imHinblick auf die Faktoren eine Staffelung nach Altersgruppenund – abhängig von der jeweiligen Altersgruppe – Faktorenzwischen 0,15 und 0,32 vorsah.

Eine Einigungsstelle kostet Zeit und Geld. Je nach Verlaufder Verhandlungen und den Forderungen des Betriebsratsist der Gang in die Einigungsstelle aber durchaus hilfreich,um ein adäquates Ergebnis zu zielen. Dies gilt insbesonderedann, wenn der Betriebsrat auf Forderungen beharrt, die nichtspruchfähig sind, d. h. nicht durch den Spruch der Einigungs-stelle erzwungen werden können (Ausschluss von Kündigun-gen für die Zukunft, Standortgarantien etc.).

FazitLiegt eine Betriebsänderung vor, ist der Abschluss eines Sozi-alplans zumeist zwingend. Um insoweit ein für alle Beteiligtenakzeptables Ergebnis zu erzielen, ist eine intensive Vorberei-tung unerlässlich, bei der die zu erwartenden Nachteile fürdie Arbeitnehmer in Form von Analysen insbesondere derAltersstruktur, der Qualifikationen der Arbeitnehmer und desörtlichen Arbeitsmarkts zu beleuchten sind. Aber auch dann,wenn der Betriebsrat den Abschluss eines Sozialplans nichterzwingen kann, ist nicht selten der Abschluss eines freiwilli-gen Sozialplans zu empfehlen. Schließlich führt ein Sozialplanin der Regel auch zu einer deutlich höheren Akzeptanz derBetriebsänderung in der Belegschaft.

Wichtig ist, dass in dem Sozialplan nur solche Regelungen mitaufgenommen werden können und sollten, die dem Ausgleichoder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile dienen.Verständigen sich die Betriebsparteien darauf, dass sich dieAbfindung im Falle eines Klageverzichts oder des Abschlusseseines Aufhebungsvertrags erhöht, sollte dies daher stets ineiner gesonderten Betriebsvereinbarung erfolgen.

Differenzierung von BeschäftigtengruppenDem Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum der Betriebs-parteien unterfällt auch, Beschäftigtengruppen bei den Sozi-alplanleistungen unterschiedlich zu behandeln. So können imFalle von Entlassungen etwa Arbeitnehmer von den Sozial-planleistungen ausgenommen werden, deren Arbeitsverhältnisunabhängig von der Betriebsänderung – etwa aufgrund einerBefristung oder einer wirksamen personen- oder verhaltens-bedingten Kündigung – endet, die sich weigern, einen zumut-baren Arbeitsplatz im Betrieb, Unternehmen oder Konzernanzunehmen oder dem Übergang ihres Arbeitsverhältnissesgemäß § 613a BGB auf einen Dritten widersprechen. Ebenso istes zulässig, rentennahe Jahrgänge, die entweder unmittelbarnach Ausscheiden oder nach dem zwischenzeitlichen Bezugvon Arbeitslosengeld abschlagsfrei in Altersrente gehen können,vollständig von den Sozialplanleistungen auszunehmen oderzumindest eine Begrenzung der Abfindung vorzusehen. Hierbeisind aber stets der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbe-handlungsgrundsatz sowie sonstige Diskriminierungsverboteim Blick zu behalten. Die Kürzung oder gar der Ausschlussvon Sozialplanleistungen für Personen, die aufgrund einerSchwerbehinderung vorzeitig Rente beziehen können, ist dem-entsprechend unzulässig, da hierin eine (ungerechtfertigte)Benachteiligung wegen einer Behinderung läge.

Hinweis: Insbesondere, wenn zu erwarten ist, dass sichdie Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen mitdem Betriebsrat länger hinziehen oder die Umsetzung derBetriebsänderung in Tranchen erfolgen soll, empfiehlt essich, Stichtagsregelungen zu vereinbaren, um den Kreis der(jeweils) anspruchsberechtigten Beschäftigten nicht übermä-ßig auszuweiten.

Der Sozialplan in der EinigungsstelleKönnen die Betriebspartner sich nicht auf einen Sozialplaneinigen, erfolgt die Aufstellung mittels eines Spruchs durchdie Einigungsstelle. Anders als die Betriebsparteien ist dieEinigungsstelle insoweit nicht völlig frei, sondern hat sich

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Gestaltungsmöglichkeiten beimInteressenausgleich

Ist eine geplante Restrukturierungsmaßnahme als Betriebsänderung im Sinne der§§ 111 ff. BetrVG zu qualifizieren, hat der Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig undumfassend über die geplanten Maßnahmen zu unterrichten und diese mit dem Be-

triebsrat zu beraten. Dabei muss er auch einen Interessenausgleich versuchen.

RA Dr. Björn Braun, LL.M.ist Associate bei Küttner Rechtsanwälte in Köln.

Kontakt: [email protected]

Vorliegen einer BetriebsänderungAls Betriebsänderung im Sinne der §§ 111 ff. BetrVG ist grundsätz-lich jede Änderung der betrieblichen Organisation, der Struktur,des Tätigkeitsbereichs, der Arbeitsweise, der Fertigung, des Stand-orts etc. zu qualifizieren, sofern sie wesentliche Nachteile für dieBelegschaft oder erhebliche Teile derselben zur Folge haben kann(vgl. § 111 Satz 3 BetrVG). Nach der ständigen Rechtsprechung desBundesarbeitsgerichts (BAG) kann eine Betriebsänderung auchdurch bloßen Personalabbau erfolgen. Voraussetzung hierfür ist,dass der Personalabbau – bezogen auf den jeweiligen Betrieb –eine relevante Zahl von Arbeitnehmern erfasst. Maßgebend sindinsoweit die Zahlen des § 17 KSchG, wobei in größeren Betriebenmindestens fünf Prozent der Belegschaft ausreichend sind.

Was regelt der Interessenausgleich?Der Interessenausgleich regelt, ob, wann und wie die geplanteunternehmerische Maßnahme durchgeführt werden soll. Erbeinhaltet demnach Bestimmungen zur organisatorischenDurchführung der geplanten Betriebsänderung und zu den damitverbundenen personellen Maßnahmen. Die konkreten Regelun-gen richten sich dabei stets nach dem Inhalt der Planungen desArbeitgebers, beispielsweise ob dieser eine Betriebsverlagerungoder eine Betriebsschließung beabsichtigt. Dementsprechendunterscheiden sich die Inhalte von Interessenausgleichsverein-barungen je nach Ausgangssachverhalt teils erheblich.

Neben der Beschreibung der Maßnahmen ist ein wesentlicherBestandteil eines Interessenausgleichs, wie die vom Arbeitgebergeplanten Maßnahmen konkret durchgeführt werden sollen. Hierist besondere Sorgfalt auf die detaillierte Festlegung der einzelnenUmsetzungsakte, etwa in Form von Versetzungen und Kündigun-gen, zu legen. Während der Arbeitgeber ein starkes Interesse daranhat, dass seine unternehmerische Planung in Gänze umgesetztwird, drängt der Betriebsrat im Sinne der betroffenen Arbeitneh-mer in der Regel darauf, dass die geplanten Maßnahmen zumindestabgemildert werden. Dabei kann Ergebnis der Verhandlungenbei Personalabbaumaßnahmen etwa sein, dass die Anzahl derursprünglich zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer reduziertoder anstatt einer ursprünglich vorgesehenen kompletten Betriebs-stillegung nur einzelne Abteilungen geschlossen werden. AuchFolgefragen aus der Umsetzung der geplanten Betriebsänderung,beispielsweise Regelungen zum Aufbau von neuen Arbeitsplätzen

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zu erleichtern, sieht das Kündigungsschutzgesetz vor, dass dieBetriebsparteien im Interessenausgleich die Arbeitnehmer, denengekündigt werden soll, namentlich bezeichnen können (Interessen-ausgleich mit Namensliste). Ist dies der Fall, wird gemäß § 1 Abs. 5Satz 1 KSchG vermutet, dass die Kündigungen durch dringendebetriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingtsind. Zudem kann die vom Arbeitgeber vorgenommene Sozialaus-wahl dann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 1Abs. 5 Satz 2 KSchG). Dies stellt in Kündigungsschutzverfahreneinen wesentlichen Vorteil für den Arbeitgeber dar. Wegen dieserVerkürzung des Rechtsschutzes der Arbeitnehmer lässt sich derBetriebsrat seine Mitwirkung an der Vereinbarung eines Interes-senausgleichs mit Namensliste – sofern er hierzu überhaupt bereitist – in der Regel allerdings teuer „bezahlen“, d. h. er macht die Ver-einbarung jedenfalls der Namensliste meist vom Abschluss eineshochdotierten Sozialplans abhängig. Dem geschilderten Vorteileines Interessenausgleichs mit Namensliste stehen dementspre-chend regelmäßig erhöhte Zahlungsverpflichtungen auf Arbeitge-berseite als im Falle eines Interessenausgleichs ohne Namenslistegegenüber.

PunkteschemaEine weitere mögliche Erleichterung bei der Umsetzung einerBetriebsänderung stellt der Abschluss einer Auswahlrichtlinie inForm eines Punkteschemas dar. Im Rahmen eines solchen Sche-mas werden die vier für die Durchführung der Sozialauswahlwesentlichen sozialen Kriterien (Lebensalter, Betriebszugehörig-keit, Schwerbehinderung und Unterhaltspflichten) mit Punktenbewertet, sodass anhand der Summe der jeweiligen Punkte diesozial am wenigsten schutzwürdigen Arbeitnehmer innerhalbeiner Vergleichsgruppe klar und eindeutig benannt werdenkönnen. Die Bewertung, bei der den Betriebsparteien ein Ermes-sensspielraum zukommt, kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeitüberprüft werden. Dieser Vorteil sollte aber nicht überbewertetwerden, zumal auch ohne Punkteschema die vier sozialen Kri-terien nur „ausreichend“ berücksichtigt werden müssen. DieVerhandlungen über ein Punkteschema kosten des Weiteren Zeit,die ggf. knapp ist. Schließlich ist ein Punkteschema – lässt mantarifliche Auswahlrichtlinien einmal außen vor – zwingend ineiner Betriebsvereinbarung zu regeln. Soll der Interessenausgleichnicht in Form einer Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden,ist insoweit unbedingt darauf zu achten, dass das Punkteschemain einer gesonderten Betriebsvereinbarung geregelt wird.

FazitAnders als vielfach in der Praxis behauptet, kann der Betriebsratdie Umsetzung einer Restrukturierung einschließlich einerBetriebsänderung nicht verhindern, sondern lediglich verzögern.Hierfür sind jedoch eine rechtzeitige Vorbereitung und Einbindungdes Betriebsrats erforderlich. Der erste Entwurf des Interessenaus-gleichs sollte dabei stets vom Arbeitgeber kommen. Da die jewei-ligen Maßnahmen regelmäßig aus unterschiedlichen operativenAbteilungen stammen, sollte bei der Vorbereitung hinreichendzeitlicher Spielraum eingeplant werden, um die Maßnahmen zusammeln, aufeinander abzustimmen und zutreffend zu beschrei-ben. Ist die Maßnahme zugleich massenentlassungspflichtig,erhöhen sich der zeitliche Vorlauf und der Aufwand im Hinblickauf das dann nach § 17 KSchG zu beachtende Konsultationsver-fahren noch einmal deutlich. Im Ergebnis bedeutet eine profundeVorbereitung sodann aber weniger Risiken bei der Umsetzung.

an anderen Standorten und deren Besetzung, können Gegenstanddes Interessenausgleichs sein. Schließlich kommt dem zeitlichenAblauf der geplanten Restrukturierungsmaßnahme vielfach eineentscheidende Bedeutung zu, also wann mit ihr begonnen werdenkann und wann diese abgeschlossen sein soll. Auch hierzu werdenim Interessenausgleich meist detaillierte Regelungen getroffen.

Ausdrücklich kein Inhalt des Interessenausgleichs ist hingegender Ausgleich oder die Abmilderung der wirtschaftlichen Nachteile,die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderungentstehen. Solche finanziellen Kompensationsleistungen, insbe-sondere Abfindungszahlungen für den Arbeitsplatzverlust, sindGegenstand des Sozialplans (§ 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).

Zuständiger VerhandlungspartnerFür die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte nach §§ 111 ff.BetrVG ist in der Regel der örtliche Betriebsrat zuständig.Entscheidet sich der Arbeitgeber hingegen für betriebs- oderunternehmensübergreifende Restrukturierungsmaßnahmen,obliegt – deren Bestehen vorausgesetzt – die Verhandlungzumindest des Interessenausgleichs regelmäßig dem Gesamt-oder Konzernbetriebsrat, sofern es zwingend einer einheitlichenVereinbarung bedarf. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Betrieb imRahmen des Restrukturierungsvorhabens mit einem anderenBetrieb zusammengelegt oder Arbeitsplätze betriebs- oderunternehmensübergreifend verlagert werden sollen. Bei Zwei-feln über den zuständigen Verhandlungspartner können die inBetracht kommenden Arbeitnehmervertretungen zur Klärungder Zuständigkeitsfrage aufgefordert werden.

Keine Verpflichtung zum AbschlussEine rechtliche Verpflichtung zum Abschluss des Interessen-ausgleichs besteht nicht. Vielmehr muss der Arbeitgeber einenInteressenausgleich vor der Durchführung der Betriebsände-rung lediglich versuchen. Das bedeutet, dass er das zuständigeBetriebsratsgremium rechtzeitig und umfassend über die geplanteBetriebsänderung unterrichten und mit diesem in bilateralenVerhandlungen mit dem ernsthaften Bemühen um eine Einigungberaten muss. Einigen sich die Betriebsparteien in ihren bilateralenVerhandlungen nicht über einen Interessenausgleich, ist der Arbeit-geber verpflichtet, die Einigungsstelle anzurufen. Erst dann, wennauch dort keine Einigung über einen Interessenausgleich erzieltwerden kann und das Scheitern der Verhandlungen erklärt wird,kann der Arbeitgeber die Betriebsänderung wie von ihm ursprüng-lich geplant umsetzen. Im Ergebnis kann der Betriebsrat dieUmsetzung einer Betriebsänderung mithin nicht verhindern, wohlaber nicht unerheblich verzögern. Unterlässt der Arbeitgeber denVersuch eines Interessenausgleichs vollständig oder ohne Anru-fung der Einigungsstelle, kann der Betriebsrat nach Auffassungdes mittlerweile weitaus überwiegenden Teils der Landesarbeits-gerichte die Umsetzung der Betriebsänderung mittels eines Unter-lassungsanspruchs stoppen, bis die ordnungsgemäße Beteiligungeinschließlich der Anrufung der Einigungsstelle nachgeholt wurde.Zudem riskiert der Arbeitgeber in diesem Fall Nachteilsausgleichs-ansprüche der Arbeitnehmer nach § 113 BetrVG.

Wie hilft ein Interessenausgleich mit Namensliste?Eine der größten Hürden bei Restrukturierungsmaßnahmen sindnicht (nur) die Verhandlungen über den Interessenausgleich undeinen Sozialplan, sondern die rechtssichere Umsetzung. Um inso-weit zumindest den (rechtssicheren) Ausspruch von Kündigungen

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Personalabbau mithilfe vonFreiwilligenprogrammen

Freiwilligenprogramme bieten Unternehmen ein flexibles Instrument zum passgenauen Personalabbau

Im Rahmen von Restrukturierungsvorhaben stellen sog. Freiwilligenprogramme ein sinn-volles Mittel zur Steuerung eines Personalabbaus dar. Dabei tritt das Unternehmen an diegesamte Belegschaft, bestimmte Mitarbeitergruppen oder auch nur einzelne ausgewählteMitarbeitende heran, um mit einvernehmlichen Lösungen, insbesondere mit Aufhebungs-

verträgen und Vorruhestandslösungen, den Personalabbau umzusetzen.

RA/FAArbR Dr. Tim Wißmann, LL.M.ist Partner bei Küttner Rechtsanwälte in Köln.

Kontakt: [email protected]

Zielsetzungen eines FreiwilligenprogrammsDer Ansatz eines Freiwilligenprogramms liegt darin, dass dieKonditionen allgemeingültig und im Vorhinein festgelegt undkommuniziert sind („take it or leave it“). Ein einseitiger Perso-nalabbau durch Kündigungen geht häufig mit langwierigenVerhandlungen mit dem Betriebsrat einher, was die zeitlicheUmsetzung stark verzögert und Zusatzkosten verursacht. EinFreiwilligenprogramm kann hingegen – auch bei Einbeziehungdes Betriebsrats – zumeist deutlich früher in Gang gesetzt unddamit auch umgesetzt werden. Dies spart bei guter Planung undUmsetzung nicht nur Zeit und Geld, sondern erleichtert einenspäter ggf. noch notwendigen einseitigen Personalabbau enorm,da ein nicht unerheblicher Teil der Abbauziele bereits erreicht ist.

Vorteile von FreiwilligenprogrammenDer Personalabbau über ein Freiwilligenprogramm hat gegenübereinseitigen Entlassungen wesentliche Vorteile. Da das Aus-scheiden mit Zustimmung der Mitarbeitenden erfolgt, entfälltbspw. die bei Kündigungen erforderliche Sozialauswahl. DerArbeitgeber ist – die entsprechende Bereitschaft auf Arbeitneh-merseite vorausgesetzt – vielmehr frei, die Auswahl bspw. nachLeistungsgesichtspunkten vorzunehmen. So wird die bei einerSozialauswahl bestehende Problemlage vermieden, wichtigeLeistungs- und Know-How-Träger zu verlieren, wenn sie sichnach ihren sozialen Daten als weniger schutzwürdig erweisen.Last but not least werden langwierige und kostenträchtigeRechtsstreitigkeiten vermieden, denn selbst bei einem sorgsamaufgesetzten Restrukturierungskonzept sind betriebsbedingteKündigungen bekanntermaßen alles andere als „Selbstläufer“.

Freiwilligenprogramme ermöglichen, das Restrukturierungs-budget kontrollieren zu können, da dem Arbeitgeber die Entschei-dung überlassen bleibt, mit wem Aufhebungsvereinbarungenabgeschlossen werden. Die in der Regel vorzunehmende zeitlicheBegrenzung eines solchen Programmes führt gleichzeitig zueiner deutlich früheren Klarheit hinsichtlich der Kosten des Per-sonalabbaus insgesamt. Ein wesentlicher zeitlicher Aspekt, dererhebliche finanzielle Vorteile bieten kann, kommt hinzu: Zwar

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der richtigen Kommunikationsstrategie abhängt, die nach Möglich-keit mit dem Betriebsrat abgestimmt ist. Zu der Kommunikationgehört der klare Hinweis, dass die zusätzlichen Leistungen desFreiwilligenprogramms nur im Zuge des zeitlich befristeten freiwil-ligen Ausscheidens gewährt werden. Ebenso sollte sorgsam daraufgeachtet werden, die Programmkonditionen gut aufbereitet undverständlich darzustellen (z.B. durch Abfindungsrechner).

Beteiligung des BetriebsratsIm Vorfeld der Einführung des Freiwilligenprogramms sollte derBetriebsrat beteiligt werden. Dies ist unabhängig von der rechtli-chen Bewertung des Umfangs der Mitbestimmungs- bzw. Beteili-gungsrechte. Ein zwingendes Mitbestimmungsrecht kommt demBetriebsrat bei der Auflegung und Ausgestaltung von Freiwilli-genprogrammen zwar nicht zu. Insbesondere handelt es sich beiden aufgrund der Aufhebungsverträge gezahlten Abfindungennicht um Lohn im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

Allerdings muss der Betriebsrat zumindest über das Freiwilli-genprogramm informiert werden (§ 92 BetrVG). Wichtiger dürftein der Praxis die Regelung des § 111 BetrVG sein. Danach mussder Betriebsrat bei Betriebsänderungen umfassend beteiligt wer-den. Eine solche Betriebsänderung liegt vor, wenn erhebliche Teileder Belegschaft betroffen sind, wobei für die Frage der Erheblich-keit die Schwellenwerte des §17 KSchG maßgeblich sind.

Nach den Erfahrungen in der Praxis kommt es auf dieserechtlichen Fragestellungen indes kaum an. Es ist in aller Regelnicht sinnvoll, ein Freiwilligenprogramm ohne oder gar gegenden Willen des Betriebsrates aufzusetzen, denn dann wirddie Akzeptanz in der Belegschaft fehlen. Vielmehr sollte derBetriebsrat proaktiv und frühzeitig in die Planungen und auchden Verfahrensablauf einbezogen werden. Die Erfolgsquote istbei einem solchen Vorgehen deutlich höher. Ebenso akzeptierenBetriebsräte häufiger den Umstand, dass ein Personalabbau nachden bloßen Kriterien der Sozialauswahl die Zukunftsfähigkeitdes Unternehmens nicht sichern kann.

Notwendigkeit einer MassenentlassungsanzeigeJe nach Größe des Betriebs und Zahl der geplanten Aufhebungs-verträge kann eine Pflicht zur Abgabe einer Massenentlassungs-anzeige nach § 17 KSchG bestehen. Werden die Schwellenwerteüberschritten, ist ferner das so genannte Konsultationsverfahrendurchzuführen, in dessen Rahmen der Betriebsrat über diegeplanten Maßnahmen umfassend informiert werden muss. Obaus dem Freiwilligenprogramm im konkreten Fall die Pflicht zurAbgabe einer Massenentlassungsanzeige und zur Durchfüh-rung des Konsultationsverfahrens folgt, sollte frühzeitig geprüftwerden, da geschlossene Aufhebungsverträge bei Missachtungunwirksam sind. Das Konsultationsverfahren kann mit Interes-senausgleichs- und Sozialplanverhandlungen verbunden werden.

FazitFreiwilligenprogramme bieten Unternehmen ein flexibles Inst-rument zum Personalabbau im Rahmen einer Restrukturierung.Durch ein solches Programm lässt sich ein Personalabbau errei-chen, der zumeist weitaus „passgenauer“ ist als bei einseitigenEntlassungen. Zudem bietet die in aller Regel zügigere undrisikoärmere Umsetzung erhebliche Kostenvorteile. Die juris-tischen Hürden und Fallstricke, die sich bei der Durchführungeines Freiwilligenprogramms ergeben können, sind durch einefrühzeitige und sorgfältige Planung aufzufangen.

ist es zumeist erforderlich und vor allem sinnvoll, das Freiwil-ligenprogramm gemeinsam mit dem Betriebsrat aufzusetzen.Gegenüber langwierigen Verhandlungen über einen Interessen-ausgleich und Sozialplan geschieht dies in aller Regel deutlichleichter und in erheblich kürzerer Zeit. Denn auch der Betriebsrathat ein Interesse an einvernehmlichen Lösungen, wenn dadurchbetriebsbedingte Kündigungen vermieden werden können.Die schnellere Umsetzung kann gegenüber Kündigungen nacheinem Interessenausgleich und Sozialplan durchaus nicht wenigeMonate zeitlichen „Vorsprung“ bringen. Dies spart Lohnkosten,die ganz oder teilweise eingesetzt werden können, um dasFreiwilligenprogramm mit den notwendigen wirtschaftlichenAnreizen zu versehen. Aus diesen Gründen sollte das Freiwilli-genprogramm zeitlich begrenzt werden, zumal die Erfahrung inder Praxis zeigt, dass Mitarbeitende bei einer zu langen Laufzeitdes Programms abwarten, ob sie überhaupt von den angekündig-ten Restrukturierungsmaßnahmen betroffen sind.

Auch im Hinblick auf die Reputation des Unternehmens in derÖffentlichkeit und für die Stimmung innerhalb der Belegschaftsind Freiwilligenprogramme vorteilhaft. Sie werden aufgrund desPrinzips der Freiwilligkeit als besonders sozialverträglich wahr-genommen und stoßen daher im Vergleich zu betriebsbedingtenKündigungen auf eine weitaus breitere Akzeptanz.

Inhaltliche AusgestaltungBei der inhaltlichen Ausgestaltung des Freiwilligenprogrammssind einige Aspekte zu beachten: So ist zunächst zu entscheiden,welche Mitarbeiter konkret adressiert werden sollen. Zwar ist esmöglich, das Freiwilligenprogramm (bspw. unter dem Vorbehaltdes Erreichens der gewünschten Personalabbauzahl) an die gesamteBelegschaft zu richten. Eine solche Ausgestaltung entzieht jedochunnötig Steuerungsmöglichkeiten und vernachlässigt zumeist, dassder Abbau (im Schwerpunkt) bestimmte Bereiche, Abteilungen oderMitarbeitergruppen im Fokus hat. Wenn es sich nicht um eine allge-meine Maßnahme der Senkung der Personalkosten handelt, machtes daher Sinn, das Freiwilligenprogramm an diejenigen Bereiche zuadressieren, in denen tatsächlich Personal abgebaut werden soll.

Zentral ist, dass das Freiwilligenprogramm keinen Anspruch aufAbschluss eines Aufhebungsvertrages auf Seiten der Mitarbeitendenbewirken sollte. Um dies zu vermeiden, sollte der Arbeitgeber bei derAuslobung des Programms auf das Prinzip der „doppelten Freiwil-ligkeit“ deutlich hinweisen. So, wie es dann Sache des Mitarbeiten-den ist, zu den Konditionen des Programms auszuscheiden, ist esSache des Arbeitgebers, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob er mitdem jeweiligen Mitarbeitenden einen Aufhebungsvertrag abschließtoder ob er ihn lieber im Unternehmen behalten möchte. Dieses Prin-zip ist in der Rechtsprechung anerkannt, wobei es keiner besonderenBegründung bedarf, wenn der Wunsch eines Mitarbeitenden aufAbschluss eines Aufhebungsvertrags abgelehnt wird.

Volumen und KommunikationDie Vorteile des Freiwilligenprogramms kommen freilich nicht zum„Nulltarif“: So ist es üblich und auch notwendig, dass die Konditioneneines Freiwilligenprogramms wirtschaftlich besser (also in der Regeldie Abfindungen höher) sind, als bei Entlassungen auf der Grundlageeines Sozialplans. Dies geschieht regelmäßig durch (zeitlich gestaf-felte und begrenzte) sog. Turbo- oder Sprinterprämien, mit denenMitarbeitende, die an den Programmkonditionen teilnehmen, vonzusätzlichen Abfindungsleistungen profitieren. Die Erfahrung zeigt,dass der Erfolg eines Freiwilligenprogramms ganz maßgeblich von

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Planungssicherer Personalabbaumittels Transfergesellschaft

Die Einbindung einer Transfergesellschaft ermöglicht die planungssichere und sozialverträgliche Gestal-tung eines Personalabbaus einschließlich staatlicher Unterstützungsleistungen

Sieht sich ein Unternehmen zu einem Personalabbau größeren Umfangs gezwungen,bietet die Einbeziehung einer Transfergesellschaft eine Option zur sozialverträglichenDurchführung der Maßnahmen unter staatlicher Förderung durch Inanspruchnahme

von Transferkurzarbeitergeld.

RAin Claudia Veyist Associate bei Küttner Rechtsanwälte in Köln.

Kontakt: [email protected]

Was ist eine Transfergesellschaft?Eine Transfergesellschaft ist ein arbeitsmarktpolitischesInstrument, das den Eintritt von Arbeitslosigkeit bei größe-ren betrieblichen Restrukturierungen mit Personalabbauverhindern bzw. verzögern soll. Die von Arbeitslosigkeitbedrohten Arbeitnehmer werden in einer betriebsorganisa-torisch eigenständigen Einheit („beE“) zusammengefasst,um möglichst ohne Eintritt von Arbeitslosigkeit nahtlosin eine neue sozialversicherungspf lichtige Beschäftigungoder in die Selbstständigkeit vermittelt zu werden (§ 111Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III). Der Begriff der Transfergesell-schaft wird dabei häufig synonym sowohl für die beE alsauch den rechtlichen Träger der beE verwendet. ZentraleVoraussetzung der Bildung einer beE ist die organisato-rische Trennung dieser Einheit vom personalabgebendenBetrieb.

Man unterscheidet interne und externe Transferge-sellschaften. Bei einer (in der Praxis eher selten anzutref-fenden) internen Transfergesellschaft ist der bisherigeArbeitgeber der von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitneh-mer Träger der beE, während bei einer externen Transfer-gesellschaft ein vom bisherigen Arbeitgeber verschiedenes,externes Unternehmen mit Spezialisierung auf die Bera-tung, Qualifizierung und Vermittlung von ArbeitnehmernTräger der beE ist. Bei der externen Transfergesellschaft istVoraussetzung für die Teilnahme daher ein Arbeitgeber-wechsel der betroffenen Arbeitnehmer. Externe Transfer-gesellschaften müssen über eine staatliche Zertifizierung,die sog. Trägerzulassung (§ 178 SGB III), verfügen, durchdie insbesondere ihre Leistungsfähigkeit und Zuverlässig-keit und ihre Fähigkeit zur beruf lichen Eingliederung von

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„Gegenstand des befristeten Arbeitsverhältnissesist die Durchführung von Kurzarbeit Null beiTeilnahme des Arbeitnehmers an einer Quali-fizierungs- und Weiterbildungsmaßnahme.“

• Professionelle Unterstützungsleistungen zur möglichstnahtlosen Vermittlung in eine Anschlussbeschäftigungoder in die Selbstständigkeit

• Längerer Zeitraum für Bewerbungsbemühungen auseinem bestehenden sozialversicherungspf lichtigenBeschäftigungsverhältnis als bei betriebsbedingterKündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist

• Kein Verbrauch des Arbeitslosengeldanspruchs wäh-rend der Verweildauer in der Transfergesellschaft

• Kein Einf luss der Transferteilnahme auf die Höhedes späteren Arbeitslosengeldanspruchs im Fall vonArbeitslosigkeit nach Ende der Transferlaufzeit

• Zielgerichteter Einsatz von Sozialplanmitteln statt blo-ßer Abfindungszahlungen für den Arbeitsplatzverlust

Wie wird eine Transfergesellschaft eingerichtet?Bei der Nutzung einer externen Transfergesellschaft voll-zieht sich der Wechsel der von Arbeitslosigkeit bedrohtenArbeitnehmer in die beE rechtstechnisch in aller Regeldurch Abschluss eines dreiseitigen Vertrages. Dieserbeinhaltet eine Aufhebungsvereinbarung zur Beendigungdes Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgebersowie den Abschluss eines neuen, befristeten sozialversi-cherungspf lichtigen Arbeitsverhältnisses im Sinne von §§ 7SGB IV, 14 TzBfG mit der Transfergesellschaft als Trägerder beE. Üblich ist eine Laufzeit des befristeten Arbeits-verhältnisses im Umfang des Doppelten der individuellenKündigungsfrist, maximal 12 Monate.

Gegenstand des befristeten Arbeitsverhältnisses mitder Transfergesellschaft ist keine eigentliche Arbeitsleis-tung, sondern die Durchführung von Kurzarbeit Null beiTeilnahme des betroffenen Arbeitnehmers an Coaching-,Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen mit demZiel der Vermittlung in ein Anschlussarbeitsverhältnis oderin die Selbstständigkeit.

Während der Laufzeit der Transfergesel lschaftwird von dieser Transferkurzarbeitergeld für die inder beE zusammengefassten Arbeitnehmer beantragtund an diese ausgezahlt. Es ist üblich, dass das Trans-

Transferteilnehmern in den Arbeitsmarkt belegt wird. DieTrägerzulassung ist bei externen Transfergesellschaftenzugleich Voraussetzung für die Gewährung von Transfer-kurzarbeitergeld.

Was sind die Vorteile einer Transfergesellschaft?Die Einbeziehung einer Transfergesellschaft im Zusam-menhang mit der (geplanten) Durchführung von betrieb-lichen Personalanpassungsmaßnahmen kann sowohl fürdie Arbeitgeberseite wie auch für die Arbeitnehmer- bzw.Betriebsratsseite erhebliche Vorteile gegenüber einemPersonalabbau mittels betriebsbedingter Kündigungenbieten.Aus Arbeitgebersicht hat die Transfergesellschaft in der Regelfolgende Vorteile:

• Staatliche Förderung (= Co-Finanzierung) der beruf-lichen Wiedereingliederung der vom Personalabbaubetroffenen Arbeitnehmer durch Transferkurzarbeiter-geld seitens der Agentur für Arbeit

• Rechtssichere Umsetzung des Personalabbaus unterVermeidung der Prozessrisiken von Kündigungsschutz-klagen

• Vermeidung von Imageschäden bei konfliktbeladenemeinseitigen Personalabbau

• Beschleunigung der Umsetzung der Maßnahmen• Größere Planungssicherheit hinsichtlich Gesamtkosten

und Zeitplan der Restrukturierung• Ermöglichung von Personalabbau auch bei bestehen-

den Kündigungserschwerungen, z.B. aufgrund einesStandortsicherungstarifvertrags

Aus Sicht der betroffenen Arbeitnehmer bzw. der betrieb-l ichen Interessenvertretung (Betr iebsrat/Gesamtbe-triebsrat/Konzernbetriebsrat) ist die Einbeziehung einerTransfergesellschaft in der Regel mit folgenden Vorteilenverbunden:

• Sozialverträglicher Personalabbau wegen der Freiwil-ligkeit des Übertritts in die Transfergesellschaft

• Vermeidung bzw. Aufschub von Arbeitslosigkeit nachAustritt beim bisherigen Arbeitgeber

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„Die näheren Details der Ausgestaltung undDotierung der Transfergesellschaft sind beiExistenz eines Betriebsrats in einem Sozial-

plan zu regeln.“

Transferkurzarbeitergeld an Arbeitnehmer in einer Trans-fergesellschaft:

• Dauerhafter unvermeidbarer Arbeitsausfall infolgeeiner Betriebsänderung: Der für den Bezug vonTransferkurzarbeitergeld erforderliche dauerhafteunvermeidbare Arbeitsausfall mit Entgeltausfallliegt vor, wenn die Beschäftigungsmöglichkeitender Arbeitnehmer infolge einer Betriebsänderungentfallen. Insoweit gilt grundsätzlich die Begriffs-bestimmung aus § 111 BetrVG (z.B. Einschränkungund Sti l l leg ung des ganzen Betriebes oder vonwesentlichen Betriebsteilen). Entgegen einer in derPraxis verbreiteten Fehlvorstellung ist das Vorliegeneiner Betriebsänderung jedoch nicht davon abhän-gig, dass im betroffenen Unternehmen in der Regelmehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmerbeschäftigt sind (§ 111 Abs. 2 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 3SGB III).

• Bedrohung von Arbeitslosigkeit: Die betroffenenArbeitnehmer müssen aufgrund der Betriebsände-rung von Arbeitslosigkeit bedroht sein. Dies kann beiArbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz unterUmständen zweifelhaft sein.

• Bildung einer betriebsorganisatorisch eigenstän-digen Einheit: Die von der betrieblichen Restruktu-rierung betroffenen Arbeitnehmer müssen in einerbeE zusammengefasst werden.

• Begründete Erwartung des Vermittlungserfolgs:Da Transfergesel lschaf ten die Vermittlung derArbeitnehmer in den Arbeitsmarkt verfolgen unddamit auch die Agentur für Arbeit entlasten sollen,ist die Leistung von Transferkurzarbeitergeld an dieVoraussetzung geknüpft, dass die Organisation undMittelausstattung der beE den angestrebten Integra-tionserfolg erwarten lassen. Hierbei kommt es daraufan, dass zum einen entsprechende Berater in ange-messener Zahl und mit ausreichender Qualifikationsowie geeignete Büroräume für Beratungsgesprächevorhanden sind und insbesondere die Finanzierung

ferkurzarbeitergeld (60% bzw. 67% des bisherigenpauschalierten Nettoentgelts unter Kappung an derBeitragsbemessungsgrenze für die allgemeine Renten-versicherung) durch entsprechende Finanzierungsbei-träge des bisherigen Arbeitgebers auf Werte zwischen75% und 85% des bisherigen Nettoentgelts aufgestocktwird. Da der Abschluss des dreiseitigen Vertrages vonder Zustimmung der Arbeitnehmer abhängt, also fürdiese freiwillig ist, finden sich in der Praxis häufig auchfinanzielle Anreize für die Unterzeichnung durch dieArbeitnehmer in Form von (durch den bisherigen Arbeit-geber auszuzahlende) Wechselprämien oder (durch dieTransfergesellschaft auszuzahlende) Antrittsprämien.Die näheren Details der Ausgestaltung und Dotie-rung der Transfergesellschaft sind bei Existenz einesBetriebsrats in einem Sozialplan zu regeln. In entspre-chenden Sozialplänen findet sich häufig ein Wahlrechtder Arbeitnehmer zwischen Austritt unter Wahrung derordentlichen Kündigungsfrist und Zahlung einer „klassi-schen“ Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes aufder einen Seite und dem Übertritt in die Transfergesell-schaft unter teilweiser oder vollständiger Einbringungder Sozialplanabfindung bzw. der Kündigungsfrist zurMit-Finanzierung der Kosten der Transfergesellschaftauf der anderen Seite.

Handelt es sich bei der Transfergesellschaft nicht um einexternes Unternehmen, sondern um eine unternehmensin-terne beE, scheidet ein dreiseitiger Vertrag zwangsläufigaus. Im Fall einer internen Transfergesellschaft erfolgtvielmehr eine Auf hebungsvereinbarung zur Beendigungdes Arbeitsverhältnisses nach Ende der vereinbartenVerweildauer in der Transfergesellschaft bei gleichzeitigerVersetzung aus dem personalabgebenden Betrieb in dieTransfergesellschaft.

Was sind die Voraussetzungen für die Zahlung vonTransferkurzarbeitergeld?Gemäß § 111 SGB III bestehen im Wesentlichen folgendeAnspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von

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Transferkurzarbeitergeld wird für eine Laufzeit vonmaximal 12 Monaten gewährt. Die für das konjunkturelleKurzarbeitergeld während der Corona-Pandemie vorge-nommenen Verlängerungen der Bezugsdauer sind für dasTransferkurzarbeitergeld ebenfalls nicht einschlägig.

Welche Kosten sind bei der Einbindung einer Trans-fergesellschaft zu berücksichtigen?Bei der Einbindung einer externen Transfergesellschaftzur Umsetzung einer betrieblichen Restrukturierung mitPersonalabbau ist zu beachten, dass der Träger der beEsich alle Aufwendungen für die Durchführung der Trans-fergesellschaft vom bisherigen Arbeitgeber der betroffenenArbeitnehmer erstatten lässt, die nicht durch das Transfer-kurzarbeitergeld abgedeckt sind.Dazu gehören:

• Vorgelagerte Kosten für Profiling, soweit nicht überden Zuschuss der Agentur für Arbeit gem. § 110 SGB IIIgedeckt

• Leistungen an die Arbeitnehmer innerhalb der Trans-fergesellschaft, d.h. die sog. Remanenzkosten (Urlaubs-und Feiertagsvergütung, Sozialversicherungsbeiträge),Aufstockungsleistungen zum Transferkurzarbeitergeldsowie etwaige Antrittsprämien für den Eintritt bzw.Vermittlungsprämien für den vorzeitigen Austritt ausder Transfergesellschaft

• Kosten für Qualifizierungsmaßnahmen, soweit nichtüber Zuschüsse der Agentur für Arbeit gem. § 111aSGB III gedeckt

• Kosten und Vergütung der Transfergesellschaft (z.B.einmalige Einrichtungsgebühr, monatliche Verwal-tungsgebühr, Pauschalen für Beratung, Erfolgsprämiebei Vermittlung, Erstattung von Büromiete und sonsti-gen Aufwendungen).

Ein häufig zentraler Punkt in der Kostenkalkulation ist, obes dem Arbeitgeber gelingt, eine anteilige oder vollständigeEinbringung der Kündigungsfrist als Finanzierungsbeitragder Arbeitnehmer durchzusetzen. Als Faustformel für diediesbezügliche Kalkulation gilt, dass ein Monat „einge-sparte“ Kündigungsfrist die Kosten von zwei MonatenVerweildauer in der Transfergesellschaft des jeweiligenArbeitnehmers deckt.

FazitSteht in einem Unternehmen eine betriebliche Restruk-turierung mit größerem Personalabbau an, ist es invielen Fällen sinnvoll, die Einbindung einer Transferge-sellschaft als sozialverträgliche und imageschonendeAlternative zu betriebsbedingten Kündigungen in Erwä-gung zu ziehen. Die größere operative und rechtliche Pla-nungssicherheit für den Arbeitgeber in der Umsetzungdes Personalabbaus sowie die größere Akzeptanz derMaßnahmen bei der Belegschaft können die Kosten fürEinrichtung und Betrieb der Transfergesellschaft durch-aus aufwiegen.

der Transfergesellschaft in geeigneter Weise (z.B.über Bankbürgschaften) abgesichert ist.

• Profiling: Weitere wichtige Voraussetzung für dieZahlung von Transferkurzarbeitergeld ist die Durch-führung einer arbeitsmarktlich zweckmäßigen Maß-nahme zur Feststellung der Eingliederungsaussichten(sog. „Profiling“). Es geht hierbei um eine Potential-analyse und die Ermittlung des arbeitsmarktpoliti-schen Handlungsbedarfs. Das Profiling muss grund-sätzlich vor Eintritt in die Transfergesellschaft undstets durch einen vom Arbeitgeber verschiedenenTräger durchgeführt werden. In der Praxis wird diesedem Eintritt in die beE vorgelagerte Maßnahme daherebenfalls von der Transfergesellschaft durchgeführt.Zu den Kosten des Profiling leistet die Agentur fürArbeit einen Zuschuss von 50%, maximal 200 € proPerson.

• Arbeitsuchendmeldung: Die infolge der Betriebsän-derung von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmermüssen sich vor Eintritt in die Transfergesellschaftarbeitsuchend gemeldet haben (§ 38 Abs. 1 SGB III).

• Beratung mit der Agentur für Arbeit: Schließlich istfür die Zahlung von Transferkurzarbeitergeld erfor-derlich, dass sich die Betriebsparteien im Vorfeld derEntscheidung über die Inanspruchnahme von Trans-ferkurzarbeitergeld, also noch vor der Unterzeichnungvon Interessenausgleich und Sozialplan, von derAgentur für Arbeit beraten lassen. Über die erfolgteBeratung wird ein Beratungsvermerk erstellt, der vonden Betriebsparteien und den Beratern der Agentur fürArbeit unterzeichnet wird. Die Agentur für Arbeit hatkeine Kompetenz zur Inhaltskontrolle der zwischenden Betriebsparteien zu verhandelnden Vereinbarun-gen, weist aber auf vermittlungsfördernde Elemente(z.B. degressive Prämie für Fall vorzeitiger Vermitt-lung des Arbeitnehmers in Anschlussbeschäftigungund Austritt aus der Transfergesellschaft vor Ablaufder maximalen Laufzeit) und vermittlungshemmendeElemente (z.B. hohe Aufzahlung auf Transferkurzarbei-tergeld (>85/90%), Anreize zum Verbleib bis zum Endeder Laufzeit) hin.

Wie hoch ist das Transferkurzarbeitergeld und fürwelche Dauer wird es gezahlt?Das Transferkurzarbeitergeld beträgt für kinderloseArbeitnehmer 60% und für Arbeitnehmer mit mindestenseiner steuerlichen Unterhaltspf licht für ein Kind 67% desbisherigen pauschalierten Nettoentgelts unter Kappungan der Beitragsbemessungsgrenze für die allgemeineRentenversicherung. Die während der Corona-Pandemiefür das konjunkturelle Kurzarbeitergeld gewährte Erhö-hung des Leistungssatzes auf 70/77% bzw. 80/87% nacheiner Laufzeit von 4 bzw. 7 Monaten ist nach der Praxisder Agenturen für Arbeit nicht auf das Transferkurzar-beitergeld übertragbar.

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Massenentlassungsanzeigenrichtig formulieren

Eine Checkliste mit Praxisempfehlungen

Kaum eine der aktuell vielerorts anstehenden Restrukturierungsvorhaben wird ohnegrößeren Personalabbau auskommen. Grund genug, die aktuellen Anforderungen der

sich aus §17 KSchG ergebenden Verpflichtung zur Anzeige einer bevorstehenden Mas-senentlassung unbedingt im Blick zu behalten.

RA Dr. Michel Hoffmann, LL.B.ist Associate bei Küttner Rechtsanwälte in Köln.

Kontakt: [email protected]

Verpflichtung zur MassenentlassungsanzeigeDie Anzeigepflicht trifft den Arbeitgeber immer dann, wennin einem Zeitraum von 30 Kalendertagen die nachfolgendenSchwellenwerte aus § 17 Abs. 1 KSchG überschritten werden:

• Betrieb mit 21 bis 59 Arbeitnehmer: ab 5 Entlassungen• Betrieb mit 60 bis 499 Arbeitnehmer: ab 25 Entlassungen

oder 10% der Arbeitnehmer• Betrieb ab 500 Arbeitnehmer: ab 30 Entlassungen

Die Massenentlassungsanzeige muss sodann zwingend vorder Entlassung erfolgen. Unter Entlassung ist der Ausspruchder Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen, wobeigrundsätzlich der Zugang der Kündigungserklärung maßgeb-lich ist. Aus diesem Grund ist die Unterzeichnung der Kün-digungen vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige nachneuerer Rechtsprechung unschädlich (BAG vom 13.06.2019 – 6AZR 459/18). Dies ist schon deshalb zu begrüßen, weil ein sol-ches Vorgehen je nach Größe des Unternehmens anders kaumzu bewältigen ist. Für die Praxis wichtig ist, dass gleichwohlstets darauf geachtet wird, dass die Anzeige bei der Agenturfür Arbeit sowie eine entsprechende Rückmeldung über denEingang abgewartet wird, bevor Kündigungsschreiben versen-det werden.

Ebenfalls mit in diese Schwellenwerte einzubeziehensind andere vom Arbeitgeber veranlasste Beendigungen desArbeitsverhältnisses (insb. durch die Ankündigung einesPersonalabbaus motivierte Eigenkündigungen oder Aufhe-bungsverträge). Bei Aufhebungsverträgen ist der Zeitpunktdes Zustandekommens des Vertrages, also der Zugang derAnnahmeerklärung entscheidend.

Nicht erfasst sind Beendigungen auf Veranlassung desArbeitnehmers und außerordentliche fristlose Kündigungen(§ 17 Abs. 4 KSchG). Nicht anzeigepf lichtig sind weiter dieBeendigung befristeter oder bedingter Arbeitsverhältnisseinfolge Fristablauf, Zweckerreichung oder Bedingungseintritt.

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„Von elementarer Bedeutung ist die korrekteAuswahl der zuständigen Agentur für

Arbeit. Zuständig ist die für den Betriebs-sitz örtlich zuständige Agentur für Arbeit.“

Wichtig: Die Auskunft der Bundesagentur für Arbeit zurZuständigkeit ist nicht rechtsverbindlich. Es empfiehltsich daher eine mehrfache Anzeigenerstattung bei jederin Betracht kommenden Arbeitsagentur. Die vielfach zulesende Empfehlung, wonach in einem Begleitschreiben stetsdie Mehrfacheinreichung unter Angabe der entscheidungs-erheblichen Umstände mitgeteilt werden soll, findet wederim Gesetz eine Stütze noch ist deren Mehrwert für das Ver-fahren und die Agentur für Arbeit ohne Weiteres erkennbar.

Inhalt und Form der MassenentlassungsanzeigeUm eine ordnungsgemäße Anzeige zu erstatten, müssen Inhaltund Form den gesetzlichen Angaben genügen. Der zwingendeInhalt ergibt sich aus § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG. Zur Erstattungder Entlassungsanzeige ist die Textform (etwa Fax oder E-Mail)ausreichend. Die Nutzung des von der Agentur für Arbeitbereitgestellten Formulars ist zu empfehlen, um sowohl dieordnungsgemäße Form als auch die Vollständigkeit des Inhaltszu gewährleisten. Weitergehende Informationen (etwa die Auf-schlüsselung einzelner Berufsgruppen) können selbstverständ-lich als Anlagen beigefügt werden. Der Anzeige ist weiterhin dieStellungnahme des zuständigen Gremiums beizufügen. Liegteine solche nicht vor, ist die Glaubhaftmachung ausreichend,dass das zuständige Gremium mindestens zwei Wochen vorAnzeigeerstattung ordnungsgemäß i.S.d. § 17 Abs. 2 KSchGunterrichtet wurde, verbunden mit der Darlegung des aktuellenBeratungsstandes (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG).

Einhaltung der Konsultationspflicht, §17 Abs.2 BetrVG§ 17 Abs. 2 BetrVG verpflichtet den Arbeitgeber, den Betriebs-rat (bzw. auch anderweitig zuständige Gremien wie z.B. diePersonalvertretung) hinsichtlich beabsichtigter Entlassungenrechtzeitig zweckdienliche Auskünfte zu erteilen, ihn zuunterrichten und über Möglichkeiten zur Vermeidung bzw.Einschränkung der Entlassungen und/oder Folgenmilderungzu beraten. Jede dieser Anforderungen ist in der Praxis ernstzu nehmen, weil ein Verstoß auch hier die Unwirksamkeit derEntlassungen bedeutet.

Die zu beteiligende Arbeitnehmervertretung und derder Zuständigkeit zugrundeliegende Betriebsbegriff folgt– anders als in § 17 Abs. 1 KSchG – nationalem Recht unddamit der Kompetenzzuweisung des BetrVG. Zuständig

Besondere Beachtung ist bei der geplanten Entlassung vonArbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz geboten. FürArbeitnehmer in Mutterschutz bzw. in Elternzeit stellt dieRechtsprechung ausnahmsweise auf den Zeitpunkt des Ein-gangs des Antrags auf Zustimmung zur Kündigung bei derzuständigen Behörde und nicht auf den Zugang der Kündi-gungserklärung ab (BVerfG vom 08.06.2016 – 1 BvR 3634/13).Ob sich diese Rechtsprechung auf alle Arbeitnehmer mitSonderkündigungsschutz übertragen lässt, ist nach wie vorungeklärt. Da das Zustimmungsverfahren je nach Behördemehrere Monate dauern kann, divergieren beide Zeitpunkteunter Umständen ganz erheblich.

Um daraus resultierende Fehler zu vermeiden, ist Arbeitge-bern dringend zu raten, sämtliche Arbeitnehmer mit Sonder-kündigungsschutz schon bei Beantragung der Zustimmungder Kündigung in die entsprechende Entlassungsanzeigeeinzubeziehen. Erfolgt der Personalabbau in mehreren Wellen,kann es nach Erhalt der Zustimmung zur Kündigung erfor-derlich sein, den betroffenen Arbeitnehmer vor Ausspruch derKündigung vorsorglich erneut auf einer etwaig dann wiede-rum erforderlichen Massenentlassungsanzeige zu vermerken.

Die richtige Agentur für Arbeit auswählenVon elementarer Bedeutung ist die korrekte Auswahl derzuständigen Agentur für Arbeit. Zuständig ist die für denBetriebssitz örtlich zuständige Agentur für Arbeit. Waszunächst einfach klingt, wird dort komplex, wo mehrereBetriebe oder Betriebsteile existieren, die von den Entlassun-gen betroffen sind.

Seit der „Air Berlin“-Entscheidung des Bundesarbeits-gerichts von Anfang des letzten Jahres folgt der Betriebsbe-griff in § 17 Abs. 1 KSchG nicht (mehr) der gängigen Defini-tion nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), sonderner ist vielmehr europarechtlich determiniert und lässt damiteine örtliche Leitung genügen, die für die ordnungsgemäßeDurchführung der Arbeit und Lösung etwaiger technischerProbleme vor Ort sorgt (BAG vom 13.02.2020 – 6 AZR 146/19).Demzufolge können auch qualifizierte Betriebsteile undeinzelne Filialen mit Filialleiter (eine ausreichende Betriebs-struktur unterstellt) erfasst sein. Dies führt dazu, dass dieAuswahl der möglichen zuständigen Agenturen für Arbeitnoch weiter zunimmt.

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„Eine Staffelung der Entlassungen auf mehrereMonate, um die Schwellenwerte nicht zu errei-chen, ist möglich und stellt keine unzulässige

Umgehung des § 17 KSchG dar.“

sollen – wie im Rahmen der Interessenausgleich- und Sozial-planverhandlungen – Maßnahmen diskutiert werden, die dieMassenentlassung vermeiden bzw. deren Folgen jedenfallsabfedern (z.B. die Überführung der Arbeitnehmer in eineTransfergesellschaft). Dabei fordert die Rechtsprechung einenernsthaften Willen zur Einigung, sodass sich die Konsulta-tionspflicht nicht in der Auskunftserteilung oder Anhörungerschöpfen darf. Anders als dies in der Regel beim Sozialplander Fall ist, muss eine Einigung zwischen den Betriebsparteienaber nicht erzielt werden. Gibt der Betriebsrat innerhalb derzwei Wochen keine Stellungnahme ab, kann der Arbeitgebergleichwohl die Massenentlassungsanzeige erstatten. BestehtUnsicherheit, ob die Stellungnahme des Betriebsrats den(strengen) Anforderungen des § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG genügt,kann rein vorsorglich wie bei Fehlen der Stellungnahme nach§ 17 Abs. 2 Satz 3 KSchG vorgegangen werden.

Vermeidung der Massenentlassungsanzeige durchKündigungswellenEine Staffelung der Entlassungen auf mehrere Monate, umdie Schwellenwerte nicht zu erreichen, ist möglich und stelltkeine unzulässige Umgehung des § 17 KSchG dar. Soweit mitdem Konzept zum Stellenabbau vereinbar, kann also in Wel-len gekündigt werden, um eine Anzeigepflicht zu vermeiden.Dies setzt allerdings eine sehr genaue Planung voraus, weilbei Überschreitung der relevanten Schwellenwerte innerhalbvon 30 Tagen bereits ausgesprochene und nicht angezeigteKündigungen unheilbar nichtig sind.

Wichtig: Ist nicht sicher auszuschließen, dass weitereEntlassungstatbestände in Betracht kommen, sollte vor-sorglich eine Massenentlassungsanzeige erstattet werden.Sollten danach ungeplant weitere Entlassungen anstehen,ist grundsätzlich die Abgabe einer neuen Massenentlas-sungsanzeige notwendig.

FazitWeder das Anzeige- noch das Konsultationsverfahren sindanwenderfreundlich ausgestaltet und sehr fehleranfällig.Hierin liegt ein erhebliches Risiko für die Wirksamkeit von imRahmen einer Restrukturierung ausgesprochener Kündigun-gen. Eine vorausschauende Planung und die Verbindung derkollektivrechtlichen Beteiligungsverfahren können kostenin-tensive Fehler vermeiden.

ist regelmäßig der örtliche Betriebsrat für den jeweiligenBetrieb. Liegt der Maßnahme ein einheitliches unternehme-risches Konzept zugrunde, das sich über mehrere Betriebeerstreckt und einer einheitlichen Regelung bedarf, ist jedochder Gesamtbetriebsrat oder – sofern ein unternehmensüber-greifendes Konzept in Rede steht – der Konzernbetriebsratzuständig. Auch bei der Bestimmung des zuständigen Gre-miums ist insoweit größte Sorgfalt geboten. So hat das LAGDüsseldorf in einer aktuellen Entscheidung aus Oktober 2020(vom 15.10.2020 – 11 Sa 799/19) die Unwirksamkeit der Kün-digung eines Bergmanns infolge der Schließung des letztenSteinkohlebergwerks Prosper-Haniel festgestellt, nachdemdas Konsultationsverfahren mit dem aus Sicht des Gerichtsunzuständigen örtlichen Betriebsrat anstatt des Gesamt-betriebsrats durchgeführt worden war. In Betrieben ohneBetriebsrat oder vergleichbarer Arbeitnehmervertretungentfällt die Beteiligung ersatzlos.

Die Schwerbehindertenvertretung ist entgegen der zwi-schenzeitlichen Instanzrechtsprechung richtigerweise nichtzu beteiligen. Eine doppelte Repräsentation ist nicht gebotenund vom Gesetzeswortlaut auch nicht gedeckt (BAG vom13.02.2020 – 6 AZR 146/19).

Der Inhalt der Unterrichtung ist in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1-6BetrVG normiert und umfasst insb. Entlassungsgründe, Zahlund Berufsgruppen der zu entlassenden sowie beschäftigtenArbeitnehmer, den Zeitraum der Entlassungen, Auswahlkri-terien und Kriterien für etwaige Abfindungsberechnungen.Regelmäßig bietet es sich an, dem Betriebsrat schon denEntwurf einer Massenentlassungsanzeige auf dem Formblattder Agentur für Arbeit beizufügen. Zur Formwahrung genügtentgegen der Formulierung in Satz 1 „schriftlich“ die Textform(BAG vom 22.09.2016 – 2 AZR 276/16).

Wichtig: Das Konsultationsverfahren kann mit denVerhandlungen über einen Interessenausgleich undSozialplan nach §§ 111 ff. BetrVG richtlinienkonformverbunden werden. Erforderlich ist aber der gleichzeitigeHinweis auf die Erfüllung der Konsultationspflichten.Diesbezüglich sollte der Betriebsrat ausdrücklich undschriftlich auf die Verbindung der Verfahren hingewiesenwerden.

Die Unterrichtung hat rechtzeitig vor der Schaffung unum-kehrbarer Fakten, spätestens aber zwei Wochen vor Anzei-geerstattung, zu erfolgen. In den anschließenden Beratungen

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Sanierung von Unternehmenmittels Insolvenzplan

Durch einen Insolvenzplan kann die Restrukturierung und Sanierung insolventer Unter-nehmen zügig, flexibel und effizient umgesetzt werden, um einen schnellen wirtschaft-

lichen Neustart zu ermöglichen.

RA/FAArbR Thomas Faasist Partner bei Küttner Rechtsanwälte in Köln.

Kontakt: [email protected]

Insolvenzplan als SanierungsinstrumentAngesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und des erneuten Lockdowns wird ungeachtetstaatlicher Unterstützungsleistungen voraussichtlich einenicht unerhebliche Anzahl von Unternehmen gezwungensein, Insolvenzantrag zu stellen. Sofern nach Durchführungvon Maßnahmen zur Entschuldung erfolgversprechendeAussichten auf eine Fortführung des schuldnerischen Unter-nehmens bestehen, kann ein Insolvenzplan interessanteGestaltungsoptionen und praktische Vorteile im Verhältniszu einem häufig mit der Liquidation des Unternehmensverbundenen Regelinsolvenzverfahren bieten.

Rechtsnatur und möglicher Inhalt eines InsolvenzplansEin Insolvenzplan ist ein besonderes Instrument im Insol-venzverfahren, durch das die Befriedigung der Gläubiger,die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilungsowie die Verfahrensabwicklung und die Haftung desSchuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrensabweichend von den Vorschriften der Insolvenzordnung(InsO) geregelt werden können. Mit dem im Jahr 2012 inKraft getretenen Gesetz zur weiteren Erleichterung derSanierung von Unternehmen (ESUG) sollte der Insolvenz-plan als Mittel zur Eigensanierung des Schuldners gestärktwerden. Der Insolvenzplan gliedert sich in einen darstel-lenden Teil (§ 220 InsO) und einen gestaltenden Teil (§ 221InsO).

Im darstellenden Teil wird beschrieben, welche Maß-nahmen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mitdem Ziel einer Sanierung getroffen worden sind oder nochgetroffen werden sollen. Hierzu können in arbeitsrecht-licher Hinsicht z.B. Vereinbarungen über Entgeltverzichtder Arbeitnehmer, Personalabbaumaßnahmen, die Veräu-ßerung bzw. Übertragung nicht überlebensnotwendigerUnternehmensteile oder die Stilllegung nicht überlebens-fähiger Unternehmensteile gehören. Dabei gelten auchim Rahmen eines Insolvenzplans die arbeitsrechtlichenRestrukturierungserleichterungen in der Insolvenz, alsoinsbesondere die erleichterte Kündigungsmöglichkeit nachEröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 113 InsO) sowie die

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gemäß § 613a BGB auf den Investor und einer Liquidationdes insolventen Unternehmensträgers einhergeht, bleibt dasschuldnerische Unternehmen bei der Durchführung einesInsolvenzplans als Rechtsträger erhalten und kann durchgesellschaftsrechtliche Anteilsübertragung auf einen neuenInhaber übergehen (sog. Share Deal). Dies ist insbesonderedann von Bedeutung, wenn das schuldnerische Unter-nehmen über rechtsträgergebundene öffentlich-rechtlicheErlaubnisse, Konzessionen bzw. Subventionszusagen, einegrößere Zahl von Lizenzen oder Patenten oder auch größereMengen personenbezogener (Kunden-)Daten verfügt. DieSanierung im Wege eines Insolvenzplans hat auch danndurchgreifende praktische Vorteile im Verhältnis zu einerübertragenden Sanierung, wenn zur Fortführung erforder-liche Vermögensgegenstände oder langfristige Vertragsbe-ziehungen, z.B. Mietverträge oder Zulieferverträge, nur mitZustimmung Dritter übertragen werden können, insbeson-dere dann, wenn diese Zustimmung nicht ohne erheblicheGegenleistung zu erreichen wäre.

Gruppenbildung im Rahmen eines InsolvenzplansIm Insolvenzplan sind Beteiligte mit gleichartigen wirt-schaftlichen Interessen zu Gruppen zusammenzufassen,wobei die Arbeitnehmer in der Regel eine besondere Gruppebilden, wenn sie als Insolvenzgläubiger mit nicht unerheb-lichen Forderungen beteiligt sind (§ 222 InsO). Auch fürden Pensions-Sicherungs-Verein – Versicherungsverein aufGegenseitigkeit (PSVaG) kann eine eigene Gruppe gebil-det werden (§ 9 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG). Für die einzelnenGruppen können unterschiedliche Sanierungsbeiträge bzw.Verzichtsleistungen vorgesehen werden. Dagegen bestehtinnerhalb der jeweiligen Gruppen das Gebot der Gläubiger-gleichbehandlung (§ 226 Abs. 1 InsO).

Restrukturierungsplan für vorinsolvenzliche SanierungDurch die Richtlinie 2019/1023/EU des Europäischen Par-laments und des Rates über präventive Restrukturierungs-rahmen vom 20.06.2019 wurde erstmals europaweit dieGrundlage für ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahrengelegt. Der präventive Restrukturierungsrahmen soll ins-besondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) denZugang zu Restrukturierungsmöglichkeiten erleichternund insgesamt einen Anreiz schaffen, dass Unternehmensich frühzeitig um eine Restrukturierung bemühen, umein Insolvenzverfahren zu vermeiden und Arbeitsplätzezu erhalten. Während vorinsolvenzliche Sanierungsbe-mühungen bislang nur bei einstimmiger Unterstützungdurch alle Gläubiger erfolgversprechend sind, werdenMehrheitsentscheidungen über einen Restrukturierungs-plan ähnlich wie bei einem Insolvenzplan möglich. DieVorgaben der Richtlinie wurden in Deutschland durch daszum 01.01.2021 in Kraft getretene Gesetz über den Stabili-sierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen(Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungs-gesetz – StaRUG) in nationales Recht umgesetzt. Es ist zuerwarten, dass das Instrument des Insolvenzplans bzw.Restrukturierungsplans künftig häufiger sowohl in klas-sischen Eigenverwaltungs-Insolvenzverfahren als auch invorinsolvenzlichen präventiven Restrukturierungsverfah-ren zur Anwendung kommen wird.

Begrenzung der Sozialplanmittel (§ 123 InsO). Die bei derSozialplandotierung im Regelinsolvenzverfahren zu beach-tende Bestimmung zur sog. relativen Obergrenze, wonachfür einen Sozialplan nicht mehr als ein Drittel der vertei-lungsfähigen Masse verwendet werden darf, gilt für einenInsolvenzplan dagegen nicht (§ 123 Abs. 2 Satz 2 InsO).

Im gestaltenden Teil wird festgelegt, wie die Rechtsstel-lung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll,also zum Beispiel welchen Forderungsausfall die einzelnenBeteiligten als Sanierungsbeitrag hinzunehmen haben.Seit Inkrafttreten des ESUG können auch Anteilsinhaberdes schuldnerischen Unternehmens in einen Insolvenz-plan einbezogen und so zu eigenen Sanierungsbeiträgenherangezogen werden. Neben der finanzwirtschaftlichenSanierung durch Regelung der Insolvenzforderungen kannim gestaltenden Teil eines Insolvenzplans auch eine neuegesellschaftsrechtliche Eigentümerstruktur implementiertwerden, z.B. durch Umwandlung von Kreditverbindlichkei-ten in Gesellschaftsanteile am schuldnerischen Unterneh-men (sog. Debt-Equity-Swap).

Praktisch besonders wichtig ist eine Vergleichsbe-rechnung, aus der genau hervorgehen muss, welche wirt-schaftlichen Ergebnisse bzw. Quotenerwartungen sichbei Durchführung des Insolvenzplans im Vergleich zumRegelinsolvenzverfahren ergeben.

Der Insolvenzplan bedarf zu seiner Rechtsverbindlich-keit der Annahme durch eine qualif izierte Mehrheit deram Insolvenzverfahren Beteiligten, der Zustimmung desSchuldners sowie der Bestätigung durch das Insolvenz-gericht. Das Insolvenzverfahren wird mit Rechtskraft derBestätigung des Insolvenzplans aufgehoben, soweit imInsolvenzplan nichts Abweichendes geregelt ist.

Geeignete Verfahrensarten für einen InsolvenzplanEin Insolvenzplan kann in allen nach der Insolvenzordnungmöglichen Verfahrensarten vereinbart werden, steht alsosowohl im Regelinsolvenzverfahren mit Fremdverwaltungdurch einen Insolvenzverwalter (§§ 80 ff. InsO), in der Eigen-verwaltung mit Verwaltung durch die bisherige Geschäftslei-tung unter Aufsicht eines Sachwalters (§§ 270 ff. InsO) undinsbesondere im sog. Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO)als spezieller sanierungsvorbereitender Form des vorläufigenEigenverwaltungsverfahrens zur Verfügung. Insbesonderein den beiden letztgenannten Fällen hat der Insolvenzplangroße praktische Bedeutung als strategisches Instrument zurEigensanierung des Schuldners.

Vorteile eines InsolvenzplansDie Dauer eines Insolvenzverfahrens kann durch einen Insol-venzplan, insbesondere bei rechtzeitiger und intensiver Vorbe-reitung eines Sanierungskonzepts, deutlich verkürzt werden.Nicht selten spricht für einen Insolvenzplan auch eine höhereQuotenerwartung als im Regelinsolvenzverfahren.

In der Praxis bildet das Instrument des Insolvenzplanshäufig eine Alternative zu einer sog. übertragenden Sanie-rung, bei der das schuldnerische Unternehmen oder fortfüh-rungsfähige Betriebsteile durch Einzelrechtsübertragungschuldenfrei auf einen Investor übertragen werden (sog.Asset Deal). Während eine solche übertragende Sanierungin der Regel mit einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang

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Haftungsrisiken bei (fehlender)Insolvenzantragung

Der Gesetzgeber hat die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für insolvenzreifeUnternehmen zuletzt nochmals bis zum 30.04.2021 verlängert. Geschäftsführer und

Vorstände sollten genau prüfen, ob ihr Unternehmen unter die gesetzlichen Vorausset-zungen fällt, um eine Haftung mit dem Privatvermögen zu vermeiden.

RA/FAArbR Thomas Faasist Partner bei Küttner Rechtsanwälte in Köln.

Kontakt: [email protected]

Vermeidung von Haftungsrisiken bei (drohender)InsolvenzDie Corona-Pandemie hat Deutschland und die Welt weiterfest im Griff. Insbesondere Unternehmen aus dem Einzelhan-del, der Reisebranche und dem Veranstaltungssektor sindangesichts des zweiten Lockdowns bereits seit mehrerenMonaten mit drastisch verringerten oder völlig weggebro-chenen Umsätzen konfrontiert. Auch in anderen Branchenbefinden sich Unternehmen vielfach in einer existenzbedro-henden Krise.

Es ist absehbar, dass staatliche Unterstützung aus dendiversen von Bund und Ländern aufgelegten Hilfsprogrammen(z.B. „November-/Dezemberhilfe“, Überbrückungshilfe III)bzw. durch Kurzarbeitergeld vielfach nicht ausreichen wird,um den Eintritt einer Insolvenz zu verhindern.

Der Gesetzgeber hatte bereits zu Beginn der Corona-Pan-demie im März 2020 eine Aussetzung der Insolvenzantrags-pflicht beschlossen und hat diese Aussetzung zuletzt unterbestimmten Voraussetzungen nochmals bis zum 30.04.2021verlängert. Entgegen einer in der Praxis verbreiteten Fehlvor-stellung gilt die weitere Aussetzung der Insolvenzantrags-pflicht allerdings keineswegs unterschiedslos für sämtlicheinsolvenzreifen Unternehmen. Geschäftsführer und Vorständemüssen sich daher mit den näheren Voraussetzungen für dieGeltung bzw. Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vertrautmachen, um bei drohender Insolvenz des Unternehmens eineHaftung mit ihrem Privatvermögen und Strafbarkeitsrisikenzu vermeiden bzw. zu minimieren.

Rechtliche AusgangslageNach § 15a InsO ist der gesetzliche Vertreter einer juristi-schen Person, d.h. der Geschäftsführer einer GmbH bzw. derVorstand einer AG, verpflichtet, bei Eintritt der Insolvenzreifeder Gesellschaft infolge Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) bzw.Überschuldung (§ 19 InsO) einen Antrag auf Eröffnung des

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„Wird die drohende oder schon bestehendeZahlungsunfähigkeit oder Überschuldungnicht rechtzeitig erkannt, ergeben sich für

die gesetzlichen Vertreter weitreichendeHaftungsgefahren und Straf barkeitsrisiken.“

gehen, zu deren Unterstützung die verschiedenen staatli-chen Hilfsprogramme in der COVID-19-Pandemie aufgelegtwurden.

Haftungsrisiken bei drohender InsolvenzWird in der Krise eines Unternehmens die drohende oderschon bestehende Zahlungsunfähigkeit oder Überschul-dung nicht rechtzeitig erkannt, ergeben sich für die gesetz-lichen Vertreter zum Teil sehr weitreichende Haftungs-gefahren und Straf barkeitsrisiken. Zu den wichtigstenRisiken zählen:

• Persönliche Haftung auf Ersatz von Zahlungen nachInsolvenzreife, die nicht mit der Sorgfalt eines ordent-lichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbarsind (§ 15b Abs. 1-4 InsO, vormals (bis 31.12.2020)§ 64 Satz 1, 2 GmbHG, § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG)

• Persönliche Haftung auf Ersatz von Auszahlungenaus dem Gesellschaftsvermögen an Gesellschafterbzw. Aktionäre, die zur Zahlungsunfähigkeit führenmussten (§ 15b Abs. 5 InsO, vormals (bis 31.12.2020)§ 64 Satz 3 GmbHG, § 92 Abs. 2 Satz 3 AktG)

• Straf barkeit und persönliche Haftung auf Schadenser-satz bei unterlassener, nicht rechtzeitiger und nicht ord-nungsgemäßer Stellung eines Insolvenzantrags (§ 15aAbs. 4 InsO, § 43 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG, § 823Abs. 2 BGB)

• Straf barkeit und persönliche Haftung auf Schadenser-satz bei Nichtabführung der (objektiv noch erfüllbaren)Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (§ 266aStGB, § 823 Abs. 2 BGB)

• Straf barkeit und persönliche Haftung auf Schadenser-satz bei Nichtabführung der Lohnsteuer (§§ 69, 34 AO)

Die zum Teil mit einer Beweislastumkehr zu Lasten dergesetzlichen Vertreter ausgestaltete Haftung bestehtunabhängig von einer etwa abweichenden internen Res-sortverteilung und erstreckt sich auf das Privatvermögenaller Mitglieder des gesetzlichen Vertretungsorgans.

Insolvenzverfahrens zu stellen. Die gleiche Verpflichtung trifftnach § 42 Abs. 2 BGB den Vorstand eines Vereins oder einerStiftung.

Aussetzung der InsolvenzantragspflichtDer Gesetzgeber hatte die Insolvenzantragspf licht zur Ver-meidung einer Welle pandemiebedingter Insolvenzen durchdas rückwirkend zum 01.03.2020 in Kraft getretene COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) zunächst biszum 30.09.2020 weitgehend ausgesetzt und verschiedeneergänzende Regelungen zur Begrenzung der Organhaftungund zur Einschränkung der Insolvenzanfechtung getrof-fen. Die Aussetzung der Insolvenzantragspf licht sollteUnternehmen, die durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in eine finanzielle Schief lage geraten sind,die Zeit geben, sich unter Inanspruchnahme staatlicherHilfsangebote und im Rahmen außergerichtlicher Verhand-lungen zu sanieren.

Für zahlungsunfähige Unternehmen endete die Ausset-zung der Insolvenzantragspf licht und die Begrenzung derOrganhaftung mit Ablauf des 30.09.2020. Demgegenüberblieb die Insolvenzantragspf licht für Unternehmen, dieinfolge der Corona-Pandemie überschuldet, aber nicht zah-lungsunfähig waren, bis zum 31.12.2020 ausgesetzt.

Durch das Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung derInsolvenzantragspf licht und des Anfechtungsschutzes fürpandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerungder Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und derzinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019vom 15.02.2021 (BGBl. I S. 237) wurde die Insolvenzantrags-pf licht unter bestimmten Voraussetzungen in der Zeit vom01.01.2021 bis zum 30.04.2021 nochmals ausgesetzt. DieAussetzung gilt dabei sowohl für den Insolvenzgrund derZahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) als auch der Überschul-dung (§ 19 InsO). Damit soll sichergestellt werden, dassVerzögerungen auf staatlicher Seite bei der Bearbeitungvon Hilfsanträgen nicht zulasten derjenigen Unternehmen

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„Entgegen verbreiteter Fehlvorstellunggilt die Verlängerung der Aussetzung der

Insolvenzantragspf licht nicht voraus-setzungslos, sondern nur für pandemie-

bedingte Unternehmenskrisen.“

Gesetzgeber hat insoweit allerdings die gesetzliche Ver-mutung aufgestellt, dass die Insolvenzreife auf den Aus-wirkungen der Corona-Pandemie beruht und Aussichtendarauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zubeseitigen, wenn das Unternehmen am 31.12.2019 nichtzahlungsunfähig war (§ 1 Abs. 1 Satz 3 COVInsAG).

Darüber hinaus ist weitere Voraussetzung für die Aus-setzung der Insolvenzantragspf licht bis zum 30.04.2021,dass das schuldnerische Unternehmen im Zeitraumvom 01.11.2020 bis zum 28.02.2021 einen Antrag auf dieGewährung f inanziel ler Hil feleistungen im Rahmenstaatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgender Corona-Pandemie gestellt hat (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 3COVInsAG). War eine Antragstellung aus rechtlichen odertatsächlichen Gründen nicht innerhalb des vorgenanntenZeitraums bis 28.02.2021 möglich, gilt die Aussetzung derInsolvenzantragspf licht auch für Schuldner, die nach denBedingungen des staatlichen Hilfsprogramms in den Kreisder Antragsberechtigten fallen. In beiden Konstellationenist weiter erforderlich, dass der Antrag auf staatlicheHilfeleistung nicht offensichtlich aussichtslos ist und dieInsolvenzreife im Falle der Gewährung der staatlichenHilfsleistung beseitigt wird (§ 1 Abs. 3 Satz 2 COVInsAG).Die Auszahlung der beantragten Hilfsleistung muss alsoder einzige noch fehlende Baustein für die Beseitigungder Insolvenzreife sein. Die gesetzlichen Vertreter müssendaher ihre „Hausaufgaben“ zur Entwicklung eines Restruk-turierungs- und Sanierungskonzepts für das insolvenzreifeUnternehmen bereits erledigt haben. Für die zu erwar-tende Beseitigung der Insolvenzreife bei Auszahlung derbeantragten Hilfen (und für die nicht offensichtliche Aus-sichtslosigkeit des Antrags auf Hilfsleistungen) gilt keinegesetzliche Vermutung. Geschäftsführer und Vorständesind deshalb gut beraten, die Beseitigung der Insolvenz-reife im Falle der Auszahlung der beantragten Hilfen durcheine detaillierte Finanz- und Liquiditätsplanung nachvoll-ziehbar zu dokumentieren.

Sorgfältiges Monitoring der UnternehmensfinanzenZentraler Dreh- und Angelpunkt bei der Vermeidung bzw.Minimierung der Haftungsrisiken ist das engmaschigeMonitoring der Unternehmensfinanzen. Nur wenn jederzeitTransparenz darüber herrscht, ob die Verbindlichkeiten imZeitpunkt ihrer Fälligkeit aus den liquiden Mitteln bedientwerden können bzw. das vorhandene Vermögen die bilan-ziellen Verbindlichkeiten deckt, lässt sich eine belastbareAussage zur Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit (§ 17InsO) bzw. Überschuldung (§ 19 InsO)) treffen. Außerdemkann der gesetzliche Vertreter nur bei kontinuierlicherBeobachtung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaftseiner in der Krise bis zum Eintritt der Insolvenzantrags-pf licht bestehenden Restrukturierungs- und Sanierungs-pf licht nachkommen. Insgesamt muss der gesetzlicheVertreter für eine Organisation sorgen, die ihm jederzeitdie erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche undfinanzielle Situation des Unternehmens ermöglicht (vgl.BGH vom 19.06.2012 – II ZR 243/11). Bei Anzeichen einerKrise ist daher ein laufend aktuell zu haltender Liquidi-tätsstatus zu erstellen. In diese Liquiditätsplanung sindetwa auch die Kosten für Auslauf löhne und Abfindungenzu ihren jeweiligen Fälligkeitsterminen einzustellen, wennder Eintritt einer Insolvenz durch eine Restrukturierung imPersonalbereich verhindert werden soll.

Voraussetzungen für die Aussetzung bis 30.04.2021Entgegen verbreiteter Fehlvorstellung gilt die Verlänge-rung der Aussetzung der Insolvenzantragspf licht bis zum30.04.2021 – ebenso wie zu Beginn der Corona-Pandemieab März 2020 bis 30.09.2020 – nicht etwa voraussetzungs-los, sondern nur für pandemiebedingte Unternehmenskri-sen. Wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen derCorona-Pandemie beruht oder wenn keine Aussichtendarauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeitzu beseitigen, gelten die allgemeinen Bestimmungen zurInsolvenzantragspf l icht ohne Einschränkungen. Der

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Qualifizierungschancengesetz:Weiterbildung in der Krise

Wie staatliche Förderungsangebote zur Weiterbildung der Belegschaft genutzt werden können, um dieWettbewerbsfähigkeit auch in Krisenzeiten nachhaltig zu stärken

Qualifizierungskonzepte für Beschäftigte können ein Baustein im Kontext von Restruk-turierungen sein. Zugleich verbesserte der Gesetzgeber jüngst die bestehenden Förde-

rungsmöglichkeiten. Es wird ein Überblick zu den Möglichkeiten und Implementierungs-konzepten gegeben.

RA Dr. Thomas Köllmannist Associate bei Küttner Rechtsanwälte in Köln.

Kontakt: [email protected]

Ausgangslage: Strukturwandel und BetriebsänderungEin auf dem Strukturwandel beruhender Weiterbildungs-bedarf ist regelmäßig nicht (nur) auf einzelne Beschäftigtebezogen, sondern betrifft ganze Branchen. Führt die Ver-änderung der Arbeitsanforderungen zu einem Abbau vonPersonal oder werden zumindest neue Fertigungsmethodenoder Betriebsstrukturen eingeführt, liegt eine Betriebsän-derung vor (§ 111 Satz 3 Nr. 1, 4 und 5 BetrVG). Konsequenzist die notwendige Beteiligung des Betriebsrates und dieVerpf lichtung, über einen Interessenausgleich zu verhan-deln und einen Sozialplan abzuschließen. Während imInteressenausgleich die konkrete Maßnahme beschriebenwird, dient der Sozialplan dem Ausgleich wirtschaftlicherNachteile der Beschäftigten, etwa indem Abfindungszah-lungen festgelegt werden. Neben dem typischen „Abfin-dungssozialplan“ liegt es aber nicht selten im Unterneh-mensinteresse, die Stammbelegschaft ganz oder teilweisezu erhalten und durch Qualifizierungsmaßnahmen an dieneuen digitalisierten Arbeitsprozesse heranzuführen. Wirdin einem Sozialplan zumindest auch eine solche Qualifi-zierung von Beschäftigten vorgesehen, spricht man in derPraxis häufig von einem „Qualifizierungssozialplan“.

Der „Qualifizierungssozialplan“Die Bezeichnung „Qualifizierungssozialplan“ ist aber bis-weilen irreführend: So können Umschulungs- und Fortbil-dungsverpf lichtungen nicht Gegenstand eines Sozialplanssein, da sie nicht der Milderung wirtschaftlicher Nachteiledienen, sondern diese (vorgelagert) vermeiden sollen.Werden Qualifizierungsmaßnahmen indes (nur) im Inter-essenausgleich geregelt, lassen sich daraus grundsätzlich

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„Qualifizierungsmaßnahmen können an-dere Restrukturierungsmaßnahmen ergän-

zen und zur Sicherung der Wettbewerbs-fähigkeit des Unternehmens beitragen.“

aufwendiger, schafft aber eine klarere Abgrenzung vom rest-lichen Betrieb und ermöglich eine höhere Flexibilität.

Die Förderung der QualifizierungsmaßnahmenIm Bereich des strukturbedingten Qualifizierungsbedarfessetzen die Förderungen durch das Qualifizierungschancen-gesetz an. Die Förderungsmöglichkeiten sind nicht nur füreinzelne Beschäftigte interessant, sondern erleichtern auchdie Finanzierung auf der Arbeitgeberseite.

Förderungsvoraussetzungen und -angeboteBeschäftigte können unabhängig von ihrer Qualifikation, ihremAlter und der Betriebsgröße durch Weiterbildungsmaßnahmenim bestehenden Arbeitsverhältnis gefördert werden. FolgendeVoraussetzungen müssen erfüllt sein (§ 82 Abs. 1 SGB III):

• Es müssen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt wer-den, die über arbeitsplatzbezogene kurzfristige Anpas-sungsfortbildungen hinausgehen. Nicht ausreichend istetwa eine kurze Einweisungsschulung aufgrund gering-fügiger technischer Änderungen im Betrieb.

• Es darf sich zudem nicht um eine Weiterbildung handeln,die gesetzlich vorgeschrieben ist.

• Der Erwerb des Berufsabschlusses muss mindestens vierJahre zurückliegen.

• Die letzte geförderte Weiterbildung des Beschäftigtenmuss vier Jahre zurückliegen.

• Die Maßnahme darf nicht vom Betrieb selbst durchge-führt werden und muss mindestens einen Umfang von120 Stunden haben.

Ein Überblick über das konkrete Kursangebot findet sichauf der Webseite „KURSNET“ der Agentur für Arbeit. DerAntrag auf Förderung kann vom Beschäftigten bei der ört-lichen Agentur für Arbeit gestellt werden. Sollen mehrereBeschäftigte eines Unternehmens an derselben Weiterbil-dung teilnehmen, kann der Arbeitgeber seit dem 01.01.2021einen Sammelantrag stellen (§ 82 Abs. 6 SGB III).

Konkrete Finanzierung der QualifizierungsmaßnahmeDie Übernahme von Weiterbildungskosten setzt grund-sätzlich eine Beteiligung durch den Arbeitgeber voraus.

keine individualrechtlichen Ansprüche der Beschäftigtenherleiten. Ist ein Qualifizierungsanspruch gewollt, solltedaher eine Vereinbarung mit Mischcharakter abgeschlos-sen werden, die hinsichtlich der Qualifizierungsregelungeneine Betriebsvereinbarung darstellt. Die Einbindung desBetriebsrates ist zudem auch deshalb obligatorisch, weilihm bei der Ermittlung des Weiterbildungsbedarfs undder Durchführung der konkreten Weiterbildungsmaß-nahme umfassende Beteiligungsrechte zukommen (§ 96 ff.BetrVG). Schließlich erhöht die Beteiligung des Betriebsra-tes die Akzeptanz der Maßnahme bei der Belegschaft undbietet finanzielle Vorteile, da die staatlichen Förderungenbeim Abschluss einer solchen Betriebsvereinbarung steigenkönnen.

In einem „Qualifizierungssozialplan“ werden typischer-weise folgende Bereiche geregelt:

• Ermittlung und Benennung des Qualifizierungsbedarfs• Festlegung von Qualifizierungszielen und -wegen• Konkrete Teilnahmeregelungen (zeitliche Dauer, Umfang

usw.)• Festlegung des Verhältnisses zu Abfindungsregelungen in

einem begleitenden „Abfindungssozialplan“• Finanzierung der Maßnahmen: Regelung zu Rückzah-

lungsmodalitäten (z.B. im Fall der Eigenkündigung);Beachtung der Förderungen durch das Qualifizierungs-chancengesetz

Eine noch weitergehende Möglichkeit als der „Qualifizie-rungssozialplan“ bietet ein so genannter auf Dauer ange-legter „Qualifizierungsbetrieb“. Hier werden Beschäftigtein einer neu geschaffenen Einheit zusammengefasst, in ihrweitergebildet und im Anschluss – bei erfolgreicher Weiter-bildung – wieder innerhalb des Unternehmens im operativenBetrieb eingesetzt. Auch die dortigen Weiterbildungsmaß-nahmen können auf der Grundlage des Qualifizierungs-chancengesetzes gefördert werden. Ob der „Qualifizierungs-betrieb“ dabei tatsächlich eine eigene betriebliche Einheitim betriebsverfassungs- und kündigungsschutzrechtlichenSinne bildet oder nur als innerorganisatorische Verwal-tungseinheit besteht, ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig.Die Bildung einer eigenen betrieblichen Einheit ist deutlich

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„Sind die Voraussetzungen für das Kurzarbei-tergeld erfüllt, bleibt der Anspruch auf diesesbestehen, auch wenn Beschäftigte während-

dessen eine Weiterbildung beginnen.“

einer Weiterbildung bedarf. Bei KMU kann der Zuschussbereits erhöht werden, wenn mindestens 10 Prozent derBeschäftigten eine Weiterbildung benötigen (§ 82 Abs. 5SGB III). Der Arbeitgeber hat diese Schwellenwerteglaubhaft darzulegen.

Weiterbildung und KurzarbeitSind die Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld erfüllt,bleibt der Anspruch auf dieses bestehen, auch wennBeschäftigte währenddessen eine Weiterbildung beginnen.Durch das Beschäftigungssicherungsgesetz ist seit dem01.01.2021 die Förderung der Weiterbildung während derKurzarbeit selbständig geregelt (§§ 106a, 82 Abs. 9 SGB III).Die Erstattung der Maßnahmenkosten richtet sich auchhier nach der Größe des Betriebs. Vorteil dieser Regelungist eine pauschale Kostenerstattung ohne die individuellePrüfung, ob die Voraussetzungen für die Förderung derberuf lichen Weiterbildung der Beschäftigten nach § 82Abs. 1 SGB III vorliegen (vgl. BT-Drucks. 19/24481 S. 17).Ein Arbeitsentgeltzuschuss wird nicht gezahlt, wenn derArbeitsausfall vorrangig nicht weiterbildungsbedingt ist,sondern auf wirtschaftlichen Gründen beruht und daherKurzarbeitergeld bezahlt wird.

Zudem besteht in Zukunft ein finanzieller Vorteil fürdie Beiträge zur Sozialversicherung: Ab dem 01.01.2021können befristet bis 31.07.2023 für Beschäftigte die inKurzarbeit sind und sich gleichzeitig qualif izieren, dieHälfte der Sozialversicherungsbeiträge erstattet werden.Voraussetzung ist insbesondere, dass die Qualif izie-rungsmaßnahme insgesamt mehr als 120 Stunden dauert(§ 106a SGB III). Ein entsprechender Erstattungsantrag istvom Arbeitgeber zu stellen (§ 323 Abs. 2 Satz 3 SGB III).Zu beachten ist, dass § 2 Abs. 1 KugV schon allgemeineine Erstattung aller Sozialversicherungsbeiträge bis zum30.06.2021 in volle Höhe vorsieht, wenn der Betrieb bis zum30.06.2021 Kurzarbeit eingeführt hat. Nach dem 30.06.2021kann allerdings der Ersatz der Hälfte der Sozialversiche-rungsbeiträge nach der KugV mit dem Ersatz der anderenHälfte nach § 106a SGB III kombiniert werden (vgl. BT-Drucks. 19/24481 S. 17).

Das Gesetz sieht gestaffelte Zuschüsse zu den Kosten nachder Größe des Unternehmens vor (§ 82 Abs. 2 SGB III),wobei zur Ermittlung dieser Größe alle Partnerunterneh-men bzw. verbundenen Unternehmen zu berücksichtigensind:

• in Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten:100% der Kosten

• in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU)mit bis zu 250 Beschäftigten: bis zu 50% der Kosten

• in größeren Betrieben ab 250 Beschäftigten: bis zu 25%der Kosten

• bei großen Unternehmen ab 2.500 Beschäftigten: bis zu15% der Kosten und

• bei Beschäftigten ab dem 45. Lebensjahr oder Beschäf-tigten mit einer Schwerbehinderung in KMU: bis zu 100Prozent der Kosten

Die Förderung erfolgt in diesem Bereich durch Bildungs-gutscheine, die die Beschäftigten sodann bei den jeweiligenAnbietern der Kurse unmittelbar einlösen können.

Über die Beteiligung an den direkten Weiterbildungs-kosten hinaus beteiligt sich die Agentur für Arbeit auchan den Lohnfortzahlungen für Beschäftigte, die an einergeförderten beruf lichen Weiterbildungsmaßnahme teilneh-men und daher freigestellt werden (Arbeitsentgeltzuschuss,§ 82 Abs. 3 SGB III). Bei einem positiven Bescheid zahlt dieAgentur für Arbeit den Zuschuss zum Arbeitsentgelt direktan den Arbeitgeber aus.

Der Gesetzgeber hat die Förderleistungen für besondersvom Strukturwandel betroffene Beschäftigte und Betriebeab dem 01.10.2020 durch folgende Maßnahmen weiter ver-bessert:

• Beim Vorliegen einer Betriebsvereinbarung zur beruf-lichen Weiterbildung oder eines Tarifvertrages, derbetriebsbezogene Weiterbildung vorsieht, kann eine um5 Prozentpunkte höhere Förderung erfolgen (§ 82 Abs. 4SGB III).

• Die genannten Zuschüsse zu Lehrgangskosten undArbeitsentgelt werden unabhängig von der Betriebs-größe um jeweils 10 Prozentpunkte erhöht, wenn min-destens jeder fünfte Beschäftigte im einzelnen Betrieb

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DER BETRIEBWochenzeitschrift für Betriebswirtschaft, Steuerrecht, Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht

HerausgeberProf. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Ballwieser,Prof. Dr. Johanna Hey,Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff,Friedrich Merz,Dr. Thomas Wachter

RedaktionDipl.-Kff. Eva-Maria Kunze,Leitende Redakteurin (v. i. S. d. P.),eMail [email protected]

Ressort BetriebswirtschaftDipl.-Kfm./Dipl.-Vw. Sebastian Boochs,Fon 0211 887-1458eMail [email protected]

Ressort SteuerrechtDipl.-Kff. Eva-Maria KunzeFon 0211 887-1475eMail [email protected]. Sixten AbelingFon 0211 887-1495eMail [email protected]

Ressort WirtschaftsrechtAss. Frauke NitschkeFon 0211 887-1468eMail [email protected] Co

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Ressort ArbeitsrechtAss. Claus DettkiFon 0211 887-1456eMail [email protected]

KorrektoratNinja Arendt, Sabine Nehrenhaus,Kerstin Pferdmenges

SekretariatFon 0211 887-1435Fax 0211 887-1450eMail [email protected]

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VerlagFachmedien Otto Schmidt KG, Neumannstr. 10,40235 Düsseldorf; Handelsblatt Fachmedienist eine durch die Fachmedien Otto SchmidtKG lizenzierte Marke. Sämtliche Leistungs- undVertragsbeziehungen entstehen ausnahmslosmit der Fachmedien Otto Schmidt KG.Vertretungsberechtigte Gesellschafter:Prof. Dr. Felix Hey, phGFachmedien Otto Schmidt Geschäftsfüh-rungs-GmbH, Gustav-Heinemann-Ufer 58,50968 Köln,Geschäftsführer:Christoph Bertling, Dirk Baumann

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