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18Freitag, 9. 10. 2009 LUXEMBURGENSIA

Fausto Gardini beschreibt das Krisenjahr 1919„Storms over Luxembourg“ als E-Book erschienen

V O N J O S E P H L O R E N T

Fausto Gardini: „Storms over Luxembourg“.E-Book im Selbstverlag, 200 Seiten. Bestellungdurch Überweisung von 15 Euro (Lieferung viaInternet) oder 20 Euro (Memory Stick) auf dasKonto BCEE IBAN LU64 0019 6203 5853 6000von G. Pierret-Gardini mit dem Vermerk „Storms“.

Fausto Gardini ist eine facettenreiche Per-sönlichkeit. Er ist in Italien geboren, wuchsaber in Differdingen auf, hatte dank seinesInitiativgeistes Erfolg im Berufsleben, zu-erst bei der Luxair und danach im Dienstegroßer internationaler Fluggesellschaften,bereiste nahezu 100 Länder dieser Erde,lebt seit Jahren in Jacksonville (Florida),fühlt und denkt aber mehr als Luxembur-ger als so mancher im Großherzogtumselbst Geborener und Lebender. Einen Na-men hat er sich als eifriger und gewissen-hafter Forscher über die LuxemburgerAuswanderer nach Amerika gemacht. DenBeweis für diese Feststellung erbrachte ernicht zuletzt Anfang September 2008 alsBegleiter einer zehntägigen LW-Leserreisedurch Amerikas Mittleren Westen auf denSpuren Luxemburger Emigranten. Da gabes quasi keinen Ort und keine Stadt, wo ernicht ebenso lehrreiche wie manchmalauch pikante Einzelheiten über das Lebenund die Schicksale von Luxemburger Aus-wanderern zu erzählen wusste, die im 19.Jahrhundert und auch noch danach ihr Heilin der Neuen Welt suchten.

Nachdem Fausto Gardini, der viele Do-kumente gesammelt und ausgewertet hat,bereits mehrere Veröffentlichungen inkleiner Auflage mit interessanten Einzel-heiten über Luxemburger in Amerika her-

ausgegeben hat, ver-sucht er sich diesmalals Autor in einem um-fangreicheren Werk,das aus Kostengründenals E-Book, also in digi-taler Form, erscheintund nach Bestellung ent-weder via Internet zu be-ziehen ist oder als Me-mory Stick zugeschicktwird.

„Storms over Luxem-bourg“ lautet der Titelseiner neuesten Publika-tion in englischer Spra-che, in der Fausto Gardinidas in der LuxemburgerNationalgeschichte wirk-lich stürmische Jahr 1919 in den Mittel-punkt seiner gut recherchierten und leichtverständlich formulierten Abhandlungstellt.

In seinem 200 Seiten umfassenden und55 000 Worte zählenden und mit 56 Illus-trationen versehenen E-Book greift derAutor jedoch diesmal weiter aus. Um dieZusammenhänge besser zu verstehen,blendet er in die historischen Hinter-gründe zurück. Dabei geht er zuerst kurzauf die Beziehungen zwischen Belgien undLuxemburg im Zeitraum 1815-1918 ein, be-handelt dann ausführlicher das 1912 begon-nene Regnum von Großherzogin Marie-Adelheid und im selben Zusammenhangeingehend den Einfall der Deutschen 1914und die Okkupation während des ErstenWeltkrieges. Soann stellt er eine Verbin-

dung zu den USA herdurch die Schilderungvon derem Verhalten injenen schwierigen Zei-ten. Es folgen Kapitelüber jene Luxembur-ger, die sich in denfranzösischen, belgi-schen und amerikani-schen Streitkräftenengagierten, sowienicht zuletzt über dasamerikanische Expe-ditionskorps, das Lu-xemburg befreite.

Einen großen Bo-gen schlägt FaustoGardini dann mit je-nen Kapiteln, die die

Verfassungsänderung, die revolutionärenUmtriebe 1918 ein bisschen überall inEuropa, das Ende des Ersten Weltkriegesmit seinen Auswirkungen auf Handel undIndustrie, die Bestrebungen zur Ausrufungder Republik und schließlich die Abdan-kung von Großherzogin Marie-Adelheidbehandeln. Beschrieben wird aber auch derNeuanfang nach dem Referendum.

„The times are changing, and we changewith them“, stellt Fausto Gardini zusam-menfassend fest, nachdem er aus seinerSicht schlussfolgernde Überlegungen überdie damalige Epoche und unsere Zeit ange-stellt hat.

Wer Fragen an den Autor hat oder sein Werk kommentierenwill, kann dies unter folgender E-Mail-Adresse tun: [email protected]

Der (Selbst)mordfallLeo, die Leiche und die lange Suche nach einem vermeintlichen Täter

V O N R O G E R N I L L E S

Corinne Bauer: „Leo und die schöne Leiche“.Editions Guy Binsfeld. 199 Seiten. ISBN 978-2-87954-218-8, 20 Euro.

Wenn ein Selbstmord im Detail nicht aus-sieht wie ein Selbstmord auszusehen hat,dann ist es meist auch keiner. KommissarLeo Wirtgen macht sich auf Spurensucheund findet Indizien und schließlich möglicheVerdächtige, die sich irgendwie doch kaumjemand als Mörder vorstellen kann. Und wernicht ist, wie ein Mörder nach landläufigerMeinung zu sein hat, der ist wohl auch kei-ner. Zumindest im Krimi. Oder?

Wieso sollte eine so schöne Frau sichumbringen? Die Frage beschäftigt. So alshätten nur hässliche Damen das „Recht“ zuso einem Akt, arme und unglückliche dazu,aber gut situierte ...? Niemals! Sicher, auchan Lucie Steffen gehen die Jahre trotzKunstgriff in die Schminkdose nicht spur-los vorbei. Sicher, sie hat sich vor zweiJahren von ihrem Mann getrennt, ihr Chefnervt, und sie nimmt Tabletten gegen(leichte) Depressionen ... aber umbringenwürde die Frau sich nicht. Nein, sie hatPläne für die nahe, für eine bessere Zu-kunft. Doch dazu wird es nicht mehrkommen, Lucie hat sich erhängt ... oderwurde ermordet. Ohne dem Ende der Storyvorgreifen zu wollen, gibt es wohl nocheine dritte Möglichkeit. Und vielleicht istdie schöne Leiche gar nicht so unschuldig,wie alle vermuten. Oder sie hat einfach nurPech – (un)glücklicherweise.

Mit schöner Regelmäßigkeit streut Auto-rin Corinne Bauer neue Akteure in dieGeschichte ein, die an einem Gespräch mit

Kommissar Wirtgen nicht vorbei kommen.Ob der Täter dabei ist? Die Mutter, dieSchwester, die beste Freundin, der Ex-Mann, der Chef, der Freund, der Arzt ... fastjeder könnte es sein, obwohl eigentlichniemand in Frage kommt – Alibis werdengar nicht erst überprüft, denn es war jaSelbstmord, oder? Die Ermittlerseite führt

Leo an, es folgen die Kollegen, derUntersuchungsrichter, die neueAssistentin, die Gerichtsmedizi-ner ... Der Fall, sicher einer derschwierigen für den Kommissar vonColumbo-Format, führt diesen insogenannte bessere Kreise, wo Geldkeine Rolle spielen sollte, und ineinen maroden Juwelierladen, demeine Schlüsselrolle in dem(Selbst)mordfall zukommt.

Der Autorin, Jahrgang 1949, gelingtes in ihrem ersten „Luxemburg-Kri-mi“ eine stimmige Szenerie zu entwi-ckeln, die sich nur langsam mit neuenElementen anreichert. In der erstenBuchhälfte passiert offensichtlichnicht viel, wieso auch. Niemand machtsich unmittelbar verdächtig, niemandwill es gewesen sein ... und war esnicht sowieso Selbstmord? Immer wie-der diese Frage. Aber dann kommtdoch noch Bewegung ins Spiel und dieErmittlungen erhalten neuen Stoff.

„Leo und die schöne Leiche“ ist einmitunter recht spannendes Buch, dasdurchaus zu gefallen weiß und die eineoder andere unerwartete Wendung ent-hält. Die Story, überdeutlich verwurzeltin der Stadt Luxemburg, spricht an, dieCharaktere, vor allem Kommissar Wirt-

gen, sind in ihrer Eigenart gut ausgearbeitetund passen, wenn auch nicht ganz klischee-frei in den Erzählrahmen. Lediglich Spra-che und Satzbau können nicht recht über-zeugen – alles klingt irgendwie luxembur-gisch, besonders die Zitate. Schade, füreinen Krimi aber letztlich von untergeord-neter Bedeutung.

D'Lucie an der Vakanz, 2009.

Dany Prums kleine,bunte Menagerie

Bernard Ceysson, Marie-Anne Lorgé, Lam-bert Herr: „Dany Prum“. éditions saint-paul,160 Seiten und eine DVD, ISBN: 978-2-87963-727-3, 76 Euro.

Es gibt nicht vieleLuxemburgerKünstler, die sichdazu entschließen,aus ihrer Berufungeinen Beruf zu ma-chen. Zu groß istdie materielle Un-sicherheit, die Zu-kunft zu sehr mitFragezeichen ver-

sehen. Nicht viele, doch es gibt sie den-noch, kreative Menschen, die diese Fra-ge- zu Ausrufezeichen zurechtbiegen,und mit einer der Schöpferkraft ganzeigenen Zielstrebigkeit ihren Weg ge-hen. Eigentlich wollte die am 18. Feb-ruar 1965 in Luxemburg geborenenDany sich einem medizinischen Berufwidmen, doch bereits zu Beginn der80er-Jahre zeichnet sich eine künstleri-sche Laufbahn ab. Das Studium inStraßburg und Paris legt die fachlicheGrundlage für ein Schaffen, das nun ineiner die Jahre 1986 bis 2009 umfassen-den Monografie (wieder) zu entdeckenist. In ihrer ganz eigenwilligen Art, dieman fast schon mit einem bewundern-den „ungezähmt“ ergänzen könnte, um-gibt sich die Künstlerin, nicht nur imLeben, sondern ebenfalls auf ihrenLeinwänden mit einer Menagerie, inder den Möpsen Clara und Lucieebenso viel empathische Sorgfalt zuteilwird wie ihrem Künstlerkollegen Jean-Marie Biwer oder Premierminister Jun-cker. Das Gefühl, das beim Betrachtenvon Dany Prums Bilder jedoch ver-strömt, ist nicht das der vorgeführtenGefangenschaft, sondern eher das einerArche Noah gleichen Bewahrung derEinzigartigkeit eines jeden Wesens – seies Mensch oder Tier. Andere WerkeDany Prums wiederum muten wieSchnappschüsse einer vermeintlich ba-nalen Realität an, bei der meist als ne-bensächlich ignorierte Details wie derPistolenschaft eines Polizisten, derBlick auf die beleuchtete Straße ausdem Fenster eines fahrenden Wagens,die Füße der Teilnehmer der „Octav-prozessioun“ oder Mélas schwarzeTatze plötzlich eine ganze Geschichteerzählen. Frei nach dem „Pars pro to-to“-Prinzip entfaltet sich so ein reichbevölkertes Universum, zu dem sichder Betrachter unweigerlich hingezogenfühlt. Doch auch die Installationen, diedie Künstlerin gemeinsam mit JerryFrantz gestaltete, finden einen gebüh-renden Platz. Ein ausführliches Buchüber eine faszinierende Künstlerin undihr facettenreiches Werk, in dem nichtnur ein Vorwort des Galeristen BernardCeysson und ein Einführung von Marie-Anne Lorgé, sondern ebenfalls eine mitprivaten Aufnahmen einnehmend illus-trierte Biografie von Lambert Herr auchpersönliche Einblicke in Dany Prumskleine, unwiderstehlich bunte Welt ge-währen. (vac)