„state of matter“, publikumspreis 2011 … · „state of matter“, publikumspreis 2011...

76
/ 1 1

Upload: others

Post on 16-Oct-2019

3 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 1

1

Page 2: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4
Page 3: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

„STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011

INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN

IHSAN RUSTEM

FOTO: ALEXANDER SPIERING

Page 4: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

4

#01 / TANZ

EIN ENSEMBLE AUS INSTITUTIONEN

UND INITIATIVEN

HANNOVER IST TANZ

Page 5: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

4 / 5

… und Tanz ist nur der Auftakt zu einer kleinen,

feinen Reihe, die in loser Folge die verschiedenen

Kunstsparten, aber auch übergreifende Themen mit

KünstlerInnen, Institutionen und Initiativen als

Kultur im Dialog beleuchtet.

Für jedes einzelne Thema geht es um eine gemeinsa-

me Standortbestimmung: Dazu gehören der Rückblick

auf bisherige Entwicklungen, die Präsentation der

Kunstschaffenden und ihrer Arbeit. Aber es geht

natürlich auch um einen Ausblick auf den weiteren

Weg der Förderung und Zusammenarbeit.

Der Tanz macht den Anfang. Vielleicht ein we-

nig überraschend, weil die Szene klein zu sein

scheint. Aber dieses Signal ist bewusst gesetzt,

denn die Geschichte des Tanzes in Hannover war

einmal glanzvoll und in den vergangenen Jahren hat

sich wieder viel getan, um an die alte Relevanz

neu anzuknüpfen.

Was muss geschehen, damit staatliche Institutio-

nen und freie Initiativen gut miteinander arbeiten

können und wie müssen Angebote verzahnt werden,

damit Wirkungsketten entstehen? Von diesen Fragen

haben wir uns im Netzwerk Tanz leiten lassen.

Eckpfeiler der hannoverschen Tanzlandschaft sind

die Staatsoper Hannover mit ihrem Ballett, die

Eisfabrik und das Tanzhaus der Compagnie Fredeweß

mit freien Produktionen, das TANZtheater INTERNA-

TIONAL als renommiertes Festival und natürlich der

Internationale Wettbewerb für Choreographen.

Sie stärker zueinander in Bezug zu setzen, ist das

Anliegen des Netzwerks. Dazu wollen wir Akzente

setzen bei der Präsenz und dem Austausch von Tanz-

kunst in der Stadt und mit der Intensivierung von

Vermittlungsangeboten.

Page 6: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

6

Für die Zusammenarbeit verschiedener Compagnien

mit Schulen zeichnet sich bereits eine sehr erfreu-

liche Entwicklung ab. Dafür gebührt dem Ballett der

Staatsoper und der Compagnie Fredeweß besonderer

Dank. Wir wollen Kunst vermitteln und unabhängig

von der sozialen Herkunft Teilhabe gestalten. Dafür

müssen wir Schulen für künstlerische Lebenswelten

öffnen und Kunstorte für Vermittlung interessieren.

KünstlerInnen und Gastspiele in die Stadt einzula-

den und die Zeiträume zwischen den großen Events

zu füllen mit Residenzen, die in Aufführungen nicht

nur in Hannover münden – das sind die Stichworte,

um die Präsenz des Tanzes zu stärken.

FOTO: CHRISTIAN TEPPER

Page 7: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 7

6

Dank gilt den Förderern wie zum Beispiel der Stif-

tung Niedersachsen, der Niedersächsischen Sparkas-

senstiftung, der Stiftung Kulturregion Hannover,

der TUI Stiftung oder dem Land Niedersachsen, die

mit ihrem langjährigen und kontinuierlichen En-

gagement das Gefüge der Tanzlandschaft gewähr-

leisten.

Wir hoffen, dass wir mit Ihnen auch die Zukunft des

Tanzes gemeinsam bestreiten können.

Denn: Kultur kann nur partnerschaftlich gelingen.

Dazu sind auch Sie herzlich eingeladen!

Marlis Drevermann

Kultur- und Schuldezernentin

Page 8: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

8

VON HÖFISCHENVERGNÜGEN

AUSDRUCKSTANZUND DEM BALLETT DERSTAATSOPER HANNOVER

HEUTE

#01 / TANZ

HANNOVER - EINE TANZGESCHICHTE

Page 9: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 9

8

EINE HANNOVERSCHE AUSNAHMEERSCHEINUNG – MANJA CHMI L

Kompakt. Rothaarig, noch im fortgeschrittenen Alter.

Mit wachen Augen. Und einem skeptischen Geist. So

saß Manja Chmiél in ihrem Sessel und schaute die

Besucherin abwartend an. Die Ruhe täuschte! Denn

die 1922 geborene Chmiél war nicht nur eine fu-

riose, „erdige“, ungewöhnliche Solistin, sondern auch

eine herausragende, temperamentvolle Tanzmeisterin.

Ihre Schülerin, die Tanzpädagogin Irene Sieben,

erinnerte sich in einer Hommage an Manja Chmiél:

„Sie schlingerte, federte, tänzelte durch den Raum

(...). Dabei saugten sich ihre Füße wie kleine Raupen an

den Boden und schnellten weg wie von Katapulten abge-

schossen. Sie tasteten und suchten Widerstand. Später

nannte sie es „Milchtritt“ (wie bei kleinen Kätzchen)

oder „Honigfäden aus dem Boden ziehen“. Die Füße

wurden so bereit zum Spiel mit der Schwerkraft: pul-

sierend oder in furiosem Stakkato (...). Und ich wusste:

Das war‘s. So wollte ich tanzen und nicht anders.“

Wie Irene Sieben ging es vielen begabten jungen

Leuten: Sie erkannten im Tanz- und Lehrstil von Manja

Chmiél etwas zutiefst Menschliches, etwas, das dem

eigenen Lebensgefühl entsprach. Nach dem Zweiten

Weltkrieg hatte man an die Tanztradition des Expres-

sionismus nicht einfach anknüpfen können.

FOTO: JÖRG MANNES

„LUX“

STAATSOPER HANNOVER

Page 10: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

10

Das feierliche Pathos der in Hannover geborenen

Mary Wigman hatten die Nazis versucht, in Misskre-

dit zu bringen. Die Düsternis von Dore Hoyer schien

vielen schwer zu ertragen. Viele Ballettmeister und

ChoreographInnen in Deutschland besannen sich nach

dem Krieg auf ältere Traditionen, auf das klassische

Ballett. Zumindest ging man damit kein allzu großes

Risiko ein, unterhielt man das Publikum, das ver-

sessen auf „das Schöne“ war, auf vertraute Weisen.

Verstörung fand anderenorts statt: in der Malerei,

in der Literatur oder in der Musik. Manja Chmiél aber

war dabei, einen eigenen Weg zu finden, zunächst in

Berlin in Mary Wigmans Tanzstudio, dann, von 1971 an,

in Hannover. Sie war und blieb gelernte Ausdrucks–

tänzerin – aber nicht so hochfahrend-pathetisch,

ja bisweilen hysterisch wie Mary Wigman, nicht so

verkopft wie die in Dresden lebende Gret Palucca.

Eigentlich war der Stil

von Manja Chmiél maß-

voll. Dabei voller Le-

benslust und -freude.

Schaut man sich die alten

Fotos an, kann man den

Weg Chmiéls mühelos

nachverfolgen: Wie es

begann, mit stark rhyth-

mischen Tänzen, mit den

Versuchen, neue, fremde

Klänge aus Afrika und Ozeanien einzubeziehen. Tänze-

risch hätte man mit Manja Chmiél die Welt entdecken

können!

Dann, in den 1960ern, als die Deutschen wieder

selbstbewusster wurden, als die Malerei sich auf

abstraktes Terrain wagte, nahmen auch Manja Chmiéls

Choreographien „das Neueste“ selbstverständlich auf:

Elektronische Klänge, abstrakte Musik wurden be-

stimmend – neben Gassenhauern wie Dave Brubecks

„Take Five“.

„Schon eigenartig, wie ver-

sessen die Menschen in Hanno-

ver beim Tanz auf Geschichten

sind, auf Handlungsballette.

Sie sind nicht so sehr für die

Abstraktion. Das muss man

wissen, darauf muss man Rück-

sicht nehmen.“

— JÖRG MANNES, BALLETTDIREKTOR

DER STAATSOPER HANNOVER

Page 11: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 11

10

Mit Tanz-„Geschichten“ machte Manja Chmiél auch in

Hannover Furore.

Eigentlich war Manja Chmiél ein Chamäleon. Ganz

Körper, ganz Membran. Tanzprofis und Lehrmeister–

Innen aus anderen Ländern haben das viel früher

erkannt als ihre eigenen Mitbürger. Das Tänzerpaar

Eiko & Koma hat sie nachhaltig geprägt. Und es war

eine Chance für die Stadt, als Manja Chmiél begann,

auch Laien zu unterrichten.

FOTO: KURT JULIUS

„DER GOLEM”

BALLETT DER OPER HANNOVER

Page 12: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

12

Aber ihr selbstverständlicher Tanzstil, dem alles

Aufgesetzte, Exaltierte fremd war, war vielleicht

nicht spektakulär genug, zu wenig repräsentativ. Man

hat sie in Hannover oft übersehen.

Dabei passt das spezifisch „Normale“, Unaufgeregte,

Selbstverständliche in ihrem Tanz wie in ihrem Un-

terricht eigentlich perfekt zur Tanztradition in der

höfisch geprägten, unaufgeregten Stadt. Denn schon

früher ging es in Hannover nicht um Höchstleistun-

gen – dafür waren eher Paris und Sankt Petersburg

zuständig — sondern um Festlichkeit, die jedoch

nicht einschüchterte, sondern eher zum Mitmachen

einlud. Ein Blick in die Geschichte lehrt das.

BALLETT UND TANZ IM HISTORISCHEN HANNOVER

Wie entspannt die Leute in Hannover waren! In den

historischen Quellen ist überliefert, wie Herzog

Ernst August den venezianischen Karneval nach Han-

nover holte. Die Aufführungen kombinierten unerschro-

cken Tanz und Theater, Akrobatik und Oper – auf ge-

wisse Weise nahm das Barock die „Projektbegeisterung“

des 21. Jahrhunderts vorweg.

Bereits für das 18. Jahrhundert wird in hannover-

schen Quellen von einem „Hoftanzmeister“ berich-

tet. Der bestritt gleichermaßen die Aufgaben eines

Choreographen, Ballettmeisters und Tanzlehrers. Er

konnte sich auf die Ausbildung einer festen Compa-

gnie verlassen, die es in Hannover schon seit 1699

gab – Tanzmeister Desnoyé hatte die ersten sechs

TänzerInnen der Stadt angeleitet. Ihre Namen weiß

man nicht mehr. Die ersten „Stars“ für die hanno-

versche Tanzszene sind erst für die Mitte des 19.

Jahrhunderts überliefert. Berühmt wurden „Tanzfami-

lien“ wie die Koblers, auch die junge Adele Grantzow

machte Karriere, sogar in Paris und in Russland.

Page 13: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 13

12

Hannover und die Frauen. Das wäre eine eigene Un-

tersuchung wert. Denn neben den Ballettmeistern wie

Franz Degen und Willi Strigl waren es vor allem die

Damen aus dem Corps de Ballett, die ins kollektive

Gedächtnis eingehen sollten. Neben den Tänzerinnen

prägten später die Choreographinnen Hannovers Bal-

lettszene. Vor Manja Chmiél: Mary Wigman. Und Yvonne

Georgi.

YVONNE GEORGI UND DAS HANNOVERSCHE STAATSBALLETT

– DIE ENTWICKLUNG VON DEN 1920ER JAHREN BIS HEUTE

In einer ersten Phase arbeitete Yvonne Georgi von

1926 bis 1936 in Hannover. Wohlgemerkt: Als Vertre-

terin des modernen Tanzes leitete sie die Ballettab-

teilung des städtischen Theaterhauses — so locker

nahmen es die HannoveranerInnen damals mit Tradition

und Avantgarde! Ihr Glück war der Solist Harald

Kreuzberg, der den Ruhm der Tanzstadt Hannover ins

Ausland trug.

Georgis Nachfolgerin am damals noch städtischen

Opernhaus in Hannover wurde die Dresdnerin Alice

Zickler (1903 - 1992), eine Choreographin und Tän-

zerin, die wie Elisabeth Elster in Kiel, Ilselore

Wöbke in Heidelberg und Ruth Wolf in Görlitz zu

einer Generation von Frauen gehörte, die das Ballett

nicht unbedingt erneuerten, keine bahnbrechenden

Triumphe vorwiesen, jedoch nach dem Zweiten Welt-

krieg dafür sorgten, dass es weiterging – und dafür

viele persönliche Opfer auf sich nahmen.

1954 kehrte Yvonne Georgi nach Hannover zurück. Bis

1970 leitete sie das Ballett – eine große Erfolgsge-

schichte, die aber auch lehrt, dass Kontinuität im

Ballett womöglich noch entscheidender ist als in den

anderen theatralischen Künsten.

Page 14: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

14

Unnachahmlich selbstverständlich ignorierte Georgi

die damals heftigen Grabenkämpfe von Verteidigern

des klassischen Balletts gegen die anrückenden

Truppen des modernen Tanzes – und entwickelte unge-

rührt ihr eigenes „Ding“, eine herzhafte (und nicht

kopierbare) Mischung aus beidem.

Wirklich daran angeknüpft hat aber keiner ihrer di-

rekten Nachfolger, weder Lothar Höfgen noch Mehmet

Balkan. Lothar Höfgen allerdings holte viele bedeu-

tende, internationale ChoreographInnen nach Hannover.

DIE ÄRA THOSS

Erst mit Stephan Thoss kam dann ein Tänzer und

Choreograph aus der Dresdner Palucca-Schule, der

mit seiner eigentümlichen Mischung aus exzellenter

klassischer Ausbildung und modernem Tanzverständnis

das hannoversche Ballett wieder zeitgemäß machte.

Ab 2001 schuf er für das hannoversche Ballett, das

nun zu 100 Prozent dem Land gehörte, rund 20 Choreo-

graphien. Etliche Talente gingen aus seiner Schule

hervor – auch der junge Felix Landerer.

FOTO: KURT JULIUS

“DIE GESCHÖPFE DES PROMETHEUS”

BALLETT DER OPER HANNOVER

Page 15: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 15

14

DIE GEGENWART: DAS BALLETT VON JÖRG MANNES

An der Staatsoper übernahm im Jahr 2006 der ge-

bürtige Wiener Jörg Mannes, ein leidenschaftlicher,

ganz und gar heutiger Choreograph, der die immer

noch vorhandene Barriere zwischen klassischem Bal-

lett und Tanztheater immer neu verschiebt – und

bisweilen ignoriert. Er studiert sein Publikum und

sieht, wie es sich verändert.

Jörg Mannes will bei allem An–

spruch niemanden ausschließen:

Bei den Ostertanztagen der

Staatsoper gibt es neben dem

Festivalprogramm, mit dem

Hannover vorübergehend in

eine „Tanzstadt“ verwandelt

wird, ein anspruchsvolles

Förderprogramm für Kinder

– die Staatsoper kooperiert

dabei besonders mit den Bal-

lettschulen. Und hier schließt sich ein Kreis, denn

die meisten LeiterInnen der Ballettschulen tanzten

früher selbst an der Staatsoper - viele kommen aus

der Compagnie von Lothar Höfgen.

Unabhängig davon entwickelt sich gleichzeitig auf

einer anderen Ebene in

der hannoverschen Südstadt auf unaufgeregte Weise

die „Eisfabrik“ als weiteres, kleines Zentrum –

es könnte Standort für Landerers freies Ensemble

werden, auch Spielort für kleine Festivals, die das

längst etablierte TANZtheater INTERNATIONAL ergän-

zen. Die „Eisfabrik“ war immer schon ein Ort und ein

Hort des Experiments, der Avantgarde, und das soll

auch so bleiben.

„Jeder soll etwas vom Ballett haben.

Der, der keine Ahnung hat und ganz

unvorbereitet kommt, kann doch eine

Emotion mitnehmen, ein Gefühl. Der-

jenige, der ein bisschen weiß, soll

mehr verstehen lernen. Und derjenige,

der sich genau auskennt und gerade

das Programmheft aus der Hand gelegt

hat – den wollen wir überraschen.“

— JÖRG MANNES, BALLETTDIREKTOR DER

STAATSOPER HANNOVER

Page 16: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

16

DAS BALLETT DER STAATSOPER

HANNOVER LEHRT DIE STADT

DAS TANZEN

#01 / TANZ

EINE KLASSE FÜR SICH

Page 17: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 17

16

30 TänzerInnen aus zwölf Nationen – sie formen das

Ballett der Staatsoper Hannover. Seit der Spiel-

zeit 2006/2007 wird es von Jörg Mannes geleitet.

Der Spielplan bietet in jeder Saison mindestens

drei Neuproduktionen, ebenso viele Wiederaufnahmen

bleiben im Programm. Die Choreographien des Ballett-

direktors präsentieren ein breites Spektrum

zwischen reinem Tanz- und Handlungsballett. Dane-

ben sind herausragende Werke international renom-

mierter Choreographen – wie Nacho Duato, William

Forsythe, Mauro Bigonzetti, Johan Inger, Kinsun

Chan und Nils Christe – im Programm. Die Aufführungen

des Balletts der Staatsoper Hannover erfahren regen

Zuspruch in Stadt und Region Hannover, aber auch

weit darüber hinaus. Jährlich werden rund 40.000

ZuschauerInnen gezählt.

Neben dem eigentlichen „Kerngeschäft“ des Balletts,

dem Bühnentanz, gibt es aber weit mehr Berührungs-

punkte mit den BürgerInnen der Landeshauptstadt

Hannover und der Region:

So fand ein Höhepunkt des Norddeutschen Tanz-

treffens in Hannover im Juni 2010 großes Interesse,

auch bei den Medien: 1.055 HannoveranerInnen hatten

sich getraut, dem Aufruf des Balletts zu folgen

und versammelten sich auf dem Opernplatz zu einem

gemeinsamen Exercise an der Stange. Als größte

Ballettklasse der Welt schafften sie es ins Guinness

Buch der Rekorde.

Zu den Veranstaltungen des Balletts, bei denen die

BewohnerInnen der Stadt einbezogen werden, gehört

auch die beliebte Reihe „Tanz unterm Dach“. Hier

beobachten Interessierte im Ballettsaal die Arbeits-

weise und den Probenprozess des Ballettensembles.

Page 18: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

18

In dem Kurs „Die Spätbewegten“ lädt das Ballett

Menschen ab 45 Jahren ein, unter der Leitung von

Mathias Brühlmann ihrer Lust an Bewegung zu frönen.

Inzwischen haben 600 Frauen und Männer an den ver-

schiedenen Kursen teilgenommen.

Ein wesentlicher Teil der Ensemblearbeit ist in-

zwischen die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.

Das Ballett bietet bis zu sieben Schulklassen pro

Spielzeit die Möglichkeit, als Premierenklasse eine

Produktion zu begleiten.

Seit April 2012 bekommt das Ballett der Staatsoper

Hannover (als eine von zwölf Compagnien in Deutsch-

land) eine Förderung als Tanzfonds Partner. Das ist

eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes. Das

Projekt – in Kooperation mit der IGS Linden – wird

zudem von der Stadt Hannover gefördert.

Die Zusammenarbeit zwischen Schule und Ballett ist

auf drei Jahre angelegt. Während dieses Zeitraums

werden insgesamt 75 SchülerInnen zusammen mit Büh-

nenprofis und TanzpädagogInnen jährlich eine Produk-

tion erarbeiten. Die Ergebnisse werden jeweils in

einer Reihe öffentlicher Aufführungen im Ballhof, im

Schauspielhaus und im Opernhaus des Niedersächsi-

schen Staatstheaters präsentiert.

Den Kindern und Jugendlichen die fremde Welt

des Tanzes und der Bühne in der alltägli-

chen Welt der Schule nahezubringen, war von

Beginn an eine Herausforderung für alle Be-

teiligten. Wenn sich Profis und Laien gegenseitig

unter großer Anspannung zu einer gemeinsamen Leis-

tung motivieren, entwickeln sich unerwartete und

anrührende Momente im Umgang miteinander, die im

gemeinsamen Auftritt vor Publikum ihren Höhepunkt

erleben.

Page 19: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 19

18

Den Mut zu haben, sich Ablehnung und Kritik der

SchülerInnen offen auszusetzen, ist für die profes-

sionellen Tanzschaffenden eine Investition, die sich

durch ein ehrliches und offenes Feedback auszahlt.

Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen an diesem

Projekt erfordert eine ungleich stärkere Konzentra-

tion auf die Belange der jungen AkteurInnen als auf

die geplanten eigenen Ideen.

Die Dynamik der Schülergruppen, mal mit den pro-

fessionellen AkteurInnen, mal gegen sie, ist ein

ständiges Auf und Ab. Dennoch kommt es zum Schluss

für alle Teilnehmenden zu einem besonderen Erlebnis.

Ob der Tanz, das Gruppenerlebnis oder einfach das

Theatererlebnis als Erinnerung bleibt, wird die

Zeit weisen. Den SchülerInnen Hannovers ein per-

sönliches Beispiel der eigenen (Tanz)Leidenschaft

geben zu können und sie möglicherweise nachhaltig

zu ermutigen, eigene Energien und Perspektiven wei-

terzuentwickeln, ist auch das zukünftige Ziel des

Balletts.

FOTO: JÖRG MANNES

“SISSI”

BALLETT DER STAATSOPER HANNOVER

Page 20: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

20

EINE BEGEGNUNG MIT FELIX LANDERER

#01 / TANZ

BREITES KREUZ

Page 21: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 21

20

So ein breites Kreuz! Kein Wunder, dass die Tänzerin

Knieschützer trägt beim Pas de deux. Ihr Partner,

der Tänzer und Choreograph Felix Landerer, ent-

spricht auf den ersten Blick so gar nicht dem

Klischee eines Tänzers.

Weder schaut er halb verhungert aus, noch wirkt

sein athletischer Körper wie das übliche, narben-

übersäte Schlachtfeld des leidgeprüften Tänzers.

Nein, Felix Landerer ist durchtrainiert, offen,

eher der Typ des sportlichen Jungen als der des

ephemeren Knaben. Wenn man sich das Video anschaut

zur Produktion „Hotel Many Welcome“, übersieht

man zunächst die Präzision der Arbeit, auch das

Feingearbeitete, weil Landerers vehemente Körper-

lichkeit ins Auge springt. Der, so denkt man,

fällt bei Mahler-Musik nicht sachte in Ohnmacht –

der schlägt eher ein Rad zu heftigem HipHop.

Die Nonchalance des Spätberufenen – da sind Männer

eindeutig im Vorteil. Denn Felix Landerer kam erst

mit 16 Jahren zum Tanz; für ein noch so begabtes

Mädchen wäre das zu spät gewesen.

FOTO: RALF MOHR

FELIX LANDERER

Page 22: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

22

Landerer machte mit bei der Jazztanz-AG in der

Schule, seine Schwester hatte ihn mitgenommen

zum Training in Hameln. Das erzählt er im Bistro

in der hannoverschen Südstadt, einen Teller Pasta

vor sich, eine Apfelschorle – in der Mittagspause,

mitten im Training für das neue Stück, heißt es,

schnell Kohlenhydrate zu sich zu nehmen.

Landerer erinnert sich an seine Anfänge und wirkt

dabei, als sei das Urzeiten her, nicht erst ein paar

Jahre. Sein Leben ist dichtgedrängt, voller Arbeit,

sich beschleunigend seit einiger Zeit.

Aber damals, in Hameln? Es begann als typisches

Tänzer-Schicksal: Um ihn herum lauter Mädchen. „Das

motivierte“, sagt Felix Landerer lachend. Das

Sportliche habe ihn gereizt, das sich Bewegen.

Er habe gemerkt, dass er’s kann, aber dass er

daraus mehr, gar einen Beruf machen sollte, darauf

mussten ihn andere bringen. Die erste Trainerin

sagte es ihm nachdrücklich. Er hat ihr geglaubt

und wechselte ans Tanzgymnasium in Essen-Werden.

FOTO: RALF MOHR

“HAUT”

LANDERER&COMPANY

Page 23: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

22

Page 24: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

HANNOVER IST TANZ

STAATSOPER HANNOVER“LUX”FOTO: JÖRG MANNES

WWW.OPER-HANNOVER.DE

HANNOVER IST TANZ

LANDERER&COMPANY“TRAUMATORIUM”FOTO: RALF MOHR

WWW.FELIXLANDERER.DE

24

Page 25: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 25

24

So einfach? So einfach. Es folgten zwei Jahre in

Frankfurt, und irgendwo dazwischen muss Landerer

das Künstlerische am Tanz entdeckt haben – und mit

dem Künstlerischen kam ein unbändiger Ehrgeiz.

Das, was seine MitschülerInnen in acht Jahren

Unterricht entwickelten, holte Landerer in vier

Jahren nach.

Er hatte ja keine klassische Ausbildung, er hatte

nicht mit vier Jahren an der Stange im Ballettsaal

gestanden, genau kontrolliert von einem Ballett-

meister, angetrieben womöglich von einer ehrgei-

zigen Mutter. Landerer hatte nur sich. Und seinen

Körper, den er nun, mit 18, 19 Jahren in die

Geschmeidigkeit eines Kindes „zurücktrainieren“

musste. Das gelang.

Weil sein Körper entsprechende Voraussetzungen

hatte, sagt Landerer, die eigene Leistung herun-

terspielend, und weil er durch genaue Beobachtung

wettmachte, was ihm an naiver Bedenkenlosigkeit

fehlte.

Das ist auch sein Prinzip als Tänzer und Choreograph

geblieben. Während andere sich in die Probenar-

beit stürzen, sich und ihre TänzerInnen trainieren,

bis buchstäblich Blut fließt – wartet Landerer erst

einmal ab. Und schaut. Nach dem raschen Mittagessen

geht es zurück in die Zentralhalle in der „Eisfab-

rik”. Dort ist es vor Probenbeginn still – mit dem

Beginn der Probe aber wird es noch stiller. Unwill-

kürlich bewegt man sich auf Zehenspitzen. Landerer,

der hier mit fünf TänzerInnen sein neues Stück „IL-

LUmeNATION“ einstudiert, schaut erst mal hin. Und

genau zu. Und sagt dann: „Let‘s work the material.“

Bewegungsabläufe, Einstiege, Begegnungen, Distanzie-

rungen, zu zweit, zu dritt, in der Gruppe und dann

die „Transitions“, die Übergänge.

Page 26: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

26

Hier will der Choreograph durchaus prüfen, aber er

tut es leise, unterstützend, hilft hier mit einer

Bewegung, dort, indem er selbst eingreift, zugreift,

mitmacht. TänzerInnen sind keine Aufschneider. Jeder

Bluff entlarvt sich auf dem Tanzboden in Windeseile

selbst. Vielleicht kommt man hier deshalb auch so

schnell zum Kern.

Landerer zuckt die Schultern. „Letztlich kommt es

auf Weniges an, was einen guten Tänzer ausmacht.“

Was? „Die meisten kommen ja noch über die klas-

sische Ausbildung“, sagt er. „Aber das muss nicht

sein.“ Worauf es ankommt ist: Die Bewegung muss

schnell und gut antizipiert werden. Was will der

Choreograph? Sehe ich das, bevor es zu sehen ist?

Setze ich es um, noch bevor ich es begreifen kann?

Es komme weiter darauf an, sagt Landerer, dass man

Verständnis für die Bewegungssprache an sich habe.

Man müsse die gesprochene Sprache aufnehmen und für

den Körper „übersetzen“.

„Und“, sagt Landerer, „man muss entspannt arbeiten.

Nicht über Druck, sondern neugierig, positiv, nicht

gehorsam.“

FOTO: RALF MOHR

“HAUT”

LANDERER&COMPANY

Page 27: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 27

26

Da hat man freilich schon anderes gehört. Landerer

nickt. Er zweifelt, ob er jungen Leuten raten soll,

professionelle TänzerInnen zu werden. Auch aus ei-

gener Erfahrung.

„Ein Problem,“ sagt Landerer, „ist die Ausbildung.

Nicht die der Tänzer - sondern die der Ausbilder.“

Die meisten waren selbst TänzerInnen, SolistInnen,

sie leiden manchmal noch unter dem Ende ihrer Büh-

nenkarriere – „und Pädagogik haben sie nicht unbe-

dingt gelernt“. Zwischenmenschlich kann die Tanzwelt

sehr hart und hierarchisch unfair sein.

„Ich war ein unerträglicher Tänzer “, sagt Landerer

lächelnd. Unerträglich? „Ja“, bestätigt Landerer.

Unentspannt. Perfektionistisch und ungeduldig sei

er gewesen. Deshalb ist er froh, dass er nun Cho-

reograph und Tänzer ist – in dieser Reihenfolge. Und

versuchen kann, es anders zu machen.

Von der nächsten Spielzeit an ist Landerer Residenz-

choreograph beim “Scapino-Ballett” in Rotterdam.

Er entwickelt Stücke für Luzern, das schwedische

Norrdans, auch im brasilianischen Curitiba hat er

gearbeitet.

Der eigene Erfolg ändert nichts an Landerers skep-

tischem Blick auf den Beruf. Geld zu verdienen gibt

es kaum. Und entweder man ist Mitglied in einer

Compagnie, hat dann zwar zu tun – aber womöglich

nur wenig Dinge, hinter denen man auch stehen kann.

Deshalb, meint Landerer, seien die allerwenigsten

TänzerInnen glücklich. Oder man wählt den Weg in die

Freiberuflichkeit – und leidet oft unter Existenz-

sorgen. Deshalb würde Landerer angehenden TänzerIn-

nen auch nie raten, an „die beste Schule” oder an

„das beste Haus“ zu gehen, sondern schlicht dahin,

„wo man sich gut aufgehoben fühlt“.

Page 28: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

28

TANZ BEI COMMEDIA FUTURA:

WOLFGANG UND PETER PIONTEK

#01 / TANZ

DIE GRENZGÄNGER

Page 29: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 29

28

COMMEDIA FUTURA war von Anfang an ein Projekt von

Grenzgängern. Der studierte freie Künstler Wolfgang

A. Piontek, der bei Manja Chmiél (1922 - 2006) das

Tanzen erlernte, hatte mit „Beziehungsmee/hr“ (1982)

sein erstes Theaterstück konzipiert. Und das erste

Stück war gleich Programm:

Piontek versammelte für die Insze-

nierung andere KünstlerInnen, The-

aterleute und eben auch die Tän-

zerInnen Angelika Saremba, Katinka

Zechner, Inghilt Wiedel und Knut

Gottfriedsen um sich.

„Das Geheimnis“, 1983 in Zusam-

menarbeit mit der amerikanischen

Tänzerin Doris Seiden entstanden,

war ebenso ein Cross-Over-Projekt

wie später „Kulterer“ (1988).

1988 weihten die KünstlerInnen um Wolfgang A. Piontek

nach dem Einzug in die „Eisfabrik“ den „Schwarzen

Saal“ ein. Ursula Wagner — als Tänzerin Meister-

schülerin von Manja Chmiél — zeigte ihr Tanzprojekt

„Transito“, das erste, das an diesem Ort gezeigt

wurde. Drei Jahre später stieß Peter Piontek zur

Theatertruppe in der „Eisfabrik”. Mit der eigenen

Spielstätte war COMMEDIA FUTURA nicht mehr nur pro-

duzierende Theatergruppe, sondern auch Veranstalte-

rin. Und der Tanz bildete von jeher einen Schwerpunkt

der Veranstaltungstätigkeit.

So fanden von 1990 bis 1995 die „Tanztheatertage“ im

Frühjahr in der „Eisfabrik“ statt. Mit dem avan-

cierten Butoh-Gendai-Arts-Projekt-Festival holte man

schon im Jahr 1990 die japanische Variante des Aus-

druckstanzes nach Hannover – zu einem Zeitpunkt, als

Butoh, Gendai und die anderen Formen des modernen

japanischen Theaters sowie die sogenannten „Martial

Arts“ noch längst nicht en vogue waren.

„Uns reizen seit jeher Cross-

Over-Projekte, die Grenzgänge

zwischen Theater, Tanz und Bil-

dender Kunst, die Vielfalt auf

der Bühne, der bewegte Körper,

der einen anderen Ausdruck und

eine andere Erzählweise ermög-

licht als das Sprechtheater.

Bewegte Körper erzählen etwas,

das direkt die Sinne und Emo-

tionen anspricht.“

— WOLFGANG A. PIONTEK

Page 30: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

30

1993 inszenierte Wolfgang A. Piontek in Zusammenar-

beit mit Zwaantje de Vries, die mit den Methoden der

„Dansexpressie“, einer niederländischen Variante

des Ausdruckstanzes, arbeitete, und der Butoh-Tän-

zerin Sumako Koseki „Die Verwandlung“ nach der Er-

zählung von Franz Kafka. Die Produktion wurde auch

auf dem „Waves“-Festival im dänischen Vordingborg

gezeigt. Zu dieser Zeit war der Kölner Butoh-Tänzer

Gregor Weber bereits Ensemble-Mitglied der COMMEDIA

FUTURA.

Mit Weber realisierte man die Tanztheater-Produktion

„Der Panther“, eine Choreographie der japanischen

Butoh-Tänzerin Anzu Furukawa (1952 - 2001).

Diese Produktion wurde beim Festival TANZtheater

INTERNATIONAL 1996 gezeigt, das Stück „Bitte nicht

füttern“, von Gregor Weber inszeniert, beim Frauen-

festival in Oldenburg.

FOTO: RALF MOHR

“VERSUCHUNGEN”

COMMEDIA FUTURA/LANDERER&COMPANY

Page 31: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 31

30

COMMEDIA FUTURA setzt gerade im Tanz auf kontinu-

ierliche Zusammenarbeit mit internationalen Part-

nerInnen, deshalb kehrte auch Zwantje de Vries 1994

zurück – mit einer Version des „Hohenlieds“, als

Solo für eine Tänzerin, inszeniert von dem Choreo-

graphen R’douan Baroud.

Eine Entscheidung der Staatsoper im Jahr 2006 sollte

dann für COMMEDIA FUTURA direkte Folgen haben: Das

Ballett-Ensemble von Stephan Thoss an der Staatsoper

Hannover wurde aufgelöst. Dies bot Gelegenheit, den

nun heimatlos gewordenen Tänzer Felix Landerer in

die „Eisfabrik“ zu holen, der damals bereits erste

eigene Choreographien erarbeitet hatte.

Felix Landerer arbeitete zunächst als Choreograph

für COMMEDIA FUTURA, er entwickelte das Stück „Up

to 70 cm“ im Jahr 2007, ein Jahr später „Vom Enden

der Dinge“.

FOTO: WOLFGANG A. PIONTEK

“DAS BEZIEHUNGSMEE(H)R”

COMMEDIA FUTURA

Page 32: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

32

Wie gut die Zusammenarbeit funktioniert, zeigen

die im Jahr 2009 und 2010 entstandenen Produktionen

„Close to Paradise“ und „Hotel Many Welcome“. Seit

2010 arbeitet Landerer auch unter Landerer&Company

mit eigenen Produktionen in der „Eisfabrik”.

Das Zusammenspiel von Theater und Tanz scheint

jedoch noch lange nicht ausgereizt. Immer neue

Spielformen ergeben sich. Daher hat COMMEDIA FUTURA

in der „Eisfabrik“ eine Reihe von Kooperationspro-

jekten begonnen. Im Jahr 2008 entstand „Himmel und

Hölle“. Hier waren neben Felix Landerer auch die

Tänzerinnen/Choreographinnen Zufit Simon und Sabine

Seume dabei. Und bei „Traumatorium“ in 2011 wurde

ein und dasselbe Material zunächst mit Mitteln des

Tanzes untersucht - ein Parallelogramm, bei dem die

ZuschauerInnen unwillkürlich zu der (inneren) Ent-

scheidung genötigt werden, welche Darstellungsform

ihnen mehr entspricht, sie eher berührt.

FOTO: RALF MOHR

„TRAUMATORIUM“

COMMEDIA FUTURA/LANDERER&COMPANY

Page 33: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 33

32

Als Grenzgänger sind die Pionteks offen für neue Ent-

wicklungen. Der Schwerpunkt der Arbeit verschiebt

sich ständig, weil sie von den Qualitäten der Men-

schen abhängt, mit denen die Künstler arbeiten. Zum

Beispiel entwickelt sich Felix Landerer in seinen

COMMEDIA FUTURA- und den „Eisfabrik“-Produktionen

mit Landerer&Company viel stärker in Richtung

Tanztheater als in den reinen Tanzstücken, die er

in anderen Häusern choreographiert.

Es gab in der „Eisfabrik“ bereits einzelne Sommer-

Residenzen. Silke Z. hat hier mit ihrem Ensemble ge-

arbeitet sowie die Gruppen Ludica und Kubilai Khan,

die hier das Stück „Kokodoko“ produziert haben. In

einer Reihe offener Proben wurde die Arbeit 2006

im Rahmen des Festivals TANZtheater INTERNATIONAL

vorgestellt und eine Uraufführung gezeigt. Später

ist die Produktion durch Europa und bis nach Kanada

getourt.

Die „Eisfabrik” genießt große

Akzeptanz beim Publikum. COM-

MEDIA FUTURA hat sich über die

Jahrzehnte ein Stammpublikum

erarbeitet. „Es gibt die Zu-

schauer, die mit uns älter ge-

worden sind“, stellt Wolfgang

A. Piontek fest, „ebenso wie

junge Leute oder eine spezi-

fische Klientel, die Felix Landerer noch vom Opern-

haus her kennt.”

Die mediale Wahrnehmung der „Eisfabrik“, so Peter

Piontek, lasse jedoch stark zu wünschen übrig.

Überregionale Medien seien seiner Einschätzung nach

generell schwer für das zu interessieren, was in

Hannover geschieht.

„Das mag auch mit der zwiespäl-

tigen Selbstdarstellung, dem man-

gelnden Selbstbewusstsein unserer

Stadt zu tun haben.

Hannover hat das Festival TANZthe-

ater INTERNATIONAL, ist im Übrigen

in Sachen Tanz aber eher Entwick-

lungsgebiet als Monopolregion.“

- PETER PIONTEK

Page 34: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

34

COMMEDIA FUTURA arbeitet in der „Eisfabrik” konkret

an einer „Residenz auf Zeit“, vielleicht unterstützt

vom Programm „Doppelpass“ der Kulturstiftung des

Bundes. Die Commedianten wollen mit dem jungen in-

ternationalen Tanz-Ensemble Riu Dense Sense Company

mit Sitz in Darmstadt zusammenarbeiten. Es sollen

Koproduktionen entstehen, die Riu Dense Sense Com-

pany soll aber auch eigene Projekte realisieren und

dabei von der Zusammenarbeit mit den erfahreneren

KollegInnen profitieren. Außerdem denken die Pionteks

an die Einrichtung von Workshops für Jugendliche.

Die Idee ist, mit den Jugendlichen an denselben

Themen und Stücken zu arbeiten, die auch das Profi-

Ensemble gerade probt. Dieses Projekt könnte die

hannoversche Tanzszene bereichern und beleben.

Darüber hinaus gewinnt die „Eisfabrik” als Veran-

staltungsort an Bedeutung. Sie spielt eine zunehmend

wichtigere Rolle für Compagnien, die mit kleine-

ren und mittleren Produktionen unterwegs sind, für

die Orte wie das Düsseldorfer „Tanzhaus NRW“ oder

„Kampnagel“ in Hamburg „eine Nummer zu groß“ sind.

Einer Ausdehnung des Programmangebotes setzt aller-

dings der schmale Veranstaltungsetat Grenzen.

Hier ist durchaus Entwicklungspotential.

Page 35: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 35

34

FOTO: RALF MOHR

“VERSUCHUNGEN”

COMMEDIA FUTURA/LANDERER&COMPANY

Page 36: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

36

DIE COMPAGNIE FREDEWESS

#01 / TANZ

NAH AM PUBLIKUM

Page 37: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 37

36

Die Compagnie Fredeweß wurde 1998 gegründet — ein

professionelles, freies Ensemble für zeitgenössi-

schen Tanz mit eigener Spielstätte: das Tanzhaus im

Ahrberg Viertel. Organisatorisch zusammengehalten

wird das Ganze von einem gemeinnützigen Trägerver-

ein, dem 2004 gegründeten Movement Research e.V..

Die Compagnie Fredeweß versteht sich als eine In-

stitution, die verschiedene Initiativen im Bereich

Tanzkunst und Tanzkunstvermittlung in einen kon-

zeptionellen und organisatorischen Zusammenhang zu-

sammenführt und dann präsentiert. So sind im Laufe

der Jahre etliche Tanzabende entstanden; mit 55 Zu-

schauerInnen ist der Saal ausverkauft, so bleibt die

Atmosphäre immer intim.

Fredeweß hat „Dogdance“ initiiert, das Festival der

Freien Tanzszene Hannovers. Die Zusammenarbeit mit

dem Ballett der Staatsoper Hannover besteht seit

2008; „Dogdance“ kombiniert Workshops von Choreo-

graphInnen für Amateure und interessierte Laien mit

Werkstattpräsentationen und dem nun schon tradi-

tionellen „Aufführungsmarathon“ am abschließenden

Festivalsonntag.

FOTO: CHRISTIAN BURKERT

„BACH IM BASEMENT”

COMPAGNIE FREDEWESS

Page 38: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

38

Dass moderner Tanz an Schulen vermittelt wird, spie-

gelt sich schon im Namen des Projekts MOTS. Die im

Jahr 2005 entstandene Initiative der Compagnie hat

bislang mehr als 5.000 SchülerInnen in Projekten

erreicht, die die Tanzkunst vermitteln.

Die Ziele klingen zunächst einmal ehrgeizig; wenn

man bedenkt, dass sich immer weniger SchülerInnen

bewegen und dass Sport– und Tanzvereine gleicher-

maßen Nachwuchssorgen haben. Es geht darum, Musik

durch Tanz zu erfahren – und Tanz durch Musik. Be-

sonders wichtig ist es, den SchülerInnen von Anfang

an besonderen Raum zu geben. Raum, in dem es, anders

als in der Schule, nicht um Konkurrenz und Leis-

tung geht, sondern ums Zuhören, Zulassen, Loslassen,

miteinander Erleben. Wie schwierig es ist, „einfach

nur zu chillen“, erfahren bei ersten Übungen schon

Zehnjährige!

Und was für Musik? MOTS ist ein offenes Projekt;

die „Tanzklassiker“ und die romantische Musik haben

ebenso ihren Platz wie HipHop oder auch ganz simple

Alltagsgeräusche.

FOTO: CHRISTIAN BURKERT

„BACH IM BASEMENT“

COMPAGNIE FREDEWESS

Page 39: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 39

38

Tänzerische Bewegung wird ganz behutsam entwickelt.

Wie schön es sein kann, möglichst fließende Linien,

Bögen oder Spiralen zu „ertanzen“, entdecken die

Kinder unter fachkundiger Anleitung. Erste Erfolgs-

erlebnisse, die sich rasch einstellen, stärken das

Selbstvertrauen. Bei der gemeinsamen Entwicklung

komplexerer Choreographien merken sie, wie sehr sie

aufeinander angewiesen sind und wie viel Spaß das

machen kann. Zukünftig will die Compagnie Fredeweß

das MOTS-Projekt auch für ältere Jugendliche anbie-

ten – und selbst angehende Profis sollen hier ihren

Raum finden.

Und abgesehen von den Schulprojekten? Das freie

Tanztheater teilt seine einstigen Alleinstellungs-

merkmale Innovation und Subversion längst mit den

Stadt– und Staatstheatern. Daher stellt sich die

Frage nach seiner Berechtigung, nach seinen ästhe-

tischen und gesellschaftlichen Positionen in der

unüberschaubaren Vielfalt des subventionierten Tan-

zangebots.

Die Compagnie Fredeweß hat jedoch keine schlechten

Voraussetzungen: Abseits des internationalen Festi-

val-Karussells und der Metropolen entsteht bei Hans

Fredeweß, einst Schüler von Manja Chmiél, und seiner

Compagnie Tanztheater „mit lokaler Anbindung“, mit

dem Ziel, das Interesse für abstrakte, assoziative

Tanzformen zu wecken. Durch Eigenproduktionen, Ko-

operationsprojekte, Gastspiele und die tanzkunst-

vermittelnden Initiativen versteht sich die Gruppe

als fester Bestandteil einer wachsenden, innovativen

Tanzszene in Hannover.

Page 40: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

40

SONIA RASTELLIUND IHRE ARBEIT

MIT LAIEN

#01 / TANZ

JEDER MENSCH IST EIN TÄNZER

Page 41: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 41

40

„Tanzen ohne Übungsstress und vorgegebene Schrittkom-

binationen“ – das klingt zunächst einmal wie „Scho-

kolade essen ohne dick zu werden“ – zu schön oder zu

einfach, um wahr zu sein. Es ist aber tatsächlich

eine Methode, mit der seit einigen Jahrzehnten vor

allem begeisterte Laien unterrichtet werden: „Dans-

expressie“, eine Lehrform aus den Niederlanden, er-

gänzt auch in Hannover die herkömmlichen Tanz– und

Ballettangebote und wird in zwei Studios unterrich-

tet – bei Rosemarie Anton und bei Sonia Rastelli.

Klar, dass sich mit diesem Angebot, das weder beson-

dere Beweglichkeit noch besondere physiognomische

Voraussetzungen erfordert, gerade auch etwas ältere

Tanzinteressierte gewinnen lassen. Und so geht es

in vielen „Dansexpressie“-Gruppen scheinbar eher

behutsam, eher gemächlich zu. Aber man sollte sich

nicht täuschen lassen:

„Dansexpressie“, der etwas andere Ausdruckstanz,

ist ein echter Revoluzzer, ein Anarchist – und damit

ein typisches Kind des beginnenden 20. Jahrhunderts.

Damals brachen Pädagogen wie Boland, Rode, Lacroze

das eisenharte pädagogische Konzept des Tanzes auf

– und TänzerInnen wie Rudolf von Laban und seine

Schülerin Mary Wigman entdeckten, dass sie neben

dem Bühnenauftritt auch die pädagogische Seite ihres

Berufs interessierte. Aus der Liaison dieser beiden

Strömungen entwickelte eine Holländerin in den

1950er Jahren ein eigenes Konzept: „Dansexpressie“.

Dass es nicht um Rekorde, nicht um bahnbrechende

Sprünge oder verwegene Verwicklungen gehen konnte,

war klar – aber Kit Winkel machte aus der Beschrän-

kung die besondere Wirkung ihrer Methode: Die Kraft

der TänzerInnen geht nach innen: alles Sinnen und

Trachten wird auf das eigene Innere gerichtet, auf

die eigene Persönlichkeit, die mittels Musik und

Bewegung entdeckt, entwickelt und gefördert werden

soll.

Page 42: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

42

Die Botschaft ist einfach: Jeder Mensch kann tanzen

– und wird seine Fähigkeit entdecken, wenn man ihn

in Ruhe und ohne Wettkampfgedanken seine eigene

Form finden lässt, so das Konzept. Dazu braucht es

PädagogInnen ohne falschen Ehrgeiz mit viel Einfüh-

lungsvermögen. Menschen, die sich für andere Men-

schen begeistern. Sonia Rastelli unterrichtet seit

1987 in ihren Workshops vor allem Frauen ab 40 Jahren.

Unbefangen bewegt sie sich zwischen Profis und Laien

– eine Unterscheidung, die in der „Dansexpressie“

ohnehin fehl am Platze wäre. Rastelli trägt ihre

Methode in Fachhochschulen und Kindertagesstätten,

entwickelt Performances zu Themen, die alle inter-

essieren, etwa: „Was bedeutet Glück für mich?“

Für Rastelli selbst bedeutet „Glück“, scheinbar

fremde Kunstgattungen miteinander zu verbinden –

etwa Tanz und Architektur. Oder Bildende Kunst und

Tanz.

FOTO: GEORG SCHROEDTER

Page 43: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 43

42

Auch damit ist sie ein echtes Kind von Rudolf von

Laban und den Pionieren des Ausdruckstanzes. Und sie

legt großen Wert auf die Verbindung mit „ihrer“ Stadt,

mit Hannover, die sie für „chronisch unterschätzt“

hält und auf deren tänzerisches Erbe sie stolz ist:

„Ich habe in Hannover meine Magisterarbeit über

die Geschichte des Ausdruckstanzes geschrieben und

kenne natürlich auch das Geburtshaus von Mary Wigman

(vormals Marie Wiegmann) in der Schmiedestraße. Ich

würde mir wünschen, dass in Hannover mehr Tanz zu

sehen ist, auch an ungewöhnlichen Orten.“

Dabei reizt Rastelli nicht das „Ungewöhnliche“ an

sich, nicht das Spektakuläre – wie allen Vertreter–

Innen der „Dansexpressie“ geht es ihr gerade um

das Gegenteil: dass Tanz etwas ganz Normales wird,

integriert in den Alltag. In Shanghai, wo sie vor

zwei Jahren unterrichtet hat, hat sie es gesehen:

„Ich war nicht nur von der Stadt begeistert, sondern

auch von den dort lebenden Menschen. Viele tanzten

ganz einfach frei und ungezwungen auf der Straße.

Mitten im Alltagstreiben.“

Kunst in Bewegung zu erfahren. Architektur und Tanz

miteinander korrespondieren zu lassen. Dazu regel-

mäßige Workshops mit tanzbegeisterten Menschen zu

unterschiedlichen Themen – das sind die Ziele von

Sonia Rastelli und den wahrscheinlich sanftesten

RevolutionärInnen in Hannover.

Page 44: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

44

DIE BALLETTSCHULENIN HANNOVER

#01 / TANZ

NICHT AUF GROSSEM FUSS

Page 45: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 45

44

Tanz und Step, HipHop, Jazz und Latin – und natürlich

Zumba, der aktuelle hüftschwingende Trend – Hannovers

Ballettschulen schrecken vor kaum etwas zurück, wenn

es darum geht, den Nachwuchs für die tänzerische

Bewegung zu begeistern.

Kaum zu glauben, aber wahr: 68 Ballettschulen zählt

die Staatsoper Hannover in ihrer Liste mit Kon-

takten. Darunter sind traditionsreiche Familien-

unternehmen. In den mittleren Großstädten, die

Deutschland und auch seine Tanzlandschaften prägen,

sind solche „Tanzfamilien“ immer schon entscheidend

gewesen. Freilich: Nicht immer lässt sich die Tra-

dition fortführen.

Groß waren Traurigkeit – aber auch Dankbarkeit, als

im Jahr 2011 die Ballettschule Brakel schließen

musste. „Wir sind jetzt 81 und 78 Jahre alt, da

darf man wohl in Rente gehen“, sagt Eckard Brakel.

Er und seine Frau hatten keinen Nachfolger gefunden.

Indessen mischte sich in die Wehmut auch Stolz:

Einer ihrer Schüler, Stephan Brinkmann, konnte eine

Professur für modernen Tanz an der Folkwang-Schule

übernehmen. Dass er dort das künstlerische Erbe vom

legendären Tanzpädagogen Kurt Jooss weiterzuführen

hat, freut das Ballettpaar aus Hannover: Beide haben

bei Jooss studiert, und Eckard Brakel hat als einer

der ersten seine Technik dokumentiert, so dass

SchülerInnen davon profitieren können.

Andere SchülerInnen der Brakels, die einst in der

Ballettschule „klein anfingen“, um später im Corps

de Ballett der Staatsoper Hannover zu arbeiten, un-

terrichten mittlerweile in der „Norddeutschen Tanz-

werkstatt“, wie Gabriele Hägele. Auch die langjäh-

rige Pianistin der Brakels, Lidija Meyer, wechselte

an die Schule.

Page 46: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

46

Andere LehrerInnen dort sind Bewegungstherapeut–

Innen, haben Erfahrung in fernöstlichem Tanz oder

haben ihre Ausbildung an der Hochschule für Musik,

Theater und Medien in Hannover absolviert. Der Aus-

tausch zwischen Schulen, Akademien und Hochschulen

erweist sich seit Jahren als weitgehend problemlos

– und offen nach allen Seiten.

So sind manche Ballettschulen auch Gründungen ehema-

liger SolistInnen des Balletts der Staatsoper. Klar,

dass die Verbindung zur „ersten Karriere“ meist er-

halten bleibt. So arbeitet Ilonka Theis, die ehema-

lige Primaballerina des Staatsballetts, eng mit der

Staatsoper zusammen. Ihre Tochter schlägt denselben

Weg ein.

Alle diese Schulen unterrichten Ballett und Tanz,

zum Teil auf hohem Niveau. Einmal im Jahr „treffen“

sich die ElevInnen der Ballettschulen ganz offiziell

mit den Profis: Bei den Ostertanztagen der Staatsoper

gibt es ein intensives Förderprogramm für den Nach-

wuchs. In einem dreitägigen Workshop erarbeiten bis

zu 100 Kinder eine eigene Choreographie, seit einem

Jahr werden die Tanzensembles um eine Malgruppe

ergänzt: Der entstehende Malprospekt wird zum Büh-

nenbild für den selbst geschaffenen Tanz. Kreativität

soll auf unterschiedlichen Ebenen Platz finden.

Page 47: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 47

46

Page 48: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

48

DIE MUSIKSCHULE DER STADT HANNOVER

#01 / TANZ

VON VORN ANFANGEN!

Page 49: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 49

48

Die Musikschule lernt laufen. Oder besser: tanzen.

Denn mit ihren Angeboten in der Ganztagsschule

bewegt sie sich noch ganz am Anfang der Erfahrungen

und Möglichkeiten mit Tanzunterricht.

Natürlich: Bewegung und der Umgang mit dem Körper

spielt auch beim Musizieren eine wichtige Rolle und

unterliegt letztlich denselben Gesetzmäßigkeiten.

Insbesondere das Angebot in der Rhythmik geht davon

aus, dass sich Musik und Bewegung gegenseitig bedin-

gen, beeinflussen, miteinander verändern.

Musik trägt den Tanz. Aber Musik und Tanz haben noch

mehr Gemeinsamkeiten: Künstlerische Ausdrucksfähig-

keit setzt ein gutes Training voraus. Beim Tanzen

kann man ebenso wie beim Musizieren seiner indivi-

duellen Persönlichkeit Ausdruck geben. Wenn diese

Persönlichkeit dann aber in einer Gemeinschaft im

wahrsten Sinne des Wortes „aufgeht“, so ist das

ein besonderes und beglückendes Erlebnis, vor allem,

wenn es ums Präsentieren, ums Auftreten geht.

FOTO: THOMAS LANGREDER

„MUSICAL ACADEMY“

Page 50: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

50

FOTO: MIRJA KÜHN

“DANCE BASICS“

Das gerade noch so glücklich entwickelte „Indivi-

duum“, also der Solist, verschmilzt, wenn es gut

geht, auf das Schönste mit der Gruppe oder der

Compagnie. Und: Das eine funktioniert nicht ohne

das andere.

Dies lässt sich besonders gut mit Kindern erle-

ben: Kinder haben von Anfang an Freude an Bewegung,

ebenso wie am Singen, sie spielen hingebungsvoll,

sind erfinderisch und entwickeln gern etwas mit an-

deren gemeinsam. Dieser Freude Raum zu geben, sie

zu erhalten und darauf aufzubauen ist die Grundidee

aller Unterrichtsangebote.

Page 51: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 51

50

Seit 2011 setzt die Musikschule in ihren Angeboten

professionell ausgebildete TänzerInnen ein. Jazz-

dance, HipHop und kreativer Kindertanz eröffnen Kin-

dern und Jugendlichen die Möglichkeit, Freude an

tänzerischen Ausdrucksformen zu erleben und ihre

Talente zu entdecken. Für besonders Interessierte

und Wagemutige soll sich eine leistungsbezogene För-

derung anschließen können.

In Ganztags-Grundschulen werden zurzeit Kurse zu

Kindertanz, Kreativem Tanz, HipHop, Dance Show und

Kids Jazz angeboten. 150 Kinder machen mit. Die

Vier- bis Sechsjährigen machen seit dem Herbst 2012

ihre ersten Erfahrungen im Kurs „Musik in Bewegung

mit allen Sinnen“. Im Kurs „Dance Basics“ begin-

nen Sieben- bis Zehnjährige mit ersten tänzerischen

Grundlagen.

In der neu gegründeten „Musical-Academy“ können

Jugendliche ab zwölf Jahren den Reiz der Kombi-

nation vielseitiger künstlerischer Ausdrucksformen

erleben. Aus jeder Sparte ist eine Lehrkraft dabei:

Singen, Tanzen und Schauspie-

lern stehen auf dem Lehrplan.

Junge Erwachsene im Alter von

16 bis 25 Jahren haben die

Möglichkeit, diese Fähigkei-

ten weiter auszubauen und dem

Traum vom Auftritt auf der

Bühne in einer Musicalproduk-

tion näherzukommen.

„Die Kinder sollen, so wünschen wir

es uns, nicht nur mit Spaß dabei

sein, sondern sich selbst und ihre

Persönlichkeit finden, entwickeln und

kreativ ausdrücken können. Die Ge-

meinschaft, das Reagieren im Ensemble

und das gemeinschaftliche Erreichen

eines Zieles sind hier von besonderem

Wert.“

– VERENA TSCHIRA, LEITERIN DER MU-

SIKSCHULE

Page 52: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

52

DIE HERZENSANGELEGENHEIT

DER VOLKSHOCHSCHULE

#01 / TANZ

BALLETT.BEGEISTERT

Page 53: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 53

52

Es begann mit einem Anruf. Der Anruf erreichte Doro-

thee Warnecke von der Ada-und-Theodor-Lessing-Volks-

hochschule Hannover, der Anrufer war Steven Markus-

feld, der Betriebsdirektor Ballett der Staatsoper

Hannover. Ob die VHS Interesse an einer Kooperation

hätte? Sie hatte. Und so gibt es seit dem Herbst-

semester 2009 „Ballett.begeistert“ im VHS-Programm.

Der Kurs wendet sich an alle, die mehr wissen

wollen über Ballett – gleichgültig, ob Neuling oder

Dauergast, Tanzbegeisterter oder Bewegungsmuffel.

Anhand der aktuellen Produktionen lässt sich das

Ballett-Team der Staatsoper in die Karten sehen.

Erläutert wird, wie ein Ballett entsteht, die spezi-

elle Bewegungssprache, die Entstehung und speziellen

„Schreibweisen“ von Choreographien werden erörtert.

Dramaturgin, Ballettdirektor und Betriebsdirektor

geben einen Überblick über die Tanzgeschichte, dazu

werden die TeilnehmerInnen mit Ideen und Quellen des

Balletts vertraut gemacht. Die Frage der Musik, ihre

Auswahl, ihr Einsatz spielt eine Rolle und schließ-

lich geht es auch, ganz praktisch, um die beson-

deren Arbeitsprozesse,

den Besuch von Bühnen-

proben, die Organisation

einer Compagnie, die

Plan ung einer Saison,

die Pflege des Repertoi-

res und vieles mehr. In

jedem Semesterkurs gibt

es Gäste: eine/n Tänzer/

in des Ensembles, eine/n

Tanzpädagogin/en, eine/n

Komponistin/en oder auch

eine/n Künstler/in, die/der zu den Ausstellungsob-

jekten Stellung nimmt.

„Ein solcher Kurs ist nicht wie alle an-

deren. Er ist eine Kostbarkeit sui gene-

ris. Er ermöglicht, alle am Gesamtprozess

Beteiligten als Menschen mit besonders

künstlerischen Ausprägungen und Ansprü-

chen erleben zu können. Für alle Teil-

nehmenden ist die greifbare Nähe zu den

beteiligten Akteuren in Hannover einzig-

artig. Mein Herz schlägt dafür in beson-

derem Rhythmus.“

– DOROTHEE WARNECKE

Page 54: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

54

Der Höhepunkt des Kurses ist dann der gemeinsame

Besuch der Ballettpremiere – anschließend wird in-

tensiv über die Aufführung diskutiert.

Und die „Kunden“? Die sind, hat die Volkshochschule

herausgefunden, mittlerweile geschult und animiert

vom Kurs reisen sie dann auch zu Vorstellungen bis

nach Stuttgart oder Hamburg. Der Altersdurchschnitt

liegt bei etwa 50 Jahren, die Frauen sind mit ca. 70

Prozent in der Mehrzahl. Von Kurs zu Kurs ist die

Zahl der Teilnehmenden in die Höhe getanzt. Mittler-

weile wollen fast 90 Personen mehr über das Ballett

wissen. Die TeilnehmerInnen sind zur Hälfte durch

Publikationen der VHS, zur anderen Hälfte durch das

Spielzeitheft, die Internetseite oder den Newsletter

der Staatsoper Hannover aufmerksam geworden.

Dorothee Warnecke und die künstlerischen Leiter des

Staatsopern-Balletts sind nicht an einem quantita-

tiven Wachstum um jeden Preis interessiert. Schon

die jetzige hohe Zahl der Teilnehmenden ist be-

eindruckend und beispiellos. Angestrebt wird wei-

terhin, den KursteilnehmerInnen den Blick für die

jeweiligen künstlerischen und technischen Mittel

zur Umsetzung eines Themas zu öffnen, Transparenz zu

schaffen in die Welt hinter dem weinroten Vorhang.

Ein weiterer Bestandteil der Kooperation mit der

Staatsoper Hannover ist die Ausstellung „Tanzstadt

Hannover“, die während der Ostertanztage im Opern-

haus präsentiert wird. Im Herbst ist sie im Foyer

der VHS einem breiten Publikum zugänglich.

Den Blick zu öffnen für die sehr komplexe und eigene

Welt des Tanzes, das ist Ziel dieses vielfarbigen

Vermittlungsweges und der gesamten Zusammenarbeit.

Page 55: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 55

54

Page 56: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

56

TANZTHEATERINTERNATIONAL

#01 / TANZ

EIN FEST FÜR DIE STADT

Page 57: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 57

56

„Tanz und Theater e.V.“ = der „Verein zur Förderung

des kulturellen Austauschs nationaler und interna-

tionaler freier Tanz- und Theatergruppen”. Der Name

ist Programm: Seit 1988 ist der Verein Träger des

1985 gegründeten Festivals TANZtheater INTERNATIO-

NAL in Hannover. Es zählt zu den bundesweit tradi-

tionsreichsten Festivals seiner Art und kann unter

seiner Leiterin Christiane Winter lange schon natio-

nales wie internationales Renommee vorweisen. Jedes

Jahr Anfang September geht es in Zusammenarbeit mit

der Landeshauptstadt Hannover über die Bühnen der

Stadt. 2012 fand TANZtheater INTERNATIONAL zum 27.

Mal statt.

Das Festival widmet sich einer der spannendsten

Kunstformen unserer Zeit: Zeitgenössischer Tanz

lässt sich nicht über einen Kamm scheren, über-

schreitet konsequent Genregrenzen und erfindet sich

immer wieder neu. Diese Vielgestaltigkeit bildet

sich im Programm des Festivals ab, ob konzentrierte

Choreographie, urbane Tanzformen wie HipHop oder

innovatives Tanztheater. ChoreographInnen und Tän-

zerInnen setzen sich von jeher mit den Bedingungen

ihrer Existenz auseinander: Ihre Stücke und künst-

lerischen Prozesse formulieren ästhetische State-

ments zu zeitaktuellen Themen, die das Publikum

ganz unmittelbar erreichen. Die Inhalte reichen von

aktuellen politischen Ereignissen über die Zeitge-

schichte bis hin zu individuellen, existentiellen

Fragestellungen, und das im Kontext unserer globa-

lisierten Welt.

Auch wenn man überzeugt ist, dass Tanz nicht un-

mittelbar universal verständlich ist, weil er von

den jeweiligen politischen, sozialen und kulturellen

Umständen tief geprägt ist, so ist er doch in seiner

physischen Direktheit universal vermittelbar.

Page 58: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

58

„Noch nie habe ich in so kurzer Zeit so viel über

Tanz gelernt wie hier“, kommentierte eine Besuche-

rin nach einer Vorstellung des bereits mehrfach in

Hannover beim Festival zu Gast gewesenen deutschen

Künstlergespanns Gintersdorfer/Klaßen, die in ihrer

„Logobi“-Reihe Einblicke in Unterschiede und Ge-

meinsamkeiten kultureller Sichtweisen inszenieren.

Integration und Fremdheit, Identitätssuche zwischen

unterschiedlichen tänzerischen und kulturellen

Welten, unsere urbanen Lebenswelten mit all ihren

Verwerfungen, Chancen und Krisen sind die Themen,

denen sich das Festival TANZtheater INTERNATIONAL

zuwendet.

Einen besonderen Blick richtet es auf die verschie-

denen Ästhetiken des Alltags und die lebendigen

Formen des Dialogs.

FOTO: HERMAN SORGELOOS

„À LOUER/FOR RENT“

PEEPING TOM

Page 59: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

58

Page 60: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

HANNOVER IST TANZ

TANZtheater INTERNATIONAL“MONCHICHI”TÄNZER/IN: SÉBASTIEN RAMIREZ & HONJI WANGFOTO: THOMAS AMMERPOHL

WWW.TANZTHEATER-INTERNATIONAL.DE

HANNOVER IST TANZ

COMPAGNIE FREDEWESS“GERSHWIN - RHAPSODY IN BLUE”FOTO: JANKO WOLTERSMANN

WWW.COMPAGNIE-FREDEWESS.DE

60

Page 61: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 61

60

TANZtheater INTERNATIONAL schafft durch Kontinuität

in der Präsentation professioneller Tanzcompagnien

aus dem In- und Ausland dem Publikum vor Ort Zugänge

zu aktuellen Positionen sowie Trends und Tendenzen

der internationalen Tanzszene.

Auf diese Weise wird ein Beitrag zum kulturellen

Austausch geleistet und nachhaltig das Bewusstsein

für den zeitgenössischen Tanz gestärkt. Durch die

Begleitung ausgewählter ChoreographInnen über einen

längeren Zeitraum erhält das Publikum zudem Gele-

genheit, langfristig künstlerische Entwicklungen zu

verfolgen, verschiedene Formate kennenzulernen und

choreographische Handschriften zu erkennen. Ergän-

zend zu den Vorstellungen werden auch themenbezo-

gene Publikums— und Hintergrundgespräche angeboten.

Als Instrument der Nachwuchsförderung wurde 2012

erstmals das vom Ballett der Staatsoper Hannover

und TANZtheater INTERNATIONAL gemeinsam initiierte

und durchgeführte Projekt „Think Big“ realisiert,

ein Künstlerresidenz-Programm für junge Choreogra-

phInnen in Hannover. Drei ChoreographInnen waren

eingeladen, in den Ballettsälen der Staatsoper En-

semblechoreographien mit bis zu zehn eigens hierfür

ausgewählten TänzerInnen zu erarbeiten – Rahmen und

Bedingungen, die für junge ChoreographInnen norma-

lerweise nicht denkbar sind. Das Festival TANZthea-

ter INTERNATIONAL bot dann in seinem Hauptprogramm

die international beachtete Plattform für die Ur-

aufführungen der Arbeiten. Für die ChoreographInnen

bedeutete das eine besondere Chance und war zu-

gleich ein Zeichen dafür, dass es nach einer Zeit,

in der kleine Produktionen dominierten, sehr wohl

möglich und im Interesse der KünstlerInnen ist, für

ein größeres Ensemble zu arbeiten. Das „Think Big“

Residenzprojekt soll in den kommenden Jahren fort-

gesetzt werden.

Page 62: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

62

TANZtheater INTERNATIONAL ist während des Festi-

valzeitraums in ganz Hannover präsent. Gespielt

wird in der Orangerie Herrenhausen, der Hochschule

für Musik, Theater und Medien Hannover sowie in

verschiedenen Spielstätten des Niedersächsischen

Staatstheaters. So sorgt das Festival mit täglichen

Vorstellungen für gebündelte Aufmerksamkeit für den

Tanz und anregende Festivalstimmung in der Stadt.

Wie bei kaum einer an-

deren Initiative in der

Kulturszene der Stadt ist

„TANZtheater INTERNA-

TIONAL” mit dem Namen

seiner Leiterin verbun-

den:

Anfang der 1990er Jahre

übernahm die Diplom-Kul-

turpädagogin Christiane

Winter die Leitung des

Tanz- und Theaterbüros

Hannover. Das von ihr

betreute Hauptprojekt

ist das Festival TANZthe-

ater INTERNATIONAL, dessen künstlerische Leiterin

sie ist. Seine 16. Ausgabe im Jahr 2000 zählte mit

fast vierwöchiger Dauer und 33 Veranstaltungen zu

den Highlights des Kultur- und Ereignisprogramms

der Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover. Darüber

hinaus holte Christiane Winter 2008 die „Tanzplatt-

form Deutschland“, das nationale Schaufenster für

zeitgenössischen Tanz, nach Hannover. Außerdem ist

sie langjähriges Jurymitglied beim „Internationalen

Wettbewerb für Choreographen“ der Ballett Gesell-

schaft Hannover.

„Generell hat der Erfolg des

Festivals einen großen Schub

und Unterstützung gebracht. Ich

betrachte das als sehr großen

Schritt für mich, meine Arbeit

vor Produzenten und Unter-

stützern zeigen zu können. Ich

glaube, dass die Tatsache, Teil

dieses einzigartigen Projekts

zu sein, Früchte tragen wird

in der Zukunft, wie nun zum

Beispiel mit dem Stadttheater

Greifswald.“

– YARON SHAMIR, TEILNEHMER BEI

„THINK BIG“ 2012

Page 63: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 63

62

2008 wurde Christiane Winter der Stadtkulturpreis

des Freundeskreises Hannover e.V. verliehen, 2010

erhielt sie die zweithöchste Auszeichnung der Lan-

deshauptstadt Hannover, die Stadtplakette.

Auch nach vielen Jahren

ist es für die Kura-

torin Winter, wie sie

selbst sagt, noch immer

„eine freudvolle Auf-

gabe, KünstlerInnen für

Hannover zu entdecken,

Entwicklungen der Szene

zu verfolgen, neue Themen

und Tendenzen aufzuspü-

ren, Zusammenhänge her-

zustellen und diese dem Publikum zu vermitteln.“

FOTO: CHRIS VAN DER BURGHT

„OUT OF CONTEXT – FOR PINA”

LES BALLETS C DE LA B/ALAIN PLATEL

„Tanz gehört für mich zu den innovativs-

ten, aussagefähigsten und wandelbarsten

künstlerischen Genres. Er spricht Emotion

und Intellekt gleichermaßen an, ist zu-

gleich in der Lage, zum Denken anzuregen

und zu unterhalten.

Das Festival TANZtheater INTERNATIONAL

betrachte ich als wichtiges Forum für die

vielfältigen Tanzformen und -sprachen der

Gegenwart.“

- CHRISTIANE WINTER

Page 64: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

64

DIE BALLETT GESELLSCHAFT

UND DER INTERNATIONALE WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN

#01 / TANZ

NICHT WEGZUDENKEN!

Page 65: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 65

64

Die Ballett Gesellschaft Hannover e.V. wurde 1985

gegründet. Für die Vereinsmitglieder gehören Kon-

takte zu Tanzschaffenden, gemeinsame Besuche von

Proben und Premieren ebenso zum Angebot wie Ge-

sprächsrunden mit TänzerInnen und DirektorInnen an

großen und kleinen Häusern im In- und Ausland. Das

Herzstück der Vereins-

aktivitäten ist jedoch

der jährliche „Interna-

tionale Wettbewerb für

Choreographen”.

Insbesondere seit der

22. Ausgabe 2008 ist

der Wettbewerb erheblich

erweitert worden. Die

Förderung des choreo-

graphischen Nachwuchses wird nachhaltig verbessert,

indem langfristige Partnerschaften mit Ensembles und

Institutionen im In- und Ausland aufgebaut werden.

Im Jahr 2012 wurden 18 Choreographien im Wettbewerb

präsentiert, von denen zehn am Finale teilnahmen.

Mehr als 150 TeilnehmerInnen aus aller Herren Länder

waren zu betreuen.

Zu den Bedingungen des Wettbewerbs gehört, dass alle

Teilnehmenden eine professionelle Ausbildung haben.

Die Altersgrenze für die ChoreographInnen liegt bei

35 Jahren. Die Choreographie muss eine Dauer von

fünf bis zwölf Minuten haben. Die ChoreographInnen

dürfen ihr Solo nicht selbst interpretieren. Die

Wahl des Themas und der Musik ist freigestellt.

“Dies ist der interessanteste und am besten

organisierte, dabei progressive choreo-

graphische Wettbewerb in Zentraleuropa,

mit einer internationalen Reputation. Es

ist ein Vorrecht, Teil dieses geachteten

Wettbewerbs zu sein, der gleichzeitig eine

Plattform für internationalen Austausch

bietet.“

– RICHARD WHERLOCK, DIREKTOR BALLETT BASEL

Page 66: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

66

In der Jury sind renommierte Choreographen wie

Richard Wherlock, Direktor Ballett Basel, Ed Wubbe,

Direktor Scapino Ballett in Rotterdam, Ivan Lliska,

Direktor Bayerisches Staatsballett, Ted Brandsen,

Direktor Dutch Nationale Ballett, Ashley Page, Di-

rektor Scottish Ballet und Yohan Stegli, stellver-

tretender künstlerischer Leiter Bundesjugendballett

sowie viele andere vertreten.

Der „Internationale Wettbewerb für Choreographen

Hannover” ist europaweit der einzige, der Produk-

tionspreise vergibt. Sie sind für ChoreographInnen

am wichtigsten. Seit 2005 vergibt der künstlerische

Leiter des Wettbewerbs, Ed Wubbe, den Scapino-Pro-

duktionspreis. Wer gewinnt, erarbeitet eine eigene

Choreographie mit TänzerInnen des Scapino-Balletts,

die in der Reihe TWOOLS gezeigt wird.

Der „Bundesjugendballett-Produktionspreis“ wurde

2012 ins Leben gerufen. Das Bundesjugendballett

stiftet den Preis: eine Choreographie mit dem von

John Neumeier 2011 gegründeten Nachwuchsensemble in

Hamburg.

FOTO: ALEXANDER SPIERING

“UN/ATTAINABLE”

GIUSEPPE SPOTA

Page 67: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 67

66

Neu ist der Produktionspreis des Staatstheaters Tanz

Braunschweig, vergeben durch dessen künstlerischen

Leiter Jan Pusch. Der Preis umfasst die Erarbeitung

eines Tanzstücks, das in der darauffolgenden Saison

am Staatstheater in Braunschweig uraufgeführt wird.

Die Ballett Gesellschaft schafft mit ihrem „Interna-

tionalen Wettbewerb für Choreographen” die europa-

weit traditionsreichste und zugleich erfolgreichste

internationale Plattform für Nachwuchsförderung.

Dabei sind die langfristigen Partnerschaften der

Gesellschaft mit Ensembles und Institutionen des

nationalen und internationalen Tanzgeschehens von

besonderer Bedeutung. Denn gerade sie verschaffen

den BerufsanfängerInnen über den einmaligen Auf-

tritt in Hannover hinaus wichtige Kontakte und Auf-

trittsmöglichkeiten. Dies verbessert ihre berufli-

chen Perspektiven erheblich.

FOTO: ALEXANDER SPIERING

“UN/ATTAINABLE”

FANG YU-SHEN

Page 68: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

68

URSULA WAGNERS TANZPERFORMANCES

IM STÄDTISCHEN RAUM

#01 / TANZ

TANZ AM BAU

Page 69: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 69

68

Ursula Wagner braucht kein Theater. Ihre Orte sind

der Stadtraum – und besonders sein Zwischenraum.

Gerade da, wo es unwirtlich wird, in den unbeachte-

ten, zerfaserten Orten, auf Baustellen und in Tun-

neln hat sie ihre Performances aufgeführt. Auch die

romanische Architektur, das Renaissance-Schloss,

die Parklandschaft geben der Performance Impulse,

ungewöhnliche Körper-Material-Bilder zu erfinden.

Ursula Wagner setzt die ganze physische Präsenz in

einen Spannungszustand zu den Gebäuden, die den

verlangsamten Tanzkörper umgeben, die ihn schützen,

aber auch begrenzen.

Nie wirkt der Mensch verletzlicher als allein zwi-

schen Betonwänden. Folgerichtig hat sich die ar-

chitekturbegeisterte Wagner auch jahrzehntelang im

„Werkbund“ engagiert, löst in ihren Performances

die Grenze zwischen Baukunst und Tanzkunst auf.

„Der Zusammenklang der einzelnen Elemente, die Ein-

heit von Aktion und Raum entwickelt ein Gesamt-

kunstwerk aus Tanz, Musik und Bild“, meinte der

Kunstkritiker Michael Stoeber dazu.

Andererseits sind auch Grünanlagen mit ihren Ge-

wächshäusern und Werkhöfen Orte, wo die Performance-

tänzerin mit ihrer Künstlerformation „Transito“ das

Element Wasser in bewegte Bilder überträgt. Spek-

takulär sind diese Wassertänze, die jetzt von ihren

SchülerInnen in historischen Schwimmbädern fortge-

setzt werden.

Einmal im Jahr bricht Wagner zu einer Werkstatt nach

Sardinien auf und erkundet mit den TeilnehmerInnen

an einem Flussdelta am Mittelmeer Landschaft und

Fundstücke.

Page 70: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

70

69 / 68

FOTO: THOMAS DEUTSCHMANN

“HINTER DEM BAHNHOF 100 JAHRE DEUTSCHER WERKBUND”

URSULA WAGNER

Ursula Wagner hat „eigentlich“ Sport studiert, ihre

Bewegung zum Tanz hin war, wie sie selbst sagt, eine

forschende, fast wissenschaftliche. Sie ging von der

Anatomie des mensch-

lichen Körpers aus,

den Muskel- und Ge-

lenkfunktionen, von

Kraft und Balance.

Ihre 40 SchülerIn-

nen, die zwischen 23 und 70 Jahren alt sind, ermu-

tigt sie, ihre natürliche Körpersprache tänzerisch

zu formen.

Als Schülerin von Manja Chmiél, bei der sie von 1973

bis 1983 arbeitete, hat sie Hans Fredeweß kennenge-

lernt und mit ihm „Straßentanz“ gemacht. Bei Chris-

tiane Winters Festival TANZtheater INTERNATIONAL

kam ihr „Wassertanz“ ebenso zur Aufführung wie die

Performance „Moorschwanken“ in den Gewächshäusern

der Herrenhäuser Gärten.

„Tanze das, was du vorfindest, und

folge deiner Intuition und Phantasie,

deiner subjektiven, spielerischen

Bewegungslust.“

– URSULA WAGNER

Page 71: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 71

70

Mit dem Bildhauer und Zeichner K.H. Bethmann ging

sie die Verbindung „Tanz/Skulptur“ ein. Im Künstler-

ort Berlin-Buch arbeitete sie mit Reinhild Hoffmann

und 20 internationalen PerformerInnen zum Thema

Metall, Stein, Holz. Wie ihre Lehrerin ignoriert

auch Wagner die übliche Barriere zwischen Profis und

Amateuren: „Je farbiger und bunter die Tanzszene

einer Stadt ist – sein darf! – desto mehr spricht

das für die Stadt!“

Ursula Wagner erlebt Hannover nicht als „Tanzme-

tropole“, aber sie freut sich darüber, dass die

Wahrnehmung von Tanz stetig wächst. „Das liegt“,

so meint sie, „vor allem an zwei Frauen: an Manja

Chmiél, die den Tanz öffnete und Laien den Zugang in

radikaler und individueller Weise verschaffte – und

an Christiane Winter, die mit dem Festival TANZthe-

ater INTERNATIONAL beharrlich daran arbeitet, dass

die Wahrnehmung des Publikums geschärft wird.“

Ursula Wagners SchülerInnen übernehmen viele ihrer

Projekte und sollen sie weiter in den Stadtraum

tragen. Für die Laien hat Ursula Wagner ein sehr

schlichtes, sehr konkretes Ziel: „Hauptsache, sie

bewegen sich mit ganzer Energie.“

FOTO: THOMAS DEUTSCHMANN

“HINTER DEM BAHNHOF 100 JAHRE

DEUTSCHER WERKBUND”

URSULA WAGNER

69 / 68

Page 72: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

72

#01 / TANZ

NETZWERK TANZIN HANNOVER

ADRESSEN

Page 73: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 73

72

BALLETT DER STAATSOPER HANNOVER

Jörg Mannes, Ballettdirektor

Steven Markusfeld, Betriebsdirektor Ballett

Tel. 0511/9999-1061

[email protected]

www.oper-hannover.de

LANDERER&COMPANY

Felix Landerer

Tel. 0511/539 98 72

[email protected]

www.felixlanderer.de

COMMEDIA FUTURA

Theater in der Eisfabrik

Tel. 0511/81 63 53

[email protected]

www.commedia-futura.de

COMPAGNIE FREDEWESS

Tanzhaus im Ahrberg Viertel

Tel. 0511/4500-1082

[email protected]

www.compagnie-fredewess.de

SONIA RASTELLI

Tel. 0511/16 97 98 23

[email protected]

www.dansexpressi.de

URSULA WAGNER

Tel. 0511/34 37 21

[email protected]

www.ursulawagnertanz.de

Page 74: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

MUSIKSCHULE

der Landeshauptstadt Hannover

Tel. 0511/168-40953

[email protected]

www.hannover.de

TANZTHEATER INTERNATIONAL

Tanz und Theater e.V.

Tel. 0511/34 39 19

[email protected]

www.tanztheater-international.de

BALLETT GESELLSCHAFT HANNOVER E.V.

Tel. 05109/5646-14

[email protected]

www.ballettgesellschaft.de

ADA-UND-THEODOR-LESSING-VOLKSHOCHSCHULE

der Landeshauptstadt Hannover

Dorothee Warnecke

Tel. 0511/168-44776

[email protected]

www.vhs-hannover.de

Page 75: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4

/ 75

HERAUSGEBERIN:

Landeshauptstadt Hannover

Kultur- und Schuldezernat

Trammplatz 2

30159 Hannover

KONTAKT:

Landeshauptstadt Hannover

Kulturbüro

Friedrichswall 15

30159 Hannover

Tel. 0511/168-40267

[email protected]

V.I.S.D.P:Marlis Drevermann

REDAKTION:

Gabriela Jaskulla

GESTALTUNG:

e27, Berlin

www.e27.com

AUFLAGE:

2.500 Exemplare

DRUCK:

Steppat Druck GmbH

www.steppat-druck.de

Hannover im April 2013

IMPRESSUM

Page 76: „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 … · „STATE OF MATTER“, PUBLIKUMSPREIS 2011 INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHEN IHSAN RUSTEM FOTO: ALEXANDER SPIERING. 4