aufgaben und lösungen zu grundlagen der regionalökonomik ... · 1 prof. dr. reinhold kosfeld...

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1 Prof. Dr. Reinhold Kosfeld Universität Kassel Institut für Volkswirtschaftslehre Aufgaben und Lösungen zu Grundlagen der Regionalökonomik: Kap. 3: Theorie der Regionalökonomik 3.1 Was versteht man unter Standort, Standortwahl und Standortfaktoren? Standort: Ein von Menschen für bestimmte Nutzungen, insbesondere für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen, ausgewählter Raumpunkt. Standortwahl: Entscheidung zwischen mehreren Raumpunkten, die um eine bestimmte Nutzung im Wettbewerb miteinander stehen. unterschiedliche Aspekte der Standortwahl: - normativer (=neoklassischer) vs. positiver (=behavioristischer) Ansatz - regionale Ebenen: großräumige, nationale, regionale, kleinräumige oder innerbetriebli- che Standortwahl - Standortanforderungen unterschiedlicher Unternehmen (im Hinblick auf Sektoren, Funktionen, Betriebsgrößenklassen und rechtlichem Status zu differenzieren) - Zeitpunkt der Standortentscheidung Standortfaktoren: Ökonomische und außerökonomische Größen, die die Standortwahl beeinflussen und bestimmen. „harte“ Standortfaktoren: z. B. Erreichbarkeit von Input- und Outputmärkten, Agglomerationsvorteile, unternehmensnahe Infrastruk- tur, Humankapital, regionale Steuern „weiche“ Standortfaktoren: z. B. Image, Wohnumfeld, wirtschaftliches Klima, kulturelles Angebot, gutes schulisches Angebot, gute ärztliche Versorgung weitere Differenzierungen der Standortfaktoren: - allgemeine vs. spezielle/spezifische Standortfaktoren - lokalisierte vs. ubiquitäre Standortfaktoren - Position der Standortfaktoren in Wertschöpfungskette Schlagen sich direkt in Kosten- und Erlösrechnung nieder Schlagen sich nur indirekt in Kosten- und Erlösrechnung nieder

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Prof. Dr. Reinhold Kosfeld

Universität Kassel

Institut für Volkswirtschaftslehre

Aufgaben und Lösungen zu

Grundlagen der Regionalökonomik:

Kap. 3: Theorie der Regionalökonomik

3.1 Was versteht man unter Standort, Standortwahl und Standortfaktoren?

Standort: Ein von Menschen für bestimmte Nutzungen,

insbesondere für die Produktion von Gütern und

Dienstleistungen, ausgewählter Raumpunkt.

Standortwahl: Entscheidung zwischen mehreren Raumpunkten, die um

eine bestimmte Nutzung im Wettbewerb miteinander stehen.

unterschiedliche Aspekte der Standortwahl:

- normativer (=neoklassischer) vs. positiver (=behavioristischer) Ansatz

- regionale Ebenen: großräumige, nationale, regionale, kleinräumige oder innerbetriebli-

che Standortwahl

- Standortanforderungen unterschiedlicher Unternehmen (im Hinblick auf Sektoren,

Funktionen, Betriebsgrößenklassen und rechtlichem Status zu differenzieren)

- Zeitpunkt der Standortentscheidung

Standortfaktoren: Ökonomische und außerökonomische Größen, die die

Standortwahl beeinflussen und bestimmen.

„harte“ Standortfaktoren:

z. B. Erreichbarkeit von Input- und Outputmärkten,

Agglomerationsvorteile, unternehmensnahe Infrastruk-

tur, Humankapital, regionale Steuern

„weiche“ Standortfaktoren:

z. B. Image, Wohnumfeld, wirtschaftliches Klima,

kulturelles Angebot, gutes schulisches Angebot, gute

ärztliche Versorgung

weitere Differenzierungen der Standortfaktoren:

- allgemeine vs. spezielle/spezifische Standortfaktoren

- lokalisierte vs. ubiquitäre Standortfaktoren

- Position der Standortfaktoren in Wertschöpfungskette

Schlagen sich direkt in

Kosten- und

Erlösrechnung nieder

Schlagen sich nur

indirekt in Kosten- und

Erlösrechnung nieder

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3.2 Zwei konkurrierende Anbieter A und B haben ihren Standort in SA = 0 und SB = 1.

X X

SA=0 SB=1

Wovon hängt es ab, wo ihr gegenseitiger Einzugsbereich endet?

Einzugsbereiche der Anbieter A und B:

Der Einzugsbereich von A (B)

t2

tpp AB

t2

tpp BA

ist umso größer, je höher pB (pA) und je geringer PA (pB) sind. Bei einer homogenen

Fläche ist der Transportkostensatz t für beide Anbieter gleich und hat keine Auswirkung

auf die gemeinsame Grenze.

Für pA = pB sind die Einzugsbereiche der beiden Anbieter gleich groß:

5,0t2

t

t2

t)pp(p ABA

Die Grenze SG zwischen ihren Einzugsbereichen liegt dann bei 0,5.

3.3 Sie das Konzept der Thünenschen Ringe!

Die Thünenschen Ringe geben eine ringförmige Flächennutzung für den Anbau landwirt-

schaftlicher Produkte um ein Zentrum (Stadt) S an. Bei einer homogenen Fläche ist das

Zentrum von konzentrischen Kreisen umgeben, aus denen die Thünenschen Ringe gebildet

werden, innerhalb derer gleichwertige Produkte (z.B. Obst, Gemüse, Getreide, Holz)

angebaut werden. Die günstigste Flächennutzung in den Ringen ergibt sich aus dem Ertrag

sowie den Produktions- und Transportkosten der einzelnen Produkte.

t2

tpp BA

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3

3.4 Was versteht man unter einer Lagerente? Wie lässt sich die optimale Lagerentenfunktion

bei einem Gut beschreiben?

Die Lagerente (Bodenrente) LR gibt für eine bestimmte Entfernung d von einem Markt

(Zentrum) den Gewinn je Flächeneinheit an, der sich aus dem Bruttoerlös unter Abzug der

Produktionskosten (=Nettoerlös) und der Transportkosten ergibt. Sie ist produktspezifisch

zu ermitteln.

Man erhält die optimale Lagerentenfunktion LR* unter Verwendung der optimalen

Inputmengen der Produktionsfaktoren und damit des optimalen Outputs je Flächeneinheit.

LR* gibt den maximalen Gewinn je Flächeneinheit an, der sich mit der Produktion eines

bestimmten Gutes in Abhängigkeit der Entfernung d von einem Markt (Zentrum) erzielen

lässt.

3.5 Ein Landwirt produziert zwei Produkte Obst (O) und Getreide (G) die er in der Stadt zu den

Preisen pO= 2 und pG= 3 je Mengeneinheit (ME) verkauft. Er hat 100 ME vom Produkt O, xO

= 100 und 80 ME vom Gut G, xG = 80, produziert. Die Transportkosten je Mengen- und

Entfernungseinheit betragen tO = 0,2 und tG = 0,1. Bei der Produktion der gegebenen Mengen

der beiden Güter fallen Kosten in Höhe von 100 (Gut O) und 160 (Gut G) an.

a) Geben Sie die Lagerentenfunktionen für die beide Produkte O und G an und zeichnen

Sie sie in separate Diagramme ein! Welche Gewinngrenzen haben die beiden Produkte?

Gut O (Obst):

OK

OOOO xdtpdLR 100)()(

100100)2,02( d

dd 2010010020200

Abb. 1: Lagerentenfkt. für Produkt O

Gut G (Getreide):

GK

GGGG xdtpdLR 160)()(

d880160d824016080)d1,03(

5

1001002)tan(

*

O

OOOO

d

Kxp

OO xt 20

020100)( ** ddLRO

10020 * d

Obst für zeGewinngren

5* Od

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Abb. 2: Lagerentenfkt. für Produkt G

b) Zeichnen Sie ein Diagramm mit den Lagerenten der beiden Produkte O und G! In

welchen Bereichen wird der Landwirt die beiden Produkte anbauen, wenn er seinen Gewinn

maximieren will?

)()( dLRdLR GO )12

20(dLRO

160)(100)( GGGOOO xdtpxdtp 67,6612

2020100

dd 88020100 )12

20(dLRG

2012 d 67,6612

20880

10

160803)tan(

*

G

GGGG

d

Kxp

GG xt 810

80

0880)( ** ddLRG

808 * d

Getreide für zeGewinngren

10* Gd

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67,112

20OGd

Anbau des Gutes O (Obst): Bereich )(67,10 GO LRLR

Anbau des Gutes G (Getreide): Bereich )(1067,1 OG LRLRd

3.6 Inwiefern lässt sich das Thünen-Modell auf die Verteilung der Geschäfts- und Büroflächen

in einer Stadt übertragen?

In einer Stadt stehen verschiedene Flächennutzungen mit unterschiedlichen Lagerentenfunk-

tionen (Gewinnpotenzial je Flächeneinheit in Abhängigkeit von der Distanz vom Zentrum

(CBD, central business district) in Konkurrenz miteinander. Nutzungen mit hohen

Agglomerationsverteilungen, hohen Handelsspannen, hohen Kaufwahrscheinlichkeiten (pro

Flächeneinheit) und hohen Transportkosten drängen ins Zentrum. Die Ersparnis von

Transportkosten kommt hierbei vor allem durch eine Ersparnis von Wegekosten durch hohe

Agglomerationsvorteile – eine Reihe von Anbietern gleicher und unterschiedlicher Güte

konzentriert sich auf enden Raum – zustande.

Aufgrund der hohen Bodenpreise findet im Zentrum eine intensive Flächennutzung statt. Im

Zentrenring werden sich insbesondere hochwertige Dienstleistungen ansiedeln, aber aufgrund

hoher Fühlungsvorteile auch gehobene Einzelhandelsgeschäfte und Büros mit einer hohen

Intensität der Flächennutzung. Es folgt ein konzentrischer Ring mit geringwertigem Wohnen

mit einer mittleren Flächennutzung. Daran schließt sich ein Ring mit hochwertigem Wohnen

sowie Park- und Grünflächen an. Um diesen Ring siedelt sich das Gewerbe mit mittlerem bis

hohem Flächenbedarf an. In dem äußeren Ring wird Landwirtschaft mit einem hohen

Flächenbedarf betrieben. Die Siedlungsfläche der Stadt endet dort, wo die vom Zentrum zum

Rand fallende Lagerente unter die Rente der landwirtschaftlichen Nutzung absinkt.

3.7 Was versteht man unter der minimalen Reichweite eines Gutes und wovon hängt sie ab?

Die minimale Reichweite rmin eines Gutes gibt die Grenze des Mindestmarktgebiets eines

Produzenten wieder, das erforderlich ist, um – angesichts der Fixkosten – profitabel, d. h. ohne

Verlust (Nullgewinn) zu produzieren.

Bei gegebener Produktionsfunktion ist sie abhängig von

der Siedlungsdichte (SD): minrSD

dem Transportkostensatz (t) (bestimmt Nachfragefunktion):

min

)(

rNachfragept

x

3.8 Was versteht man unter der maximalen Reichweite eines Gutes und wovon hängt sie ab?

Die maximale Reichweite rmax eines Produkts beschränkt das Markgebiet eines Produzenten,

da der (effektive) Preis des angebotenen Gutes über die Transportrate t mit zunehmender

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Entfernung von seinem Standort steigt. Die maximale Entfernung von Standort der Produktion,

bei der das Gut gerade noch nachgefragt wird, heißt maximale Reichweite des Gutes.

Bei gegebenem Grundpreis pAt ist rmax abhängig von

Dem Transportkostensatz (t)

max)( rxNachfragept

auch

wirdbilliger Produkt

da ,Entfernunggrößerer in

3.9 Erläutern Sie unterschiedliche K-Systeme im Modell von Christaller und legen Sie dar, wie

sie die Zentralität von Gemeinden bestimmen! Nutzen Sie hierzu die Begriffe Unter-, Mittel-

und Oberzentren!

Ein hierarchisches System von Marktgebieten ergibt sich in dem Modell von Christaller durch

Verknüpfung der Marktsysteme mit unterschiedlichen Maschenwerten. Der Faktor k gibt

hierbei an, wie viel Anbieterstandorte eines bestimmten Ranges auf einen Anbieterstandort des

nächsthöheren Ranges entfallen, d. h. der Faktor k bezeichnet die Stufen der zentralörtlichen

Hierarchie.

Häufig nachgefragte Güter des alltäglichen Bedarfs werden in jedem Ort angeboten. Orte der

niedrigsten Zentralität werden in der Raumplanung Unterzentren (Grundzentren) genannt. Es

handelt sich hierbei um die hilfszentralen Orte eines k=1-Systems im Christallerschen Modell.

Mittelzentren mit einem zusätzlichen Angebot an höherwertigen Gütern und Dienstleistungen

wie z. B. Kaufhaus, Allgemeinkrankenhaus, weiterbildende Schule sind in etwa vergleichbar

mit den Marktorten eines k=3-Systems im Modell von Christaller. In Oberzentren sind

zusätzlich spezialisierte höherwertige Dienstleistungen wie Spezialhandel, Unternehmenssitze,

Fernbahnhof, Hochschule verfügbar. Sie sind vergleichbar mit dem Konzept der Hauptorte von

k=9 oder höheren k-Systemen der Christallerschen Modells.

3.10 Erläutern Sie die Entstehung optimaler Marktgebiete im Modell von Christaller!

Produzenten, die versuchen ihre maximalen Gewinne zu realisieren, streben ihre

größtmöglichen Marktgebiete an. Sie sind durch die obere Grenze der Reichweite eines Gutes

begrenzt. Die oberen Grenzen der Reichweite berühren sich, wobei unversorgte Gebiete

verbleiben.

Hierin entdecken zusätzliche Anbieter profitable Produktionsmöglichkeiten. Sie können auch

diejenigen Nachfrager von Konkurrenten (=bisheriger Produzenten) gewinnen, die näher an

ihren Produktionsstandorten angesiedelt sind. Dadurch werden Produzenten Verluste erleiden

und aus dem Markt ausscheiden.

Ein stabiles Gleichgewicht ist erreicht wenn die verbliebenden Produzenten gerade die

Mindestnachfrage realisieren können, die erforderlich ist, um profitabel zu produzieren, d. h.

einen Nullgewinn erzielen und keine unversorgten Gebiete verbleiben. Auf diese Weise

entstehen wabenförmige (sechseckige) Marktgebiete, die die Fläche lückenlos füllen und zu

den geringsten Transportkosten versorgt werden.

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3.11 Welche Faktoren bestimmen die Wettbewerbsfähigkeit von Regionen?

In der regionalökonomischen Literatur werden die Faktoren, die die Wettbewerbsfähigkeit und

damit das Wachstum der Regionen bestimmen, in dem naturräumlichen Potenzial, der

Wirtschaftsstruktur, der Infrastruktur und der Siedlungsstruktur gesehen.

Im Hinblick auf das naturräumliche Potenzial werden eine gute Lage und Erreichbarkeit, eine

hohe Umweltqualität sowie Rohstoffvorkommen als positiv herausgestellt.

Der Einfluss der Wirtschaftsstruktur auf die Wettbewerbsfähigkeit von Regionen ergibt sich

zum einen über eine günstige Sektoralstruktur, die durch innovative, wachstumsstarke

Branchen gekennzeichnet ist und zum anderen über eine gesunde Mischung unterschiedlicher

Betriebsgrößenklassen.

Der Einfluss der Infrastruktur auf die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum der Regionen

ergibt sich aus ihrem Charakter als öffentlicher Kaptalstock und ihrem Vorleistungscharakter.

Hierbei wird zwischen der materiellen Infrastruktur (z. B. Verkehrsnetze, Ver- und

Entsorgungseinrichtungen, Bildungseinrichtungen), der institutionellen Infrastruktur

(Rechtsordnung, Wirtschaftsordnung, Beratungsstellen, Vernetzung regionaler Akteure) und

der personellen Infrastruktur (Fähigkeit und Leistungsbereitschaft der Menschen, innovative

Milieus) unterschieden. Eine gute Infrastruktur erhöht die Effizienz der im Produktionsprozess

eingesetzten Faktoren Arbeit und Kapital und wirkt dadurch kostensenkend.

Leistungsfähige Zentren und eine Vernetzung von Orten führen zu Agglomerationsvorteilen

sowie einer Schaffung und Adaption von neuem Wissen. Auf diese Weise beeinflusst auch die

durch die Größe und räumliche Verteilung der Orte gekennzeichnete Siedlungsstruktur das

Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit von Regionen.

3.12 Grenzen Sie neoklassische und postkeynesianische regionale Wachstumstheorien

voneinander ab!

Während die neoklassische regionale Wachstumstheorie angebotsorientiert ist und von einer

Vollbeschäftigung der Produktionsfaktoren ausgeht, wird bei der nachfrageorientierten

postkeynesianischen regionalen Wachstumstheorie die Beschäftigung nicht explizit analysiert.

Entspricht die Wachstumsrate der Produktion jedoch nicht dem Verhältnis aus Sparquote s und

Kapitalkoeffizient v, liegt eine Diskrepanz zwischen Output und Produktionspotenzial vor, die

eine Unter- oder Überbeschäftigung impliziert. In der postkeynesianischen Wachstumstheorie

gibt es keine Kräfte, die in Richtung einer gleichgewichtigen Entwicklung wirken, sondern die

Ungleichgewichte verstärken sich immer mehr ohne staatliche Interventionen. Dagegen

beinhaltet die Annahme einer vollständigen Mobilität der Produktionsfaktoren in der

neoklassischen regionalen Wachstumstheorie einen Ausgleichsmechanismus, der bei

Gleichgewichtsstörungen wirksam ist. Aufgrund der Entlohnung nach der

Grenzproduktivitätstheorie wandert das Kapital (die Arbeit) von Regionen mit einer hohen

(niedrigen) Kapitalintensität in Regionen mit einer niedrigen (hohen) Kapitalausstattung der

Arbeitsplätze, d.h. von Regionen mit einer relativ niedrigen Entlohnung der

Produktionsfaktoren in Regionen mit einer hohen Kapitalverzinsung bzw. einem hohen

Lohnsatz. Durch diese marktimmanenten Kräfte tendiert das regionale System zu einer

gleichgewichtigen Entwicklung ohne dass staatliche Eingriffe in den Wirtschaftsprozess

erforderlich sind.

3.13 Wie funktioniert der Ausgleichsmechanismus im neoklassischen Modell!

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Im neoklassischen regionalen Wachstumsmodell führen Faktorwanderungen bei einer Störung

zu einer Wiederherstellung des interregionalen Gleichgewichts. Der Ausgleich erfolgt aufgrund

der vollständigen Mobilität der Produktionsfaktoren.

Ist z. B. die Kapitalintensität K/A in der Region 2 kleiner als in der Region 1, bringt der

Kapitaleinsatz aufgrund seiner höheren Grenzproduktivität in Region 2 eine höhere Rendite als

in Region 1. Umgekehrt ist die Grenzproduktivität der Arbeit in Region 2 und damit der

Reallohn in Region 2 geringer als in Region 1. Aufgrund dessen wandert Kapital von Region 1

in die Region 2 und Arbeit in die umgekehrte Richtung, wodurch die Kapitalintensität K/A in

der Region 2 steigt und in der Region 1 sinkt. Die Kapitalintensitäten beider Regionen nähern

sich auf diese Weise wieder an. Dieser Ausgleichsmechanismus ist solange wirksam bis sich

die Kapitalintensitäten und damit auch die Reallöhne und Zinssätze in beiden Regionen

angeglichen haben.

3.14 Erläutern Sie das Wachstumsgleichgewicht des neoklassischen Modells!

Im Wachstumsgleichgewicht des neoklassischen Modells müssen Output und Kapital in einer

Region mit derselben Rate wachsen. Technischer Fortschritt führt dazu, dass der Faktor Arbeit

im Gleichgewicht mit einer geringeren Rate wächst (arbeitssparender technischer Fortschritt).

Die gleichgewichtigen Raten müssen sich aufgrund derselben Produktionstechnologie in allen

Regionen einstellen. Voraussetzung hierzu ist eine gleiche Kapitalintensität die zu einer

gleichen Entlohnung der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital führt, so dass

Faktorwanderungen zum Stillstand kommen.

3.15 Erläutern Sie das Wachstumsgleichgewicht der postkeynesianischen Wachstumstheorie!

In der postkeynesianischen Wachstumstheorie ergibt sich das dynamische GG aus der zu

fordernden Gleichheit des Einkommens- und Kapazitätseffekts der Investitionen. Der

Einkommenseffekt der Investitionen gibt über den Multiplikator sc

1

1

1

die durch eine

Veränderung der Investitionen ausgelöste Nachfrageveränderung wieder. Dagegen gibt der

Kapazitätseffekt der Investitionen die durch sie bedingte Erhöhung der Produktionskapazitäten

an. Bei gegebenem Kapitalkoeffizienten v (=Verhältnis von Kapitalstock zu Produktion) erhöht

sich die potentielle Produktion für jede getätigte Investitionseinheit um den Kehrwert v

1

(=Kapitalproduktivität).

Im dynamischen GG entspricht der Kapazitätseffekt dem Einkommenseffekt, so dass es keine

Überkapazitäten und auch keine unbefriedigte Nachfrage gibt, wodurch Anpassungseffekte

ausgelöst würden. Dies ist genau dann der Fall, wenn die Makrogrößen Output, Konsum und

Investitionen mit der Rate s/v wachsen. Weicht die Wachstumsrate der Produktion von der

gleichgewichtigen Rate s/v ab, werden keine Kräfte wirksam, die das dynamische

Gleichgewicht wieder herstellen. Aus diesem Grund spricht man von einem Wachstum auf des

Messers Schneide. Vielmehr verstärkt sich das Ungleichgewicht, wobei aus Sicht der

Postkeynesianer das Augenmerk vor allem auf der Rezession liegt, aus der die Volkswirtschaft

ohne staatliche Eingriffe nicht herauskommt.

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3.16 Was versteht man unter der Exportbasistheorie?

Aufgrund des hohen Gewichts der regionalen Exporte an dem Regionaleinkommen, hat sich in

der Regionalökonomik die Exportbasistheorie als spezielle Variante der postkeynesianischen

Wachstumstheorie etabliert. Während die Exportquoten für die meisten Industrieländer

zwischen 10 und 30 Prozent liegen, erreichen Regionen häufig Exportquoten von weit mehr als

50%. Die erheblich höheren Exportquoten ergeben sich aus dem Hinzukommen der

interregionalen Exportströme, die sich auf der Länderebene saldieren.

Die Exportbasistheorie unterteilt die regionale Wirtschaft in einen Exportsektor (basic sector)

und einen lokalen Sektor (non-basic sector). Im Exportsektor werden Einkommen durch

Exportaktivitäten erwirtschaftet, während im lokalen Sektor Einkommen auf dem

intraregionalen Markt verdient werden. Während die Nachfrage nach Exportgütern exogen ist,

ist die Nachfrage nach lokalen Gütern durch das gesamte Regionaleinkommen unter

Berücksichtigung der marginalen Konsum- und Importquote bestimmt. Im regionalen

Gleichgewicht ist das Regionaleinkommen ein Vielfaches der regionalen Exporte. Im Hinblick

auf die Regionalpolitik ergibt sich aufgrund dessen ein Ansatzpunkt für die Förderung der

Exportaktivitäten z. B. eine Verbesserung der Anbindung an überregionale Märkte oder

Investitionszuschüsse im Exportsektor.

3.17 Eine Region i erwirtschaftet in ihrem Exportsektor (= Basissektor) ein Einkommen (=

Exporteinkommen) Yi,X von 50 GE. Die Konsumquote c beträgt 0,75 und die Importquote m

0,25,

a) Geben Sie die durch die Exportbasistheorie postulierte Beziehung zwischen dem in der

lokalen Wirtschaft (= Nicht-Basissektor) erwirtschaftete Einkommen Yi,L und dem

Regionaleinkommen Yi wieder!

Yi,L = (ci – mi)Yi

= (0,75 – 0,25)Yi

= 0,50Yi

b) Bestimmen Sie das gleichgewichtige Regionaleinkommen Yi*i und stellen Sie es in einem

Diagramm dar!

xi,ii

i Ymc1

1*Y

0525,0750,1

1

100052055,0

1

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c) Geben Sie rechnerisch und grafisch den Effekt einer Erhöhung des Exporteinkommens Yi,X

um 20 GE wieder!

Yi,x = 20

)Y(Ymc1

1Y xi,xi,

_

ii

*neui,

)2005(25,0750,1

1

140072075,0

1

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3.18 Auf welche Art und Weise wird im Modell der Neuen Ökonomischen Geografie (NÖG)

die Präferenz der Konsumenten für Produktvielfalt modelliert?

Die Präferenz der Konsumenten für Produktvielfalt wird in der NÖG über eine CES (constant

elasticity of substitution) Nutzenfunktion modelliert:

/1n

1iiM cC

Der Parameter , der die Intensität der Präferenz für die Vielfalt der Industriegüter angibt,

nimmt hierin mit zunehmender Substitutionselastizität σ zu: /1

Die Produktionsvielfalt erhöht sich mit zunehmender Anzahl n von Industriegütervarianten.

Teilt man eine gegebene Konsummenge auf eine unterschiedliche Anzahl von

Industriegütervarianten bei einer bestimmten Substitutionselastizität σ auf, lässt sich die

Präferenz für Produktvielfalt anhand eines höheren Nutzenindex CM bei größeren n erkennen.

Beispiel: 2

112

n=2 n=3

Gesamtkonsum: Gesamtkonsum:

35,15,121 CC 3111321 CCC

25,02

5,01 CCCM 25,0

35,0

25,0

1 CCCCM

25,05,0 5,15,1 25,05,05,0 111

2225,1225,1 93111 22

0025,645,2 2

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3.19 Erläutern Sie den Einfluss der Substitutionselastizität auf die Subnutzenfunktion CM der

NÖG!

Die Subnutzenfunktion CM sinkt ceterus paribus mit zunehmender Substitutionselastizität σ (n

> 1).

Beispiel:

n = 2, c1 = c2 = 0,5

3

213

5

415

2

3

3

2

23

2

1

CCCM

4

5

5

4

25

4

1

CCCM

2

3

3

2

3

2

5,05,0

4

5

5

4

5

4

5,05,0

2/32

3

3

2

630,025,02

4/5

4

5

5

4

57435,025,02

414,1260,1 2

3

> 189,11487,1 4

5

Der Grund für den geringeren Nutzen bei einer höheren Substitutionselastizität liegt darin, dass

die Industriegutvarianten mit wachsendem σ als ähnlicher angesehen werden. Dies wird durch

die leichtere Substituierbarkeit angezeigt. Aus diesem Grund bringt eine Vielfalt des

Güterangebots bei hohem σ für die Konsumenten gegenüber der Situation einer einzigen

Industriegütervariante (n = 1 -> CM gleich für alle σ) nicht den Nutzenzuwachs mit sich, der

sich bei einer geringen Substitutionselastizität ergeben würde.

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3.20 Erläutern Sie das Prinzip der zirkulären Verursachung in der Neuen Ökonomischen

Geografie (NÖG)!

Zirkuläre Verursachung liegt vor, wenn sich bei einer Störung eines Gleichgewichts Effekte

der Vorwärts- und Rückwärtskopplung verstärken. Verlegt ein Unternehmen seinen Sitz in die

Region 1 oder kommt es in der Region 1 zu einer Unternehmensgründung, so dass sich die

Produktvielfalt gegenüber der Region 2 erhöht, sinkt das Preisniveau in ersterer Region

aufgrund einer Ersparnis der Transportkosten, während es sich in letzterer Region erhöht.

Dadurch verbessert sich in Region 1 der Reallohn gegenüber der Region 2 (Realeinkommens-

effekt), so dass Industriearbeiter (Konsumenten) in die Region 1 wandern. Aufgrund der

höheren Nachfrage ziehen Unternehmen in diese Region (Nachfrageeffekt), um die Agglome-

rationsvorteile zu nutzen, was wiederum die Industrieproduktions ansteigen lässt und den

Konsumenten eine reichhaltigere Auswahl von Gütern bietet.

Dadurch entsteht erneut ein Realeinkommenseffekt in Region 1 aufgrund der Ersparnis von

Transportkosten. Aufgrund dessen wird die Region 1 für zusätzliche Industriearbeiter

(Konsumenten) und in der weiteren Folge auch für Unternehmen attraktiv, was die zirkuläre

Verursachung durch Kopplungseffekte begründet, die ohne gegensätzliche Kräfte einer Ballung

der Produktion in Region 1(=Zentrum) und einer Entleerung der Region 2 (=Peripherie) führt.

3.21 Welche Bedeutung haben der Break-Point (TB) und der Sustain-Point (TS) für die

potenziellen Gleichgewichte im Modell der Neuen Ökonomischen Geografie?

Sustain-Point TS

Der Sustain-Point gibt Aufschluss darüber, wann ein stabiles Konzentrationsgleichgewicht

(λ1 = 1 od. λ2 = 1) bei einer Erhöhung der Transportkosten in ein stabiles Gleichgewicht bei

gleichmäßiger Aufteilung der Industrieproduktion (Industriebeschäftigten) übergreift.

T niedrig: 1 = 1 oder 1 = 0

T , T < TS: 1 = 1 oder 1 = 0

T TS: 1 = 0,5

Erreichen die Transportkosten das Niveau TS, übersteigen die deglomerativen (dispersiven)

Kräfte die agglomerativen (konzentrierenden) Kräfte. Angesichts der hohen Transportkosten

für die Befriedigung der Nachfrage der Agrarbevölkerung nach industriellen Gütern in der

Peripherie siedeln sich dort Industrieunternehmen an, denen Industriearbeiter aufgrund des

positiven Reallohndifferentials folgen. Erst wenn in beiden Regionen eine gleiche Aufteilung

der Produktion von Industriegütern erreicht ist, wird das Reallohndifferential gleich 0, so dass

keinerlei Anreize mehr zu einer Migration bestehen.

Break-Point TB

Der Break-Point TB gibt an, wie lange eine gleiche Aufteilung der Industrieproduktion

(Industriebeschäftigten) auf beide Regionen stabil ist, wenn die Transportkosten von einem

hohen Niveau aus gesenkt werden.

T hoch: 1 = 0,5

T , T > TB: 1 = 0,5

T TB: 1 = 0,5 wird instabil, 1 = 1 oder 1 = 0 stabil (ergibt sich nach Störung)

Vor-

wärts-

kopplung

Rück-

wärts-

kopplung

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Fallen sie Transportkosten auf das Niveau TB, übersteigen die agglomerativen (konzentrie-

renden) Effekte die deglomerativen (dispersiven) Kräfte. Konsumenten (Industriearbeiter)

können in der Region mit höherem Produktionsanteil Industriegüter günstiger erwerben, was

einen Realeinkommenseffekt begründet. Unternehmen finden hier eine höhere Nachfrage vor,

so dass sie steigende Skalenerträge realisieren können. Aufgrund der geringen Transportkos-

ten ist der dispersive Effekt aufgrund der Versorgung der Agrarbevölkerung mit Industriegü-

tern zu gering, um den Agglomerationsprozess umkehren zu können.