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AlumniAugsburgInternational
Themenheft zur Sommerschule
Kommunikation – Dialog – Friedensarbeit:
Nachhaltige Perspektiven für Israel/Palästina
WasserundFrieden
diese Ausgabe von Alumni Augsburg International steht ganz im Zeichen der
ersten Alumni-Sommerschule, die an der Universität Augsburg vom 26. Juli bis 1. Au-
gust 2006 stattfinden konnte. Die vom Akademischen Auslandsamt und der Initiative
Friedens- und Konfliktforschung veranstaltete Sommerschule trug den Titel „Kommu-
nikation-Dialog-Friedensarbeit: Nachhaltige Perspektiven für Israel/Palästina“. An der
Sommerschule haben dreizehn ausländische Alumni der Universität Augsburg teilge-
nommen.
In diesem Heft finden Sie zunächst einen Beitrag der Organisatoren über Zielsetzung,
Verlauf und Bilanz der Sommerschule. Dr. Sumaya Farhat-Naser, ohne die die Durch-
führung der Sommerschule nicht möglich gewesen wäre, schildert ihre ganz persönli-
chen Eindrücke. Danach bietet der Beitrag von Dr. Dennis Nitsche einen historischen
Überblick und mögliche Lösungsansätze des Konflikts. Den Hauptteil nehmen Berich-
te einzelner Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Sommerschule ein, die unterschied-
liche Aspekte in den Vordergrund stellen. Sie geben die Bandbreite der behandelten
Themen wieder und auch die unterschiedlichen Perspektiven der Menschen.
An der Sommerschule teilgenommen hat auch Andrea Lorincz, die den meisten von
Ihnen als Mitherausgeberin von Alumni Augsburg International bekannt sein wird. Ab
Ausgabe Nr. 7 hat sie das Magazin wesentlich mit geprägt. Diesmal ist Andrea Lorincz
selbst „Thema“ eines AAI-Beitrags, nachdem sie im vorigen Herbst hier an der Uni-
versität Augsburg den DAAD-Preis für hervorragende Leistungen ausländischer Stu-
dentinnen und Studenten an den deutschen Hochschulen erhalten hat. An dieser Stel-
le nochmals herzlichen Glückwunsch!
Das war die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass die vorliegende Ausga-
be von Alumni Augsburg International die letzte ist, an der Andrea Lorincz
mitgearbeitet hat. Sie ist gerade dabei, ihr Studium abzuschließen, danach will sie sich
ganz ihrer Promotion widmen. Zu Andreas Abschied veröffentlichen wir im Rahmen
des Beitrags über den DAAD-Preis 2006 auch die Ansprache, die sie bei der Preisver-
leihung gehalten hat.
Herzliche Grüße aus Augsburg!
Ihre
Dr. Sabine Tamm
3
Liebe Augsburg-Alumni,
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Alumni Augsburg International
Die Zeitschrift für ausländische
Absolventinnen und Absolventen
der Universität Augsburg
HerausgeberInnen:
Dr. Sabine Tamm, Andrea Lorincz,
Akademisches Auslandsamt,
und Prof. Dr. Ulrich Eckern,
Initiative Friedens- und Konfliktforschung
Universität Augsburg
D-86135 Augsburg
Telefon: ++49/821/598-5135
Telefax: ++49/821/598-5142
Redaktion (verantwortlich):
Klaus P. Prem, Referat für
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
der Universität Augsburg
Fotos (wenn nicht anders angegeben):
Ulrich Eckern, Sabine Tamm
Produktion:
Walch Joh. GmbH & Co Druckerei
Auflage: 1100 Exemplare.
Namentlich gezeichnete Beiträge geben
nicht unbedingt die Meinung der Heraus-
geberInnen oder der Redaktion wieder.
Für unaufgefordert eingesandtes Text-
und Bildmaterial wird keine Verantwor-
tung übernommen. Die Redaktion behält
es sich vor, eingesandte Manuskripte zu
kürzen und zu bearbeiten.
Titelfoto: Naila, Lisa und Daniela (v.l.)
im Augsburger Rathaus
Impressum
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Der verantwortungsvolle - und gerechte - Umgang mit der Ressource Wasser als Grundlage für die Gestaltung einer lebenswertenund friedlichen Zukunft steht im Mittelpunkt des diesjährigen Friedensfestprogramms der Stadt Augsburg - mit mehr als 100Veranstaltungen, darunter:
l Brennpunkt Wasser: Konfliktstoff oder Friedensmittel?Ein internationales / interdisziplinäres Symposium in Kooperation mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt, dem Kom-petenzzentrum Umwelt Augsburg-Schwaben (KUMAS e. V.) und dem Wissenschaftszentrum Umwelt (WZU) der UniversitätAugsburg. 3.-4. August, Rathaus Augsburg
l „Fäden verbinden Frauen“ / Grüner Teppich für Afghanistan Europäische Wanderausstellung mit ca. 200 jurierten textilen Arbeiten. Ergebnis eines interkulturellen Projekts, das seinenUrsprung hat in der Wasserknappheit und schlechten Wasserqualität eines Dorfes in Afghanistan.18. Juli bis 8. August, Toskanische Säulenhalle, Zeugplatz, Augsburg
l „Water is it!“ - Schulaktionstag WASSERObjektausstellung, Autorenlesung, Tanzprojekt „WasserMusik“, LandArt, Wasserakrobatik, WasserTheater, „Reden wie einWasserfall“ u. v. m. Präsentation von Projektergebnissen und offenes Beteiligungsprogramm, bei dem Wasser als ganzheitlichesErlebnis im Mittelpunkt steht. 18. Juli, 10 bis 15 Uhr, Wallanlagen am Roten Tor, Augsburg
l Konzert AQUA - KlangSteine und Wasser(-Klang-Bilder)Klang der Steine - Klang des Wassers, live „übersetzt“ in Klang-Bilder des Wassers auf einer Großbildleinwand... Ensemble KLANG-STEIN (Klaus Feßmann, Manfred Kniel, Friedemann Dähn) und Alexander Lauterwasser (Bildprojektionen). 21. Juli
l Tag der offenen Tür - Wasserkultur in Stadt und Region AugsburgWassertürme und Wasser(kraft)werke, Trinkwasser und Abwasser, Brunnen, Wehre, Bäche, Kanäle u. v. m. Ein Tag des vertieftenEinblicks in die hochrangige Augsburger Wasserkultur. 22. Juli, 9 bis 18 Uhr
l Interkulturelles TheaterMenschen unterschiedlicher Herkunft, Religion und Weltanschauung schreiben ein Stück zum Thema „Wasser und Frieden“, zurBedeutung von Wasser in unterschiedlichen Kulturen; die interkulturell zusammengesetzte Schauspieltruppe setzt es um. 28./29.Juni und 2./8. August, Historisches Wasserwerk am Hochablass, Spickelstraße, Augsburg
l Augsburger Friedenstafel 2007Kunstpavillon „kommunizierende röhren“ zum diesjährigen Friedensthema Wasser von Andy Brauneis. Raumgreifende Installationfür die Augsburger Friedenstafel 2007 (öffentlicher Empfang) zum Hohen Friedensfest, 1.-8. August, Rathausplatz, Augsburg
Programmheft PAX 2007 ab 1. Juni 2007 erhältlich bei: PAX-Büro der Stadt Augsburg, Projektbüro Frieden und Interkultur,Bahnhofstr. 18 1/3a, 86150 Augsburg; Rathausshop; Bürgerinfo; und unter www.pax.augsburg.de – Info: PAX-Büro, Tel.:0821/324-3261, Fax: 0821/324-3265, [email protected]
16. Juni bis 8. August 2007:
Das Festprogramm zum Augsburger Hohen Friedensfest
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Friedensarbeit,
Fach- und Abendvorträge
Die Sommerschule war in drei Ein-
heiten gegliedert. Die Vormittage zur
Friedensarbeit wurden von Dr. Suma-
ya Farhat-Naser und Dipl.-Psych. Sami
Ibrahim gestaltet. Die Fachthemen –
nachmittags – waren speziellen Frage-
den Konfliktparteien kaum mehr mög-
lich ist. Zentrales Thema der Sommer-
schule war daher die Einübung von
Strategien der Kommunikation und des
Dialogs, verbunden mit der Erarbei-
tung ausgewählter Themen zu Ursa-
chen und Erscheinungsformen von Kon-
flikten sowie Analysetechniken und
Lösungsansätzen.
Am 12. Juli letzten Jahres erreichten
uns die bestürzenden Nachrichten vom
Ausbruch der Kampfhandlungen zwi-
schen Israel und der Hisbollah. Wäh-
rend wir uns in der Endphase der Vor-
bereitungen für die Alumni-Sommer-
schule befanden, die sich gerade zum
Ziel gesetzt hatte, einen Beitrag zur
Krisenprävention und -bewältigung in
der Region zu leisten, begann ein Krieg,
dessen Verlauf nicht absehbar war. Wie
würde sich dieser neue, offene Konflikt
auf unser Projekt auswirken? Nach dem
ersten Schock beschlossen wir, mit den
Vorbereitungen wie geplant fortzufah-
ren. Aber würde Sumaya Farhat-Naser
aus Birzeit, die über Jordanien ausrei-
sen muss, überhaupt kommen können?
Würden die Teilnehmerinnen und Teil-
nehmer aus Israel kommen können? In
der Tat musste eine Teilnehmerin aus
Israel kurzfristig absagen. Wir waren
froh und erleichtert, dass wir alle ande-
ren wohlbehalten am 25. Juli begrüßen
konnten.
Ausgangspunkt für unser Projekt war
die Erkenntnis, dass die Bearbeitung
und Lösung von Konflikten ein hohes
Maß an Kommunikations- und Dialog-
fähigkeit erfordern – eine Fähigkeit,
die oft aufgrund von langjähriger Ge-
waltanwendung und damit verbunde-
ner, extremer emotionaler Belastung
fast vollständig verloren gegangen ist.
Dies ist offensichtlich der Fall in Isra-
el/Palästina, einem Gebiet, in dem sich
beide Seiten in ihrer Existenz bedroht
fühlen, mit der Konsequenz, dass eine
„normale“ Kommunikation zwischen
THEMA SOMMERSCHULE
Kommunikation – Dialog – Friedensarbeit:
Nachhaltige Perspektiven für Israel/Palästina
Ulrich Eckern, Sabine Tamm und Vanessa Desoutter
Friedensarbeit
Sumaya Farhat-Naser
Der Nahostkonflkt in der historischen Dimension
Dennis Nitsche
Changing the Discourse
George
Begegnung 1000 Kilometer von zu Hause
Wael
Meeting Arabs from Palestine
Donna
Der globale Kontext: Internationales Recht,
Ressourcenfragen, Ureinwohner
Sara
Ein Stück gelebten Friedens
Adrian
Augsburg und Frieden – Summer School in Augsburg
Matthias
Daheim im Nahen Osten in Augsburg
Nagi
AKTUELL
DAAD-Preis 2006: Die Preisträgerin Andrea Lorincz
und ihre Ansprache bei der Preisverleihung
Inhalt
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Kommunikation – Dialog – Friedensarbeit:
Nachhaltige Perspektiven für Israel/Palästina
Alumni-Sommerschule an der Universität Augsburg vom 26. 7. bis zum 1. 8. 2006
Ulrich Eckern, Sabine Tamm und Vanessa Desoutter
Im Zentrum der von Dr. Sabine Tamm (Akademisches Auslandsamt) und Prof. Dr. Ulrich
Eckern (Initiative Friedens- und Konfliktforschung) organisierten und geleiteten Sommer-
schule stand die Friedensarbeit mit Dr. Sumaya Farhat-Naser.
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Evaluation,
Rückmeldungen
Der letzte Nachmittag – unter Leitung
von Prof. Hanspeter Heinz, Katholisch-
Theologische Fakultät der Universität
Augsburg – war einer Diskussion über
den Verlauf der Sommerschule gewid-
met. Sowohl die Organisation als auch
die Zeiteinteilung mit Friedensarbeit
vormittags und Fachvorträgen nachmit-
tags wurden von allen Teilnehmern
sehr geschätzt, ebenso die Unterbrin-
gung der auswärtigen Teilnehmer bei
Gastfamilien. Das Programm habe
wertvolle und anregende Informatio-
nen geliefert, jedoch sei es insgesamt
sehr umfangreich und intensiv gewe-
sen. Eine Woche war zu kurz, um die
Fülle an vermittelten Informationen
aufnehmen zu können. Auch wäre mehr
Zeit zur Verarbeitung von Eindrücken
und Emotionen sowie zur Vertiefung
einzelner Themen wünschenswert ge-
wesen.
Mitglied im Leitungsgremium der Pa-
lestinian European Academic Coope-
ration in Education (PEACE), einem
Netzwerk der UNESCO, fanden im
Augustana-Forum ein interessiertes und
diskussionsfreudiges Publikum vor.
Besuch der KZ-Gedenkstätte in
Dachau am Sonntag. Als sachkundige
Führerin stand Frau Nicole Schneider,
Geschäftsführerin des Fördervereins
für Internationale Jugendbegegnung
und Gedenkstättenarbeit in Dachau e.
V., zur Verfügung. Besonders beeindru-
ckend war ein längeres Gespräch mit
einem Zeitzeugen: Herr Abba A. Naor,
der ursprünglich aus Litauen stammt
und jetzt in Rehovot (Israel) lebt, be-
richtete über seine persönlichen Erfah-
rungen mit der Judenverfolgung und
dem Dachauer Lager.
6 A l u m n i A u g s b u r g I n t e r n a t i o n a l
stellungen gewidmet, die bei Konflik-
ten allgemein, und speziell im Zusam-
menhang mit der Situation in Israel/
Palästina, von größter Bedeutung sind.
In den Abendvorträgen wurden ergän-
zend Themen behandelt, die auch für
die allgemeine Öffentlichkeit von In-
teresse sind.
Friedensarbeit. Nach einer Vorstel-
lungsrunde und einer Darstellung der
generellen Ziele wurden unter ande-
rem folgende Themen behandelt: Dis-
kursethik und vernünftiges Argumen-
tieren, Kommunikationsvoraussetzun-
gen für einen Dialog, Umgang mit Ge-
sellschaftsklischees, Körpersprache, ge-
waltfreie Kommunikation, positive
Selbstachtung als Kommunikations-
grundlage sowie konkret im Zusam-
menhang mit dem Israel/Palästina-
Fair Distribution of Resources as Peace
Mediator, und Sliman Abu Amara,
Doktorand am Institute for Environ-
mental Studies der Freien Universität
Amsterdam, widmete sich in seinem
Beitrag der Global Governance of Bio-
diversity and Rights of Indigenous
People. Hamed Abdel-Samad und Sli-
man Abu Amara sind Alumni der Uni-
versität Augsburg.
Die öffentlichen Abendvorträge wur-
den in Kooperation mit dem Pax-Büro
der Stadt Augsburg durchgeführt und
waren somit in das Festprogramm 2006
zum Augsburger Hohen Friedensfest
eingebunden. Prof. Peter Waldmann
(Terrorismus, Islamismus und die Ge-
fahren für unsere Gesellschaft) und
Prof. Bernd Oberdorfer (Religionen
und ihre Rolle in Konflikten) von der
Universität Augsburg sowie Prof. An-
nick Suzor-Weiner (Developing Higher
Education in Palestine), Vizepräsiden-
tin der Universität Paris-Süd 11 und
Konflikt: gemeinsame Darstellung der
Situation, Erläuterung der unterschied-
lichen Standpunkte, Einbringung der
persönlichen Erfahrungen der betrof-
fenen Teilnehmer, Erarbeitung von Lö-
sungsansätzen.
Die Nachmittagsveranstaltungen wur-
den von Fachvorträgen eröffnet, woran
sich ausführliche Diskussionen an-
schlossen. Hamed Abdel-Samad, Dok-
torand an der Universität Erfurt (Is-
lamwissenschaft), berichtete über sei-
ne Untersuchungen zum Thema Aliena-
tion and Radicalisation. Young Muslims
in Germany. (International) Law as a
Means of Conflict Resolution war der
Titel des Beitrags von Stefan Lorenz-
meier, der inzwischen an der Universi-
tät Augsburg im Bereich Völkerrecht
und internationales Wasserrecht promo-
viert hat. Prof. Armin Reller und Dr.
Simon Meißner vom Wissenschaftszen-
trum Umwelt der Universität Augs-
burg diskutierten das aktuelle Thema
Prof. Dr. Armin Reller (oben) steuerte einen Vortrag zum Thema „Fair Distribution of Resources as Peace Mediator“ bei, Prof. Annick
Suzor-Weiner (unten), Vizepräsidentin der Universität Paris-Süd 11, referierte über „Developing Higher Education in Palestine“.
Zu den Referenten zählten der Augsburg-Alumnus Sliman Abu Amara (oben links) und der Augsburger Soziologe und Terrorismusexperte
Prof. Dr. Peter Waldmann (oben rechts). Vor Ort berichtete Abba A. Naor (unten) von seinen Erfahrungen in Dachau.
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haft“ konnten vergeben werden. Die
verschiedenen Teilbereiche der Som-
merschule wurden von den Teilnehme-
rinnen und Teilnehmern wie folgt be-
wertet: Friedensarbeit 1,69, Fachvor-
träge 2,03, Abendvorträge 2,25 sowie
Planung und Organisation 1,33.
Perspektiven
Während der Sommerschule konnten
sich Menschen – aus dreizehn verschie-
denen Ländern – treffen und austau-
schen, die sonst keine Möglichkeit da-
zu haben. Dies ist sowohl aus Sicht der
Organisatoren als auch der Teilnehmer
als ein ganz wesentliches Ergebnis
festzuhalten. Durch den Austausch
konnten viele Vorurteile durchbrochen
und viel Wissen über „die anderen“
vermittelt werden, was zu einem grö-
ßeren Verständnis führt. Die Teilnah-
me von deutschen und internationalen
Studierenden hat den Teilnehmern aus
der betroffenen Region gezeigt, dass
viele Menschen an dem Konflikt in Is-
rael/Palästina Anteil nehmen und sich
mit ihm auseinandersetzen. Ein Netz-
werk wurde geschaffen, das über die
Sommerschule hinaus Bestand haben
wird. Vielen hat die Sommerschule Mut
gemacht, sich in diesem Bereich wei-
terzubilden und aktiv zu werden. Ein
Teilnehmer hat dies so ausgedrückt:
„Unsere Generation wird es schaffen.“
Alle Teilnehmer sind Multiplikatoren
für die Idee der Befriedung der Region
und eines gewaltfreien Miteinander, in
dem „die anderen“ ihr Existenzrecht,
ihren Platz und ihre Würde haben. Wir
gehen davon aus, dass diese Idee, von
der die Sommerschule geprägt war,
Auswirkungen auf den Alltag der
Teilnehmer haben wird. Durch die Ein-
bindung von Alumni und Studierenden
der Universität Augsburg wurde ihre
Verbundenheit mit „ihrer“ Universität
intensiviert und das internationale
Netzwerk gestärkt.
Insgesamt gesehen hat sich das Kon-
zept – einerseits Trainieren von Kom-
munikationstechniken und Aspekte der
8 A l u m n i A u g s b u r g I n t e r n a t i o n a l
Die heterogene Zusammensetzung der
Gruppe in Bezug auf Herkunft, Alter
und fachliche Spezialisierung habe
nicht das Entstehen einer Gruppendy-
namik behindert, sie führte vielmehr
zu Auseinandersetzungen zwischen un-
terschiedlichen Standpunkten und trug
somit zur Bereicherung der Gespräche
bei. Für viele Teilnehmer war die Som-
merschule die erste Gelegenheit, ande-
re Meinungen und persönliche Erfah-
rungen über den Konflikt zu hören und
somit die „andere Seite“ besser verste-
hen zu können. Generell waren die Er-
wartungen der Teilnehmer an die Som-
merschule sehr unterschiedlich; es wur-
de vorgeschlagen, diese in Zukunft mit
Hilfe eines Motivationsschreibens vor-
her besser zu identifizieren. Ein sozia-
les Netzwerk konnte während der Som-
merschule aufgebaut werden.
Erfahrung, Ausstrahlung und Persön-
lichkeit von Dr. Sumaya Farhat-Naser
gaben dem Workshop eine besondere
Dimension und wurden von allen sehr
geschätzt. Einige Teilnehmer empfan-
den die englische Sprache als Hinder-
nis. Grundsätzlich habe der theoreti-
sche Teil ein zu großes Gewicht gegen-
über praktischen Übungen gehabt, auch
hätten sich einige Teilnehmer verstärkt
die Arbeit in kleinen Gruppen ge-
wünscht. Das Problem des Gleichge-
wichts zwischen den Teilnehmern ara-
bischer und jüdischer Herkunft kam
zur Sprache. Die letzten Sitzungen wur-
den von allen als sehr intensiv gelobt;
diese hätten den größten Gewinn ge-
bracht.
Als weitere Maßnahme zur Evaluation
wurde ein Fragebogen verteilt, Noten
von „1 = sehr gut“ bis „4 = mangel-
Drei weitere Referenten: oben links der Augsburg-Alumnus und Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad (Universität Erfurt), oben rechts
der Augsburger Theologe Prof. Dr. Bernd Oberdorfer und unten rechts im Bild der Augsburger Völkerrechtler Dr. Stefan Lorenzmeier.
111 2 / A p r i l 2 0 0 710 A l u m n i A u g s b u r g I n t e r n a t i o n a l
praktischen Friedensarbeit, anderer-
seits Vermittlung von Wissen – be-
währt, wobei bei einer Fortsetzung auf
mehr Raum für Nachbereitung und
weitere Diskussionen zu achten wäre.
Wir betrachten die Sommerschule als
einen kleinen Beitrag zur Entwicklung
nachhaltiger und friedlicher Perspek-
tiven für die Region Israel/Palästina,
und wir würden es sehr begrüßen,
wenn weitere derartige Begegnungen
an anderen Orten in Europa stattfin-
den würden. Auch die Sommerschule
in Augsburg sollte keine einmalige
Angelegenheit sein: Eine Fortsetzung
in zwei oder drei Jahren wäre – wie
von allen Teilnehmern nachdrücklich
betont wurde – sehr wünschenswert.
Dank
Ohne die Kooperation mit verschiede-
nen Institutionen wäre die Realisie-
rung der Sommerschule nicht möglich
gewesen. Insbesondere hat Felicitas
Samtleben-Spleiß, Gesellschaft für
Christlich-Jüdische Zusammenarbeit,
mit uns zusammen die Idee dieses
Projekts entwickelt.
Für finanzielle Unterstützung danken
wir der Heinrich-Böll-Stiftung, der Ge-
sellschaft der Freunde der Universität
Augsburg e. V., der Universität Augs-
burg, dem FILL-Fonds e. V., der Evan-
gelisch-Lutherischen Kirche in Bay-
ern, dem Pax-Büro der Stadt Augsburg,
der Stadtsparkasse Augsburg, dem Bi-
schöflichen Ordinariat Augsburg, der
Verlagsgruppe Weltbild und dem Ho-
tel Steigenberger Drei Mohren. Unser
Dank gilt auch unseren Kooperations-
partnern: Deutsch-Israelische Gesell-
schaft e. V., Evangelische Studieren-
dengemeinde, Forum Interkulturelles
Leben und Lernen e. V., Gesellschaft
für Christlich-Jüdische Zusammenar-
beit e. V., Katholische Hochschulge-
meinde, Pax-Büro der Stadt Augsburg,
wobei wir den Beitrag der Evangeli-
schen Studierendengemeinde, die Be-
reitstellung der Räumlichkeiten für
den Workshop und logistische Unter-
stützung, hervorheben möchten.
die Mühen und Gefahren einer Reise
nach Augsburg auf sich genommen hat,
um die Sommerschule mit ihrer großen
Erfahrung und ihrem Einfühlungsver-
mögen zu bereichern.
Dr. Sumaya Farhat-Naser war ohne
Zweifel die Seele des Workshops zur
Friedensarbeit. Wir sind ihr zu größ-
tem Dank verpflichtet, dass sie in einer
für ihr Heimatland dramatischen Zeit
Ein besonderer Dank der Veranstalter geht an Felicitas Samtleben-Spleiß von der Gesell-
schaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, die sich im Bild oben links mit Bürgermeis-
terin Eva Leipprand unterhält, und an die Evangelische Studierendengemeinde, deren Pfar-
rerin Regina von Haller-Beckmann im Bild unten – ebenfalls links – mit Prof. Annick Suzor-
Weiner diskutiert.
Das Seminar in Augsburg war eine ganz
besondere Erfahrung. Studentinnen
und Studenten aus verschiedenen Stu-
dienbereichen und verschiedenen Län-
dern, mit unterschiedlichem Erfah-
rungs- und Wissensstand bezüglich des
Themas gewaltfreie Kommunikation
und Friedensarbeit nahmen teil. Diese
Vielfalt schien anfangs fast eine zu
große Herausforderung zu sein. Doch
bald schon wurde deutlich, dass diese
Vielfalt eine reiche Basis für Impulse
und Motivation bildete. Alle waren
bemüht viel zu nehmen, aber auch viel
zu geben. Es war ein gemeinsames Ge-
stalten des Seminars, wobei jede Per-
son Zugehörigkeit und Mitwirkung
empfand. Manchmal war ich übersensi-
bel, ein anderes Mal benötigte ich An-
regung zur Sensibilität. Wenn ich mich
dabei ertappte, sagte ich mir: Aha, ich
kann hier so viel lernen, und ich war
froh und dankbar für die verantwor-
tungsvolle Rolle der Teilnehmerinnen
und Teilnehmer.
Der Erfolg des Seminars ist das Resul-
tat der aktiven Mitwirkung aller Betei-
ligten in Offenheit und Verantwortung,
auch die hervorragende Vorarbeit, Or-
ganisation und Begleitung ist zu nen-
nen. Eine Fülle von Gedanken, Ideen
und Vorschlägen wurde präsentiert.
umso näher kamen wir uns. Zeit kann
nie genug sein für solch ein Seminar.
Es war der Beginn für eine Begeiste-
rung, die viele Seminare nach sich zie-
hen sollte. Zu danken ist Organisa-
toren wie Beteiligten. Es war eine rei-
che Erfahrung.
Das Ansprechen von Themen und Pro-
blemen auf der persönlichen, individu-
ellen Ebene fand großes Interesse. Es
ging um das Handwerk des Diskutie-
rens und Darstellens von Meinungen
und Vorstellungen. Je weiter wir uns
von politischen Dogmen abgrenzten,
Friedensarbeit
Sumaya Farhat-Naser
131 2 / A p r i l 2 0 0 7
Großbritannien wie auch in Palästina
sicherzustellen, erklärte die britische
Regierung in der Balfour-Erklärung
vom 2. November 1917, dass es Palästi-
na als jüdische Heimstatt ansehe und
eine entsprechende Ansiedlung för-
dern wolle. Damit machte die britische
Regierung sowohl der arabischen als
auch der jüdischen Seite Hoffnungen
auf die staatliche Unabhängigkeit.
Zugleich beschlossen Großbritannien,
Frankreich und das zaristische Russ-
land im Sykes-Picot-Abkommen die
Aufteilung des osmanischen Groß-
reiches. Aufgrund der revolutionären
Ereignisse schied Russland jedoch aus
der avisierten kolonialistischen Erben-
gemeinschaft aus. Nach der Niederlage
des Osmanischen Reiches besetzte
Frankreich Syrien und den Libanon,
die Briten übernahmen das Territo-
rium der heutigen Staaten Israel, Jor-
danien und Irak.
Ein Völkerbund-Mandat von 1920 be-
stätigte die britische Verwaltung über
Palästina bis zu einer mittelfristig an-
zustrebenden staatlichen Unabhängig-
keit. Schon im Jahr 1923 lösten die Bri-
ten ihr Versprechen ein und entließen
einen Teil Palästinas als Emirat Trans-
jordanien unter Abdallah ibn al Hus-
sein in die staatliche Unabhängigkeit.
Der radikale Teil der zu diesem Zeit-
punkt fest etablierten zionistischen Be-
wegung protestierte heftig gegen diese
vorweggenommene Einschränkung
eines potenziellen jüdischen Staates
auf das Gebiet westlich des Jordans.
Seit Beginn der 1920er Jahre standen
krieges erstmals die Chance auf staatli-
che Eigenständigkeit und Unabhängig-
keit. Auf dem Staatswerdungsprozess
in der Region Palästina lastete jedoch
die Hypothek der ethnisch-religiösen
Heterogenität: Neben der über Jahr-
hunderte dominierenden arabischen
Bevölkerungsgruppe hatte sich der
Anteil der jüdischen Bevölkerung vor
allem seit dem Ende des 19. Jahrhun-
derts kontinuierlich erhöht. In zwei
Einwanderungswellen (Alijah) 1882-
1903 und 1905-1914 gelangten über-
wiegend russische und osteuropäische
Juden nach Palästina. Nur wenige von
diesen teilten die Ideen Theodor
Herzls, der bereits 1896 die Schaffung
eines Judenstaats im Heiligen Land
gefordert hatte. Als zentrale Motiva-
tion dieser Emigranten muss vielmehr
der anhaltende Antisemitismus im wei-
teren Herrschaftsbereich des russi-
schen Zaren betrachtet werden. Die
harten Lebensbedingungen in Palästi-
na bewegten viele dieser Einwanderer
bereits nach kurzer Zeit zur erneuten
Auswanderung, meist gen Amerika.
Den konkreten Anstoß zur Staatswer-
dung Palästinas gaben jedoch weder
die arabischen noch die jüdischen Be-
wohner Palästinas, sondern der Kriegs-
eintritt des Osmanischen Reiches auf
der Seite der Deutschen. Im Gegenzug
für eine Auflehnung der Araber gegen
das Osmanische Reich stellte der briti-
sche Hochkommissar Henry McMahon
dem Cherif von Hedschas und Mekka,
Hussein ibn Ali, die Unabhängigkeit
Palästinas in Aussicht. Um die Unter-
stützung der jüdischen Bevölkerung in
Seit nahezu 60 Jahren dauern die ge-
waltsamen Auseinandersetzungen zwi-
schen Israel und den Palästinensern
bereits in mehr oder weniger großer
Härte an. Die konkreten Hintergründe
des Konflikts, und damit zugleich die
wesentlichen Parameter für einen zu-
künftigen Friedensschluss, geraten an-
gesichts der Dauer der Konfrontation
jedoch zunehmend in den Hinter-
grund. In zunehmendem Maße er-
scheint der Konflikt selbsttragend,
Aktion und Reaktion eskalieren sich
wechselseitig und pervertieren den
Clausewitz'schen Leitsatz von der
Zweckgebundenheit der Gewaltan-
wendung. Der Krieg bzw. Kampf als
exzeptionelles Instrument zur Durch-
setzung politischer Ziele wird zuneh-
mend zu einem Kampf als Lebensform
und Einkommensquelle. Rache speist
sich dabei aus Rache, bis der wechsel-
seitige Hass nur noch die vollständige
Vernichtung der Gegenseite als akzep-
tables Ergebnis zuzulassen scheint.
Also Hoffnungslosigkeit allerorten?
Die Entwicklung realistischer Perspek-
tiven zur Überwindung des Dauerkon-
fliktes erfordert eine Rückbesinnung
auf die Konfliktstrukturen sowie einen
zumindest kursorischen Blick auf die
Geschichte Palästinas.
Die Genese des Konfliktes
Nach Jahrhunderten unter römischer,
arabischer und osmanischer Fremd-
herrschaft witterten die arabisch-mus-
limischen und jüdischen Bewohner Pa-
lästinas gegen Ende des Ersten Welt-
12 A l u m n i A u g s b u r g I n t e r n a t i o n a l
Der Nahostkonflikt
in der historischen Dimension
Dennis Nitsche
sich die Juden und Muslime Palästinas
zunehmend feindlich gegenüber, da die
gezielte Ansiedlung jüdischer Migran-
ten – und deren paramilitärische Orga-
nisationen Irgun, Hagana und Lechi
u. a. – den Arabern zunehmend als Ge-
fahr für die eigene Staatswerdung er-
schien. Die Briten zeigten sich zuneh-
mend überfordert von der Situation in
Palästina: Einerseits zogen sie den
Zorn der jüdischen Bevölkerung auf
sich, da sie zwischen 1936 und 1939 als
Reaktion auf arabische Bedenken und
die gewaltsamen Auseinandersetzun-
gen die jüdische Einwanderung zuneh-
mend eingeschränkt hatten, obwohl
der britischen Regierung die Situation
der Juden in den von Deutschland be-
herrschten Gebieten bekannt war. An-
dererseits gingen der arabischen Seite
die britischen Immigrationsrestriktio-
nen nicht weit genug. In der Folge
wandelte sich die bei beiden Gruppen
ursprünglich vorhandene, positive
Wahrnehmung der Mandatsmacht suk-
zessive in Ablehnung und Hass. Wäh-
rend jüdische und arabische Milizen
und Terrorbanden sich gegenseitig in
zunehmender Intensität bekämpften,
waren beide Seiten vereint in ihrem
Hass auf die britische Mandatsmacht,
die als Hindernis auf dem Weg zur
Schaffung eines arabischen bzw. jüdi-
schen Nationalstaats wahrgenommen
wurde.
Im Jahr 1937 unterbreiteten die Briten
zur Lösung der explosiven Situation
einen Teilungsplan für Palästina. Wäh-
rend die jüdische Bevölkerung mehr-
heitlich den Plan billigte, wenngleich
radikale Kräfte den Mini-Judenstaat
nur als Ausgangspunkt für die Erobe-
rung eines Groß-Israel (Erez Israel)
ansahen, lehnten die arabischen Ver-
treter den britischen Vorschlag ab, ob-
wohl ihnen deutlich mehr Territorium
zugedacht worden war. Nach dem En-
de des Zweiten Weltkrieges, in dem die
arabische Seite deutliche Sympathien
für das Deutsche Reich gehegt hatte,
unternahm Großbritannien, in Koope-
ration mit den USA, einen neuen Ver-
such zur Annäherung der palästinensi-
vorgesehen – noch am selben Tag pro-
klamierte David Ben Gurion den Staat
Israel. Bereits in der Nacht vom 14. auf
den 15. Mai griffen die Truppen Ägyp-
tens, des Irak, Transjordaniens, Syriens
und des Libanon sowie die palästinen-
sischen Organisationen den jungen
Staat Israel an. Die desorganisierten
arabischen Armeen wurden jedoch bis
zum Januar 1949 an allen Fronten ge-
schlagen, lediglich die Kontrolle über
Ostjerusalem konnten die Araber nach
zähen Kämpfen gewinnen. Notgedrun-
gen willigten die arabischen Staaten in
Waffenstillstandsvereinbarungen ein,
die von der UN vermittelt worden wa-
ren. Als faktisches Ergebnis des Krie-
ges verfügte Israel über geringfügig
mehr Fläche als im UNO-Teilungsplan
vorgesehen war, zudem war im Zuge
der Kämpfe ein Großteil der arabi-
schen Bevölkerung aus dem israelisch
beanspruchten Territorium gezielt ver-
trieben worden (ethnische Säuberung).
Die Westbank wurde von Transjorda-
nien annektiert, welches, entsprechend
seiner neuen geographischen Situa-
tion, seinen Namen in Jordanien än-
derte. Der Gaza-Streifen wurde von
Ägypten verwaltet, jedoch nicht an-
nektiert. Die Ausrufung eines palästi-
nensischen Staates war damit auch an
den Ansprüchen Jordaniens und Ägyp-
tens gescheitert. Die arabischen Staa-
ten verweigerten Israel auch weiterhin
die Anerkennung und forcierten einen
permanenten Klein-Krieg an seinen
Grenzen, zu dessen Führung in erster
Linie die palästinensischen Flüchtlinge
missbraucht wurden. Das an einem dau-
erhaften Frieden und der Respektie-
rung seiner Grenzen interessierte Is-
rael hatte demgegenüber nach dem
Waffenstillstand von 1949 noch einen
Rückzug auf das im UN-Plan vorgese-
hene Gebiet in Aussicht gestellt und
eine Rückkehr arabischer Flüchtlinge
in gewissem Umfang angeboten.
Seither hat sich an der Gesamtsitua-
tion wenig geändert: nach drei weite-
ren Kriegen 1956 (Suezkrise), 1967
(Sechs-Tage-Krieg) und 1973 (Yom-
Kippur-Krieg) kontrollierte Israel
schen Araber und der Juden. Zur För-
derung des gegenseitigen Vertrauens
strebten die Briten die Auflösung aller
paramilitärischen Einheiten an – Ha-
gana, Irgun und Lechi widersetzten
sich jedoch dieser Initiative und eröff-
neten einen Guerilla-Krieg gegen die
britischen Truppen und forcierten die
illegale Einwanderung von Juden nach
Palästina. Ein Anschlag der jüdischen
Irgun unter dem späteren Regierungs-
chef Menachem Begin auf den briti-
schen Generalstab im King David-
Hotel kostete im Juni 1946 91 Men-
schen das Leben. Beflügelt durch die-
sen Erfolg und die steigende Aussicht
auf einen Abzug der überforderten
Briten nahmen die jüdischen Unter-
grundorganisationen zunehmend mili-
tärischen Charakter an und veränder-
ten ihre Organisations-, Operations-
und Ausrüstungsstrukturen von der
Guerillabewegung hin zur organisier-
ten Streitmacht.
Einen letzten Versuch zur friedlichen
Lösung der eskalierenden Palästina-
frage stellte der Teilungsplan der
UNO-Vollversammlung vom 29. No-
vember 1947 dar. Der UN-Entwurf sah
die Schaffung zweier, durch einen
Wirtschaftsverbund gekoppelter Staa-
ten vor, während die Stadt Jerusalem
als neutrales Gebiet unter internatio-
nale Kontrolle gestellt werden sollte.
Den rund 600.000 Juden waren von der
UNO 55 Prozent des Bodens zuge-
schlagen worden, die knapp 1,4 Mil-
lionen Araber sollten 42 Prozent der
Fläche erhalten. Allerdings bildete die
Wüste Negev einen Großteil des avi-
sierten jüdischen Gebiets, sodass sich
das Ungleichgewicht der Staatsterrito-
rien in Anbetracht der tatsächlich
nutzbaren Fläche wieder relativierte.
Während die Juden wiederum zur An-
nahme des Vorschlags bereit waren,
lehnten die arabischen Staaten und die
Palästinenser das Angebot erneut als
inakzeptabel ab.
Die UNO-Resolution hatte zudem, auf
Ersuchen der Briten, ein Ende des bri-
tischen Mandats für den 14. Mai 1948
151 2 / A p r i l 2 0 0 7
Teilungsplan von 1947 an – und damit
zugleich das grundsätzliche Existenz-
recht Israels.
Unter Vermittlung von US-Präsident
Clinton einigten sich Arafat und der
israelische Premierminister Jitzchak
Rabin 1993 auf das Osloer Abkom-
men, das die Schaffung einer palästi-
nensischen Autonomiebehörde vorsah,
die Stück für Stück souveräne Zustän-
digkeiten erhalten und die territoriale
Kontrolle im Gaza-Streifen und im
Westjordanland übernehmen sollte.
Strittig blieben jedoch – bis heute – der
exakte Grenzverlauf, die Frage der
jüdischen Siedlungen sowie die Auf-
teilung Jerusalems. Die quälende Lang-
samkeit des Friedensprozesses und
wiederholte Rückschläge, die in erster
Linie aus harschen israelischen Reak-
tionen auf den fortgesetzten palästi-
nensischen Terrorismus resultierten,
sowie das Scheitern einer erneuten,
US-vermittelten Verhandlungsrunde in
Camp David führten im Herbst 2000
zum Ausbruch einer zweiten Intifada.
Mit dem Amtsantritt des Hardliners
Ariel Scharon im Jahr 2001 und der
teilweisen Wiederbesetzung palästi-
nensischer Städte sowie der bewussten
Schwächung der zunehmend als kor-
rupt und unfähig angesehenen Autono-
miebehörde erfuhr der Friedenspro-
zess schwere Rückschläge. Die fortge-
setzte Beschießung israelischer Städte
mit Raketen aus dem Gaza-Streifen
und dem südlichen Libanon bewegte
den Nachfolger des schwer erkrankten
Scharon, Ehud Olmert, im Sommer
2006 zum Einmarsch in den Libanon
und zur militärischen Bekämpfung der
terroristischen Organisationen His-
bollah und Hamas. Währenddessen
drohte der Ausbruch eines Bürgerkrie-
ges innerhalb der palästinensischen
Gesellschaft, da die tendenziell soziali-
stisch-säkular orientierten Fatah-Bri-
gaden den Wahlsieg der religiös-funda-
mentalistischen Hamas und damit den
Verlust der politischen Macht nicht an-
zuerkennen bereit waren. Die Bildung
einer parteiübergreifenden Regierung
der palästinensischen Einheit als Aus-
iert worden. Insgesamt haben 600.000
bis 800.000 Palästinenser das von Is-
rael beanspruchte Gebiet verlassen,
heute leben in der Region Gaza und im
Westjordanland rund drei Millionen
Palästinenser. Zugleich wurden bis zu
700.000 arabische Juden aus ihrer Hei-
mat in den arabischen Staaten vertrie-
ben oder vom Staat Israel evakuiert.
Während Israel dem größten Teil der
jüdischen Flüchtlinge zum Zufluchts-
ort wurde, verblieb zumindest ein Teil
der Palästinenser in Flüchtlingslagern
in Grenznähe. Die arabischen Staaten
verweigerten, mit Ausnahme von Jorda-
nien, das den Palästinensern seine
Staatsangehörigkeit verlieh, die Inte-
gration der Flüchtlinge, um sie als poli-
tisches Druckmittel gegen Israel bzw.
als permanentes menschliches Reser-
voir für den Untergrundkampf zu nut-
zen.
Zentrale Bedeutung im palästinensi-
schen Kampf gegen Israel erlangte die
1958 in Kuwait gegründete Fatah. Die
Terrororganisation hatte maßgebli-
chen Einfluss auf die Gründung der
politischen Dachorganisation der Pa-
lästinenser (PLO) im Jahr 1964 und
wurde, wie diese ab 1969, von der cha-
rismatischen Führungsperson Jassir
Arafat geprägt. Ein Putschversuch der
Fatah/PLO zur Errichtung eines palä-
stinensischen Nationalstaats gegen den
haschemitischen König Hussein von
Jordanien scheiterte im Jahr 1970. Die
Terrororganisation nahm daraufhin
neues Quartier in Beirut und brachte
einen Teil des südlichen Libanon unter
ihre faktische Kontrolle. Im ersten Li-
banon-Feldzug, mit dem Israel auf der
Seite der christlichen Milizen in den
dortigen Bürgerkrieg eingriff, wurde
die PLO nach Tunis vertrieben. Weit-
gehend unabhängig von Arafats PLO,
aber dennoch mit dieser in den Zielen
einig, entbrannte 1987 ein Aufstand
palästinensischer Jugendlicher gegen
die israelische Besatzungsmacht in
Gaza und im Westjordanland. In der
Folge dieser Intifada rief Jassir Arafat
im Exil den autonomen Staat Palästina
aus und erkannte erstmals den UNO-
zwar nun auch den Gaza-Streifen, das
Westjordanland und Ost-Jerusalem,
die Palästinenser-Frage blieb jedoch
weiter ungeklärt. Sowohl in der Suez-
krise als auch im Sechs-Tage-Krieg re-
agierte Israel präventiv auf einen un-
mittelbar bevorstehenden Angriff der
arabischen Staaten. Strategisches Ziel
der israelischen Besetzungen war die
Möglichkeit des Tausches „Land gegen
Frieden“, das sich seither, auch hin-
sichtlich der Palästinenserfrage, als
roter Faden durch die Politik Israels
gegenüber seinen arabischen Nach-
barn zieht. Im Yom-Kippur-Krieg wur-
de Israel von einem koordinierten sy-
risch-ägyptischen Großangriff über-
rascht, konnte jedoch deren Anfangs-
erfolge rasch wieder ausgleichen. Erst
mit der Unterzeichnung des Waffen-
stillstandes mit Ägypten am 26. März
1979 wurde Israel von einem arabi-
schen Staat anerkannt. Die Initiative
zu diesem ersten Schritt der Normali-
sierung des israelisch-arabischen Ver-
hältnisses war vom ägyptischen Präsi-
denten Sadat eingeleitet und unter
Hilfe von US-Präsident Carter im
Camp David-Abkommen (1978) ver-
mittelt worden. Die übrigen muslimi-
schen und arabischen Staaten verwei-
gern Israel bis heute die offizielle An-
erkennung und vereinzelt sogar das
Existenzrecht, wenngleich sie mit der
Entwicklung einer gesamtarabischen
Strategie im Jahr 1982 einen pragmati-
schen Weg gewählt haben, der zumin-
dest de facto die Existenz des Staates
Israel nicht mehr in Frage stellt. Neben
Ägypten schloss lediglich Jordanien im
Jahr 1994 Frieden mit Israel.
Die Palästinenserfrage und
der arabisch-palästinensische
Terrorismus
Im Kern speist sich der Konflikt zwi-
schen Israel und den Palästinensern
noch heute aus der Vertreibung der pa-
lästinensischen Araber im Jahre 1948/
1949. Zahlreiche Palästinenser hatten
das Gebiet aber auch im Zuge der
Kampfhandlungen verlassen oder wa-
ren bereits zuvor geflohen oder evaku-
14 A l u m n i A u g s b u r g I n t e r n a t i o n a l
weg aus dieser inneren Konfrontation
gelang erst vor kurzem.
Der Ausweg: die wechselseitige
Anerkennung des Anderen
Die Zwei-Staatlichkeit als Lösung des
Konfliktes zwischen Israel und den Pa-
lästinensern wird heute kaum noch
ernsthaft in Frage gestellt. Problema-
tisch sind jedoch nach wie vor die Fra-
gen der konkreten Ausgestaltung einer
solchen Friedensregelung. Der Status
von Jerusalem als zentrales Symbol
beider Konfliktparteien, aber auch die
Frage des Umgangs mit israelischen
Siedlungen auf palästinensischem Ge-
biet sowie die Zukunft der Flüchtlinge
lassen eine Einigung in weite Ferne
rücken. Zusätzliche Brisanz erlangt die
Situation durch die Existenz extremi-
stischer Gruppen auf beiden Seiten:
Sowohl die radikal-orthodoxen jüdi-
schen Siedler als auch palästinensische
Islamisten sind zu Konzessionen kaum
bereit, während die gemäßigte Mehr-
heit der Israelis und Palästinenser um
des Friedens willen durchaus die An-
liegen der jeweils anderen Seite zu re-
spektieren bereit ist. Wie lässt sich ein
Durchbruch im Friedensprozess be-
werkstelligen?
1. Erhöhung des Drucks auf extre-
mistische Kräfte: Sowohl jüdische als
auch palästinensische Friedensgegner
müssen unter Kontrolle gebracht wer-
den, da sie permanent die Annäherung
und Vertrauensbildung zwischen den
gemäßigten Mehrheiten vereiteln. Der
israelische Staat hat bereits erste
Schritte unternommen und zumindest
einen Teil der illegal errichteten Sied-
lungen geräumt und abgerissen. Das
unvollständige Gewaltmonopol auf pa-
lästinensischer Seite muss durch inter-
nationales Engagement ausgeglichen
werden. Hierzu zählt das robuste Man-
dat für UN-Truppen im Libanon, die
weitere Angriffe der Hisbollah auf Is-
rael verhindern sollen. Die Einbezie-
hung der benachbarten arabischen
Staaten bietet weitere vielverspre-
chende Möglichkeiten. Bis die Autono-
einhergehende Herstellung von Gleich-
wertigkeit eröffnet die Möglichkeit zum
friedlichen Miteinander. Eine wechsel-
seitige, vorbehaltlose Entschuldigung
für zugefügtes Unrecht und eine auch
materielle Entschädigung für die Op-
fer des Konfliktes bilden die Grundla-
ge für den Abschluss eines Friedens-
vertrages und die friedliche Koexis-
tenz.
Wenngleich der Palästina-Konflikt bis-
lang in regelmäßigen zeitlichen Ab-
ständen eskalierte und die einmal er-
reichten Übereinkommen obsolet wer-
den ließ, zeigt sich in der historischen
Perspektive eine zumindest faktische
Annäherung der Positionen. Mit Aus-
nahme des Iran fordert heute kein ara-
bisch-muslimischer Staat mehr die
Vernichtung Israels. Auch radikale Ju-
den haben sich angesichts der Bevöl-
kerungsproportionen längst vom Traum
eines Groß-Israel verabschiedet und
sehen in der Errichtung eines Palästi-
nenserstaates kaum noch eine existen-
zielle Bedrohung. Der internationalen
Gemeinschaft sollte schon aus Sorge
um die globale terroristische Bedro-
hung an einer tragfähigen Lösung des
Konflikts gelegen sein.
Dr. Dennis Nitsche, Politikwissenschaftler,
hat seine Promotion im Dezember 2006
an der Universität Augsburg abgeschlos-
sen. Seine Dissertation ist dem Thema
„Der Internationale Strafgerichtshof ICC
und der Frieden“ gewidmet.
miebehörde fähig ist, die friedensun-
willigen Kräfte effektiv in Zaum zu
halten, muss das Gewaltmonopol, und
damit die Sicherheit Israels, von Dritt-
staaten garantiert werden. Eine über-
gangsweise Übernahme der Sicher-
heitsverantwortung im Gazastreifen
durch Ägypten sowie in der Westbank
durch Jordanien bietet die Aussicht auf
breite Akzeptanz auf Seiten der Paläs-
tinenser.
2. Lösung der Flüchtlingsfrage: Eine
Rückkehr aller palästinensischen
Flüchtlinge nach Israel erscheint auf-
grund der schieren Zahl unrealistisch.
Zielführender erscheint demgegenü-
ber eine flexible Lösung, die einerseits
eine Familienzusammenführung auch
auf israelischem Gebiet erlaubt, ande-
rerseits aber auch die Neuansiedlung
auf palästinensischem Gebiet offen
lässt und zugleich die Möglichkeit zur
Einbürgerung der Palästinenser in
Drittstaaten nicht verschließt.
3. Offenhaltung strittiger territoria-
ler Fragen: Der konfliktbeladene Sta-
tus Jerusalems sowie die Fragen der
konkreten Grenzziehung können ge-
genwärtig keiner unmittelbaren Lö-
sung zugeführt werden, da sie traditio-
nell auf beiden Seiten erhebliche Res-
sentiments hervorrufen. Ein explizites,
mittelfristiges Offenhalten dieser Fra-
gen kann jedoch die gegenseitige Ver-
trauensbildung ermöglichen und damit
die Grundlagen für eine Verhandlung
dieser Aspekte auf lange Sicht stärken.
4. Anerkennung des Anderen: Not-
wendiger als eine allumfassende und
damit hochkomplexe Lösung aller
Aspekte des Konfliktes erscheint die
dauerhafte Annäherung der Konflikt-
parteien. Eine bislang wenig diskutier-
te Option bildet die Einsetzung einer
israelisch-palästinensischen Wahrheits-
und Versöhnungskommission, die durch
die Offenlegung der wechselseitigen
Vergehen eine Objektivierung des Kon-
fliktes leisten kann. Die Anerkennung
der jeweils anderen Konfliktseite in de-
ren jeweiliger Erfahrung und die damit
171 2 / A p r i l 2 0 0 7
violate them, in a manner that will also
not violate our needs as well.
What we really tried to achieve in this
summer school, is to learn how to lis-
ten and sense each others needs and
how to find ways to fulfill them. This
means that we ought to change the dis-
course of the region. This is a serious
and difficult task, in which people have
failed in the past, especially in the
Middle East.
The presence and participation of peo-
ple from so many nations and such a
diverse background was one of the
main keys to achieve this goal: the
exposure to different backgrounds
showed us different ways of thinking,
which at the beginning seemed impos-
sible or naïve, but later appeared to be
more realistic than we had thought.
This allowed us, the participants from
Israel and Palestine, to have a more
„open minded“ discussion, while the
history and experience not only from
the Middle East, but from many areas
in the world, played a major part in
enriching the debate.
I was sure that we were going to argue
day and night. However, the occasions
in which we had an opportunity to
argue politically were very few.
Instead, we were guided to acknowled-
ge new „game rules“, in which we were
asked to pay attention to what the
others had to say and to the feelings
expressed, rather than practicing and
sharpening our homemade arguments.
The summer school started, and we met
all the organizers and the other parti-
cipants. It was a wonderful mixture of
people from around the globe. Like
every good salad, the more colorful it
is, the healthier and tastier it is. Germa-
ny, Iran, France, Iraq, Algeria, South-
Korea, Hungary, Egypt, Palestine, Ro-
many, Israel and other nations had re-
presentatives. It felt like a UN meeting,
only this time we are all equal and there
are no stronger or weaker side.
The summer school was divided into
two main parts: the morning session, in
which we were guided by the inspiring
peace worker Dr. Sumaya Farhat-Na-
ser, and the afternoon session, where
we were introduced to different kinds
of global and local conflicts.
The goal of the summer school was to
train „peace workers“, who can help to
achieve a different and better reality in
the future. Everybody wants peace,
and although not everybody likes to
work, we all, as humans and citizens in
this world, seek a better life. But who
and what is a „peace worker“?
What is peace? Many believe that peace
is the absence of violence, and violence
is an unnecessary violation of basic
needs. In other words, peace is the ab-
sence of unnecessary violation of one's
basic needs. So, according to this pre-
sumption, the goal of the summer
school was to give us, on the collective
level, tools to identify each other's
needs and find the right ways not to
The Middle East was on fire in the
summer of 2006. Israel and Hezbollah
attacked each other with heavy artil-
lery, demolishing whatever stood in
their ways in order to humiliate the
other side. Thousands of people had
lost their lives in Israel and Lebanon,
and much more lost their families, fri-
ends, homes, jobs and security, because
of a war with neither a meaning nor
goals.
But I wasn't there in some of the har-
dest days of the war. I was travelling to
Augsburg. Together with five other
people from Israel, both Arabs and
Jews, we were invited to a summer
school, by the University of Augsburg,
and we couldn't ask for a better timing
(or a worse one – depends on how you
look at it). And so, like a thief in the
middle of the night, I packed my lugga-
ge and went to the airport, trying not
to make too much noise in order not to
wake up the snoring canons of the
army. And it worked: the next morning
we landed in Munich. However, not all
of us arrived safely in Germany: Lai-
la's luggage did not come. It was „kid-
napped“ by the Zurich airport, where
she switched a flight. „An internatio-
nal-diplomatic crisis between Switzer-
land, Germany, and Israel“, I was wor-
ried. Luckily, problems in Europe are
solved much easier, and one phone call
was enough for an apology and a pro-
mise that the luggage would arrive the
next morning. Tired but relaxed, we
continued our journey to Augsburg.
16 A l u m n i A u g s b u r g I n t e r n a t i o n a l
Changing the Discourse
George
We tried to reveal the heart and mind
behind every argument, whether by de-
coding body language, cooperation,
learning to debate effectively and
more. These methods allow us to put
aside the conventional way of dealing
with the conflict and to acquire new
points of view, which enable us to look
at various angles of the problem, and
to think about it in a more creative
way. In addition to the discussions, the
social gatherings were of equal impor-
tance and had a great impact as well.
Sitting together with people from every-
where, eating, drinking, talking and
laughing together: this allowed us to
get to know each other and the diffe-
rent backgrounds, learn from each
other, and – most important – to beco-
me friends.
After going through this process, I
think that „peace“, in its common use,
is misunderstood. If peace is not to
fight and ignore each other's believes,
joys, fears and culture, then to me it
seems more like a conceiving cease-
fire. I remember that Ehud Barak, the
former Israeli prime minister, in his
campaign in 1999, was elected by using
the slogan „we are here, and they are
there“, as a slogan for peace. I do not
believe that this discourse encourages
a true peace, and the summer school
strengthened this belief of mine. It
must be clear that even the word
„peace“ has different meanings among
Jewish Israelis and among Palestinians.
Therefore, only by really listening to
each other, and by understanding
hopes and wills (not what we think for
him that he wants) we can make a real
effort to change the discourse from a
self-centered one, towards a fruitful
and peaceful one.
It would be a lie to think that this sum-
mer school will have an immediate im-
pact on the conflict. And I also don't
think this was the goal. The goal of this
summer school was to help grow new
peace workers and leaders – and this
goal, I believe, was achieved. Peace is
not only a national matter, but it's a
It is quite ironic that we had this
peace-working summer school take
place in Germany, with all its 20th cen-
tury history. This is a lesson, never to
be afraid from the dark, since the sun
always rises right after the darkest
moment of the night.
state of mind of every individual, and
therefore our peace work starts at
home, among our families, friends, peo-
ple we know. And when the right time
and place comes, then maybe it will be
possible to make real progress on the
national level as well.
Wie bei einer UN-Versammlung sei er sich vorgekommen, nur dass hier alle gleich waren
und es keine stärkere und keine schwächere Seite gab: George (links) aus Israel zusammen
mit Bürgermeisterin Eva Leipprand, mit Lisa und mit Dr. Dieter Münker, dem Vorsitzenden
der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.
191 2 / A p r i l 2 0 0 718 A l u m n i A u g s b u r g I n t e r n a t i o n a l
Vor dem 26. Juli 2006 konnte ich es
mir als Palästinenser nicht vorstellen,
wie es sein würde, wenn ein palästinen-
sischer Araber und ein jüdischer Is-
raeli nach sechs Jahren blutigen Kon-
flikts einander treffen, sich zusammen
setzen und über den Konflikt reden.
Nach vielen Jahren wurde mir diese
Möglichkeit während der Sommer-
schule in Augsburg gegeben.
Außerdem hatte ich viele Fragen als
palästinensischer Araber, die ich Men-
schen von der „anderen Seite“, also
Israelis, stellen wollte. Ich hätte auch
gerne gewusst, wie und was die Israelis
heutzutage, nach diesen konfliktrei-
chen Jahren, über uns denken.
Am 26. Juli um 9 Uhr begann die Som-
merschule. Als Erstes hat sich jede
Person den anderen vorgestellt, und so
begann unser Kennenlernen. Die jüdi-
sche Israelin hieß Donna, nach dem
ersten halben Tag wusste ich noch nicht
viel über sie. Ich betone dies, weil ich
mehr Interesse hatte, diesen Menschen
aus Israel kennen zu lernen (der mein
Feind sein sollte) als die anderen. Aber
von Anfang an genoss jeder Teilneh-
mer, der zu diesem Seminar kam, mei-
nen Respekt. Es ist nicht so einfach, so
einen Schritt zu machen, sowohl für
mich als auch für die anderen: die an-
dere Seite zu treffen und über Frieden
und Lösungen zu sprechen. Denn jeder
war überzeugt, dass die andere Seite
schuldig ist.
In den nächsten Tagen haben wir uns
alle wieder abends nach der Sommer-
schule getroffen, um weiter über den
Konflikt zu diskutieren. Aber bei je-
dem Treffen war es anders, denn Tag
für Tag konnte man beobachten, dass
es eine positive Entwicklung in der Dis-
kussion, bei der Diskussionsweise und
bei den Meinungen gab. In der Som-
merschule und durch Hilfe der Dozen-
ten (Dr. Sumaya Farhat-Naser und die
anderen) haben wir zum Beispiel ge-
lernt, wie man über die heißen Themen
diskutieren kann, ohne den anderen zu
verletzen. Außerdem gab es in der
Sommerschule Menschen mit vielen
verschiedenen Staatsangehörigkeiten,
was uns geholfen hat, die vielen As-
pekte des Konflikts zu erkennen. Viele
Meinungen und Ideen wurden in die
Diskussion eingebracht, die sehr dazu
beigetragen haben, den Konflikt aus
verschiedenen Perspektiven zu sehen.
Mit der Zeit kamen wir uns immer nä-
her und es bildete sich eine Art von
Freundschaft heraus. Ich glaube, man
kann sagen, dass wir eine Art von Fa-
milie geworden sind. In dieser „Fami-
lie“ wurden viele Erfahrungen und
Meinungen ausgetauscht, die ich nie
vergessen werde. Die Vorträge in der
Sommerschule vermittelten uns viele
wertvolle Informationen, die ich vor-
her noch nie berücksichtigt hatte.
Bereits am ersten Tag verabredeten
wir, uns am Abend in der Altstadt zu
treffen und in ein Restaurant zu gehen.
Wir folgten dem Ratschlag von Kolle-
gen, die in Augsburg studieren, und
landeten gegen 21 Uhr in einem
Biergarten. Dort setzte ich mich – mit
Absicht – neben Donna, weil ich mit
ihr über das Thema Palästina und Is-
rael reden wollte. Durch die Gesprä-
che wurde mir später klar, dass sie
auch mit Absicht neben mir saß, weil
sie den gleichen Wunsch hatte.
Während die anderen Teilnehmer un-
seren ersten Tag in der Sommerschule
feierten, diskutierte ich ganz persön-
lich mit Donna über den Konflikt zwi-
schen Palästina und Israel. Nach eini-
ger Zeit wurden wir alle recht müde
und machten uns auf den Weg, jeder zu
seiner netten Gastfamilie. Natürlich wa-
ren unsere Gespräche damit aber nicht
zu Ende. Persönlich bin ich meiner
Gastfamilie, Familie Rau, total dank-
bar; sie hat mir eine schöne und groß-
zügige Atmosphäre vermittelt und mir
sehr geholfen, viel zu lernen, sowohl
für meine Persönlichkeit als auch für
die Friedensarbeit.
Begegnung 1000 Kilometer von zu Hause
Wael
Nach dem Besuch dieser Sommerschu-
le kann ich sagen, dass sich mir völlig
neue Perspektiven eröffnet haben. Ich
habe die palästinensische Situation aus
verschiedenen Blickwinkeln gesehen
und erlebt. Zum ersten Mal nach sechs
Jahren Konflikt erfahre ich, dass es
auch außerhalb des palästinensischen
Gebiets Menschen gibt, mit denen man
ganz normal reden, lachen, feiern und
leben kann.
Aber da gab es auch etwas, was mich
traurig gemacht hat. Ich habe es sehr
bedauert, dass wir Israelis und Palästi-
nenser uns mehr als tausend Kilometer
von zu Hause trafen – obwohl wir doch
nur wenige Kilometer voneinander ent-
fernt wohnen.
Nachdem Donna und ich uns gegensei-
tig im Namen unserer Völker in Mün-
chen entschuldigt haben, glaube ich
fest daran, dass der Frieden durch die
kommenden Generationen beider Völ-
ker geschaffen werden kann. Was die
vorherigen Generationen bis jetzt nicht
erreicht haben, muss durch unsere und
die kommenden Generationen ver-
wirklicht werden.
Schließlich möchte ich den Organisa-
toren der Sommerschule, allen Helfern
und den Gastfamilien für ihren unge-
heueren Einsatz danken.
Zwei aus Birzeit: Wael und Sumaya
211 2 / A p r i l 2 0 0 7
lung und dem Weltfrieden auf. Am Bei-
spiel der Baumwolle – einer der wich-
tigsten Kulturpflanzen der Welt – ver-
anschaulichte Prof. Reller beispielhaft
das Zusammenspiel wirkmächtiger
(Produktions-)Faktoren und Prozesse,
die maßgeblich an der Ausgestaltung
nationaler wie zunehmend globaler
Kulturgeschichte beteiligt waren und
die auch in der Zukunft Einfluss auf
die Sicherheit nehmen werden. Bereits
vor ca. 3000 Jahren wurde farbige
Baumwolle in Peru angebaut. Erst im
18. Jahrhundert gelangte die Baumwol-
le über Ägypten und Indien in die Ver-
einigten Staaten. Heute zählen die
USA zu den größten baumwollprodu-
zierenden Ländern; in großem Ab-
stand folgen die V. R. China, Usbekis-
tan, Kasachstan, Turkmenistan, die
Türkei, Mittel- und Südamerika, Aus-
tralien, Ägypten, Indien und Pakistan.
Die zwölf größten Erzeugerländer
erwirtschaften 90 % der Weltproduk-
tion. Über 200 Millionen Menschen in
mehr als 70 Ländern sind in der Baum-
wollwirtschaft beschäftigt. Die Pro-
duktion von Baumwolle und Baum-
wolltextilien und die weltweite Kon-
sumentennachfrage stellen einen ent-
scheidenden Wirtschaftsfaktor in den
Entwicklungs- und Industrieländern
dar. Mit einem Weltmarktanteil von
rund 40 % ist sie eines der wichtigsten
Naturprodukte. Durch ihre wirtschaft-
liche Vormachtstellung bestimmen die
Industrieländer Weltmarktpreise und
Produktionsweisen. So genannte Ent-
wicklungsländer geraten zunehmend
in existentielle Abhängigkeiten von
US-amerikanischen und europäischen
Saatgut- und Pestizidherstellern, die zu
genüber: Iran, China, Israel, die USA,
Russland und die meisten Staaten der
arabischen Liga. Das ICTY wurde
durch eine Resolution des UNO-Si-
cherheitsrates geschaffen und ist für
die Verfolgung von Kriegsverbrechen
im ehemaligen Jugoslawien zuständig.
Das ICTR wurde zur Klärung des Völ-
kermordes in Ruanda errichtet, bei dem
bis zu 1,5 Millionen Menschen ums Le-
ben gekommen sind. Zudem wurden
die Gacaca-Gerichte, die auf einer lan-
gen Tradition in Ruanda beruhen, zur
Bewältigung des Genozids auf der
Ebene der Gemeinden genutzt. Ziel
dieser Mischform aus Gericht und
Wahrheitskommission ist die Versöh-
nung und Wiederherstellung der Har-
monie. Außerdem wurde das Iran-US
Claims Tribunal von 1979 angespro-
chen, das, zusammengesetzt aus drei
Richtern aus den USA, Iran und Nor-
wegen, nach internationalem Recht den
Themenkomplex der Geiselnahme der
amerikanischen Konsulatsbeamten so-
wie der darauf folgenden Reaktion der
amerikanischen Regierung mit der Ein-
frierung der iranischen Gelddepots im
Ausland verhandelte.
Herr Prof. Reller beleuchtete in sei-
nem Vortrag „Fair Distribution of Re-
sources as Peace Mediator“ diejenigen
Aspekte und Hintergründe, die eine
erweiterte Wahrnehmung und ein tie-
fer greifendes Verständnis für die Kom-
plexität der Verflechtung von ökonomi-
schen, ökologischen, sozio-politischen,
kulturellen und geographischen Be-
dingtheiten ermöglichen und zeigte
einen unmittelbaren Zusammenhang
zwischen gerechter Ressourcenvertei-
Vom 26. Juli bis zum 1. August 2006
fand an der Universität Augsburg die
Sommerschule „Kommunikation – Dia-
log – Friedensarbeit: Nachhaltige Per-
spektiven für Israel und Palästina“
statt. Als Iranerin, die seit 20 Jahren in
Deutschland lebt, die den Iran-Irak-
Krieg an der eigenen Seele sechs Jahre
lang miterlebt hat und ständig zwi-
schen zwei Welten, Kulturen und Reli-
gionen oszillieren musste, die zudem in
eine ständige Rechtfertigungshaltung
für die Politik ihres Landes gedrängt
wird, habe ich in diesem Jahr Israel
und Palästina besucht und bin sehr
glücklich über diese Gelegenheit zur
Auseinandersetzung mit eigenen Kon-
flikten und den Konflikten der ande-
ren Seminarteilnehmer, die einen ähn-
lich problematischen Hintergrund auf-
weisen.
Die Nachmittage der Sommerschule
waren für sehr informative Vorträge
und anschließende Diskussionsrunden
angesetzt. Bei dem Vortrag von Herrn
Dr. Stefan Lorenzmeier ging es um „(In-
ternational) Law as a Means of Con-
flict Resolution“. Dort besprach er die
Funktionen des Internationalen Straf-
gerichthofes, International Criminal
Court (ICC), mit dem Sitz in Den
Haag und den Ad-hoc-Tribunalen, dem
Internationalen Strafgerichtshof für
das ehemalige Jugoslawien (ICTY)
und dem Internationalen Gerichtshof
für Ruanda (ICTR). Der ICC ist ein
Gericht mit universellem Anspruch zur
Verfolgung völkerrechtlicher Verbre-
chen und beruht auf einem internatio-
nalen Vertrag von Mitgliedsstaaten.
Nicht-Mitgliedsstaaten sind demge-
Der globale Kontext: Internationales Recht,
Ressourcenfragen, Ureinwohner
Sara
20 A l u m n i A u g s b u r g I n t e r n a t i o n a l
conflict has two very strong opposing
sides and it is only fair, when planning
a seminar like this, to give equal repre-
sentation to both positions.
I believe that it is important to learn
the skill of conducting conversations
with people who have such opposite
views. If we are to come any closer to
solving the Israeli-Arab conflict, it is
essential to find ways of keeping chan-
nels of communication open. I was gra-
teful for the opportunity to learn prac-
tical tips for active listening and emo-
tional restraint.
The seminar ended with an optional vi-
sit to the Dachau concentration camp.
I felt this was extremely appropriate
since it was the experience of the Ho-
locaust that made the need for a Jew-
ish State so clear. However, I was dis-
appointed that most of the Arab parti-
cipants at this seminar chose not to
come. They missed hearing the moving
personal story of a Holocaust survivor
who spoke to us, and seeing first hand
the atrocity of this camp.
The Israeli-Arab conflict is rooted in a
long and complicated history. I have al-
ways wanted to work for peace, but un-
til I met Arabs from Palestine on a per-
sonal level, they remained the „unkno-
wn“. Like many things in life, what we
do not know we tend to fear. Meeting
Palestinian Arabs at this seminar, sha-
ring experiences with them, laughing
together and simply becoming friends
has made all the difference.
Palestine at this seminar, listening to
their personal stories and developing a
friendship with them offered a rare
and special opportunity.
To my surprise, I was the only Israeli
Jew at this seminar. This had advanta-
ges and disadvantages. On the one
hand, I had the opportunity to improve
my spoken Arabic as well as to make
new friends from a different culture. I
became especially friendly with one
Israeli Arab to the point of feeling
comfortable enough after the seminar
to invite him to my home for dinner so
that he could meet my family.
On the other hand, in group discussi-
ons about the conflict itself, I felt a
serious imbalance between the oppo-
sing viewpoints. In fact, both seminar
facilitators were Arab as well: one a
former Israeli Arab now living in Ger-
many and the other a Palestinian Arab.
The Arab position was so strongly ex-
pressed that it was difficult for me, as
the only Jew, to find the words to coun-
ter arguments from so many different
people. The imbalance was so strong
that, on two separate occasions, Arab
members of the group felt the need to
offer their help in presenting the Is-
raeli side.
When we discussed the separation
wall, for example, all arguments pre-
senting its injustice were made time
and again until finally, after quite a
while, I was given the floor and was
able to raise the point that is most im-
portant to Jewish Israelis: the wall has
reduced terror attacks by 90 %. This
When I received an invitation to at-
tend the seminar on conflict resolution
at the University of Augsburg, I imme-
diately accepted with great anticipati-
on. Conflict in our region has been fil-
led with so much bloodshed, pain and
injustice that any hope for its end
should be embraced. As an Israeli Jew,
I hoped to gain a better understanding
of what Arabs experience and feel
about this conflict as well as having a
chance to express the reality as seen
through the eyes of my own people.
Through such an exchange of views
and through the methods of improved
communication which I hoped to learn
from this seminar, I envisioned the
possibility of finding a viable direction
leading toward conflict resolution, at
least within the group attending the se-
minar.
One of the most interesting experien-
ces I had was meeting Arabs from Pa-
lestine. In the past, I have known Isra-
eli Arabs and even had Arab friends on
a personal level. But the situation of
Israeli Arabs is quite different than
that of Arabs living in Palestine. Israeli
Arabs are citizens of my country. If
there is a terrorist attack in Israel, they
might also be killed. The conflict with
Israeli Arabs is based mainly on discri-
mination and an inadequate co-exi-
stence. The conflict with Palestinians,
on the other hand, is much more com-
plicated and difficult to solve. Contact
between our two peoples, other than at
checkpoints and in military situations,
is impossible. Our relationship is
fraught with bloodshed and suffering.
Therefore, speaking with Arabs from
Meeting Arabs from Palestine
Donna
231 2 / A p r i l 2 0 0 7
fasst ist, als Brückenschlag zwischen
technisch-wirtschaftlicher Entwicklung
und Frieden.
Ein weiterer interessanter Vortrag war
der von Sliman Abu Amara über „In-
digenous People and Global Gover-
nance of Biotechnology“. Herr Abu
Amara begann mit der Entdeckung des
Aspirins in der ehemaligen deutschen
Kolonie Kamerun durch den jüdischen
Chemiker Arthur Eichengrün, dessen
Name jedoch nach 1934 nicht mehr auf-
tauchte. Nichtsdestotrotz war Eichen-
grün bis zur Zulassung des Aspirins
pharmazeutischer Abteilungsleiter bei
dem Chemie- und Pharmaunterneh-
men Bayer.
75 Prozent der Produkte auf der gan-
zen Welt werden heutzutage von insge-
samt drei Firmen geführt. Doch wie
kommt man an neue Produkte? Der
Pharma- und Kosmetik-Markt besitzt
einen unersättlichen Appetit. Die
USAID, eine Bastion der US-Außen-
politik im Bereich der Entwicklungs-
arbeit, schickt Firmen in die sogenann-
ten Entwicklungsländer, um zu beob-
achten, wie die Einwohner ihre Krank-
heiten heilen, danach eignen sie sich
das Wissen an, kommen zurück und pa-
tentieren es und verdienen Unmengen
an den neuen Produkten. Die Einhei-
mischen gehen dabei natürlich völlig
leer aus, sie dienen nur als Wissens-
ressource, und somit wiederholt sich
die Kolonialzeit in neuen Facetten. Wie
können sich Einheimische vor dieser
Art von Ausbeutung schützen? 1992
gab es eine Convention on Biological
Diversity. Fragen, wie der Gewinn mit
den Einheimischen geteilt werden
kann, oder wie man mit ihnen Ver-
handlungen führen soll, wurden disku-
tiert. Wichtig ist dabei, bindende Re-
geln einzuführen, denn eine Deklara-
tion allein verändert nicht die Situa-
tion. Wichtig ist auch der Aspekt, den
Einheimischen und ihrer Kultur mit
Respekt entgegenzutreten. Es sollten
nur freiwillige Bildungs- und Hilfeleis-
tungen angeboten werden, damit die
Einheimischen sich über ihren Rechts-
quitärer Herkunft haben und hohen
Energie-Input benötigen, bedürfen je-
doch einer weit(er)gefassten Regulie-
rung, die sich dem Nachhaltigkeits-
prinzip verpflichtet.
Auch bei der Herstellung von Solar-
Energie ist das große Problem die Ab-
hängigkeit von der Technologie. Sonne
gibt es genug in den so genanten Ent-
wicklungsländern; allein die technolo-
gische Abhängigkeit von den Indus-
triestaaten erschwert die Nutzung. Das-
selbe gilt für den Abbau und die Wei-
terverarbeitung von Erzvorkommen.
Auch sie sind weltpolitisch und ökono-
misch wichtige Faktoren, nicht zuletzt,
da diese oftmals nur in einigen weni-
gen Regionen vorkommen. Das Ele-
ment Indium zum Beispiel wird für die
Herstellung von LCD-Bildschirmen
und Solarzellen benötigt. Indium wird
hauptsächlich in Kanada und China
gewonnen und die Vorkommen versie-
gen bereits. Ganz aktuell im Brenn-
punkt der politisch-öffentlichen Be-
trachtungen steht das Metall Uran.
Dessen Anreicherung – vom Iran zur
friedlichen Nutzung eingefordert –
stellt nicht nur für den Iran eine tech-
nische Energielösung für dessen wirt-
schaftliche Weiterentwicklung dar,
sondern löst gleichzeitig in der Welt
Ängste und Konflikte aus. Obwohl in
den Medien seit Monaten thematisiert,
kam nie zur Sprache, dass Iran wichti-
ge Uranminen besitzt, also unabhängig
ist. Aber gerade dieser Aspekt bildet
neben dem Erdöl- und Erdgasreich-
tum des Landes eine wirtschafts- und
machtpolitische Bedeutung für den ge-
samten Globus. Bedauerlicherweise
kommen diese für uns neuen Aspekte
und Zusammenhänge in den Medien
nie zur Sprache.
Resultierend aus den Betrachtungen
und Erkenntnissen über die Zusam-
menhänge und Hintergründe von Res-
sourcen und deren Einfluss auf die Zu-
kunft des Menschen und unserer Erde
erscheint die Proklamation eines Men-
schenrechts, in dem eine gerechte Ver-
teilung der natürlichen Ressourcen ver-
wohl für den Anbau als auch für die
Nutzung des Landes zahlen. Damit die
Farmer überleben können, erhält Is-
rael erhebliche Subventionen von den
USA – im Ausgleich mit Waffenein-
käufen. Die Türkei unterstützt Israel
bei der Wasserversorgung – im Gegen-
zug mit einem regen Waffentausch zwi-
schen der Türkei und Israel. Seit dem
Bau des Atatürk-Staudamms am Ober-
lauf von Euphrat und Tigris an der tür-
kisch-iranischen Grenze hat sich der
politische Konflikt in dieser Region
um eine ökonomische Dimension er-
weitert. Das Wasser, welches nach
Iran, Irak und Syrien fließen sollte,
wird für die israelische Agrarpro-
duktion zurückgehalten. Allein für die
Orangenproduktion benötigt Israel 300
Liter Wasser pro Kilogramm Orangen.
Da dies erkennbar unverhältnismäßig
ist, hat Israel beschlossen, seine Oran-
gen-Plantagen in den nächsten Jahren
trocken zu legen. Palästina wiederum
ist in seiner Wasserversorgung völlig
von Israel abhängig. Es gibt nur zwei
Städte, die über eine autonome Was-
serversorgung verfügen. Somit nutzt
Israel 90 Prozent des Grundwassers
der besetzten Westbank für sich und
verdient am Verkauf von Wasser an die
Palästinenser.
Die Bedeutung des Wassers als lebens-
wichtige Ressource macht deutlich,
wie wichtig deren Verteilung und die
Teilhabe an diesem Gut für alle Men-
schen und Ökonomien ist, unabhängig
von nationalen oder geographischen
Grenzverläufen. Ein entscheidender
Schritt zu einem neuen Ressourcen-
Verständnis könnte die Proklamation
einer „Ressourcen-Charta“ – am Bei-
spiel des Wassers einer „Water-Map“ –
darstellen. Alternative Herangehens-
weisen und Produktionsweisen, wie im
Falle des Wassers etwa die Meerwas-
seraufbereitung, sind technische Lösun-
gen. Globale Produktionskreisläufe,
Wertschöpfungsketten, die in immer
stärkerem Maße von Hochtechnolo-
gien abhängen, die ihrerseits einen im-
mensen Bedarf an Ressourcen unter-
schiedlichster Art und oft nicht ubi-
22
80 Prozent den Markt beherrschen.
Die Lebensgrundlage für Menschen in
den südlichen Anbaugebieten ist auf
vielerlei Art gefährdet. Die Vergiftung
der Böden und des Grundwassers
durch die Bewässerung im Anbau und
die intensive Anwendung von Dünger
zur Ertragssteigerung führt zu Wasser-
und Agrarflächenknappheit sowie zu
erheblichen Gesundheitsrisiken für die
Bevölkerung. Vier Fünftel aller Krank-
heiten in den so genannten Entwick-
lungsländern gehen auf verunreinigtes
Wasser zurück; in Indien zum Beispiel
fordern Durchfallerkrankungen durch
unsauberes Trinkwasser doppelt so
viele Todesopfer wie Aids.
Bei näherer Betrachtung des jeweili-
gen Wasserverbrauchs für verschieden-
ste Produkte wird deutlich, inwiefern
stark nachgefragte Konsumgüter in en-
gem Zusammenhang mit Ressourcen-
konflikten – und somit direkt mit Frie-
denssicherung – stehen. Für die Pro-
duktion von einem Kilogramm Baum-
wolle werden im Aralseegebiet, aber
auch in anderen Anbaugebieten bis zu
30.000 Liter verbraucht. In Folge einer
systematischen Ausbeutung der Wasser-
ressourcen ist der Aral-See heute so
gut wie ausgetrocknet (siehe nebenste-
hende Tabelle und Abbildung aus dem
Vortrag von Prof. Dr. Armin Reller).
Übrig bleiben versalzte, trockene Wüs-
tenlandschaften, die für jegliche land-
wirtschaftliche Nutzung unbrauchbar
geworden sind. Der Umstieg auf einen,
diese verheerenden Auswirkungen ver-
hindernden biologischen Baumwoll-
Anbau, der ökologische, ökonomische
wie auch soziale Aspekte berücksich-
tigt und Lösungsansätze für eine nach-
haltige Nutzung der Baumwolle her-
vorbringt, ist ebenfalls ein Schritt in
Richtung gerechte Ressourcen-Nut-
zung und -Verteilung.
Am Beispiel Israels – ein Beispiel un-
ter vielen – sind die politischen, öko-
nomischen und geostrategischen Ver-
flechtungen abzulesen: In Israel müs-
sen landwirtschaftliche Erzeuger so-
251 2 / A p r i l 2 0 0 7
ab der Kategorien von Angriff und Ver-
teidigung, denen wir oftmals anheim
fallen, wenn wir in Streit mit anderen
geraten. Es gilt zu durchschauen, dass
wir uns von unserer Eitelkeit und dem
Willen, Recht zu behalten, beeinflussen
lassen, dass wir der affektiven Überflu-
tung, derer wir uns in Konfliktsituatio-
nen ausgesetzt sehen, oftmals nicht ge-
wachsen sind, und den objektiven Sach-
verhalt aus den Augen verlieren, was
letztlich unweigerlich zum Zuspitzen
der Auseinandersetzung und zum Zer-
fall des Dialogs führt.
Kritik, Verachtung, Gegenangriff und
der totale Rückzug sind die giftigsten
Beimischungen eines Streitgesprächs.
Diese Verhaltensweisen aktivieren un-
ser Gegenüber in einem Ausmaß, dass
er nur noch zurückschlagen oder sich
wie ein verwundetes Tier zurückziehen
kann. Um dieser affektiven Handlungs-
weise gegenzusteuern, bedarf es eini-
ger Übung und Geduld. Das Erlernen
von grundlegenden Fertigkeiten des
emotionalen Kommunizierens erlaubt
uns aber das Konfliktpotenzial eines
Gespräches zu entschärfen und das
Problem an der Wurzel zu erfassen.
Erstens: Anstatt den anderen zu kriti-
sieren, sollten wir vom Angriff absehen
und möglichst klar eine Beschwerde
formulieren oder eine Bitte vorbrin-
gen. Zweitens: Anstelle von unter-
schwelliger, subtiler, sarkastischer Ver-
achtung sollten wir vernünftig argu-
mentieren und dem Gegenüber signa-
lisieren, dass wir ihn ernst nehmen.
Drittens und viertens: Sollten wir nicht
beiden Freiwilligen werden leiden-
schaftlich, ihre Aussagen werden unbe-
stimmt, sie gehen vom Hundertstel ins
Tausendstel über. Hörensagen und Ver-
mutungen treten an Stelle von klaren
Argumenten. Beide pochen darauf,
Recht zu haben und reagieren gereizt.
Dann sind auch schon die drei Minu-
ten um, und Sumaya löst die Situation
auf.
Sowohl die beiden Disputanten wie
auch die Beobachtenden überkommt
ein Gefühl des Unbehagens. Die Idee
einer Ahnung flackert auf und wir be-
ginnen die Vorführung zu durchschau-
en. Ein derart geführtes Gespräch
muss unfruchtbar enden, mögen die In-
tentionen noch so gut gemeint sein,
wenn zwei verfestigte Meinungen auf-
einandertreffen. Es bedarf nicht der
Kontroversen zum Thema Nahost, um
aufzudecken, dass sich auch in einem
scheinbar banalen Gesprächsverlauf
Konfliktpotenzial verbirgt. Wir blicken
allesamt ratlos in die Runde und star-
ren uns fragend an. Dann macht uns Su-
maya das Geschenk der gewaltfreien
Kommunikation.
In einer Konfliktsituation gibt es nur
drei Möglichkeiten zu reagieren: pas-
siv (oder passiv-aggressiv), das ist die
häufigste und am wenigsten befriedi-
gende Reaktion; aggressiv, nicht wirk-
lich effektiver, aber sehr viel gefährli-
cher; oder bestärkend, das heißt durch
gewaltfreie (emotionale) Kommunika-
tion. Gewaltfreie Kommunikation ist
der Weg einen Dialog zu führen, fern-
Surrende Hitze hängt bereits am frü-
hen Vormittag schwer über den Stra-
ßen. Das Wetter macht uns allen zu
schaffen. Es ist stickig und unsere Mit-
schriften werden bald als Fächer zweck-
entfremdet. Es ist der zweite Tag der
Sommerschule. Den meisten Teilneh-
mern steht noch die Anstrengung der
Anreise ins Gesicht geschrieben. Eini-
ge von uns kennen einander bereits, an-
dere lernen wir erst kennen. Wir tasten
uns vorsichtig zueinander vor, wech-
seln ein paar Worte auf Englisch. Wir
sammeln uns zum Workshop, trinken
Kaffee, ziehen hastig an den letzten Zi-
garetten, bevor es losgeht.
Obwohl die letzten Nachzügler noch
einige Minuten in den Saal rinnen,
lässt sich Sumaya Farhat-Naser nicht
aus dem Konzept bringen und führt ih-
ren Gedankengang fort. Ihre Stimme
ist bestimmt, aber sanft, stets begleitet
von einem wohlwollenden Lächeln, die
Augen klar und freundlich strahlend.
Bald legt sich auch die Unruhe im
Raum.
In der Mitte des Stuhlkreises werden
zwei Stühle und ein Tisch aufgestellt.
Sumaya lässt zwei Freiwillige vortreten
und erläutert die Regeln der Übung:
Die beiden Disputanten haben nun
drei Minuten Zeit, um zu einem belie-
bigen, harmlos anmutenden Thema
ihre Standpunkte zu beziehen. Dann
beginnt sie die Zeit zu stoppen. Der
Versuch beginnt freundschaftlich und
wandelt sich schnell von einem Ge-
spräch zu einem Schlagabtausch. Die
24 A l u m n i A u g s b u r g I n t e r n a t i o n a l
status bewusst werden. Der Verelen-
dung der meisten Einheimischen in
Slums könnte durch Bildung und Er-
richtung von sanitären Anlagen etwas
entgegengesetzt werden, doch bei al-
lem sollte der Anteil an Eigeninitiative
nicht vernachlässigt werden.
Firmen, die in Billiglohnländern pro-
duzieren und ungenügende arbeits-
rechtliche Vorraussetzungen ausnut-
zen, um ihren Gewinn zu maximieren,
ist durch einen Verbraucherboykott
nicht wirklich Ernsthaftes entgegenzu-
setzen, da sie auf dem globalen Markt
immer Nischen finden werden, um ihre
Produkte zu verkaufen. Viel effektiver
wären zum Beispiel Briefe an die Zen-
trale oder Gespräche mit den Verkäu-
fern, um auf die ungerechte Behand-
lung in den Produktionsländern auf-
merksam zu machen. Denn das alleini-
ge Schweigen und Empören darüber
hat noch keinem Textilarbeiter aus
Bangladesch weitergeholfen.
In den Gesprächen und Diskussionen
habe ich auch sehr viel über das alltäg-
liche Leben der Menschen in Israel/
Palästina erfahren, zum Beispiel über
den schwierigen Status der Ost-Jeru-
salemer Araber und über die Ängste
der arabischen Israelis, wenn sie sich
politisch betätigen.
Meine tiefe innere Bewegung über all
das Gehörte und Gesagte habe ich
gleich auf dem Nachhauseweg festge-
halten, damit sie mir im Trubel des All-
tags nicht verloren geht: wie im Rausch,
betört von den Gesprächen, Ideen, der
Wissensfülle und dem gleichzeitigen
Drang nach breit gefächerten Ausein-
andersetzungen. Gleichgesinnte gefun-
den zu haben, an mir selbst, an der Ge-
genwart und Zukunft teilgehabt und
gewirkt zu haben, ist ein gutes Gefühl,
das jedes Mal, in Erinnerung an das
Geschehene, ein Lächeln auf mein Ge-
sicht zaubert. Meinen Schmerz, unse-
ren Schmerz widergespiegelt zu sehen
im Angesicht der Situation im Nahen
Osten und gleichzeitig das Funkeln in
den Augen der Beteiligten nicht zu
oder auf friedens- und konfliktjourna-
listischem Feld tätig zu sein, sind wir
alle durch diese Summer-School, dank
der außerordentlich guten Organisa-
tion der Veranstalter, näher gekom-
men.
übersehen, gibt mir Hoffnung, Mut
und Kraft weiterzumachen in dieser
Richtung. Der Weg ist durch den
Schmerz hindurch, und die Methoden,
die wir gelernt haben, sollen uns stüt-
zen. Dem Ziel, als Friedensaktivisten
Ein Stück gelebten Friedens
Adrian
„Meinen Schmerz, unseren Schmerz widergespiegelt zu sehen im Angesicht der Situation
im Nahen Osten und gleichzeitig das Funkeln in den Augen der Beteiligten nicht zu über-
sehen, gibt mir Hoffnung, Mut und Kraft weiterzumachen in dieser Richtung“, resümiert
Sara aus dem Iran.
271 2 / A p r i l 2 0 0 7
de Seiten leichtere Möglichkeiten zu
Treffen gab. Aber auch dieser Ort wird
immer mehr abgeschottet. Für den
Großteil der Menschen auf beiden
Seiten gibt es nun kein Zusammen-
kommen mehr, bei dem Verständigung
im Mittelpunkt steht. Palästinenser
nehmen Israelis als Soldaten einer
Repressalien ausübenden Besatzungs-
armee und als Mörder ihrer Familien
und Kinder wahr, Israelis sehen Paläs-
tinenser als Selbstmordattentäter und
als Mörder ihrer Soldaten.
Die Summer School in Augsburg gab
den Teilnehmern die Gelegenheit, sich
außerhalb der gewohnten Umgebung
und der sozialen Zwänge zu treffen.
Denn es stellt zumindest teilweise eine
Gefahr dar, wenn man sich zu intensiv
mit „dem Anderen“ beschäftigt. Leicht
kann man dann als Kollaborateur gel-
ten, was weder militant denkende
Palästinenser noch viele Israelis begei-
stert. Eine neutrale Plattform ist des-
halb die Grundvoraussetzung. Die Uni-
versität Augsburg konnte diesen Rah-
men gut ausfüllen und zugleich auch
wissenschaftliche Kenntnisse zu ver-
schiedenen Aspekten wie Ressourcen,
Religionen, Terrorismus beisteuern.
Zugleich kann die Stadt Augsburg aus
der historischen Erfahrung der Frie-
densschlüsse aufzeigen, welche Arten
von Lösungen möglich sind. Und nicht
zuletzt findet eine Summer School in
Deutschland auch stets auf dem Hin-
tergrund der nationalsozialistischen
Vergangenheit Deutschlands statt. Un-
ter dem Eindruck der Shoa erhält eine
und damit neues Leid produziert. Na-
hezu jeder Israeli kennt Betroffene
und jeder Palästinenser erfährt im All-
tag die Realität einer Besatzung.
Die Realität verhindert beinahe jede
Form einer Friedensarbeit. Bei eigenen
Reisen nach Israel und in die West-
bank wurde ich mit Aussagen konfron-
tiert, die dies verständlicher machen.
So kennt kaum ein Israeli das Leben
auf der anderen Seite der Mauer. Viel-
fach wurden wir gewarnt, dorthin zu
fahren, weil dort Kriegsgebiet sei und
man seines Lebens nicht sicher sei.
Ohne Berechtigung und gute Begrün-
dung ist es auch einem israelischen
Staatsbürger oft nicht erlaubt, in die
besetzten Gebiete zu fahren. Bei den
meisten besteht aber aus Gründen der
Angst bzw. Ablehnung auch gar kein
Interesse daran. Für die palästinensi-
sche Bevölkerung gibt es in der Regel
gar keine Möglichkeit zur Einreise in
israelisches Kernland. Einige erhalten
die Erlaubnis zur Arbeit dort, aller-
dings werden Check-Points oft willkür-
lich kurz oder lange geschlossen und
man muss auf der Seite bleiben, auf
der man ist. Hintergrund dieser Maß-
nahmen ist die Angst vor Anschlägen
oder die erhöhte Sicherheitslage an
speziellen Tagen.
Friedensarbeit hingegen lebt von Be-
gegnung. Sumaya Farhat-Naser hat für
ihre Arbeit lange Zeit einigermaßen
gut die Kontrollpunkte überqueren
können und Friedensarbeit in Jerusa-
lem leisten können, da es dort für bei-
Die Stadt Augsburg hat in den letzten
Jahren eine besondere Kompetenz in
der Friedensarbeit entwickelt. Basie-
rend auf dem historischen Friedens-
schluss des Augsburger Religionsfrie-
dens wurde dieser wichtige Bestandteil
der Augsburger Geschichte wieder ins
Bewusstsein zurückgeholt. Mit der Be-
werbung zur Europäischen Kultur-
hauptstadt 2010 begann eine Ausein-
andersetzung, die gerade durch die
Breite der Veranstaltungen und die in-
tensive Beteiligung der Bevölkerung
Grundlage einer nachhaltigen Ent-
wicklung wurde. Mit dem Friedensjahr
Pax 2005 erfuhr diese Entwicklung
einen Höhepunkt. Den Friedenspreis
der Stadt Augsburg erhielten mit den
Preisträgern Michael Führer und Mi-
chael Gorbatschow weltbekannte Per-
sönlichkeiten, die zur Überwindung
der deutsch-deutschen Teilung beige-
tragen haben. Während Deutschland
im Jahr 1989 den Abriss einer Mauer
feiern konnte, erleben die Menschen in
Palästina und Israel aktuell den Auf-
bau einer Mauer.
Friedensarbeit in Israel und Palästina
ist schwierig. Der dort vorherrschende
Konflikt zählt zu den längsten und ist
gleichzeitig einer der best beobachte-
ten Konflikte dieser Welt. Im Laufe
dieser Zeit entwickelten sich Vorurtei-
le bei allen beteiligten Parteien. Gra-
vierender allerdings wirken militäri-
sches Vorgehen und Anschläge, die
vielen Kriege und die daraus resultie-
renden Toten auf allen Seiten. In einer
Art Teufelskreis werden Tote gerächt
26 A l u m n i A u g s b u r g I n t e r n a t i o n a l
gleich zum Gegenangriff blasen, wenn
unser Gegenüber eine andere Meinung
vertritt, oder den totalen (emotionalen)
Rückzug provozieren, indem wir unse-
ren Kontrahenten tief verletzen.
Gewaltfreie Kommunikation verfolgt
nicht das Ziel des manipulativen Steu-
erns, sie ist auch kein Mittel, um hin-
terrücks seinen Willen durchzusetzen,
sondern setzt beide Gesprächspartner
auf eine Ebene des Dialogs, auf der
beide die Möglichkeit ergreifen kön-
nen, den Dialog konstruktiv zu gestal-
ten, indem sie einander gleichgestellt
werden, einander mit Respekt gegen-
übertreten, einander annehmen und
schätzen lernen.
Je objektiver, präziser und klarer wir
Beobachtungen formulieren und in
unsere Aussagen mit einfließen lassen,
anstatt zu urteilen und Kritik zu üben,
desto kommunikativer und einsichti-
ger wird unser Gegenüber reagieren.
Gleichermaßen wichtig sind auch die
eigenen Gefühle, über die man sich je-
doch im Klaren sein sollte, bevor man
diese vorbringt. Diese sind der Schlüs-
tion einzulassen, wenn z. B. der Anlass
zu unbedeutend ist oder wir in eine
Notsituation geraten. Und jedes Mal
müssen wir uns entscheiden, ob wir die
emotionale Herausforderung anneh-
men oder es eben lassen. Wir sollten
jedoch stets die Gelegenheiten nutzen,
in denen wir unsere Beziehungen zu an-
deren Menschen stärken und Kon-
fliktzellen im Keim ersticken können.
Auch wenn wir nicht immer und un-
mittelbar Einfluss auf die politischen
und gesellschaftlichen Streitpunkte ha-
ben, so haben wir doch die Möglichkeit
in unserem eigenen Umfeld Konflikte
zu erkennen, einander im Gespräch nä-
her zu kommen und für Verständnis un-
tereinander einzutreten. Auf diesem
Wege können wir unseren Platz in der
Gemeinschaft stärken und harmoni-
sche Beziehungen zu den Menschen um
uns herum pflegen, indem wir ihnen
mit Respekt, Akzeptanz und Liebe be-
gegnen – dies hat die Peace Workerin
Sumaya erkannt und den Teilnehmern
des Workshops ein Stück gelebten
Friedens vorgeführt.
sel zur emotionalen Kommunikation
und bremsen eine mögliche aggressive
Reaktion des Streitpartners aus. Nie-
mand kann schließlich mit uns darüber
diskutieren, was wir empfinden oder
diese Empfindungen in Frage stellen.
Wenn wir von uns selbst sprechen und
von unseren eigenen Gefühlen, sind wir
ganz bei uns selbst und darum ganz
offen und authentisch. Anstatt also ein
Gespräch zu eröffnen mit einem „du“,
dem für gewöhnlich ganz automatisch
ein Vorwurf folgt, sollten wir die Auf-
merksamkeit auf die eigenen Gefühle
lenken, womit wir unser Gegenüber
entwaffnen und motivieren, mit uns zu
kooperieren, jedenfalls wenn es die Be-
ziehung ebenfalls fortsetzen möchte.
Zugegeben, die hier wiedergegebenen
Empfehlungen zu einem Streitgespräch
erwecken einen vielleicht surrealisti-
schen Eindruck, zumal wir in unserer
Umgebung so wenige Vorbilder fin-
den, an denen wir uns orientieren kön-
nen. In manchen Situationen ist es trotz
allem besser, passiv oder aggressiv zu
sein, als sich auf den komplexen Vor-
gang der einfühlsamen Kommunika-
Augsburg und Frieden –
Summer School in Augsburg
Matthias
Auch Adrian aus Polen (2. v. r.) – hier zusammen mit seinen Augsburger Kommilitonen Ahmed aus dem Irak, Szilvia aus Ungarn und Vanessa
(rechts) aus Deutschland – hat bei der Sommerschule von Sumaya Farhat-Naser das – wie er sagt – „Geschenk der gewaltfreien Kommu-
nikation“ bekommen.
291 2 / A p r i l 2 0 0 7
dass es sich immer so anhört, als würde
man sich beschimpfen oder anschrei-
en. Da wir uns aber größtenteils auf
Englisch unterhielten, war alles eher
normal.
Eine Sache jedoch, die von größter Be-
deutung war, war die Anwesenheit Su-
mayas. Sie schaffte es immer wieder,
einen jeden von uns auf sich selbst zu-
rück zu bringen. Sich seiner Gefühle
klar zu werden, nicht jemanden ande-
ren zu verurteilen, sondern immer wie-
der sich selbst an die Nase zu fassen:
sehr wichtige Momente, um sich nicht
vollkommen im Gestrüpp seiner Emo-
tionen zu verlieren – was für einige
noch sehr ungewohnt war.
Ich glaube, es war der dritte Tag, an dem
man sich dann bereits mit Wangen-
küsschen begrüßte und verabschiede-
te, sowohl Jungs als auch Mädels. Es
war so, als kannte man sich – klar, tat
man ja auch, denn es verbanden uns
Hoffnungen und Wünsche, es trennte
uns nur das Unwissen voneinander. In
unseren Workshops hatten wir Zeit,
ein wenig Ursachenforschung zu be-
treiben. Eindeutiges Ergebnis war, um
mich kurz zu fassen, dass ein Zusam-
menleben möglich ist. Mitten in Augs-
burg also trafen sich Menschen, die
fern ihres Heimatlandes die Chance be-
kamen, andere Menschen, vor allem
aber sich selbst, neu kennen zu lernen.
Sowohl die Veranstaltungen im Augus-
tana Forum als auch die Vorträge an der
Universität Augsburg aus verschiede-
nen Bereichen der Wissenschaft verge-
größte Aufmerksamkeit. Ich wusste,
dass auch Sumaya und Sami wieder
dabei sein würden. Vor allem Sumayas
Wirkung auf Menschen war mir ver-
traut, und ich freute mich auf intensive
und sehr emotionale Workshops, die
uns lehren sollten, mit unseren Äng-
sten und Hoffnungen, aber auch mit
unserer Wut und unserem Hass besser
umzugehen.
Da waren wir nun, ein bunt zusammen
gewürfelter Haufen in einem Stuhl-
kreis, um über ein nachhaltiges Frie-
denskonzept für Palästina/Israel zu
diskutieren. Als ich so in die Runde
schaute, gingen mir die üblichen Fra-
gen durch den Kopf: „Wie stehst du
denn zu Israel und dem Konflikt?“ und
„Die führen sich doch nur so auf, weil
die USA ihnen immer den Rücken stär-
ken, oder wie siehst du das?“ Die übli-
chen Fragen, über die man eben disku-
tiert, wenn es um dieses Thema geht.
Ich hoffte, dass ich die Kraft haben wür-
de, das durchzustehen – aber es verlief
alles anders, Gott sei Dank! Wer es
noch nicht weiß, dem möchte ich er-
klären, dass Menschen aus dem Nahen
und Mittleren Osten eine andere Streit-
kultur oder, genauer gesagt, ein laute-
res Verhalten haben, nicht aggressiver,
einfach nur voller Emotionen und, wie
gesagt, lauter eben.
Die morgendlichen Workshops, die von
Sumaya und Sami geleitet wurden, wa-
ren voll dieser lautstarken Unterhaltun-
gen. Vielleicht liegt es auch an der ara-
bischen Sprache, an ihren Kehllauten,
Letztes Jahr sollte in der letzten Juli-
woche etwas Besonderes in Augsburg
passieren, denn der Orient lag in der
Luft: Die erste Alumni-Sommerschule
des Akademischen Auslandsamts und
der Initiative Friedens- und Konflikt-
forschung fand statt. Es wurde nicht ir-
gendein Thema behandelt, sondern es
ging um nachhaltige Perspektiven für
Israel/Palästina, ein Thema von großer
Bedeutung. Der seit Jahrzehnten an-
dauernde Konflikt, der Krieg um Land
und Ressourcen und um das Überleben
vieler Tausender Menschen ist nicht nur
für mich als Student der Politikwis-
senschaften sehr aktuell, ich fühle mich
auch als Nachbar von Palästina/Israel
verpflichtet, in jeder mir erdenklichen
Form meinen Beitrag zu leisten. Als ich
eine Einladung bekam, an der Som-
merschule „Kommunikation – Dialog –
Friedensarbeit: Nachhaltige Perspekti-
ven für Israel/Palästina“ teilzunehmen,
fiel mir die Entscheidung somit leicht.
Ich erinnere mich noch genau, wie
wohl ich mich fühlte, als ich am ersten
Tag die ESG-Cafete betrat: Von über-
all her hörte ich (mir bis dahin noch
fremde) Menschen eine Sprache spre-
chen, die mir vertraut war – arabisch.
„Hey das versteh ich“, dachte ich mir.
Zwar haben sie einen anderen Dialekt
als die Ägypter, aber verstehen kann
ich sie trotzdem, „cool und gleich so
viele“. Einige Gesichter kannte ich
schon, und es freute mich auch, sie in
diesem Zusammenhang wieder zu se-
hen, doch dem frisch angereisten Be-
such aus dem Nahen Osten galt meine
28 A l u m n i A u g s b u r g I n t e r n a t i o n a l
mögliche Diskussion um das Warum
und die Berechtigung des Staates Is-
rael einen ganz anderen Verlauf.
Ein reines Zusammenführen der Men-
schen alleine reicht allerdings nicht
aus. In den ersten Tagen der Summer
School wurden aus diesem Grund erst
einmal die Grundlagen jeglicher Form
der Kommunikation erläutert. Destruk-
tives Streiten setzt zwar viele Energien
frei, wird allerdings nicht zu Lösungen
führen. Eine ideale oder kritische Dis-
kussion mit einem selbstkritischen Ab-
stand zu den strittigen Positionen wäre
wünschenswert, ist aber schwer durch-
zuhalten. Als Mittelweg steht einem
der persuasive Dialog offen. Mit einer
ehrlichen Überzeugung von der Recht-
mäßigkeit der eigenen Standpunkte,
aber gleichzeitiger Offenheit dem „An-
deren“ gegenüber, sind Kompromisse
und gegenseitiges Verständnis mög-
lich. In den ersten Sitzungen der Sum-
mer School haben wir uns nicht mit
den Inhalten des Konfliktes beschäf-
tigt, sondern damit, wie wir miteinan-
der umgehen wollen. In Rollenspielen
haben wir vorgegebene Inhalte disku-
tiert und uns dabei gegenseitig analy-
siert: Versuchen wir, einander auszu-
tricksen, verwenden wir unfaire Argu-
mentationen, werden wir polemisch?
Sumaya Farhat-Naser hat hierbei gera-
de auf diese Regeln für vernünftiges
Diskutieren großen Wert gelegt. Denn
nur wenn wir wissen, dass unser Ge-
genüber sich vernünftig und fair ver-
hält, sind wir offen für dessen Argu-
mentation. So soll ein Standpunkt nur
sachlich, nicht emotional dargelegt wer-
den oder dem Gegenüber dürfen keine
Prämissen unterstellt werden, die dieser
gar nicht gesagt hat. Ein großer Grund
für Missverständnisse ist Unwissen-
heit. Viele Gespräche in der Summer
School dienten deshalb dem Erfah-
rungsaustausch. Durch die alltägliche
Lebenssituation waren gerade die Teil-
nehmer als dem Nahen Osten stark ge-
prägt, aber auch wir Europäer sind vor
Vorurteilen nicht gefeit. Also haben wir
uns bewusst auch mit den Vorurteilen
über den „Anderen“ beschäftigt.
Dies wäre ganz im Sinne von Sumaya
Farhat-Naser, die es sich zur Lebens-
aufgabe gemacht hat, Friedensarbeiter
auszubilden. Für die Universität Augs-
burg ergibt sich die Perspektive, die
Themen Ressourcenkonflikte, religiö-
se Hintergründe, juristische Dimensio-
nen und auch politikwissenschaftliche
Fragestellungen aktuell anwenden zu
können. Die Stadt Augsburg leistet da-
mit einen nachhaltigen Beitrag, um aus
der eigenen Stadtgeschichte heraus
eine lebendige Friedensstadt zu sein.
Ich bedanke mich bei allen Organisa-
toren für die Vorbereitung und Durch-
führung der Summer School und dafür,
dass ich als Teilnehmer die Möglich-
keit hatte, diese außergewöhnliche und
viel zu seltene Form der Friedensarbeit
kennen zu lernen.
Sumaya Farhat-Naser setzt auf eine
Friedensarbeit von unten nach oben.
Politiker und Soldaten haben lange
versucht, den Konflikt zu lösen, aber
eine Lösung scheint fern wie lange
nicht. Die Arbeit muss damit beginnen,
dass jeder zum Friedensarbeiter wird,
Fragen stellt und Entscheidungen in
Frage stellt. Wenn wir wissen, wie der
„Andere“ lebt und fühlt, kann eine
Regierung, können Medien ihn nicht
mehr als diabolisch und fremd abtun.
Aufklärungsarbeit beginnt im Freun-
deskreis und zieht immer weitere
Kreise. Eine dazu passende Einheit der
Summer School waren daher auch
alternative Berichterstattungsmöglich-
keiten für Friedensjournalismus. Denn
schon durch die parteiische Auswahl
von Informationen kann die Realität
stark verändert werden. In der Sum-
mer School wurde jedoch nicht ver-
sucht, den Konflikt als Ganzes zu lö-
sen. Trotz vorbereitender Sitzungen ließ
es sich aber nicht vermeiden, dass
manche inhaltliche Diskussionen sehr
emotional verliefen, und einige hatten
ab und zu das Gefühl, alle würden auf
eine Person „losgehen“.
In der Summer School wurde durch
Vorträge zu verschiedenen Themen
auch das Fachwissen der Teilnehmer
über Konflikte ausgeweitet und ver-
tieft. In Abendvorträgen wurden wei-
tere Bereiche angesprochen. Das sehr
dichte Programm hat leider wenig Zeit
für eine persönliche oder gemeinsame
Reflexion gelassen.
Für die zukünftige Entwicklung der
Friedens- und Konfliktforschung in
Augsburg wäre es wünschenswert,
wenn diese Summer School nicht die
letzte gewesen ist. Die aufgebauten
Kontakte und die positiven Ergebnisse
der Summer School fordern eigentlich
schon von sich aus nach einer Fort-
setzung in den kommenden Jahren.
Wichtig erscheint es, dass auch dann
wieder Multiplikatoren gefunden wer-
den, die diese besondere Form der
Friedensarbeit in Israel, Palästina und
weiteren Ländern fortsetzen können.
Daheim im Nahen Osten in Augsburg
Nagi
Matthias studiert an der Universität Augs-
burg Politikwissenschaft und ist hochschul-
politischer Sprecher der Studierendenver-
tretung.
311 2 / A p r i l 2 0 0 7
Der DAAD-Preis dient insbesondere
der Würdigung eines außergewöhnli-
chen Engagements im sozialen, kultu-
Die Gutachten der Professoren Hans-
Otto Mühleisen (Politikwissenschaft)
und Hubert Zapf (Amerikanistik), die
Andrea Lorincz für den DAAD-Preis
2006 vorgeschlagen hatten, betonen
übereinstimmend die hervorragenden
wissenschaftlichen Leistungen der 27-
Jährigen. Sie sei fraglos den besten,
fachlich hervorragend qualifizierten
Studierenden zuzurechnen, sie werde
mit Sicherheit einen weit überdurch-
schnittlichen Studienabschluss errei-
chen und anschließend ihren wissen-
schaftlichen Werdegang konsequent
fortsetzen. Bestechend – auch hier sind
die Gutachter sich einig – seien insbe-
sondere ihre Seminar- und Diskussions-
beiträge. Mühleisen nennt sie „präzise
und engagiert“, Zapf charakterisiert
sie als „genau, kritisch, wohlinformiert
und reflektiert“. Während sie so eine
Bereicherung für jedes Seminar sei,
indem sie zu dessen wissenschaftlichem
und sozialem Gelingen beitrage und die
Kommunikation in ebenso konstrukti-
ver wie substantieller Weise fördere,
seien ihre schriftlichen Arbeiten durch
zielstrebiges, methodisch-systemati-
sches und dennoch eigenständiges Vor-
30 A l u m n i A u g s b u r g I n t e r n a t i o n a l
genwärtigten uns auf eindrückliche Art
und Weise die Verwobenheit unseres
Zusammenlebens.
Die Sommerschule liegt nun einige Mo-
nate zurück, aber nichts ist verloren ge-
gangen. Zwar ist jeder wieder in sein
Heimatland zurückgereist, doch was wir
erfahren und geleistet haben, hat, den-
ke ich, keine und keiner vergessen.
Ich kann zwar nur für mich sprechen,
dennoch wage ich zu behaupten, dass es
ein sehr mutiger Schritt der Veranstal-
ter war, ein solch prekäres Thema mit-
einer Sommerschule an der Universität
Augsburg anzugehen. Aber das fehlen-
de Fachwissen und die Praxis konnte
wohl von keinem besser eingebracht
werden als von Donna, George, Wael,
Die Sommerschule war für mich mehr
als nur ein Austausch von Informatio-
nen, vielmehr von Emotionen und Ges-
ten. Noch immer chatte oder telefonie-
re ich mit einigen der Teilnehmer, die
für mich mehr geworden sind als nur
dieses. Sara und ich haben uns zum Bei-
spiel bereits in Ägypten und Heidel-
berg getroffen, und ich freue mich
schon, denn es ist nur eine Frage der
Zeit, bis ich auch Donna, George und
Naila besuchen werde, und nicht mehr
nur über das Internet mit ihnen kom-
munizieren muss. Diese Freund-
schaften verdanke ich den Mutigen,
die versuchen, an schlammigen Ufern
Fundamente für Frieden zu legen.
Bitte macht weiter so! Vielen Dank.
Laila, Naila, Hanifa und Lisa, die uns
alle haben teilhaben lassen am Alltag
ihres Lebens in Palästina/Israel, was
mit Sicherheit für keinen von uns im-
mer einfach zu verarbeiten war. Ich
möchte mich bei all denen, die mitge-
holfen haben, diese Sommerschule, die-
ses außergewöhnliche Treffen von Men-
schen zu gestalten, die bemüht sind,
sich aktiv den Problemen und Heraus-
forderungen des Nahen Ostens anzu-
nehmen, aufrichtig bedanken. Der ers-
te Schritt, uns selbst besser kennen zu
lernen, ist wohl auch gleichzeitig der
Wichtigste. Die Courage, uns unsere
Schwächen einzugestehen, damit sie
sich nicht nur in Hass und Wut äußern,
sind Dinge, die den Dialog und mit ihm
unsere Kraft und Hoffnung, ihn weiter
zu führen, am Leben erhalten.
AKTUELLıı
ıı
„Eine Ausnahmestudentin“Die DAAD-Preisträgerin 2006 Andrea Lorincz
gehen geprägt. Mit allen Themen setze
sie sich stets kreativ und nicht nur re-
zeptiv oder reproduktiv auseinander.
Die Professoren Hans-Otto Mühleisen (links) und Hubert Zapf hatten Andrea Lorincz
für den DAAD-Preis 2006 vorgeschlagen. Foto: Klaus Satzinger-Viel
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Nagi – links im Bild zusammen mit Nabil – hat bei der Sommerschule nachhaltige Freundschaften geknüpft: Sara hat er zwischenzeitlich be-
reits in Ägypten und Heidelberg wieder getroffen, und dass er Donna, George und Naila besuchen wird, ist beschlossene Sache.
331 2 / A p r i l 2 0 0 7
derer zu erkennen und diese anzuerken-
nen. Dies erforderte und erfordert immer
noch eine ungeheuere Disziplin, eine Mi-
schung aus Unterwerfung und Überlegen-
heit: Man muss nicht nur die Sprache des
Anderen lernen, sondern auch noch den
Anderen durch diese Sprache kennen ler-
nen. Die aktive Anerkennung des Stand-
punktes des Anderen macht das menschli-
che Miteinander erst möglich. Das habe
ich für mich persönlich durch das Wort
Verantwortung formuliert, als Verantwor-
tung nicht nur mich, sondern für den An-
deren. Mit den Worten des französischen
Philosophen Emmanuel Lévinas geht es um
die Fähigkeit, dem Anderen in der Sprache
und in der Gesellschaft zu begegnen und
die eigene Verantwortung von ihm aufge-
rufen zu finden. Nur aus dem Blick des
Anderen heraus gelangt der Mensch zu
einem Verständnis der sozialen und politi-
schen Welt. Nur aus einer solchen Verant-
wortung geht politisches Handeln hervor.
Lévinas macht sozusagen das Anderssein
des Anderen zu einer ethisch-politischen
Kategorie. Es geht um die Formulierung
einer Art Verantwortung als Relation zum
Anderen.
Eine Kommunikationsebene herzustellen
ist eine schwierige Angelegenheit. Haber-
mas nennt dies das Diskursideal verständi-
gungsorientierter Kommunikation inner-
halb einer Gesellschaft. Diese Kommuni-
kation in einer anderen Gesellschaft bzw.
anderen Menschen gegenüber in Gang zu
setzten ist unter Umständen noch schwie-
riger. Dies erfordert sehr viel Reflexion,
Anerkennung, Rücksichtnahme und wider-
spiegelt gleichzeitig in meinen Augen die
Verbindung von Sprache, Politik und Li-
teratur.
ren zu geben, Probleme zu formulieren,
Lösungen zu suchen – natürlich all dies zu-
nächst einmal in der Sprache. Das durfte
man nicht, irgendwann konnte man auch
nicht mehr. Kunst, Literatur gehörte in die-
ser Welt auch nicht dem Individuum. Was
macht man in so einer Situation, wenn die
Kunst, die Sprache nicht mehr autonom
sind? Wenn es einem vorgeschrieben wird,
was man zu tun, was man zu sagen hat.
Ganz einfach, man verlernt die Sprache.
Die Schriftsteller im östlichen Europa ha-
ben versucht zu retten, was noch zu ret-
ten war. Einige haben große Historien ge-
schrieben, andere haben das Schicksal mit
Humor getragen und machten schwejksche
Geschichten daraus. Um etwas gedanklich
klären zu können, bedarf es einer Spra-
che. Um Gadamers Worte „Wer Sprache
hat, hat die Welt“ umzudrehen: „Wer kei-
ne Sprache hat, hat keine Welt.“ Die da-
rauf folgenden 90er Jahre waren auf ge-
samtgesellschaftlicher Ebene ein unendli-
cher Lernprozess: Was macht jetzt die
Sprache, wenn dieses diktatorische Schwei-
gen nicht brüllt? Wie bewegen sich die
Wörter? Kurz gesagt: Man musste die
Sprache neu erlernen. In dieser neu er-
lernten Sprache musste man die Vergan-
genheit konfrontieren, aber man musste
sich auch eine Art neue Gegenwart kon-
struieren.
All das hat mich dazu bewogen, zu den Er-
kenntnissen mittels einer anderen Sprache
zu gelangen. Doch Sprache zu suchen hieß
für mich nicht nur die eigene Kontinuität in
der eigenen Vergangenheit und in den eige-
nen Erinnerungen zu suchen und sich da-
durch eine Gegenwart zu konstruieren,
sondern sich auch in den Erzählungen an-
Dass Politik und Sprache miteinander zu
tun haben, ist schon eine alte Erkenntnis
der politischen Theorie. Bei Platon und
Aristoteles gilt das menschliche Vermögen
des Miteinander-Reden-Könnens als die
anthropologische Bedingung der Möglich-
keit von Politik als Form menschlicher Pra-
xis überhaupt. Die Verbindung von Politik-
und Literatur- bzw. Sprachwissenschaft hat
für mich zunächst einmal mit der Sprache
zu tun, bzw. mit der Frage, wieso ich über-
haupt nach Deutschland kam.
Wieso Deutschland also? Es gibt verschie-
dene Gründe, wieso man nach Deutsch-
land kommt. Man kommt, um die deut-
sche Kultur kennenzulernen, aber auch um
andere Lebensweisen und Menschen zu
treffen. Man kommt manchmal aus wirt-
schaftlichen Gründen, weil man sich eine
bessere Zukunft erhofft. Man kommt um
zu studieren, weil es im Heimatland an
Büchern und Lehrmaterialien fehlt. Mir
wurde erst nach einer Weile, im Zuge des
Reflektierens des Erlebten sowohl in der
„Heimat“ als auch hier klar, dass ich ei-
gentlich wegen der Sprache nach Deutsch-
land kam. Ich kam wegen der deutschen
Sprache. Das klingt zunächst ziemlich ko-
misch, man fragt sich: Wieso kommt man
in ein fremdes Land wegen einer Sprache?
Man hat ja eine Muttersprache, die kann
man nicht ablegen, sie muss reichen. Ich
kam nach Deutschland, um sprechen zu
lernen. Buchstäblich. Um zu sprechen, mei-
ne Gedanken in Worte zu fassen.
Ich habe zu Hause Zeiten der Sprachlo-
sigkeit, des lauten Schweigens erlebt, das
aber kein produktives Schweigen war, son-
dern ein diktatorisches. Man durfte nicht
reden. Reden hieß ja, dem Leben Kontu-
32 A l u m n i A u g s b u r g I n t e r n a t i o n a l
rellen oder politischen Bereich, das her-
vorragende wissenschaftliche und Stu-
dienleistungen ergänzt und über sie
hinausgeht. Wie sich in ihr beides ver-
einige, mache Andrea Lorincz zur
„Ausnahmestudentin“ (Zapf).
Sensibel für interkulturelle
Realitäten
Mühleisen hebt hervor, wie kompetent,
offen, sachkundig und kritisch die Un-
garin mit rumänischem Pass sich auch
jenseits des Studiums z. B. an der De-
batte über die Zukunft der europäi-
schen Integration beteilige, um dabei
die aus ihrem Heimatland stammen-
den Kenntnisse und Erfahrungen in die
Diskussion einzubringen. Ihr gesell-
schaftspolitisches Interesse sei v. a. im-
mer dort deutlich geworden, wo sie et-
wa zu Fragen der Minderheiten in eini-
gen der neuen EU-Staaten Stellung
bezogen habe. Zapf attestiert Lorincz
der sogenannten „Länderabende“ des
Auslandsamtes, bei denen sich auslän-
dische und deutsche KommilitonInnen
regelmäßig in den Räumen der kirchli-
chen Studentengemeinden treffen, um
sich näher kennenzulernen und mehr
über die Herkunftsländer und Kultu-
ren der jeweils anderen zu erfahren.
Lorincz habe mit diesem von großer
persönlicher Offenheit, Herzlichkeit
und Hilfsbereitschaft geprägten Enga-
gement „wesentlich zur Integration
ausländischer Studierender sowohl in
die Universität Augsburg wie aber auch
in die deutsche Gesellschaft insge-
samt“ (Mühleisen) beigetragen.
Alumni Augsburg International:
wertvolle Netzwerkarbeit
In jüngerer Zeit widmete Andrea Lo-
rincz sich innerhalb des Auslandsamts
verstärkt den ausländischen Absol-
ventinnen und Absolventen der Uni-
eine „spezielle Sensibilität für die
Spannungsfelder und die produktiven
Möglichkeiten interkultureller Reali-
täten“.
Diese Sensibilität kommt Andrea Lo-
rincz fraglos bei den zahllosen Initiati-
ven und Aktivitäten zur Betreuung aus-
ländischer Studentinnen und Studen-
ten zugute, die sie seit Mitte 2002 als
studentische Mitarbeiterin zunächst im
Studentenwerk Augsburg und dann im
Akademischen Auslandsamt der Uni-
versität Augsburg maßgeblich und prä-
gend mitgestaltet hat. Im Studenten-
werk und anfangs auch im Akademi-
schen Auslandsamt war Andrea Lo-
rincz primär in der Beratung ausländi-
scher Studentinnen und Studenten tä-
tig, die neu an die Universität Augs-
burg kamen und von ihr u. a. bei der
Wohnungssuche unterstützt wurden.
Parallel zur Beratungstätigkeit über-
nahm sie dann auch die Organisation
Ver-Antwortung: Sprachensuche in AugsburgAnsprache der Preisträgerin Andrea Lorincz bei der Verleihung des DAAD-Preises
für hervorragende Leistungen ausländischer Studentinnen und Studenten an den
deutschen Hochschulen am 29. November 2006 an der Universität Augsburg
Die DAAD-Preisträgerin 2006 mit (v. r.) Prorektor Prof. Dr. Bernhard Fleischmann, Dr. Sabine Tamm und dem Festvortragenden Prof. Dr. Dr.
h. c. mult. Wolfgang Frühwald. Der Titel des Vortrags des Präsidenten der Alexander von Humboldt-Stiftung lautete: „Wieviel Wissen
braucht der Mensch? Wirklichkeit und Mythos des gebildeten Gesprächs“. Foto: Klaus Satzinger-Viel
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versität Augsburg und kümmerte sich
mit zwei Schwerpunkten dem Auf- und
Ausbau des Netzwerks „Alumni Augs-
burg International“: Zum einen pflegte
sie die Datenbank dieses in den letzten
zwei Jahren rapide gewachsenen und
enger gewordenen Netzwerks. In die-
ser Datenbank sind mittlerweile weit
über 400 Augsburg-Absolventinnen
und -Absolventen aus 81 Ländern er-
fasst, die den Kontakt zu ihrer Univer-
sität aufrechterhalten wollen und oft
auch als Ansprechpartner für deutsche
Studentinnen und Studenten, die von
Augsburg aus ins Ausland gehen, zur
Verfügung stehen. Zum anderen arbei-
tete Andrea Lorincz auch als Mithe-
rausgeberin des im Februar 2001 erst-
mals erschienenen gleichnamigen Netz-
werkmagazins „Alumni Augsburg In-
ternational“; auch aufgrund der Viel-
zahl von Beiträgen, die aus Lorincz-
scher Feder stammen, trägt dieses Ma-
gazin ihre Handschrift.
Zwischen Hausaufgabenbetreu-
ung und Präsidententreffen
Symptomatisch für die Entschlossen-
heit von Andrea Lorincz, die 24 Stun-
den, die ein Tag hat, zu nutzen: Ver-
suche eines Lehrstuhls, sie als Hilfs-
kraft vom Auslandsamt für ein Projekt
abzuwerben, sind für alle Beteiligten
gut ausgegangen: Lorincz blieb ihrem
Auslandsamtsjob treu und arbeitete
trotzdem an besagtem Projekt mit. In
dieses Bild passt dann auch, dass sie
seit Jahren nebenbei Hausaufgaben-
betreuung in einer Augsburger Haupt-
und Realschule machte. Nichts kann
sie daran hindern, jede Gelegenheit zu
nutzen, um sich auch außerhalb der
Universität Augsburg einzubringen und
weiterzubilden: Allein im Jahr 2006 ab-
solvierte sie zwei Studienreisen - eine
nach Rom zu einer Konferenz mit dem
Thema „Die Armut halbieren“, die an-
dere nach Budapest ans Teleki-Laszlo-
Institut für Minderheitenforschung;
hinzu kamen zwei Seminare in Bonn
zu den Themen „Braucht die Welt eine
Verfassung?“ und „Europa zwischen
Integration und Erweiterung“. Sogar
nistisches Gymnasium. Sie studierte
anschließend bis 2001 an der Univer-
sität Babes-Bolyai in Klausenburg
(Rumänien) Germanistik und im Ne-
benfach Anglistik. Als Erasmusstipen-
diatin verbrachte sie das Sommerse-
mester 2001 an der Universität Er-
langen-Nürnberg und wechselte dann
als DAAD-Stipendiatin an die Univer-
sität Augsburg, wo sie seither – mit
einer einsemestrigen Unterbrechung
an der Universität Würzburg – Politik-
wissenschaft, Amerikanistik und Neue-
re Deutsche Literaturwissenschaft stu-
diert.
Die Ungarin aus Rumänien, deren
Leistungen im Laufe der letzten Jahre
bereits durch mehrere Stipendien ge-
würdigt wurden, spricht neben ihrer
Muttersprache und Rumänisch flie-
ßend Deutsch und Englisch, seit zwei
Jahren lernt sie zudem Italienisch, seit
einem Jahr auch Arabisch. UP
für ihre eigenen Verhältnisse nicht all-
täglich empfand Andrea Lorincz dann
jedoch ihre Teilnahme an einer Open-
Space-Konferenz, die im Februar 2006
im Rahmen des Präsidententreffens
„Gemeinsam für Europa“ in Dresden
stattfand. Unter den sechs Staatsober-
häuptern, die Bundespräsident Horst
Köhlers Einladung nach Dresden ge-
folgt waren, um dort mit hundert Stu-
dentinnen und Studenten aus ganz
Europa der Frage „Was hält Europa
zusammen?“ zu diskutieren, war, was
Andrea Lorincz besonders freute, auch
der ungarische Staatspräsident László
Sólyom.
Von Klausenburg nach Augsburg
mit Abstechern nach Erlangen
und Würzburg
Andrea Lorincz besuchte von 1993 bis
1997 an ihrem Geburtsort Csikszereda
(Siebenbürgen/Rumänien) ein huma-
Und natürlich war sie auch bei der Sommerschule „Kommunikation – Dialog – Friedensar-
beit“ dabei: Andrea Lorincz mit Ahcène aus Algerien, der in Augsburg studiert und promo-
viert hat.
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Frühling auf dem Campus