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„WIR SPRECHEn MIT DEn HÄnDEn.“

Bilingual gebärden- und lautsprachliche Kinder- und Jugendliteratur

marion rana

Wir sprechen mit den Händen – so lautetder Titel eines 2005 erschienenen Bil-derbuchs über Gehörlosigkeit (Franz-Joseph Huainigg/Verena Ballhaus).Diese so lapidar daherkommendeFeststellung ist das Resultat eines lan-gen und mühsamen Ringens nach An-erkennung und Wertschätzung: InDeutschland ist die Deutsche Gebär-densprache (DGS) erst seit 2002 offi-ziell als Minderheitensprache an-erkannt und weltweit sind Gebärden-sprachen in gerade einmal 31 Ländernrechtlich verankert (in nur elf davonauch auf verfassungsrechtlicher Ebene,vgl. de Meulder 498–500). Diese Wert-schätzung von Gebärdensprache alsSprache im Gegensatz zu ihrer lang-jährigen Wahrnehmung und Denun-ziation als gestischen, rudimentärenund approximierenden Kommuni-kationsersatz oder sogar -hindernisspiegelt sich auch in der schulischenund familiären Erziehung gehörloserKinder wider: Nachdem der Einsatzvon Gebärdensprache in der frühen

institutionalisierten Bildung gehörlo-ser Kinder selbstverständlich war,brachte die Entwicklung zur oralenErziehung im späten 19. Jahrhundertdiese Praxis zum Erliegen und er-schwerte nicht nur die Bildung und Er-ziehung, sondern insbesondere auchdie geistige, emotionale und sozialeEntwicklung der so beschulten Kinderund fügte ihnen nachhaltig Gewalt zu.Aktuell nimmt die Relevanz undWertschätzung von Gebärdensprachewieder stetig zu.

Die Kinder- und Jugendliteratur(KJL) zur Gehörlosigkeit, ein zwarnoch immer sehr kleiner, gerade inden letzten Jahren aber kontinuierlichwachsender Bereich insbesondere derenglischsprachigen KJL, trägt der An-erkennung der Gebärdensprache alsein der Lautsprache gleichwertigeslinguistisches System Rechnung undinkorporiert gebärdensprachliche Ele-mente verstärkt in die Narration undIllustration. Nach einem Exkurs zurEntwicklung und den sprachlichen

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Rana „Wir sprechen mit den händen“

Besonderheiten von Gebärdensprachewird dieser Artikel zunächst die Ent-wicklung innerhalb der KJL über Ge-hörlosigkeit nachzeichnen, um danneinen Überblick über den Einbezugvon Gebärdensprache in die aktuelleKJL zu geben und diesen exemplarischam Beispiel des deutschen Videopro-jektes „Kinderbücher in Gebärdenspra-che“, des US-amerikanischen Jugend-romans Strong Deaf und des schweize-rischen Bilderbuchs Das Geheimnis des

Piratenflosses zu analysieren.

Nachdem die schulische Erziehungvon gehörlosen Kindern und Jugend-lichen lange Zeit ohne größere öffent-liche Aufmerksamkeit verläuft,verstärkt sich das wissenschaftlicheInteresse an der Erziehung Gehörloserin der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-derts und mündet unter anderem inden sogenannten Mailänder Kongressvon 1880. Dieser Second InternationalCongress on the Education of the Deaf(ICED) erweist sich in der Folge alsZäsur in der Auseinandersetzung derbeiden konkurrierenden gehörlosen-pädagogischen Modelle: Der manuel-len Methode einerseits, die den Wertund den Erwerb der Gebärdenspracheunterstützt, und der oralen Methode

andererseits, die konsequent auf einVerbot der Gebärdensprache und eineErziehung zur lautsprachlichen Arti-kulation und zum Lippenlesen setzt.Nach Beschluss des Mailänder Kon-gresses sollen gehörlose Kinder fortannur noch in Lautsprache unterrichtetund die Gebärdensprache stattdessenkomplett aus den Schulen verbanntwerden (vgl. u.a. Krausneker 131–132): „Gehörlosenpädagogik redu-zierte sich weitgehend auf eineSprech-Pädagogik, eine Pädagogikdes Entstummens“ (Prillwitz 20), diein großen Teilen scheitert – ein „schu-lisches Martyrium“ beginnt (Urban161).

Mit der oralen Methode verbundenist eine große und durchaus hehreHoffnung, dass gehörlose Kinderdurch artikulatorisches Training undLippenlesen in die Lage versetzt wür-den, lautsprachliche Äußerungen zuverstehen und selbst zu leisten, und soin die Mehrheitsgesellschaft integriertwürden. Der nur vordergründig aufden didaktisch-pädagogischen Be-reich reduzierte Wandel hat signifi-kante Folgen: Gehörlose Lehrerinnenund Lehrer werden entlassen, weil siezum einen häufig nicht lautsprachlichkommunizieren können und zum an-deren als schlechtes Vorbild für dieKinder erachtet werden; die Gehör-losengemeinschaft wird dämonisiert,

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Der lange Weg zur aner-kennung: Gebärden ist

Sprechen!

weil sie in ihrem Festhalten an derGebärdensprache als „Gefahrenhort“für die erfolgreiche lautsprachlicheEntwicklung gehörloser Kinder gilt(ebd.).

Die signifikantesten Änderungenbetreffen aber die gehörlosen Kinderund Jugendlichen selbst. Unter denneuen Unterrichtsmethoden werdensie nicht nur massiv in ihren Persön-lichkeitsrechten beschränkt – ihnenwird vehement und unter teils drako-nischen Strafen die Kommunikation inihrer Muttersprache verboten (vgl.McDonnell/Saunders) –, das Bildungs-niveau Gehörloser sinkt darüber hin-aus in den darauffolgenden Jahrenstetig, bis es weit unter dem durch-schnittlichen Niveau der Hörendenliegt (vgl. Prillwitz 20). Dies ist nichtnur der Tatsache geschuldet, dass einGroßteil der Unterrichtszeit fortan vonlautsprachlichen Übungen dominiertist und somit wenig Zeit für fachlicheBildung bleibt. Wichtiger scheint nochdie durch das Verbot der Gebärden-sprache resultierende Verweigerungeiner Entwicklung zur Sprachlichkeit:Wie Leuninger für die gebärdensprach-liche Sprachentwicklung demonstriert(vgl. 158) und wie aus diversen Stu-dien zur (lautsprachlichen) Mehrspra-chigkeit hinlänglich bekannt ist (vgl.z.B. Kracht, Ünsal/Wendlandt), kannder Zweitspracherwerb nur dann

gesichert erfolgen, wenn die Erstspra-che ausreichend ausgebildet ist, wennalso überhaupt Sprachlichkeit vor-liegt. Da die nach dem MailänderKongress mit Hilfe der oralen Me-thode unterrichteten Kinder aber invielen Fällen nicht in der Lage sind,die Lautsprache als Muttersprache zuerwerben, bleiben ihr Sprachvermö-gen und ihre Ausdrucksfähigkeit häu-fig nur rudimentär entwickelt. Mit derfehlenden Befähigung zur Kommuni-kation einher gehen darüber hinausSchwierigkeiten im sozialen, kogniti-ven und emotionalen Bereich, Phäno-mene, die sich auch heute noch beieinigen aktuell ohne Einbezug der Ge-bärdensprache erzogenen Kindern be-obachten lassen (vgl. z.B. Calderon/Greenberg 177–180, Wisch 113–131).

Die Kontroverse um orale und ma-nuelle Erziehung geht derweil unver-mindert weiter (vgl. Lang 16), befeuertvor allem durch die linguistischen Ar-beiten von Bernard Tervoort und Wil-liam Stokoe, die in der Mitte des 20.Jahrhunderts für die Gebärdenspracheerstmalig den Status einer vollwerti-gen Sprache nachweisen (vgl. BoyesBraem, Tervoort, Stokoe). Diese lingui-stische Anerkennung und Positionie-rung trägt entscheidend zum (Wieder-)Erstarken einer positiven deaf identity

insbesondere in den Vereinigten Staatenbei, das sich global fortsetzt. Langsam

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etabliert sich nun auch eine stärkereWertschätzung der Gebärdenspracheals Teil der Gehörlosenkultur und alsvollwertiges linguistisches System,eine Veränderung, die sich vor allemin den Schulen bemerkbar macht: Invielen Ländern, in denen eine schuli-sche Förderung gehörloser Kinderund Jugendlicher existiert, ist die Ge-bärdensprache mittlerweile soweitver- ankert, dass ihre Nutzung zumin-dest nicht mehr unterbunden wird.

Noch immer ist die Gebärdensprachejedoch nicht universell anerkannt, wieein Blick auf die Länder, aus denen diedrei noch zu besprechenden Einzelbei-spiele mehrsprachiger KJL stammen,demonstrieren mag: Nachdem die po-litische Wertschätzung in Deutschlanddurch einen Entschließungsantrag inHessen 1998 ihren Anfang nahm,folgte 2002 die (bundesweite) rechtli-che Anerkennung mit dem Gesetz zurGleichstellung behinderter Menschen(§ 6 BGG). In der Schweiz ist Gebär-densprache auf Bundesebene nichtrechtlich verankert, die Verfassungender Kantone Genf und Zürich beinhal-ten allerdings Passagen, die die Gebär-densprache betreffen (vgl. „Verfassungder Republik und des Kantons Genf“,„Verfassung des Kantons Zürich“). Ein

ähnliches Bild zeigt sich in den USA,wo American Sign Language (ASL)auf nationaler Ebene nicht offiziellanerkannt, in verschiedenen Bundes-staaten aber unterschiedlich bindendverfassungsrechtlich geregelt ist (vgl.De Meulder 498–506).

Die heutige Bildungslandschaftpräsentiert sich diversifiziert: InDeutschland wird die Gebärdenspra-che häufig als wertvoller Bestandteilder Gehörlosenkultur wertgeschätzt,ihr Gebrauch ist in vielen Fällen er-wünscht, zumindest aber weitgehendakzeptiert (vgl. zur Entwicklung bis1990 Wisch, bis 2008 Leonhardt).Trotzdem existieren nach wie vor Be-fürchtungen, die Verwendung vonGebärdensprache in Unterricht undFamilie zuungunsten der hörgerichte-ten Erziehung könne zu einer Integra-tionsverweigerung gehörloser Kinderund Jugendlicher in die Mehrheitsge-sellschaft führen. Gezielte Förderunggehörloser Kinder und Jugendlicherist zudem teuer; während es für die Pri-mar- und Sekundarstufe 1 in Deutsch-land deshalb noch relativ guteschulische Bildungsmöglichkeiten gibt,bieten viele Bundesländer ab der Se-kundarstufe 2 keine speziellen Schul-formen für gehörlose Jugendliche an.Auch im universitären Bereich gibt eskeine speziellen Einrichtungen, im Ge-gensatz z.B. zu den USA, wo einige

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Gebärdensprache heute

Colleges und mit der Gallaudet Uni-versity auch eine renommierte Univer-sität speziell auf gehörlose Studierendeausgerichtet sind.

In der Schweiz ist der langjährigeFokus auf die orale Erziehung nochimmer sehr deutlich spürbar. Hierkönnen gehörlose Jugendliche überden Realschulabschluss hinaus nur inZürich eine Schule für Gehörlose be-suchen (vgl. Boyes Braem/Haug/Shores 58–64). Zudem ist die Rate vonCochleaimplantaten sehr hoch; im-plantierte Kinder werden häufig ohnegebärdensprachliche Unterstützungund Förderung in Regelschulen unter-richtet. Boyes Braem, Haug undShores interpretieren die offizielleWertschätzung von Gebärdensprachedeshalb auch als Lippenbekenntnis(vgl. 62–63). Chancen, aber auch Pro-bleme stellen sich in Folge der in denletzten Jahren signifikant verstärktenInklusionsbemühungen gehörloserKinder an Regelschulen, die von denhier betrachteten drei Staaten vorallem in den Vereinigten Staaten undDeutschland sehr intensiv diskutiertwerden (vgl. z.B. Bohms, DG, Kraus-mann/Lüggert, Ludwig, Lönne, Stei-ner). In der Schweiz hingegenbesuchen die meisten gehörlosen Kin-der schon jetzt eine Regelschule, dieinklusionspädagogische Förderungund Unterstützung geben jedoch

Anlass zur Sorge und sind Kern-punkte in der Auseinandersetzung derGehörlosengemeinschaft mit denstaatlichen Insitutionen.

„Die grundlegende Bedeutung vonSprache ist in ihrer kommunikativenVerwendung zu sehen“, erklärt Prill-witz und erläutert weiter:

Das sprachliche Zeichensystem alszweites Signalsystem vermag diegedachte, erfahrene oder auch er-fundene „Realität“ wieder- bzw.neu zu erschaffen. Sie repräsen-tiert gleichsam die Wirklichkeit ineiner Form, die sie auch für denanderen weitgehend entzifferbarmacht. (23)

Erst Sprachlichkeit ermöglicht so dasLeben und Denken in Zukunft undVergangenheit, erlaubt abstrahiertesDenken und Kommunizieren. Einsprachliches System muss somit überdie pure (lautliche oder visuelle) Iko-nographie hinausgehen. Genau dieseCharaktereigenschaft wurde der Ge-bärdensprache jedoch lange Zeit abge-sprochen, sehr zu Unrecht, wie dieForschung von Stokoe, Trevoort undanderen schon in den 1960ern zeigteund wie auch die aktuellen, exzellen-ten Arbeiten z.B. von Papaspyrou,Leuninger/Wempe und Valli/Lucasunter Beweis stellen.

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linguistische Merkmalevon Gebärdensprache

Wie Wisch erörtert, ist Gebärden-sprache entsprechend der allgemeinenDefinition von Sprache als konventio-nelles Zeichensystem zu definieren,

dessen Elemente eine bestimmteStruktur aufweisen, nach be-stimmten Regeln miteinander ver-knüpft werden und im Sinne dersymbolischen Interaktion der zwi-schenmenschlichen und intraper-sonellen Verständigung dienen.(155)

Während in der Lautsprache insbeson-dere der Sprechtrakt die sprachbil-dende Funktion übernimmt, dient beider Gebärdensprache der ganze Körperals Sprachinstrument: Gebärdenspra-che besteht nicht nur aus Handzeichen,auch Kopf- und Körperhaltung, Mimikund die Positionierung der einzelnenGebärden im sogenannten Gebärden-raum spielen eine entscheidende undbedeutungsverändernde Rolle.

Von der Gebärdensprache strengzu unterscheiden ist das laut-sprachbegleitende Gebärden (LBG):Während die verschiedenen Gebär-densprachen eigenständige linguisti-sche Systeme sind, die folgerichtigjeweils auch z.B. eigene Grammatikenbesitzen, ist LBG eine direkte Übertra-gung der Lautsprache. Die einzelnenWörter der lautsprachlichen Äuße-rungen werden eins zu eins in Gebär-den umgewandelt; die gestische

Bewegung im lautsprachbegleitendenGebärden ersetzt die Arbeit desSprechtrakts in der Lautsprache, ohnedass der Lautsprache in Bedeutung,Grammatik, Semantik etc. etwas hin-zugefügt würde. LBG ist somit einkünstliches Verfahren zur besserenSichtbarmachung der Lautspracheund stellt kein eigenes Sprachsystemdar. Ein weiteres künstliches Verfah-ren, das jedoch vielfach in die Nut-zung von Gebärdensprache integriertwird, ist das Fingeralphabet, das z.B.genutzt wird, um Eigennamen zubuchstabieren, eine Aussage beson-ders hervorzuheben oder aus derLautsprache zu „zitieren“. Im Gegen-satz zu den verschiedenen Gebärden-sprachen, die in zahlreichen, genauwie die Lautsprachen nicht immermiteinander verwandten National-sprachen und regionalen Dialektenauftreten, existiert eine universale Va-riante des Fingeralphabets, das mit re-gionalen Abweichungen vongebärdensprachlich kommunizieren-den Menschen weltweit benutzt wird.

Gebärdensprache in der Kin-der- und Jugendliteratur

Für den Einbezug von Gebärdenspra-che in die KJL stellt die Eigenständig-keit Ersterer eine Herausforderungdar: Soll dem Sprachcharakter vonGebärdensprache gerecht geworden

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werden, dann genügt es nicht, ein-zelne Gebärden gestisch (und somitbeinahe zwangsläufig ungrammatika-lisch) an die Stelle lautsprachlicher Wör-ter zu setzen oder diese illustratorischneben dem lautsprachlichen Wort ab-zubilden. Die verschiedenen KJL-Texte,in denen Gebärdensprache thematisiertwird, gehen deshalb auch sehr unter-schiedlich mit dieser Problematik um.

Eine besondere sprachliche Einbin-dung von Gebärdensprache stelltderen Übertragung in die Lautsprachein Form von deaf speak dar, die insbe-sondere in der US-amerikanischen Ju-gendliteratur vereinzelt anzutreffen ist.Dabei werden gebärdensprachliche

Äußerungen nicht direkt in die Laut-sprache übersetzt, sondern wort- undgrammatikgenau übertragen, eineHerangehensweise, die zwar den spe-ziellen Sprachcharakter von Gebär-densprache treffend darstellen kann,aufgrund der gramatikalischen Beson-derheiten von Gebärdensprache aberlautsprachlich ungrammatisch ist undungewollt eine verkürzte Denk-, Aus-drucks- und Abstraktionsweise dergebärdenden SprecherInnen impli-ziert. Herausragendes Beispiel für dieVerwendung von deaf speak ist der2013 mit dem White Ravens Awardausgezeichnete Jugendroman Strong

Deaf, auf den in der Folge noch einge-gangen wird; deaf speak findet sich aberauch schon im 1981 erschienenenBuch Apple Is My Sign. Dessen AutorinMary Riskind erklärt dazu:

Word order in sign language oftenis not the same as its English trans-lation. „See before that finish” saidin sign becomes „I’ve already seenthat before” in English. I wantedto give you a feeling for sign lan-guage, but without confusing you,so I stayed with English wordorder through most of the story,and sometimes added little wordsor endings. (xi–xii)

Apple Is My Sign folgt der Gebärden-sprachennotation, wenn z.B. eine Ge-bärde, die lautsprachlich in eineWortsequenz zu übersetzen wäre, als

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Abb. 1: deaf speak in den 1980ern: Mary Riskinds Apple Is My Sign

(Houghton Mifflin)

gekoppeltes Einzelwort notiert wird,z.B. „Keep-away“ (27) oder „same-way“ (66), oder wenn mit Hilfe desFingeralphabets gebärdete lautsprach-liche Wörter in ihre alphabetischenEinzelteile zerlegt werden, z.B. „Whatyou think A-C-A-D-E-M-Y mean?“ (63).

In den meisten Fällen ist die Ver-wendung von Gebärdensprache durchdie ProtagonistInnen relativ unaufge-regt in den Handlungsverlauf inte-griert, z.B. in Feathers von JacquelineWoodson (2007) und in der ReihePaula Pepper ermittelt von Sabine Blazy(2007–2009). Dabei wird die Gebär-densprache ganz klar als Sprache ge-kennzeichnet, ohne zugleich den(meist wenig erfolgreichen) Versuchzu unternehmen, den besonderen vi-suellen und sprachlichen Charakterder Sprache zu vermitteln, z.B.: „,Hierim Auto ist es bei Gewitter noch am si-chersten‘, sagte sie mit raschen Gebär-den“ (Paula Pepper 3). Eine solcheVorgehensweise stellt aus der Sichteines Autors bzw. einer Autorin einer-seits sicher einfach eine bequeme Al-ternative dar, andererseits ist esgerade diese Unaufgeregtheit inBezug auf Gebärdensprache im Be-sonderen und Gehörlosigkeit im All-gemeinen, die diese Bücher aus-zeichnet und für unterschiedlichsteZielgruppen lesenswert macht. So wirdGehörlosigkeit z.B. in Paula Pepper

ermittelt nicht als Alleinstellungsmerk-mal, als innovatives Extra ausge-schlachtet und für dramatische Effekteund Konflikte missbraucht, wie es inmanchen Romanen insbesondere mitromantischer Handlung häufig ge-schieht (vgl. z.B. Im Schatten). Protago-nistin Paula ist einfach einaufgewecktes Mädchen, dessen Ge-hörlosigkeit en passant erzählt wirdund für die Handlung zwar häufigeine Rolle spielt, in deren Vorhanden-sein sich seine Charakterisierung undReifung jedoch nicht erschöpfen.

Ebenfalls eher beiläufig integriertist die Gebärdensprache in Adams

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Abb. 2: Entspannter Umgang mit Gehör-losigkeit und Gebärdensprache: Sabine

Blazys Reihe Paula Pepper ermittelt

Buch (2002), wo gebärdensprachlicheÄußerungen in die Lautsprache über-setzt werden und lediglich durcheinen Zusatz wie „gebärdete ich“ (108)statt „sagte ich“ o.ä. markiert sind. Il-lustratorisch werden Gebärden hierebenfalls nicht explizit hervorgehoben,die Illustrationen bilden im Standbildeher beiläufig gebärdende Menschenab, deren Handposition auf die betref-fende Gebärde schließen lässt. Fürnicht-gebärdensprachliche Lesendestellt diese Visualisierung kein Hin-dernis im Text-Bild-Verständnis darund wird vielleicht nicht einmal regi-striert, gebärdensprachlichen LeserIn-nen hingegen eröffnet sie eine weitereBedeutungs- und Identifikationsebene.

Einige Romane verwenden eine ge-wisse Anstrengung darauf, die Gebär-densprache zu beschreiben, indem siekonkrete Gebärden erläutern (z.B.:„Gleichzeitig machte sie mit der rech-ten Hand eine kurze Gebärde. Siehatte den Daumen und den kleinenFinger abgespreizt. Offenbar war dasdie Handbewegung für ‚Ja‘“, Freak City

75) und ihre hörenden ProtagonistIn-nen im Gesprächsverlauf wiederer-kennen und wiederholen lassen (vgl.ebd. 104). Häufig gehen diese Be-schreibungen zuerst mit einem gewis-sen Unglauben der ProtagonistInneneinher, die der Gebärdensprache erst-malig begegnen, sind gefolgt von

Interesse für die Sprache und mün-den in deren Erlernen (vgl. z.B. Rico,

Oskar und der Diebstahlstein, Freak Ci-

ty). Dabei gelingt es den Protagonist-Innen mitunter überragend schnell,die Gebärdensprache so weit zu erler-nen, dass sie zum Teil elaborierte Un-terhaltungen verstehen und sogarselbst führen können. Eine solcheDarstellung ist hochgradig unreali-stisch: Wie jede andere Sprache auchsind Gebärdensprachen überauskomplex und selbst hochbegabte Ge-nies wie Oskar in Rico, Oskar und der

Diebstahlstein oder der liebestolle In-

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Rana „Wir sprechen mit den händen“

Abb. 3: In Freak City (Kathrin Schrocke,Carlsen 2010) versteht Mika Gebärden-

sprache unrealistisch schnell.

tensivkursbesucher Mika in Freak City

dürften Mühe haben, sich die Spracheinnerhalb weniger Lernstunden zuerschließen.

Gebärdensprache im Bil-derbuch

In Bilderbüchern werden ausgewählteGebärden häufig illustrativ approxi-miert. Das Bild unterstützt dabei denText, indem es die Gebärde in einerausgewählten Szene darstellt (vgl.Abb. 4 [Adams Buch 50]). Für denfremdsprachigen, d.h. der Gebärden-sprache nicht kundigen Betrachter istdie Nachahmung dieser Gebärdemeist nicht möglich: Sie ist häufig le-diglich statisch dargestellt, d.h. ohneden sinngebenden Gebärdenverlauf,der die Geste erst zur Gebärde werdenlässt. Darüber hinaus ist nicht immerklar, ob es sich tatsächlich um eine Ge-bärde handelt und welches Wort ge-rade gebärdet wird. In der Nach-ahmung liegt allerdings auch nichtdas Hauptziel solcher Illustrationen.Vielmehr soll die Illustration von Ge-bärdensprache, so ist zu vermuten,diese textunabhängig als Sprache un-terstreichen und das Interesse der Le-senden an ihr wecken. Des Weiterenbietet die Verbildlichung der Gebär-den gehörlosen Kinder eine zusätzli-che Identifikationsmöglichkeit inner-halb der Geschichte und stärkt die

meist bereits narrativ unterstricheneWertschätzung von Gebärdensprache.

Häufig werden Gebärden oder dasFingeralphabet auf den inneren Um-schlagsseiten illustratorisch darge-stellt, so z.B. bei Maga und die

verzauberten Ohren, Das Geheimnis des

Piratenflosses und Wir sprechen mit den

Händen. In den aktuelleren Bücherndes schweizerischen fingershop.ch-Verlags werden nicht nur die Gebär-den in Deutschschweizer Gebärden-sprache (DSGS), sondern auch die derbeiden anderen schweizerischen Ge-bärdensprachen, langue des signesfrançaise (LSF) und lingua dei segni

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Abb. 4: Integriert Gebärdenspracheunaufgeregt in die Illustration: Chris-tersson und Lindhs Adams Buch (2002)

italiana (LIS) abgebildet (vgl. Das Ge-

heimnis des Piratenflosses, Maga und der

gefangene Prinz). In den Texten selbstwird die Gebärdensprache in die deut-sche Lautsprache übersetzt, also nichtwie z.B. in Apple Is My Sign oderStrong Deaf in deaf speak übertragen,außerdem zeichnen sich die Bücherdurch ihre einem deutlichen didak-tisch-aufklärerischen Impetus fol-gende narrative Thematisierung unddie verlaufsorientierte Illustration derGebärden aus (vgl. Abb. 5).

Den Haupttext ergänzt sowohl imBilderbuch als auch in der erzählendenKJL in vielen Fällen ein erläuterndes

Vor- oder Nachwort. Dieses dient häu-fig der Authentifizierung des Beschrie-benen, d.h. die AutorInnen betonenihre eigene Gehörlosigkeit (vgl. z.B.Das Geheimnis des Piratenflosses), ihrefamiliäre Verbindung zur Gehörlosig-keit (vgl. z.B. Apple Is My Sign) oderbelegen ihre Initiierung in die Gehör-losenkultur durch einen Dank an ver-schiedene gehörlose Einzelpersonen,Gehörlosenvereinigungen und/ oderGebärdendolmetscherInnen (vgl. z.B.Paula Pepper ermittelt, Freak City oderWhisper). Des Weiteren dienen dieseVor- und Nachworte häufig einer Er-läuterung des Beschriebenen, sowohlwas die allgemeine Kultur der Gehör-losigkeit als auch die Besonderheitenin der Transkription von Gebärden-sprache angeht. Sehr gelungen ist einsolcher Einstieg z.B. in Apple Is My

Sign, in dessen Vorwort die Autorinunprätentiös und treffend die Charak-teristika von Gebärdensprache erläu-tert und einen Einblick in derenNotation und lautsprachliche Ver-schriftlichung gibt. Auch Wir sprechen

mit den Händen, wo in zwei Rubriken(„Was ist das Fingeralphabet und wasdie Gebärdensprachen?“ sowie „Wiespreche ich mit einem gehörlosenMenschen?“) unaufgeregt und infor-mativ verschiedene relevante Aspekteerläutert werden, gelingt diese Einfüh-rung gut. Lynn McElfresh hingegen

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Rana „Wir sprechen mit den händen“

Abb. 5: Die Reihe um Maga zeichnet sichdurch eine vehemente Verortung innerhalb der

politischen Debatten um Gehörlosigkeit aus.

wurde für das bei Strong Deaf feh-lende Vorwort kritisiert, weil die Le-senden so nicht auf die Verwendungvon deaf speak vorbereitet seien unddie Identifikation mit der gehörlosenProtagonistin erschwert werde (vgl.Pajka-West). McElfreshs Jugendro-man Strong Deaf, das Projekt „Kinder-bücher in Gebärdensprache“ sowiedas Bilderbuch Das Geheimnis des Pi-

ratenflosses werden in den folgendenKapiteln exemplarisch untersucht.

Das Projekt „Kinderbücherin Gebärdensprache“

Das Projekt „Kinderbücher in Gebär-densprache“ (http://kinderbuecher.gmu.de) des GehörlosenverbandsMünchen und Umgebung animiertund erzählt in Laut- und Gebärden-sprache Kindergeschichten. In kurzenVideos mit einer Länge von drei bisachtzehn Minuten werden Fabeln,Märchen und bereits im traditionellenPrintformat veröffentlichte Bilderbü-cher animiert sowie musikalisch undlautsprachlich vertont und untertitelt.Zusätzlich ist jeweils zentral eine ge-bärdende Person eingeblendet, diezum Teil aktiv in die Animation inte-griert ist und die Geschichte in Gebär-densprache erzählt (vgl. Abb. 6).Finanziert wird das Projekt größten-teils über die „Aktion Mensch“, esläuft über insgesamt zwei Jahre bis

Sommer 2016; eine wissenschaftlicheBegleitung findet u.a. im Rahmeneiner Masterarbeit am Lehrstuhl fürGehörlosen- und Schwerhörigenpä-dagogik an der LMU München statt.Hauptziel von „Kinderbücher in Ge-bärdensprache“ ist die sprachlicheFörderung gehörloser und schwerhö-riger Kinder, die Videos sind aber sogestaltet, dass sie auch für ein nicht ge-bärdensprachliches Publikum ver-ständlich sind. Sie werden nicht nur inder frühen bilingualen Sprachförde-rung, sondern auch als Arbeitsmate-rial für Fachkräfte, in der univer-sitären Ausbildung und als Übungs-material für DGS-Lernende eingesetzt.Die konzeptionelle und gestalterischeArbeit an den Videos erfolgt zielgrup-penorientiert. So arbeitet das Projekt-team eng mit dem FörderzentrumHören in Johanneskirchen, insbeson-dere mit deren SchulvorbereitenderEinrichtung (SVE) zusammen. Diehier betreuten Kinder von drei bissechs Jahren und deren ErzieherInnengeben Feedback zu bereits produzier-ten Videos, das dann in die weitereArbeit einfließt.

Illustration und Text einiger Videossind gezielt für das Projekt konzipiert(z.B. „Der Löwe und die Maus“, „FrauHolle“, „Der Forschkönig“), zwei derVideos verwenden Text und Illustra-tion von Verlagsbüchern („Eine Kiste

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Nichts“, „Das kleine Wunder“). DerenIllustrationen wurden mit professio-nellen Grafikprogrammen nachbear-beitet (z.B. freigestellt) und animiert,das Dolmet- schen in die Gebärden-sprache übernehmen profes- sionelleDolmetscherInnen. Da das Projekt ins-besondere der frühen Sprachförde-rung dient, ist eine exzellenteÜbersetzung in DGS zentral, die Über-setzungen werden deshalb u.a. mehr-fach eingeübt und von ausgebildetengehörlosen und hörenden Gebärden-dolmetscherInnen kontrolliert. ZurArbeit am Video zählen außerdem dieUntertitelung bzw. die Texteinblen-dung, die Vertonung in Lautsprachesowie die Auswahl und Hinzufügungder Hintergrundmusik.

Besonders überzeugen können dieFilme, wenn sie sich an ein bereits ver-öffentlichtes Werk anlehnen, Text undIllustration also direkt von der Vor-lage übernehmen. Dabei wird zu-nächst die bereits illustrierte Doppel-seite des Buches eingeblendet, diehäufig durch animierte Elemente er-weitert wurde (so springt z.B. in eineransonsten statischen Zeichnung einesTischtennisspiels der Ball von der Platteund aus dem Rahmen, vgl. „Das kleineWunder“ 02:06). Die Auswahl der Ge-schichten erfolgt ohne ersichtlichen di-daktischen Impetus, sie sind erfrischendfrei von politischen Debatten über dieRelevanz von Gebärdensprache sowieeiner Bewerbung oder Verdammungvon Instrumenten und Institutionen

Rana „Wir sprechen mit den händen“

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Abb. 6: Screenshot des GMU-Videos „Eine Kiste Nichts“(2015)

von gehörlosenkultureller Relevanz. Inder KJL über Gehörlosigkeit ist dieskeine Selbstverständlichkeit; vieleBücher gerade im Kinderbuchsegmentsind mehr oder weniger explizit ideo-logisch gefärbt (vgl. z.B. die Präferenzfür Gehörlosenschulen in Maga und die

verzauberten Ohren und für die Inklu-sion gehörloser Kinder in Regel-schulen in Das Geheimnis des Piraten-

flosses oder die Mobilmachung fürCochleaimplantate in Superohr und der

blaue Diamant, Sunny and her Cochlear

Implants oder Abby Gets a Cochlear

Implant). Die Geschichten in „Kinderbücher

in Gebärdensprache“ umfassen dreiFabeln unterschiedlicher kulturellerHerkunft („Der Hund und das StückFleisch“, „Der Esel und das Pferd“und „Der Löwe und die Maus“), zweibekannte Märchen („Frau Holle“ und„Der Froschkönig“) und zwei Bilder-bücher. Letztere befassen sich mit denThemen Freundschaft, Fantasie undMagie des Alltags. „Kinderbücher inGebärdensprache“ zeichnet sich sodurch ein relativ weites, vor allemaber nicht problemorientiertes Korpusaus, das auch sein gehörloses Publi-kum als diejenigen anspricht, die siezuallererst sind: Kinder. Während dieauf der Vorlage von Bilderbüchern ba-sierenden Videos auch durch Grafikund Illustration überzeugen, sind die

frühen Videos noch von eher amateur-haften Buntstiftillustrationen gekenn-zeichnet. Deren Witz und Expressivitättut dies zwar keinen Abbruch, in unse-rer stark medialisierten und visuell äs-thetisierten Welt erschwert diesallerdings sicherlich die Rezeption imMainstream. Die späteren Videos sindbereits deutlich professioneller und er-reichen so auch einfacher eine erwei-terte Zielgruppe. Alles in allem ist„Kinderbücher in Gebärdensprache“ein überaus gelungenes Projekt, dassich durch einen extrem unverkrampf-ten und natürlichen Umgang mit derGebärdensprache auszeichnet.

Der Jugendroman Strong

DeafStrong Deaf von Lynn McElfresh ist ein2012 in den USA erschienener Jugend-roman, der bisher noch nicht ins Deut-sche übersetzt wurde. Die Geschichtedreht sich um Marla und Jade, zweiSchwestern, die in einer gehörlosenFamilie aufwachsen. Marla ist gehör-los, Jade hörend, und die daraus resul-tierende Dynamik in Bezug auf Zu-gehörigkeit und Identitätsbildungmacht einen Teil der Spannungen zwi-schen den beiden Schwestern aus:Jade neidet ihrer gehörlosen Schwe-ster deren unmittelbaren Zugang zurGehörlosenkultur, insbesondere ihrenBesuch eines Internats für Gehörlose,

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dessen Tradition eng mit ihrer Familieverbunden ist: Jade und Marlas Groß-vater ist Direktor des Internats undalle gehörlosen Kinder der erweitertenFamilie haben diese Schule besucht.Trotz ihres guten Verhältnisses zuihren Eltern und Großeltern fühlt sichJade als Außenseiterin in ihrer Familieund ist es objektiv betrachtet auch:Obwohl sie fließend gebärdet, ist ASLdoch nicht in dem Maße ihre Mutter-sprache, wie sie es für den Rest ihrerFamilie ist; sie hat tiefe Einblicke in dieGehörlosenkultur, kann aber zentrale

Aspekte wie deren Ablehnung vonCochleaimplantaten und die Vehemenzder Proteste gegen die Amtseinführungeiner nicht mit der Gehörlosenkulturaufgewachsenen Präsidentin der Gal-laudet University nicht nachvollzie-hen. Marla hingegen empfindet JadesVerhalten als kindisch und unreflek-tiert, sie nimmt deren Eifersucht undVerletztheit nicht wahr und wehrt sichvehement dagegen, Verantwortungfür die kleine Schwester zu überneh-men und sie von ihren Eltern und demSoftballtrainer als Dolmetscherin vor-gesetzt zu bekommen.

Im Gegensatz zu den meisten an-deren Büchern, die Gebärdensprachein die Erzählung oder Illustration ein-binden, inkorporiert Strong Deaf ASLganz unmittelbar, indem nämlich dieaus Marlas Perspektive erzählten Ka-pitel durchgängig in deaf speak, d.h.einer Verschriftlichung der Gebärden-sprache geschrieben sind. Da, wie be-reits erläutert, ASL eine eigenständige,weder grammatikalisch noch seman-tisch mit der amerikanischen Laut-sprache verwandte Sprache ist,entsteht so eine sehr eigenwilligeSprachkonstruktion. Marlas Wiederse-hen mit ihrem Hund Beezley bei ihrerRückkehr vom Internat liest sich zumBeispiel wie folgt:

Surprise. Feeling same snaketouch leg. Maybe scream, but no.

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Abb. 7:Strong Deaf stellt unmittelbar undunverstellt die alltäglichen Konfliktezweier in einer gehörlosen Familieaufwachsenden Schwestern dar. 

Turn around, Beezley greet me.Not snake. Dog tail. Beezley mydog. Sister Jade think Beezley herdog, because Jade live home allyear. I older. I first daughter. Firstlove of Beezley.

Überraschung. Gefühl wieSchlange das Bein berühren. Viel-leicht schreien, aber nein. Umdre-hen, Beezley begrüßen mich.Nicht Schlange. Hundeschwanz.Beezley mein Hund. SchwesterJade denken Beezley ihr Hund,weil Jade leben zu Hause dasganze Jahr. Ich älter. Ich ersteTochter. Erste Liebe von Beezley.

Was bei dieser Übertragung zunächstins Auge sticht, ist deren Ungramma-tikalität. Verben werden nicht flektiert(„Beezley greet me“/„Beezley begrü-ßen mich“), eine Tatsache, die inkon-gruent mit der Verbflexion in ASL undsomit sowohl in ASL als auch in derLautsprache fehlerhaft ist und so einvermindertes Sprachvermögen impli-ziert. Auch die explikationshaften Ein-bzw. Zweiwortsätze (z.B. „Sur-prise“/„Überraschung“ oder „dogtail“/ „Hunde- schwanz“) und dieAuslassung von Verben und Personal-pronomen (z.B. „Maybe scream, butno“/„Vielleicht schreien, aber nein“)stützen diese Ungrammatikalität.Durch die direkte, grammatikalischnicht bereinigte bzw. fehlergenerie-rende Übertragung bietet sich so zwar

ein Einblick in die Unmittelbarkeit,das metaphorische Potential und denSprachwitz von ASL, es entsteht aberauch ein Eindruck von ASL als un-grammatikalischer Halbsprache. Soreproduziert deaf speak in gewisserWeise gerade jenes Vorurteil, gegendas sich die linguistische Erforschungvon Gebärdensprachen seit Mitte des20. Jahrhunderts erfolgreich wehrt.

Im Gespräch mit Sharon Pajka-West, Literaturwissenschaftlerin an derGallaudet University und Bloggerinzu Jugendliteratur über Gehörlosigkeit,erläutert McElfresh:

[M]ost of the criticism for the bookhas come from hearing peoplewho are aghast at the language,thinking by writing the way I doI’m trying to say that deaf peopleare stupid. To me this just exposesthe reviewers’ ignorance.

Da dem Buch jedoch keine Erklärungvon deaf speak beigefügt ist und vonden Lesenden nicht automatisch er-wartet werden kann, dass sie mit denlinguistischen Feinheiten von Gebär-densprache vertraut sind, scheint diesenegative und „entsetzte“ Kritik durch-aus begründet. Selbst wenn die Unter-stellung, McElfresh präsentiere ihregehörlose Protagonistin bewusst als„stupid“, vor dem Hintergrund derGeschichte und ihrer offensichtlichenAffinität für die Gehörlosenkultur

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natürlich nicht haltbar ist, werdendurch die Verwendung von deaf speak

doch trotzdem unbewusste Mechanis-men in Gang gesetzt, die den Lesen-den Marla als zumindest sprachlich„dumm“ erscheinen lassen. Darüberhinaus erschwert die ungrammatika-lische Übertragung das Textverständ-nis und konstruiert einen immensenGegensatz nicht nur zwischen Jadeund Marla, sondern vor allem zwi-schen Marla und dem hörenden Lese-publikum. Obwohl die Schwesternvom narrativen und inhaltlichen Auf-bau des Buches her gleichberechtigteProtagonistinnen sind, findet so vorallem eine Identifikation (zumindestder nicht-gehörlosen Lesenden) mitder hörenden Jade statt – allen wohl-gemeinten und zum Großteil auchwohlumgesetzten Anforderungen derAutorin zum Trotz wird so der sprach-liche und kulturelle Graben zwischenHörenden und Gehörlosen vertieft.

Gleichzeitig ist der Impetus hinterder Wahl von Übertragung statt Über-setzung bzw. der direkten Formulie-rung in Lautsprache von großemRespekt gegenüber der Gebärdenspra-che geprägt: Was die Autorin zu ver-mitteln versucht und was, zumindestnach erfolgreichem „Einlesen“ in Mar-las deaf speak, zum Teil auch bei denLesenden ankommen mag, ist der be-sondere Charakter von ASL, der sich

vor allem in ihrer Schnelligkeit undihrem Sprachwitz zeigt. McElfreshversucht, über ASL einen Zugang zuden Traditionen und Diskussionenin der Gehörlosengemeinschaft zuschaffen und deren KulturschatzRechnung zu tragen. Dem Gebärdenliegt dabei eine besondere sprachli-che Denkweise zugrunde, die sichtatsächlich schwer in die Lautspra-che übertragen lässt. Aus diesemBlickwinkel betrachtet und vorallem unter Berücksichtigung dernarrativ sehr gelungenen Darstel-lung beider Protagonistinnen undder ihrer Konkurrenz zugrunde lie-genden Dynamik stellt Strong Deaf

zumindest einen sehr interessantenund diskussionswürdigen Versuchder Darstellung und Wertschätzungvon Gebärdensprache dar.

Das Geheimnis des Piratenflosses ist einim schweizerischen Verlag finger-shop.ch erschienenes Bilderbuch, kon-zipiert und geschrieben von SonjaLavaca-Wasem und illustriert von Mó-nica V. Mayorga Garzón. Der finger-shop.ch-Verlag hat sich auf Artikel undBücher zur Gehörlosigkeit und Gebär-densprache spezialisiert, in seinemProgramm finden sich außer Lernma-terialien zur Deutschschweizerischen

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Das Bilderbuch Das Geheim-

nis des Piratenflosses

Gebärdensprache (DSGS), DSGS-Grußkarten und -Spielen vor allemKinderbücher, und hier wiederum ins-besondere Bilderbücher. Illustratorischund sprachlich sind diese häufigwenig überzeugend, zu sehr über-wiegt der didaktisch-pädagogischeImpetus, der den Büchern offensicht-lich zugrunde liegt. Das Geheimnis des

Piratenflosses lässt sich ähnlich ein-schätzen. Bereits im Vorwort wird mitVerweis auf die schwierige Lern- undfrühe familiäre Biografie der Autorin(sie wurde gehörlos in eine hörendeFamilie geboren, nach der oralenMethode erzogen und in Regelschulenunterrichtet) der Lehrauftrag desBuches herausgestellt:

In diesem Buch zeigt sie [die Autorin]auf, mit welchen Fragen sich Elternvon gehörlosen bzw. hörgeschädig-ten Kindern auseinandersetzen müs-sen – und was aus ihrer Sicht eineschöne Möglichkeit wäre. Es soll die[sic] Eltern, Lehrkräften, Verwandtenund Bekannten helfen, sich in dieProblematik von hörbehindertenKindern einzufühlen.

Dieses Buch richtet sich auch anKinder, die mit einer Hörbehinde-rung leben. Sonja Lavaca-Wasemmöchte nicht, dass die schulischeIntegration über ihre Köpfe hin-weg entschieden wird. Sie möch-te, dass eine wirkliche Inklusionstattfindet.

Die Geschichte um den gehörlosen Benthematisiert das Erlösungsmoment derGebärdensprache und der Gehörlo-senkultur: Als einziges gehörlosesMitglied seiner erweiterten Familiefühlt sich Ben ausgeschlossen und istvon der ständigen Anstrengung, diedas passing in der hörenden Umge-bung (die Anforderung also, nicht alsgehörlos aufzufallen) ihm abverlangt,genervt und frustriert. Nicht in derLage oder willens, seiner Familie dieseFrustration zu kommunizieren, be-schließt Ben während einer Familien-feier, eigene Wege zu gehen, und lernt

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Abb. 8: Das Gehemnis des Piratenflosses thematisiert die Reise des gehörlosen Ben

zu Selbstbestimmung und Integration (fingershop.ch, 2012).

den ebenfalls gehörlosen Finn kennen,mit dessen Floß die beiden zu FinnsFamilie fahren. Sonderlich geheim-nisträchtig ist dieses von Finn und sei-nem Vater gebaute Floß zwar nicht, esgibt den beiden Jungen aber die Mög-lichkeit, sich ungestört über ihre un-terschiedlichen Erfahrungen derGehör- losigkeit auszutauschen, undträgt Ben metaphorisch in eine ihmbisher unbekannte Lebenswelt: AmEnde der Reise trifft er auf Finns (hö-rende) Familie, in der alle Mitgliedergebärden können. Erfüllt und gestärktvon dieser Begegnung kehrt Ben zuseiner Familie zurück und fordert vonihr nicht nur das Erlernen seiner Spra-che, sondern auch seine Beschulung ineiner Regelschule:

Finn hat einen Dolmetscher undkann abends nach Hause gehen.Seine Eltern und seine Schwesterwissen, wie man gebärdet. Warumkönnt ihr das denn nicht? Undwarum schickt ihr mich immerweg? Ihr wisst nichts über michund meine Welt. Das ist schlimm.[...] Ich möchte in dieselbe Schulewie Finn gehen. Dann kann ichabends nach Hause kommen. Undich möchte, dass ihr die Gebärden-sprache lernt.

Nicht nur Bens Eltern wissen jedochnichts über seine Welt: Auch Benselbst wird erst durch Finn in zentra-len Aspekten der Gehörlosigkeit und

Gehörlosenkultur aufgeklärt. So er-fährt er erst durch Finn von der Exi-stenz von Gebärdennamen und lernt,dass seine Gehörlosigkeit nicht etwamit dem Eintritt ins Erwachsenenal-ter verschwinden wird. Dass Ben, derein Gehörloseninternat besucht undsomit unmittelbar mit der Gehörlo-senkultur vertraut sein sollte, geradedurch den regelbeschulten Finn insolch zentralen Fragen aufgeklärtwird, ist höchst unrealistisch und indiesem Sinne auch problematisch:Es unterstreicht den dezidiert didak-tischen Impetus des Buchs, das dieFrage nach dem Schulbesuch un-verblümt und eingleisig politisiert.Insbesondere die Emotionalisierungdes Internatsbesuchs („Warumschickt ihr mich immer weg?“) trägtdabei zu einer problematischen Auf-ladung dieser Frage bei und blendetalle Ambivalenzen, Vor- und Nach-teile der unterschiedlichen Beschu-lungsformen aus. Das romanti-sierende Ende der Geschichte („Denndann wird es besser. Für Ben warOpas Geburtstag der schönste Tag imLeben.“) blendet darüber hinaus dieHerausforderungen aus, denen sichBens Familie auf dem Weg zum ge-genseitigen emotionalen und sprach-lichen Verständnis wird stellenmüssen und die auch Ben auf derRegelschule erwarten.

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Auch die Illustration kann nicht über-zeugen: Das Text-Bild-Verhältnis ist re-produzierend, die computergeneriertenZeichnungen sind schablonenhaft undnaiv. Insbesondere die Mimik der Fi-guren erscheint eindimensional, sosind z.B. Traurigkeit und Verärgerungillustratorisch identisch. Vereinzeltwerden Gebärden im Gebärdenver-lauf dargestellt, d.h. nicht lediglich als„Standbild“, sondern mit den in Ge-bärdensprachennotation üblichenPfeilen, die die Richtung und den Ver-lauf der Gebärde darstellen (vgl. Abb.9). Auf den Umschlagseiten findensich zudem Abbildungen der für dieGeschichte zentralen Gebärden inDSGS, LSF und LIS.

Trotz der illustratorischen, narrati-ven und sprachlichen Schwächen istDas Geheimnis des Piratenflosses dochTeil einer wichtigen Bewegung in derKinder- und Jugendliteratur über Ge-hörlosigkeit, die sich die Deutungsho-heit über Darstellung, Konnotierungund Charakterisierung Gehörloser zu-rückerobert und selbstbewusst Identi-fikationsmöglichkeiten für gehörloseKinder schafft. Gleichzeitig liegt vie-len dieser Projekte ein sprachförde-rungsgeprägter Ansatz zugrunde, derden Zugang gehörloser Kinder zurSchriftsprache erleichtern soll. Geradeim schweizerischen Kontext spielt dar-über hinaus das Ringen um Anerken-nung von DSGS eine große Rolle, derdurch Bücher dieser Art auf unterstüt-zenswerte Art Vorschub geleistetwird.

Die Einbindung von Gebärdensprachein die Kinder- und Jugendliteraturüber Gehörlosigkeit wird immer na-türlicher; ihre Entwicklung spiegelt soin erfreulichem Maße die generell ge-stiegene Akzeptanz für und Wert-schätzung von Gebärdensprachewieder. Wie wir gesehen haben, fol-gen die Texte, die Gebärdenspracheinkludieren, dabei verschiedenen Stra-tegien: Stringent zweisprachige Medien

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Zusammenfassung

Abb. 9: In Das Geheimnis des Piratenflosses wer-den vereinzelte Gebärden im Verlauf dargestellt.

wie die Videos von „Kinderbücherin Gebärdensprache“ stehen nebenWerken, in denen gebärdensprachli-che Elemente mehr oder weniger ex-plizit und handlungsführend einge-streut sind. Insbesondere bei Letzterenstellt sich jedoch die Frage, wie sinn-voll die sprachliche oder illustratori-sche Visualisierung von Gebärden ist– die Authentizität, die dadurch an-scheinend suggeriert werden soll,wird bis zu einem gewissen Gradschon durch den Einbezug von Ge-bärdensprache erreicht. Vielen dieserWerke haftet daher ein didaktischerImpetus an, der verständlich, aber imGrunde überflüssig ist: Gebärden-sprache lässt sich durch diese Ver-bildlichung von Gebärden nichtlernen, und wessen Interesse durchdie Rezeption der Texte geweckt ist,muss sich ohnehin weiterführend mitdem Thema befassen. Angemessenerscheint daher entweder ein entschie-dener Fokus auf die Gebärdenspra-che zu sein – wie im Projekt„Kinderbücher in Gebärdensprache“– oder deren eher beiläufige und na-turalisierte Inklusion wie in Paula

Pepper oder Adams Buch. Empfehlens-werter bilingual gebärden- und laut-sprachlicher Literatur ist in jedemFall der Respekt für Gebärdenspracheund Gehörlosenkultur gemein – eineWertschätzung, die sich im besten

Fall auf das Lesepublikum überträgtund das Interesse an der faszinierendenKultur, Tradition und Sprachweltgebärdensprachlicher Menschen weckt.

Marion Rana (*1982)

ist wissenschaftliche

Mitarbeiterin an der

Universität Bremen

und arbeitet dort an

einem Projekt zur

Verhandlung von Ge-

hörlosigkeit in der aktuellen deutsch- und

englischsprachigen KJL. Im Auftrag der

Food and Agricultural Association der

Vereinten Nationen konzipiert sie Lehrma-

terial zum Thema Lebensmittelverschwen-

dung. Ihre Promotion befasste sich mit

dem Thema Sexualität in der Jugendlite-

ratur. Darüber hinausgehende For-

schungsschwerpunkte sind Disability

Studies, Gender Studies und aktuelle

Jugendliteratur.

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Anmerkungen

1 Sie tut dies zumindest für die Kinder und Jugendlichen aus den höheren sozialenSchichten, denen, im Gegensatz zu gehörlosen Mitgliedern der Arbeiterklasse, Bildungzuteilwird.2 Für eine ausführliche Erläuterung und Einordnung der Gesetzeslage in den EU-Staatensiehe darüber hinaus Wheatley/Pabsch, für eine Einordnung der Geschichte von ASLTabak.3 Der Kritik an der Verwendung von deaf speak werden wir im Abschnitt zu Strong Deafdetailliert nachgehen.Mc Elfresh äußert sich zu dieser Kritik im Interview mit Pajka-West wie folgt: „I try notto resort to explainery when writing for younger readers, but respect them enough toknow they can figure things out for themselves.” 4 Kooperationspartner für die „traditionellen“ Bücher ist der bi:libri Verlag, in dessenProgramm Eine Kiste Nichts sowie Das kleine Wunder erschienen sind.5 In „Der Hund und das Stück Fleisch“ zum Beispiel sitzt die Erzählerin auf der zentraldurch das Bild ragenden Brücke, ihre (ab den Knien gezeichneten) Beine baumeln imWasser.6 Die Gallaudet University in Washington ist die einzige Universität weltweit, die speziellauf gehörlose Studierende ausgerichtet ist. Hier konzentriert sich ein Großteil der For-schung zur Gehörlosigkeit; gerade das linguistische Department ist insbesondere seitden Arbeiten von William Stokoe ab den 1960er-Jahren richtungsweisend. Die DPN (DeafPresident Now)-Proteste von 1988 rückten die Bemühungen um Anerkennung der Ge-hörlosenkultur in den landesweiten medialen Fokus und werden von vielen Betrachternals wegweisend für die Diskussionen betrachtet, die schließlich im American with Dis-abilities Act von 1990 mündeten. Kernpunkt der Debatte war die Kontroverse über dieEinsetzung eines Präsidenten, die gegen den Willen der Studierenden und von einemauch aus Hörenden bestehenden Gremium beschlossen wurde. Der Studierenden- undAlumniprotest war erfolgreich, und der gehörlose Irving King Jordan wurde zum ersten(kulturell) gehörlosen Präsidenten von Gallaudet ernannt. Nach dessen Rücktritt 2006brandeten erneute Proteste auf, u.a. weil die zur Nachfolgerin ernannte Jane Fernandeszwar von Geburt an gehörlos war, jedoch erst im Erwachsenenalter ASL erlernt hatteund somit als (im kulturellen Sinne) „not deaf enough“ wahrgenommen wurde. Auchin diesen „Unity for Gallaudet“-Protesten konnte sich die Gehörlosengemeinschaftdurchsetzen. Mit Robert Davila wurde in der Folge ein kulturell gehörloser Interimsprä-sident ernannt, der 2010 von T. Alan Hurwitz, dem ersten gehörlos geborenen, jüdischenPräsidenten, abgelöst wurde.

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