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Benrath - historisch - Schriftenreihe des Archivs der Heimatgemeinschaft Groß-Benrath e.V.

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Page 1: Benrath historisch, Heft 7 - heimatarchiv-benrath.de · Liebe Heimatfreunde vor Ihnen liegt nunmehr Heft 7 unserer Schrif-tenreihe. Der Autor, unser Archiv-Leiter Theo Fühles, hat

Benrath

- historisch -

Schriftenreihe des Archivs derHeimatgemeinschaft Groß-Benrath e.V.

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Benrath - historisch

Geschichten aus Benrathund Umgebung

Gesammelt und zusammengestellt

von Theo Fühles

Schriftenreihe des Archivs der

Heimatgemeinschaft Groß-Benrath e.V. Heft Nr. 7

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Impressum „Benrath - historisch"Herausgeber: Heimatgemeinschaft Groß-Benrath e.V.Schriftleitung: Archiv der Heimatgemeinschaft,

Benrodestraße 43, 4000 Düsseldorf 13Auflage Heft 7: 1000 Exemplare, Juli 1987

Copyright::Nachdruck undVervielfältigung bitte mit Hinweis auf die Fundstelle.

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Geschichten aus Benrath und Umgebung

Inhaltsverzeichnis

Teil I Seite

Kaiser Wilhelm und das Itterwasser 6Steckbrief gegen den Husar Karl Sippmann 7Kaiser Wilhelm II. huckepack genommen 7Die Unsicherheit unserer Gegend vor 150 Jahren 7Typen aus dem alten Benrath 8Odebacher Originale 9Die Lamp op d'r Kanzel 10Als die Urdenbacher vor Jahrhunderten um denMonheimer Galgen warben 11Dat Backhus an de Aldebröck 12Dorfpolizist Giesecke 13Erinnerungen an Louise Dumonts glückliche Jahre in"Haus Drängenburg" 15Als Benrath noch ein Dorf war 17Ein alter Benrather erinnert sich an"de Prumme-Kirmes von 1910" 18In Urdenbach wurde eine Flaschenpost gefunden 19Der verschwundene Bach 21Die goldene Rüstung 22Hubertus-Schlüssel 22Die gerettete Monstranz 22Das Arenberg'sche Wappen 23Der letzte Kuhhirt von Hassels 24Polizeibericht für den Monat August 1811 25Eiszeit am Rhein 26Schneiders Paul und sein Pferdewagen 27

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Geschichten aus Benrath und Umgebung

Inhaltsverzeichnis

Suff-JuppDer Kuhhirt von BenrathSpuk im KuhstallDerWerwolf von UrdenbachEnglischer SchweißHochwasser in ItterBegaukeln des AugesDer schlaue Jan WeilernMit "Blaffert" den König bezahltDer Kaiser und die Kaiserin nebst dem GefolgeAnekdoten um Pfarrer ReinholdWeihnachten vor 70 JahrenBergische KleinbahnDas alte Thinghaus in HasselsEin Advokatenleben voll HumorVersteigerung bei brennenden KerzenDer Besuch des Urdenbacher "Landrates" in RichrathDer ungetreue RentmeisterErinnerungen eines alten Benrathers an Max SchmelingDas Kölnische Proviantlager in Urdenbach im Jahre 1475Es steht ein Baum - letzte Erinnerungen an den Kamper HofEine "Köpenikiade" in BenrathVor 30 Jahren kamen die Amerikaner

Teil II

Erzählungen über die Zeit um die Währungsreformim Jahr 1948

Seite

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Liebe Heimatfreunde

vor Ihnen liegt nunmehr Heft 7 unserer Schrif-tenreihe. Der Autor, unser Archiv-LeiterTheo Fühles, hat seit Jahren kleine Geschich-ten, meist Anekdoten, aus dem DüsseldorferSüden gesammelt. Sie sind irgendwann einmalin der Zeitung oder in Büchern erschienen.Wir waren der Meinung, daß sie zusammenge-faßt ein interessantes Bild unseres BenratherRaumes ergeben. Sie werden selbst sehen, woGeschichte zugrunde liegt oder wo "Geschich-ten" geschrieben wurden.

Ich freue mich, als neuer Vorsitzender der Hei-matgemeinschaft Groß-Benrath dieses Buchals eine meiner ersten "Amtshandlungen" vor-stellen zu dürfen. Dem Heimatfreund TheoFühles und allen Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern des Archives sei bei dieser GelegenheitDank und Anerkennung für die ungezähltenStunden ehrenamtlicher Arbeit ausgespro-chen.

Mögen Sie einige vergnügliche Stunden mit"Benrath historisch" Band 7 verbringen.

Hans-Joachim Winkes

l. Vorsitzender

Ihr

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Kaiser Wilhelm und das ItterwasserDie Behörden entwickelten fieberhafte Aktivität

- aus der Rheinischen Post - Bei uns Beilage - o. Datum (ca. 1978) -

Das Wasser der Itter wurde schon vor etwa 100Jahren, 1878, über den Lochbach durch ge-werbliche Abwässer verschmutzt. Damalswurde es einer Ohligser Färberei erlaubt, übereinen zu erbauenden Kanal Färbereiabwässerin den Lochbach einzuleiten. Allerdings solltedas Abwasser vorher ein Klärbecken, mit Sandoder Asche als Filtermaterial gefüllt, durchlau-fen.

In Folge beschwerte sich ein Hildener Anlie-ger, kurioser Weise ebenfalls eine Färberei,über eine Beienträchtigung der Fabrikationdurch das manchmal pechschwarze Itterwas-ser.Bei der Herstellung einer bestimmtenFarbe war man auf sauberes, klares Itterwasserangewiesen, und das stand nun nicht mehr zurVerfügung.

Es folgten weitere Beschwerden, Anfragen,Eingaben, Klageandrohungen, Unschuldsbe-teuerungen, Wasseranalysen und andere Un-tersuchungen, aber es gab keine Resultate.

Da mußte erst Kaiser Wilhelm nach SchloßBenrath kommen!

Über den langen Dienstweg trudelte bei demMerscheider Bürgermeister Kelders am 28.Mai 1884 ein Schreiben des Königlichen Hof-Marschall-Amtes in Berlin vom 21. April ein.

Darin hieß es:

".. .Aus früherer Zeit ist mir nämlich bekannt,daß der Itterbach und die damit in Verbindungstehenden Teiche pp. innerhalb des Schloßpar-kes durch Abwässer von Fabrik- und anderengewerblichen Anlagen ... in sehr schlimmerWeise verunreinigt werden... Die Übelstände,namentlich die gefährlichen Ausdünstungen,wiederholen sich immerfort, so daß die Be-sorgnis naheliegt, das Schloß und der Parkwerden dadurch auch während der Holhaltungim September ds. Js. in sehr bedenklicherWeise beeinträchtigt werden, wenn nicht bisdahin energische Maßregeln zur gänzlichenBeseitigung der Ursachen jener Mißstände er-griffen werden..."

Die Kgl. Reg. wird... von der Rücksicht gelei-tet sein, den Allerhöchsten und HöchstenHerrschaften während des Aufenthaltes inBenrath auch den Besuch des Parkes zu er-möglichen und zu verhindern, daß schlechteAusdünstungen der Gewässer davon zurück-halten..."

Nun entwickelten die Behörden eine fieber-hafte Aktivität. Den Fabriken wurden Ter-mine gesetzt zur Erfüllung der Aullagen.

Am 12.August fand eine Besichtigung der Itterund der Fabriken statt durch einen Düsseldor-fer-Regierungsassessor, Gewerberat Dr.Woiff, und Bürgermeister Kelders.Mißstände wurden entdeckt bei einer OhligserFirma. Die Düsseldorfer Regierung handelteschnell. Der Landrat erhielt am 16.Augusteine Verordnung, in der es hieß:"Falls die Firma ... nicht binnen 8 Tagen denNachweis erbringt, daß die Ausführung derje-nigen Anlagen, welche zur Klärung und Reini-gung der Fabrikwasser nach Maßgabe ... erfor-derlich sind, bis zum I.September außer Zwei-fel steht, untersagen wir hierdurch den Inha-bern oder den verantwortlichen Vertretern derbetreffenden Firma, nach Ablauf dieser 8 Tageihre nicht gereinigten und nicht geklärten Fa-brikwasser in den Itterbach abzuleiten unterAndrohung einer Strafe von 300 Mark für jedeamtliche festgestellte Zuwiderhandlung..."Der Landrat wurde angwiesen, sich zweimalwöchentlich bei dem Bürgermeister nach demStand der Angelegenheit zu erkundigen. DerBürgermeister gar hatte zweimal täglich eineRevision der Anlagen vorzunehmen.In größter Eile wurden nun sozusagen unterder Daueraufsicht des Bürgermeisters Klär-bassins errichtet. Der Abfluß in den Lochbachwurde gestoppt und das Abwasser schon wäh-rend des Ausbaues in Teichen gestaut.So konnte Bürgermeister Kelders pünktlicham l. September dem Landrat melden: "Ew.W. Berichte ich auf die hiermit bezogene

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geehrte Verfügung gehorsamst, daß dieFirma... die Farbwasser, wovon ich mich per-sönlich überzeugt habe, in die neben dem Et-ablissement gelegenen beiden Teiche abgelei-tet und der Abfluß in den Lochbach nicht mehrstattfindet. Die Arbeiten an den neuen Klär-bassins werden mit verstärkter Kraft fortge-setzt und von mir, wie vorgeschrieben, über-wacht und wird auf möglichste Beschleunigungder Fertigstellung hingewirkt."

Steckbrief gegen denHusar Karl Sippmannaus Urdenbach- aus dem Amtsblatt der Regierungvom November 1835 -

Der unten signalisierende Husar Karl Sipp-mann aus Urdenbach, Kreis Düsseldorf, istvom 3. auf den 4. dieses Monats von der 3. Es-kadron des Königl. S.Husaren-Regiments ausder Garnison Düsseldorfs, entwichen.

Sämtlichen Civil- und Militär-Behörden, wer-den ersucht, auf denselben Strenge wachen,ihm im Befreiungsfalle verhaften und wohlver-wahrt an das Kommando des Königl. 8ten Hu-saren-Regiments abliefern zu lassen.

Düsseldorf, den 06. November 1835

Signalement

Alter 24 Jahre; Größe 5 Fuß 4 Zoll l Strich;Haare schwarz; Stirn schmal; Augenbrauenschwarz; Augen braun; Nase klein; Mund ge-wöhnlich; Bart schwarz; Kinn rund; Gesichtrund; Gesichtsfarbe blaß; Statur schlank.

Besondere Kennzeichen: ohne

Bekleidung: dunkelblauer Pelz mit weißenSchnüren und Knöpfen und schwarzem Vor-stoß, graue Reithosen mit rother Passe-Poile,blaue Mütze mit hellblauem Besatz, Stiefelnmit Sporen.

Wilhelm II.huckepack genommen- aus Rheinische Post vom 24.11.1973 -

Urgroßvater Schimmelpfennig hatte einst ei-genhändig dafür gesorgt, daß Kaiser WilhelmII. trockenen Fußes das Rheinufer erreichte.

Das war so:

Seine Hoheit waren mit einem Raddampfer bisnach Benrath angereist, um dort dem Schloßeinen Besuch abzustatten. Das Schiff hatteaber soviel Tiefgang, daß der Kaiser nicht übereine Landebrücke das Ufer erreichen konnte.Der Schimmelpfennigsche Fährdienst löste dasProblem: Wilhelm II. stieg ins Fährboot umund ließ sich die letzten Meter auf dem Rückendes Fährmannes zum rettenden Ufer tragen.Dabei muß dieser das Wohlwollen des hohenHerren erregt haben: In den Familienakten aufdem Dachboden schlummert eine kaiserlicheUrkunde.

Die Unsicherheitunserer Gegendvor 150 Jahrenvon Hans Große, Hilden

- veröffentlicht in einer Serieim Benrather Tageblatt 1951 -

Um die Wende des vorigen Jahrhunderts wardas Reisen in unserer Gegend noch mit man-cherlei Gefahren verbunden.

Die groß en Waldungen unseres Heimatberei-ches gewährten räuberischen Gesindel genü-gend Unterschlupf und Schutz. Ganze Räuber-banden hielten sich in ihnen auf. BerüchtigteFührer derselben, welche bei uns ihr Unwesentrieben, waren ein gewisser "Grünrock",der inHilden sein Standquartier hatte und der be-rüchtigte "Kremerius" von Unterbach.

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Oft kam es vor, daß Reisende beim Passierender Wälder überfallen und ausgeplündert wur-den, und spurlos verschwanden. Ein solcherÜberfall hat sich zur Franzosenzeit auch aufder durch den Eller Forst führenden Haupt-handelsstraße, die Düsseldorf mit Solingenverband, zugetragen. Noch heute spricht manvon dem "Mord an der Steele".

Ein aus Remscheid stammender Kaufmannkam eines abends in der Wirtschaft "An derSteele" an und fragte um Unterkunft. Sein An-liegen hörten drei Mitglieder einer Räuber-bande, welche im Gasthaus sich mit Karten-spiel die Zeit vertrieben. Als der Reisende zurNacht gegessen hatte und sich auf sein Zimmerzur Ruhe begab, schlichen ihm die Räubernach. Vorsichtshalber hatte der Gast die Türseines Zimmers aber durch einen davorgerück-ten Tisch gesichert. Der hierdurch beim Öff-nen der Tür entstehende Lärm schreckte ihnauf und er empfing die Eindringlinge mit demHirschfänger in der Hand. Es entsponn sich einKampf auf Leben und Tod, in welchem derReisende der Mehrzahl aber dadurch unterlag,daß sich die Spitze seiner Waffe beim Ausho-len in der niedrigen Decke des Zimmers ver-fing. So wehrlos geworden, wurde er überwäl-tigt und erschlagen. Sein Gepäck wurde ausge-raubt und sein Leichnam im Ellerforst, etwazehn Minuten von der Steele entfernt, ver-scharrt. Als sein Ausbleiben Aufsehen er-regte, ging man der Spur nach und fand imWirtshaus an der Steele an diesem und frei fol-genden Abenden die drei verdächtigen Kar-tenspieler. Man war dem Verschwinden desReisenden dadurch auf die Spur gekommen,daß sich sein Pferd herrenlos im Walde umher-trieb. Als die Spießgesellen am dritten Abend,die die Nachforschung betreibende Polizei ge-wahrten, brannte es ihnen doch unter den Fü-ßen und sie versuchten, sich aus dem Staube zumachen. Hierbei fielen sie den draußen posti-erten Polizisten in die Hände, die sie nach Düs-seldorf brachten und einem eingehenden Ver-hör unterzogen. Da die Befragung nichts er-gab, stellte man in der Steele eine Hausdurch-suchung an, bei welcher der blutbesudelteHirschfänger des Verschwundenen auf demHeuboden gefunden wurde. Jetzt half keinLeugnen mehr und die Mörder bequemten sichzu einem ausführlichen Geständnis, das zu

dem Ergebnis führte, daß auch die im Waldverscharrte Leiche des Erschlagenen geborgenwerden konnte. Beim weiteren Durchsuchendes Waldes stieß man noch auf zwei weitereLeichen, die dort verscharrt waren. Ob dieMorde den Spießgesellen ebenfalls zur Last ge-legt werden konnten, ließ sich mangels Be-weise nicht feststellen. Aber der Mord an demRemscheider genügte, sie schon 6 Wochennach dem Mord an den Strang zu bringen.

Typen aus demalten Benrath- aus dem Benrather Tageblatt vom 27.2.1937 -

Fast jeder Ort hat seine Originale. Es sind mei-stens harmlose, wenn auch schrullenhafteMenschen, die sich durch irgendeine Abson-derlichkeit vom Durchschnitt abheben. Zudiesen Originalen gehörte auch der ehrsame"Lüg=Zons", seines Zeichens Wegearbeiterder Gemeinde Benrath. Reichlich 70 Jahredürfte es her sein, seitdem "Lüg=Zons" - erhörte wahrscheinlich auf den FamiliennamenZons - verantwortlich für die Sauberkeit desdamaligen Benrather Wegenetzes zeichnete.Den Beinamen "Lüg=Zons" erwarb er sichdurch die unerschütterliche Gewohnheit, seineMitmenschen zu naseführen, oder, wie manheute sagen würde, ihnen "einen unter die We-ste zu däuen". Es war also seine eigentliche Lü-genhaftigkeit, mit der unser "Lüg=Zons" be-haftet war, eher könnte man seine Schnurrenzu den Produkten eines Schalkes zählen, der erauch gewiß einer war. Noch lange Zeit nachseinem Tode sagte man in Benrath von einemMenschen, der es mit der Wahrheit nicht so ge-nau nahm; "Der kann lügen wie Lüg=Zons!"Und welcher Art waren seine Lügereien?

Eines Tages hatte "Lüg=Zons" - wie er mit to-temster Miene erzählte - seine Wegekratze,mit der er Schlamm vom Fahrdamm weg-kratzte, im Straßengraben liegen lassen. AllesSuchen war vergebens, die Kratze blieb ver-schwunden. Nach etwa einem Jahr kam die

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"Odebacher Originale"Zwei Philosophen und eine Kuhflade

- aus "Kleine Urdenbacher Post" Nr. 10/86 -

Kratze wieder zum Vorschein. In Benrath kamnämlich eine Kuh zur Schlachtung, in derenMagen sich das vermißte Instrument samtHolzstiel vorfand. Wie war das gekommen?"Lüg=Zons" wußte es seinen Hörern glaub-haft zu machen! Die betreffende Kuh hatte imStraßengraben geweidet und versehentlich dieWegekratze mit verschlungen.

"Lüg=Zons" hatte auch einmal eine Reise insWestfälische unternommen. In einem Dorfetraf er vor einem Hause einen Greis im Silber-haar, der bitterlich weinte. Teilnehmend er-kundigte sich "Lüg=Zons" nach der Ursacheseines Kummers. Schluchzend gab der Greisihm folgende Auskunft: "Es ist leider gesche-hen lieber Herr! Ich habe meinem Großvateram Steinhäger genascht und nun hat mich derVater verprügelt - -"

Gelegentlich eines Gespräches wurde er-wähnt, daß der Maulbeerbaum, der früherauch in der hiesigen Gegend häufiger anzutref-fen war (er diente der Seidenraupenzucht, diein Benrath von Eisenbahnbediensteten ausge-übt wurde.) ein überaus starkes Wurzelwerkaufweise. "Lüg=Zons", der auch an der Un-terhaltung beteiligt war, wußte das durch einüberzeugendes Beispiel zu belegen."Maulbeerbäume", so begann "Lüg=Zons","standen früher auch am Rhein, bei Urden-bach". Bei einem Spaziergang rutschte er nunaus und fiel in den Rhein. Schwimmen konnteer nicht, aber zu seinem Glück fand er im Was-ser etwas Unbestimmtes, an dem er sich fest-halten konnte. Während er nun abgetriebenwurde, verließ ihn das unbestimmte Etwasnicht, bis er schließlich kurz vor Düsseldorfglücklich an Land kam. Bei einer späteren Un-tersuchung stellte sich dann heraus, daß dieWurzel des Urdenbacher Maulbeerbaumes biszum weit entfernten Landungspunkt gereichthat.

So sahen die Spaße von "Lüg=Zons" aus. Eswaren also Harmlosigkeiten, die keinem wehetaten noch schadeten.

Zur Zeit unserer Väter und Großväter galt esnoch als Selbstverständlichkeit, größere Ent-fernungen zu Fuß zurückzulegen. So erzähltemir Vater Emmert von der Dorfstraße, der indiesem Jahr goldener Jubilar des Turnvereinswurde, daß in seiner Jugend die Turner mor-gens von Urdenbach zum Turnfest nach Mon-heim marschierten, um 12 Uhr zum Essen nachHause gingen und um 2 Uhr bereits wieder zuFuß in Monheim waren, um die Wettkämpfefortzusetzen.

So war es damals auch selbstverständlich, daßman zu Fuß nach Köln ging, wenn man dort et-was zu erledigen hatte. Diesen Weg mußten ei-nes Tages auch zwei bekannte UrdenbacherOriginale, die Brüder Fritz und Karl Prinz, zu-rücklegen. Als sie über eine Brücke nachBaumberg schritten, stieß der eine den ande-ren an und zeigte auf seinen Schuh. "Kick dochens, Karl, wo ben ech denn do rinnjetrode?" -"Och, dat wet wol von 'ner Kuh jewäse sinn!"

Nun der Weg nach Köln ist weit, und daß mansich auf einer solchen langen Strecke so allerleiGedanken machen kann, das leuchtet uns ein.Wenn man noch dazu so still ist, wie die BrüderPrinz, die wegen ihrer Schweigsamkeit be-kannt waren, so ist das erst recht der Fall. Je-denfalls fiel das nächste Wort zwischen denBeiden erst vor den Toren Kölns:

"Saach, Karl, ech meen, et künnt ooch von'nem Ochs jewäse sinn!"

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Erinnerungen ........von Paul Wehres

oder: Die Lamp op d' r Kanzel

-Veröffentlicht in der Kirchenzeitungder St.Cäcilia Benrath "Wackelkontakte"von Februar 1984-

Die Älteren aus unserer Pfarrgemeinde erin-nern sich sicher noch an unseren Küster Me-bus. Überhaupt war der Name Mebus zu unse-rer Zeit aus dem "Benrather Dorfmilieu" gar-nicht wegzudenken.

Peter Mebus war der sogenannte Totengräber.Ein anderer, der Heinrich Mebus, war Diri-gent der Benrather Blaskapelle. Und seineFrau "ett Mebusse Ann", war die BenratherHebamme. Im übrigen war sie in allen Fami-lien überaus beliebt und das nicht allein wegenihrer Tüchtigkeit in dem Berufe, sondern auchganz besonders wegen ihrem angeborenen hei-teren und mütterlichen Wesen.

Dabei kamen die Kinder ja durchweg zu Hausean und bei dem damaligen Kindersegenbrauchte sie sich über Mangel an Arbeit nichtzu beklagen.

Doch zurück zum Küster Mebus: Der zog mitseinem schwarzen Käppi auf dem Silberhaarund ausgestattet mit einer glockenhellenStimme und alle Kirchenlieder mitsingenddurch die Kirche und holte mittels Klingelbeu-tel das Geldopfer der Gläubigen ein. Wir hat-ten zu dieser Zeit in unserer Kirche nochrundum Gaslampen. An einer langen Stangewar neben dem Wachslicht eine Vorrichtung,mit der man an den Lampen den kleinen Gas-hahn aufdrehte. Dann hielt man das Wachs-licht an das Gasstrümpchen und die Lampeflackerte auf.

Nun spielte sich damals - im Gegensatz zuheute - während der hl. Messe und den An-dachten viel mehr auf der Kanzel ab und ausge-rechnet dabei wurde schon mal übersehen, dieLampe auf der Kanzel anzuzünden. Und jenach Temperament unserer geistlichen Herrenwaren die da oben auf der Kanzel recht unge-halten. Da ich außerhalb der Schulzeit hin und

wieder kleinere Dienstleistungen für den Kü-ster verrichtete und ihn auch besonders bei denfrüher so üblichen Versehgängen entlastete,gab er mir noch den zusätzlichen Auftrag, michstets um die Lampe auf der Kanzel zu küm-mern. Und so war ich denn in meinem jugend-lichen Eifer nach Möglichkeit in der Kirche,auch wenn ich nicht als Meßdiener füngierteund überwachte von den kleinen Kniebänk-chen aus, ob die betreffende Lampe auch nichtvergessen wurde.

Etwas bezüglich der Versehgänge möchte ichnoch einflechten:

Einmal wurden die meisten Kranken zu Hausegepflegt, teils durch die Angehörigen aberauch in vielen Fällen von "unseren" Schwe-stern aus dem Orden der "Armen Dienst-mägde Jesu Christi". Die Verstorbenen wur-den zu Hause aufgebahrt und auch von dort zurletzten Ruhe geleitet.

Als nun nach einigen Jahren der Küster Mebusauf dem Sterbebett lag, da holten mich seinebeiden Schwestern, mit denen er in schöner ge-schwisterlicher Gemeinsamkeit im HauseSchellscheid in der Friedhofstraße wohnte, indas Sterbezimmer.

Wir knieten gemeinsam nieder und beteten fürden Verstorbenen.

Und dann klärten sie mich eigens darüber auf,warum sie mich noch an das Sterbebett geholthatten!

Der alte Küster Mebus hatte als letztes in sei-ner Sterbestunde gerufen:

"Da Paul moß noch die Lamp op de Kanzel an-mache!"

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Als die Urdenbacher vor Jahrhundertenum den Monheimer Galgen warben- aus dem Benrather Tageblatt vom 2.3.1940 -

In Urdenbach war Gerichtstag. Dies Ereigniswar, wie es Sitte und Gerechtigkeit vorschrie-ben, acht Tage vorher von der Kanzel ange-kündigt worden, damit - wie es in einer altenVerfügung hieß- "den Barthenen mit förderli-chen Rechten verhoffen werde." Und nunhatte das Urdenbacher Landgericht, das da-mals im charakteristischen Hause Dorfstraße48 tagte, unter dem Vorsitz des MonheimerVogtes nach dem besten Glauben und Gewis-sen Recht gesprochen. Dazumal waren Men-schenleben sehr billig, und die Gerichte mach-ten mit einem wirklichen oder auch nur ver-meintlichen Übeltäter wenig Federlesens. Sosollte denn auch Thies Steffen seinen Korn-und Garndiebstahl im Hause "am Endt" mitdem Tode am Galgen sühnen.Der Verurteilte war zwar nicht die personifi-zierte Tugendhaftigkeit, immerhin stritt er denihm zur Last gelegten Diebstahl energisch undmit Entschiedenheit ab. Ein überzeugendesBeweismaterial lag eigentlich nicht vor, so daßein Schöffe auch geneigt war, in diesem FalleMilde walten zu lassen. Aber die beiden ande-ren Schöffen, das Urdenbacher Gericht warmit drei Schöffen besetzt, vertraten unerbitt-lich die Auffassung, daß es abschreckenderwirke, wenn jeder Übeltat auch auf dem Fußedie Strafe folge. Auf einen Haderlumpen mehroder weniger komme es nicht an. Bei diesenRechtsanschauungen stand also der armeThies Steffen in hoher Gefahr, ein Opfer derhochnotpeinlichen Urdenbacher Justiz zu wer-den. Während er sich im Stod ( das Urdenba-cher Gefängnis befand sich in den Kellerräu-men der Gerichtsstätte ), einer wenig hoff-nungsfrohen Stimmung hingab, beratschlagtedas Gericht mit dem Schultheiß, wie der Ge-rechtigkeit Genüge geschehen könne.Zum Aufknüpfen eines armen Schachers ge-hört bekanntlich ein Galgen und das Ürdenba-cher Hochgericht befand sich draußen am Rit-tersberg. Eine Besichtigung der Richtstätte er-brachte nun das betrübliche Ergebnis, daß derUrdenbacher Galgen zu einer Urteilsvollstrek-

kung nicht mehr die genügende Stabilität auf-weise. Durch Wetterunbilden, vielleicht auchdurch eine jahrelange fleißige Benutzung, wardem Wahrzeichen der Urdenbacher Gerech-tigkeit die nötige Tragfähigkeit abhanden ge-kommen, von der das gute Gelingen einer Hin-richtung nun einmal abhängig war. Jetzt warguter Rat teuer! Eine Reparatur kam nicht inFrage, da der einzige Zimmermann im Dorfesich von den Anstrengungen des letzten Vogel-schusses noch nicht erholt hatte. Vogt, Schult-heiß und Schöffen berieten hin und her. DerGalgen des benachbarten Himmelgeist (zudem auch Benrath gehörte), schied aus, weilder unerläßliche freundschaftliche Kontaktfehlte. Hilden und Richrath erfreuten sichzwar auch eigener Richtstätten, aber ihre Gal-gen waren etwas umständlich zu erreichen. Dawies der Holzhändler Rütger Völlmer - ein al-ter, erfahrener Schöffe - auf den glücklichenUmstand hin, daß sich die befreundeten Mon-heimer im Besitze eines neuen und äußerst so-liden Galgens befänden. Sein Standort (aufdem Galgendriesch unweit Berghausen) sei zu-dem günstig gelegen. Bei den guten Beziehun-gen zwischen Urdenbach und Monheim - sofolgerte der Schöffe Völlmer - werde man fürdie Urdenbacher Nöte wohl Verständnis auf-bringen und den Monheimer Galgen vielleichtfür eine einmalige Exekution zur Verfügungstellen.

Es braucht nicht besonders betont zu werden,daß dieser Vorschlag eine ungeteilte freudigeAufnahme fand, zumal auch der Vogt ein gutesWort in Monheim einzulegen versprach. DerSchultheiß ließ sogleich einen freundlichenSchreibebrief los, den der Urdenbacher Ge-meindebote nach Monheim überbrachte undder bei den dortigen Ortsgewaltigen nicht ger-ringes Kopfschütteln erregte.

Staunend lasen die Monheimer:

"Schultheiß und Schöffen von Urdenbach ent-bieten Bürgermeister und Schöffen der Frei-heit, Monheim ihre brüderlichen Grüße!

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Liebe Getreuen! Diweil unser Galgen durchwiderliche Umstände nicht mehr gebrauchs-fertig ist, er also für eine notwendige Exeku-tion ausscheiden muß, so sehen wir uns in un-serer wirklichen Notlage veranlaßt, Euer Lie-ben um eine gütige Überlassung des Monhei-mer Galgens zu bitten. Euer Lieben werden esuns gewißlich nachfühlen, daß es für uns eineschmerzliche Sache ist, einen Urdenbacher aneinem fremden Galgen enden zu sehen. Aberunsere Notlage zwingt uns, alle heimatverbun-denen Gefühle auszulöschen, damit die Ge-rechtigkeit ihren Lauf nehmen kann. Sollte derUrdenbacher Galgen wieder gebrauchsfähigsein, so werden wir nicht verfehlen, ihn allenMonheimern - in Anbetracht der bewiesenenfreundlichen Dienste - gern zur Verfügung zustellen.."

Als die Monheimer Ortsobrigkeit von diesemmerkenswürdigen Schreiben Kenntnis genom-men hatten, steckten Bürgermeister undSchöffen die Köpfe zusammen, um zu beraten,was da zu tun sei. Und der Extrakt dieser Bera-tung wurde in einem Schreiben niedergelegt,das nun den Urdenbachern zuging und folgen-den Wortlaut hatte:

"Den Lieben von Urdenbach unseren freundli-chen Gruß!

Mit Trauer und Mitgefühl haben wir von demMißgeschick das Euere gute Gemeinde betrof-fen hat, vernommen. Leider steht es nicht inunserer Macht, der Bitte um Überlassung desMonheimer Galgens zu entsprechen, da ernach altem Brauch und Herkommen, der allei-nigen Bequemlichkeit der Monheimer Ein-wohnerschaft dient. Eine Verwendung desGalgens, wie er uns zugedacht ist, würde aberauch das Andenken derjenigen Monheimerschmälern, die später vielleicht noch davonGebrauch machen möchten..."

Bei Erhalt dieser Nachricht verwunderten sichwieder die Urdenbacher. Und da auch MeisterHans, der Nachrichter, auf einen ordnungsge-mäßen Galgen nicht verzichten wollte, sostand die Urdenbacher Obrigkeit vor schierunüberbrückbaren Schwierigkeiten. Eine Be-sprechung folgte der anderen. Da aber ThiesSteffen nicht gut ohne Galgen gehängt werdenkonnte, so gab man ihm schließlich den freund-lichen Rat, sich die Urdenbacher Gemeinde-

grenzen schleunigst von draußen anzusehen,eine Mahnung, die Stoffen sich, wie berichtetwird, nicht zweimal sagen ließ.

Dat Backhusan de Aldebröck- aus der Sagensammlung von Kleeblatt -

"An de Aldebröck stunk dat Backhus, wo deLück us em Hassels enn alde Ziede ömschech-tig backe däte. Wä feedig wor. Iäht die Brodezom Affköhle jet op de Bank on säht dem Nor-ber Beschaid. Wenn er eene äwer Plätz hät je-backe, dann koam et döckes vör, dat et her-noch zu wennig wore. Von dem Spetzbov hatmer nie jet jesenn; bloß e paar schwatze Katzeluerden emmer do eröm. Am Eng hätt sich eneBur et Owens em Backes verstoppt, öm dohen-ger zu kome. Wie et nu düster wood danztendie Katze met ihr jlöhndige Ooge vör em undfinge ze mijaue ahn. Do nohm e sin Axt, häutdomet ain von dene Diere op die'Pote. Datmäkt ne jreuliche Spektakel, on em Nu worenall die Katze verschwonde. Dä Bur hat jetKlirre jehööt, schlog Füür ahn on fung ne jol-dene Renk op de Erd. Wie he nu domet no Huskoam, loag sin Frau im Bett on wor am krie-sche und hat de Hank verbonde. Se säht, se hatSpöhn schniede wolle, vör et Füür ahnzumake;do wör ihr dat Metz usjejlisch, on se hätt sechne Fenger affgeschnidde. Wie da Bur sechäwer de Renk am Lecht bekike dät, wor dat drTraurenk van sin aige Frau. Er säht nix wie:"Ah, Fräuke, bes'de och d'rbei jewäse?" Dennnu woß ha Bescheid; sin Frau wor selber einvan dene Hexe, die als schwatze Katze emmerdie leckere Platz jekläut hadden."

Soweit die Sage! Ob mit dieser Entdeckung dieBrotdiebstähle aufhörten, wird leider nichtverraten.

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Dorfpolizist GieseckeAlte Urdenbacher Handweber plaudern aus

- aus dem Benrather Tageblatt vom 12.5.1936 -

Mit der Erinnerung an die "gute alte Zeit" derUrdenbacher Handweber ist aufs engste ver-knüpft die Erinnerung an den DorfpolizistenGiesecke. Unter den heute Lebenden wird sichnoch mancher dieses originellen, aber durch-aus pflichtbewußten Mannes entsinnen.

Der Dorfpolizist - das ist zumeist überall so ge-wesen - war der bestgehaßte Mann, und weilihm keiner was anhaben konnte, wurde er zurZielscheibe heimlichen Spottes gemacht. Manmag darüber denken wie man will: es ist kaumanzunehmen, daß die Streiche, mit denen Gie-secke geärgert werden sollte, nur der Bosheitentsprangen. Es war eben mehr das Grielä-chertum, das sich darin austobte und "Rache"nahm. Denn Giesecke nahm es genau. Weil esaber den Urdenbachern oft nicht in den Krampaßte, suchten sie nach immer neuen Wegen,Giesecke hereinzulegen. Nicht immer gelangdas. Aber wenn dann irgendein Urdenbachermit der scheinheiligsten Miene von der Weltsich beim Dorfpolizisten anbiederte, dann er-schloß sich dessen nichtsahnendes gutes Herz,um nachher die derbe Entäuschung zu erleben,daß man ihn zum Besten haben wollte. Erst imLaufe der Jahre hat sich das langsam geändert.

Von Giesecke war bekannt, daß er, der selbstverhältnismäßig wenig trank, überhaupt nichtdafür zu haben war, einmal "eine Runde zuschmeißen". Damals hatte sich der Theater-verein "Muntere Alpenjäger" in den Kopf ge-setzt, den Beweis dafür zu erbringen, daß Gie-secke auch einen ausgab. Die Köpfe wurdenzusammengesteckt und dabei kam man zu demResultat, daß weder bitten noch betteln nochüberrumpeln zum Ziele führen könnte. Dakam einer auf die richtige Idee.

Ahnungslos erschien Giesecke eines Abendsim Probelokal. Plötzlich bauten sich neben ihmSänger und Musikanten auf und sangen mitsteinerweichenden Stimmen Lützows wildeJagd.

Man wußte, daß das Gieseckes Leiblied war.

Und richtig: der sonst so strenge und unerbitt-liche Dorfpolizist wurde von der guten Mei-nung der Leute und den ins Herz geschlosse-nen Tönen so erfaßt, daß er unaufgeforderteine Runde warf. Schmunzeln an den Tischen!

Als Vertreter der Ortspolizeibehörde hatte derDorfpolizist auch eine Schwäche, die ihm undanderen manchen Ärger einbrachte. Er ver-mittelte nämlich die Erlaubnis zur Abhaltungvon Veranstaltungen. Die Vereine pflegtensein "Bemühen" am Abend des Festes mit ei-nem Taler zu segnen. Nun waren es aber wie-derum die "Munteren Alpenjäger", die mitdieser Sitte endgültig brechen wollten. Gie-secke legte es so an, daß er die Genehmigungzu einem Teil der "Alpenjäger" erst am Abenddes Festes im Saal ablieferte. Kaum war Gie-secke erschienen und legte den Schein vor,wurde ihm erklärt, daß auf die Genehmigungnun weiter kein Wert gelegt würde - und 3Mark kriege er auch nicht! Giesecke sah zu-nächst erstaunt und wie aus den Wolken gefal-len drein: das war ihm doch noch nie passiert,das war ein Angriff auf die von ihm verkör-perte hohe Staatsgewalt. Dachte es undmachte kehrt.

Vettens Fritz, in dessen im I.Stock gelegenenSaal das Fest vor sich ging, hatte mit Angst undBangen zugesehen; denn, was so ein Dorfpoli-zist, dachte Vetten, noch für einen Schaden an-richten kann, das bedachten die leichtsinnigen"Borschten" natürlich nicht! Der Wirt wolltewenigstens für sich gut Wetter behalten undnahm Giesecke mit in die Küche, wo "Win" in-zwischen für Speise und Trank sorgte. Danndrang der Wirt in die "Borschten", die Sachemit Giesecke ins Reine zu bringen. Da gab esein langes Überlegen. Schließlich war man sicheinig: der Wirt sollte die Kosten für die Ver-söhnung tragen, die "Alpenjäger" aber woll-ten ihre 3 Mark behalten. Giesecke "gründlichBescheid gesagt haben" und doch wieder mitihm ins Reine gekommen sein.

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Also gingen zwei Mann zu Giesecke in die Kü-che, setzten sich neben ihn. Es kam Bier."Prost Giesecke!"

"Mit euch unverschämten Borschten stoße ichnicht an!"^ "Na, dann trinken wir eben al-lein!". Die beiden tranken aus und bekamenneues Bier. Da aber wollte der gute alte Gie-secke nicht zurückstehen: wenn die anderensoviel Bier bekamen, wollte er nicht wenigerhaben. Und trank fleißig mit, wobei es sich we-gen der langen Züge aber nicht vermeiden ließ,daß am Ende doch immer alle drei zusammentranken. Der Gerstensaft löste schließlich dieschlimmen Gedanken und die Versöhnungwurde perfekt.

Ein andermal legten die "Alpenjäger" eineWette mit dem Vereinswirt Vetten an: Sie ver-sprachen, Giesecke in den Saal zu holen, wäh-rend der Wirt das für unmöglich erklärte. Inder Tat war Giesecke bis dahin noch nicht pri-vat in den Saal gegangen, sondern hatte stetsdie vorderen Gasträume bevorzugt. Der ersteVersuch schlug fehl. Dann kam man auf einenneuen Gedanken. An einem Ballabend wurdevon einem Mitglied ein auswärtiger Bekannterund dessen Braut oder Frau, ein bildhübschesWeibchen, eingeladen. Was dann folgte, warabgekartete Sache. Das Weibchen kam nebenGiesecke in der Wirtschaft zu sitzen. Nun hätteder Dorfpolizist einen Stein in der Brust habenmüssen, wenn er kalt wie eine Hundeschnauzegeblieben wäre. Die Spekulationen der listigen"Alpenjäger" gingen in Erfüllung: bald warGiesecke mit der Schönen im Gespräch. DasGeplauder ging über höchst harmlose Wege.Das Weibchen meinte nämlich, daß Tanzensehr schön sei und daß es gern tanze. Das fandGiesecke auch und erbot sich sofort, das Tan-zen am Abend mit dem vermeintlich allein ge-kommenen Fräulein zu besorgen. Das könneman allerdings nur im Saal, meinte das Weib-chen, und das leuchtete selbst Giesecke, derdoch für den Saalbetrieb nichts übrig hatte,ein. Damit war er auch schon gefangen, dennkaum hatte er im Saal Platz genommen, ver-kündete ihm das Gelächter der Korona undder Maid, daß er das Opfer eines Streiches ge-worden war.

Rasselnbergs Jupp und Dörens Franz, zwei ausder alten Webergeneration, fuhren einmal'

beim Hochwasser mit dem Nachen von PielsLoch zum Lohkampschen Fischerhaus. Dorttrafen sie eine renommierende Gesellschaftan.

Man sprach gerade über das Hochwasser undjeder wollte mutig sein, mit dem Nachen überden Rhein zu fahren und im Notfall das Uferschwimmend erreichen zu können. Die sechswaren sich schließlich einig und benutzten denKahn zu einer Bierreise nach "Pitt Jupps An-nemarie" und "Monesse Marie", bekanntenGaststätten auf der anderen Rheinseite. Beider Rückfahrt fiel der Schuster Lesar, der mu-tigste von allen, ins Wasser, dabei die anderenauffordernd, ihren Mut jetzt zu beweisen. La-chend wurde dieser Beweis abgelehnt, dafürholte man ihn selbst wieder in den Kahn, derfortgesetzt ordentlich Wasser "soff". Und die-ses Wasser wurde Giesecke zum Ärgernis. Eswar in Urdenbach kein Geheimnis, daß denDorfpolizisten nach starkem Alkoholgenußleicht etwas Unangenehmes überkam.

Als nun die Gesellschaft dicht gedrängt imKahn saß, mußte Giesecke auf der LaufplankePlatz nehmen. Dabei kam er wegen des ein-dringenden Wassers ins Nasse zu sitzen.

Wieder im Fischerhaus angekommen, stelltesich Giesecke gewohnheitsgemäß an dieTheke. Plötzlich bemerkt Frau Lohkamp dieNässe an Gieseckes Hose und schon donnertsie los: "Schämen sie sich nicht? Soviel zu trin-ken, daß sie es nicht mehr halten können"Schämen sie sich, pfui!" Verdattert sieht derahnungslose Giesecke die empörte Frau Loh-kamp und dann seine Hose an. Er ist sprachlosund entschuldigt sich. Vielleicht zum einzigenMal in seinen Mannesjahren stotternd, daß dasein Irrtum sein müsse. ...Bis dann die ki-chernde Korona an den Tischen bestätigte,daß Giesecke nun wirklich recht habe und imWasser saß, als die Kahnpartie gemachtwurde.

In späteren Jahren hat sich Giesecke selbstnoch öfters mit über diese Erinnerungen ge-freut und wenn heute alte Urdenbacher vonGiesecke sprechen, dann tun sie es im Ton an-genehmer Erinnerungen, obwohl das Augedes Gesetzes zweifellos manchmal mehr ge-macht hat, als den Urdenbachern lieb war.

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Erinnerungen an Louise Dumonts glückliche Jahrein "Haus Drängenburg"- aus der Rheinischen Post vom 21.12.1949 -

Im Frühjahr 1910, datiert aus Urdenbach,schrieb Louise Dumont an Gustav Linde-mann, der beruflich auswärts weilte:

"Dein Garten wartet - es ist schöner hier als inBerlin", und schloß den Brief:

"Die Kaiserkronen warten mit dem Aufblühenauf Deine Augen."

In der Straße Am alten Rhein in Urdenbachsteht noch immer das Haus, das Gustav Linde-mann und Frau Louise anderthalb Jahrzehntelang, von 1907 bis 1922, bewohnten, wo sie die"glücklichsten Jahre ihres Lebens" verbrach-ten. Wenn man von Urdenbach sagt, "hierwohnt ein Volk für sich", so gilt das cum granosalis auch von den alten Häusern hier. Bauten,die in ihrer Eigenart gleichfalls etwas Besonde-res darstellen, Häuser, die zum Teil noch ausdem 16. Jahrhundert stammen. Es sind alteKaufahrteihäuser darunter, die in der Zeit er-richtet wurden, als Urdenbach noch bedeuten-der Umschlagplatz am Rhein war. Genug, dasin klassischer Bauform am Alten Rhein errich-tete "Haus Drängenburg", wie man es auf al-len Karten verzeichnet findet, hatte es demKünstlerpaar angetan. Sie erwarben es und ei-nen großen Garten dazu, und formten es um zueinem Ort, an dem sich gut verweilen ließ,wenn das Schauspielhaus am Abend seinePforten geschlossen hatte und nach aufregen-der Arbeit seine Entspannung doppelt vonnö-ten war.

Die Urdenbacher aber, mit denen sich schnellein gutnachbarliches Verhältnis entwickelte,wissen noch heute, wie alles war, als "die gutenLeute" hier wohnten. Besonders die Kinderhatten es bald heraus, daß zumal in der Weih-nachts- und Vorweihnachtszeit, hier stets derTisch für sie gedeckt war. "Frau Lindemann",riefen und sangen sie im Chorus, "Frau Linde-mann, jäwt us es Stöckske Schokolall". Dannwurden sie hereingelassen und Aachener Prin-ten und Bruchschokolade gab es in märchen-hafter Fülle. Einmal war einer dabei, der

kratzte sich heftig am Kopf. "Was machst dudenn da?" fragte Frau Louise. "Ech hannLüs!" Da wurde er für den anderen Tag be-stellt, und Frau Louise nahm ihn persönlichvor. Mit Essigwasser wurde ihm der Kopf ge-waschen und dann das Haar tüchtig durchge-kämmt. Die Prozedur fand in der Diele statt,die einen Teil der Bibliothek beherbergte. Daswar dem kleinen Urdenbacher ein ungewohn-ter Anblick, und er hob seinen Finger undfragte: "Wat dot ihr met de Böker?"Wer es hören will, kann es sich heute noch vonden Urdenbachern erzählen lassen, wie zuWeihnachten Körbe voll an die Armen verteiltwurden.Es beruhte aber das gutnachbarlicheVerhältnis auf Gegenseitigkeit, und die We-bersleute "gegenüber", wo so schöner Westen-stoff gewebt wurde, haben manchen unruhigenAbend verbracht, wenn im Herbst dichter Ne-bel sich niedersenkte und die Stunden vorrück-ten und immer noch nicht die Autohupe zu hö-ren war, die die Rückkehr des Wagens ausDüsseldorf anzeigte. Wenn dann endlich daserlösende Zeichen ertönte, eilte man hinaus:"Jott sei Dank, dat ihr do set, de Kenger hantals e Vatterunser j ebät!"Aber am Schönsten war es im Sommer, wennTausende von Rosen blühten, wenn die Bie-nen summten, die hier ihren Stock hatten,wenn die Hunde sich im Garten tummeltenund Ikarus sich den lustwandelnden Menschenanschloß. Ikarus? - Ikarus war ein Kolkrabe,der nicht mehr fliegen konnte, wie alle Rabenstahl auch er, und die besten Brocken aus denFuttemäpfen der Hunde stellte er mit List undTücke für sich sicher.

Nur Shat, ein Setterhund, den man von einerNorwegenfahrt mit nach Urdenbach gebrachthatte, war sein auserkorener Freund und Lieb-ling. Shat wurde Morgen für Morgen von Ika-rus untersucht, ob sein Fell blank und in Ord-nung war. Er mochte mit seinem Schnabelnoch so wüst in diesem Geschäft obliegen, Shatließ es sich gefallen.

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Als Benrath noch ein Dorf warErinnerungen des Malers Philip Franckvon Dr. Hermann Blech

- aus dem Benrather Tageblatt vom 6.3.1965 -

Unter alten Dokumenten, Zeitungsberichtenvon Anno dazumal und allem möglichen, wasman an Erinnerungsstücken aus Liebe zur Hei-mat aulbewahrt, fand sich im Nachlaß vonFrau Blome auch ein Buch von Philip Franck:

eisernen Schnörkeln der kleinen Rokokotör-chen des Gartens festgeklammert, so daß siebeim Öffnen und Schließen der Tore die Bewe-gung mitmachten; sie hingen abwechselnd inweißen und roten Girlanden an den Akazien,die die Seen und Wasserläufe einfaßten, in de-ren Fluten sie sich spiegelten."

Interessant ist, daß Franck den Park nicht alsPark, sondern als Wald bezeichnet, der das da-mals recht verwunschen anmutende Schloßumgab. Ein wichtiger Hinweis für den Histori-ker, bzw. für den historisierenden Schloßgärt-ner, dem die Pflege der Parkanlagen obliegt;denn beim Benrather Park handelt es sich umeinen betont waldmäßigen Park mit seinemstarken Buchen- und Eichenbestand, derdurch parkmäßige Wege in einzelne Quartiereaufgestellt ist.

Hier stellte Franck seine Staffelei auf, und erwählte oft Bildformate so groß, wie es ebenging, denn er konnte sich nicht genug darintun, all die Schönheiten die die Natur ihm hierbot, im Bilde festzuhalten. Aber auch außer-halb des Parkes "war die Welt ein Paradies",besonders, wo die Obstwiesen der Urdenba-cher Kämpen sich bis zum "Ausleger" gegen-über Zons erstreckten. Hier blühte Baum anBaum, und "es gab Bilder in Hülle und Fülle".

Im Hause Lampenscherf hatte Philip Franck,der "ohme Franck" viel Freude am Geplapperder kleinen "Sting" (Christine), der Enkelindes Hauses. Und die Verbindung zur FamilieLampenscherf ist nie abgerissen, auch nicht,als aus der kleinen "Sting" die Frau ChristineBlome geworden war. Er schenkte Frau Blomespäter sein Erinnerungsbuch. Im Jahre 1926noch schickte er ihr mit einer Widmung -"seiner lieben Frau Christine Blome in treuerErinnerung" - das Foto eines Gemäldes, daser während seines Benrather Aufenthaltesgemalt hatte: eine Kommunikanten Prozes-sion, die durchs "Börchem" zieht. Und aufdem Bild, das von der städtischen Galerie in

"Vom Taunus zum Wannsee", 1920 bei GeorgWestermann erschienen. Darin schildert der1860 in Frankfurt geborene Maler und spätereProfessor und Direktor an der KöniglichenKunstschule in Berlin seinen Lebensweg, derihn von Frankfurt über Düsseldorf nach Berlinführte. Einige Kapitel in diesem Buch sindDüsseldorf und dem damals noch weit vor denToren der Stadt gelegenen Benrath gewidmet."Ach, es war noch eine goldene Zeit, auch fürdie jungen Akademiker", schreibt er rückblik-kend.

Philip Franck war in Düsseldorf auch Schülervon Gebhardt, und eine besondere Freund-schaft verband ihn mit dem um vier Jahre jün-geren Arthur Kampf. Die Enge'des herkömm-lichen akademischen Betriebs behagte Francknicht, er strebte nach draußen, in die Natur,zum "Pleinair". Deshalb siedelte er für einJahr nach Benrath über und wohnte hier im"Benrather Hof", heute Ecke Haupt- und Bör-chemstraße, bei der Witwe Lampenscherf, de-ren Enkelin, Christine Blome, damals noch einkleines Kind war.

In Benrath fühlte der junge Maler sich wie zuHause, "Meine Wirtin", schreibt er, "war eineprächtige Frau; sie herrschte über Haus undHof." Im "Benrather Hof", der damals nochmehr Bauernhof als Gasthof war, mietete erein Schlafzimmer "neben dem kleinen Musik-saal, in dem ich tagsüber malen konnte, wennich nicht lieber im Freien tätig war."

Und was für Möglichkeiten boten sich für ihn,besonders zur Frühlings- und Sommerzeit, imFreien zuschaffen!

"Dort lag eingebettet in Rosen das BenratherSchlößchen. Die Rosen kletterten auf dasgewölbte Dach hinauf. Sie hatten sich an den

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Würzburg angekauft wurde, ist auch die kleine"Sting" abkonterfeit. Es ist ein ganz und gardörflich anmutendes Bild mit Bauernhäuschenund kleinen Gehöften, die heute noch nichtalle der Verstädterung Benraths zum Opfer ge-fallen sind.

So ist Philip Francks Erinnerungsbuch eineFundgrube für den Heimatforscher. Es sei auchnoch hingewiesen auf die Begegnung Francksmit den Benrather Sängern, die seit dem Jahre1856, mit dem Gründungsjahr ihres Vereins,des Benrather Männerchors, ihre Proben imHause Lampenscherf abhielten, und zwar zuFrancks Zeit in einem Raum neben demSchlafzimmer des jungen Malers.

"Als ich aber merkte, wie schön sie sangen,war es mir oft ein Genuß", und: "Ich erstauntedaher auch nicht, als ich vernahm, daß sie sichin Bonn auf einem Rheinischen Musikfesteden ersten Preis ersungen hatten."

Nun hatten die Sänger vom Kaplan der Orts-pfarre eine alte barocke Holzplastik, eine heiligeCäcilia darstellend, zum Geschenk erhalten.Die übergab man einem Anstreicher zum Säu-bern und Neubemalen. Dieser traute sich abernicht, auch das Gesicht der heiligen Cäcilia neuzu bemalen, und diese Aufgabe übertrug manFranck. Er schreibt: "Ich stattete die heiligeCäcilia mit hübschen blauen Augen, roten Bak-ken und kirschrotem Mund aus." Eines Abendsim Bett hörte er dann wie der Vorsitzende derSänger eine Rede hielt und den Malermeisterlobte, der die Gewänder neu bemalt habe, abernicht imstande gewesen sei, das zu erneuern, wasnur Künstlerhände gekonnt hätten: die Augen!

"So huldigte eine Kunst der anderen", schließtFranck diese Geschichte. "Die Benrather Sän-ger aber rechneten mich seitdem zu den Ihri-gen."

Mit der gleichen Freude und Aufgeschlossen-heit, wie Franck von seinem Benrather Auf-enthalt erzählt, schildert er seine Studienjahreund seine Begegnung mit namhaften Zeitge-nossen an der Düsseldorfer Kunstakademie,auch diese Schilderungen sind eine Fundgrubefür den Heimatfreund. Damals stand im Mit-telpunkt des Künstlerlebens der Malkasten,"das Heim", wie Franck schreibt, "zu dem mankommen konnte, wann man wollte", und wodie Kunstjünger sich stets geborgen fühlten.

Ein alter Benrathererinnert sich an"de Prumme-Kirmesvon 1910"- aus dem Benrather Tageblatt vom 9.9.1967 -

Es war 1910. - Die Kirmes stand damals nochauf dem Marktplatz. Es war der Kirmessams-tag wie heute. Nicht der "Duft der großen wei-ten Welt" war es, den die Benrather an diesemTag schnuppern wollten, sondern es war derDuft der "Prummetaate", der die Gemüter er-regte und der die entferntesten Verwandtenanzog. Das alte gute Pferdekarussel standschon auf dem Markt vor Friebus. Auch "deMoppebud" war schon da. Doch was nochfehlte und worauf die Jugend fiebernd wartete,das war die Schiffsschaukel, eine Attraktion,die damals bei der Kirmes so gefragt war wieheute der Autoskooter. Sie war damals derTreffpunkt der Jugend und wenn sie fehlte,war es nur eine halbe Kirmes. Fast hatten dieBenrather "Halbstarken von damals" dieHoffnung auf das Kommen der Schiffsschau-kel aus Rheydt schon aufgegeben, da ging esgegen 18 Uhr - damals sagte man allerdingsnoch 6 Uhr - wie ein Lauffeuer durch Benrath:"De Schiffsschaukel is doch noch jekomme".

Nun ja, der Weg von Rheydt nach Benrath warfür ein Pferdegespann eben noch sehr weit. ImNu hatte der Schiffsschaukelbesitzer eineganze Schar größerer und kleinerer Helfer,denn Benraths Jugend war zur Stelle und fak-kelte nicht lange. Es wurde zugepackt, dennwas nützte die schönste Schiffsschaukel, wennsie wohlverpackt auf dem Wagen liegt. "Watmenste, wat die Bräder schnell von dem Wareronger wore" erinnerte sich der alte Benratherheute früh. Und schon nach kurzer Zeit standdie Schiffsschaukel auf dem Marktplatz etwadort, wo heute das Sportgeschäft Hohmann ist.Jetzt erst begann für die Benrather Jugendwirklich die "Prummekirmes". Für drei Tagebevölkerten sie die Schiffsschaukel und konn-ten sich so Benraths Kirmestrubel schaukelndvon oben besehen.

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In Urdenbach wurde eine Flaschenpost gefundenGrüße aus dem vorigen Jahrhundert eingemauert unter dem Tanzsaal von Haus BüchelAuf der Eiersuche entdeckt

- aus dem Benrather Tageblatt vom 11.11.1958 -

Die Sache hat eine Vorgeschichte, sie handeltvon der zufälligen Entdeckung dieses Grußesaus dem Jahre 1899, und damit wollen wir be-ginnen.

Herr Paul Breddermann, derzeitiger Pächtervom Haus Büchel zu Urdenbach am Rhein,stellte fest, daß seine Hühner recht wenig Eierlegten und begab sich auf Anraten seiner Frauauf die Suche nach Nestern, in die vielleicht dieHühner ihre Eier verlegt haben könnten. Erfand auch solche Nester und wußte nun, daßseine Hühner zwar ihre Schuldigkeit getan hat-ten, nur nicht am rechten Ort.

Der Saal von Haus Büchel ist, zum Bedauernder Urdenbacher, die dort gerne tanzen möch-ten, mit Ostflüchtigen belegt und so hatte denneine Frau, die in dem Saal wohnte, die Bemü-hungen des Gastwirtes beobachtet. Dabei fielihr, ländlichem Leben nicht fremd, ein, daßunter dem Bühnenausbau des Saales auchschon häufig eine Henne gegackert hatte. Sieteilte das ihrem Hausherrn mit, der nun auchdort nach Eiern suchen wollte. Das war nichtso einfach, denn zu dem Raum unter derBühne führten nur zwei Luftlöcher, durch diezwar ein Huhn, nicht aber Herr Breddermannsehlüpfen konnte.

Dieser aber wußte Rat. Er holte sich zwei inseinem Haus wohnende Jungens, den sechs-jährigen Heinz Schiefer und den neunjährigenHans-Josef Rohling, die ihm schon öfter beider Eiersuche behilflich waren. Er gab ihneneine Kerze und ließ sie durch die Luftlöcherlauern.

"Oh! Onkel Paul, ene janze Haufen Eier, da inde Eck!" rief der eine, der andere aber sachlichund weniger überschwenglich, meinte: "Donnmich Dein Mutz, do jonnt se all drin!" Er be-hielt recht, sie gingen alle hinein, etwas überein Dutzend faule Eier.

Aber etwas anderes hatten die Burschen ent-deckt: im Kerzenschein glitzerte eine Flasche.Auch das teilten sie dem Onkel mit und manvermutete, daß vielleicht einer von den Saalbe-wohnern eine leere Bierflasche dorthin gewor-fen haben könnte.

Immerhin, man ging der Sache auf den Grundund stellte fest, erstens, daß es eine Sektflaschewar, zweitens, daß irgendein Stück Papier inder Flasche steckte und drittens, daß sie mitdem Mauerwerk fest verbunden, also richtigeingemauert war.

Nun war die Neugier wach geworden und dieFlasche wurde mit einiger Mühe losgebrochen;sie blieb dabei ganz. Es handelte sich um eineSektflasche, die mit dem angespitzten Sektkor-ken wieder verschlossen war und in deren In-nerem sich tatsächlich zwei Karten befanden.

Mit Geduld, Vorsicht und der Brennschere sei-ner Frau angelte Herr Breddermann die bei-den Karten heraus und der Fund lohnte dieMühe.

Es waren zwei ganz gleiche Ansichtskarten vonHaus Büchel, Hotel-Restaurant, Luftkurort,Besitzer Th. van Look. Mit "Gruß aus Urden-bach a. R." zeigten sie die Rheinansicht vonHaus Büchel, so, wie sie zu damaliger Zeitauch laufend in den Anzeigen im "Rheinlän-der" abgebildet war: eine Ideal-Landschaft imStil der Jahrhundertwende.

Datiert sind die Karten vom 4.November 1899und da sie am 6.November 1953 aufgefundenwurden, haben sie genau 54 Jahre in ihremVersteck gelegen,

Der Text auf der einen Karte lautet: "Aml. ,2. ,3., und 4. November des Jahres 1899 habeich, Peter Pritschau, Schreiner bei Herrn Till-manns. Schreinermeister in Urdenbach, dieSchreinerarbeiten an der Tanzfläche, Bühne

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und die Fenster an dem Saal, welcher neu an-gebaut wurde, für den Besitzer dieses Hotels,Herrn Theodor van Look, fertig gemacht. Sogeschehen im Jahre des Heils anno achtzehn-hundertneunundneunzig."

Auf der Bildseite ist vermerkt: "Peter Prit-schau (39 Jahre) und Frau Wilhelmine Prit-schau geb. Strohn (34 Jahre), unsere Kinder:Wilhelm Pritschau (8 Jahre) und Auguste Prit-schau (4 Jahre), und nochmals das Datum: Ur-denbach, den 4. November 1899.

Der damals achtjährige Sohn Wilhelm Prit-schau lebt heute noch als selbständiger Schrei-nermeister auf der Schloßallee in Benrath. Au-guste, die damals vierjährige Tochter soll inUrdenbach geheiratet haben.

Die zweite Karte teilt folgendes mit: " Diesesdem Finder dieser Urkunde zur Mitteilung. ImJahre des Heils 1899 fertigte SchreinermeisterWilhelm Tillmanns in Urdenbach und dessenGehülfe Peter Pritschau an der Vergrößerungdes Saales und Anbau der Bühne des Gasthof-besitzers Herrn Theodor van Look zur vollenZufriedenheit an. So geschehen in Urdenbachim Monat November 1899."

Die Vorderseite trägt den Vermerk: "gesehenJoh. Hub. Lesselen."

Sicherlich haben die beiden Handwerker da-mals, also am 4. November 1899, eine ArtRichtfest gefeiert und die Flaschenpost in fröh-licher Stimmung hergerichtet und eingemau-ert.

Ob sie damals damit gerechnet haben, daß ihrGruß an die Nachwelt schon nach 54 Jahrenans Tageslicht kommen würde, weiß man na-türlich nicht, vermutlich aber waren sie der op-timistischen Meinung, daß ihrer Hände WerkJahrhunderte überdauern werde.

Und was soll nun geschehen?Der Wirt von Haus Büschel, Herr Paul Bred-dermann, beabsichtigt, den interessantenFund wieder in die Flasche zu verstauen undihm einen Abdruck dieses Artikels aus dem"Benrather Tageblatt" beizufügen. Die Fla-sche soll dann wieder verschlossen und an deralten Stelle eingemauert werden. Spätere Ge-schlechter mögen dann die Flaschenpost aufsNeue entdecken und ihre Freude daran haben.

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Der verschwundene Bach-nach mündlichen Angaben -

Das Dorf Itter hat seinen Namen von dem It-terbach, der früher mitten hindurchfloss. SeineWellen trieben eine Mühle im Dorfe; sein kla-res Wasser benutzen die Anwohner zum Auf-spülen der Wäsche, als Viehtränke und Pferde-schwemme. An der Biegung des Baches, süd-lich von der Kirche, stand ein uraltes, steiner-nes Kreuz, und wer da vorbeikam, ob großoder klein, machte vor dem Christusbilde Haltund verrichtete ein andächtiges Gebet. ImFrühjahr 1757 aber kamen französische Solda-ten, die wußten nichts von Andacht. Ihr Füh-rer war Oberst Fischer, der mit seiner Frei-schar in französischem Solde gegen den großenPreussenkönig kämpfen wollte. Seine Leuteführten sich sehr bös' auf, plünderten und miß-handelten die Bewohner des Dorfes und ver-übten allerlei Schandtaten. Da die Kirche gutverrammelt war, ließen sie ihren Übermut andem Christusbilde aus. Sie schlangen einenStrick herum und spannten ein paar Pferde da-vor, sodaß das Steinkreuz umstürzte und zer-trümmert wurde. Die Stücke lagen noch langeam Wege; nur der abgebrochene Kopf rollteden Abhang hinunter, in den Bach hinein undversank im Schlamm. Sieben Jahre dauerte derKrieg und die Einwohner von Itter hatten wiedas ganze Bergische Land immer wieder zu lei-den durch Lieferungen an Lebensmitteln undFutter für Soldaten und Pferde. Niemanddachte daran, das Steinkreuz wieder aufzurich-ten, und mit der Andacht vor dem Christus-bilde hatte für manchen das Beten überhauptaufgehört, selbst als schließlich der Krieg vor-über war. Da geschah etwas Merkwürdiges; ei-nes Tages war der Bach verschwunden. DasMühlrad klapperte nicht mehr, und wenn dieLeute Wasser haben wollten, mußten sie es ei-merweise aus dem Brunnen holen. Der Kur-fürst Karl Theodor hatte nämlich nach demKriege seinen alten Plan, in Benrath ein neuesSchloß zu bauen, wieder aufgegriffen. In demSchloßpark wollte er auch Teiche und Wasser-künste anlegen. Darum wurde auf seinen Be-fehl der Itterbach abgeleitet.

Früher nahm die Itter ihren Weg über Pauls-mühle, Kappelerhof, Niederheid, Haus Elbro-ich und floss dann in weitem Bogen nördlichund westlich um das Dorf Itter herum. Wie dieBrückeninschrift an der Straße nach Himmel-geist besagt, diente das dort noch deutlich zuerkennende Bett der Itter damals als Jagd-grenze zwischen den Schlossherren von Mik-keln und Elbroich. Dann floß der Bach in östli-cher Richtung im Zuge der Grabenstraßedurch das Dorf, wandte sich hier scharf nachWesten auf Haus Mickeln zu und mündetedicht oberhalb der Udesheimer Fähre in denRhein. Der Kurfürst ließ nun den Bach durchein neues Bett, den sog. Kapuzinerkanal, längsder Hilden-Benrather Straße bis zum Schloß-park leiten. Hier diente das Wasser zur Spei-sung der Teiche und Wasserfälle und flossdann unterhalb des Parkes entlang nach Ur-denbach, vereinigte sich unterhalb der dorti-gen Wassermühle mit dem Alten Rhein undmündete mit diesem südlich vom Schloßparkin den Strom.

Nun hatten die Bauern von Itter das Nachse-hen, denn der Kurfürst war Herr über Wald,Wasser und Wind. Als sie aber darangingen,das verschlammte Bachbett zu reinigen, daentdeckten sie den alten, steinernen Christus-kopf, und Herr Wilhelm Moritz Krautwig, dervon 1756 -1804 Pfarrer in Itter war, erinnerteseine Gemeinde an die Zeiten, wo ihnen dasSteinkreuz eine tägliche Mahnung zur An-dacht gewesen war. Deshalb beschlossen sie,den Kopf über dem Eingang ihrer Kirche in dieTurmwand einzusetzen, damit er ihnen künftigstets vor Augen sei, und dort hat er bis auf denheutigen Tag seinen Platz behalten, wenn auchder Eingang zur Kirche seit 1862 auf die Süd-seite verlegt worden ist.

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Die goldene Rüstung- nach mündlichen Angaben -

Das alte Schloß Mickeln in Himmelgeist warseit 1774 im Besitz des Reichsgrafen Franz Wil-helm von Nesselrode. Seine Gemahlin, Mar-quise von und zu Hoensbroich, war in zweiterEhe mit dem bayrischen Minister Graf Wil-helm von Hompesch-Bollheim vermählt. 1806erwarb dieser von der Bergischen Staatsgüter-Verwaltung auch den Fronhof hinzu, der dem1803 aufgehobenen Stift Vilich bei Bonn ge-hört hatte. Als Erbe des Freiherrn FerdinandJoseph von Hompesch, jenes JohanniterGroßmeisters, der 1798 die Insel Malta an dieFranzosen ausliefern mußte, führte er spätereinen langwierigen Prozeß mit der englischenRegierung, die Malta um 1800 in Besitz ge-nommen hatte. Er starb 1810 in Mainz, ohneden Prozeß gewonnen zu haben. Die Leichewurde zu Schiff nach Himmelgeist gebrachtund auf dem dortigen Friedhof beigesetzt.Seine Verwandten ließen hier zum Gedächtnisdes Verstorbenen eine Kapelle errichten, dieals einzige im ganzen Erzbistum Köln dem hl.Wilhelm geweiht ist. Auch stifteten sie für diePfarrkirche zu Himmelgeist einen Rokoko-kelch aus getriebenem Silber nebst Teller undKännchen für Wein und Wasser.

Im Dorfe erzählte man sich, der Tote ruhe indem Grabgewölbe, angetan mit einer golde-nen Rüstung, und halte ein goldenes Schwertin den Händen, das aus dem Schatz von der In-sel Malta stamme. In den unruhigen Zeitennach dem Weltkriege haben Einbrecher wie-derholt die Pfarrkirche von Himmelgeist heim-gesucht, und eines Morgens (1922) meldeteder Totengräber dem Pfarrer, daß das Grabge-wölbe in der Wilhelmskapelle erbrochen sei.Bei der Besichtigung wurde festgestellt, daßdie Räuber die von Ziegelstein gemauerteDecke zur Hälfte eingeschlagen und mit einerStange den vermoderten Sarg aus Tannenholzdurchgewühlt hatten. Aber sie mußten mit lee-ren Taschen abziehen, ohne Gold gefunden zuhaben.

HubertusschlüsselFabry, Sechshundert Observ. a.d. wundärztl.Praxis (Schneider 177);- Handschr. im Pfarrarchiv zu Itter;Stadier II, 774-777.-

Die Pfarrkirche St.Hubertus in Itter besaß eineaus dem Kloster St. Hubert in den Ardennenstammende, eiserne Nachbildung des golde-nen Schlüssels, den der hl. Hubertus nach derLegende von Petrus selbst erhalten hatte. Die-ser Schlüssel wurde nach Jägerbrauch denJagdhunden glühend auf die Stirne gedrückt,um sie vor der Tollwut zu schützen. Auch be-nutze man ihn zum Ausbrennen von Wunden,die von Bissen toller Hunde herrührten. Einjunger Mann aus Hilden wurde 1612 in Ittermit dem Hubertusschlüssel gebrannt, mußtejedoch von dem berühmten Wundarzt Fabryweiterbehandelt werden. 1629 wurde derSchlüssel nebst anderen Kirchenschätzen vonSoldaten geraubt, später aber in einem Mis-thaufen wieder aufgefunden. Heute ist er nichtmehr vorhanden.

Die gerettete MonstranzHandschrift im Pfarrarchiv zu Itter

Während des Klevischen Erbfolgestreitesrückten brandenburgische Truppen ins Bergi-sche Land, um dort wegen der durch WolfgangWilhelm veranlassten, fortgesetzten Bedrük-kung der evangelischen Gemeinden eineKriegssteuer einzutreiben. Eine AbteilungReiter und Fußvolk kam am 15.Mai 1629 nachItter, plünderte Pfarrhaus und Höfe, erbrachdie Kirche, raubte dort die hl. Gefäße nebstMessgewändern und Decken und nahm denPfarrer, Petrus von Kayr, samt einigen Dorf-bewohnern als Geisel mit nach Soest. Einerder Reiter, welcher die vergoldete Monstranzgeraubt hatte, stürzte auf dem Wege nachHimmelgeist plötzlich vom Pferde und wurdedadurch so erschüttert, daß er das gestohleneGut einer ihm begegnenden Frau übergab mitder Bitte, es zum Dorfe zurückzubringen.Dem Pfarrer aber hat er in Soest seine Tat ge-beichtet und feierlich gelobt, nie wieder eineKirche auszuplündern.

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Das Arenbergsche Wappen- nach mündlichen Angaben -

Als Ersatz für das 1836 abgebrannte, im Bar-ockstil erbaute, alte Schloß in Himmelgeist,"Haus Mickeln" genannt, ließ der neue Besit-zer, Herzog Prosper Ludwig von Arenberg1847 -1849 in dem prächtigen Park einen Neu-bau errichten. Über dem Haupteingang mitder von zwei steinernen Löwen eingefaßtenFreitreppe ist das Arenbergsche Wappen an-gebracht, das im roten Felde drei weiße, gold-besamte Mispelblüten zeigt. Über die Entste-hung dieses Wappens berichtet folgende Sage:Ein Vorfahr der Arenbergs hatte auf demKreuzzuge gegen die Ungläubigen gekämpft

und in der Schlacht so viel Feinde erschlagen,daß Schwert und Schild in Blut gebadet waren.Schließlich wurde er selbst verwundet undsank ermattet unter einem Mispelbaum inSchlaf. Der Wind wehte die Blüten vomBaume, und drei davon blieben auf dem blut-überronnenen Schilde kleben. Am Morgen rittKaiser Barbarossa über das Schlachtfeld, ließden Bewußtlosen wieder zu sich bringen,schlug ihn auf der Stelle zum Ritter und verliehihm das Wappen, welches noch heute von derinzwischen zur Herzogswürde gelangten Fami-lie geführt wird.

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Der letzte Kuhhirt von HasselsUm 3 Uhr blies "Dhamese Weilern" das "Köhhorn"

- Zeitungsveröffentlichung o. Datum und ohne Quelle -

Originelle Menschen, die dem Leben stets diebesten Seiten abgewinnen, trifft man in ländli-chen Bezirken noch mehr als in der Stadt, undvor vielen Jahren trugen weite Bezirke, dieheute längst zur Großstadt zählen, noch bäuer-lichen Charakter. Einer von diesen lieben, ein-fachen Menschen war auch der "DhameseWeilern", der letzte Kuhhirt von Hasseis, HerrWilhelm Thome aus Hasseis.

Die Siedlungen um Hasseis zählten damalsnoch zur Reisholzer "Gemark", und diese be-saß eine gemeinsame Weide, die sich von Itterbis Haus Horst nach Norden über Hoxbachund Eselsbach bis weit nach Eller hin aus-dehnte. Auf ihr wurden Kühe und ab und zuauch Ochsen der "kleinen Leute" gemeinsamgeweidet, während die Großbauern eine ei-gene große Weide bei ihren eigenen Höfenhatten. Die Reysholtzer GemarkenordnungAnno 1699, den llten May, besagt in ihrem§9,daß den "Beerbten der Gemark" zulässigist, "diese mit Vieh zu betreiben." Noch biszum Herbst 1876 wurden auf dem BenratherGebiet noch vier Herden ausgetrieben; eine"us em Dorp" (aus Benrath), eine "us em Has-seis" (aus Hasseis), und eine "us em Riesseis"(aus Reisholz). Von früh morgens bis spätabends waren sie unterwegs, an schönen Tagenim Sommer schon vor Sonnenaufgang, undhatten überall eine gute fette Weide. Hattensie sich sattgefressen, so nahmen sie einenwohlschmeckenden, frischen Trank aus dennoch quellklar, ohne Verschmutzungen, durchdas Land fließenden Bächen und Flüßchen,der Itter, dem Hoxbach und dem Eselsbach.

Der gute alte "Dhamese Weilern", seines Zei-chens der letzte unter den Kuhhirten von Has-seis, hat noch im Alter gern von seiner Hüte-zeit als der schönsten seines Lebens erzählt.Auch er hatte in der Jugend, um Geld zu ver-dienen, in die "Fabrik" gemußt, und als es spä-ter nach der Aufteilung der Gemark den Dorf-herden unmöglich gemacht worden war, wei-

ter zu hüten, mußte er den schweren Gangnoch einmal tun. Er weiß noch genau wie daszuging, damals, als er am I.April in der Wirt-schaft "Am Schönenkamp" in Hasseis als Kuh-hirt "zugemietet" wurde. Da kamen die Bau-ern der Gegend alle zusammen und wähltenbei der "Kohlad" (Kuhlade) den Hirten jeweilsfür ein Jahr mit Stimmenmehrheit. Die "Koh-lad" wurde so genannt, weil gleichzeitig mitder Anmietung des Hirten eine Versicherungabgeschlossen wurde. Dem "Dhamese Wei-lern" wurde für seine Hirtearbeit ein blankerThaier für jede Kuh gezahlt. Es dauerte nurkurze Zeit "bes die Köh gewännt (gewöhnt)wore".

Der Hauptweideplatz der Hasseier Herde warauf der Donk und Elpedonk, hinter der Hasse-ier Kirche, aber auch weiter in den Busch hin-ein bis zur "Strecke" der Rheinischen Bahn(Eller - Hilden). Meistens wurde "en zweiPuse", d.h. in zwei Hütezeiten (Pausen), miteiner großen Mittagspause gehütet. Da ließ beigutem Wetter "Weilern" schon um 3 Uhr frühsein Kuhhorn durch die Stille des Dorfes ertö-nen. Um 10 Uhr kamen die Tiere dann in ihreStälle zurück, und um 3 Uhr nachmittags holtesie der Kuhhirt wieder zu einem neuen großenImbiß in der Gemark ab. Im Sommer wurde esdann oft 9 Uhr abends oder noch später, "datmer döckes eesch em Düstere noh Hus kom.Dat war och, wenn die Heed (Heidekraut)schon stung un dat zeug froße die Diere sojän". Wenn die Tage kürzer wurden, "dädenmer bloß en ener Pus höde", ohne Mittagheimzukehren. Vielfach wurde bis in den De-zember hinein "ausgetrieben".

Auch dem "Dhamese Weilern" ist es natürlichab und zu passiert, daß er vom vielen Hin- undHerwandern müde war und sich ein Schläfchenauf der Weide gönnte und die Kühe schon "inMarschordnung" um ihn herumstanden, als erwach wurde und mit Schrecken feststellte, daßes Zeit war zum Eintreiben.

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Mit heller Freude erinnert er sich auch noch andie herrlichen Badegelegenheiten in denSchachtlöchern der sumpfigen Benden, woman im Übermut auch die Kühe schon mal hin-eintrieb, um "sie schwimmen zu lernen". Pas-siert ist dabei aber Gott sei Dank nie etwasErnstes. Und auch mit 80 Jahren lachte dembraven, arbeitsamen letzten Kuhhirten vonHassels so recht der Schalk aus dem Nacken,wenn er ans Erzählen kam und verschmitztzugab, daß eine Kuh eigentlich immer brav stillhält, "wenn der Hirt sie in de Kapp gemolkehat", um zu seinem bescheidenen Brot einenstärkenden Trunk zu haben.

Auszug aus dem Polizei-bericht für den MonatAugust 1811 aus derMunizipalität Benrath- aus dem Hildener Jahrbuch von 1965 -

l. Volksstimmung

Man klagt, daß neben der Steur noch derZehnten, Herrenfrüchten und Schatz besteht.

Volks- und andere öffentliche Vergnügungen:Zu den öffentlichen Vergnügungen gehörendie Gottestrachten und die Kirmessen. Wasdie Gottestracht betrifft, so wäre sonst für denTag Kirchfeir, und mit dem Tag wäre alles zuEnde. Itzt aber schleicht der Mißbrauch sichmehr und mehr ein, so daß aufm Lande dieKnechte und Mägde eher 3 als 2 Tage dem Mü-ßiggang fröhnen wollen, wodurch ihren Herr-schaften großer Schaden zugefügt wird.

Was die Kirmessen betrifft, so sind dieselbeauf jedem Ort zu verschiedenen Zeiten; diesedaueret 3 auf mehren Orten 4 und mehrereTage, die im Schwelgen und Müßiggang dahin-gehen. Den Schaden und Nachteil, den der är-mere Landmann dadurch hat, besteht darin:Er ist genötigt, für seine kommende GästeVerschwendung zu machen, welche mancherFamilie so drückend wird, daß sie oft mit den-selben mehrere Wochen davon hätten leben

können. Jeder rechtschaffene Familienvaterklagt über solchen Mißbrauch und wünschtherzlich, daß solcher abgeschafft wird. Der be-mitteltere Landmann hat neben obigen Ver-schwendungen in der Zeit nichts an seinenDienstboten; dieselbe wollen nicht allein Kir-mes halten, wo sie wohnen, sondern wollenauch auf die Kirmes ihrer Heimat und in ihrerNachbarschaft gehen. Was dieses für eineUnordnung in einer Landwirtschaft macht undwelchen Schaden der Hausherr dadurch erlei-den muß, da mehrere Kirmes grade in derErnde und Saatzeit fallen, ist leicht zu ermes-sen. Man wünscht dahero allgemein, daß dochdie einmal gnädigst gegebene so wohltätigeVerordnung befolgt würde, daß am Sonntagnach Martini überall Kirmes sein sollte und alleübrige Kirmessen - (die) bloß zum Müßiggangund Verschwendungen abzweckene - zu ver-schiedenen Zeiten nicht mehr geduldet werdenmöchten.

2. Sicherheit

Zur Sicherheit der Menschen und (des)Vieh(s) gehört, daß alle entbehrliche Hundeweggeschafft werden. Es ist leider aus der Er-fahrung bekannt, daß mancher Mensch undmanches Stück Vieh von diesen Tieren, welchebekanntlich der Raserei unterworfen sind, ge-bissen und angesteckt worden sind. Und wassolch ein rasender Hund für ein Unheil in einerHerde Vieh anrichten kann, braucht keinesBeweises; und daß diese Menge Hunde oben-drein eine große Konsumtion von Lebensmit-teln erfordern, ist ebenso einleuchtend. Eswäre also gut, wenn alle unnötige Hunde ausder Mairie weggeschafft würden und die, wel-che bleiben müß(t)en, stets festgehalten. Sowürde wenigstens obige Gefahr beseitigt; undman würde auch nicht so viel Unglück hören,wo Hunde junge Pferde angefallen, dieselbeflüchtig und Unglück verursacht haben.

3.Gesundheitszustand

Es herrscht keine epidemische Krankheit, nurliegen an der Roten Ruhr verschiedene Kran-ken. Sie ist zwar nicht sehr heftig, doch sterbenetwelche daran; dieses kommt vermutlich

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daher, weil sie Mittel brauchen, die den Zu-stand eher verschlimmern als verbessern. Eswäre dahero nicht undienlich, wenn eine Ver-haltensverordnung bekanntgemacht würde,wie solche armen Kranken, so nicht viel medi-zinieren können, sich dabei zu verhalten hät-

ten, welche Lebensmittel dabei schädlich undwelche dabei nützlich wären, um doch wenig-stens zu verhüten, daß keine Einsassen aus Un-wissenheit und Fahrlosigkeit (!) ihr Leben ein-büßen müssen.

Eiszeit am Rheinvon Dr. Hermann Blech

- aus Benrather Heimatgeschichte 1974 -

Der Winter 1893/94 war bis zum Januar 1894recht mild. Mit Neujahr aber änderte sich dieWitterung. Mehrere Tage anhaltender schar-fer Nord- und Ostwind brachte große Kälte. Inkurzer Zeit, fast über Nacht, sank die Tempa-ratur auf Minus 8 bis 12 Grad. Alsbald ging derRhein bei sehr niedrigem Wasserstand mitstarkem Treibeis. Schon nach drei Tagen kamderselbe in der Krümmung bei Urdenbach am6. Januar dreimal zum Stehen, setzte sich aberebenso oft wieder in Bewegung. In der Nachtvom 6. zum 7. Januar aber setzten sich die Eis-massen so fest, daß man es am Sonntag, den 7.Januar, wagen konnte, den Strom zu über-schreiten. Es wurden nun zwei Wege über dasEis gebahnt, am sogenannten DiergartensKopf (Schloßpark) und an der BenratherFähre. Nun wanderten die Einwohner von Ur-denbach und Benrath in großen Scharen überden zugefrorenen Strom. Auf den Gesichternaller las man helle Freude über dieses selteneund großartige Ereignis; denn seit dem Jahre1845 soll der Rhein hier nicht mehr gestandenhaben. Die gewaltigen Eismassen, welche sichüber- und durcheinander schoben und zumTeil hoch aufgetürmt hatten, boten dem Augedes Beschauers einen großartige schönen undseltsamen Anblick dar. Sobald die für denRheinstrom so sehr begeisterten Bewohnerdes Bergischen Landes durch die ZeitungenKunde von dem Stehen des Rheines erhielten,strömten sie in großen Scharen aus den StädtenElberfeld, Barmen, Solingen, Ohligs, Wald

und den vielen, kleineren Orten herbei, nichtnur, um dieses seltene Schauspiel zu sehen,sondern mehr noch, um sich rühmen zu kön-nen, einmal über den majestätischen Strom ge-gangen zu sein. Von Vereinen wurden auf derEisfläche inmitten des Stromes herrliche Lie-der zum Lobe des zwar in eisige Fesseln ge-schlagenen, aber dennoch majestätisch schö-nen Rheinstromes mit großer Begeisterung ge-sungen. Der Fährmann Jussenhoven machtegute Geschäfte. Während derselbe am diessei-tigen Anfange des breiteren Überganges(Rheinufer) einen Zoll erhob, waren in seinerauf der anderen Seite gelegenen Wirtschaftzum Jupiter schon früh am Sonntagnachmit-tage weder Speisen noch Getränke zu haben,wiewohl sich derselbe im Hinblick auf den be-vorstehenden großen Fremdenverkehr gutverproviantisiert hatte. Am Beginne des stro-maufwärts am Diergarten's Kopf angelegtenFußpfades hatten einige Urdenbacher eineBretterbude erbaut. Auch diese wurden durchdie Erhebung eines kleinen Zolles und durchdie Verabreichung von Getränken wenigstensin etwa für die bei der Anlage dieses Übergan-ges aufgewendete Mühe entschädigt. Am 9.Januar nachmittags drei Uhr gingen auch dieRinder der hiesigen katholischen Schule unterFührung ihrer Lehrer, den genannten Fußpfadbenutzend, über den Rhein und kehrten überden breiteren stromaufwärts dem Fährhausegegenüber gelegenen Weg wieder zu den dies-seitigen Ufern zurück.

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Schneiders Paul und sein Pferdewagen- aus A. u. H. Schriefers "Benrath" Gronenberg- Verlag, Gummersbach -

SchneidersPaul, bekannt als ein gutmütiger, fleißiger,aber naiver Mann, zählte auch zu denen, dieaus dem Straßenbild nicht wegzudenken wa-ren.

Er fuhr mit seinem Pferdewagen nicht nur täg-lich die schweren Rollen Zeitungspapier ausder Feldmühle zum Benrather Tageblatt, son-dern seine Hauptaufgabe war auch, Kutschereines Leichenwagenszu sein.

Die Verstorbenen wurden zu dieser Zeit nochvom Trauerhaus abgeholt und durch die Stra-ßen zum Friedhof gefahren. Als er einesAbends eine Leiche aus Holthausen nach Ben-

rath fahren mußte, begegnete dem Wagen inNiederheid ein Tagelöhner, der müde von derArbeit kam. Ohne Schneiders Paul zu fragen,setzte er sich rückwärts neben den Sarg, umnicht zu Fuß gehen zu müssen. In Gedankenversunken saß der Kutscher auf seinem Bock,als er plötzlich eine tiefe Stimme von hinten ru-fen hörte: "Äh, Paul simmer bald do?"

Zu Tode erschrocken und in der Annahme.der Leichnam sei wieder lebendig geworden,sprang Schneiders Paul vom Kutschbock undrannte querfeldein nach Benrath. Ob die Lei-che am nächsten Tag abgeholt wurde, ist nichtüberliefert.

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Die Geschichte vom Suff Jupp- nach einer Tonbanderzählung von Pastor Hans Heisterkamp; verst. am 16.11.1978 -

In Benrath gab es damals noch viele Originale, u.a. den Suff Jupp

Als ich eenz in koze Boxein de School noch jing,

als mer driete so als Blacheso manch dolles Ding,

als der Simpel noch wordrinnen in der Schule IV,

dät in Benrod jeder kennee janz selde Dier.

Da Suff Jupp wor für us Blacheso ne richtje Schreck

so mer blos sinn Schüpp und Bäsen,liefe mer als weg.

Hä dät jo die Strosse fähje,Dreck konnte ä nitt sinn,

oft dät ä sich selber läjeen de Jöss erinn.

Arbide dät ä nurimmer wenn ä one Jeld

dann hat ä sech en en Weetschaftsecher engestellt.

Dreck on Abfall dät ä kiere,wat op Strosse litt,

glöcklich dät ä dann verziere,wat ä doför kritt.

Bier on Schnaps dat dät ä suffe,manches volle Glas,

rut un blau in alle Färwe,strahlden drömm sinn Nas.

ständich wo dä Kähl besoffe,mäht vill Krach on Lärm,

öfters hät mo em jetroffe,met en Fläsch em Ärm.

On mer Blache däte klauenSchüpp on Bäsem weg.

schmissen em och usenangeropjehöfte Dreck.

kohm ä wöhdig anjelofewie ne alde Stier,

däte mer Suff Jupp noch rofe,ond dann lefen se.

Wenn ich so zuröck donn denkean dä alde Jupp,

äh wor doch, so muß mer sage,ene ärme Schlupp.

immer nur zu suffe,schlimmer als ä Dier

durch de Joss zu kruffe,is doch kei Plaisier.

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Der Kuhhirt vonBenrath- aus "Düsseldorfer Sagen" -

nach mündlichen Angaben

Als 1848 in Preußen die Wahlen zu dem erstenVereinigten Landtag stattfanden, hatte dieBürgermeisterei Benrath in der Vorwahl einenWahlmann aufzustellen. Es waren aber zweiKandidaten für diesen Posten vorhanden, derBürgermeister und der Gemeindekuhhirt. DieWahl ergab Stimmengleichheit und das Lossollte entscheiden. Der Bürgermeister verzich-tete aber hierauf, und der Kuhhirt zog nun alsVertreter Benraths nach Düsseldorf, wo dieHauptwahl der Abgeordneten für den Bezirkstattfand. Welcher Partei er angehört hat, istheute nicht mehr bekannt; aber der Gemein-dekuhhirt war damals noch eine hochwichtigePersönlichkeit in Benrath. Denn ihm war derkostbare Schatz, das Rindvieh, anvertraut. Biszur endgültigen Aufteilung der Reisholzer Ge-mark in den Fünfziger Jahren wurde er alljähr-lich von den weideberechtigten Bauern feier-lich gewählt und abends mit Fackelzug ins Dorfgeleitet. Der Zug ging durch die Viehstraße(die heutige Forststraße) und die Schulstraßezum Gemeindehaus, wo der Kuhhirt dem Bür-germeister vorgestellt wurde.

Der Werwolf vonUrdenbach- aus "Düsseldorfer Sagen -

nach mündlichen Angaben

Eine alte Frau in Urdenbach erzählte: Wie minJroßmutter selich noch e jong Wäit wor on ennBoomberch jewonnt hätt, do moßt se ens nod'r Oodebach jonn on jet ennhole. Ehr dat seop'em Röckwech wor, feng et als ahn ze dü-stere. Henger de Bröck öwer em Ahle Rhing,wo de Fuhrwech an dene huhe Hegge dörch deKämpe jäit, do wor et als emmer nit räit je-heuer jeweß. Op eemol sprung dem Wäit jetop d'r Rögge on schlog em met sin Klaue öwerde Schuldere an de Brost. Do woßt et Be-schäid, dat wor ne Werwolf. Kriesche däht nixhölpe, on affschöddele leeß dat Beest sech ochnit. So moß den dat ärm Wäit de Werwolfmettschleppe. Et leef, wat et könnt on wor amKühme on am Beewe vor Angst. Wie et äwerdat ieschte Hus von Boomberch könnt senn,do Sprung dat Ondier aff on wor henger enHeck verschwende. Mie duut wie lewend esdat Wäit noch dat letzte Stöckske jeloofe, onwie et bäi sin Motter enn de Stoof erenn koam,feel et öm on wor flau jewode.

Spuk im Kuhstall- aus "Düsseldorfer Sagen" -

nach mündlichen Angaben

Auf einem Bauernhof in Itter hat es vor Jahrenjede Nacht im Kuhstall gespukt. Wenn allesschlief, gab es auf einmal im Stalle einen fürch-terlichen Lärm. Die Rinder liefen mit lautemGebrüll durcheinander; die Ketten verwirrtensich, und die Tiere stießen mit den Hörnern zu-sammen. Es war manchmal mit dem besten

Willen nicht möglich, das Durcheinander zulösen; der Bauer mußte mit der Axt kommen,um die Ketten zu zerschlagen. Das dauerte soeinige Wochen. Dann waren die Tiere ruhigund die merkwürdige Erscheinung wurde seit-dem nicht mehr beobachtet.

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Englischer Schweiß- aus "Düsseldorfer Sagen" -

Mering I, 94; Sudhoff II,71.

Hochwasser in Itter- aus "Düsseldorfer Sagen" -

nach mündl. Angaben

Im August 1529 brach am Niederrhein eine an-steckende Fieberkrankheit aus, welche manden Englischen Schweiß nannte, weil sie inEngland während der vorausgehenden Jahr-zehnte zuerst beobachtet worden war. DieSeuche nahm einen sehr heftigen Verlauf, sodaß als Regel galt: An einem Tag endigt dieKrankheit oder der Kranke. In Köln, wo da-mals der aus dem Bergischen stammendeAdolf Clarenbach zusammen mit Peter Flieste-den als Ketzer in Haft gehalten wurde, benutz-ten die Ketzermeister das Auftreten der bisda-hin unbekannten, gefährlichen Krankheit zurBeeinflussung der Volksstimmung. Baldwurde auf den Kanzeln in Stadt und Land überdie einbrechende Ketzerei gepredigt. DieSchonung, welche ihren Anhängern zuteilwerde, sei die Ursache, warum Gott diese ver-heerende Seuche gesandt habe, und nur durchdas Blut jener Gottlosen könne der Zorn desAllmächtigen versöhnt werden. Unter demDruck der Volksstimmung gab schließlich derRat der Stadt Köln nach und bestätigte dasschon im März von dem Ketzergericht gefällteTodesurteil. Am 28. September wurden dieAnhänger Luthers auf der kölnischen Richt-stätte zu Melaten verbrannt, und im Verlaufdes Herbstes erlosch auch die Seuche.

Über eine sonderbare Heilung vom EnglischenSchweiß berichtet Simon Riquinus, der sichdamals als herzoglicher Hofarzt vorüberge-hend in Benrath aufhielt. In einem Dorfe - esscheint sich um Urdenbach zu handeln - in un-mittelbarer Nähe des Schloßes gelegen, stiegein von der Seuche befallener Bauer in dennoch heißen Backofen, aus dem soeben dieBrote herausgenommen waren, und zwar split-ternackt, nur mit dem frisch geleerten Mehl-sack umhüllt. Nach kurzem Aufenthalt imOfen war das Fieber vorbei. Der Arzt emp-fiehlt die Kur indes nicht zur Nachahmung. Erweiß auch nicht, ob diejenigen, welche vondem im Ofen später gebackenen Brot gegessenhaben, angesteckt worden sind.

Das größte Hochwasser am Niederrhein warwohl dasjenige von 1784. Damals hat derRhein bei Itter den Trippelsberger Dammdurchbrochen. Die Strömung wälzte sichdurch die Felder gerade auf das Dorf zu undhat sehr viel Kies abgelagert. Noch heute läßtsich an dem schlechteren Stande der Frucht er-kennen, über welchen die Strömung hereinge-brochen ist. Das Wasser war auch in die Kircheeingedrungen, und seine Höhe war im Chordurch eine Marmorplatte vermerkt. Das hatteder Pfarrer so gewünscht: denn er hielt es fürheilsam, seine Gemeinde des öfteren an diesenTag des Schreckens zu erinnern. Wenn er aberauf der alten, niedrigen Kanzel stand und dar-auf hinweisen wollte, dann sperrte er leider dieAussicht auf jene Tafel, und das Erinnernhatte wenig Wirkung. Denn gerade dort an derNordseite - die jetzige Kanzel, an der Südseitemit den holzgeschnitzten Bildern der Apostelstammt aus dem Jahre 1912 - war die Marmor-tafel von 1784 angebracht. Der Herr Pfarreraber wußte sich zu helfen. Er ließ sie einfachsoviel hinaufrücken, daß sie nun über seinemKopf weg von den andächtigen Gläubigen ge-sehen werden konnte, wenn er seine Predigthielt; denn aller Unterricht muß von der An-schauung ausgehen. Im Laufe der Jahre wurdedie Marmortafel allerdings brüchig und mußteentfernt werden, und heute erinnern nur nochdie neben dem Kircheneingang eingehauenenEisenbolzen an die verschiedenen Hochwas-serjahre, die Itter hat durchmachen müssen.

Notiz der Redaktion:

"Düsseldorfer Sagen aus Stadt und Land"Neuausgabe 1982im Verlag der Goethe-BuchhandlungDüsseldorfnach einer Auflage von 1926

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Begaukeln des Auges- aus "Düsseldorfer Sagen" -

Zuccalmaglio I, 172

Es gibt Leute, welche durch Zauberkünste an-dern die Augen begaukeln, oder, wie mansagt, ihnen Sand in die Augen streuen können,so daß sie die Dinge anders sehen, als sie inWirklichkeit sind. Ein solcher Zaubermeisterzog einst durch das Rheintal und zeigte allent-halben einen gewöhnlichen Haushahn, deraber so stark war, daß er einen schweren Bal-ken im Schnabel fortschleppen konnte, an wel-chem ein kräftiger Mann seine Last gehabthätte. Alle Welt staunte das Wunder an undzollte dem Meister Beifall wegen seines außer-ordentlichen Hahnes. Nun traf es sich einmal,das der Meister in Benrath eine Vorstellunggab und alles außer sich vor Staunen war, daßeine Jungfer mit einer Bürde Klee auf demKopfe vorüberkam. In dieser Kleebürde be-fand sich aber ein vierblättriges Kleeblatt, wel-ches die Eigenschaft hat, daß es jeden Zauberstört. Daher sah die Jungfer, daß der Hahn nureinen Strohhalm trug. Da sie die Ausrufe derBewunderung hörte, rief sie ziemlich laut:"Nun, was ist denn das Großes, daß ein Hahneinen Strohhalm schleppen kann?" Mit diesenWorten schwand der Zauber. Jeder sah, daßder Hahn nur einen Halm schleppte, und alleWelt lachte den verlegenen Meister aus.

Der schlaue Jan WellemKurfürst und Kobes in Urdenbach

von Theo Spies

- aus dem Benrather Tageblatt vom 10.3.1972 -

"Kommen sie, dann kommen sie nicht, kom-men sie nicht, dann kommen sie". Der Bauern-spruch stammt von Johann Wilhelm, dessenErzbild zu Düsseldorf auf dem Markte steht.Der war ein Liebling der Bauern, aber die Jun-ker konnten ihn nicht leiden, weil er die bisherfreien Rittergüter besteuerte, was ihm einenProzeß brachte am Reichskammergericht.

Dieser wollte aber nicht eher von dannen zie-hen, bis er sich an der Jungfer gerächt hatte,und hierzu fand er schon am nächsten Tag Ge-legenheit. Unweit des Dorfes lag ein großesFlachsfeld in schönster Blüte. Ringsum warendie Burschen des Ortes auf dem Acker ge-schäftig, während die Jungfer kam und denFlachsacker wieder auf den Kleeacker gehenwollte. Der Zaubermeister begaukelte ihr so-fort die Augen, daß sie das Flachsfeld für einWasser ansah. Da sie barfuß einherging, hobsie ihre Röcke ein wenig auf, um das Wasser zudurchschreiten. Mittlerweile schien aber dieFlut das Wasser höher und höher zu schwellen,so daß sie die Kleider, weil sie diese nicht gernedurchnässen lassen wollte, immer höher auf-hob. Da sie nun so hoch aufgeschürzt fürbaßschritt, konnten sich die Leute zuletzt nichtmehr ernst halten und brachen alle in lautesGelächter aus. Darauf legte sich auch der Zau-ber bei der Jungfrau, daß sie beschämt ihreRöcke fallen ließ und von dannen eilte. "Denkan den Hahnenbalken!", rief ihr der Zauberernach und zog nun auch seine Straße.

Da geht Jan Weilern morgens als er auf demBenrather Schloßhof hielt, an Urdenbach vor-bei lustwandeln und dachte an die Einredender Junker. Da ist der Urdenbacher Kobes amWickensäen. Dem sieht er zu und hört ihn sa-gen: "Kommen sie, dann kommen sie nicht,kommen sie nicht, dann kommen sie." - Dafragt der Kurfürst den Kobes, was das heißen

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soll, und der Kobes antwortet: "Seht, Herr , dahat der Herr von Kessen freien Taubenschlag.Kommen die Tauben auf das frisch besäteFeld, so kommen die Wicken nicht, kommensie aber nicht, so kommen die Wicken."

Das hatte Jan Wellem sich gemerkt! Als balddarauf dem Landtage die Junkersteuer wiederaufs Tapet kam und die Herren vom Adel sag-ten, daß sie des Kriegsdienstes wegen von al-ters her steuerfrei seien, da sprach der Kurfürstdie nämlichen Worte, die er vom Kobes gehörthatte: "Kommen sie, dann kommen sie nicht,kommen sie nicht, dann kommen sie!"

Darüber verwunderten sich die adeligen Her-ren gar sehr, weil sie den Spruch nicht verstan-den. Sie verwunderten sich aber noch mehr, alswenige Tage darauf der Herold, wie seit 100Jahren nicht geschehen, durchs Land reitetund die Junker aufbietet, auf dem Schloßhofzu Düsseldorf mit Roß und Mannen, wie imLehnbrief steht, wohlgerüstet zu erscheinenund gegen den Reichsfeind im Felde zu ziehen.Da raunten die Junker einander zu: sie hättenschon auf dem Landtage gemerkt, daß es mitdem Kurfürsten im Oberstübchen nicht rechtrichtig sei. Sie lachten über das Angebot undblieben zu Hause.

Nur einer kam, der Herr von Dalwigh zu Un-terbach. Der hatte Helm und Harnisch spiegel-blank geputzt und ritt zur rechten Stund in denSchloßhof. Da stand den klugen Leuten, diesonst das Gras wachsen hören, der Verstandstill. Sie wußten nicht, was sie darauf sagensollten.

Doch bald wurden sie klug daraus. Der Herrvon Dalwigh allein blieb steuerfrei, und alleJunker, die nicht gekommen waren, ließ derLandsherr ins Steuerbuch schreiben. Da krieg-ten sie Begriffe von den Worten, die der Kur-fürst dem Urdenbacher Kobes beim Wicken-säen würflings wiederholen gehört hatte:"Kommen sie, dann kommen sie nicht, kom-men sie nicht, dann kommen sie."

Mit "Blaffert" denKönig bezahltvon Albert Breuer

- aus der Rheinischen Post/Benrather Tageblatt vom 27.6.1972 -

Ausführliche Vorschriften enthält die ältestevollständige überlieferte Satzung der Schüt-zenbruderschaft St. Cäcilia-Benrath vom 5.August 1708 über die Feier des Schützen-festes. "Alle Jahr" wurden nach vorherigeröffentlicher Bekanntgabe auf dem FesttagPeter und Paul zuerst der Gottesdienst für dieBruderschaft und danach das Schützenspiel ge-halten. Jeder Schütze mußte selbst nach dem"aufgesätzten" Vogel schießen.

Die Eröffnung des Schießens war ein besonde-res Zeremoniell.

Den ersten Schuß gab der amtierende Schüt-zenkönig zu Ehren der Schutzpatronin St.Cä-cilia ab, den zweiten der erste Brudermeister(Vorsitzende) zu Ehren des Kurfürsten undden dritten der zweite Brudermeister (stellver-tretende Vorsitzende) zu Ehren des amtieren-den Pfarrers.

Diese Eröffnungsschüsse, die - mit den damalsgebräuchlichen großkalibrigen Gewehren ab-gegeben - donnernd erschallten, müssen imganzen Dorf mit Spannung verfolgt wordensein. Sie zeigten an, daß das Königsspiel be-gonnen hatte. Jetzt konnte der Mann, der Va-ter, der Bruder, der Sohn, bald der nächsteSchützenkönig sein.

Streng waren die Regeln, die die Sicherheit derSchützen und die Ermittlung des Königs ge-währleisten sollten. Keiner durfte mit selbstge-fertigten Drahtkugeln oder eisernen Stiften,einer Art Schrotladung, schießen. Dies warunter Strafe eines Pfundes Wachs, das für diekirchlichen Feiern gebraucht wurde und des-sen Hergabe eine Form der Buße darstellte,verboten. Geschossen wurde unter Aufsichtund nach Anweisung des Anzeichners, und eswar den Schützen nicht möglich, die Funktionuntereinander wahrzunehmen. Während derDauer des Schießens mußte jeder Schütze für

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sein Gewehr selbst sorgen. Wenn es geladenwar, mußte er es vorsichtig in die Höhe undnicht auf die Erde halten. Wer einen Schadenanrichtete, mußte ihn alleine ersetzen.

Schützenkönig wurde, wer "beweißlich undaugenscheinlich alles Gehölz (Holz), waß vomVogell ist und herrührig" abgeschossen hatte.Dem jubelnd begrüßten neuen Schützenkönigwurde eine Kette mit einem silbernen Vogelals Zeichen seiner Würde umgehängt.

Er wurde mit Feierlichkeit und Danksagungzuerst in die Kirche geführt, wo der Vogel ineine Kassette in Verwahrung gelegt wurde.Der neue Schützenkönig war verpflichtet, da-nach allen Schützenbrüdern einen Trunk zureichen ("eine halbe Ohm Bier"). Diesen soll-ten sie "in allem Frieden" genießen und alß-dann fein ordentlich undt in der Stille nachHauß gehen".

Der neue Schützenkönig mußte ein reicherMann sein, um alle Auslagen bezahlen zu kön-nen. Die alte Satzung sorgte auch für seine pe-kuniäre Ausstattung: Er erhielt die vor demSchießen von allen Schützen eingelegten Geld-stücke (je einen "blaffert") und die Pachtein-nahme von einigen Grundstücken, die im Be-sitz der Bruderschaft waren. Die zehnte voninsgesamt elf Satzungsbestimmungen stelltefest, daß ein Schützenbruder, der den Vogeldrei Jahre hintereinander abgeschossen hatte,den silbernen Vogel ohne Kette und Schildersolange sein eigen nennen konnte, bis jederSchützenbruder durch Einlage eines Geldstük-kes ihn ausgelöst hatte. Danach gehörte der sil-berne Vogel wieder der Bruderschaft.

Der Kaiser und die Kaiserin nebst dem Gefolge- aus der Beilage Düssseldorfer Nachrichten v. 04.10.1973 -

Zweimal wohnte in Septembertagen einer derletzten deutschen Monarchen im BenratherSchloß. Es war Kaiser Wilhelm I., der sich1877 und 1884 jeweils für etwa l Woche anläß-lich von Kaisermanövern aufhielt.

Da es noch Dokumente aus dieser Zeit gibt,die der Schumachermeister Martin Bach vonder Börchemstraße in Benrath treulich ver-wahrt hat, nämlich eine " Nachweisung derWohnungen zu der großen Herbstübung desVII. und VIII. Armee-Corps vom 14. bis21.09.1984 in Benrath ", eine Speisekarte undein Konzertprogramm. Martin Bach hat dieseUnterlagen von seinem Großvater geschenktbekommen, der Kammerherr beim ErzherzogLeopold von Hohenzollern-Sigmaringen ge-wesen war.

Dieser bekleidete den Posten eines Millitär-gouverneurs in Düsseldorf und wohnte von1862-1875 im Schloß.

In der "Wohnungsnachweisung" steht esschwarz auf weiß: der Kaiser mit Adjutanten,Ordonanzen, Hofmarschälen, Geheimen Hof-räten und seinem Leibarzt logierte im Mittel-

trakt des Schlosses. Vertreter des geheimenZivilkabinettes und des Auswärtigen Amteswaren im Hotel Hesse untergebracht, das inder Heubesstraße stand und längst abgerissenist. Kaiserin Auguste mit Palast- und Hofda-men sowie Kammerfrauen wohnte ebenfallsim Schloß-Mitteltrakt. Das übrige Gefolge desHerrscherpaares, die Schiedsrichter des Ma-növers und viele ausländische Offiziere undGesandte waren nach Düsseldorf ausquartiert,teils im Jägerhof, teils in Düsseldorfer Hotels.

Die Speisekarte am Tage des Zapfenstreichesdes Kaisermanövers von 1848 (Freitag, 19.September) war ganz auf die Bedeutung desTages eingestellt. Es gab u.a. Kaisersuppe,Fleischfilets, Hühnchen nach Ritterinnen Artund Sellerie nach spanischer Art. Zum Zap-fenstreich spielten sämtliche Musikkorps u.a.den Chor aus "Maccabaeus" von Händel"Seht, er kommt mit Preis gekrönt". Im weite-ren Programm der Konzertveranstaltung stan-den Musikstücke von Gioacchino Rossini, Ri-chard Wagner und Johann Strauß. Die Darbie-tung endete mit "Rattenfänger von Hameln"von Neßler

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Anekdotenum Pfarrer Reinholdvon Pastor Helmut Ackermann

- aus der Rh. Post Benrather Tageblatt vom17.12.1977-

Als Pastor Kühler 76jährig (!) im Jahre 1857 inden Ruhestand ging, wurde der damals in Mül-heim/ Ruhr tätige Hilfsprediger LeonhardReinhold zum neuen Pfarrer berufen. Im Hin-blick darauf beschloß die Gemeinde-Reprä-sentation in der Sitzung vom 05.08.1857, daßder Neubau eines Pfarrhauses, "da das Pfarr-haus unbrauchbar geworden, in dem Pfarrgar-ten nach dem vorliegenden Plan zu einem Ko-stenbeträge von etwa 4000 Thalern ungesäumtin Angriff genommen werde". 1858 wurde esfertig, und der 26j ährige Leonhard Reinholdkonnte einziehen.

Es gibt einige hübsche Annekdoten, die sichum die Person Pastor Reinhold ranken. Siesind mitgeteilt von seinem Enkel Dr. HansReinhold in Urdenbach. Kam einmal ein Bett-ler an die Tür und bat um ein Paar Schuhe. DerPastor griff hinter sich, wo seine neuen Schuheauf der Treppe standen und gab sie ihm. SeineFrau schimpfte: "Aber Leonhard, deine be-sten!" Die Antwort war entwaffnent: "Doro-thea, schlechte hatte der arme Mann ja sel-ber!"

Eines Nachts hörte der Pastor einen Einbre-cher im Haus. Er stand auf und rief von obenherunter: "Mein Sohn, kennst du das 8. Gebotnicht?" Sprach's und legte sich wieder ins Bett.

Von Zeit zu Zeit suchte Pastor Reinhold sei-nen Amtsbruder in Hochdahl auf, natürlichhin und zurück zu Fuß, um mit ihm hebräischeSprachstunden zu betreiben. Außer der Spra-che des Alten Testamentes wurden dort auchmehrere Schlucke Rotwein genossen. Als derPastor einmal tief in der Nacht nach Hausekam, erzählte er seiner Frau treuherzig, aufder Hildener Straße habe er immer über dieabgehackten Bäume springen müssen. Bei Ta-geslicht stellte sich allerdingd heraus, daß dieBäume noch standen. Mit Hebräisch und Rot-wein im Kopf war der Pastor im Mondscheinüber jeden Baumschatten gesprungen.

Weihnachten in Benrathvor 70 Jahrenvon Hanns Wirkus

- aus der Rhein. Post/Benr. Tageblattvom24.12.1975-

Zu Weihnachten 1905 waren Benraths Ge-schäfte anzeigenfreudiger als 1895. Das Ben-rather Kaulhaus bot Anzüge, Paletots, Joppenund Blousen zu Schleuderpreisen an, ebensoauch die Gebrüder Kaufmann von der Mittel-straße 229 b in Benrath. E. Dick an der Telle-ringstraße in Benrath hatte 350 Waschkessel zuverkaufen, die er von einem zahlungsunfähi-gen Abnehmer übernommen hatte. Umsatzin-teressiert war auch der Benrather H. Samuel:"Um meiner werten Kundschaft vor dem Festeganz besondere Vorteile zu bieten, gewähreich von heute ab auf sämtliche Artikel 10 Pro-zent oder die doppelte Zahl grüner Rabattmar-ken".

Extra billige Angebote hatte auch AugustCahn und das Schuhhaus Josef Fölsch an derFriedhofstraße 273. A. Schmilz und W.Schmilz boten ihre Lebensmittel zu Spezial-preisen für die Festtage an und leisteten fürKonserven volle Garantie.

Das Textilhaus J. Heumann gab eine Sonn-tagshose oder einen Hut, Regenschirm, Hem-den, prachtvolle Kaffeedecke, Handtücheroder einen Prachtkalender 1906 gratis zurWare hinzu für den, der für bestimmte Sum-men einkaufte. Der Zahnoperateur, staatlichgeprüfter Heildiener und Masseur LudwigDamp erinnerte an sein "Atelier für schmerz-lose Zahnoperationen, Reinigen der Zähne,nervtötend", das sich in Benrath an der Mittel-straße gegenüber der Gastwirtschaft Lampen-scherf befand. Für Festbälle am Weihnachts-feiertag empfahlen sich die Gststätten und Re-staurants "Rheinlust", "Zur Delle", "HausBüchel" und in der Gastwirtschaft "Heinrichvon Bovert" in Urdenbach "wird von heute abBockbier angestochen".

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Bergische Kleinbahnvon Theo Spies

- veröffentlicht in der Rh.Post ohne Datum -

Viele Benrather werden die Bergische Klein-bahn noch in bester Erinnerung haben. Sie fuhrvon Ohligs-Hilden kommend über Benrath,Holthausen, Wersten bis nach Oberbilk, unddas bis zum Jahre 1913. Es handelte sich umeine Schmalspurbahn, die oft wenig wohlwol-lend "Kurz- und Kleinbahn" genannt wurde,weil sie auf eingleisiger Spur mühsam schnau-fend und rappelnd am Rande der alten Land-straße entlang zockelte. Doch diese Bahn paßtenicht so recht zum idyllischen SchloßstädtchenBenrath, zumindest noch um die Jahrhundert-wende. Heutige Straßenbahnbenutzer könnensich das gemächliche Tempo gar nicht mehr vor-stellen, noch weniger die Autofahrer.

Es gibt einen alten Vers aus jener Zeit, als nochdie Pferde die Straßenbahnwagen zogen. Erlautet: "Es fährt sich sehr gemütlich wohl mitder Pferdebahn, dat eine Päd dat jeht nit, datandere, dat is' lahm-dä Kutscher kann nit lenke,da Kondukteur ist schäl- und alle 2 Minute, dohält da Kasten stell."

Nun, eine Pferdebahn war die Bergische Klein-bahn nicht mehr. Aber im übrigen war der Be-trieb trotz des elektrischen Stroms, mit dem sieangetrieben wurde, nicht minder gemächlich.Der Konstrukteur der Bahn hatte in weiserVoraussicht nach je fünf Minuten Fahrzeit eineWeiche angelegt. Aber bis zum Fünf-Minuten-Verkehr hatte es die Bergische Kleinbahn aufder eingleisigen Strecke nie gebracht. Meistfuhr der Wagen einmal stündlich. Und jedernahm Wartezeit und langen Aufenthalt mit ge-lassener Ruhe hin.

Es kam oft genug vor, das ein in Richtung Ben-rath dahin schleichender Wagen an einer Wei-che lange Zeit stehen blieb, weil im Gegenver-kehr die Bahn ausblieb oder sich verspätethatte. Wenn sich diese Wartezeit zu sehr aus-dehnte, so verlor der Wagenführer gelegentlichdie Geduld und fuhr einfach weiter.

Manchmal hatte er Glück, daß er noch bis zurnächsten Weiche kam. Manchmal trafen sichaber auch die entgegenkommenden Wagenwie zwei feindliche Brüder mitten auf der

Strecke. Dann wurde es allerdings problema-tisch und die Wagenführer mußten sich einigen,wer zurück fahren mußte. Das war gar nicht soeinfach. Der Schaffner mußte dafür hart arbei-ten, galt es doch, den mit einer Leine an einerAufwindespirale befestigten Stromabnehmer-Bügel loszukuppeln. Dann mußte man mit Lei-beskräften den Bügel zum Oberleitungsdrahtan einer Leine herunter ziehen, bis man ein anihm befestigtes Fahrtrichtungs-Röllchen ausdem Leitungsdraht gebracht hatte. Dann um-schritt der Schaffner schwitzend den Straßen-bahnwagen mit seiner gespannten Leine undangelte, am anderen Ende angekommen, so-lange, bis das Röllchen in umgekehrter Fahrt-richtung wieder unter dem Leitungsdraht lief.Das war also ein mühsames Unterfangen unddie Verspätung wurde damit noch größer, zu-mal man dann auch noch bis zur nächsten Wei-che zurückfahren mußte.

Manchmal war ein Kontrolleur im Wagen, derdie ganze Verantwortung für solch ein außer-planmäßiges Manöver tragen mußte. Der Kon-trolleur hieß "Papa Heye", ein gesetzter kleinerMann mit einem langen schwarzen Bart und ei-ner rauhen Stimme. Papa Heye war ein Ge-mütsmensch, der stolz seine Uniform trug. Ertrug eine hohe Mütze. Um den Hals hing an ei-ner langen Schnur die Amtsflöte. Er was eineRespektsperson. Bei irgendwelchen Vor-kommnissen konnte man schon von weitemseine Stimme hören, die sich durchzusetzenwußte. Noch heute wissen sich die Benratherviel Nettes von ihm zu erzählen.

Nicht zu vergessen war auch ein Schaffner, ge-nannt der "Deutsche Fritz", eine Erbschaft ausder wilhelminischen Ära. Er rief die Haltestel-len "mit Schneid" aus. Außerdem trug er einenSchnurrbart, der an den Enden hochgezwirbeltwar. Der "Deutsche Fritz" nahm seine Aufgabeals Schaffner so ernst, daß er sich während derFahrt von den Fahrgästen oft mehrmals dieFahrscheine zeigen ließ, obwohl sich die Fahr-gäste meist wie in einer großen Familie gutkannten.Trotz all dieser "Schnurren" und trotz der lang-samen Fahrt mit den vielen Hindernissen warman glücklich und zufrieden mit diesem Beför-derungsmittel "Bergische Kleinbahn". Manwar sogar stolz darauf, daß sie so große Strek-ken ohne Hast und ohne Unfälle bewältigenkonnte.

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Triebwagen auf der Brücke über die Eisenbahn in Benrath an der Hildener Straße.

- aus "Zwischen Wupper und Ruhr" von R. Löttgers u. Wolfgang R. Reimann, 2. Auflage 1976,R. Kohl, Köln -

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Das alte Thinghaus in Benrath-Hasselsvon Hans Große, Hilden

- veröffentlicht in einer Serie im Benrather Tageblatt 1951 -

Gegenüber der "Altenbrücken-Straße", in un-mittelbarer Nähe des Bahnhofes Düsseldorf-Reisholz, steht in Benrath-Hassels ein alter,spitzgiebeliger Fachwerkbau. Heute hat dasHaus freilich viel von seiner ursprünglichenGestalt eingebüßt, denn im Jahre 1927 wurdeder malerische Fachwerkbau durch einen Ver-putz entstellt. Auch der mächtige Linden-baum, der bis in die neunziger Jahre des vori-gen Jahrhunderts sich vor dem Hause erhob,ist verschwunden. Er war der Rest einer Bau-manpflanzung den die letzten adeligen Besit-zer des Hauses, zwei alte Jungfern, zu beidenSeiten des Oerschgrabens anlegen ließen. Lei-der ist auch der alte Türbalken vor einigenJahrzehnten entfernt worden, der darüberAuskunft gab, daß das Gebäude im Jahre 1660errichtet sein sollte. Die Kunstdenkmäler derRheinprovinz, die sich mit diesem Hause be-schäftigten, bestätigen das hohe Alter und ge-ben uns auch Auskunft über den Namen desGebäudes. Es ist das "Thinghaus an der Alde-brück". Hier befand sich die Gerichtsstätte derReisholzer Markerben, das waren die Leute,die an der Gemarkung Anteil, d.h., die Be-rechtigung hatten, dort Vieh einzutreiben undHolz zu schlagen. Den alljährlichen Zusam-mentritt der Markgenossen oder- erben nannteman das "Holz-Thing". Den Vorsitz im Mar-kengericht führte der jeweilige Besitzer desHauses Eller als Mark- oder Waldgraf.

Seinen Einfluß als Obereigentümer der Markgestaltete der Markgraf dahinaus, daß er ge-wisse Rechte, die ursprünglich allen Markge-nossen zustanden, ausschließlich für sich inAnspruch nahm. Auf diese Weise sind Herrenvon Eller in den Besitz des Wildbannes, d.h.,des alleinigen Jagdrechtes, in der ReisholzerMark gekommen. Die Waldgrafschaft auf derReisholzer Gemark war für die Herren desHauses Eller eine äußerst gewinnbringendeEinnahmequelle sowohl in Geldabgaben alsauch durch die wirtschaftliche Nutzung derMark. Dieselbe blieb ihnen auch, nachdem ihr

Besitz bergisches Lehen wurde, bis zur franzö-sischen Zeit. Dann erst wurden die Markenge-dinge duch das Dekret über die Einführung ei-ner neuen Gerichtsorganisation vom 17. De-zember 1811 aufgehoben und durch eine neueForstorganisation auch das Waldgrafenamteinschließlich aller mit ihm verbundenen Nut-zungen beseitigt. Um diese Zeit verlor auchdas "Thinghaus" seine Bedeutung als dieStätte, an der das Holzgericht tagte und dieBrüchten verhängt wurden. Lediglich derName erinnert noch an seine einstige Bestim-mung.

Zusammenfassung: Das Holzgericht der Reis-holzer Markenbeerbten trat füher unter demVorsitz der Waldgrafen des Hauses Eller im"Thing-Haus an der Aldenbrügge" in Hasselsdas 1660 gebaut war, zusammen. Diesem Um-stand verdankt das hohe, spitzgiebelige Hausseinem Namen "Thinghaus". Es war dieStätte, wo das Gericht die Strafen über dieWaldfrevler verhängte.

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Aus "Ein Advokatenleben voll Humor"Friedrich Geile

- erschienen im A. Henn Verlag, Ratingen -

So steuerte ich also auf den höheren Verwal-tungsberuf los. Da man ja nun diese geruh-same Tätigkeit auch einmal praktisch erlernenmuß, ließ ich mich ein Jahr aus dem juristi-schen Vorbereitungsdienst beurlauben, aufdaß ich mir den kommunalen Wind um die Oh-ren gehen ließ.Mein alter Freund und Lehrer "Onkel Her-mann" war gerade dabei sich um die Stelle desReligions-und Oberlehrers im schönen Dörf-chen Benrath am Rhein zu bewerben. Diesesschon durchaus stattliche Dorf mit einer Ein-wohnerzahl von weit über 20.000 Bürgernkonnte sich rühmen, eine der reichsten Ge-meinden der preußischen Monarchie zu sein.Es lag in der Bannmeile der Stadt Düsseldorfund besaß eine große Industrie, die aber imweiten Kreise um den Ort und sein wundervol-les Barockschloß mit dem anschließendenschattigen Park gelagert war und heute nochist, so daß der Charakter des schönen friedli-chen Landstädtchens gewahrt blieb.Wir statteten diesem lieblichen Rheinort einenBesuch ab und seine Schönheit begeisterte unsaufs höchste. Um den ganzen Schloßweiherherum und in den ersten Teilen der anschlie-ßenden großen Allee standen damals noch un-geheure Baumriesen, herrliche weit über hun-dert Jahre alte Ulmen, die leider später alle derUlmenkrankheit erlegen sind.Ein wichtiges Wort bei der Einstellung des Re-ligionslehrer an dem im Aufbau begriffenenGymnasiums hatte der Ortspfarrer mitzure-den. Das war ein hochbetagter würdiger Herrmit langem weißem Haar, der in der Bevölke-rung das "Ühmchen" hieß, was auf gut Hoch-deutsch "Onkelchen" bedeutet. Trotz seineshohen Alters, oder vielleicht gerade deshalb,hatte er ein gerütteltes Maß von Menschen-kenntnis, dazu einen goldenen Humor. MeinFreund Hermann gefiel ihm auf den erstenBlick und so stand sein Entschluß, ihn zu er-wählen fest. Aber er stellte in seiner drolligenArt erst ein hochnotpeinliches Verhör mit ihman. Hermann dachte wunders, daß nun mehrein Examen über Kirchengeschichte, Dogma-

tik und wie die Disziplinen der Theologie sonstheißen mögen, veranstaltet werde, als sich derwürdige Greis anschickte, ihn auf Herz undNieren zu prüfen."Bitte, mein lieber Konfrater, nehmen SiePlatz. Wenn Sie mich bitten, Ihre Kandidaturzu unterstützen, müssen Sie mir erst drei wich-tige Fragen beantworten."Er räusperte sich umständlich, zündete demGaste und sich selbst eine Zigarre an, holteeine Flasche Wein, goß langsam und bedäch-tigt ein und freute sich diebisch über das erwar-tungvolle Antlitz des Prüflings. Endlich war essoweit. Die sommerliche Wärme und dieSorge, ob er vor dem gestrengen Pfarrer beste-hen könne, hatten den guten Hermann dieSchweißperlen auf die Stirn getrieben. Undnun endlich kamen die Fragen:"Rauchen Sie gerne eine gute Zigarre?""Jawohl, Herr Pfarrer.""Spielen Sie Skat?"Hermann wurde stutzig und überlegte sich ei-nen Augenblick, ob er besser ja oder nein sa-gen solle, aber er gab der Wahrheit die Ehreund sagte:"Jawohl, Herr Pfarrer.""Dann werden Sie hier Religionslehrer!"Der alte Schalk lachte über das ganze runzeligeGesicht, als er sah, welch ein unendlich schwe-rer Stein meinem guten Hermann vom Herzenviel und er zog mit ihm zum Bürgermeister, umdie Sache ins Reine zu bringen.Einige Zeit später, als Freund Hermann be-reits in Amt und Würden war, wanderte er mitmir zu dem selben Bürgermeister um zu fra-gen, ob ich unter seinen Fittichen als Kommu-nallehrling ein Jahr lang die Geschicke der Ge-meinde Benrath studieren dürfe. Der Bürger-meister richtete die drei ominösen Fragen desPfarrers nicht an mich, denn er setzte wohl vor-aus, daß ich sie mit Ja hätte beantworten müs-sen, sondern er erklärte ohne Umständer lä-chelnd und liebenswürdig:"Dann werden Sie hier Verwaltungseleve."

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Versteigerung bei brennenden Kerzenvon Dr. Herm. Blech

- aus der Rhein. Post vom 2. Febr. 1950 -

Zehn Mühlen hatte einst die Itter von IhremQuellgebiet bis zur Mündung in Urdenbach zutreiben. In Benrath bekannt ist heute noch diePaulsmühle, womit jedoch der Ortsteil , demdie Mühle den Namen gab, nicht die Mühleselbst gemeint ist. Fragt man, wo die Mühle ge-standen hat, so kann niemand genaue Aus-kunft geben. Die Mühle starb, als vor 200 Jah-ren mit dem Bau des Benrather Schlosses derLauf der Itter, die früher ganz Benrath querte,vom Novener Hof aus, der heute noch an derHildener Straße besteht, dem Schloß zugelei-tet wurde, um die Wasseranlagen zu speisen.

In diesen Tagen kam eine alte Gerichtsaktevom Gerresheimer Gericht zum Vorschein,die eindeutig erweist, daß die Mühle unweitvom "Grunewald" gestanden hat. Das Gut, zuwelchem die Mühle gehörte, steht noch, viel-mehr einzelne Gebäudeteile des Gütchens,wie es in richtiger Kennzeichnung an einerStelle der Gerichtsakte genannt ist. DieseAkte vom 25. November 1828 besagt, daß dieFreifrau von Zandt, Amalia geborene Gräfinvon Hochstedten, Rentnerin zu Roermond imKönigsreich der Niederlande, das Gut alsGläubigerin versteigern ließ. Gläubigerin waru. a. auch die (wörtlich) Vicarie SanctorumPetri et Pauli apostolorum bei der Pfarrkirchead St. Lambertum zu Düsseldorf, an welchejährlich zwei Malter Roggen in Altdüsseldor-fer Maß und 54 Stüber in Geld zu leisten wa-ren. Ein Beweis also dafür, daß die Paulsmühleeinst Lehnsgut von St. Lambertus war, wienach alten Quellen schon 1932 von HerzogWilhelm von Berg das Düsseldorfer Stift mitdem Novener Hof dotiert wurde. Das Gut wirdin der Kate immer als "an" der Paulsmühle (=Mühle eines früheren Pächters Pauls) gelegenbezeichnet. Es heißt weiter, daß es an die "vor-beischießende Urdenbacher Mühlenbache"(die Bache, niederdeutsche Form) grenzte,womit einer der beiden Itterarme gemeint ist.Das Gut wird weiter als aus einem Wohnhaus,aus Scheuer (unlängst abgebrochen) und Stal-

lung bestehend bezeichnet, das Haus "vonHolz gebaut, mit lehmen Wänden versehen,mit Pfannen gedeckt". Die zum Gut gehören-den Ländereien reichten bis in die Unterba-cher Benden. Die Versteigerung "geschiehtbei brennenden Kerzen in der Art, daß der Zu-schlag erfolgt, sobald bei einem Gebot dreiKerzen, deren jede wenigsten eine Minutebrennen muß, erloschen sind, ohne daß einMehrgebot erfolgt ist; nachher ist kein Über-gebot mehr zulässig". Die Klausel erinnert anden heute geläufigen Begriff der "Bietungs-stunde" (=Brenndauer zweier Kerzen), dievom ersten Angebot bis zum Zuschlag einge-halten werden muß. Nach einem Erstgebotvon 800 Talern von der Freifrau von Zandt botder Schmied Jakob Rosellen aus Eller 1200 Ta-ler, an den dann das Gut an der Paulsmühleüberging.

Heute liegen die Gebäudeteile des einstigenPaulsmühlengutes am östlichen Ortsausgangvon Benrath. Am Waldesrand erkennt man ander Bodenbeschaffenheit des Sportplatzesnoch den früheren Verlauf der Itter, an demvor Zeiten die alte Mühle klapperte. Möglich,daß man dereinst auf alte Fundamente stößtund damit die Lage der Mühle genau festlegenkann.

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Der Besuch des Urdenbacher "Landrates" in Richrath- aus der "Kleinen Urdenbacher Post" Heft Nr. 11/87 -

Es war um die Jahrhundertwende, als drei be-kannte Urdenbacher, die es faustdick hinterden Ohren hatten, sich etwas vornahmen, eswaren dies der Grote Pitter, der LammertsKasper und der Wimmersch Flöbbert. Nach-dem Pitter seinen Freunden kurze Instruktio-nen gegeben hatte, fuhren sie eines Tages inFlöbberts Automobil mit einer für die dama-lige Zeit unerhörten Geschwindigkeit von min-desten 20 km/St, über die Kölner Landstraßein Richtung Langenfeld. In der Nähe von Ri-chrath steuerte Flöbbert sein Vehikel plötzlichdirekt auf einen Acker, wo in einiger Entfer-nung mehrere Bauern ihr Feld bestellten.

Pitter entfernte sich mit seinem Kumpan Kas-per einige Schritte vom Wagen, zog aus derhinteren Tasche seines Gehrocks etliche Pa-piere und Landkarten heraus und begann so-dann recht umständlich, Punkte und Linien inseine Karte einzutragen. Zwischendurchschaute er durch seinen Feldstecher und erläu-terte, mit Lineal und Bleistift heftig gestikulie-rend, seinem "Mitarbeiter" die Eintragungen.Inzwischen waren die Bauern, die unser Klee-blatt neugierig beobachteten, näher gekom-men und fragten den am Wagen stehendenFlöbbert, wat denn do loß wör?"

"Do möht Ehr dr Här Landrat seivs frooge,ech ben nor dr Schafför", erwiderte der. DerHerr "Landrat" zeigte sich sehr jovial und hieltmit seinem Wissen nicht zurück: "Ja, meineHerren" begann er, "da es in den nächsten Ta-gen doch die Öffentlichkeit erfährt, kann ichIhnen ja heute schon den Schleier des Geheim-nisses lüften. Der Rhein soll nämlich mit demBergischen Land durch eine neue Eisenbahnli-nie verbunden werden, und die geplanteStrecke verläuft gerade durch das Gebiet, aufdem wir hier stehen." Da unterbricht ihn einBauer: "Jo, lever Jott, datt es doch mie Stock!"- "Das mag wohl sein", erwiderte der Landrat,"das werden j a die Akten ergeben". Und in dieLandschaft zeigend fuhr er fort: "Von hier gehtdie Strecke in dieser Richtung..." - "Dat es jomie Stock!" unterbricht ihn ein anderer Bauerund ein dritter sagt: "Un dohenger datt jehötming!"

"Nur ruhig Blut, meine Herren", entgegneteder Landrat, "das ergibt sich ja alles aus denAkten! Aber wegen der Entscheidung brau-chen Sie sich keine Sorgen zu machen. Sie be-kommen das Land, das wir benötigen, sehr gutbezahlt, und ich werde mich da nicht kleinlichzeigen. Doch halte ich es für empfehlenswert,wenn wir uns in Gegenwart der übrigen an-grenzenden Grundstücksbesitzer näher unter-halten."Man fand den Vorschlag des Herrn Landratsehr nett und einigte sich zu einer schnell anzu-beraumenden Besprechung aller Interessentenbeim Baas im "Kölner Hof". Hier wurden zu-nächst die erregten Gemüter mit einigen"Köhnches" abgekühlt. Als dann der Landratfür sich und seine Assistenten zwei FlaschenWein bestellte, gab es lebhaften Protest beiden Richrathern, das Bestellen der Getränkewäre selbstverständlich ihre Sache und derBaas wurde sofort beauftragt, gleich ein Dut-zend Flaschen heraufzuholen. Dann folgteman den Ausführungen des Herrn Landrat,der lässig an seiner goldenen Uhrkette spielteund mit geschickten Worten seinen Zuhörerndie Eisenbahnbaupläne erörterte. Er betontedabei wiederholt, das er als Vertreter der Re-gierung ja auch die Interessen der Bauernwahrzunehmen habe, und er werde die Ent-scheidungsanträge auf das Wohlwollendsteprüfen und begutachten. Mit diesen Ausfüh-rungen waren die Anwesenden höchst zufrie-den und man freute sich aufrichtig, einen sowohlmeinenden Landrat einmal persönlichkennengelernt zu haben. Es war unterdeß einUhr Mittags geworden, als Flöbbert herein-kam und den Herrn "Landrat" fragte, ob sienoch nicht zurückfahren könnten, er habemittlerweile Hunger bekommen und sei übri-gens nur für zwei Stunden "angaschiert".Die Bauern aber wollten von solch einemplötzlichen Abbruch nichts wissen und bestell-ten beim Baas ein gemeinsames Mittagessenfür alle. Hierbei wurden dann noch etliche Pul-len Niersteiner getrunken. In seiner abschlie-ßenden Rede sagte der Landrat, daß er diePläne gleich in den nächsten Tagen bearbeiten

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und ihnen wegen der Entschädigung in etwa 14Tagen Genaueres mitteilen würde. Nachdemer sich dann von jedem Einzelnen verabschie-det hatte, befahl der dem "Schafför" vorzufah-ren, stieg mit seinem "Assistenten" ein undfuhr ab.

Die "Interessenten" aber leerten im Hinblickauf die zu erwartende große Kaufsumme nochetliche Flaschen. Umso größer war dann dieErnüchterung, als sie nach einigen Tagen er-fuhren, wie man sie angeschmiert hatte.-Pit-ter, Kasper und Flöbbert aber fuhren in demBewußtsein, auf Kosten anderer gut gegessenund getrunken zu haben, beschwingt wiedernach Urdenbach zurück.

Der ungetreueRentmeistervon Burgsdorff/ von Galera

- aus "Garath - Menschen und Schicksaleum ein adeliges Haus im Lande von Berge" -

erschienen 1958 im A. Henn Verlag, Ratingen

Eine recht peinliche Auseinandersetzung fandzwischen den beiden Erbinnen von Garath,Anna Isabella, Pröbstin zu Rellinghausen, undihrer Schwester Maria, verwitwete von Hatz-feld, einerseits und dem Rentmeister TillmanHoffman anderseits statt. Diesem nämlichwarfen die beiden Velbrückschen Damen vor,daß er in den fünf Jahren 1692 bis 1696 mehreingenommen statt ausgegeben habe und ih-nen deshalb noch 1.136 Rtlr. 38 Alben und 6Heller schulde. Nach unserer Währung han-delte es sich um die Kleinigkeit von 40.000DM! (1958). Tillman Hoffman bestritt natür-lich, auch nur einen Heller defraudiert zu ha-ben. Es heißt im Protokoll, daß "berurte Debi-tores (=Hoffman und seine Frau) sich zu kei-ner Zahlung bequemen, sondern die Herr-schaft mit leeren Worten und vorgeschützterUnmöglichkeit vermeindtlich abweissen, disseaber so liderlich sich abfertigen zu lassen nichtgemeint, sonderen von rechts wegen wollen

befuegt seint, ihrer Zahlung halber an allennEffecten und Geutteren mehrgemelter Ehe-leuhten bestergestalt sich zu erhohlen." Diebeiden Damen beantragten also beim Vogt zuMonheim, daß der gesamte Besitz der Ehe-leute Hoffman "sequestrirt oder verwahrlichpro securitate der herrschafftlichen Forde-rung" in ein gewisses Gemach des Hauses Ga-rath "hingesetzt" würde. Auch sollten Hoff-man und Frau angehalten werden, offen zuklären, was sie an "Geldt, Mobilien und ande-ren Effecten vom Haus Garath verschlepptoder verbracht haben oder durch andere ver-schleppen oder verbringen lassen."

So wurden denn am Freitag den 16. Mai 1697 inGegenwart des Vogtes Johann Peter Schen-broch und des Gerichtsschreibers die Mobiliender Eheleute Hoffman ins Haus Garath ge-schafft, "in den großen Saleth an der Erdennach dem Kapellgen zu." Es erscheinen dazuRentmeister Tilman Hoffman und Frau per-sönlich und erbieten sich, "einen juramentummanifestationis auszuschwehrn". Beide Ehe-leute schwören diesen Eid.

Und dann erscheinen sämtliche Halffleuth (=Pächter) des Hauses Garath und geben ihreBitte zu Protokoll, "den Rentmeister TilmanHoffman in perpetuam rei memoriam de jureabzuhoeren, weilen ihme die Jahrespfacht Jahrvor Jahr bei einem Heller abgestattet, aber nie-mahlen darüber quitiert worden, ob sie, Half-fleuthe, ihme annoch obgemelte Pfacht etwaschuldig seyen".

Der gewesene Rentmeister wird also abgehört(= vernommen) und erklärt, daß ihm allePachten pünktlich gezahlt worden sind.

Und nun erfolgte die Aufnahme des Hoffman-schen Besitzes:

ein roter Ochse auf dem Brochackerhof, einJahr alt; auf dem Brucker Hof ein "jährlichesKalb, schwartz von Harn", auf dem Heller Hofein zweijähriges schwarzes Rind; auf demHaus Garath vier Kühe und ein einjährigesKalb. Das Verzeichnis seiner Wohnungsein-richtung ist wesentlich reichhaltiger als das desverstorbenen Herrn. Allein vierzehn kupfernemessingene Kessel jeder Größe sind vorhan-den. Dazu zehn kupferne Töpfe, drei kupferneMelkeimer, drei kupferne Tiegel. Dann fünf

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kupferne Leuchter und ein großer kupfenerLeuchter. Und noch sieben Stück "gegossenekeuffere Gewichtsstein". Weiter verfügenHoffmans über reichhaltiges Zinngeschirr:zehn Zinnkannen, ferner aus Zinn zwei großeSchüsseln, 24 große tiefe Schüsseln, acht "mit-telmessinge" Schüsseln, fünf kleine Schüsseln,eine "Lampeth"-Schüssel, 14 Zinnteller. In ei-ner großen Kiste befindet sich "allerhandt"Kleidung, so unten bundt "aussgestochen".Drei Kisten enthalten Leinwand. Eine kunst-volle lackierte Truhe mit lederen und eisernenBändern ist auch da, außerdem eine Kiste mitBriefschaften und ein "Kistgen mit Hemder".Dazwischen erscheint wieder eine Kiste mit"allerley" Leinewandt". Und dann sechs Bet-ten mit ihren Decken und Kissen. Einige Sil-bersachen sind vorhanden: ein silberner Be-cher "vor einer Massen", in den Boden war derName Agnes Wincops graviert (das war Til-mans Frau), ein silberner Löffel mit gedrehtenStiel und ein anderer Silberlöffel mit H.K. undC.K. gezeichnet, ein "klein Silberbecherger"und sechs Silberlöffel "mit T.H. auff Still ge-zeichenet " Drei Sack Federn, ein paar Tische,eine bunte Leinendecke, sechs mit Leder bezo-gene und mit Kupfernägeln beschlageneStühle, mehrere Brat- und Kuchenpfannen,zwei Bratspieße, vier "gepflegte kleineSthull", noch einige kupferne und eiserne Kes-sel, Leffel und Leuchter.

Es findet sich in den Akten kein Versteige-rungsdokument. Vermutlich ist der Verkaufinfolge des ausbrechenden Erbstreites um dasHaus Garath unterblieben. Das Protokoll ausdem Jahre 1697 trägt aber auch keinen Ver-merk, daß die Sachen an ihre Eigentümer zu-rückgegeben worden sind. Auf der Rückseiteist lediglich eingetragen: "Düsseldorf, 12.März 1718". Das Verzeichnins wurde also da-mals von Maximilian Heinrich Graf von Vel-brück übernommen als Unterlage für gewisseStücke, die er im Haus Garath vorfand. Daauch keine Gerichtsakten über diese Sacheaufgefunden werden konnten, besteht wohldie Annahme zu Recht, daß die hier verzeich-neten Stücke in den Besitz der Velbrücks fürdie angegebenen defraudierten Beträge über-gegangen sind.

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Erinnerungen eines alten Benrathers an Max SchmelingKarl Klein erzählt von den alten Benrather Athleten und den ersten Kämpfen des unvergleichlichenMax Schmeling

- Auszug aus dem Benrather Tageblatt v. 20.05.1960 -

Die Firma Capito & Klein baute damals auf ih-ren Werksgelände in Benrath einen Brunnen.Bei dem Brunnenbauunternehmen war einjunger, kräftiger Arbeiter beschäftigt, der an-zupacken verstand; irgend ein Unbekannterim schlichtem Arbeitsanzug. Karl Klein kammit ihm ins Gespräch und gewann ihn für den"Ring- und Stemmclub", der zu dieser Zeit be-reits den griechisch-römischen Ringkampf insein Traditionsprogramm aufgenommenhatte. Max Schmeling wurde einer der Eifrig-sten und fehlte bei keinem Trainingsabend. Erhatte es allerdings auch nicht sehr weit, denndie Athleten trainierten im "Wegeners Saal"dessen Pächter Karl Schmilz war, der ganz frü-her einmal den Eltern des bekannten Film-schauspielers Harry Piel gehörte und heute als"Modernes Theater Benrath" allen bekanntist. Schmeling selbst wohnte als "Kostgänger"bei Wwe. Schlösser auf der heutigen KurzeStraße an der Demag-Unterführung. Er wardamals 17 Jahre alt und hatte einen eisernenEhrgeiz.

Als sich der Boxsport in Deutschland durch-setzte, spezialisierte sich Schmeling auf dieseSportart, und wenn die gemeinsamen Pflichtü-bungen beendet waren, ging er zum Sandsack,zum Doppelendball und den anderen damalserst aulkommenden Trainingsgeräten und ar-beitete unermüdlich sein Pensum durch. "MaxSchmeling wollte etwas werden, er trank nichtund faßte keiner Zigarette an," erzählte unsder damalige Sportleiter Klein, der selbst denRing gebaut hatte, in dem dann bald die erstenKämpfe stattfanden. Trotz seiner Jugendwurde Max Schmeling schon mit 22 Jahrenzum Boxwart ernannt. Das Training war da-mals im wesentlichen schon auf die heutigenMethoden aufgebaut, und man sah damalsschon die l. Staffel mit Max Schmeling, PeterMüller, Adolf Illichmann, Ernst Otto undWilly Fettweiß eifrig beim Seilspringen. BeimTraining wurde um Punkt 8 Uhr angetreten.Sportleiter Klein ließ abzählen, und dann tra-

ten die Boxer links und die Ringer und Stem-mer rechts raus. Das Training dieser Gruppenteilten sich Karl Klein, Harry Pohl und MaxSchmeling. Nach den Übungen an den Gerä-ten wurden Trainingskämpfe ausgelost, dieüber zwei Runden zu je drei Minuten gingen.Max Schmeling boxte damals als Halbschwerund kam später ins Schwergewicht. SeineTechnik, sein schnelles Auge und seine ele-gante Beinarbeit fielen schon damals auf, ob-wohl sich die Staffel ohne Ausnahme aus über-durchschnittlichen Boxern zusammensetzte,über deren zum Teil großen Laufbahn wir nochkurz berichten. Max Schmeling lebte für sei-nen Sport. Er aß ebenso gern Schokolade wieSpeck. Sein eigenes Vergnügen war ein gele-gentlicher Kinobesuch, wenn das Geld reichte.Das war nicht immer der Fall, denn die Fahr-gelder zu den einzelnen Kämpfen bezahltendie Boxer selbst. "Aber wenn Max das Ta-schengeld ausgegangen war, dann saß erabends bei uns und erkundigte sich nach dennächsten Kämpfen und besprach die Aussich-ten", erzählte Karl Klein, der sich noch an je-den Tag erinnert, den er mit seinen "Jungen"zusammen verbrachte. " Bei einem Ausflugnach Unterbach hat Max einmal die ganze Ge-sellschaft durch den Eselsbach getragen." Derjunge Schmeling war trotz aller Bescheiden-heit bei manchem harmlosen Streich dabei.Als die Jugendherberge und jetzige Berufs-schule an der Telleringstraße (heute Bürger-haus) mit einem Fackelzug eingeweiht wurdeund der Zug den Schloßweiher erreicht hatte,sprang Max kurz entschlossen ins Wasser undschwamm mit der brennenden Fackel durchden Weiher.

Er ist auch seinen alten Sportskameraden treugeblieben, und in manchem Brief mit dem Ab-sender "Max Schmeling, Hamburg 20, Alster-krug-Chaussee 286 a", den der Briefträger andie verschiedensten Adressen in Benrathbringt, werden seine Erinnerungen an Benrathnoch einmal wach.

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Max Schmeling als Ehrengast bei einer Veranstaltung.

- aus A. u. H. Schriefers "Benrath" Gronenberg-Verlag, Gummersbach •

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Das Kölnische Proviantlager in Urdenbach im Jahre 1475-aus "Der Rheinländer" vom 11.12.1894-

Es war in den letzten Tagen des Juli im Jahre1474, als Karl, der Beherrscher Burgunds, demdie Nachwelt den wenig ehrenvollen Titel "LeTeméraire", d.h. der Tollkühne, beigelegt hat,den Krieg mit all seinen Greueln, all seinemElend in die blühenden Fluren des Niederr-heins hineintrug. Fast ein volles rundes Jahr lagdas bunte Gewirre eines aus allen Landen zu-sammengewürfelten Kriegsvolkes um die StadtNeuss. Zwischen englischen Kommandorufenhörte man französische Zoten; hier brauste wal-lonisches Freudengeschrei durch das Feld, sooft die Stadtmauer einen Riß zeigte, dort prieseine singende Schar lombardischer Krieger Sol-datenleben und Soldatenlust. Vom Donner derGeschütze, die ihre schweren "Bussenklicker"unaufhörlich in die Luft spieen, erdröhnte imweiten Umkreise die Luft, aber weiter nochdurchzogen die Horden fremder Söldner dasLand, traten unter die Füße, was der Land-mann nur mit Ehrfurcht anzuschauen gewohntwar, schändeten erbarmungslos, was er liebhatte. Im deutschen Reiche dachte niemandernstlich an Hilfe, als die Stadt Köln. Ein ausden amtlichen Vereinigungen ihrer Handwer-ker und Gewerbetreibenden zusammengesetz-tes Hilfskorps verstärkt durch süddeutscheKnechte, die um Sold dienten und schon seiteinigen Monaten angeworben waren, bezog imFebruar 1475 "auf den Steinen" Neuss, gegen-über auf der rechten Rheinseite, ein Lager, dasdurch Bollwerke und Schanzanlagen befestigtwurde. Die Führer der von ihnen folgendenProviantschiffe hatten den Befehl, "auf der Ur-denbach" zu landen. Noch hatte der Rhein sichvon dem Orte nicht weggewandt; "auf demUfer", "auf der Drengenburg" und weiter auf-wärts spiegelten an ruhigen Tagen die niedri-gen, weißgetünchten Häuser sich in der klarenTiefe seiner Fluten wieder. Hier war es, wo ge-gen Ende des genannten Monats die Kölni-schen Schiffe vor Anker gingen, hier hatte eineTruppe kriegsbereiter Knechte ihr Standquar-tier, um das am Ufer eingerichtete Proviantla-ger vor etwaigen Überfällen durch feindlicheStreifzüge zu schützen. Fast täglich rasseltendie Anker der ankommenden und heimkehren-den Schiffe: unablässig wurde ausgeladen, un-ablässig bereitete man die Abfahrt von Lastwa-gen nach dem Lager "auf den Steinen" vor,

Rauchfleisch, gesalzener Speck und Brot stan-den neben Kisten voll Käse, neben Säcken mitErbsen oder Hafer. Den größten Raum nah-men anfangs die Lieferungen an Heringen undKäse ein; denn es war Fastenzeit und von derheiligen Stadt Köln erhielt auch der Soldat imFelde seine Fastenspeisen, mochte auch im üb-rigen sein Leben im Lager den Gesetzen seinerReligion wenig entsprechen.

Das Kölnische Heer konnte wegen der allzu-großen Entfernung von Neuss den Gang derBelagerung wenig oder gar nicht aufhalten; dieanfangs so kampfmutige Mannschaft, bald einHaufen von Sklaven des Müßigganges, fühltesich wohler bei Trunk und Würfelspiel, als beiihren erfolglosen Arbeiten des Entsatzes. Undals nun gar die Schiffe unregelmäßer in Urden-bach eintrafen und dazu ihr Inhalt kärglicherwurde, weil man in Köln weder Geld noch Le-bensmittel auftreiben konnte, wurde die Zucht-losigkeit ohnegleichen. Das Raufen der Söld-ner untereinander und mit den Soldaten derBürgerwehr nahm kein Ende. Ganze Scharenverließen ihre Fähnlein und trieben ihr Unwe-sen in den bergischen Dörfern der Nachbar-schaft. In Urdenbach hallte das Ufer wiedervon Schmäreden auf den Kölnischen Rat, derdaheim auf der faulen Haut liege und seineKrieger darben lasse.

Die Wächter des Lagers, angezogen von demBeispiel ihrer Genossen, überließen nicht sel-ten Schiffe und Proviant ihrem Schicksale, undkönnte man den alten Gehöften im weiten Um-kreise Sprache verleihen, sie würden manchesStücklein von den endlosen Diebstählen an Ge-flügel und Kleinvieh erzählen können. So blie-ben die Verhältnisse bis zur zweiten Hälfte desMai 1475. Da erschien endlich nach langem Zö-gern und Zagen Kaiser Friedrich III. mit demReichsheere vor Neuss. Durch die Vereinigungder Kölnischen auf den Steinen mit diesem ver-lor das Proviantlager in Urdenbach seinenZweck und wurde aufgehoben. Wenige Wo-chen später beendete ein Friede zwischen demReiche und Burgund den Krieg, der die StadtNeuss fast glänzlich aufgerieben , dem Reicheund namentlich Köln ungeheure Summen ge-kostet hatte und so arm an Erfolgen war, wie jeeiner in der Geschichte unseres Landes.

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Es steht ein Baum...Letzte Erinnerung an den Kamper Hof

- veröff. in einem Zeitungsartikel 1952 -

Da im Winkel zwischen Bonner- und Itter-straße hat sich manches verändert; eigentlichsogar alles und das in verhältnismäßig kurzerZeit. Die am meisten ins Auge fallende Verän-derung ging sogar erst in diesem Kalenderjahrvor sich bzw. ist noch im Gange. Ganze Reihenund Blocks von Wohnhäusern umschließenden ehemaligen Kamper Acker und füllen ihnaus. Gar ein Hochhaus ist dort im Bau.

Aber man braucht nur bis in die Jahre nachdem ersten Weltkrieg zurückzugehen, umnoch Reste des Langenweihers und den Kam-per Hof selbst dort zu sehen. Im Jahre 1928 erstwurden die letzten Gebäude des Hofes nieder-gelegt; sie waren nicht mehr repräsentabel,aber trotzdem traf die Axt, die an das alte Ge-bälk gelegt wurde, die alten Düsseldorfer unddie Benrather, zu deren politischer Gemeindedas Gebiet des ehemals adeligen Hofes zuKamp oder "auf dem Kamp" gehörte, insHerz.

Es blieben damals einige der alten Bäume ste-hen und der letzte von ihnen, eine knorrige Ei-che, steht auch heute noch. Sie nimmt sich—zum Sterben verurteilt— sonderbar genug ausin der neuen Umgebung zwischen modernenWohnhäusern und Baugruben,zwischen hoch-ragenden Kränen und anderen Baumaschinen.

Der Kamper Hof war ursprünglich ein Vor-werk von Haus Elbroich und wurde erst späterein selbstständiges, freiadeliges Gut. Schon inder ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wird inden Registern ein Johann von Kampe genannt.

Wenig später scheint der Hof in andere Händeübergegangen zu sein, denn in einem Ver-zeichnis der Reisholzer Gemark wird ein Herrvon Lützerath aufgeführt und "sein Hof zuKamp" als Wohnsitz angegeben. Eine Annavon Lützerath war mit Wilhelm von Eyhs ver-heiratet und damit kam der Kamper Hof an dieFamilie Eyhs. Es steht durch Urkunden belegtfest, daß im Jahre 1650 Andreas von Eyhs einDrittel des Hofes besaß. Durch Erbteilungwurde der ehemals große Besitz vermindert.Im Jahre 1678 meldete eine Urkunde, daß einJunker von Gulpen Besitzer des adeligen Ho-fes zu Kamp war. Später war Herr zu Kamp derJülich-Bergische Vizekanzler Heinrich Schel-len. Dessen Tochter Anna Lucia heiratete1721 den Kölner Bürgermeister von zum Pützund die Mitgift umfaßte auch den freiadeligenKamper Hof am Lange-Weyher im HerzogtumBerg und zwar im Amte Monheim gelegen.Der wieder verkaufte Haus, Hof und die dazu-gehörige Schaafdrifft durch das Dorf Itter undHolthausen an die Familie von Schlößern. Seit1807 war Kamp wieder mit Elbroich vereint;ein Herr von Hagen, Schwiegersohn der vonSchlößern, verkaufte den Kamper Hof an denFreiherrn Lambert von Bertram zu Elbroich.So kam die Besitzung auf die Familie Heye.Der letzte Besitzer des Kamper Hofes war dieFamilie Schier, deren Kinder sicherlich nochunter der alten Eiche gespielt haben, wie dieder Vorbesitzer durch die Jahrhunderte.

Es wäre wohl schön, wenn dieser alte Baum er-zählen könnte , so tun das nur in ziemlich trok-kenem Ton die Akten und die Archive.

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Eine "Köpenickiade" in Benrath"Rheinländer"-Faksimile vom 20.05.60

Es war am 7. und 8. August 1926, als der Gar-deverein von Benrath ein großes Fest veran-staltete. Man feierte das 25. jährige Bestehendes Vereins und gedachte aus diesem Anlaßder alten Armee und insbesondere der altenGardisten, auf die das deutsche Volk immer sostolz war! Es wurden durch Oberst a.D. Rein-hard große Worte gesprochen vom Geist deralten deutschen Armee, der immer fortlebt.Nach vielen Reden zum Jubelfest war man derMeinung, den nationalen Gedanken hierortsgefestigt zu haben. Böller krachten über demstillen Benrath, die Feuerwehrkapelle spielteund die toten Helden des l. Weltkrieges wur-den geehrt.

Viele auswärtige Gäste waren nach Benrathgekommen, ein großer Festzug fand in Ben-rath statt und ein Meer von Fahnen verschö-nerte das bunte Bild.Am Schloß erfolgte derVorbeimarsch an Oberst Reinhard und ande-ren Ehrengästen, unter ihnen —und jetztkommt es, worauf wir bei diesem Artikel hin-aus wollen—ein zweiter "Köpenick". Ernannte sich Linstedt und war mit Orden undEhrenzeichen reich geschmückt. Oberst Rein-hardt ging er nicht von der Seite. Er nahm dieParade ab und ließ sich achten und ehren.Auch den festlichen Genüssen sprach er eifrigzu. Er gab sich aus als Präsident des Garde-clubs Düsseldorf, so stand es damals im Ben-rather Tageblatt zu lesen.— "Ein wohlgepfleg-ter Bart verlieh ihm Würde, die Ehrenzeichenauf dem Bratenrock, sie waren sowohl Zierdeals auch Bürde, denn ihre Zahl betrug ein hal-bes Schock. Der Festzylinder auf dem Locken-haupte, glich einer Glanz-Ligitimation,- undjedermann, der ihn erblickte, glaubte denGarde-Zeus zu sehen in Person."

Niemandem wurde dieser "hohe" Gast lästig,denn er war redegewandt und wußte sich aus-gezeichnet zu unterhalten. Am Abend gab esplötzlich Handgemenge, Herr Lindstedtwurde am Kragen gepackt und an die frischeLuft gesetzt. Es hieß, "er sei ein Pförtner außerDiensten, ein Eulenspiegel aus 'nem Nach-barsdorf". Allgemein war er für einen Seeoffi-

zier in Zivil oder Divisionspfarrer a.D. gehal-ten worden. Nun war das schöne Schauspiel zuEnde. Es hieß damals in unserer Ausgabe vom10. August 1926: "Kräftige Gardefäuste mach-ten kurzen Prozeß und setzten Köpenick II andie Luft. Er soll seine Rolle auf Grund einerabgeschlossenen Wette gespielt haben."

Wie weit nun diese ganze Köpenickiade derWahrheit entspricht, ist nicht ganz klar. Aufjeden Fall wurde in einer weiteren Ausgabedes Benrather Tageblattes vom 13. August dieSensationsmeldung von der Benrather Köpe-nickiade in einem anderem Licht dargestellt.Ob etwas vertuscht werden sollte—man weißes nicht. Die Tatsache ist aber auch zu berück-sichtigen, daß der Gardeverein Feinde hatteund Kräfte am Werke waren, die den Garde-verein mit Oberst Reinhard lächerlich machenwollten. Eine Gelegenheit hierzu bot das Jubi-läumsfest, das für die Gardisten einen rechtunliebsamen Ausgang nahm. Am 13. August1926 stand also in unserer Zeitung zu lesen,daß Linstedt doch "echt" gewesen sei und demOberst Reinhard seit vielen Jahren bekanntwäre. Nur wegen seines nicht einwandfreienBenehmens gegenüber Oberst Reinhard amGardetag und wegen seines angeblich schlech-ten Vorlebens sei er von starken Gardefäustenaus dem Festlokal entfernt worden.

Linstedt selbst gab eine Schrift heraus über die"wahren Tatsachen der Köpenickiade in Ben-rath". Hierin stand zu lesen, daß "feige Jam-mergestalten, Hampelmänner und Handwur-ste" den Gardetag als ihren Rachetag gewählthätten. Verschiedene Gerüchte wurden in demHeftchen aufgedeckt. So war u.a. dem Volkeingeflüstert worden, der Oberst Reinhard seiauch nicht echt. Er sei ein Schauspieler vomFilm, und das ganze Gardefest sei von einerFilmgesellschaft aufgezogen worden und amBenrather Schloß sollten die Massenaufnah-men gedreht werden. Der Oberst spielte dieHauptrolle und werde für sein Auftreten be-zahlt. Nun war das Bild am Benrather Schloßzweifellos wie aus alten guten Tagen des Kai-

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serreichs heraufbeschworen. Millitär in der al-ten Gardeuniform, Paraden usw. ein Schau-spiel für die Massen! Es war jedoch nicht daranzu zweifeln, — Oberst Reinhard war echt undLindstedt hatte am Gardetag die Obliegenhei-ten der Adjutantur übernommen, wie es nach-träglich hieß. — Eines kann nur nie geleugnet

werden: Der Festtag des Gardevereins Ben-rath lieferte der Zeitung genug Stoff für langeArtikel, und darüber hinaus blieb den Benrat-hern auf Jahre hinaus der Gesprächsstoff er-halten. Die Geschichte von der "Köpenickiadein Benrath" lebte fort. Das Ereignis des Tageswurde zu einer Posse.

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Vor 30 Jahren kamen die Amerikaner-R.P/BTv.29.3.1975-

von Hermann Blech

Am 16. April jährt sich zum 30. Male der Tag,an dem amerikanische Truppen in Benratheinzogen. Bereits Anfang März 1945 warenAmerikaner auf dem linken Rheinufer bei PittJupp in Stellung gegangen und hatten Benrathunter Beschuß genommen. Nachdem dieOberleitung der Straßenbahn durch amerika-nische Artillerie und die Eisenbahnbrückendurch deutsches Militär zerstört waren, gab eskeine Verkehrsverbindung mehr von Benrathnach Düsseldorf. Die nur noch kümmerlich inGang gehaltene Wirtschaft aber kam völligzum Erliegen, als amerikanische Soldaten - aufGummisohlen, den Invasionslatschen, wie diedeutschen Landser sie in ihrem Jargon nannten- einrückten und lähmende Ungewißheit sichausbreitete.

Zehn Tage Ruhepause

Wie in allen Bereichen des wirtschaftlichen Le-bens, trat jetzt auch für die GeschäftsstelleBenrath der Industrie- und HandelskammerDüsseldorf, die auf Initiative der Benrath-Reisholzer Industrie in den letzten Kriegswo-chen errichtet worden war, eine Ruhepauseein. Doch zehn Tage später schon unternahmdie völlig daniederliegende Wirtschaft die er-sten tastenden Versuche zur Wiederingang-setztung der Betriebe. Darüber und über vielesandere, was sich nach dem Zusammenbruchschrittweise wieder einspielte, hat Dr. Wil-helm Helmrich, der Leiter der damaligen Ben-rather Geschäftsstelle der IHK, bis Ende 1945gewissenhaft Buch geführt. Seinen Ausführun-gen folgen wir in der Nachzeichnung dessen,was sich damals im Laufe von drei Vierteljah-ren in unserem Industrie- und Wirtschaftsbe-reich im Ringen um den Wiederanschluß andas Leben abgespielt hat.

Zuerst mußte, wenn auch zunächst in sehr un-zureichender Form, die Ernährungsfrage ge-löst werden, und so kam es nach wiederholtenVerhandlungen mit dem RWE Reisholz zurFreigabe von täglich 220 kWh elektrische

Energie für die Rheinmühle, damit diese alseinzige unbeschädigte Großmühle im RaumDüsseldorf die Vermahlung wieder aufneh-men konnte. Erst vier Wochen später fuhr zurAnkurbelung des Verkehrs die Linie 18 derRheinbahn wieder nach Düsseldorf, und zwarbis zum Schadowplatz, und nur in der Zeit von6.20 Uhr bis 8.20 Uhr sowie von 16.40 Uhr bis18.40 Uhr in Abständen von 20 Minuten, wo-bei naturgemäß die Bahnen schnell überfülltwaren.

Schiffe wurden gehoben

Bald kam auch die von der Rhein-UmschlagAG in Zusammenarbeit mit Industrieunter-nehmen unseres Raumes gegründete „Berg-ungsgemeinschaft Benrath" zum Zuge. es ge-lang ihr, zahlreiche Schiffe zu heben, die vordem Einmarsch der Amerikaner im RaumReisholz-Benrath versenkt worden waren. Be-trächtliche Mengen von Kohle, Eisen und Wa-schmitteln wurden sichergestellt. Wichtig warvor allem Kohle, die verschiedenen Betrieben,besonders Bäckereien zugeführt wurde.

Inzwischen arbeitete die Geschäftsstelle derIHK unter Dr. Helmrich längst auf Hochtou-ren. Die Firmeninhaber ließen sich bei derAusfüllung der Fragebogen der Militärregie-rung zur Wiederingangsetzung der Betriebeberaten, ebenso bei Anträgen auf Ausstellungvon Passierscheinen, Permits, Off Limits, aufWiedereinschaltung in den Telefonverkehrund anderm mehr. So gab es für die Geschäfts-stelle oft genug Arbeit bis in den späten Abendhinein. Um zunächst nur auf eine der vielenSchwierigkeiten hinzuweisen, mit denen Fir-men zu kämpfen hatten, zitieren wir folgendeEintragung von Helmrich: „Zu dieser Zeit warim Westen kein Gleichrichter-Monteur fürGroßanlagen der Firmen Siemens und AEGaufzutreiben, da solche Monteure sich jenseitsder Demarkationslinie, in der späteren So-wjetzone, befanden und nicht herbeizuholenwaren."

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Und so begann es

Weiterhin ging es im Büro Helmrich zu wie ineinem Bienenhaus. Ein Antragsteller gab demändern die Türklinke in die Hand, und auchhierüber hat Helmrich nach Tag und Stundegenauestens Buch geführt. Am 26. Juni in derFrühe sprach Verwaltungsdirektor MaximilianHarwath vor, der vom Rathaus bis zum BüroHelmrich, Benroderstraße 86, nur wenigeSchritte hatte. Er kam, um sich über die Lageder Wirtschaft im Bereich Benrath-Reisholz zuinformieren. Nach ihm sprach Wilhelm Vie-bahn von der Firma Gelshorn & Wangenmannwegen Wiederingangsetzung des Betriebs vor,danach mit demselben Anliegen ein Vertreterder Firma Beckers & Le Hanne in Urdenbach,ebenso ein Vertreter der Carborundum-Schleifmittel GmbH in Reisholz. Andere ka-men wegen Bombenanschlägen, einer auch,der in Urdenbach einen Wäschereibetriebübernehmen wollte. Am 18. Juli sprach auchdie Druckerei Tischler & Schäffer wegen Wie-deraufnahme der Fertigung vor.

Immer wieder zog Helmrich Zwischenbilanz,um über die Lage von Industrie und Wirtschaftim Bilde zu sein. In der zweiten Junihälfteführt er unter den Firmen, die in beschränktemMaße wieder arbeiteten, auch die Demag,Werk Benrath, und Eikomag an, beide wichtigfür den Wiederaufbau der Eisenbahnbrücken.Ferner Henkel (Seifen und Waschmittel), Sau-erstoff- und Acetylenwerk (Linde), und vierNahrungsmittelfabriken; bei der Rheinum-schlag AG im Reisholzer Hafen wurde das er-ste mit Braunkohle-Brikett beladene Schiff ge-löscht. Startbereit war in diesen Tagen auchdie Feldmühle, die bis zum 10. Juli 200 t Zei-tungspapier an die Militärregierung liefernsollte. Helmrich notierte: „Wegen der schlep-penden Abwicklung des Zulassungsverfahrenshaben viele Betriebe von sich aus die Produk-tion in geringem Umfang wieder in Gang ge-bracht, sofern wenig Energie benötigt wird."

Über den Daumen gepeilt waren Juni/Juli 1945in Benrath-Reisholz 4000 Arbeitnehmer be-schäftigt, gegenüber 15000, einschließlich vie-ler Ausländer, im Jahr vorher. Das ArbeitsamtBenrath war aber nicht in der Lage, der Indu-strie für vordringliche Arbeiten auch nur we-nige Arbeitskräfte zu vermitteln.

Der Grund, worauf Helmrich in seinen Auf-zeichnungen hinweist: „Zweifellos sind vielebrauchbare Kräfte vorhanden, die von den Be-trieben ohne Anspruch auf Lohnzahlung beur-laubt sind und in ihren Gärten arbeiten oderauf Hamsterfahrt gehen. Sie stützen sich aufumfangreiche Geldmittel, die es ihnen erlau-ben, monatelang ohne Erwerb zu sein. Dasgleiche gilt von den Kräften, die es nicht fürnotwendig halten, sich dem Arbeitsamt zurVerfügung zu stellen. Dazu ist die Zahl derKrankfeiernden anormal hoch."

Bevorzugtes Gebiet

Um Firmen zu helfen, die nach dem Zusam-menbruch kein Dach über dem Kopf hatten,wurden Listen mit Angebot (leerstehende Fa-brikationsräume) und Nachfrage angefertigt.Diese Aktion erstreckte sich auch auf den zurIHK Düsseldorf zählenden Hildener Raum.Benrath-Reisholz aber war auch in punctoNeuansiedlung ein bevorzugtes Gebiet, undzwar konnten bis November 1945 25 Plätze miteiner überbauten Fläche von insgesamt 25000qm für bombengeschädigte und sich neu ansie-delnde Firmen freigemacht werden.

So wurde auch mit der Schuhfabrik Hoffmann,Kleve, verhandelt, die einen Teil ihres Betrie-bes mit 600 bis 1500 Beschäftigten, davon dieHälfte Frauen, nach Düsseldorf verlagernwollte. Hinsichtlich der Industriestruktur inBenrath-Reisholz mit ausgesprochener Män-nerarbeit hätte man es sehr begrüßt, wenn sichhier neben Henkel ein stark auf Frauenarbeitausgerichteter Betrieb der Schuhindustrie nie-dergelassen hätte, doch zerschlug sich derPlan.

Not macht erfinderich. Das zeigte sich auch,als es darauf ankam, Fertigteile aus Metall, diefür die Wehrmacht bestimmt waren, friedli-chen Zwecken zuzuführen. So wurden in ei-nem Hildener Betrieb fertige Munitionshülsenauseinandergenommen und aus dem Material5000 zivile Geräte, so auch Gartengeräte, ge-fertigt. Am Benrather Markt tauchten einesTages in einem Schaufenster Aschenbecherauf, die aus den Verschlußstücken von Gas-masken hergestellt waren. Stark gefragt warvon der Damenwelt Fallschirmseide, die beiBeckers & Le Hanne lagerte.

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Ende Dezember 1945 spiegelte sich die Be-schäftigungslage in der Benrath-Reisholzer In-dustrie in folgenden Zahlen: Chemie 10 Be-triebe mit 4000 Beschäftigten; Eisen und Me-tall 12 bzw. 3750; Elektrotechnik 4 bzw. 350;

Papier 2 bzw. 250; Nahrungsmittel 7 bzw. 210;Bauindustrie 3 bzw. 250; Schleifmittel 2 bzw.130; Bekleidung 3 bzw. 100. Insgesamt also 43Betriebe mit 9110 Beschäftigten. Heute sind es70 Betriebe mit 35000 Beschäftigten.

Benrather Vergangenheit: Bei der Explosion einer Luftmine wurden am 23. Januar 1943 die Häuseran der Paulsmühlenstraße demoliert. Zwei Jahre und drei Monate später begann nach dem Ende wie-der der wirtschaftliche Aufbau im Düsseldorfer Süden. Es war ein Neubeginn aus Trümmern - auchbei den hier ansässigen Firmen, die teilweise in Schutt und Asche lagen, so wie die Paulsmühlenstraße.

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II. Teil

Erzählung über die Zeit um die Währungsreformim Jahr 1948Ergebnis eines Wettbewerbes der Heimatgemeinschaft Groß-Benrath im Herbst 1986

I. PreisIn Trizonesien "Das Kartoffeldrama"von Walter Gröters

Man schrieb den Monat November im Jahredes Herren 1947.

In Trizonesien, unserer heutigen Bundesrepu-blik, herrschten tolle Zustände, Schmalhanshieß der Küchenmeister und der Hunger warunser treuester Begleiter. Kompensieren wareines der bekanntesten Schlagworte. Ein KiloNähl (Nägel) war der Gegenwert für fünf fri-sche Eier, eine Ami Zigarette war für 7 Reichs-mark zu haben, Rotzzigaretten, die Selbstge-drehten, kosteten 3 Reichsmark das Stück.Kartoffeln, eine einmalige Delikatesse, wur-den per Koffer aus Westfalen oder Oldenburgimportiert, das heißt wenn man Glück hatte.Die Kontrollen in der Eisenbahn und auf denBahnhöfen waren sehr stark und manch treu-sorgender Familienvater, der seine Kompen-sationsware, bestehend aus alten Wertsachenund liebgewordenen Andenken, bei einemBauern gegen Kartoffeln eingetauscht hatte,sah sich am Ende seiner Odysse um die Früchteseiner Strapazen betrogen mit leeren Händenund knurrendem Magen da stehen. Es warenschlimme Zustände, welche jedoch dazu bei-trugen sich immer neue Tricks einfallen zu las-sen. So spielte sich dann nachfolgend erzählteGeschichte ab.

Eine reihe Leute, Alte, Junge, Arbeiter, Be-amte, Rentner, alle mit dem gleichen Hungerausgestattet und von dem gleichen Wunsch be-seelt sich mal endlich wieder satt essen zu kön-nen, kam auf die Idee den Bauern in Olden-burg ihre Fahrräder gegen Kartoffeln anzubie-ten. Nach einigen Vorbereitungen, Abspra-chen wurden nach einer "großartigen" Organi-sation ein Waggon mit Fahrrädern (die genaueStückzahl ist mir nicht mehr bekannt) nach Ol-denburg zum Versand gebracht. Nach Wo-chen, es war Anfang November 1947, standdann im Freiladegleis der GüterabfertigungDüsseldorf-Reisholz ein Waggon mit ca. 300Zentnern Kartoffeln. Sie waren ungesackt ver-laden und uns lief schon das Wasser bei ihremblossen Anblick im Mund zusammen. Es warschon am Nachmittag und so beschlossen wir,das Einsacken am folgenden Tag direkt mitdem Abtransport zu den einzelnen ehemaligenFahrradbesitzern vorzunehmen. Damalswohnte ich auf der Hauptstraße in dem ehema-ligen Horrowitz-Haus wo auch das Arbeitsamtuntergebracht war. In der l. Etage wohnte einjunger Schutzmann (da hat dr janze Dag nochnix jedonn) dem die Kartoffel-Transaktionzu Ohren gekommen war. Er holte durch

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geschickte Fragen das aus mir heraus was ernoch nicht wußte. Nun, der langen Rede kur-zer Sinn: Eine Stunde später stand die Polizeiim Bahnhofsgelände und beschlagnahmte denWaggon, verplombte ihn und träumte ganz si-eher von einem dampfenden Kartoffelgericht.Also zuerst waren wir mal sprachlos, das heißt,außer saftigen Flüchen fielen uns keine passen-den Worte ein und die waren alles andere alsfreundlich oder salonfähig. Wat jetz! Nu ham-mer da Dries, alles för de Katz "Ooh enä, sueenfach jeht dat nu och nit, wenn die Schutz-lütt Honger hant, dann lossen die kicke wie sean Äppel kumme, die he kriej en se nit un wennse sech op dr Kopp stelle."Köbes Nachtigall, Bundesbahnbeamter, derzur damaligen Zeit an der GüterabfertigungReisholz tätig war, brachte nun Schwung inden verzagten Haufen: "So un jetz nix wiedran, wenn dat he noch wat wähde soll, dannmösse mer da Waggon diss Nacht leer mache.Wooch (Waage) Sack un jaffele her, stell daAnhänger quer hefür un dann jöh." Die Poli-zeiplombe wurde sauber durchgeknippst unddann begann ein emsiges Treiben. War dereine Anhänger beladen wurde er in unsere Ga-rage auf dem Gelände der ehemaligen Faßfa-brik Bünger gestellt und dort entladen. In derZwischenzeit war der zweite Hänger voll undso ging das im Pendelverkehr die ganze Nachtdurch.

Am Morgen brachten wir die Polizeiplombewieder an, verwischten die Spuren der nächtli-chen Arbeit und warteten auf die Dinge dienoch kommen sollten. Und die kamen! Ein

LKW. Beladen mit leeren Säcken und Polizi-sten im Arbeitsanzug. Hei, wie sie sich freutenund frohen Mutes die Waggontüre zur Seiteschoben, die Plombe war gar nicht mehr be-achtet worden und war beim Aufreißen derTür aufgegangen, in Erwartung der köstlichenErdfrüchte. Diesmal war das Fluchen bei ih-nen. Sie drohten uns ganz fürchterliche Strafenan, aber das half alles nichts: Die Äpel worenfott. Nach Tagen dann lief die Auslieferung andie ehemaligen Fahradbesitzer an und gingauch ohne Schwierigkeiten über die Bühne.Meine damalige Braut, mit der ich heute schon38 Jahre verheiratet bin, besaß ein PaarSchuhe, welches aber mehr aus Flicken, Näh-ten und Löchern bestand und mehr beim Schu-ster in der Werkstatt war als an ihren Füßen.Als ich eines Tages die Schuhe mal wieder zurReparatur brachte, sagte der Schuster, derauch mit Familiennamen Schuster hieß: "Mit enem Mädchen wat e su paar Schohn an de Fößhätt, jing ich nit mich op de Stroß". Als ich ihmsagte er solle ihr doch ein paar neue machen,kam prompt die Frage: "Un wovon?" Als ichihm einen Sack Kartoffeln in Aussicht stellte,kamen wir langsam ins Geschäft. Fazit: einPaar handgefertigte Schuhe mit Keilabsatzwelche noch lange Zeit über die Währungsre-form gute Dienste leisteten.

Die damalige Zeit, mag sie auch noch sobesch... gewesen sein, hatte ein Gutes, sie hatuns gelehrt, die kleinen selbstverständlichenDinge auch heute noch nicht als selbstver-ständlich anzusehen und ihnen einen hohenStellenwert einzuräumen.

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II. PreisVor der Währungsreformvon Mathilde Bünger

Vor de Währungsrefom, jing et ons Jans drek-kich. Da Krech wor us uns verloore. De Mannwor jefalle, et zwedde Kenk wod noch je-boore. No 3 jähriger Evakuierung koome merus Mainfranken no Hus.

Mutlos, äwwer nit hoffnunglos, delte ich mettausende Frauen minn Schicksal. Jottseidank,hadden mer onsere Wohnung behalde. Merworen de englische Zone! Die Engländer had-den ons nur een Rent erlaubt, alles Angere,hant se ons affjetrocke. För jedes Kenk, jov etjanze zehn Reichsmark Kengerbeihilfe. Dattwor zom Läwe zo wennig on zom Sterwe zovill. Do hiess et met arbidde jon. Äwwer wie?Bei zwee kleene Blare, könnt ich nit weg. Ichkönnt och nit hamstere jonn, wie dat vill doten.Do vill mer in, dat mer zo Hus noch en janzalde Viktoria-Nähmaschin von minn Ommastonn hadden. Die hann ech jehollt on in Hei-marbit, Damen on Herren-Mäntel för enFirma, die direkt bei uns öm de Eck woren, je-nieht. Un so konnte ich mech e paar Jröschel-kes näwebei verdeene. 1947 wor et schlimmsteon schlechteste Johr !

Ich erinnere mech jenau: Als ich an de Nähma-schin soß, jing de Schell on ne kleene Jong reefdörch datt Hus, ich soll emol janz schnell e ron-ger koome, an de Eck Kaiserfriedrichstroß-Schloßallee stünnd en aal Omma met nernmSack Kartoffeln. Onsere Evakuierungsomma,wo mer 3 Johr bei jewohnt hant, wor met nemschwere Lastware jekoome, om ons watt zoesse zo brenge. Vorher hätt ons datt Joldstückschon manches Päckchen met Botter on Speckjeschickt. Do semmer vor Freud' emmer römmj edanzt. On sowatt darf mer em j anze Läwe nitverjesse. Bis hütt noch stond mer met de Ken-ger on Enkelkenger in enger Verbindung ondatt no 44 Johr. Weihnachten 1947 krischte echvon de Schwiejemotter en Kar Kohle je-schenkt. Et woren so an die 2 - 3 Zentner. Dieworen äwwer en eenem Werk jeklaut. Ichhann datt äwwer erst vell späder erfahren. Etjov noch mie jode Lütt, die ons jeholfe hant.

So durfte ich mech eene Zentner Jriß-Kohleaffhole. On datt in Hilden. Mett nem kleeneLeiterware, trock mer loß. Zo Foß, on dat worjanz schön wiet. Äwwer mer woren froh, dattmer watt zo stoche hadden. Mer krischten ochZijarettenmärckches-Zudelung. On als Nich-troker hadden ich jett zo duusche. Denn dieworen sehr bejehrt. Da Schwazmarkt blöhte,on all' onsere jesparte Reichsmärker jingendropp. För e half ponk Botter, hann ech 400,-RM on för en paar Kengerschoh 800,-RM be-zahlt. Do wor vom Jesparte nit mich vill öwer-rich jeblewe. Am 25.6.1948 koom da Dag, woich alles Jeld, watt ich noch hadden, ömduu-sche moßte. Ech hann et noch schwaz op wiß,wat ech ömjeduuscht hann. No fenge mer allmet 40 DM pro Kopp an. Ich fohlte mech met120,-DM reich, wie ne König. Datt Schönstewor, als mer de DM hadden, woren die Je-schäfte widder voll met Lebensmeddel. EmMonat Aujust jov et för Alle noch mol 20,-DM. Die nun jroße Spareinlaren on Juthabenhadden, krischten dat 1:10 umjewertet. In derTat jow et för 100,-RM 6,50DM. Die Jehälteron Zahlonge leefen 1:1 wieder !

Et jow zwar alles nur op Kaate, äwwer merkrischten wenigstens jett. Dat Schlangeaan-stelle, wor mer jo jewönnt. Et koom och för,datt wemmer e par Stont en de Reih jestangehätt, niks mieh do wor. Dann jing dat Speelchevon neuem loss am nächste Daach. Ich entsennmech noch, datt datt eeschte, watt ich vonminn DM jekooft hann, ne janz leckere Stutewor. Da mer dann mit heeßhonger, hengerei-nander opjejesse hant. Met dick Botter dropp.Do hadden mer bestemmt von onser levOmma e Paket jekritt. Em Benroder-Schloß-park hammer Bucheckern jesökt on krischtene beßke Öl daför.Us Amerika koomen Carepakete för de Deut-sche aan. Mir hant nur watt davon jehööt äw-wer nie jett jesenn. Ech hadden mer vörje-nomme, wenn et widder Eierjövt, mir en janzePann voll ze esse. Op ech datt jemols jedonnhat, weß ech nit mieh.

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1947 wurd een Tochter injeschult. Us nemmHerrenanzog han ech demm en feines Kleedjeschniedert. En Scholltüt hammer jeleht je-kritt, en janz jroße. Se wor usjeföllt met vellPapier on ovedropp e paar Plätzkes. Man moo-den schon vill Phantasie opbrenge, öm för deBlare us Beddöker im Tischdecke watt zomAantrecke zoo maake.

Ab Februar 1949 jing et bei ons opwärts. Dank

minner Berufsusbildung könnt ich mich selbs-ständig maake. Met jedem Johr jing et dannbesser, sodatt mer ons fröre möße, hant mer deKrech jewonne oder verloore. De heutige Ju-gend kann et sech nit vorstelle, wie wir hartläwe möße.

Datt send minn Erinnerungen, die man emLäwe nie verjesse kann !

III. PreisGehört - Belauscht, 1947von Ernst Steins

In der überfüllten Strassenbahn:

Erst aussteigen lassen-Bitte durchgehen im Wagen.-Seid doch nicht so stur, durchgehen (rufen die draussen)Geht nicht mehr, au, au, (rufen die drinnen)Ich will auch noch raus-Dä hätt gepennt-Abfahrt-Ich will raus-Warten bis zur nächsten-Ohne Fahrschein bitte,Fahrtausweise bitte,l mal 20,Haben Sie kein Kleingeld?Der Zweimarkschein ist ja vollkommen zerissen,den nehm ich nicht.Noch jemand bitte?Graf-Adolf-Platz.-Sie gestatten bitte?Los stures Volk, lasst mich raus,verflucht ich will raus,dusseliges Weib, weg-alter Esel.-Zurücktreten, fertig, fertig, Abfahrt.-Verfluchte Rheinbahn, Abfahrt und wir sind noch gar nicht drin.Trittbrett freimachen,Platz für einen Schwerbeschädigten.

Im Kaufhaus:

Guten Morgen, Leider nein, vielleicht in sechs Wochen wieder,fragen Sie noch mal nach. Auf Wiedersehen.

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Selbständiger Kaufmann:

Guten Tag. Das ist schwierig, wird kaum noch hergestellt,leider nicht, ich musste das alles herankompensieren.Hätten Sie denn Silber oder Glühbirnen? Sie hören sich um, gut.(Händedruck) Auf Wiedersehen.

Beim Schumacher:

Morjen,Nee, die ersten acht Wochen nicht.Jummi haben se?Nee mir fehlt et och an Näjel.Nee erst in acht Wochen.Verfluchter Mittwoch, nix zu rauchen?Oh danke, ha tut jut, prima,oh, noch drei Stück, zeigen se mal her.Hm, total kaputt, ich will versuchen,Doch, doch, Zigarette is jut,Oh, noch fünf Stück, Hm, HmSchuhe können se Samstag abholen.

Beim Bäcker:

Zwei Stunden steh ich schon,warum macht der nicht auf?Der Laden liegt voll Brot.gehen Sie doch hintenrum für 25 Mark ohne.Von dem Maisbrot könne mer noch Eier legen.Ha, da pfuscht einer, anschliessen.-

Am Wirtschaflamt:

Haben Sie einen Antrag gestellt?Es liegt kein Antrag vor.Füllen Sie einen neuen aus.Diesen Monat ist keine Zuteilung gekommen,hören Sie nächsten Monat nochmals nach.(Nach vielen Monaten): Ja, Sie sind vorgemerkt,Sie bekommen Bescheid.

Unter Männern:

Haste keene Kippe?Bosco 3 Mark?Hier Selbstzucht, 40 Gramm 50 Mark,Dreht meine Frau auch von.Amis 7.

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Beim Bauer:

Kartoffeln?Nä, hann ich selbst kinn. Söke mer selbst.E Bettuch hadder, wat wollen se denn daförhann?Na sare mer e Körfke Kartoffel un e Ei,no jot, och zwei Eier.Hadder sonst noch wat zu vertusche?Doch, die Zijar is jut.Pitter, jeff der Frau noch ne Aerm Jemös.

Unter Hausfrauen:

Nährmittel sind aufgerufen auf N 3,ich möcht emol Nudele hann,nit immer die Haferflocken oder dat Maismehl.-Schmilz hannt freie Brotaufstrich. -Frau Meyer, gehen se mit heut Abend zum Bahndamm?Die Jeschäfte schieben allemale.Streichhölzer eintragen lassen.Maizena ist besser als Kufeke.Ja, die Butter kostet Zweizwanzig und sechzig der Zucker.

Ich bin ein Düsseldorfer Kindvon Elisabeth Siebel

Ich bin ein Düsseldorfer Kind, nicht aus demStadtteil Benrath, sondern Eller, wohne seit 23Jahren in Garath und zu dem Artikel "Erinne-rungen an die Währungsreform möchte ich fol-gendes berichten: Erinnerungen, Begebenhei-ten, die man nie vergißt.

Am 8.6.48 habe ich geheiratet, als erste vondrei Geschwistern. Nun sollte gefeiert werden,zumal meine Eltern auf ihre Silberhochzeit am1.5.48 verzichtet hatten. Die Ringe kaufen wardas einfachste. Wir mußten 8 g Gold zur Verfü-gung stellen und schon klappte es. Auch dieVermählungskarten drucken lassen war keinProblem, auch wenn das Papier grau wirkte.Dann aber ging es richtig los. Wen einladen ?Wir kamen auf 30 Personen und alle sagten na-türlich zu, wohl schon des Essens wegen. Wirwaren keine Schwarzhändler, aber solches be-kam man doch nur auf dem Schwarzen Markt.Damals verdiente ich mtl. RM 250.00 und einPfund Kaffee kostete in Düsseldorf RM480.00. Geld hatte keinen Wert mehr, also hermit den Ersparnissen. Mein Vater, bei der

Bahn beschäftigt, erstand den Kaffee in Aa-chen, das Pfund für RM 400.00. Dafür tauschteer in Schwerte Fleisch, Eier u.a. ein. (Ein Eiwurde mit RM 10.00 verrechnet) Zum Bäckerkonnten wir die Zutaten bringen (Mehl, Zuk-ker. Fett, Eier, Obst) dann backte er für uns.Die Torten haben wir selbst gebacken. Vonder Ahr besorgte mein Vater Wein. Die Es-sensfrage war gelöst.

Jetzt kam das Brautpaar selbst dran. In derKirche mußte es eine weiße Braut geben. Ir-gendeine Tante besorgte mir leihweise einBrautkleid. Meine Mutter hatte noch neuenweißen Tüllstoff liegen 5m lang und 3.5 mbreit. Das gab den Schleier. Nachbarn opfer-ten ihr Myrtenbäumchen, was wir auseinaderzupften und in den Schleier einarbeiteten. DerBräutigam mußte sich von meinem Vater ei-nen schwarzen Anzug umarbeiten lassen. ZumSchluß fehlte nicht mal der Zylinder. Eineweiße Hochzeitskutsche konnten wir für RM600.00 von Gerresheim mieten. Und auch einFotograf war bestellt. (Letzterer hat mir noch

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Kopfschmerzen bereitet, da er die vielen Bil-der erst nach der Währungsreform auslie-ferte.)

Für die damalige Zeit wurde es eine " Traum-hochzeit ". Wenn das Gespräch auf Hochzei-ten kommt, meine bleibt in der Großfamiliedas hervorstechende Ereignis der damaligenZeit, nicht zuletzt darum, weil an diesem Tagein jeder einmal so richtig schmausen konnte.Am Sonntag, den 20.06.48 kam dann die Wäh-

rungsreform und meine erste offizelle Hand-lung war, daß ich für meinen Mann das Kopf-geld mitbezahlen mußte. Sein Konto war leer.Die Geschäfte dagegen waren bald gefüllt mitWaren und mit dem l. Gehalt was ich bekam,kauften wir meinem Mann einen Anzug mitdem 2. Gehalt mir ein Fahrrad. Es gab zwarnoch immer Lebensmittelkarten, aber vieleskonnte man frei kaufen, das Geld hatte endlichwieder einen Wert.

De Mohre.von Helmi Ippendorf

Et Radvon Helmi Ippendorf

Ich jeng met dem Kenk spaziere im Dörp, dokütt men Kärche u. nem lere Sack drin dem Pa-stor sin Schwesterlich denk, wo jet den diehin? ich henger her - dat Kärche moden soneKraach, dat die dat janit merke det. Se gingnom Bur - un se do, dat Tür wo op. Im Hoffwor ne janze Kar Mohre objekippt - de Burkütt usem Hus u.seht: Watt weist du denn he?" jo sag ech - jenau wat dem Pastor sinnSchwe-ster och wel "Mohre" ich han nor en Tesch unddie ne groß Sack. Dat Keng soem so bang an -sin Heez wod meld gestemmt, mag din Teschob - ich krog Mohre - half vol worse, ich sag:"donn noch wat dabi det Marie met senemKenk hätt doch och Honger- er hett och nochwat erin jedon - jetz es äwer genog. Ich hanmich e poormol bedankt u. jessat:"Du kü&t ochin der Himmel."Medem Kenk u. de Tesch ging ich no Hus, minHeez dat nee Sprong vor Freud !!! et Marie u.senem Kenk mat ich och en Freud - et wodenlekere Mohre jekocht.

De Mama kütt no mich hin und seht: lehn michdoch mol din Rad- ich muß no Benrod zumKrankenhus fahre, dat kanst de han awer paßob, dat et nit jeklaut wed. Ne, seht se - ich hanen dicke Kett und en jroß Schloß.

De Mama blev so lange us, se kom zo Foß undwor am krieche- dat Rad es fot- dat hanse je-klaut. ich han met de Mama je krieche.

De Papa kom owens no Hus, do fing de Mamawedder an zu krieche - no sen stell - ich mag usdie alde 2 Räder en neues, dat wod schön anjestreche, do wor dat Problem met dem Rad je-löst. Den en neu kunt mi noem Kreg nitt kofe,des wegen wodden de Räder jeklaut, und beide Bure en je tuscht för watt zum essen.

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Omas Schnapsklunkervon Franz Schräge

In der "Ahnenecke" unseres Wohnzimmershängt an einem um das Bild meiner Mutter ge-schlungenem Kettchen in Silber gefasst einRauchtopas. Beim Kaffeetrinken steht meinJüngster vor dem Bild, den Anhänger in derHand und fragt: "Warum heißt das Ding" -Ding sagt er-, "Omas Schnapsklunker?" "Dasist", sage ich, "eine traurige und auch ein we-nig lustige Geschichte. "-

"Erzähle! Du bist der beste Geschichtener-zählvater der Welt!" - "Vielleicht von Ben-rath" meint meine Frau ein wenig spitz undnach dieser doppelten Aufforderung erzähleich:

"Nicht diesen sondern einen ähnlichen Steinhat mein Bruder, dein Onkel, kurz vor demgroßen Kriege vom ersten selbstverdientenGeld unserer Mutter, deiner Großmutter, ge-schenkt." - "Wieso nicht diesen?" - "Ja, das istder traurige Teil der Geschichte: Den erstengeschenkten Anhänger hat Deine Großmutterum den Hals getragen, solange ihre Söhne,Dein Onkel und ich, im Kriege waren. Nurmanchmal bei der Arbeit, hat sie ihn abgelegt.So auch an einem Morgen, gegen Ende desKrieges, als plötzlich auf dem Burgenlandweg,vor dem Häuschen, das du noch kennst und indem die Großeltern damals wohnten, Motor-räder knatterten, ein Jeep heulte, Soldaten,Amerikaner, herunter und heraus sprangen,mit Gewehren und Maschinenpistolen auf dasHaus zukamen, an die Tür bumsten..."-"dahat die Oma aber Angst gekriegt!" - "Und obdie Oma Angst gekriegt hat! Sie war geradebeim Bettenmachen, hatt die Kette mit demAnhänger auf den Waschtisch gelegt, da rann-ten, kaum war die Türe offen, Soldaten herein,rissen Schränke auf, warfen die frisch gemach-ten Betten auseinander,- sie suchten nachdeutschen Soldaten-, fanden eine Uniform, ei-nen Säbel und Omas Anhänger auf dem Nach-tisch; einer zog die Uniform an, band den Sä-bel um, Omas Kettchen um den Hals und fuhrso verkleidet auf seinem Motorrad mit großemGeknatter durch die Siedlung." - "Das ist derlustige Teil der Geschichte!" - "Nein, leider

nicht, denn der Soldat fuhr mit Uniform, Säbelund Omas Kettchen fort über den Rhein bis insferne Amerika, vielleicht nach Texas oder Ka-lifornien.Da war, wie du denken kannst, die Oma trau-rig und hat geweint, vor allem, weil sie diesenVerlust als ein schlechtes Vorzeichen ansahund dachte, die Russen oder die Amerikanerhätten möglicherweise uns, ihre Söhne mitge-nommen, wie das Kettchen und den Anhängeroder wir seien sogar tot." - "Aber ihr seid jaalle da!", kam und streichelte mir über denArm. "Richtig, ein paar Wochen später kamich mit einem alten Fahrrad um die Ecke desBurgenlandwegs gebogen, die Oma war ge-rade beim Kirschenpflücken, und wieder einpaar Wochen später traf dein Onkel mit gros-sem Rucksack aus Norwegen ein. Da war dieFamilie wieder beisammen, alle freuten sich,aber wir hatten Hunger.Viele Menschen strömten in die Stadt zurück,doch es gab kein Brot, kein Fleisch, keine But-ter. Ich ging nach Hannover, wo deine Großel-tern wohnen, zum Studium, dort lebten vieleBauern mit Feldern und Vieh, hatten zu essenund ich habe von hier, aus Solingen, Stahlwa-ren, Messer, Gabeln, Löffel, Scheren im Kof-fer mitgenommen, bin zu den Bauern aufsLand gefahren, habe getauscht. Hamsternnannte man das damals, habe Brot, Speck,Wurst als Bücher getarnt in Kistenkoffernnach Düsseldorf geschickt."Doch es wurde immer schwieriger "Fettigkei-ten" einzutauschen. Zu viele hungrige Leutefuhren von Düsseldorf, Essen oder Dortmundnach Hannover, zogen zum Hamstern übersLand. Da hatten wir, dein Großvater, ein paarNachbarn, die in einem grossen Chemiewerkarbeiteten, und ich eine Idee: Es gab bei denBauern immer noch reichlich Rübensaft, dasist aus Rüben gekochter Sirup, hier heißt erMöhrenkraut, den konnte ich noch gegen Mes-ser und Scheren tauschen. So fuhr ich morgensganz früh mit dem Zug aufs Land, eine Taschemit Stahlwaren umgehangen, einen Rucksackmit weiten Glasflaschen, die hatte ich kaufen

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können, auf dem Rücken und tauschte Stahl-waren gegen Rübensaft. Einmal zersparng einGlas, aus dem Gepäcknetz tropfte mir derbraune Saft ins Haar, lief den Rücken hinun-ter. " - "Das war aber lustig, ein Vater mit Möh-renkrautkopf." - "Nun so lustig auch nicht, al-les klebte, die Jacke, das Unterhemd und derRucksack, ein süsses Geschmiere." - "Unddann habt ihr Rübenkraut aufs Brot geges-sen?" - Ja, etwas, aber das meiste wurde inBlechkanister gefüllt, nach Düsseldorf ge-schickt, dort mit Wasser vermischt in Stein-töpfe gefüllt. Die nach ein paar Tagen entstan-dene schäumende Brühe, braun wie Cola, nurnicht so süß, wurde in einem großen Kupfer-kessel, ähnlich einem Wasserkessel, gekocht,der Dampf in aus dem Chemiewerk organisier-ten gedrehten Glasröhren, durch kaltes Was-ser geleitet und zu Tröpfchen gekühlt, wirWasserdunst an Küchenscheiben, und dieseTröpfchen waren Schnaps. Der wurde gefil-tert, mit gebranntem Zucker braun gefärbt." -"Und den Schnaps habt ihr gegen Butter undFett und gegen Omas Schnapsklunker ge-tauscht." - "Richtig, du bist ein kluges Kerl-chen, aber da gab es Probleme: Schnapsbren-nen war verboten, nachts wurde heimlich ge-brannt, der ganze Burgenlandweg stank nachSchnapsbrennen, einer passte auf, ob Polizeioder Engländer kamen und einige Male gab esAlarm, Gott sei dank falschen, da wurde allesauseinander gerissen, der Kupferkessel imGarten am Misthaufen, die Röhren im Stallunterm Stroh versteckt, die Rübenbottiche mitBrettern und Steinen wie Sauerkraut zuge-deckt. Außerdem konnten wir so viel Schnapsnicht mehr tauschen, wir mußten ihn anSchwarzhändler verkaufen. Die wollten denSchnaps aber in richtigen hellen Schnapsfla-schen, nicht in alten Weinflaschen; mit neuenungebrauchten Korken, echten Etiketten undKappen über den Korken." - "Das habt ihr inder Drogerie gekauft?" - " nein, kaufen konn-ten wir damals nichts, nur tauschen, kungelnnannte man das, oder organisieren. Die Eti-ketten habe ich bei einem Freund drucken las-sen mit schwarzer Schrift und rotem Rand,"Sternenburgers Hausmarke" stand unter ei-ner Burg mit drei Sternen, die ich gezeichnethatte, das war Cognac. Neue Korken wurdenim Chemiewerk beschafft, für die Kappenwurde Celluloid, das ist eine Art Plastik, aus

alten Fahrkartenhüllen und Verpackungsre-sten des Chemiewerks eingeschmolzen und derFlaschenhals mit den Korken in diese rotge-färbte Schmiere getaucht, aber helle Flaschen,das war schwer. Einmal gab es in einem Ladenan der Kölner Landstraße "Heißgetränke", einsüsslich schmeckendes gefärbtes Wässerchen,die Flasche DM 5,00. Wir sind mit einem Kärr-chen hingefahren, haben fünfzig Flaschen ge-kauft, sie auf einem Trümmergrundstück ne-ben dem Laden ausgeschüttet und hatten fastÄrger, als eine vorbeikommende Frau entrü-stet schimpfte: "All dat jode Zeug kippt ihr inden Dreck!" - "Aber wir sind mit fünfzig ech-ten, hellen Schnapsflaschen nach Hause gefah-ren.

Den Schnaps habe ich im Koffer zwischen Wä-sche verpackt nach Hannover geschmuggelt,war eine Schlepperei! Bei einem solchenTransport ist mir in Hannover auf dem Bahn-hof der Koffer geplatzt, Wäsche fiel heraus,Flaschen kullerten, zerbrachen. - "War das lu-stig?" - "Damals gar nicht. Ich habe Wäscheund alle Flaschen, die ich schnell greifenkonnte, in den Koffer gestopft, den Deckel zu-gehalten und bin weggelaufen, ehe die Bahn-polizei kam." "Da hast du aber Glück gehabt!"- "Das hatte ich und ich mußte damals vielGlück haben beim Verkaufen. Es gab einenschwarzen Markt, so eine Art Trödelmarkt,dort konntest du kaufen oder tauschen. But-ter, Konserven, Kaffee, Zigaretten, Schnaps,Uhren, Schmuck und vieles andere. Eine Ziga-rette kostete DM 7,00, Butter DM 400,00 Kaf-fee noch mehr. Manchmal kamen Polizistenoder Engländer, dann lief alles weg, auf derStraße lagen Zigaretten, Butter- und Kaffee-pakete, Geldbündel und Schnapsflaschen, al-les weggeworfen aus Angst vor der Kontrolle."- "Bist du auch einmal geschnappt worden?""Einmal, aber die Polizisten wußten, daß wirHunger hatten und haben mich laufen lassen.Auf diesem Schwarzmarkt in Hannover da habeich das Kettchen mit dem Anhänger gesehen,ähnlich dem von dem Amerikaner Weggenom-menen und gekauft, gegen Schnapsgeld, undWeihnachten 1947 der Oma an ein winzigesChristbäumchen gehangen." - "Da hat dieOma sich aber gefreut!" - Alle haben sich ge-freut, die Oma natürlich über das Kettchen,noch mehr aber über einen alten Kartoffelsack

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mit Bohnen, Mehl, Butter, Speck, Konserven,sogar etwas Kaffee und ein Täfelchen Schoko-lade, alles getauscht, organisiert, sicher mehrgefreut, als du dich heute über ein Fahrradoder einen Cassettenrecorder freuen würdest.

Ein halbes Jahr später, Mitte 1948, kam die

Währungsreform, es gab neues Geld, für dasman in den Geschäften wieder richtig einkau-fen konnte, wir brauchten nicht mehr zu ham-stern, Schnapsbrennen und kungeln, fast wares schon wie heute, wie du es kennst.

Aber das ist eine neue aufregende Geschichte.

Die Nachkriegszeitenvon Helmi Ippendorf

Der Krieg hatte in fast allen Familien seineWunden geschlagen. Viele Väter - Männerund Söhne waren gefallen, vermißt, verwundetoder in Gefangenschaft geraten.

Die Städte waren zerstört, die Straßen mitTrümmer und Schutt verstopft, viele warennoch unter den Trümmern begraben, andereobdachlos, manche Leute hausten in den Kel-lern oder Verschlägen. Es war schon ein trost-loses Bild, hinzu kam der Hunger, Sie kamenaufs Land, bettelten oder tauschten Sachenein, die man gerettet hatte für Gemüse undKartoffeln. Später bekam jeder Haushalt Le-bensmittel-Karten für den ganzen Monat, dieMenschen standen Schlange vor den Läden,um Brot, Fett oder ein bischen Fleisch.

Der Schwarzhandel kam auf, aber den meistenfehlte das Geld dazu. Die Frauen deren Män-ner gefallen oder vermißt bekamen später einUnterhaltsgeld von 40 Reichsmark und für je-des Kind 20 Reichsmark, davon mußte allesbezahlt werden, auch die Miete. Am Rheinwaren Schiffe versenkt worden mit Waschpul-ver-Siel-Soda, unter Lebensgefahr holten siesich die Sachen raus. Männer, Frauen und Kin-der , j eder schleppte so viel er konnte. Am Kro-nenbusch lag ein Schiff mit Stückkohle, auchhier wurde alles rausgeholt, die Kohle wurdean Ort und Stelle mit dem Hammer zertrüm-mert, der schöne Busch wurde abgeholzt, dieBauern kamen mit Pferd und Wagen, schafftendie großen Stämme nach Hause, die Äste wa-ren für die anderen da, man schlug mit demBeil Holz in Stücke, auf Karren und Rädernwurde es nach Hause geschafft. So hat man fürden Winter und die Kälte vorgesorgt, aber eswar harte Arbeit.

Nach der Weizen- und Kartoffel-Ernte wurdendie Felder vom Bauer freigegeben, die Men-schen sammelten die Ähren, das Kartoffelfeldwurde gehackt, über jede Kartoffel wurde sichgefreut, aber man hatte wieder was zum ko-chen, sogar Zuckerrüben wurden gesammelt,manche machten Rübenkraut - andere brann-ten Schnaps, aber das war verboten. Sietauschten den wieder bei den Bauern ein. DieFelder um Itter und Himmelgeist wurden vonberittener Polizei bewacht, sogar die Bauernhatten eine eigene Wache aufgestellt, der Han-sklau ging zu jeder Tages-und Nachtzeit um.Am Kleeverplatz in Düsseldorf war bekannt-lich der Schwarze Markt, gegen teures Geldkonnte man Fett, Öl und auch Fleisch kaufen,unter der Hand, ob es immer Kaninchenfleischwar, man glaubte, denn die Katzenjagd wurdefleißig betrieben, aber der Has war im Pott.

Alle Brücken von Düsseldorf lagen im Rhein.Sie waren gesprengt worden, eine Notbrückewurde nach Oberkassel geschlagen, aus Bret-tern und Seilen, es gehörte schon Mut dazu,aber die Menschen hasteten hinüber. Zweikonnten einander rüber und zwei in der Ge-genrichtung. Man war froh, wenn man dies ge-schafft hatte. Von Oberkassel konnte man mitder Bahn nach Moers und mit der Bundes-Kleinbahn zum Niederrhein. Bei einem be-kannten kleinen Bauern hat man 14 Tage ge-näht und geflickt, der Lohn war essen und trin-ken, für die Zeit hatte man die Lebensmittel-marken gespart und es gab noch Mehl, Speckund Schwarten sowie Kartoffeln. Bei einemgroßen Nachbarhof machte ich immer Besuchmit meinem selbst gehäckelten Deckchen, da-für gabs Eier und Speck, nun mußte man alles

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nach Hause schleppen, aber die Brücke wardas Schlimmste. Für das Kind mußte man zumAnziehen sorgen. Zuckersäcke wurden zer-trennt und aufgewickelt, mit dem Faden wur-den Hosen und Stümpfe gestrickt. Ein Abend-kleid was nutzlos im Schranke noch war, wurdeabgeschnitten und ein Kinderkleidchen gefer-tigt. Aus Alt macht Neu, so lautete die Devise.Aber bei Allem war doch die größte Sorge umden Mann und Vater, die Post blieb schonlange aus, man wußte nicht ob gefallen, ver-mißt oder verwundet, man hoffte und wartete.

Aber das Leben geht weiter. Benrath und dieumliegenden Dörfer waren zum Teil von denBomben verschont geblieben, man hatte nochdie Wohnung, die Zeiten waren für die Frauenschon hart. Sie mußten die Kinder versorgen,

Steine klopfen. Denn der Aufbau der Städteaus den Trümmern begann so langsam. Diemeisten arbeiteten von morgens bis zum spä-ten Abend. Geld mußte wieder verdient wer-den, man munkelte von einer Währungsre-form, man ging wieder in den alten Beruf zu-rück, denn nach der Reform suchten viele wie-der Arbeit. Im Jahre 1948 kam die Währungs-reform. Jeder bekam ein Kopfgeld von DM40,00. So fingen alle wieder an, ihr Leben auf-zubauen, der Verlust eines lieben Menschen,den der Krieg genommen hatte, war schmerz-lich und schicksalsschwer. Aber gerade dieseFrauen werden als Trümmer-Frauen wiederbenachteiligt. Aber hoffen werden sie nochweiter, denn sie haben die ganze Last des Krie-ges mitgetragen.

Zwischen 1945 und 1948von Siegmund Kuhrig

Nach langer Überlegung habe ich mich ent-schlossen, an dem Wettbewerb der Heimatge-meinschaft Groß-Benrath teilzunehmen undeinen kleinen Beitrag zur Geschichte um dieZeit der Währungsreform im Juni 1948 zuschreiben. Damit vor allem die jüngere Gene-ration, die jene Zeit nicht oder nicht bewußterlebt hat, die Ereignisse von damals leichterverstehen kann, beginne ich im Jahre 1945.

Als der totale Krieg mit der totalen Kapitula-tion für Deutschland zu Ende ging, kehrten dieÜberlebenden aus Krieg und Verwüstung nachWochen, Monaten, oft auch nach Jahren in dieHeimat zurück. Im Frühjahr 1946 kam auchich mit meiner kriegsgetrauten Frau wiedernach Benrath. Nach langem Suchen war unsdas Glück nahe und wir konnten ein leereskleines Zimmer für uns gewinnen. Das Not-wendigste, ein Bett, ein Tisch und ein Ofenwurden unser Hausstand.

Im November des gleichen Jahres wurde unserSohn geboren. Es war schon ein bedrückendesGefühl, in einer so hoffnungslosen Zeit einKind großzuziehen. Die Sorge um den kleinenErdenbürger war groß. Außer der geringen

Zuteilung gab es fast nichts zu kaufen. DieMütter von damals hatten es schwer. So ge-schah es, daß so mancher "Zuckersack" zu ei-nem Kleidungsstück vernäht wurde.

Doch das schlimmste war die Sorge um das täg-liche Brot. Es mußte in einer Schlange vor denGeschäften angestanden werden, um die zuge-teilte Ration zu bekommen. Oft ging man leeraus. Als die Not immer größer wurde und dieBäcker nicht genügend Mehl mehr hatten,wurde Maismehl verbacken. Das Brot, gold-gelb und schön anzusehen, war hart und lagschwer im Magen.

Eine kleine Erinnerung aus jener Zeit. Einmalwurde mir eine Dose mit Fleisch angeboten.Sie kostete einige hundert Mark. Doch dieFreude über den Erwerb währte nicht lange,denn der Inhalt war mit Schlamm gefüllt.

Da wir keinen Garten hatten, zog es uns hinausin Wald und Flur. Wir suchten Beeren undPilze, auch Bucheckern wurden gesammelt.Oft suchten wir nach Holz, doch der Wald warwie leer gefegt. Kohlen gab es nur noch auf Zu-teilung.

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So verging ein Jahr nach dem anderen, dieHoffnungslosigkeit nahm kein Ende. Wir lern-ten wieder zu beten und hofften auf ein Wun-der. Im Sommer 1948 war es dann so weit. EinWunder kündigte sich an. Über Nacht wurdees zur Gewißheit. Am 20. Juni 1948 wurde dieWährungsreform, von den Siegermächten be-schlossen, durchgeführt. Geduldig wartendstanden die Bürger im Rathaus zu Benrath, umpro Kopf 40 Reichsmark (Altgeld) gegen 40Deutsche Mark, auch Kopfgeld genannt, ein-zutauschen. Mit dem neuen Geld begannschon nach wenigen Tagen sich ein Wunder ab-zuzeichnen. Immer mehr Ware kam in die Lä-den. Stolz trug man den ersten Kochtopf nachHause.

Ein Aufatmen ging durch die Bevölkerung.Unser Geld hatte wieder seinen Wert. Endlichkonnte man sich etwas Außergewöhnliches lei-sten und kam nicht mehr mit leeren Händen zueiner Geburtstagsfeier. Doch das wichtigstewar wohl, daß die Arbeiter in Fabriken und

Amtsstuben endlich einen gerechten Lohn fürgeleistete Arbeit bekamen. Das Aus für Schie-ber und Schwarzhändler war nun endlich voll-zogen.

Eine harte Zeit nahm ihren Anfang. Neue Ar-beitsplätze wurden geschaffen. Viele Frauenarbeiteten nunmehr mit, um das Einkommenzu stärken. Der Wiederaufbau konnte begin-nen. Mit Tag- und Nachtarbeit wuchsen ausRuinen neue Häuser empor. Das sogenannteWirtschaftswunder nahm seinen Anfang. DieDeutsche Mark hatte wieder Weltgeltung.

Das Wenige, das ich geschrieben habe, kannnur einen Bruchteil aus der Zeit von damalswiedergeben. Wer die Not von damals miter-lebt hat, wird sie nicht vergessen. MillionenMenschen haben es erlebt, jeder auf seineWeise.

Dankbar, in der heutigen Zeit zu leben, grüßeich und wünsche allen Friede auf Erden.

Am Tage der Währungsreform:Bad im See um Mitternacht

von Heinz Cremerius

Am 19. Juni 1948, dem Tage der Währungsre-form, begann für 47 Jugendliche und drei Er-wachsene der TSG Benrath 81 eine abenteuer-liche Fahrt nach Haltern am See, wo etwa 400Mädchen und Jungen zum großen Tumerju-gendtreffen des Landes zusammentrafen. Dieschriftlichen Reisegenehmigungen der Elternlagen vor, was sollte da für die zweitstärksteJugendgruppe des Rheinisches Turnerbundesnoch schiefgehen. Der Sammelfahrschein bisHaltern lag vor und war rechtzeitug in Reichs-mark bezahlt worden. Er galt aber leider - oderGott sei Dank, wie sich erst später herausstel-len sollte - nur für die Hinfahrt. Ungewiss bliebzunächst also, ob wir den Rückweg "auf Schu-sters Rappen" antreten müßten.

Am Ort des Geschehens bewiesen die jungenBenratherinnen und Benrather, daß sie auchleistungsmäßig - im Volkstanz, Singen, Laien-spiel, Geräteturnen und in der Leichtathletik -zu den besten gehörten. Nach frohem Treibenund friedlichen Wettkämpfen wurde an denmitgebrachten Zelten der Zapfenstreich gebla-sen. Die Nacht wurde kühl und die Deckenreichten nicht ganz aus. So begann das großeZittern, an Einschlafen war nicht zu denken.

Das war für den Leiter dieser Expedition -Koks III - der Zeitpunkt, gegen MitternachtAlarm zu geben. "Alles in Badekleidung raus-treten" lautete das Kommando. Die folgendekurze Anweisung, unter strenger Aufsicht derErwachsenen, war präzise: "Längstens eine

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Minute ins Wasser - der See war damals nochsehr sauber -, abtauchen, nicht hinausschwim-men, rauskommen und abfrottieren."

Dann "angenehme" Ruhe.

Wenn die Gruppe am frühen Morgen des 20.Juni 1948 nicht nachdrücklich geweckt wordenwäre, sie hätte den Tag der Währungsreformverschlafen. Der Gründer der Sporthoch-schule Köln und Nestor des deutschen Sporteshat dem Koks dazu später einmal gesagt, daßdie Entscheidung zum "Bad im See um Mitter-nacht" wohl das einzig richtige gewesen sei.

Nach zwei erlebnisreichen Tagen machten wiruns in banger Erwartung auf zum Bahnhof.Doch die Reichsbahn war an diesem denkwür-digen Tag so großzügig wie nie zuvor. In Hal-tern hieß es: "Fahrt nur ohne Fahrschein losund seht zu, wie ihr weiter kommt." Wir ka-

men bis Dinslaken. Dort sagte der Schalterbe-amte: "Junger Mann - der Koks war 24 Jahrealt - schau mal her, während er in alten RM-Scheinen wühlte, will'ste noch ein paar mitha-ben?" Und dann: "Gute Reise und bei evtl.Kontrolle beruft euch auf mich."

Nach zweimaligen Umsteigen in Benrath ange-kommen, waren wir erlebnisreicher und ge-stärkt, wir hatten neue Freunde gewonnen, diegroßzügige Reichsbahn erlebt und waren jeder40 Deutsche Mark reicher. Ein heute unvor-stellbares Startkapital, denn schon im Juli 48ging's auf eigene Kosten zum l. inoffiziellenDeutschen Turnfest Frankfurt 48, das derKoks organisieren durfte.

Das war eine bescheidene, aber umso glück-lichere Zeit.

Benrather Kirmes - ein Vergnügen besonderer Artvon Marie-Theres Friedrich

Als wir aus der Evakuierung in Sachsen zu-rückkehrten, erhielten wir nach vielen Bemü-hungen vom Wohnungsamt ein Zimmer aufder Cäcilienstraße in Benrath zugewiesen -ohne Ofen, im Dezember 1945. Wir waren dreiPersonen und richteten uns dort ein, so gut esging. Mein Bruder Oskar besorgte uns einenOfen; die geräumige Küche wurde von unsmitbenutzt, und wir konnten bis zum Sommer1948 bleiben. Dann wurde das Zimmer für ei-nen Rußlandheimkehrer benötigt.

Aber wohin mit uns bei dieser großen Woh-nungsknappheit?---

Retter in der Not war Papa "Wiechen" von derSchützbruderschaft St. Cäcilia, ein in Benrathgeachteter und beliebter Schuhmachermei-ster. Er bot uns das Schützenhaus auf dem Kir-mesplatz als Notwohnung an,das während desKrieges seine Tochter mit Familie beherbergthatte und nun leer wurde.

Mit großer Freude zogen wir dort ein, hattenwir doch nun zwei Zimmer mit Flur zu Verfü-gung, dazu einen Garten, in dem wir Kartof-

feln und Gemüse anpflanzen und eine Wiese,auf der wir uns sonnen konnten. Schattenspendete der prachtvolle Kastanienbaum ne-ben dem Häuschen. Der Umzug verlief mitHindernissen: Meinem Mann war auf demWerk ein Eisenklotz auf seinen Fuß gefallen.Er mußte liegen und durfte sich nicht rühren.Zu seinem großen Leidwesen konnte er nur zu-sehen, wie alles vonstatten ging. Aber dannwurde bald mit meinen Brüdern und ihrer Fa-milien ein "Einweihungsfest" gefeiert und dasHäuschen auch gleich getauft auf den schönenNamen "Friedrichslust".

Lustig wurde es später oft. Wir haben die Festegefeiert, wie sie fielen: Geburtstage, Nikolaus-abend mit Kinderbescherung, Ferien mit Nich-ten und Neffen aus der Stadt, Wochenendenmit Freunden meines Mannes aus der Internie-rung in Indien u.a. Trotz der kargen Zeit - wirmußten ja mit DM 40,00 pro Kopf im Monatauskommen nach der Währungsreform - ha-ben wir das Lachen nicht verlernt und vielFreude bekommen.

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Als unsere Tochter Viktoria zur Schule kam -sie lag nur 2 Minuten vom Häuschen entfernt -wurde sie vom Lehrer von der Haar (späterSchulrat) auf den Schultern durch die ganzeKlasse getragen und durfte sich einen Platzaussuchen. Später hatte sie Frl. Bützer alsKlassenlehrerin, eine bekannte und geehrteBenrather Persönlichkeit. Da die Zeiten wirt-schaftlich so schlecht waren, sah ich mich ge-zwungen, meinen Beruf wieder aufzunehmenund fuhr jeden Morgen per Rad ins Büro aufdem Trippeisberg. Das bedeutete zu Kirmes-zeiten, ein wahres Kunsststück zu vollbringen.Neben Spiel und Spaß wurde die Kirmes füruns zu einem "Vergnügen besonderer Art":

Zweimal im Jahr fand sie statt, zu Peter undPaul (29. Juni) und im September, wenn diePflaumen reiften (Prummekirmes). Rings-herum wurden wir mit Buden und Karusselsumstellt. Von allen Seiten ertönte die Dudel-musik durcheinander. Das große Festzeltwurde so aufgebaut, daß wir aus dem Häus-chen nur durch das Zelt in die Freiheit gelan-gen konnten. Das hieß: Ich mußte jeden Mor-gen um 7.00 Uhr die Wächter wachklopfen,damit sie mich mit dem Rad durchs Zelt ließen.Und am Abend kam ich vom Dorf, die Ein-kaufstaschen vollbepackt ans Rad gehängt,und mußte durch die Festgesellschaft im Zeltwandern - ein wahres Spießrutenlaufen ! - Ei-nes Nachts klopfte es heftig an unsere Tür. Wirerschraken sehr, und als wir fragten, was dennlos sei, ertönte eine volltrunkene Stimme undfragte: "Hütt ihr nit minne Hoot (Hut) ge-siehn?". - Auch störte es uns sehr, daß die Kir-

mesbesucher auf unser Plumsklo im Garten ge-hen konnten. Dieses Klo war eine Besonder-heit: Bei Regen konnten wir es nur mit Schirmaufsuchen ! - Auch sehr unangenehm war diegroße Kälte am Fußboden der Wohnung, dasie nicht unterkellert war.

Aber das haben wir gern in Kauf genommen,wenn wir bedachten, wie schlimm es anderenMenschen ging in jener Zeit, z.B. meinemBruder und seiner Familie auf der Benrode-straße. Sie mußten jahrelang ihre Wohnungund meine Schwägerin auch, die Küche teilenmit einem Kriegsgewinnlerehepaar und derenunausstehlichen Haushälterin. Dicke Speck-seiten hatten sie im Spind hängen, während die5 köpfige Familie meines Bruders nicht wußte,wie sie satt werden sollte. Dagegen waren wirin unserem Häuschen völlig frei und unbehin-dert und konnten uns regen und tummeln, wiewir wollten. Wir brauchten auf niemand Rück-sicht zu nehmen und haben uns trotz aller Pri-mitivität dort sehr wohl gefühlt. - Nach 4 Jah-ren gelang es uns, eine schöne Wohnung imMusikantenviertel zu finden, auch mit Garten,wo wir jetzt schon über 30 Jahre zu Hause sind.

Mittlerweile hat sich auf dem Kirmesplatz allesverändert. Es sind dort breite Straßen angelegtworden, worauf reger Verkehr herrscht. Aberzu meiner großen Freude hat man unserenschönen alten Kastanienbaum am Leben er-halten. Er steht stolz und unversehrt nebendem jetzigen Tenniscenter auf der BayreutherStraße.

Schützenzug Im August 1947von Ernst Steins

Marschmusik-Gleicher TrittBeim TrommelklangUnd PfeifensangImmer wiederGleiche Lieder.OrdenskettenUnd die nettenUniformenNormenWieder

Alle GliederUnd davorDas ReiterchorHoch zu Ross.Im TrossVerbliebenDie InvalidenStolz befrackteKutschenlenker,KalorienreicherFahnenschwenker.

Und die HandZum Mützenrand.Hände klatschenFrauen tratschen:"Wat sadder nunHant di nit Mumm?"Und glaubt ihr schonJugend spielte Tradition?Nein-Altergraute VeteranenKamen

Stolz im bunten TuchUnd bildetenDen SchützenzugIn den HerzenLeuchtet wiederAlter GeistVon PotsdamNieder.

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Schneewittchen in jüngster Zeitvon Ernst Steins

Es war einmal ein König, dem die neuestenStaatsformen nicht mehr behagten. Um fernaballer Weltereignisse zu stehen, liess er sich pen-sionieren und bezog, nach Ausstellung einesPermits durch die örtliche Millitärregierung,sein letztes noch nicht ausgebombtes Schloß.Er hatte eine junge, schöne unschuldige Toch-ter, die er sehr liebte. Ihre Seele war so weiß,wie des Königs politische Vergangenheitswe-ste, darum nannte er sie Schneewittchen. EineSchneiderin fertigte der Prinzessin gegen Näh-garn-, Butter- und Kohlenzugabe weiße Klei-der aus des Königs abgelegten Oberhemdenan: Ihre Stiefmutter, die sich an den Königdurch Vermittlung eines erfolgreichen diskre-ten Eheanbahnungsinstituts als "Tochter vomLande" herangemachte hatte, war eine sehreitle Dame. Sie erstand auf der Tauschzentralegegen eine Kartoffelreibe einen antiken Spie-gel. Den fragte sie oft:

Spieglein, Spieglein, sei so lieb,

Wer ist die schönste im britisch besetzten Ge-biet?"

Dann antwortete der Spiegel:

Jeder Mann hat es erkannt,

Ihr seid die Schönste im ganzen Land!"Doch Schneewittchen reifte zu einer nettenJungfrau heran und so antwortete eines Tagesder Spiegel:

"Frau Königin die Schönste hier sind,

Doch auch Schneewittchen ist ein leckeresKind!"

Doch das wurde der Dame zuviel, sie händigteSchneewittchen die letzten 3 Pfd. Brot aus undbefahl ihrem Jäger, Schneewittchen um dieEcke zu bringen. Der Jäger wollte es in seinemBerufsstolz jedoch nicht eingestehen, dass ernach dem Erlaß der Millitäregierung über dieAblieferung jeglichen Kriegsmaterials keinGewehr mehr hatte. Er führte Schneewittchenin den tiefen Wald, nahm ihr Registrier- undAnmeldeschein, Arbeitspaß, Aufenthaltsbe-scheinigung, Lohnsteuer-, Stamm-, Lebens-mittel-, Kartoffel-, Gemüse-, Eier-, Milch-,

und Kohlenkarte, sowie einen nicht beliefer-ten Bezugschein über einen Wollschlüpfer ab,brachte alles der Königin und meldete: Befehlausgeführt! Schneewittchen irrte nun lange indem Wald umher ohne Lebensmittelkarte undohne die notwendigsten amtlichen Dokumenteund war sehr verzweifelt. Nach langem Umhe-rirren erblickte sie plötzlich eine - offenbar inSelbsthilfe erbaute - Notbaracke, vor der einStückchen Land mit Mohren, Kartoffeln undTabak bebaut war. Sie trat ein und fand zu ih-rem Erstaunen sieben Tellerchen, sieben Mes-serchen, sieben Gabelchen, sieben Löffelchen,sieben Becherchen und sieben Bettchen. Dasprach sie: "Deubel nochmal, was haben dieLeute hier für Geschirr gehamstert. Das sindbestimmt Schwarzhändler." Bei diesem Ge-danken fürchtete sie sich sehr, denn bei ihr zuHause trat man mit dem schwarzen Markt nurüber die Dienerschaft in Verbindung.Jedochsie war hungrig, aß von den Speisen und legtesich, da sie sehr müde war, in eines der Bett-chen. Am Abend kamen die sieben Zwergevon der Holzbroschenfabrikation nach Hauseund einer rief:

"Wer hat von meiner markenfreien Fischpa-stete gegessen?"

und der zweite:

Wer hat auf meiner Kunstschmiedebank geses-sen?"

und der dritte: .

"Wer hat von meinem Heißgetränk ge-schleckt?"

und der vierte:

"Wer hat an meinem Kochkäse geleckt?"

und der fünfte:

"Wer hat an meiner Steckrübe gekaut?"und der sechste:

"Wer hat von meinem Siedlerstolz geklaut?"

und der siebente:

"Wer liegt da in meinem schwarz beschafftenLuftschutzbettchen? "

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Da lag das Schneewittchen und schlief tief undfest nach dem anstrengenden Tag:

Da schrien sie alle:

"Au verdammt! Das Wohnungsamt!

Nun sind wir schon sieben in einem Zimmer-lein,Da schickt man uns noch eine Person herein!"

Von diesem Geschrei erwachte Schneewitt-chen und sprach: "Ach, liebe Zwerge, nehmtmich bei Euch als Stenotypistin und Hausgehil-fin! Ich kann kochen und nähen und sprecheperfekt englisch für den geschäftlichen Ver-kehr mit den Millitärbehörden. Ich gehe mor-gen zur Polizei und zum Rathaus und will mirAnmeldung und Zuzugsgenehmigung holen,die ich ja auch bekomme, da ich keinen zusätz-lichen Wohnraum beanspruche. Ich will auchfür Euch Schlange stehen und alles Aufgeru-fene in jeder Periode prompt abholen. Ichkann sogar aus Zwiebel Leberwurst machen!"Da waren die Zwerge einverstanden und tru-gen sie gleich in die Hausbewohnerliste an derTur unter lfd. Nr. 8 ein.

Die Königin stand aber wieder vor ihrem anti-ken Spiegel und fragte:

"Spieglein überm Grammofone

Wer ist die Schönste in der Britischen Zone?"

Da antwortete der Spiegel:

"Gnädige Frau, man bewundert sie viel,

Doch Schneewittchen im Holzbroschenwerk

Bei der Firma Gebr. Zerg

Hat noch zehnmal mehr sex-appeal!"

Da kletterte das böse Weib vor Wut auf diePalme., eilte in die Tauschzentrale, erstand imRingtausch ein unmodernes Kleid, einen Ka-potthut mit Marabufeder und beauftragte dasDedektiv- und Auskunftsbüro "Falkenauge"mit der Feststellung und Ermittlung des Holz-broschenwerks der Firma Gebr. Zwerg. Dannkaufte sie in der Kunstgewerbehandlung derFirma Schröpfer und Überpreis ein künstleri-sches expressionistisches Gemälde "Gewitterüberm Meer" mit giftgrünen Wellen undschreiend gelben Himmel. Das Ermittlungs-büro arbeitete prompt. Am nächsten Tag ver-giftete die Alte den Rahmen mit Rattengift,

kleidete sich um und ging zu der Baracke derZwerge. Dort näherte sie sich unerkannt demeinsamen zuckerrübenauskochenden zwecksMöhrenkrautbeschaffenden Schneewittchenund bot ihr das Bild zum Kauf an. Kaum hattedas Mädchen das Bild erblickt, sank es mit ei-nem leisem Aufschrei zu Boden und blieb dortwie tot liegen. So fanden es die heimkehrendenZwerge. Obwohl es den giftigen Rahmen nochgar nicht berührt hatte, war es schon vorheraus den bezugsscheinfreien Holzsandalen ge-kippt, als es nur einen Blick auf das Bild undden Preis darunter geworfen hatte. Sie erholtesich bald wieder unter Zuhilfenahme einesselbstgebrauten Zuckerrübenschnapses.

Die Königin hatte aber zu Hause nichts Eilige-res zu tun, als wieder vor Ihren Spiegel hinzu-treten:

"Spieglein schnell so sag es schon,

Wer ist die Schönste in der Britischen Zon'.

Da bekam sie zur Antwort:

"Gnädige Frau sie sind schön und stabil,

Aber Schneewittchen im Waldesschweigen,

Wo die Holzbroschenpreise steigen,

Hat ein ausgesprochenes Filmprofil

Doch die Königin war ein zähes Weib, sie zogeinen Trainungsanzug über ihre verbaute Fi-gur und ging Äpfel hamstern. So erschien siewieder eines Tages im Walde laut ausrufend:"Frische Äpfel! Auf Abschnitt 11 b der Obst-und Gemüsekarte ist als Sonderzuteilung einhalber Apfel aufgerufen worden. Da eilteSchneewittchen herbei., tauschte einen ganzenApfel gegen 25 g unbearbeiteten Tabaks einund aß ihn. Natürlich war er vergiftet. Siekippte auch gleich um.

Als die Zwerge wiederkamen, sprachen sie:"Nun ist sie wirklich mausetot!" Da ergriff derOberzwerg das Wort und sprach mit tränener-stickter Stimme:" Wenn wir heute zum Wirt-schaftsamt gehen und tatsächlich nach stun-denlangem Warten in der Schlange als Bittstel-ler gehört werden und tatsächlich ein Antrags-formular zur Vormerkung für einen Bezugs-schein für einen anzufertigen Sarg bekämen,wann würde man uns diesen wieder abneh-men? Und selbst wenn ich eine eidesstattliche

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Erklärung beifüge, daß von dem beantragtenGegenstand kein Stück vorhanden ist und daßich in diesem Jahr für diesselbe Person nochkeinen Sarg beantragt habe, so dürfte doch miteinem Bezugschein erst nach vielen Monatenzu rechnen sein. Jedoch in der Zeit würde unsder Geruch zu unangenehm. Ich habe abernoch drei Rollen Welldrahtfensterglas, lassetsie uns da hineinpacken und billig und schnellunter die Erde bringen!" Und so wurden dieVorbereitungen getroffen, wie der Oberzwergangeordnet hatte. Zu der Zeit fuhr aber mit ei-nem Holzvergaser-D. K. W. mit recht guter Be-reifung ein gewisser Herr Prinz, Prokurist ei-ner holzeinschlagenden Firma zwecks Beauf-sichtigung des Stümpferodens für die frierendeZivilbevölkerung durch diesen Wald. Da saher die sieben Zwerge mit dem drahtwelleinge-glasten Schneewittchen quer über die Chaus-see wanken. Er hielt den Wagen an um sichdieses seltsame Schauspiel zu betrachten. AusRatlosigkeit steckte er sich eine selbstgedrehte

Zigarette aus Waldtee an. Da begannen alleZwerge zu husten und selbst Schneewittchenhustete im Sarge mit. Da flog der Apfelrestheraus. Herr Prinz jedoch entschuldigte sichmit vielen Verbeugungen, weil er die Beerdi-gung gestört hatte. Aber Schneewittchen wares noch ganz übel und sank ihm an die Brust.Er deutete dies als "Liebe auf den erstenBlick", lud sie in seinen Wagen ein, ließ dieverdutzten Zwerge stehen, und fuhr sie - miteinem Umweg über mehrere bekannte Bau-ernhöfe zwecks Eintauschung gangbarer Arti-kel gegen Kalorien für das Hochzeitsmahl -nach Hause zum König. Da vergiftete sich dieböse Schwiegermutter mit Sardellenpastete.Herr Prinz aber wurde vom König fest ange-stellt und als Schwiegersohn aufgenommen,nachdem er seinen großen politischen Unbe-denklichkeitsfragebogen ausgefüllt hatte.Und wenn ihre Beziehungen nicht versagten,so leben sie noch heute.

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