bodo april 2012
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Die April-Ausgabe des Straßenmagazins bodo.TRANSCRIPT
1
1.80 EuroApril 2012 | 90 Cent für den Verkäufer
08 | Klischees vor Kulissen? | Dortmund wird zum »Tatort«
04 | Paul Wallfisch | Meister, Margarita und Botanica
32 | Athens neue Obdachlose | Griechenlands erste Straßenzeitung
21 | 20 Verlosungen | z.B. Rock in den Ruinen, Phoenix West Areal Dortmund
Das Straßenmagazin
bodo
2
EDITORIAL
BODO E.V. – SO ERREICHEN SIE UNS
Herausgeber | Verleger | Redaktion
bodo e.V.
Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20
Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.:
Bastian Pütter | [email protected]
0231 – 950 978 12 | Fax 950 978 20
Layout und Produktion:
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0231 – 106 38 31 | [email protected]
Veranstaltungskalender:
Benedikt von Randow | [email protected]
Anzeigenleitung:
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Autoren dieser Ausgabe:
Bianka Boyke (bb), René Boyke (rb), Alexan-
der Greif (ag), Rainer Holl, Wolfgang Kienast
(wk), Volker Macke, Maike, Bastian Pütter
(bp), Benedikt von Randow (bvr), Rosi, Dr.
Birgit Rumpel (biru), Sebastian Sellhorst (sese)
Fotos: Claudia Siekarski (S.2,3,4,5,6,7,8,9,
10,12,14,15,16,17,38), Stefan Scheer (S.30),
Sebastian Sellhorst (S.11), Ruhrverband (S.28,
29,30,31), Reuters/Yannis Behrakis (S.33),
Archiv Chris Alefantis (S.32), Bianka Boyke (S.12),
Euromayday Ruhr (S.35), pixelio.de (S.18)
Titelbild: Claudia Siekarski
Zeichnungen + Cartoons: Volker Dornemann
Druck: Gebr. Lensing GmbH & Co. KG.
Auflage | Erscheinungsweise:
12.000 Exemplare
Bochum, Dortmund und Umgebung
Redaktions- und Anzeigenschluss:
für die Mai-Ausgabe 10.04.2012
Anzeigen:
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 7
gültig ab 01.03.2009
Vertriebe:
Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum
Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist kos-
tenfrei, aber ohne Gewähr. Für unaufgefordert ein-
gesandte Fotos oder Manuskripte wird keine Haftung
übernommen. Das Recht auf Kürzung bleibt vorbehal-
ten. Abdruck und Vervielfältigung von redaktionellen
Beiträgen und Anzeigen bedürfen der ausdrückli-
chen Genehmigung der Redaktion. Leserbriefe und
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unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
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im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514
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BLZ: 430 500 01, Kto. 10 406 254
IMPRESSUM
02
Liebe Leserinnen und Leser,
wir haben es geschafft. Beziehungsweise: Wir
werden es geschafft haben. Denn einige Texte in
diesem Heft sind im wahrsten Sinne auf gepackten
Umzugskartons entstanden. In den letzten Wochen
stießen wir auf einiges Kopfschütteln, wenn wir
unseren Umzugs-Zeitplan erklärten (von dessen
Finanzierung ganz zu schweigen).
Aus Kostengründen haben wir wirklich den fliegen-
den Wechsel gewagt und sind in voller Fahrt mit
Verwaltung, Redaktion, Buchladen, Online-Shops
usw. umgezogen.
Während am Schwanenwall fieberhaft Arbeitsplätze
eingerichtet wurden, sorgt unser Transport-Team
gleichzeitig dafür, dass am Tag der Eröffnung am
Schwanenwall Büros und Laden am Hafen besenrein
übergeben werden. Wir hoffen, die Punktlandung
ist einigermaßen gelungen.
Naja, so ganz ohne Reibungsverluste geht es natür-
lich nicht, und so ist sicher das eine oder andere an
Arbeit liegengeblieben und vielleicht auch der eine
oder andere Anruf ins Leere gelaufen – schließlich
haben wir sogar unsere Telefonnummer gewechselt.
Dafür bitten wir um Nachsicht.
Wir erwarten viel von unserem neuen Standort, vor
allem eine größere Nähe – zu Ihnen, unseren Le-
serinnen und Lesern und den Buch- und Transport-
KundInnen, aber auch zu unseren aktuellen und
zukünftigen Verkäuferinnen und Verkäufern.
Herzlich bedanken möchten wir uns bei allen, ohne
die dieser Schritt niemals möglich geworden wäre. Wir
haben so viel Unterstützung erfahren, allen voran von
Spenderinnen und Spendern, die uns in der Weih-
nachtszeit den finanziellen Anschub gegeben haben,
endlich Räume in passender Größe zu beziehen.
Aber auch das Engagement der Firmen, Einrich-
tungen und Handwerksbetriebe, die uns mit
Sachspenden und besonders günstigen Angeboten
weitergeholfen haben, war eine riesige Hilfe. Von
der Unterstützung unserer Partner, Familien und
Freunde ganz abgesehen, die tatkräftig angefasst
und unsere zusätzliche Abwesenheit mit Fassung
getragen haben.
Wir glauben, einen nachhaltigen Schritt nach vorn
gemacht zu haben, und freuen uns riesig auf die
neuen Arbeitsbedingungen, auf neue Leser, Verkäu-
fer, Kunden, Besucher, Nachbarn.
Und wie nebenbei ist uns noch ein unserer Meinung
nach schönes Heft gelungen, mit Geschichten,
denen eine etwas andere Perspektive gemeinsam
ist, Geschichten, die wir so anderswo nicht lesen.
Sei es der Blick auf die routinierte Medienmaschine
hinter dem Dortmund-Tatort, ein intimes Porträt
des großartigen Paul Wallfisch oder ein Interview
mit Chris, der versucht, Athens neuen Obdachlosen
eine Perspektive zu geben – mit einer Straßenzei-
tungs-Neugründung.
Wir bedanken uns bei Ihnen für den Kauf der
Aprilausgabe des Straßenmagazins – denn Lesen
ist Helfen – und wünschen Ihnen eine angenehme
Lektüre. Besuchen Sie uns, wenn Sie einmal in der
Dortmunder Innenstadt sind, am Schwanenwall.
Viele Grüße von bodo,
Bastian Pütter – [email protected]
3
INHALT 03
02 Editorial | Impressum
04 Menschen Paul Wallfisch von Dr. Birgit Rumpel
Paul Wallfisch ist musikalischer Leiter am Schauspiel Dortmund und Band-
leader der Rockband Botanica. Vor der Premiere von „Der Meister und Marga-
rita“ sprachen wir mit ihm über Glaube, Religion und ein bewegtes Leben.
06 Neues von bodo
07 Maikes Verkäufertagebuch
08 Mit Kamera, Spraydosen und Gangster-Rap von Sebastian Sellhorst
Aufgeteilt in die drei Workshops Fotografie, Geschichten und Streetart ermu-
tigt das Projekt „Ich sehe was, was du nicht siehst“ Jugendliche aus der Dort-
munder Nordstadt, sich künstlerisch mit ihrem Viertel auseinanderzusetzen.
10 Neues von Rosi | von bodo-Verkäuferin Rosi
11 Verkäuferporträt Michael von Sebastian Sellhorst
Die eigene Lebensgeschichte in einer Zeitung zu erzählen, erfordert eine
Menge Mut, besonders wenn diese Biographie nicht nur schöne Seiten
hat. Im April macht das Michael, der seit vier Monaten das Straßenma-
gazin verkauft.
12 Recht Inkassokosten von René Boyke
Rechtsanwalt René Boyke erklärt, wann und in welcher Höhe
Inkassokosten gerechtfertigt sind.
12 Kultur Kultur konstant mit ohne Kohle von Wolfgang Kienast
Ende der 90er Jahre wurde die Künstlergruppe [no-budget-arts] von jun-
gen, kreativen Menschen gegründet, parallel zu Schule, Zivildienst oder
Universität. Vieles hat sich seit dem verändert.
13 Wilde Kräuter Brennnessel von Wolfgang Kienast
Vom Vogel des Jahres 2012, wie man mit Weidenkätzen Haus und Garten
vor Unwettern schützt und mit einem Rezept für leckere Brennnessel-
klößchen im Wurzelgemüsebett.
14 Die Reportage Dortmund wird zum »Tatort« von Bianka Boyke Bereits vor Monaten wurde öffentlich, dass es einen neuen Tatort aus dem
Ruhrgebiet geben wird. Erst wurde Dortmund als Stadt bekannt gegeben,
dann ein Teil der Darsteller und Anfang März wurde schließlich das gesamte
Team – zunächst unter strengster Geheimhaltung des „vierten Mannes“ –
einer großen Pressemeute aus ganz NRW in Dortmund vorgestellt. Journalis-
ten und vor allem Darsteller erwartete ein langer, langer Arbeitstag…
18 Kommentar Alarm! Kriminalität steigt dramatisch! von Bastian Pütter
18 News | Skotts Seitenhieb
20 Kinotipp Martha Marcy May Marlene im endstation.kino
20 Lesebühne Bordsteinrebellen von Rainer Holl
Autor, Automatopoet, Medienkünstler, Poetry-Slammer, Preisträger des
LesArt-Preises für junge Literatur 2010 und Mitglied der Dortmunder Lese-
bühne Schreibgut: Rainer Holl schreibt auch für bodo.
21 Veranstaltungskalender | Verlosungen | CD-Tipps von Benedikt von Randow
28 Geschichte Die Ruhrstauseen von Wolfgang Kienast
Fluss kommt von fließen. Die Ruhr ist 219 Kilometer lang, doch Fließge-
wässer ist sie eigentlich nur im ersten Drittel. Bei Kilometer 133 beginnt
der Rückstau eines Wehres vor Echthausen und von da an bis zur Mündung
in den Rhein steht der Fluss, der dem Revier den Namen gab, meist sehr
ruhig in seinem Tal herum; gebremst oder aufgehalten durch rund dreißig
weitere Wehre, Staustufen und -mauern.
32 Das Interview Athens neue Obdachlose von Volker Macke
Griechenland in der Krise: Arbeitslosengeld gekürzt, Mindestlohn gekappt,
Steuern angehoben. Tausendfach machen kleine Geschäfte dicht, die Ein-
kaufsstraßen der Viertel werden zu Geisterstraßen. In den Hauseingängen
liegen immer mehr ohne Obdach. Eine neue Straßenzeitung will helfen.
Volker Macke hat für bodo mit dem Redakteur Chris Alefantis gesprochen.
35 Soziales Euromayday tanzt in den Mai von Bastian Pütter
„Die Welt ist voller Reichtum und sie gehört uns allen!“ Zum dritten Mal
findet im Ruhrgebiet die etwas andre Maidemonstration statt. Diesmal als
Bochumer Tanz in den Mai.
36 Literatur Hause gelesen von Wolfgang Kienast
Ein Dortmunder Mietshaus ist Hauptfigur im blutigen Roman von DERHANK.
37 Rätsel | von Volker Dornemann
38 bodo geht aus Bullerbüdchen von Alexander Greif
Ein Ort, an dem man gemeinsam kreativ ist: Im Namen „Bullerbüdchen“
klingt die heile Welt aus Astrid Lindgrens Kinderbuchreihe über den fikti-
ven schwedischen Ort nicht zufällig mit.
39 Leserseite | Cartoon
Unser Titelbild der April-Ausgabe:
Die frischgebackene Dortmunder Tatort-Mannschaft
stellt sich auf Kokerei Hansa vor (s.S.14).
Foto: Claudia Siekarski
14080432 38
4
Paul Wallfisch ist musikalischer Leiter am Schauspiel Dortmund und Bandleader der Rock-band Botanica. Vor der Premiere von „Der Meis-ter und Margarita“ sprachen wir mit ihm über Glaube, Religion und ein bewegtes Leben.
Es ist Montag Nachmittag, die Probe für „Der Meis-
ter und Margarita“ ist gerade zu Ende, Paul Wallfisch
nimmt sich Zeit für uns, hat Spaß daran, sich für
Paul WallfischEin Amerikaner in Dortmund
MENSCHEN | von Dr. Birgit Rumpel | Fotos: Claudia Siekarski04
unser Fotoshooting zu inszenieren. Darüber, dass er
sich ohne zu zögern auf der Probebühne in Jesus-
Manier ans Kreuz hängt, sprechen wir später noch.
Seit 2010 lebt der 47jährige mit seiner Frau, der
Künstlerin Pat Arnao, in Dortmund. Schauspieldi-
rektor Kay Voges lockte ihn aus New York hierher.
„Wir kannten uns aus der Musikszene in Krefeld,
Kay kam oft zu den Auftritten von Botanica, spä-
ter besuchte er uns in New York und wir lernten
uns näher kennen.“ Danach kam die überraschen-
de Email „Habe jetzt mein eigenes Theater, willst
Du hier auftreten – oder für zwei Jahre nach Dort-
mund kommen?“ Er kam.
„Dortmund ist nicht gerade schön, aber für mich
ist es wichtiger, dass ich eine Wohnung und einige
Plätze habe, wo ich mich wohlfühlen kann“, sagt
er, der das Herumziehen seit Kindertagen kennt.
Seine Eltern, das Musikerdou Lory und Ernst Wall-
fisch tourten in den 1950er und 60er Jahren durch
die ganze Welt, als Kind begleitete Paul sie oft auf
diesen Reisen. Sie hatten sich durch und durch der
klassischen Musik des alten Europa verschrieben.
„Meine Eltern gehörten zu den letzten Vertretern
einer Generation von Hofmusikern aus dem 19.
Jahrhundert, sie haben ein ganzes Jahrhundert to-
tal verpasst“, stellt er fest. „Sie hatten keine Ver-
bindung zu moderner Musik und Medienkunst.“ Mit
vier Jahren erhielt Paul die ersten Klavierstunden,
mit zwölf beendete er den Unterricht, spielte aber
weiter Klavier. Erst sechs Jahre später nahm er ei-
nen neuen Anlauf, um sich intensiv auf die Aufnah-
meprüfung für die Musikhochschule in Paris vor-
zubereiten. Sein Vater war inzwischen verstorben,
seiner Mutter, die schon glaubte, alles falsch ge-
macht zu haben, bereitete sein Plan große Freude.
Auch die damalige Liebe zu einer finnischen Harfi-
nistin, die in Paris studierte, hatte Pauls Ehrgeiz
beflügelt. Doch schon nach einem Jahr an der École
Normale de Musique de Paris gab er das Klavier-
Studium auf. „Das war nichts für mich. Der falsche
Druck in diesem System funktioniert bei Leuten,
die zehn Stunden am Tag nur Klavier spielen wol-
len.“ Für eine klassische Pianisten-Karriere war es
sowieso schon zu spät.
Diesem einen Jahr in Paris folgten später fünf
weitere, die er dort verbrachte. „Ich liebe Paris“,
schwärmt er, der in Basel geboren und in North-
ampton, Massachusetts, aufgewachsen ist. Die
Eltern waren nach Pauls Geburt dort sesshaft
geworden, auch die Großeltern waren aus Rumä-
nien übergesiedelt und lebten mit im Haus. „Ich
bin praktisch von den Großeltern erzogen worden,
aber sie hatten oft Streit miteinander, das wäre
eine Vorlage für eine TV-Serie“, erinnert er sich
und kann heute darüber schmunzeln. In der Familie
wird überliefert, dass Vorfahren im 15. Jahrhun-
5
dert tatsächlich Walfänger waren, die von der Ost-
see nach Breslau und später weiter nach Rumänien
zogen. Dort lernte der Vater Pauls Mutter kennen,
„Rumänin mit jüdischen Wurzeln und ein bisschen
Zigeuner“. Anfang der 1950er Jahre konnte das
Paar mit Unterstützung von Yehudi Menuhin in die
USA ausreisen – eine filmreife Familiengeschichte.
„Man hat wohl die Tendenz, zu reproduzieren, was
man selber kennt“, sagt Paul Wallfisch, dessen Sohn
das Schweizer Internat besucht, in dem auch Paul
ein Jahr seiner Kindheit verbrachte und Deutsch
gelernt hat. Auf seine Arbeit trifft das allerdings
überhaupt nicht zu. Der klassischen Musik kehrte
er schon früh den Rücken, ohne sie zu verteufeln.
1999 gründete er in Los Angeles die Independent-
Rockband Botanica, 2009 rief er in einem New Yor-
ker Club den musikalischen Salon „Small Beast“ ins
Leben. Den brachte er 2010 auch mit nach Dort-
mund, Hamburg und Berlin, wo er dieses Format mit
Musikern der freien Szene regelmäßig auflegt.
In der aktuellen Spielzeit am Theater Dortmund ist
„Der Meister und Margarita“ nach dem Roman von
Michail Bulgakow das größte Projekt für Paul Wall-
fisch und Botanica. „Es ist eine Liebesgeschichte,
eine Komödie und eine satirische Geschichte über
die Sowjetunion“, beschreibt Wallfisch den Roman.
„Und es geht um die Frage, ob man sich zu hundert
05
Prozent hingeben kann – dem, was man als krea-
tiver Mensch tut oder dem Glauben an Gott oder
der Liebe zwischen Mann und Frau. Kann man alles
drei schaffen, oder nur eins oder zwei davon?“ Da-
rum drehten sich viele Diskussionen zwischen ihm
und Regisseur Kay Voges. „Kay und ich sind bei-
de extreme und romantische Figuren, es war eine
gute Wahl, das zusammen zu machen.“ Und gern
erwähnt er noch, dass Andrew Lloyd Webber trotz
Millionenetats den Versuch aufgab, Bulgakows Ro-
man als Musical auf die Bühne zu bringen.
Gerade ist das Album „What do you believe in“ mit
dem Soundtrack zum Stück erschienen. Woran er
selbst glaubt, ist deshalb die naheliegende Fra-
ge. Er zieht einen seiner Silberringe vom Finger
und liest die Inschrift vor: „A victory a day keeps
suicide away.“ „Ein Triumph täglich schützt vor
Selbstmord“ könnte die freie Übersetzung lau-
ten, wobei er auch einen gefundenen Parkplatz
oder einen leckeren Kaffee durchaus als Triumph
ansieht. „Ich bin Atheist. Ich glaube an Schön-
heit. An Schönheit, Liebe und Hass. Und Lei-
denschaft“, zählt er auf. „Und an die Unendlich-
keit des Universums, daran glaube ich wirklich.
Das ist sehr schwer, denn je mehr man darüber
nachdenkt, umso kleiner wird der Mensch. Jeder
Moment ist unglaublich wichtig, aber das eige-
ne Leben ist für das Universum insgesamt total
unwichtig“, beschreibt er seine Philosophie und
sucht dabei immer wieder nach den passenden
deutschen Wörtern. „Mein Glaube ist eher das
Gegenteil von Religion,“ führt er weiter aus, will
aber nicht als Nihilist verstanden werden. „Der
Zweifel führt zur Diskussion und eher zu Frieden
als eine so genannte Wahrheit, für die Menschen
sich gegenseitig umbringen.“ Diese Überzeugung
hat er in dem Song „Kingdom of Doubt“ auf der
aktuellen CD zum Theaterstück musikalisch und
textlich umgesetzt.
Das Album hat er seiner Familie und speziell seiner
Mutter gewidmet. „Sie war eine schwierige Person
mit großem Lebenswillen. Aber sie hat Freundschaft
und Liebe nicht verstanden, und sie hat nie verstan-
den, was ich gemacht habe“, sagt Paul Wallfisch. Da-
bei klingt er nicht verbittert, denn gleichzeitig ist
er seinen Eltern dankbar für alles, was er von ihnen
bekommen hat. Erst in den Monaten vor ihrem Tod,
im September 2011, hatte Paul wieder intensiven
Kontakt zur schwerkranken Mutter. „Sie hat ihren
Tod wohl absichtlich auf meinen Geburtstag gelegt,
das gibt eine schöne Symmetrie.“ (biru)
INFO
„Der Meister und Margarita“ am Schauspiel Dortmund
bodo verlost Karten für den 28. April (s.S.21)
6
06 NEUES VON BODO | www.bodoev.de | www.facebook.com/bodoev
schafft Chancenbodo
Haushaltsauflösungen
Transporte und Umzugshilfen
[email protected] | 0231 – 950 978 0
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Während die MitarbeiterInnen im Buchbereich und unsere Auszubildenden ihre Arbeitsplätze im Erdgeschoss haben, teilen sich die anderen Hauptamtlichen bei bodo die Büroetage im ers-ten Obergeschoss.
Über dem Buchladen befinden sich Verwaltung und
Geschäftsführung, die Redaktion des Straßenmaga-
zins sowie Platz für Beratung und Vertrieb. In un-
serem „Konferenzraum“ trifft sich morgens unser
Transport-Team. Dreimal in der Woche gibt es dort
unser Verkäufercafé, es werden Fragen und Probleme
der VerkäuferInnen des Straßenmagazins geklärt,
Beratungstermine vergeben, Verkaufsplätze verteilt
und neue Verkaufsausweise ausgestellt.
Wenn Sie Fragen zu unserer Arbeit, Sachspenden
oder Aufträge für unser Transport-Team haben, ru-
fen Sie uns an. Sie erreichen uns hier mindestens zu
den Büro(kern)zeiten von Mo – Fr zwischen 9 und
16 Uhr. Unsere neue zentrale Rufnummer (auch für
Bochumer AnruferInnen) lautet: 0231 – 950 978 0.
Unsere Email-Adressen haben sich nicht geändert.
Weitere Informationen finden Sie auf unserer In-
ternetseite und täglich frisch bei Facebook: www.
facebook.com/bodoev
Alles neu bei bodo 2:Rufnummern und Beratung
Alles neu bei bodo 1:Adresse und Öffnungszeiten
Ab sofort hat bodo eine neue Adresse und neue Öffnungszeiten. Am Schwanenwall 36 – 38 (zwi-schen Drobs und Reinoldinum) finden Sie unser neues Ladenlokal, das an sechs Tagen in der Woche geöffnet ist: Mo bis Fr 10 – 18 Uhr, Sa 10 – 14 Uhr.
Hier warten 10.000 gute, gebrauchte Bücher – Ro-
mane, Krimis, Fach- und Kinderbücher – und ein
Regal mit Krimi-Neuware aus dem grafit-Verlag auf
Leserinnen und Leser. Ebenfalls im Erdgeschoss: Un-
sere Sortier- und Onlinearbeitsplätze. Wir nehmen
Ihre Buchspenden entgegen und schaffen Stellen
mit dem Sortieren, Bewerten und dem Online- und
Ladenverkauf von Büchern.
Im Buchladen findet auch die Zeitungsausgabe an
die Verkäuferinnen und Verkäufer des Straßenmaga-
zins statt. Gerne nehmen wir auch ihre Sachspenden
(Kleidung, Hausrat) entgegen. Vorerst werden wir
keinen neuen Second-Hand-Laden eröffnen, sondern
Sachspenden in erster Linie dazu nutzen, den Bedarf
unserer VerkäuferInnen und der KlientInnen unserer
Kooperationspartner zu decken. Außerdem wird bodo
weiterhin auf Antik- und Trödelmärkten aktiv sein.
Unser Buch-Team freut sich auf Ihren Besuch. Mehr
auf www.bodoev.de.
bodo ist für Sie da
Geschäftsleitung
Tanja Walter
Verwaltung
Brigitte Cordes
Redaktion und
Öffentlichkeitsarbeit
Bastian Pütter
Vertrieb
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bodos Bücher
Suzanne Präkelt
bodos Bücher Online
Gordon Smith
Transporte und
Haushaltsauflösungen
Michael Tipp
Sachspenden und
Second-Hand-Märkte
Brunhilde Dörscheln
montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr
unter dieser zentralen Rufnummer:
0231 – 950 978 0
Mail: [email protected] | Fax: 0231 – 950 978 20
Oder Sie besuchen uns:
Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr
Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum
Mo., Mi. u. Fr. 14 – 17 Uhr
Di. u. Do. 10 – 13 Uhr
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07
Maikes Rückblick auf den Februar
Liebes Tagebuch, wenn diese sibirische
Kälte nicht wäre… Ach, was soll’s. Lest
selbst, was alles passiert ist.
3. Februar
Diese Kälte hat schon viele Tote gebracht.
Denn die Menschen, die bei dieser Kälte zu
Tode gekommen sind, waren nur auf leichte
Kälte eingestellt gewesen. Wenn die Kälte
nicht wäre, wäre die A45 schon fertig. Man
hat echt keine Kraft, bodos zu verkaufen.
Die Kälte jagt einen wieder rein.
6. Februar
Na endlich, die A45 ist wieder offen für den
Straßenverkehr. Zwar mit Tempobeschrän-
kung, aber Hauptsache, der Verkehr rollt.
Und das Wetter ist nicht so gemütlich,
wie man’s haben möchte. Ich bin heute zu
Hause geblieben – nach dem Motto: „Dann
wird eben weniger verkauft.“
10. Februar
Heute war ich wieder in Huckarde, bodo
verkaufen. Dadurch, dass es noch so kalt
ist, habe ich nur die halbe Schicht gefah-
ren. Anschließend habe ich mit einer Be-
kannten einen schönen Tag verlebt.
13. Februar
Hätte nicht Weihnachten Schnee liegen
können? Stattdessen liegt er heute. Und
was passierte: Zeitungsverkauf konnte ich
genauso vergessen wie meine Einkäufe.
Auf eines freue ich mich aber schon: Wenn
unsere neue Geschäftsstelle fertig und der
Eröffnungstag da ist.
20. Februar
Rosenmontag! Helau, Alaaf usw. Habe heu-
te Morgen beim Bekannten den Rosenmon-
tagszug im Fernsehen geschaut.
29. Februar
Alle Geburtstagskinder, die am 29.02. Ge-
burtstag haben: Herzlichen Glückwunsch.
Lasst euch am 31.03. im neuen Bücherba-
sar überraschen.
Eure Bodoline, Maike
MAIKES VERKÄUFERTAGEBUCH
Das Café-Team der Ev. Georgs-Kirchengemeinde Dortmund, Bezirk Sölde, hat für bodo gesammelt.
Auf einer Vielzahl von Gemeindeveranstaltungen
von Kirchenmusik über Kabarett bis zu Kinderthe-
ater erzielten die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter aus Sölde Erlöse für bodo.
Insgesamt kamen 2.000 Euro zusammen, mit denen
die Gemeinde Umbau- und Renovierungsarbeiten am
neuen Vereinssitz unterstützt. „Wir bewundern vor al-
lem den großen persönlichen Einsatz des Café-Teams“,
bedankte sich bodo-Chefin Tanja Walter. „Die große
Summe von 2.000 Euro ist in vielen, vielen Stunden
ehrenamtlicher Arbeit zusammengekommen. Dieses
Engagement wissen wir besonders zu schätzen.“
Tanja Walter nahm gemeinsam mit Suzanne Präkelt,
die das Buchprojekt des Vereins leitet, die Spende
entgegen. Die Gemeindemitglieder Ulrich Böttcher,
Silvia Nehring, Bernd Ruhnau und Dirk Schmiedes-
kamp führten die beiden im Anschluss durch die
neuen Räume.
Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlich bei allen
Unterstützern und Spendern, die den Umzug, aber
auch unsere Arbeit insgesamt erst möglich machen!
Ev. Georgs-Gemeinde: 2.000 Euro Spende für bodo
Crashtest Nordstadt:bodo-Verkäufer als „Checker“?
Mit dem Ziel, bestehende Regeln des klassischen Theaters aufzuheben und den Zuschauer selbst zum Akteur zu machen, startet das Schauspiel Dortmund das Projekt „Crashtest Nordstadt“.
Regisseur Jörg Lukas Matthaei und Dramaturg Mi-
chael Eickhoff machen die Besucher ihres „Games“
zu Ware, die verschoben und bewertet wird, um so
die Logik und Gesetze dieses spannenden Viertels
erfahrbar zu machen.
Teil dieses Stadtteil-Parcours sind Nordstadtbewoh-
ner, die als „Checker“ und in anderen Rollen mit den
Theaterbesuchern interagieren und so das Bild „ih-
rer“ Nordstadt transportieren. Und wer wäre besser
geeignet, als Verkäufer auf der Straße aufzutreten,
als Verkäufer des Straßenmagazins?
So waren Theaterpädagoge Till Staufer und Regis-
seur Jörg Lukas Matthaei bei uns zu Gast, um unse-
ren Verkäufern das Projekt vorzustellen. Wie viele
davon letztendlich zur Premiere dabei sind, ist noch
unklar, aber beim ersten gemeinsamen Workshop
hatten wir schon eine Menge Spaß. Nach der Reihe
„Stadt ohne Geld“ in der letzten Spielzeit ist „Crash-
test Nordstadt“ bereits die zweite Kooperation mit
dem Schauspiel Dortmund.
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www.bodoev.de
8
08
9
Mit Kamera, Spraydosen und Gangster-RapJugendliche aus der DortmunderNordstadt stellen ihren Stadtteil vor
„Hier passiert so viel, ich muss einfach nur aus dem Fenster schau-en und schon kann ich anfangen zu rappen“, sagt Gregg. Zusammen mit seinen Mitmusikern Ahmet und Alvin nimmt der Rapper am Ausstellungsprojekt „Ich sehe was, was du nicht siehst“ in der Dortmunder Nordstadt teil. Doch da wird nicht nur gerappt, sondern auch geschrieben, fotografiert und gesprayt.
Aufgeteilt in die drei Workshops Fotografie, Geschichten und Streetart
will das Projekt die Sicht der Jugendlichen auf ihren Stadtteil in den
Mittelpunkt stellen, sie ermutigen, sich künstlerisch mit ihrem Viertel
auseinanderzusetzen und so ihr Bild von der Dortmunder Nordstadt an
andere weiterzugeben. „Wir wollen die Jugendlichen dazu bringen, ihre
eigenen Geschichten zu erzählen“, sagt Barbara Underberg. Die Jour-
nalistin lebt selbst in der Nordstadt und hat das Projekt zusammen mit
der Fotografin und Künstlerin Iris Wolf ins Leben gerufen.
„Geschichten gibt es hier genug. Die liegen quasi auf der Straße“, weiß
Gregg, mit bürgerlichem Namen Gregorius Korhanidis (Foto 2. v. links).
Zusammen mit zwei Freunden macht der 19jährige Musik in der und
über die Dortmunder Nordstadt. Seine Leidenschaft gilt dem „Freesty-
len“, dem improvisierten Sprechgesang ohne vorbereitete Texte. Für die
Bässe und Rhythmen des Trios ist Ahmet (Foto links) zuständig. Unter
dem Künstlernamen Cognac, zu dem ihn seine türkische Heimatstadt
Konya inspirierte, ist er nun schon seit über sieben Jahren als DJ tätig.
Der Dritte im Bunde ist Alvin (Foto rechts), der seine Texte und seine
Musik unter dem Synonym „Slyte“ veröffentlicht.
Fast täglich treffen sich die drei im Treffpunkt Stollenpark, einem
Jugendzentrum mitten in Dortmunds Nordstadt. Dort haben sie ihr Stu-
dio, in dem sie regelmäßig an neuen Songs arbeiten, die sie dann unter
ihrem gemeinsamen Label „Bulls Records“ veröffentlichen. Während
Ahmet berufstätig ist und Alvin noch zur Schule geht, konzentriert sich
Gregorius mittlerweile ausschließlich auf seine Musikkarriere. Zurzeit
arbeiten die Drei an Aufnahmen, mit denen sie sich in Zukunft auch an
größere Plattenfirmen wenden wollen.
„Ursprünglich wollten wir erst gar nicht bei dem Projekt mitmachen,
aber dann hat mich Barbara angesprochen, als ich gerade vor der Tür
vor mich hin rappte“, erzählt Gregg. So wurde der Bereich der Geschich-
ten und Texte kurzerhand um Hiphop und Rap erweitert. „Gerade diese
Spontanität und eine gewisse Unplanbarkeit macht für mich den Reiz
eines solchen Projektes aus“, sagt Barbara Underberg.
STRASSENLEBEN | von Sebastian Sellhorst | Fotos: Claudia Siekarski 09
10
NEUES VON ROSI | von bodo-Verkäuferin Rosi
Liebe Leserinnen und Leser,
heute ist der 4. März. Es ist ein wun-
derschöner Tag, nur regnet es etwas.
Wie Sie sicher auch bemerkt haben,
konnten wir schon etwas Frühlings-
luft einatmen. An die Wärme habe ich
mich schon wieder richtig gewöhnt.
Am Samstag, den 3. März war es aber
doch nochmal ganz schön kühl. Ich
hatte sogar kalte Hände.
Neulich habe ich einen sehr guten
Bericht über Bettler in Tierkostümen
gelesen. Überall in der Region sind
Menschen als Tiere verkleidet in den
Fußgängerzonen unterwegs. Viele von
ihnen sollen Frauen sein. Sie sind als
Affen, Pandabären und andere Tiere
verkleidet. Abends werden sie dann
wieder eingesammelt und nach Hause
gefahren. Diese Leute tun mir sehr leid
wie sie da so den ganzen Tag in der Käl-
te durchhalten müssen.
Jetzt zu einem anderen Thema. Mein
zweites Auge wurde nun auch ope-
riert. Ich hatte große Angst, weil die
Operation auf einen 13. fiel. Aber es
verlief alles wunderbar. Die Operation
dauerte nur zehn Minuten. Die Vorbe-
reitung dauert nur länger wegen der
Tropfen. So, nun ist das auch über-
standen. Ich kann wieder richtig se-
hen und das ist wichtig.
Wie gefällt Ihnen die neue bodo? Viele
Kundinnen und Kunden sind begeis-
tert. Sie sagen, dass sie jetzt sehr ger-
ne die bodo lesen. Sie habe sich sehr
verbessert und das freut uns. Jeder von
uns versucht, sein Bestes zu geben, da-
mit die Zeitung noch besser wird. Für
dieses Lob sagen wir Danke an alle Le-
serinnen und Leser. Außerdem möchte
ich mich für die Geschenke, die man
mir zukommen ließ, bedanken.
Jetzt wünsche ich mir, dass der Früh-
ling nun richtig einzieht und es end-
lich wärmer wird. Dann macht der Ver-
kauf auch mehr Spaß.
Ich verabschiede mich wie immer und
wünsche Ihnen allen ein schönes Os-
terfest und vor allem schönes Wetter.
Ihre Rosi.
10
Als dann während des Einstiegsworkshops der „Nordstadt Song“ des Dortmunder Musikers Boris
Gott gespielt und den Jugendlichen vorgeschlagen wurde, den Künstler zu seinem Umgang mit der
Nordstadt zu interviewen, meldeten sich die drei Rapper zu Wort: „Den wollen wir nicht intervie-
wen, mit dem wollen wir Musik machen“. Schnell entstanden die ersten Beats. Noch schneller die
ersten Textzeilen, aus dem Stegreif reimte Gregg drauflos. Trotz unterschiedlicher musikalischer
Herkunft gelang die Zusammenarbeit sofort.
„Es hat von Anfang an eine Menge Spaß gemacht, und ich konnte mich auch selbst noch mal ein
gutes Stück erweitern“, so Boris Gott, dessen Song „Nordstadt“ als Grundlage für die musikalische
Zusammenarbeit diente und im Rahmen des Projektes völlig neu interpretiert wurde.
Doch nicht nur die drei Rapper versuchen sich an der Darstellung – auch der Außendarstellung – ihres
Viertels. Neben dem Musikprojekt waren 20 Jugendliche zu Gast im Dortmunder Rathaus und inter-
viewten Oberbürgermeister Ulrich Sierau. Während einige Jugendliche sich darauf konzentrierten,
dem Oberbürgermeister Fragen
zur Nordstadt zu stellen, waren
andere unter der Anleitung von
Iris Wolf damit beschäftigt,
Fotos der Veranstaltung zu
machen. Ein weiterer Ausflug
führte die Jugendlichen in die
Wache Nord, wo ihnen Jürgen
Jäger von der Dortmunder
Polizei im Interview Rede und
Antwort stand.
Als wir auf der Suche nach einer
passenden Foto-Kulisse durch
die Nordstadt spazieren, erzäh-
len Ahmet und Gregg von ihrer
Jugend in der Nordstadt. „Damals war alles noch viel dreckiger, dafür gab es aber noch nicht die
ganzen ,Fußballspielen verboten‘-Schilder“, schwelgt Ahmet in Erinnerungen. So einiges habe sich
in den letzten Jahren verändert, die Drogenszene am Nordmarkt sei verschwunden, viel „Action“
gäbe es trotzdem noch auf den Straßen. „Wohl fühlen wir uns hier trotzdem. Wir sind halt Kinder
der Nordstadt, bereits in anderen Stadtteilen fühle ich mich irgendwie fremd“, erzählt Gregg.
„Trotzdem ist das mein Zuhause, mein Leben, ich würde für diese Gegend alles geben“, heißt es in
einer Textpassage ihres neuen Songs. Das Leben in der Nordstadt mit all seinen guten und schlech-
ten Seiten ist immer wieder Thema in den Texten der jungen Musiker. Sowohl schwierige Themen
wie Prostitution als auch die schönen Seiten der Nordstadt wie das multikulturelle Zusammenleben
in Dortmunds Norden werden von den jungen Musikern thematisiert. Meist sprechen sie dabei eine
sehr deutliche Sprache, doch immer haben sie in ihren Songs Raum für alle Aspekte, die das Leben
in der Nordstadt mitbringt.
Der dritte große Themenbereich des Projektes ist Streetart. Auch in Form von selbst gestalteten
Graffiti und Bildern sollen die unterschiedlichen Seiten der Nordstadt transportiert werden. Unter
Anleitung eines professionellen Grafikers arbeiteten die Jugendlichen an großen Würfeln, auf denen
sie mit viel bunter Farbe ihre Beobachtungen und Erlebnisse zur Nordstadt künstlerisch umsetzten.
Präsentiert werden die Exponate und Ergebnisse der unterschiedlichen Workshops ab dem 27. April
für vier Wochen ausgerechnet im noblen RWE-Tower in Dortmunds Innenstadt. „Dass wir es mit
unserer Ausstellung über die Bahnlinie geschafft haben, freut mich besonders. Nur so können wir
Leuten, die vielleicht nicht jeden Tag in der Nordstadt sind, zeigen, was es hier alles Spannendes
gibt“, freut sich Barbara Underberg auf die Vernissage. Dort werden auch Gregg, Cognac und Slyte
erstmals ihren neuen Song einer breiten Öffentlichkeit präsentieren.
INFOAktuelle Neuigkeiten und weitere Bilder zu dem Projekt gibt es unter www.wasdunichtsiehst.de
bodo wird die Vernissage im April besuchen und auf www.bodoev.de berichten
11
VERKÄUFERPORTRÄT | protokolliert von Sebastian Sellhorst | Foto: Sebastian Sellhorst
»Besonders wichtig sind mir meine Kunden«
Die eigene Lebensgeschichte in einer Zeitung zu erzählen erfordert eine Menge Mut, beson-ders, wenn die eigene Biographie nicht nur schöne Seiten hat. Umso mehr freuen wir uns, wenn neue bodo-Verkäufer uns das Vertrauen entgegenbringen und uns erzählen, wie sie zu uns gefunden haben. Diesen Monat macht das Michael, der seit vier Monaten das Straßenma-gazin verkauft.
Geboren bin ich 1977 in Duisburg. Meinen Vater
habe ich nie kennengelernt, meine Mutter war al-
koholkrank. So bin ich fast nur in Heimen aufge-
wachsen. Zuerst war ich in der Rehabilitationsein-
richtung „Maria in der Drucht“, einer Einrichtung
für psychisch kranke Jugendliche, danach noch in
vielen anderen Einrichtungen und Kinderheimen.
Damals war ich noch ein ganz anderer Mensch. Ich
bin mit meinen Mitmenschen oft aneinander gera-
ten und war sehr leicht reizbar. Das ist aber mitt-
lerweile ganz anders.
Nach meiner Zeit in den Heimen habe ich in einer
Werkstatt für Menschen mit Behinderungen gear-
beitet. Dort habe ich Pokale zusammengebaut. In
der Zeit habe ich in unterschiedlichen Einrichtun-
gen des betreuten Wohnens gewohnt. Hatte auch
zeitweise eine eigene Wohnung, aber das hat
nicht wirklich gut funktioniert. Es gab zu viele
alltägliche Dinge, die mich damals überforderten
und die mir einfach nicht gelingen wollten. Schon
das Führen eines Haushaltes oder der Weg zu den
unterschiedlichen Ämtern überforderte mich zu
der Zeit.
Rückblickend war das eine ganz schön schlimme
Zeit. Aber mittlerweile bin ich in psychiatrischer
Behandlung und es geht mir sehr viel besser. Jetzt
versuche ich langsam mein Leben wieder in den
Griff zu bekommen. Eine eigene Wohnung habe
ich zwar noch nicht wieder, aber gesundheitlich
geht es mir schon sehr viel besser. Ich habe zwar
noch immer mit Diabetes und Bluthochdruck zu
kämpfen, aber rein psychisch bin ich im Moment
auf einem guten Weg der Besserung. Nicht zuletzt
auch dank bodo.
Zum bodo-Verkauf kam ich über einen anderen Ver-
käufer. Nachdem ich mir meinen Kollegen angese-
hen hatte, wie der Verkauf so läuft, habe ich mir
gedacht, ich könnte es doch auch mal versuchen.
Der erste Tag war noch etwas ungewohnt, aber nach
relativ kurzer Zeit lief es schon richtig gut mit dem
Verkauf, und mir wurde klar, dass ich bei bodo erst
mal richtig bin. Und so bin ich jetzt seit vier Mona-
ten bodo-Verkäufer.
Besonders wichtig ist mir der Kontakt zu meinen
Kunden. Viele Leute bleiben kurz stehen und quat-
schen ein bisschen. Manche wollen wissen, was in
der aktuellen Ausgabe steht, andere fragen mich
einfach nur, wie es mir geht. Diese kleinen Gesprä-
che finde ich super. Die helfen mir immer über den
Tag. Seit ich das mache, sind auch meine Psychosen
sehr viel besser geworden.
Zurzeit wohne ich noch zusammen mit meiner
Freundin bei meinem Bruder. Das ist streckenweise
ganz schön eng. Aber besser als auf der Straße zu
sitzen. Als Nächstes möchte ich aber auch wieder
in mein eigenes Reich. Im Moment funktioniert das
finanziell noch nicht. Aber ich bin optimistisch,
dass ich das im Laufe der nächsten Monate gere-
gelt bekomme. Die eigenen vier Wände sind schon
etwas Besonderes.
Seit 16 Jahren gehören das Straßenmagazin und seine Ver-
käufer zum Straßenbild in Bochum, Dortmund und Umgebung.
Viele haben feste Verkaufsplätze und einen eigenen Kunden-
stamm. Manche sind schon seit Jahren bei uns, andere nur
auf der Durchreise. Für alle jedoch ist der Verkauf des Stra-
ßenmagazins eine Arbeit, die Halt gibt und Selbstbewusstsein
schafft. bodo stellt regelmäßig einen Verkäufer vor.
Michael, Dortmund-Hörde
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Kerstin Schraft – Ergotherapie am Bethanien
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Wenn es dann so weit ist, klappt es vielleicht auch
wieder mit einem richtigen Job. Zur Not wieder in
einer Werkstatt oder irgendwo als Ein-Euro-Jobber.
Aber bei bodo bleibe ich auf jeden Fall erstmal, auch
wenn ich wieder eine Wohnung habe. Meine Stamm-
kunden wollen schließlich ihre Zeitung. (sese)
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KULTUR | von Wolfgang Kienast | Foto: Claudia Siekarski
Karl-Lange-Straße, Hausnummer 53. Moana Köh-ring und Daniel Nipshagen sitzen entspannt in ihrem Büro auf dem Gelände des Kleingewerbe-gebiets in unmittelbarer Nähe zum Bochumer Stadion. Künstler haben sich hier niedergelas-sen, Handwerker und eine Kampfsportschule. Vis-à-vis befinden sich ein Friedhof und die Justizvollzugsanstalt. Die vielgestaltige Nach-barschaft gefällt den beiden führenden Köpfe der Kulturinitiative no-budget-arts. Sie fühlen sich wohl. Man sieht es auf den ersten Blick.
Vor etwas mehr als einem Jahr haben sie das neue
Domizil bezogen und damit ein nächstes Kapi-
tel ihrer Biografie als Künstler und Kulturanbieter
begonnen. Nipshagen erinnert sich an die Anfän-
ge. Ende der 90er Jahre wurde die Künstlergruppe
[no-budget-arts] von jungen, kreativen Menschen
gegründet, parallel zu Schule, Zivildienst oder Uni-
versität. „Gemeinsam sind wir stärker” lautete das
unverändert gültige Motto nahezu aller Newcomer.
Wie immer, wenn mehr Ideen vorhanden sind als
Geld. Jeder half jedem. Autoren schrieben Dreh-
bücher für Filmer, Musiker Songs für Regisseure.
Alle machten Party. Die ersten öffentlichen Auf-
tritte waren sensationell erfolgreich, sind Legen-
de in der Geschichte des Bochumer Undergrounds.
Kultur konstant mit ohne KohlePhase drei bei [no-budget-arts] in Bochum
12 RECHT | von Rechtsanwalt René Boyke
Inkassokosten: Wann darf was verlangt werden?
Wer schon einmal eine
Rechnung und die darauf
folgende Mahnung etwas zu lang hat liegen
lassen, der kennt das Phänomen: Ein Inkas-
sounternehmen treibt die Forderung ein und
verlangt zusätzlich Gebühren für die Eintrei-
bung – gerne mit Verweis auf noch höhere Kos-
ten, die bei weiteren Zahlungsverweigerungen
entstünden. Das ist der richtige Zeitpunkt, um
sich die Kostenaufstellung des Inkassounter-
nehmens ganz genau anzuschauen.
Dürfen die Inkassokosten überhaupt verlangt
werden? Dies ist grundsätzlich nur dann der
Fall, wenn Sie im Verzug sind. Verzug liegt bei
Verbrauchern aber nicht gleich bei jeder Zah-
lungsverspätung vor, sondern grundsätzlich
nur, wenn erstens die Zahlungsfrist abgelaufen
und zweitens erfolglos gemahnt worden ist.
Das heißt: Wer unmittelbar nach der Rechnung
bereits eine Mahnung mit Inkassogebühren
erhält, muss diese Gebühren nicht zahlen, da
noch kein Verzug vorliegt. Lediglich Mahnge-
bühren in Höhe von ca. fünf Euro wären ge-
rechtfertigt. Weiterhin müssen Inkassokosten
nicht ersetzt werden, wenn Sie vor Beauftra-
gung des Inkassounternehmens berechtigte
Einwände gegen die Forderung vortragen und
ganz eindeutig zu erkennen geben, dass Sie da-
her auf keinen Fall zahlen werden. Denn damit
wäre die Inkassoeintreibung sinnlos.
Aber in welcher Höhe dürfen Inkassokosten
verlangt werden? Oft werden solche Kosten,
die alternativ für einen Rechtsanwalt ange-
fallen wären, von Gerichten als angemessen
erachtet. Ein Beispiel: Schuldet man noch ei-
nen Betrag bis 300 Euro, dann dürfen Inkas-
sogebühren in Höhe von 53,55 Euro verlangt
werden. Bis 600 Euro sind es dann 96,39 Euro.
Alles, was darüber liegt, sollte kritisch hinter-
fragt werden.
Wer Forderungen geltend macht, der hat au-
ßerdem eine „Schadensminderungspflicht“.
Erscheinen Ihnen die Kosten künstlich aufge-
blasen, so liegt möglicherweise ein Verstoß
gegen diese Schadensminderungspflicht vor.
Dann haben Sie die Möglichkeit, gerichtlich
feststellen zu lassen, dass die Inkassogebüh-
ren um den Betrag X überhöht sind. Auf so eine
Klage will sich kein Gläubiger einlassen. Mit
dieser Verhandlungsposition haben Sie daher
gute Chancen, nun die gesamte Forderung wie-
der erheblich nach unten zu verhandeln. (rb)
www.kanzlei-boyke.de
13
Jeweils vierstellige Besucherzahlen konnten das
„Kaufhaus des Westens” im damals leerstehenden
Union-Kino und der „Bundespresseball” in der kurz
zuvor geräumten Brinkmann-Filiale verzeichnen.
Interne Grabenkämpfe allerdings blieben nicht aus.
Um langfristig gemeinsame Ziele zu formulieren,
war die Gruppe zu inkohärent, die Fluktuation ent-
sprechend hoch. Durchsetzen sollte sich eine Frakti-
on, die unter anderem einen Verein gründen und ein
festes Quartier beziehen wollte, um organisatorisch
optimiert arbeiten zu können. No-budget-arts bezog
den Bunker am Springerplatz (und war damit über
Jahre direkter Nachbar von bodo in Bochum).
Ein Name für den Ort war schnell gefunden: bastion.
„Dort begann die zweite Phase von no-budget-arts.
Wir waren in erster Linie als Veranstalter aktiv”, sagt
Nipshagen rückblickend. „Unsere Philosophie war,
Kultur so oft es geht zu einem sehr günstigen Preis
anzubieten, und das bei möglichst professionellen Be-
dingungen für die auftretenden Künstler.” „Und irgend-
wann ist man dann ausgebrannt”, ergänzt Köhring.
„Wir betrieben Selbstausbeutung weit jenseits der
Grenzen des Vernünftigen.” Der Veranstaltungsbetrieb
wurde 2007 eingestellt.
2010/11 erfolgte der Umzug an die Karl-Lange-Stra-
ße. Damit wurde Phase drei eingeläutet. Auch die
neuen Räume, in denen sich viele Elemente aus der
Bunker-Zeit finden lassen, können privat angemietet
werden. Öffentliche Veranstaltungen finden wieder
statt – aber nur sehr selten. Zeit, Geld und Lust
müssen vorhanden sein. Wenn alles stimmt, soll der
Eintritt frei sein. „Das wollen wir ganz bewusst aus
allen wirtschaftlichen Zusammenhängen losgelöst
halten”, erklärt Nipshagen.
In erster Linie aber soll die zu oft vernachlässigte
eigene künstlerische Arbeit wieder Raum bekom-
men. Im Jahr 2007 hatten Köhring und Nipshagen als
„Teenage Angst Ensemble“ ihre multimediale Perfor-
mance „Die Lichtung“ auf die Bühne gebracht. Die
Inszenierung, die eher assoziativ als narrativ unter-
hält, wurde gut angenommen. „Auf ganzer Linie über-
zeugend”, urteilte Deutschlandradio Kultur. Mit „Das
Haus” kann das Ensemble endlich den lang geplanten
Nachfolger präsentieren. Erneut wird der „geheim-
nisvolle Ermittler” mit einem mysteriösen Fall kon-
frontiert. „Es stimmt, wir haben eine gewisse Lust an
dunklen Themen. Das mag nicht immer leicht zu kon-
sumieren sein. Wir wünschen uns, dass die Leute mit
dem Gefühl nach Hause gehen ,das war jetzt heftig,
hat aber auch Spaß gemacht‘. Wobei ,Spaß‘ in diesem
Zusammenhang doch ein komischer Begriff ist.”
„Das Haus” wurde bereits für das offizielle Rahmen-
programm der diesjährigen Dokumenta nach Kassel
eingeladen. (wk)
INFO„Das Haus“, Dienstag, 3. April, 20 Uhr
Sissikingkong, Landwehrstr. 17, Dortmund
13WILDE KRÄUTER | von Wolfgang Kienast
hatte, die zumindest an übernatürliche
Kräfte grenzte, wie wir fanden.
Die Kombi von Kind und Spinat ist ein
heikles Unterfangen. Auch wir schoben
lieber Hunger, als grünen Matsch zu löf-
feln. Etwas anderes war es, wenn sie Spi-
nat aus Nesselblättern kochte. In freier
Natur mieden wir jeden Kontakt mit dem
fiesen Kraut, sie aber erntete es, Res-
pekt, und bereitete ein Essen, das keine
Pusteln an Lippe und Gaumen brachte.
Zunächst skeptisch, aßen wir fasziniert,
vergaßen für einen Tag unsere Aversion
gegenüber jeglicher Art von Spinat.
Inzwischen weiß ich, dass die Brenn-
nessel, von der es im Handwörterbuch
des deutschen Aberglaubens heißt, ein
Gericht aus am Gründonnerstag gesam-
melten Blättern beuge Geldmangel vor,
beinahe zu schade ist, „nur” verkocht zu
werden. Mein Vorschlag, versuchen Sie
Brennnesselklößchen im Wurzelgemüse-
bett: 75 g junge Brennnesselblätter und
-triebe waschen, 5 Minuten köcheln, aus-
drücken und fein hacken. Mit 75 g Mehl,
1 EL geriebenem Parmesan, etwas Salz,
weißem Pfeffer, geriebener Muskatnuss
und ggf. etwas Wasser zu einem Teig
kneten. Kirschgroße Klößchen formen
und in heißem Wasser ziehen lassen. Sie
sind gar, wenn sie an die Oberfläche stei-
gen. Dann 2 Möhren und 2 Pastinaken in
Scheiben schneiden und 10 Minuten im
Dämpfer garen. 1 Zwiebel würfeln, in Öl
und Butter anschwitzen. Das Gemüse zu-
geben, salzen, pfeffern (schwarz), noch
3 Minuten sautieren und mit dem Saft ei-
ner Zitrone ablöschen. In einer gebutter-
ten Auflaufform Klößchen und Gemüse
mischen, reichlich geriebenen Parmesan
über das Gericht streuen und bei etwa
200 Grad 15 Minuten überbacken.
Guten Appetit. (wk)
wildkraeuter.bodo/16_brennnessel/
Jedes Jahr im Frühling kroch unsere
Großmutter mit geschnittenen Weide-
kätzchenzweigen in die vier Ecken un-
seres Gartens, steckte sie über Kreuz in
den Boden, murmelte ein paar Sprüche
und Haus und Garten waren für das Jahr
gegen Blitz, Hagel und weitere Unwetter
geschützt. Die Reiser hatte sie zuvor, an
Palmsonntag, in der Kirche segnen lassen.
Für uns Kinder war dieses Ritual um eini-
ges spannender als alles, was sich sonst
und überhaupt um die Kirche abspielte.
Zauberei zieht immer. Legierungen aus
Christlichem und Heidnischem, wie sie
gerade zur Osterzeit offen zu Tage treten,
finde ich heute noch bemerkenswert.
Wir bedauerten, dass die Großmutter mit
Ausnahme der Palmzweige hinsichtlich
magischer Praktiken sehr prosaisch ein-
gestellt war. Knoblauch half bei ihr nicht
gegen Vampire, weil es Vampire nicht
gab, Schafe waren ihr keine Glücksbrin-
ger, schwarze Katzen, Windröschen oder
Dohlen kündeten kein Unheil an.
Die Dohle, ein sauschlaues Vogelvieh,
dem auch Konrad Lorenz etliche Ergebnis-
se seiner Verhaltensforschung verdankt,
machte der NABU zum Vogel des Jahres
2012. Die Kür des Kormorans (2010) hatte
einen erbittert geführten Glaubenskrieg
mit den Fischereiverbänden nach sich
gezogen. Nach dem unproblematischen
Gartenrotschwanz im vergangenen Jahr
also erneut ein Vogel, über den diverse
Vorurteile im Umlauf sind. Der Kulturfol-
ger, dessen Lebensraum in Städten und
Dörfern durch Sanierungsmaßnahmen an
Gebäuden immer enger wird, steht noch
heute bei abergläubischen Menschen
im Ruf, die Pest und andere schlimme
Krankheiten zu übertragen. Mumpitz, das
wusste auch Großmut-
ter, die dann doch
noch eine Sa-
che drauf
14
„Willkommen in Dortmund“. Das
erste Shooting startet direkt am
Dortmunder Hauptbahnhof.
»So ein Elend habe ich noch nirgendwo gesehen!«
DIE REPORTAGE | von Bianka Boyke | Fotos: Claudia Siekarski14
Der Countdown läuft weiter. Bereits vor Monaten wurde öfentlich, dass es einen neuen Tatort aus dem Ruhrgebiet geben wird. Erst wurde Dortmund als Stadt bekannt gegeben, dann ein Teil der Darsteller, und Anfang März wurde schließlich das gesamte Team – zunächst unter strengster Geheimhaltung des „vierten Mannes“ – einer großen Pres-semeute aus ganz NRW in Dortmund vorgestellt. Journalisten und vor allem Darsteller erwartete ein langer, langer Arbeitstag…
09:15 h Ich nähere mich vom Nordausgang dem Hauptbahnhof. Jetzt muss
ich mich beeilen. Claudia, unsere Fotografin, wartet schon auf mich. Um
9.30 Uhr soll die Pressekonferenz auf dem Bahnhofsvorplatz beginnen.
Als ich ankomme, ist sie schon in vollem Gange: Dunkle Menschentrauben
bewegen sich langsam immer wieder hin und her, verfolgen eifrig den künf-
tigen Tatort-Hautkommissar Jörg Hartmann alias Peter Faber.
Zwischen all den Kamerateams, Reportern und Fotografen kann ich Claudia
zunächst gar nicht entdecken. Wie ihre rund 30 (!) Fotografen-Kollegen
wird sie gerade von WDR-Fernsehspielchef Professor Gebhard Henke instru-
iert: „Zuerst können Sie gleich Fotos von Herrn Hartmann und Frau Schudt
hier am Hauptbahnhof machen (Fotomotiv 1: Willkommen in Dortmund).
Ich werde vor den Fotografen, der dran ist, ein weißes Blatt halten.“
Es dauert lange, bis der Tatort-Koordinator den Tagesablauf mit all seinen
Regeln erklärt hat. Alles ist durchorganisiert. Die ersten Kollegen sind
genervt. Dabei macht zum Beispiel der weiße Zettel durchaus Sinn. Denn
auch die Schauspieler sind informiert und schauen immer ganz brav Rich-
tung weißer Zettel – nach links, nach rechts, nach oben, nach unten. Bitte
lächeln, jetzt mal ernst oder auch ganz eng aneinander gekuschelt („Herr
Hartmann, jetzt mal richtig ran an die Frauen!“).
Gemischte Reaktionen bei den vorbeiziehenden Dortmundern: Während
sich vor allem die älteren Damen freuen, dass Jörg Hartmann noch bes-
15
Einweisung am Set „Das neue
Dortmund“. WDR-Fernsehspielchef
Professor Gebhard Henke ist Medi-
enprofi und sagt an, wo‘s lang geht.
Klischees vor Kulissen?Dortmund wird zum »Tatort«
15
ser aussieht als in den Zeitschriften, und ihre Männer bemerken, dass
Frau Schudt aber auch „ne ganz Hübsche“ sei, ärgern sich die jüngeren
Passanten über die vielen Menschen, die „unbedingt vor der Ampel
rumstehen müssen.“
10:00 h Ein Doppeldecker hält vor dem Hbf. Wir sollen einsteigen. Noch
sind wir im Zeitplan. „Fotografen nach oben!“, fordert ein WDR-Mitarbeiter
barsch. Unten sitzen die Darsteller und während der Busfahrt werden wei-
tere Interviews geführt. „Blitzlicht würde stören!“
10:05 h Auf zum ersten Halt: Phoenixsee. Vom Bahnhof geht es zunächst
über den Wall, dann über die B1 Richtung Schüren. Schüren? Schuld
ist „das ominöse Internet“. Es hat dem Kölner Busfahrer eine falsche
Straße ausgespuckt. Als einige Kollegen auf dem Umweg über Aplerbeck
am Schloss Rodenberg glauben, am Ziel zu sein, haben die Dortmunder
natürlich ihren Spaß.
10:35 h Ankunft. Wir hinken 15 Minuten hinterher. 15 Minuten, die
Aylin Tezel, die dritte Darstellerin, gemeinsam mit zwei Dortmunder
Polizisten beim „Fotomotiv 2: Das neue Dortmund“ gewartet hat. Lo-
cker begrüßt sie die Meute, die aus dem Bus hinunter zum See strömt.
Die Fotografen sind begeistert: „Habt ihr diese Grübchen gesehen?“,
schwärmen die männlichen Kollegen. Keine Zeit für derartige Gefühls-
ausbrüche. Professor Henke mahnt etwas zur Eile, stellt Schauspieler
und Fotografen an ihre Plätze: „Burg im Hintergrund, Darsteller davor,
Polizisten in die Wagentüren, bitte. Und: Mützen auf. Erst die Kollegen
mit Teleskop, dann die übrigen.“
Der WDR hat Erfahrung mit solchen Terminen, weiß die Pressemeute zu
bändigen und verlorene Schafe immer wieder schnell einzufangen. Die
Darsteller werden nicht aus den Augen gelassen. Der Zeitplan ist eng,
Interviews kommen später.
16
11:00 h Auf dem kurzen Weg zum Bus versuchen Kamerateams, Fotografen
und Reporter die Darsteller dennoch abzufangen, um ein paar exklusive
Bilder und O-Töne zu erhaschen. Verständlich, aber „keine Zeit“. An der
Kokerei Hansa (Fotomotiv 3: Dortmund – Stadt mit Industriegeschichte“)
wartet er schon: „Der vierte Mann“.
Den ganzen Morgen haben wir alle gerätselt. Was ist, wenn „Der vierte
Mann“ ganz feierlich enthüllt wird und keiner ihn erkennt? Während
der Busfahrt erfahren wir ein paar Details: „Er ist jung, Jahrgang 80,
hat in ,Knallhart' mitgespielt, … und heißt Stefan Konarske.“ „Gonas-
ke?“ „Nein. K-O-N-A-R-S-K-E.“ „Danke.“ Schnell holen die Kollegen ihre
Handys aus den Taschen, suchen im Internet eifrig nach Bildern und
rufen die Redaktionen an. Kaum jemand scheint den Nachwuchsschau-
spieler zu kennen. Schade. Mit dem großen Geheimnis, das der WDR
um den Berliner machte, hat man dem vierten Tatort-Kommissar leider
keinen Gefallen getan. Die im Vorhinein von vielen Kollegen angemel-
deten Interviews werden teilweise abgesagt. Die Erwartungen wurden
wohl zu hoch geschraubt. Als Stefan Konarske sich an der Kokerei Hansa
schließlich einfach unter die Meute mischt, statt offiziell vorgestellt zu
werden, ist die Spannung gänzlich verflogen.
Da stehen sie nun vor ihrem ersten Tatort: die vier neuen Gesetzeshüter
Dortmunds. Der prominente Jörg Hartmann, Bühnen-Profi Anna Schudt,
Nachwuchstalent Aylin Tezel und der fröhliche Weltenbummler Stefan Ko-
narske. Sie passen gut zusammen.
Weiter geht es – zum Hardenberg-City-Center. Dort warten nicht nur Ge-
tränke und ein kleines Buffet – natürlich mit Currywurst – auf die hungri-
gen Darsteller und Journalisten, sondern auch ein weiteres Fotoshooting
mit anschließendem Pressegespräch und Einzelinterviews. Weitere fünf (!)
Stunden Marathon – vor allem für die Darsteller.
»Keine Zeit!«Wir hinken 15 Minuten hinterher.
16
Rund dreißig Fotografen kommen
bei der mehrstündigen Tatort-Reise
voll auf ihre Kosten. Motive satt!
17
17
12:30 h Nach einem weiteren Fotoshooting (Fotomotiv 4: Über den Dä-
chern von Dortmund) beginnt das Pressegespräch. WDR-Intendantin Monika
Piel, Ullrich Sierau, Polizei-Chef Norbert Wesseler, Professor Gebhard
Henke, Produzentin Sonja Goslicki, Redakteur Frank Tönsmann sowie Dreh-
buchautor Jürgen Werner und Regisseur Thomas Jauch kommen zu Wort. Sie
freuen sich alle gemeinsam und hoffen – zumindest die Dortmunder – auf
Authentizität und wenig Klischees.
Ohnehin scheint das Wort „Klischee“ das meistgesagte des Tages. In jedem
Interview müssen Darsteller und Macher Rede und Antwort stehen. Doch
liest man die Rollenbeschreibung des Polizeioberkommissars Daniel Kossik
(Stefan Konarske), ist das auch nicht weiter verwunderlich. Dort heißt es
u.a.: „Anfang Dreißig. Stehplatz-Dauerkarte beim BVB, Hütte in der Lauben-
kolonie, Vater war unter Tage, der Bruder arbeitsloser Grubenarbeiter...“. Und
über Polizeioberkommissarin und Deutsch-Türkin Nora Dalay (Aylin Tezel)
steht in der Pressemappe: „Wohnt seit Jahren in der Dortmunder Nordstadt
und kämpft dort für bessere Lebensbedingungen.“
„Also: Wird im Dortmunder Tatort nur mit Klischees gespielt, oder wollen
Sie ein authentisches Dortmund präsentieren“, fragen wir den Münchner
Regisseur Thomas Jauch, der inzwischen in Hamburg lebt: „Ich habe mich
bereits am Borsigplatz umgeschaut, und da muss ich die Geschichten gar
nicht erfinden. Sie liegen auf der Straße. So ein Elend habe ich noch nir-
gendwo gesehen. Aber es gibt ja auch schöne Orte wie den Phönix-See oder
den Signal-Iduna-Park.“ (bb)
INFODie Arbeit am Tatort Dortmund beginnt gleich mit zwei Fällen: Ab Mitte März
stehen die Schauspieler für „Alter Ego“ vor der Kamera. Direkt im Anschluss
starten die Dreharbeiten für „Mein Revier“. Zwei Tatort-Folgen pro Jahr wer-
den künftig gedreht. Die TV-Premiere ist für Herbst 2012 geplant.
»Herr Hartmann, jetzt mal richtig ran an die Frauen!«
Wird hier das erste Mordopfer
gefunden? Die Kokerei Hansa als
Kulisse für das Fotomotiv „Stadt
mit Industriegeschichte“.
18
Alarm! Kriminalität steigt dramatisch!
Die Welt ist schlecht und es wird immer
schlimmer – so wird seit ihrer Erfindung auf
Verbrechensstatistiken reagiert, zuletzt auf
Dortmunds Polizeiliche Kriminalstatistik
(PKS) für das Jahr 2011.
2011 war das Jahr, in dem Dortmund die „Ekel-
häuser“ erfand, in dem „Bulgarenbanden“ ein-
fielen und in dem der Untergang des Abend-
landes nur durch Straßenprostitutionsverbot
und „Taskforce Nordstadt“ abgewendet wer-
den konnte. Eigentlich Grund genug, um nach
den Verbindungen von polizeilicher, gefühlter
und berichteter Wirklichkeit zu fragen.
Unstrittig ist: es gibt eine deutliche Zunah-
me von „reisender Eigentumskriminalität“
durch Gruppen, die gezielt Einbruchsdelikte
begehen. Und es gibt bei Diebstahldelikten
vor allem aus PKW einen deutlichen Anstieg.
Alles andere in der PKS bedarf der Deutung.
Der Anstieg von über 63 Prozent (!) bei „Be-
förderungserschleichungen“ heißt nicht,
dass es einen einzigen Schwarzfahrer mehr
gibt, sondern dass die Verkehrsbetriebe
groß in Überwachung investieren. Ähnli-
ches gilt für Rauschgiftdelikte, die um ver-
blüffende 20 Prozent stiegen. Würden nur
morgen früh flächendeckend Durchsuchun-
gen aller Schülerinnen und Schüler durchge-
führt, könnte die nächste PKS einen Anstieg
um mehrere Hundert Prozent melden: Bei
den Kontrolldelikten erscheint Kriminalität
vollends gemacht. Ihre Verfolgung erzeugt
statistisch Kriminalität.
In der Nordstadt konnte jeder sehen, wie die
„Taskforce“ erst die Drogenszene ignorierte
und stattdessen mit aggressivem Kontroll-
druck die Bulgaren von der Straße vertrieb
(und dabei Delikte sammelte). Als das er-
ledigt war, gerieten Dealer und Umschlag-
plätze wie Cafés und Kioske in den Fokus.
Nicht deren Zahl hatte sich geändert, son-
dern die der Ordnungshüter mit Zeit.
Apropos: Das Verbot der Straßenprostitu-
tion führte zu einem Anstieg der Sexual-
delikte um 57 Prozent. Auch das Erfinden
neuer Delikte macht Kriminalität.
Dies und viel mehr steht in der PKS. In der
Zeitung steht: „Fast 10 Prozent mehr Straf-
taten“. (bp)
NEWS | von Alexander Greif18 DER KOMMENTAR | von Bastian Pütter
Zwangsarbeit: Ausstellung in Dortmund
Bis zum 30. März gastierte die Wan-
derausstellung „Zwangsarbeit. Die
Deutschen, die Zwangsarbeiter und
der Krieg“ im Industriemuseum Ze-
che Zollern in Dortmund. Gezeigt
wurden zeitgenössische Dokumen-
te, Fotografien und insbesondere
Interviews mit Zeitzeugen. Mit
der Zeche Zollern wurde die Aus-
stellung zudem an einem Ort ge-
zeigt, der selbst Schauplatz dieses
Verbrechens gewesen ist. Initiiert
von der Stiftung EVZ, die sich mit
der Aufarbeitung von Zwangsarbeit
unter dem NS-Regime beschäftigt,
und erarbeitet von der Stiftung
Gedenkstätten Buchenwald und
Mittelbau-Dora, sollen mit der
Ausstellung das ganze Ausmaß
dieses Verbrechens dargestellt und
die Opfer und ihre Hinterbliebenen
gewürdigt werden. Dabei machte
die Ausstellung bereits im Jüdi-
schen Museum Berlin und, zum
70. Jahrestag des Überfalls auf
die Sowjetunion, in Moskau Stati-
on. Interessierte können auf www.
ausstellung-zwangsarbeit.org sowie
im Begleitband einen Teil der Ex-
ponate ansehen.
SKOTTS SEITENHIEB
Kulturloge Ruhr:Tickets für Bedürftige
Kultur auch für sozial Benachtei-
ligte. Mit diesem Ziel nahm die
Kulturloge Ruhr mit Sitz in Essen
im Jahr 2010 ihre Arbeit auf. Das
Prinzip hinter dieser Einrichtung
ist ähnlich dem der Tafel-Organi-
sationen: Einrichtungen aus dem
Bereich Kultur, beispielsweise
Kinos, Konzerthaus oder Theater,
spenden nicht verkaufte Tickets
an die Kulturloge. Diese werden
dann an bedürftige Interessen-
ten, deren Vorlieben und Wün-
sche zuvor erfasst wurden, ver-
mittelt. Die Idee dafür stammt
aus Marburg und verbreitete sich
rapide über die ganze Republik.
Auch in Bochum und Dortmund
wächst die Zahl an Kulturpart-
nern stetig: So haben unlängst
der Bahnhof Langendreer und
das Bergbaumuseum in Bochum
sowie in Dortmund das domicil,
das Konzerthaus und das Haren-
berg City Center ihre Unterstüt-
zung zugesagt. bodo ist gerne
Kooperationspartner und gibt
dieses Angebot an seine Verkäu-
fer weiter.
Armut weltweit:„Explore Poverty“ in der DASA
Armut weltweit – In Kooperation
mit renommierten Museen in Hel-
sinki, Minnesota und Luxemburg
hat die Deutsche Arbeitsschutz-
ausstellung DASA eine interak-
tive Online-Ausstellung namens
„Explore Poverty“ initiiert. Dem
Internet-User wird hier anhand
von 150 Bildern, Videos und Ob-
jekten aus den letzten drei Jahr-
hunderten der Begriff der Armut
erläutert, dies kostenlos und mit
besonderem Augenmerk auf die
verschiedenen Ausprägungen von
Armut in verschiedenen gesell-
schaftlichen Kontexten weltweit.
Aufgebaut ist die Seite wie eine
digitale Fotowand, über die man
mit der Maus navigieren kann.
Zehn Leitfragen ordnen die viel-
fältigen Dokumente inhaltlich
und geben Anstöße, sich wei-
tergehend mit dem Thema Armut
zu beschäftigen. Die Inhalte der
Seite können von allen Nutzern
über Facebook und Twitter geteilt
werden, zudem können Institu-
tionen mit Interesse kostenlos
selbst Inhalte zu der Ausstellung
hinzufügen.
19
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20 LESE
BUEHNE
Martha ist ihr Taufname, Marcy May wird sie in
der Landkommune genannt, die einen alter-
nativen Lebensentwurf zum bürgerlichen Le-
ben pflegt, der allerdings streng hierarchisch
geregelt ist und dessen Idylle trügt. Anfüh-
rer Patrick, so charismatisch wie bedrohlich
wirkend, hat überdurchschnittlich viele junge
Frauen unter seinen Anhänger-Innen.
Als Martha nach zwei Jahren der plötzlichen
Abwesenheit wieder bei ihrer Familie auf-
taucht und von ihrer älteren Schwester Lucy
und ihrem Mann Ted aufgenommen wird,
kommen diese erst Stück für Stück dahinter,
wo und wie Martha gelebt hat, bis sie ge-
flohen ist. Fest steht, dass sie Verstörendes
erlebt haben muss und sich in dem abgele-
genen Haus der beiden immer noch bedroht
fühlt. Dazu kommt, dass sie mit Teds bürger-
licher Sichtweise nicht klarkommt. Die Span-
nungen steigen, Marthas Traumatisierung
zeigt sich mehr und mehr, ihre Erinnerungen
brechen in die Gegenwart ein.
Für seinen Regie- und Autoren-Erstling wur-
de Sean Durkin nicht nur mit dem Preis für
die beste Regie beim Sundance Filmfestival,
sondern auch mit einer begeisterten US-Kri-
tik und vielen Best-of-2011-Platzierungen
belohnt. In Cannes erhielt der Film den Prix
de la Jeunesse für sein scharfsinnig konstru-
iertes und elegant inszeniertes Psychothril-
ler-Kunstwerk. Der Filmtitel ist durch die
Songs Jackson C. Franks inspiriert, dessen
bewegende Musik den Film begleitet.
Do 12.04. bis Mi 18.04. um 19.15 Uhr
Do 19.04. bis Mi 25.04. um 21 Uhr
(außer So 22.04. und Mo 23.04.)
Endstation Kino im Bahnhof Langendreer
Wallbaumweg 108, 44894 Bochum
Telefon 0234 – 68 71 620
www.endstation-kino.de
endstation.kino & bodo präsentieren:Martha Marcy May Marlene
20 KINOTIPP | von endstation.kino
Aus den tiefen Wirren der Straßenschluchten | verworrene Wege verknotet und
eng umschlungen um Häuser gebunden, | da klettert es langsam zu mir herauf |
ist erst ganz leise – und dann ganz laut. | Dumpf wummernde, stumpf häm-
mernde, stumm stampfende... | Erinnerungen an weit entfernte Tage.
Es wird wieder Zeit – rufst du | Zeit auszuufern, zu zweit ein bisschen Streit
zu suchen | In den tiefen Wirren der Straßenschluchten | Wo auf verworrenem
Wege ein Freund nach dir ruft: „Komm raus, mein Freund, und spiel mit mir, |
Komm raus und spiel mit mir ein Spiel. | Es heißt Bordsteinrebellen.“
Wir verlassen die begrenzte Welt der Dielenböden, | Unsere Häuser sind nur
Winterhöhlen in denen wir uns verstecken. | Doch ab jetzt da balancieren wir
behäbig über Bordsteinkanten | wanken wacker, leicht betrunken, torkelnd durch
die Straßen | tanzen Limbo unter Schranken, weils verboten ist und Spaß macht.
Doch zunächst mal müssen wir trinken | Denn wer nicht trinkt mein Freund der
stirbt | Drum lass uns eine Bude finden | Bevors die Laune uns verdirbt |
Und wir ziehen von Bude zu Bude zu Bude | Sind Bruder und Schwester im Geis-
te | Es ist wie ein – buddhistischer Kreuzzug.
Und so schweben wir dem Kiosk entgegen | Rufen – Gib uns all dein Bier! | Denn
wir sind Bordsteinrebellen, und retten die Welt. | – Zumindest so ein bisschen – |
Also sei uns behilflich, sei man netten | und gib uns so ein zwei Kistchen.
Bewaffnet mit ein bisschen zu viel Übermut | aber definitiv zu viel Bier ziehen
wir los in die Schlacht | Trotten Träge über den Trottoir und sind einfach nur
da | Wir sind da – und ja man soll uns sehn | wie wir stolz durch die Straßen
ziehen | über den lauwarmen, tauarmen Teer.
Wir verzehren uns, zerren uns gegenseitig durch die Welt | die scheinbar nichts
mehr zusammen hält außer dieses Licht welches wir so vermisst haben | Wir
tapezieren die Wände der Stadt mit der Sonne | Und beginnen den Kampf um
ein schattiges Plätzchen im Park.
Es ist Frühling und wir sind auf der Straße | Wir spielen Bordsteinrebellen –
Weil Rebellen die beißen nicht. | Schauen blinzelnd zur Sonne und im gleißen-
den Frühlingslicht | klettert es langsam zu uns herab.
In die tiefen Wirren der Straßenschluchten | wo wir durch verworrene Wege
verknotet | und eng umschlungen um Häuser gebunden, | ein Gedicht über
unsere Liebe summen | erst ganz leise – und dann ganz laut.
„Frühling bläst einen lauen Beat | Wieder flattern durch die Lüfte; | Süße,
wohlbekannte Düfte | Streifen ahnungsvoll das Land. | Ein Liedchen, träum ich
| Werde bald schon kommen. | Horch, von fern ein leiser Ton! | Frühling, ja Du
bist ‘s! | Dich hab’ ich vernommen!“
LESEBÜHNE | von Rainer Holl
Vom Papier vor‘s Mikrofon auf´s Papier. In unserer Kolumne präsentieren
wir Texte der lebendigen Poetry-Slam- und Lesebühnenszene der Region.
Diesmal: Rainer Holl.
INFO
Rainer Holl ist Autor, Automatopoet, Medienkünstler, Poetry-
Slammer, Preisträger des LesArt-Preises für junge Literatur
2010 und Mitglied der Dortmunder Lesebühne Schreibgut.
www.automatopoesie.de
Bordsteinrebellen
21
VERANSTALTUNGEN APRIL 2012 | VERLOSUNGEN | CD-TIPPS | zusammengestellt von Benedikt von Randow 21
Auch diesmal gibt es wieder Karten für tolle Veranstaltungen und Bücher zu gewinnen.Senden Sie uns eine Email mit dem Betreff „bodo-Verlosung“ und der Angabe Ihres Wunschgewinns an:
[email protected] schicken Sie uns eine frankierte Postkarte mit Ihrem Wunsch, Absender und Telefonnummer an:
bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund
Unter allen Emails und eingesandten Postkarten entscheidet das Losverfahren.
Alle Gewinner werden rechtzeitig telefonisch oder per Email benachrichtigt.
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsendeschluss für Veranstaltungen ist jeweils zwei Werktage vor dem Termin.Einsendeschluss für terminunabhängige Verlosungen ist der 25.4.2012
23.04. | Tucson Songs on Tour | FZW, Dortmund | 3 x 2 Karten
24.04. | Movits! | Bahnhof Langendreer, Bochum | 3 x 2 Karten
27.04. | Drei Worte nur... | Theater im Depot, Dortmund | 3 x 2 Karten
28.04. | Rock in den Ruinen | Phoenix West, Dortmund, 3 x 2 Karten
28.04. | Der Meister und Margarita | Schauspielhaus, Dortmund | 3 x 2 Karten
12. – 25.04. | Martha Marcy May Marlene | endstation.kino, Bochum | 1 x 2 Karten
Hause | DERHANK | 3 Exemplare
Bullerbüdchen | Hattinger Straße 80, 44789 Bochum |
Ein großes Frühstück für zwei mit Kaffee und einer Piccolo-Flasche Sekt
Viel Glück, wünscht Ihr bodo-Team!
Rock in den Ruinenmit Saxon, Phillip Boa, Killing Joke u.a.
Samstag, 28. April ab 12 UhrPhoenix West Areal Dortmund
bodo verlost 3 x 2 Karten
22
DO 05 | 04 | 12
Lesung | Oliver Uschmann
Outdooraktivisten und Überlebenskünstler wissen es na-
türlich schon längst: Wer da draußen, in freier Wildbahn
nicht untergehen will, der muss die Wildnis verstehen.
Dass diese Einsicht auch dort gilt, wo die Wildnis nur ein
Reservat ist, ein kontrollierter Ausnahmezustand, be-
weist Oliver Uschmann mit seinem neuen Buch „Überle-
ben auf Festivals“. Uschmann weiß, worüber er schreibt.
Lange Jahre hat er als Musikjournalist (u.a. für VISIONS)
gearbeitet. In der Parallelwelt Musik-Festival kennt er
sich aus wie in der eigenen Westentasche. Er weiß um
die eigenen Gesetze, die dort herrschen, kennt die Ri-
tuale und ist in der Lage, nachvollziehbar zu erklären,
wie Besucher und Musiker zu Gattungen werden, die ein
neugieriger Erforscher des Urwalds auf Zeit beobachten
und kategorisieren kann.
Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr
Musik | Hannes Weyland
„Blutjunges Landei mit Gitarre strandet an seinem ers-
ten Großstadt-Abend in der Hafenkneipe.“ So fangen
eigentlich eher tragische Geschichten an. Für Hannes
Weyland aber war jener erste Abend im subrosa der Be-
ginn einer wunderbaren Freundschaft zur Nordstadt-Mu-
sikszene. Nach vielen Auftritten dort und einer eigenen
Konzertreihe, dem Bonsai-Festival „3-klang“, kommt
Hannes Weyland nun sozusagen wieder nach Hause: Mit
dem Release-Konzert zu seinem Debüt-Album samt neuer
Band und Claudia Rudek, Murat Kayi & Guntmar Feuer-
stein. Mit einer vollkommenen Unbefangenheit lässt der
eigentlich in der Rapmusik verwurzelte Songwriter Asso-
ziationen zum Folkpop der 70er Jahre zu.
Subrosa, Dortmund, 19.30 Uhr
Theater | Carole King. Queen Of The Beach
Ihre Songs kennen wir alle, doch kaum jemand kennt ih-
ren Namen. Zusammen mit ihrem Mann, dem Texter Ger-
ry Goffin, schrieb Carole King Musikgeschichte: Lieder
wie „Natural Woman“, „Will you love me tomorrow“ und
„You’ve got a friend“ stammen aus ihrer Feder und blei-
ben wie Kings spätere LP „Tapestry“ unvergesslich. Erst
17 Jahre war sie alt, als sie auf dem College in Brooklyn
begann, Songs zu komponieren. Dort traf sie Gerry Goffin
und das junge Paar wurde zu einem der erfolgreichsten
Songwriter-Duos der 1960er Jahre. Das Paar Katharina
Linder und Michael Sideris wird die Lieder der beiden neu
interpretieren und als bitter-süße Geschichte über die
Liebe und das Leben erzählen.
Kammerspiele, Bochum, 19.30 Uhr (auch 20.04.)
MO 09 | 04 | 12
Kleinkunst | Die Tagebücher von Adam und Eva
„Was Gott gebunden, das soll der Mensch nicht tren-
nen“, lautet ein altes Sprichwort. Allerdings hat sich
die Spezies Mensch noch nie sonderlich an Gottes Ge-
bote gehalten. Sorgfältig getrennt in die Gattungen
„Mann“ und „Frau“ banden sich diese trotz des Gebotes.
So nahm das Elend seinen Lauf. Und wir als die Nach-
fahren Adam und Evas stehen erschrocken in unseren
Leben herum und fragen ratlos: Was ist damals wohl
passiert? Endlich gibt es auf diese Frage eine Antwort:
Die Tagebücher von Adam und Eva. Das Original, er-
funden und entdeckt von Mark Twain höchstpersönlich.
Vorgetragen wird dieses Zeugnis von ebenfalls lebens-
erfahrenen Interpretinnen: Tirzah Haase, Schauspiele-
rin und Sängerin, sowie Uta Rotermund, Kabarettistin,
Schauspielerin und Autorin.
Fletch Bizzel, Dortmund, 15 Uhr
01 | 04 | 12 Nina Hagen
22 VERANSTALTUNGEN APRIL 2012
05 | 04 | 12 Carole King. Queen Of The Beach
SO 01 | 04 | 12
Musik | Nina Hagen
Ihr erstes deutschsprachiges Album seit 1995,
ergänzt um die großen Erfolge von einst („Auf’m
Bahnhof Zoo“, „TV-Glotzer“, „Unbeschreiblich
weiblich„), bringt Nina Hagen nun wieder auf die
Bühne. Und wer jemals das Glück hatte, die schräg-
geniale Musikerin live zu erleben, weiß, dass das im-
mer ein extravagantes Erlebnis ist. „Volksbeat“ heißt
ihre aktuelle Platte mit Songs und Texten von Wolf
Biermann, Bertolt Brecht, Bob Dylan und Martin Lu-
ther King. „Die Scheibe ist 70s-lastig, beeinflusst von
der Musik, die mich schon damals inspiriert hat zum
Zusammenhalt, zur Solidarität mit allen anderen Men-
schen, die auch in Frieden und Freiheit leben wollen“,
betont Nina Hagen (56), die vor 25 Jahren übrigens
auch ein Ufo über Malibu gesehen haben soll.
Zeche, Bochum, 20 Uhr
DI 03 | 04 | 12
Lesung | Und ich dachte, es sei Liebe
Was tun, wenn es aus ist? Zu den zeitlosen Ritualen, sich
vom Geliebten zu lösen, gehört der Abschiedsbrief – ein
Klassiker seines Genres, so alt wie die Liebe selbst. Sibylle
Berg hat quer durch die Zeiten solche Briefe von Frauen
gesammelt. Die vielseitige Schauspielerin Hannelore Ho-
ger ist zu Gast in den Kammerspielen und liest gefühlvoll
und verzweifelt, sarkastisch und sanft die Worte aus Wut
und Trauer, bangender tiefer Liebe und Hoffnung. Die Le-
sung begleitet musikalisch der Pianist Siegfried Gerlich.
Kammerspiele, Bochum, 20 Uhr
MI 04 | 04 | 12
Musik | Morgan Finlay
Singer-Songwriter Morgan Finlay ist ein weltoffener Mu-
siker mit kanadischen Wurzeln. Mit poetisch starken Tex-
ten und seinem vielschichtigen Indie-Rock begeistert er
Fans europaweit. Seine Stimme, oft verglichen mit Bruce
Cockburn oder Jeff Buckley, wird ergänzt durch die mu-
sikalischen Talente von Gitarrist Dean Drouillard, Cellist
Mike Olsen und Bassist Marlow Holder.
Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr
VIOLETTA PARISINI | Open Secrets (Emarcy / Universal)
Die österreichische Musikerin Violetta Parisini gehört zu den starken Frauen, die ihre Stimme nicht einem
dicken Housebeat unterwerfen und von einem Rapper anpeitschen lassen. Hier wird leicht artifiziell, aber
trotzdem poppig, wenig ausgeschmückt einer Art Singer-Songwriter-Musik gefrönt, die man vielleicht als
NuPop bezeichnen könnte. Künstlerinnen wie Soko, Lisa Mitchell, Boy und Eliza Doolittle kann man da
durchaus vergleichend erwähnen. Violetta Parisini unterwirft sich nicht dem Perfektions-Diktat, sondern
macht einfach ihre Musik und erzählt darüber, was ihr am Herzen liegt: „Wir müssen alle toll ausschauen,
funktionieren, gesellschaftsfähig und im Idealfall auch glücklich sein. Ich weiß, mich macht Musik glücklich.
Trauer, Depression und Wut muss ich ausdrücken, bevor es wieder gut wird. Mit Musik geht das am besten.“
Dabei setzt sie nicht auf überbordende musikalische Arrangements, sondern auf Klarheit und Einfachheit.
Im Zentrum stehen auf ihrem zweiten Album das Klavier und ihre Stimme irgendwo zwischen Gesang und
Poetry-Slam, die ebenso sanft wie rau klingen kann. Und textlich geht es der 31jährigen Autodidaktin um
das Streben und die Sehnsucht nach dem ganz individuellen Glück. Wer sucht das nicht? (BvR)
CD-TIPP
23
DI 10 | 04 | 12
Musik | Rocky Votolato
Rocky Votolato - er trägt einen Namen, der fast zu künst-
lich klingt, um wahr zu sein. Besonders für eine Person,
die aus einem texanischen Nest mit 650 Einwohnern
stammt. Doch er ist wahr - was uns zwei Dinge über Ro-
cky Votolato verrät: Seine italienischen Wurzeln und die
Originalität seines Vaters, der bei seiner Geburt 1978 auf
einer Ranch arbeitet und ein begeisterter Motorradfah-
rer ist. Seine Musik bewegt sich im entspannten Ame-
ricana-Songwriter, das schwer an Bonnie Prince Billys
countryeske Ausflüge erinnert, fast positive Vibes ver-
breitet und insgesamt die Stimmung einer beschwingten
Veranda-Grillparty mit viel Wein und alten Geschichten
rüberbringt. Perfektes Songwriting mit viel Gefühl und
Qualität. Support: Victor Villarreal und mOck.
FZW, Dortmund, 20 Uhr
FR 13 | 04 | 12
Musik | Stephan-Max Wirth
Der süddeutsche Saxofonist Stephan-Max Wirth wid-
met sich der Musik von Alice Coltrane. Nonkonformis-
tisch durchkreuzte sie in den 70er Jahren die klare
männliche Linie der Improvisationskunst und ent-
wickelte die Musik ihres verstorbenen Mannes John
Coltrane auf ihre eigene Art weiter. Wirths Album
„Multiple Pulse“ geht über ein reines „Tribute-to“ hin-
aus: Es ist eine sehr persönliche Hommage an Musik,
Geist und Freiheitsbegriff der Künstlerin.
domicil, Dortmund, 21 Uhr
SA 14 | 04 | 12
Kabarett | Jürgen Bangert
Jürgen Bangert wusste bis vor einem Jahr nicht mal, was
er so alles über den Tag gegessen hat. Okay, vielleicht
wusste er es noch, aber es hätte viel zu lange gedauert,
das alles aufzuzählen. Wenn er davon sprach, „dick im
Geschäft zu sein“, war damit eher gemeint, er war der
Dicke im Geschäft. Doch das ist jetzt vorbei. „Nimm‘s
light... Ich weiß, was Du letzten Sommer gegessen hast!“
So heiß das aktuelle Programm des Fitness-Zampanos.
Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr
Kindertheater | Die Abenteuer des Rüdiger Sommerwind
Rüdiger Sommerwind plant gerade eine neue Reise: Nach
Afrika will er. Es könnte natürlich geschehen, dass das
Fahrgeld nicht ausreicht und Rüdiger nur bis Bad Tölz
kommt. Egal, dort leben ja auch so gefährliche Tiere wie
Wildkaninchen, Raubmäuse und Murmeltiger. Schnell
noch die Raubtierfangkleidung angezogen, und schon
beginnt die Jagd. Der Abenteurer Rüdiger Sommerwind
steht in direktem Dialog mit seinen Zuschauern und
nicht nur die daraus entstehende Situationskomik über-
zeugt. Darüber hinaus überrascht auch das wandelbare
Bühnenbild. Blitzschnell wird aus der schlichten Kiste
der Bahnhof, die Eisenbahn, der Urwald oder das Flug-
zeug. Ein Theaterstück für Kinder ab 4 Jahren.
HalloDu-Theater, Bochum, 16 Uhr
DO 19 | 04 | 12
Lesung | Frank Goosen
Frank Goosen liest aus seinem neuen Roman „Som-
merfest“. Just an dem Wochenende, als die Sperrung
der A40 zum kulturellen Ereignis wird, muss Stefan
zurück nach Bochum, um das Haus seiner Eltern zu
verkaufen. Zwischen Schrebergarten und Selterbude
trifft er all die kuriosen Gestalten wieder, mit denen
05 | 04 | 12 Oliver Uschmann 19 | 04 | 12 La Kinky Beat10 | 04 | 12 Rocky Votolato
er aufgewachsen ist. Und Charlie, Sandkastenfreundin
und Jugendliebe. Keine Frau kennt Stefan so gut –
und wegen keiner Frau ist er so viele Jahre einem Ort
ferngeblieben.
Werkstadt, Witten, 20 Uhr
Musik | La Kinky Beat
La Kinky Beat sind wohl die zurzeit innovativste
Band Barcelonas. Mit ihrem besonderen Stil und ihrer
druckvollen Liveshow haben sie die Schublade „Mesti-
zo“ gesprengt. Ihre erste Platte „Made in Barna“ zeig-
te die eher wilde Seite des Mestizo, mit Einflüssen aus
Rocksteady, Reggae und Punk, gepaart mit groovigen
Elementen und catchy Popstrukturen. Diese Band ist
immer wieder für eine Überraschung gut. Ihr aktuelles
Album „Massive Underground“ überrascht mit fettem
Dubsound und rockt wieder verstärkt mit Drum‘n‘Bass
und elektronischen World-Beats.
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
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24
Mischmasch | Mordwärts – Faszination Schwedenkrimi
Von Sjöwall/Wahlöö bis Stieg Larsson haben schwe-
dische Krimis Deutschland erobert. Die Autoren
sind so erfolgreich, dass sie sogar ein neues Genre
geschaffen haben: den Schwedenkrimi. Warum aber
sind die Schwedenkrimis in Deutschland so beliebt?
Was für ein Bild von Schweden vermitteln sie? Prä-
gen nun vor allem düstere Wälder, soziale Probleme und
Psychopathen das Schwedenbild der Deutschen? Ist Pip-
pi Langstrumpf durch Lisbeth Salander ersetzt worden?
Zusammen mit Alexandra Hagenguth, Schwedenkrimi-
Kennerin und Redakteurin der Homepage „schweden-
krimi.de“, werden diese Themen in Augenschein genom-
men. Es wird Zeit, „mordwärts“ zu blicken.
Auslandsgesellschaft NRW e.V., Dortmund, 19.30 Uhr
Film | Frauenfilmfestival: Forbidden
Vom 17. bis 22. April findet das Internationale Frauen-
filmfestival in Köln statt, nach wie vor eines der wich-
tigsten Foren für weibliches Filmschaffen weltweit. Wer
den Weg nach Köln nicht auf sich nehmen will, muss auf
das Festival trotzdem nicht verzichten. „Forbidden“ ist
ein Akt des Ungehorsams. Am 25.01. 2011, dem ersten
Tag der Massenproteste in Ägypten, fertiggestellt, be-
fasst sich der Film mit Verboten, die im Zusammenhang
mit den Notstandsgesetzen erlassen wurden. Das Überle-
ben schien nicht möglich, folgte man den Regeln, daher
haben die Menschen jeden Tag Verbotenes getan. Ramsis
und Gleichgesinnte gingen noch einen Schritt weiter, sie
haben ihren Ungehorsam laut und deutlich in die Kamera
gesprochen. www.frauenfilmfestival.eu.
RWE Forum / Kino im U, Dortmund, 19.30 Uhr
FR 20 | 04 | 12
Comedy | Mia Pittroff
Mia Pittroff wurde in Bayreuth geboren und verlebte
dort eine glückliche und co2-haltige Kindheit an der
Autobahnausfahrt. Mit ihrem fränkischen Zungen-
schlag redet und singt sie sich in ihrem Programm
„Mein Laminat, die Sabine und ich“ zwei Stunden um
Kopf und Kragen. Humor, trocken wie Heizungsluft,
gute Beobachtungen und wunderbar groteske Bilder,
das sind die Markenzeichen von Mia Pittroff, der frü-
heren Poetry-Slamerin, die 2011 gleich vier Kabarett-
Preise einheimste. „Wie der frühe Polt. Nur weiblich
halt und hübscher!“ (Ein begeisterter Fan)
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
SA 21 | 04 | 12
Kunst | Offene Ateliers Dortmund
Erstmalig öffnen in ganz Dortmund an 106 Standorten
Künstler unterschiedlichster Kunstsparten sowie acht
Galerien ihre Türen. Für den Start rechnen die Initi-
atoren Axel Schöber, Rita-Maria Schwalgin und Tanja
Melina Moszyk mit 180 professionellen Kreativen, die
ein Wochenende lang ihre Produktionsstätten öffnen
werden: „Kunst braucht Freiräume.“ Zudem erscheint
ein Katalog, prall gefüllt mit Informationen, Kontakt-
daten, Portrait und Werkbeispiel je Teilnehmer und
ein Flyer zur individuellen Routenplanung. Mehr Infos
und Planungshilfe gibt‘s unter www.offene-ateliers-
dortmund.de. Der Eintritt ist frei.
106 Orte, Dortmund, 15 – 22 Uhr (auch 22.4. 11 – 18 Uhr)
SO 22 | 04 | 12
Film | Der goldene Zweig
Noch nie wurde ein Text des indisch-britischen Autors
Salman Rushdie verfilmt. Schon diese Tatsache macht
den 25minütigen Kurzfilm von Drehbuchautor und Re-
gisseur Matthias Zucker bemerkenswert. „Der goldene
Zweig“ erzählt nach der gleichnamigen Shortstory Rush-
dies die Geschichte von David Gularski, der verzweifelt
einen neuen Job sucht. Nach monatelanger erfolgloser
Suche wird ihm klar, dass alle Bewerbungsgespräche
stets von der gleichen Person geführt werden, die offen-
sichtlich nur dazu da ist, ihn abzulehnen. Gularski ent-
scheidet, dass nur noch drastische Maßnahmen helfen
können. Die Darsteller sind überwiegend als Schauspie-
24 VERANSTALTUNGEN APRIL 2012
20 | 04 | 12 Mia Pittroff 22 | 04 | 12 Der goldene Zweig
THE BLACK SEEDS | Dust and Dirt ( Proville / Indigo)
So abwechslungsreich kann also Reggae sein. Tituliert als „eine der besten Reggae-Bands auf dem Planeten“
(Clash-Mag, UK) präsentieren sich die Neuseeländer nun noch vielseitiger also sonst schon. Elemente aus Funk,
Rock, Afro-Beat, Elektro, Pop, Disco und Soul werden produktiv genutzt zur Bereicherung des Basissounds:
Reggae, Dub und Ska. Man hört den Jungs an, dass sie sich mit Gründung ihres ganz eigenen Labels wohl
endgültig freigespielt haben. Das Ganze erinnert schon unweigerlich an Fat Freddy‘s Drop, die ebenfalls in
Wellington „ihr Unwesen treiben“ und sich von Nichts und Niemanden in ihrem musikalischen Schaffen reinre-
den lassen. Fat Freddy‘s Drop ist vielleicht noch ein bisschen abgefahrener, abgehobener, origineller. Aber The
Black Seeds spielen schon in einer sehr ähnlichen Liga. Mal hören sie sich trippig an wie Massive Attack zu ihren
besten Zeiten, mal fröhlich, locker und funky, um dann wieder mit einer rockigen Gitarre einen ganz frischen
Akzent zu setzen. Das hier ist definitiv kein einschläfernder, tausendmal gehörter Roots-Reggae. Hier wird der
Reggae nicht zum Verstauben in einen Schrein gestellt, um ihm andachtsvoll zu huldigen. Hier wird modern
und zeitlos, voller verschiedenster Stilelemente der Spaß am Reggae zelebriert. (BvR)
CD-TIPP
ler der Bochumer Theaterszene bekannt und spielen oder
spielten sowohl am Schauspielhaus Bochum wie auch am
Rottstr5-Theater und am Prinz Regent Theater.
Metropolis Kino, Bochum, 12 Uhr
MO 23 | 04 | 12
BODO VERLOSUNG | Tucson Songs on Tour
Für Musik-Experten ist Tucson als Heimat von Calexico
und Giant Sand längst ein Begriff. Eins der bestgehüteten
Geheimnisse der US-amerikanischen Indie-Szene aber ist
die Vielfalt und Qualität, die sich im Süden von Arizona
entwickelt hat. „Wenn man
die ,Tucson Songs‘ hört, weiß
man gleich nach dem ers-
ten Ton, dass man sich ganz
bestimmt nicht an der Cote
d‘Azur oder am Eifelturm
aufhält. Man hat eher das Gefühl, im Soundtrack eines
Westerns von Quentin Tarantino zu sein: Gitarren, die in
der Wüste über den Sand surfen, prägen das Klangbild.
Im weiteren Verlauf der Platte begegnen einem Country-
billy, Morricone-inspirierte Soundlandschaften, Desert-
Chansons, Songwriter-Pop, Ami-Folk und Indie-Gitarren-
sounds.“ (Aus der bodo-CD-Besprechung). Mit dabei an
diesem Konzertabend: Sergio Mendoza Y La Orkesta, Brian
Lopez, Marianne Dissard und Andrew Collberg Tucson.
FZW, Dortmund, 20.30 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
DI 24 | 04 | 12
Theater | Waisen
Ein Stück „über das, was hier und jetzt passiert“ und
über das, „woran man glaubt“, wollte der britische Dra-
25
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26
matiker Dennis Kelly schreiben – und hat mit „Wai-
sen“ direkt ins Herz geschossen. Unter dem Motto
„Schauspiel gegen Rechts“ präsentieren das Theater
Dortmund und ver.di dieses intensive Theaterstück.
„Hingehen, auch wenn‘s wehtut. Die neue Inszenie-
rung im ehemaligen Dortmunder Museum am Ostwall
ist ein so schmerzhaft intensiver Theaterabend, dass
man ihn gesehen haben muss. ,Waisen‘ erzählt letztlich
von Gewalt, die gleich bei uns nebenan aus Hoffnungs-
losigkeit und Fremdenhass entsteht. Daran hat man zu
schlucken. Ebenso wie an der Tatsache, dass Kay Voges
die Originaltexte geändert hat, die Brückstraße als Tat-
ort und die Nordstadt als Wohngegend nennen lässt. Ak-
tueller kann Theater kaum sein. Das Stück ist ein Genie-
streich, die Dortmunder Inszenierung aber auch.“ (RN)
Harenberg City Center, Dortmund, 19.30 Uhr
BODO VERLOSUNG | Movits!
Es ist noch gar nicht so lange her, da mischte ein wil-
der Bastard aus klassischem Swing, Jazz und elektro-
nischer Musik die Pariser Szene auf;
Horden junger Produzenten und Bands
versuchten sich an dem, was jetzt als
Electro-Swing durch die Clubs der Welt
gereicht wird. So auch ein Brüderpaar
aus Schweden, das – begeistert von
den heißen Klängen der Zwanziger Jah-
re und sozialisiert durch moderne Mu-
sik aus den Clubs – mit einem Freund die Movits! grün-
dete. Bekannt wurden die Movits! durch ihr Debüt-Album
„Äppelknyckarjazz“ („Äpfel-Klauer-Jazz“) mit seinem
aberwitzigen Mix aus Swing, Bebop, Electro und Pop.
Hochmusikalisch und unwiderstehlich griffig entfesseln
die Movits! ein Tanzfest, welches von Jazz-Liebhabern
genauso begeistert gefeiert wird wie von den Jüngern
moderner elektronischer Musik.
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
MI 25 | 04 | 12
Kleinkunst | Gunzi Heil
Er ist blond – dafür kann er nichts, aber er ist auch Musi-
ker, Liedermacher, Kabarettist, Parodist, Puppenspieler
und am allerliebsten alles gleichzeitig, „kabarettisti-
sche Allzweckwaffe“, „rotzfrech und blitzgescheit“, „ein
kultureller Belebungsfaktor schönster Güte“ urteilte die
Presse über Gunzi Heil. Denn wenn der semmelblonde
Schlacks auspackt, dann gibt er nicht nur in den Puppen
„voll Stoff“ und schont dabei keinen, am wenigsten sich
selbst. Gunzi wildert sprunghaft längseits querwärts
durch Musik, Literatur, Film, Fernsehen und schüttet
den Setzkasten des daily zapping über die Tasten. In
seinen Liedern und Texten hört man höchstes Kulturgut
klangstark, hochachtungsvoll und kopfüber in den Gulli
rauschen, völlig ohne Klärwerke. Das aktuelle Programm
des Tegtmeier-Finalisten 2011 heißt denn auch – Nomen
est Omen – „Der Musengau“.
Flottmann-Hallen, Herne, 20 Uhr
DO 26 | 04 | 12
Musik | Tomasz Stanko
Der polnische Trompeter Tomasz Stanko zählt seit Jahr-
zehnten zu den Größen des europäischen Jazz. Mit „Dark
Eyes“ und in junger polnisch-skandinavischer Besetzung
bringt er seine melancholische slawische Seele abermals
in faszinierenden neuen Kompositionen zum Ausdruck.
Der Bandname bezieht sich auf ein Gemälde von Oskar
Kokoschka (The Dark Eyes of Martha Hirsch), neu in-
terpretiert werden auch Kompositionen der Legende
Krzysztof Komeda („Rosemaries Baby„), mit dem Stanko
bereits in den 60er Jahren zusammenspielte.
domicil, Dortmund, 20 Uhr
FR 27 | 04 | 12
Musik | Frittenbude
Frittenbude macht Musik für die Gehirne und Tanzappara-
turen der Hörer, mit einer ordentlichen Portion Aggressi-
on, Anarchie und Selbstzerstörung rappt und punkt man
sich über Techno und Elektro-Bounce. Während weite
Teile der deutschen Gesellschaft und insbesondere der
Musiklandschaft sich selbst in den Schlaf wiegen, drehen
drei vom Freistaat zur Unterdrückung ausgeschriebene
Jungs und ihr Plüschteddy komplett durch und zeigen,
wo der Bartel seinen Most holt, während ihm in unerklär-
licher und schier unerträglicher Art und Weise die Sonne
aus dem Arsch scheint. Einschlafen mit Musik war ges-
tern. Hier ist Popmusik für Heute mit Wachbleibgarantie.
FZW, Dortmund, 20 Uhr
BODO VERLOSUNG | Drei Worte nur...
Trotz beginnender Weltwirtschafskrise laufen die Vorbe-
reitungen für die Silvestergala im Ritz auf Hochtouren.
Für das Künstlerpaar Lilly
und Willy wird es der krö-
nende Abschluss ihrer Tour-
nee, bevor sich ihre Wege
trennen. Während sie in der
Garderobe sitzen, mit Lam-
penfieber und Kostümen kämpfen, lassen sie ihre gemein-
same Geschichte von Liebe, Glück, Eifersucht, Zank und
Musik Revue passieren. Mit Schlagern von Marika Rökk,
Marlene Dietrich, Zarah Leander und Heinz Rühmann bis
zu Lilian Harvey und Willy Fritsch, einem der Traumpaare
der deutschen Musikkomödien der 30er Jahre.
Theater im Depot, Dortmund, 20 Uhr (auch 28.04.)
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
Musik | Small Beast: Barbez
Small Beast ist der Name des Musik-Salons, den der mu-
sikalische Leiter Paul Wallfisch von Manhattan/New York
nach Dortmund mitbrachte. Small Beast ist einmal im
Monat Treffpunkt – für Zuhörer und für Musiker von nah
und fern: ein Ort für musikalische Programmatik und
26 VERANSTALTUNGEN APRIL 2012
25 | 04 | 12 Gunzi Heil 26 | 04 | 12 Tomasz Stanko
YUKO ICHIMURA | 3/11 – Tagebuch nach Fukushima (Carlsen Verlag)
Letzten Monat jährte sich die Umwelt- und Nuklearkatastrophe rund um Fukushima, der 11. März 2011 hat sich in mein
Hirn und Seelenleben genauso beständig eingebrannt wie der 11. September 2001. Und immer wieder habe ich mich
gefragt, wie Menschen in Japan alles wohl erlebt haben. „Seit bei uns die Erde wackelte, gibt es keinen Tag, an dem ich
nicht etwas Neues über mich und mein Land erfahre“, schreibt die Werberegisseurin Yuko Ichimura aus Tokyo in ihrem
Blog am 19. April. Nahezu täglich ab dem 12. März und bis zum 11. September schreibt sie ein paar Zeilen an den deut-
schen Journalisten Tim Rittmann, der diese dann wieder für die Süddeutsche online stellt. Ganz private Gedanken und
Sorgen, Berichte über den Alltag in Tokyo, Gespräche mit Freunden und Arbeitskollegen, die subjektive Wahrnehmung
der japanischen Medien, Getwitter mit Bekannten in Übersee, das Hinterfragen, Suchen und Wiederfinden des eigenen
(Alltags)lebens, Erlebnisse auf der Straße – das ganz normale Leben nach der unfassbaren Katastrophe, aufgeschrieben in
einfachen Worten und bebildert mit collagenhaften, schlichten Comic-Zeichnungen. Ein spannendes, zum Teil verstören-
des Zeitzeugnis. Ein bisschen ist es wie „Mäuschen spielen“. Ungefilterte, subjektive Worte, wertvoller als vieles andere,
womit wir hier von den Medien zugeballert wurden. (BvR)
COMIC-TIPP
27
28 | 04 | 12 Funny van Dannen27 | 04 | 12 Frittenbude
spontane Experimente, mit Paul Wallfisch und Gastmu-
sikern, die immer auch dazu eingeladen sind, Ausflüge
in deutsche Musiktraditionen zu unternehmen. Zu Gast
im April: Das Post-Cabaret-Punk-Kammerorchester Bar-
bez mit seinen einzigartigen Soundscapes, inspiriert
von argentinischem Tango, slawischen Folk-Songs und
Prä-MTV-Punk. Support: Der Pianist & Songwriter Thilo
Schölpen aus Düsseldorf.
Institut im Schauspielhaus, Dortmund, 22 Uhr
SA 28 | 04 | 12
BODO VERLOSUNG | Rock in den Ruinen
2011 debütierte „Rock in den Ruinen“ am neuen Standort
unweit des Phoenix-Sees. Die Geschichte des Dortmun-
der Rockfestivals startet 16
Jahre zuvor. Zum Tanz in den
Mai organisieren die Hörder
Jusos ein Stadtteilfest mit
lokalen Bands. Da zu dieser
Zeit in diesem Bezirk noch
ordentlich die Schlote rauchen, werden Bierstände und
Bühne auf die grünen Hänge Hohensyburgs gepflanzt,
direkt unterhalb der Burgruine aus dem Mittelalter. Die
„Ruinenrocker“ in diesem Jahr sind u.a.: Saxon, die
Helden der NWOBHM und Wacken-Veteranen, Killing
Joke, die Post-Punk-Legende, Phillip Boa and the Voo-
dooclub, der Indie-Pionier zusammen mit Pia Lund, The
Idiots, die Dortmunder Punk-Urgesteine um Sir Hannes
von Honigdieb, Sister Sin, die schwedischen Punk- und
Metal-Abräumer, und Peter Pan Speedrock, die derben
Hochgeschwindigkeits-Rocker aus Holland.
Phoenix West Areal, Dortmund, ab 12 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
Musik | Funny van Dannen
Schlicht „Fischsuppe“ lautet der Titel des neuesten Al-
bums von Funny van Dannen. Auf diesem beleuchtet der
Humanist mit Humor und Akustikgitarre gekonnt die Di-
alektik der menschlichen Existenz zwischen Glück und
Verzweiflung. Als einem der letzten echten Romantiker
unter den deutschsprachigen Liedermachern gelingt
ihm auch mit seinen neuen Kompositionen ein scharfer,
musikalisch und philosophisch leidenschaftlicher Blick
auf die Absurditäten unseres Alltages. Dabei pendelt er
gekonnt zwischen dadaistisch anmutenden Wortspielen,
anarchischem Witz, Protest und Poesie.
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
BODO VERLOSUNG | Der Meister und Margarita
„Der Meister und Margarita“ – die große Reise durch Zeit
und Raum beginnt am Moskauer Patriarchenteich. Zwei
überzeugte Atheisten im Ge-
spräch: Chefredakteur Berlioz
übt Kritik am jungen Lyriker
Besdomny: Aus dessen neu-
estem Poem gehe nicht klar
genug hervor, dass die Jesus-
Geschichte – wie auch Gott – reine Fiktion sei. Doch dann
mischt sich ein Passant ins Gespräch, der behauptet, Gott
existiere absolut. Kurze Zeit später – Berlioz ist inzwi-
schen der Kopf von einer Straßenbahn abgetrennt worden
– wird Besdomny klar, dass der Fremde der Teufel persön-
lich war. Und kann es einen überzeugenderen Fürsprecher
für die Existenz Gottes geben als den Teufel selber? Doch
zuhören will Besdomny keiner, er wird in die Psychiatrie
verfrachtet. Sein Mitpatient dort: Der Meister, Autor ei-
nes unvollendeten Romans über Pontius Pilatus und Je-
schua. Der russische Literaturstar Michail Bulgakow (1891
– 1940) arbeitete von 1928 bis zu seinem Tod am Roman
„Der Meister und Margarita“; dieser wurde aufgrund sei-
ner Kritik an politischen Realitäten in der Sowjetunion
erst 1973 in unzensierter Form veröffentlicht und kann als
Bulgakows Lebenswerk betrachtet werden.
Schauspielhaus, Dortmund, 19.30 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
Design | Design Gipfel
Nach den erfolgreichen Märkten in Münster, Bochum und
Osnabrück findet die Veranstaltung für guten Design-
Geschmack Ende April zum ersten Mal in Dortmund statt.
Am 28. und 29. April ist der Design Gipfel im Depot ge-
öffnet. An vielen Ständen können Interessenten Mode,
Schmuck, Grafiken, Accessoires und limitierte Designstü-
cke bekommen, die es in keinem Geschäft zu kaufen gibt.
Depot, Dortmund, ab 12 Uhr (auch 29.04., ab 11 Uhr)
SO 29 | 04 | 12
Musik | Julian & Roman Wasserfuhr
Das jazzende Brüderpaar Julian & Roman Wasserfuhr,
beide Mitte 20, sind aufgewachsen in einem wenig urba-
nen Kaff namens Hückeswagen. Und dann: Projekte mit
Nils Landgren, mit Lars Danielsson, Alben beim famosen
ACT-Label – allererste Jazz-Liga. Aber sie bewahren die
„Gravity“, so der Titel ihres letzten Albums. Jazzmusik
wie ein Film, „das Gegenteil von Angeber-Jazz“.
Christuskirche, Bochum, 19 Uhr
29 | 04 | 12 Julian & Roman Wasserfuhr
Adressen | Bochum (0234)Bahnhof Langendreer, Wallbaumweg 108, 687 16 10
Christuskirche, An der Christuskirche 1, 338 74 62
Endstation Kino, Wallbaumweg 108, 687 16 20
Eve Bar, Königsallee 15, 333 354 45
Freilichtbühne Wattenscheid, Parkstraße, 61 03-0
HalloDu-Theater, Lothringer Str. 36c, 87 65 6
Jahrhunderthalle, Gahlensche Str. 15, 369 31 00
Kulturhaus Oskar, Oskar-Hoffmann-Straße 25
Kulturrat Bochum, Lothringer Straße 36, 862 012
Museum, Kortumstraße 147, 51 60 00
Mus. Zentrum der RUB, Universitätsstr. 150, 322 28 36
Prinz-Regent-Theater, Prinz-Regent-Str. 50 – 60, 77 11 17
Riff, Konrad-Adenauer-Platz 3, 150 01
RuhrCongress, Stadionring 20, 610 30
Schauspielhaus, Königsallee 15, 333 30
Stadthalle Wattenscheid, Saarlandstraße 40, 610 30
Thealozzi, Pestalozzistraße 21, 175 90
Varieté et Cetera, Herner Straße 299, 130 03
Zauberkasten, Lothringer Straße 36c, 86 62 35
Zeche, Prinz-Regent-Straße 50-60, 977 23 17
Zeche Lothringen, Lothringer Straße 36c, 876 56
Zwischenfall, Alte Bahnhofstraße 214, 28 76 50
Adressen | Dortmund (0231)Auslandsgesellschaft, Steinstraße 48, 838 00 00
Cabaret Queue, Hermannstraße 74, 41 31 46
DASA, Friedrich-Henkel-Weg 1 – 25, 90 71 24 79
Dietrich-Keuning-Haus, Leopoldstr. 50 – 58, 502 51 45
domicil, Hansastraße 7 – 11, 862 90 30
Fletch Bizzel, Humboldtstraße 45, 14 25 25
F.-Henßler-Haus, Geschw.-Scholl-Str. 33 – 37, 502 34 72
FZW, Ritterstraße 20, 17 78 20
Galerie Torhaus, Haupteingang Rombergpark, 50 23 194
Konzerthaus, Brückstraße 21, 22 69 62 00
Museum f. Kunst u. Kulturgesch., Hansastr. 3, 502 55 22
Piano Musiktheater, Lütgendortmunder Str. 43, 604 206
Rasthaus Fink, Nordmarkt 8, 999 876 25
Reinoldikirche, Ostenhellweg 1, 52 37 33
Schauspielhaus, Hiltropwall, 502 55 47
Sissikingkong, Landwehrstraße 17, 728 25 78
Strobels, Strobelallee 50, 999 50 60
Subrosa, Gneisenaustraße 56, 82 08 07
SweetSixteen Kino im Depot, Immermannstr. 29, 910 66 23
Theater im Depot, Immermannstraße 29, 98 21 20
U, Leonie–Reygers-Terrasse, 50 247 23
Westfallenhallen, Rheinlanddamm 200, 120 40
Westfalenpark, An der Buschmühle 3, 35 02 61 00
Zeche Zollern, Grubenweg 5, 696 12 11
Adressen | Herne (02323)Flottmann-Hallen, Flottmannstr. 94, 16 29 52
Mondpalast, Wilhelmstraße 26, 58 89 99
Adressen | Witten (02302)Saalbau, Bergerstraße 25, 581 24 24
Werkstadt, Mannesmannstraße 2, 94 89 40
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28
28 GESCHICHTE | von Wolfgang Kienast | Fotos: Ruhrverband (5) · Stefan Scheer (1)
Hengstey, Harkort, KemnadeDie Ruhrstauseen vor bodos Haustür
Fluss kommt von fließen. Die Ruhr ist 219 Kilo-meter lang, doch Fließgewässer ist sie eigent-lich nur im ersten Drittel. Bei Kilometer 133 beginnt der Rückstau eines Wehres vor Echthau-sen, und von da an bis zur Mündung in den Rhein steht der Fluss, der dem Revier den Namen gab, meist sehr ruhig in seinem Tal herum; gebremst oder aufgehalten durch rund dreißig weitere Wehre, Staustufen und -mauern. Das Industrie-gewässer mit ausgeprägtem Naherholungscha-rakter, als das die Ruhr heute angesehen wird, ist über die Jahre gravierenden Umformungen
ausgesetzt. Als bisherige Höhepunkte einer rasanten Entwicklung können die beliebten Stauseen betrachtet werden. Doch auch deren Funktionen werden in einem komplexen System mehrfach neu definiert.
Eine trostlose Einöde. So lautet im 17. und 18.
Jahrhundert das übereinstimmende Urteil in des-
halb auch nur wenigen Reiseberichten, die sich mit
dem Rechts und Links der Ruhr beschäftigen. Un-
bedeutende Dörfer, Kotten, ab und an eine Mühle,
viel zu viel unbewirtschaftetes Land. Zeittypische
Betriebe früher Eisenverarbeitung finden sich im
Sauerland und im Bergischen. Dass es Kohle gibt,
ist bekannt, ihre Bedeutung noch nicht erkannt.
Und wenn, es wären keine Transportwege vorhan-
den. Der spätere Kohlenpott ist von der industriel-
len Entwicklung anfangs abgehängt.
Reiseführer des ausgehenden 19. Jahrhunderts
sprechen bereits eine andere Sprache. „Silber-
band der anmutigen Ruhr” wird das Tal inzwi-
schen genannt, doch nicht nur die reizvolle Land-
schaft wird gelobt, auch das industrielle Witten
Badespaß zu Omas Zeiten – Freibad Hengstey auf der Hagener Seite des Sees.
29
oder ein Wehr bei Stiepel, welches diverse Häm-
mer antreibt, werden gewürdigt. „Großartige Ma-
schinenbetriebe” gilt es zu bestaunen. „Lohnend
ist der Besuch eines Hüttenwerkes. Man findet da
Eisenhochöfen von den größten Dimensionen mit
bedeutenden Walzwerken. Besonders interessant
ist der Aufenthalt auf einem Eisenwerk bis zum
Abend, um das grossartige Schauspiel des den
Hochöfen entströmenden Eisens und der feuer-
sprühenden Hämmer und Walzwerke besser zu
sehen.” (aus: Woerl, „Führer durch Dortmund”,
1884, Stadtarchiv Dortmund, Bestand Ed92.)
Eine kaum bewirtschaftete Agrarregion wird auf
den Kopf gestellt, mutiert innerhalb weniger
Jahrzehnte zu einem prosperierenden Schwerin-
dustriestandort. Aber der Boom hat Schatten-
seiten, wie die Reviergewässer verraten. Deren
29
zunehmende Verschmutzung birgt unter anderem
ein erhebliches gesundheitliches Risiko für die
ebenfalls stark wachsende Bevölkerung. So wird
unter hygienischen Gesichtspunkten im Jahr 1899
die Emschergenossenschaft gegründet. Ihre Auf-
gabe besteht darin, die Brühe möglichst schnell
und einfach loszuwerden. Aber auch an der Ruhr
steigt die Seuchengefahr. Vor allem, weil der
Fluss einerseits Abwässer abtransportieren soll,
parallel jedoch als Quelle für Trink- und Brauch-
wasser dient.
Die Grenze der Belastbarkeit ist schnell über-
schritten. 1893 werden dem Fluss 90 Millionen
Kubikmeter Wasser entzogen, 1911 sind es bereits
315 Millionen. Das entspricht einer durchschnitt-
lichen Wassermenge von zehn Kubikmetern pro
Sekunde. Im heißen Sommer des Jahres 1911
fließen nicht einmal vier Kubikmeter talabwärts.
Die Ruhr trocknet aus. Bei Essen kann man sie zu
Fuß queren, bei Duisburg führt sie gar kein Wasser
mehr. Wobei Wasser sowieso geschmeichelt ist. In
jener Zeit sind keine zehn Prozent der Haushal-
te längs Ruhr und Nebenflüssen an Kläranlagen
angeschlossen, die industriellen Abwässer ein
furchteinflößender Chemikaliencocktail. Kohlen-
staub, Teer und Öl, Phenol- und Zyanlösungen,
Zellstoff, verwesende Abfälle aus Schlachthöfen
und Lederfabriken, kurz, eine schwarzbraune,
stinkende, schaumgekrönte Brühe.
Die Notwendigkeit eines Wassermanagements
ist offensichtlich. Um Wasser dosiert ins Ruhrtal
abgeben zu können, sind mit dem Bau von Tal-
sperren an den Zuflüssen erste wirksame Maßnah-
men eingeleitet. Es fehlen allerdings geeignete
Altes Kraftwerk Harkortsee
Heute noch in Betrieb: Kraft- und Wehranlage Hengsteysee
30
Schritte, die Qualität des Wassers generell zu
verbessern. 1910 erstellt zu diesem Zweck der Es-
sener Ingenieur Karl Imhoff im Auftrag des Arns-
berger Regierungspräsidenten ein „Gutachten
zur Reinhaltung der Ruhr“. Es sieht, neben einer
mechanischen Reinigung von groben Verschmut-
zungen, eine Kette von addiert acht multifunkti-
onalen Ruhrstauseen vor, in welchen biologische
Abbauprozesse stattfinden sollen. Drei Jahre spä-
ter wird der Ruhrverband (RV) gegründet und mit
der Angelegenheit betraut.
Der erste See, den der RV aufstaut, ist der Hengs-
teysee. Die Endung auf -ey, im Ruhrtal begegnet
sie einem des öfteren, lässt sich von einem al-
tertümlichen Begriff für verlandete Flussbuchten
herleiten. Eingeweiht wird der See im Jahr 1928.
Nicht zufällig liegt er unterhalb des Zusammen-
30
flusses von Lenne und Ruhr. Infolge der eisenver-
arbeitenden Industrie hat das Wasser der Lenne
einen niedrigen pH-Wert. Die im Oberlauf der Ruhr
eingeleiteten Abwässer der Papierindustrie dage-
gen sind alkalisch. Säure und Lauge reagieren mit-
einander, heben sich auf, die Verschmutzung flockt
aus. Das funktioniert sogar. Auch zur Energiege-
winnung wird der See genutzt. Das Koepchenwerk,
ein auffälliges Pumpspeicherkraftwerk, ist bei
seiner Inbetriebnahme einer der größten Erzeuger
von Spitzenenergie in Deutschland.
Wenige hundert Meter unterhalb der Staumauer des
Hengsteysees beginnt der Harkortsee. Der Zufluss
aus der Hagener Kläranlage und die Mündung der
Volme lässt den Bau hier sinnvoll erscheinen. Mit
seinem zweiten See setzt der RV einem Pionier des
Reviers ein Denkmal: Friedrich Wilhelm Harkort,
geboren am 22. Februar 1793 in Westerbauer bei
Haspe, gestorben am 6. März 1880 in Hombruch.
Er ist jemand, der über Tellerränder blicken kann,
führt im Ruhrgebiet unbekannte, rationelle Me-
thoden der Eisenverarbeitung ein, gilt als Freund
und Förderer des Bahnverkehrs und engagiert sich
in sozialen Fragen. Seine 1844 veröffentlichte
Schrift „Bemerkungen über die Hindernisse der
Zivilisation und Emanzipation der unteren Klas-
sen” enthält Sätze wie „100.000 Fibeln, die 3.000
Taler kosten, haben einen größeren Wert für die
Erziehung der Menschheit als 100.000 Bewaffne-
te, die jährlich 9 Millionen verschlingen.” Das hat
weder an Gültigkeit noch an Aktualität verloren.
Harkort gründet einen Vorläufer der heutigen
Volkshochschulen, fordert ein generelles Verbot
von Kinderarbeit und schlägt eine Gewinnbeteili-
gung für Arbeiter vor. In den anfangs erwähnten
Bootsvergnügen auf dem Harkortsee
Fischtreppe vor einer Staustufe
31
Reiseführern wird Harkort „Vater des Ruhrgebiets”
bzw. „Alter Fritz von Westfalen” genannt. Das
Harkort-Denkmal, einen nach ihm benannten Aus-
sichtsturm oder sein Grabmal zu besichtigen, wird
der geneigten Leserschaft nahegelegt.
Nach dem Harkortsee werden im Ruhrtal noch
der Baldeneysee (1933), der Kettwiger Stausee
(1950) und der Kemnader See (1979) realisiert.
Dass es nicht, wie ursprünglich gedacht, acht
Stauwerke werden, liegt an mittlerweile stark ver-
änderten Anforderungsprofilen. Der Plan, die Ruhr
über weite Strecken schiffbar zu machen, wird
nicht umgesetzt, da die Schwerindustrie abwan-
dert. Die Technik in Kläranlagen wird um biologi-
sche Verfahren erweitert. Auf ein zwischenzeit-
lich diskutiertes Rückpumpen von Ruhrwasser zur
Trinkwassergewinnung, ohne die Seenkette nicht
möglich, kann aus diesen Gründen gut verzichtet
werden. Insgesamt hat sich die Wasserqualität
deutlich verbessert. Im Ansatz könnte selbst die
seit Jahren grassierende Algenpest, trotz diver-
ser ökologischer Bedenken, im Ansatz positiv
gesehen werden. Phosphatfreie Waschmittel ver-
schlechtern die Lebensbedingungen von Plank-
tonalgen, das Wasser wird in der Folge klarer,
Sonnenlicht dringt bis auf den Grund und lässt
größere Wasserpflanzen überproportional wach-
sen. Aus Naherholungs- und Touristikperspektive
eine allerdings ärgerliche Entwicklung. Wer will
schon mit seinem Tret-, Paddel- oder Segelboot
im schwimmenden Rasen hängenbleiben.
An eine Freizeitindustrie wird Karl Imhoff kaum
denken, als er an seinem Gutachten feilt. Doch
wird der Kemnader See, benannt nach dem Blan-
31
kensteiner Wasserschloss, dessen Name sich wie-
derum von „Kemenate”, also Kaminzimmer, also
einem im Gegensatz zu üblichen Bauernhäusern
beheizbaren Wohnsitz herleitet, einzig unter die-
sem Gesichtspunkt noch aufgestaut. Rein wasser-
wirtschaftlich nämlich besteht keine Notwendig-
keit mehr, für eine eventuelle Energiegewinnung
ist die Stauhöhe nicht ausreichend, statt einer
Schleuse für Frachtschiffe gibt es eine Bootsgas-
se für Kanuten und an den Ufern demnächst die
neue Ruhr-In-Line Skaterbahn, ein solarbeleuch-
teter Rundkurs von zwölf Kilometern Länge, par-
allel geführt zu bereits intensiv genutzten Rad-
und Fußwanderwegen. (wk)
Beliebtes Ausflugsziel Kemnader See: 1,25 qKm Wasserfläche bieten viel Platz für Wassersport und Bootspartien.
32
32 DAS INTERVIEW | von Volker Macke | Fotos: Reuters, Yannis Behrakis · Archiv Chris Alefantis
Griechenland in der Krise: Arbeitslosengeld ge-kürzt, Mindestlohn gekappt, Steuern angehoben. Tausendfach machen kleine Geschäfte dicht, die Einkaufsstraßen der Viertel werden zu Geister-straßen. In den Hauseingängen liegen immer mehr ohne Obdach. Eine neue Straßenzeitung will helfen. Volker Macke hat für bodo mit dem Redakteur Chris Alefantis (45) gesprochen.
bodo Herr Alefantis, was bedeutet die Finanzkri-
se für die Ärmsten?
CA Dass sie immer zahlreicher werden. Man
schätzt aktuell rund 20.000 Obdachlose in Athen.
Und die Zahlen steigen schnell. Wöchentlich
kommen Hunderte Griechen hinzu. Diese so ge-
nannten Neu-Obdachlosen sind direkte Opfer der
Finanzkrise. Das sind Menschen, die vor wenigen
Monaten noch einen Job, ein Haus, eine Familie,
ein Leben hatten. Die stehen nun komplett ohne
irgendwas da. Überall ist Verzweiflung und Wut.
bodo Wo finden diese Menschen Hilfe?
CA Einige staatliche und private Organisationen
bieten Suppenküchen an, es gibt auch Obdachlosen-
unterkünfte. Wenngleich etwas zu essen zu finden
noch relativ einfach ist, sind es insgesamt deutlich
zu wenige Einrichtungen für die steigende Zahl von
Bedürftigen hier. Im Übrigen ist es doch sehr be-
zeichnend, dass erst jetzt die griechische Regierung
den Begriff ‚Obdachlosigkeit’ definieren lässt. Bis
vor wenigen Wochen noch existierten Obdachlose
offiziell gar nicht, allenfalls Arbeitslose.
bodo Wie viele Menschen bekommen denn im Mo-
ment Arbeitslosengeld?
CA Exakte Zahlen gibt es nicht, zumal nicht jeder
Arbeitslose Zugang zu dieser Unterstützung hat.
Die, die Arbeitslosengeld erhalten, bekommen es
für ein Jahr. Erst vor drei Wochen hat die Regierung
dies auf monatlich 359 Euro gekürzt. Davon kann
natürlich niemand leben. Die Zahl der Arbeitslosen
hat dieser Tage indes die Millionengrenze über-
schritten. 20 Prozent ist die aktuelle Quote. Die
Chancen, in diesem verkrüppelten System einen
neuen Job zu finden, sind im Moment gleich Null.
bodo Betrifft das vor allem die Metropole Athen?
Was ist mit anderen Städten?
CA Armut und Arbeitslosigkeit sind überall ein
Problem. In Patras beispielsweise sind 22 Prozent
Athens neue Obdachlose Griechenlands erste Straßenzeitung Shedia versucht, die Not zu lindern
Ω
„Shedia“-Redakteur Chris Alefantis.
¬
Obdachlos am Abluftschacht: Die
Armutsquote ist in Griechenland auf
verheerende 28 Prozent gestiegen.
aller Arbeitsfähigen ohne Arbeit, in Naousa im
Norden des Landes gar 50 Prozent. Jeder zweite
Jugendliche ist landesweit ohne Job. Ihr könnt
euch vorstellen, was es bedeutet, jung zu sein und
ohne irgendeine Chance dazustehen. Menschen
zwischen 20 und 30 werden komplett allein gelas-
sen. Die Gesellschaft hat sie wahrlich betrogen.
Viele denken jetzt ans Auswandern. Griechenland
ist damit wieder da angelangt, wo es in den Fünf-
ziger Jahren war, als Hunderttausende nach Aust-
ralien, Kanada und Amerika emigrierten.
bodo Gibt es in Griechenland über das Arbeitslo-
sengeld hinaus noch weitere Unterstützung?
CA Das Sozialsystem ist kollabiert. Maximal gibt
es – unter bestimmten Voraussetzungen – zwölf
Monate lang die besagten 359 Euro. Danach sind
die Menschen auf sich selbst gestellt, auch die
Krankenversicherung ist dann weg. Bislang kam
traditionell der Familie eine Schlüsselrolle zu,
damit besonders bedürftige Familienangehöri-
ge nicht verhungerten. Aber dieser Tage können
viele Familien das nicht mehr leisten, weil gleich
mehrere Angehörige betroffen sind.
bodo Und in dieser Situation soll bald die erste
griechische Straßenzeitung erscheinen. Wie wird
sie heißen?
CA Shedia ist ihr Name, auf deutsch „Floß”, eine
Metapher. Wir wollen die Menschen mit dieser
Straßenzeitung vom Schiffswrack der griechi-
schen Ökonomie retten und – so unsere Hoffnung
– ihnen ein wenig Sicherheit bieten. Zu Anfang
wird Shedia nur in Athen verkauft werden. Aber
eher früher als später wird das Projekt auf die
anderen größeren Städte ausgedehnt.
bodo Wann kommt die erste Nummer raus?
CA Am Mittwoch, 25. April, mit einer Startauflage
von 12.000 Exemplaren. Es kann allerdings sein,
dass wir den Erstverkaufstag doch noch auf einen
Termin nach den nun geplanten Parlamentswah-
len verschieben.
bodo Wer ist wir?
CA „Goal sti Ftohia“, das bedeutet frei übersetzt
„Kick off poverty“. Unser Kernprojekt besteht aus
einer guten Handvoll extrem hingebungsvoller
Menschen. Darüber hinaus gibt es viele Freiwil-
lige. Ich selbst bin Journalist. Bei uns machen
33
33
Architekten und Politikwissenschaftler mit, eine
Sekretärin ist dabei, ein Arzt, ein Topograf, auch
ein Autoteilehändler hilft.
bodo Gibt es Kooperationspartner? Die orthodoxe
Kirche vielleicht oder die halbstaatliche Klimaka?
CA Ja, von Anfang an bewegen wir uns in einem
Netzwerk von Organisationen, die alle im The-
menfeld Obdachlosigkeit und soziale Ausgrenzung
arbeiten. Wir werden unterstützt vom Institut für
die Obdachlosen der Stadt Athen, kooperieren mit
der Caritas, mit Klimaka und der Jugendhilfeorga-
nisation Arsis.
bodo Habt ihr schon Kontakt zu Verkäufern?
CA Seit Anfang des Jahres informieren wir in ent-
sprechenden Einrichtungen, beispielsweise bei den
Leuten von der Straßenfußballmannschaft oder ges-
tern erst in einer Unterkunft des Roten Kreuz. Die
Reaktionen sind bisher durchweg positiv. Bei einer
statischen Armutsquote von 28 Prozent ist Grie-
chenland auch einfach reif für eine Straßenzeitung.
bodo Vor rund zwei Monaten hattet ihr beim In-
ternationalen Netzwerk der Straßenzeitungen INSP
um Unterstützung angefragt. Wie war die Reaktion?
CA Wir sind absolut begeistert. Der INSP unterstützt
uns in allen Bereichen. Wir hatten die Straßenzei-
tungen beispielsweise gebeten, uns Informations-
materialien zu schicken. Mit dem Anschauungsmate-
rial wollen wir bei unseren offiziellen Stellen für die
Straßenzeitungsidee werben. 14 Straßenzeitungen
aus Europa und einige aus den USA haben uns bisher
unterstützt – auch bodo. Wenn jetzt noch ein paar
aus Afrika oder Lateinamerika mitmachen würden...
es würde ganz wunderbar zeigen, dass wir mit einer
kleinen Zeitung eine globale Front gegen Armut und
Ausgrenzung sein können.
bodo Seriöse deutsche Debattenbeiträge zur Grie-
chenlandkrise unterscheiden drei gesellschaftliche
Ebenen: die normalen Griechen, die Ebene der Po-
litik und Administration und die nicht eben kleine
Kaste der Superreichen. Wer trägt die Hauptschuld
an der Misere?
CA Zuoberst unser korruptes politisches System.
Die Menschen hätten längst schon reagieren müs-
sen, keine Frage. Und zugleich: Wenn man Europa
ehrlich als Familie ansieht, dann ist Brüssel mit in
die Pflicht zu nehmen. Die haben viel zu lange zu-
gesehen und gewusst, dass bei uns was schiefläuft.
Sie haben dem System der Korruption, der Gefällig-
keiten, der Filzokratie tatenlos zugesehen. Und im
griechischen Volk selbst wollten allzu lange viel zu
viele in dieses System eingebettet sein. Dabei muss
man es bekämpfen. Das ist die eine Wahrheit.
bodo Und die andere?
CA Es ist super frustrierend, immer wieder euro-
paweit in der Populärpresse lesen zu müssen, wir
Griechen seien faul und missbrauchten Europas
Geld. Laut den jüngsten Eurostat-Zahlen haben
wir eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von
42,2 Stunden. Das ist mehr als in jedem anderen
europäischen Land. All meine Freunde und auch
ich haben übrigens immer unsere Steuern bezahlt.
bodo Ende April soll voraussichtlich gewählt wer-
den. Welches Ergebnis ist wahrscheinlich und wel-
ches wäre wünschenswert?
CA Nea Dimokratia, die rechte Volkspartei, wird
die Mehrheit bekommen. Aber ohne Koalition wird
es nicht gehen. Die Sozialdemokraten der PASOK
sind als Partner schon ausgemacht, auch wenn
diese viele bisherige Wähler verlieren werden. Da-
mit werden die Hauptakteure des bisherigen kor-
rupten Systems gemeinsam die Regierung stellen.
Seit dem Fall der Junta im Jahr 1974 teilen sich
diese beiden Parteien die Macht im Land, weil die
griechische Linke so fragmentiert ist. Dabei kann
es doch nicht sein, dass diejenigen, die das Land
in die Knie gezwungen haben, nun die Lösung für
das Land präsentieren sollen. Man sollte sie im
Interesse der Armen und Obdachlosen lieber end-
lich zur Rechenschaft ziehen. (Volker Macke)
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„Made in Common“ ist das vielschichtige Mot-to des diesjährigen Euromayday Ruhr, der offe-nen und lustbetonten Maidemonstration gegen die Prekarisierung unserer Lebensverhältnisse. „Die Welt ist voller Reichtum und sie gehört uns allen!“
Der Euromayday ist ein offener Zusammenschluss
einer Vielzahl von Initiativen. Das Mitgestalten
ist ausdrücklich erwünscht, kreative Kostüme und
Parolen ersetzen Parteifahnen. Statt dröger Reden
und Appelle unterbrechen Interviews mit Vertre-
tern politischer oder sozialer Akteure den Demons-
trationszug, der eher im Tanzschritt als im Prozes-
sionstrott vorwärts kommt.
Im letzten Jahr liefen und tanzten 1.000 Teil-
nehmerinnen und Teilnehmer durch Dortmund,
mit Zwischenstopps am Nordmarkt, an der Knei-
pe Hirsch-Q, die immer wieder Ziel von Angriffen
Dortmunder Neonazis ist, am leerstehenden Ost-
wall-Museum und am Dortmunder U. Das Motto
damals: „Her mit dem schönen Leben!“
Diesmal geht es am Vorabend des 1. Mai durch
die Bochumer Innenstadt, um 19 Uhr startet der
Zug am Südausgang des Hauptbahnhofs. Das dies-
jährige Motto „Made in Common“ bedeutet erst
einmal „gemeinsam produziert“. Der Gedanke
dahinter: „In unseren Gesellschaften entsteht
Reichtum zunehmend durch immaterielle Arbeit,
Wissen und Kommunikation sind zu den wich-
tigsten produktiven Kräften geworden, und die
entstehen eben in der gesamten Gesellschaft. Wir
alle produzieren den gesellschaftlichen Reichtum,
doch wenige eignen ihn sich an und verknappen
ihn künstlich.“
Ergebnis sind europäische und lokale Sparprogram-
me von Griechenland bis Bochum. Allein die Stadt
Bochum will in den nächsten zehn Jahren 150 Mil-
lionen Euro durch den Abbau öffentlicher Leistun-
gen und die Erhöhung von Gebühren und Steuern
sparen. Die BürgerInnen sind aufgefordert, sich an
den Kürzungsvorschlägen zu beteiligen.
Im Aufruf zum Euromayday heißt es: „Unter der
scheinbaren Alternativlosigkeit von Sparmaßnah-
men wird jede Diskussion darüber, was ein sinn-
volles Gemeinwesen wäre, erstickt.“
Der Euromayday will auch eine Plattform sein
für Konzepte jenseits einer Bürgerbeteiligung à
la Bürgerforum. In „Made in Common“ schwingt
schließlich auch die Idee des Gemeinsamen als
Gegenmacht mit.
Und die stellt sich anders da als bei der klas-
sischen Maidemonstration in der Tradition der
Arbeiterbewegung: „Vielen wird die Teilhabe
verwehrt, ihre Ansprüche werden bekämpft mit
niedrigen Löhnen, mit Erwerbslosigkeit, mit
Ausschluss und Un-
sicherheit, mit ih-
rer Auslieferung an
den Markt. Wenn
das gesamte Leben zur Arbeit geworden ist,
dann ist dieses Leben heute prekär.“
Der Euromayday will alle zusammenbringen. Die-
jenigen mit und die ohne Arbeit, die mit zu viel
und die mit zu wenig, die in der Mitte und die
am Rand. Für eine kämpferische Party und einen
politischen Tanz in den Mai.
INFO www.euromayday.noblogs.org
35SOZIALES | von Bastian Pütter | Foto: Euromayday Ruhr
Alles. Von allen. Für alle.Euromayday Ruhr tanzt in Bochum in den Mai
36
LITERATUR | gelesen von Wolfgang Kienast36
Ein Mietshaus in der Dortmunder Innenstadt. Tiefgarage, acht Etagen, oben ein Penthouse. Treppe und Lift. Das alles muss instand ge-halten werden. Zuständig ist Josef Panke, der Hausmeister, Mitte vierzig, die mittlerweile ergrauten Haare zu einem Zopf gebunden. Jo-sef hat einen festen Job und echte Probleme, die ausnahmslos darauf zurückzuführen sind, dass er es nie geschafft hat, sich von seiner Mutter zu lösen. Aber einen kleinen Hau zu haben ist hier, zwischen muffigem Keller und luftiger Dachterrasse, kein Alleinstellungs-merkmal. Ganz im Gegenteil.
Alles im Roman läuft innerhalb des besagten
Hauses ab. Zwar gibt es eine Außenwelt, und was
draußen geschieht, nimmt durchaus Einfluss auf
das Leben der Bewohner, auf den 175 Seiten aber
herrscht die Binnenperspektive. Dem liegt eine
Spielregel zugrunde. Die erste Skizze zum Buch
entwarf DERHANK im Rahmen einer Schreibwerk-
statt an der VHS Dortmund. Die Aufgabe, die den
Teilnehmern von ihrer Kursleitung gestellt wur-
de, lautete, eine Geschichte aus der Perspektive
eines Gegenstands zu erzählen. DERHANK wählte
ein Haus. Das ist Fundament und Clou an „Hause”.
Und natürlich, dass das Gebäude nicht nur die Be-
gebenheiten schildert, an denen es selbst emo-
tional beteiligt ist, sondern auch, dass es in der
Lage ist, einzugreifen, wenn es eng wird. Davon
jedenfalls darf ausgegangen werden.
Wie irre die Bewohner sind, was die nymphomane
Krankenschwester oder der schwerst adipöse Haus-
besitzer treiben, ist ihm relativ egal, das Haus
hegt Sympathien für Josef, von Anfang an, seit der
Ein splatteraffiner Teilzeitkrimials zweijähriger Knirps mit seinen Eltern eingezo-
gen ist. Es will ihn aber nicht nur in sich haben und
beschützen, es möchte ihn besitzen. Nicht ohne
Missgunst beobachtet es folglich das Privatleben
des späteren Hausmeisters, vor allem, wenn der
sich anschickt, eine Frau zu erobern. Oder umge-
kehrt. Hört sich überspannt an, macht beim Lesen
aber richtig Spaß und kommt
längst nicht so spooky rüber,
wie es vielleicht klingt.
Für den überforderten Josef be-
deutet es, neben seiner Mutter
eine weitere Instanz zu haben,
die in strenger Liebe über ihn
wacht. Im Krimi ein gängiges
Motiv, wo Eifersucht herrscht,
sind Leichen nicht fern, lassen
die auch bei „Hause” nicht lang
auf sich warten. Wie mit diesen
verfahren wird, ist nicht immer
appetitlich. Wer auf detaillierte
Darstellungen vom Zerlegen und
Entbeinen gut und gern verzichten kann, sollte an
den entsprechenden Stellen einfach ein paar Seiten
überspringen. Wer sich, mit derart derber Kost ver-
traut, nicht aus der Ruhe bringen lässt, wird auch
hier den lakonischen Humor des Autors finden.
Gnadenlos treibt DERHANK derweil den Plot vor-
an, welcher auf ein furioses Spektakel zusteuert,
in dem nicht nur Josef, seine Mutter und weitere
Hausbewohner, sondern auch Polizisten diverser
Abteilungen inklusive SEK, Feuerwehrmänner
und Sanitäter, eine mutmaßliche Terrorzelle, ein
Pizzabote und eine Yuccapalme tornadogleich
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Termine nach Absprache von 8 Uhr – 20 Uhr
umeinanderwirbeln. Die Arschkarte muss selbst-
verständlich jemand ziehen, der es am wenigsten
verdient. So ist die Welt: ungerecht.
Will man allein den Radau betrachten, ist „Hau-
se” eine bemerkenswerte Übung in Sachen „immer
feste druff“. Doch ist nicht alles nur Effekt, was
glänzt. Vielen seiner Figuren
gönnt DERHANK eine gebotene
Mehrdimensionalität und somit
Motive für Handlungen, Gründe
für Scheitern, Raum für Erklä-
rungen. Und in gewisser Hin-
sicht gibt es sogar ein Happy
End für Josef und das Haus.
Ein letztes Wort noch zum
Werden von „Hause” nach der
Schreibwerkstatt. Um an einem
Krimiwettbewerb teilnehmen
zu können, arbeitete DERHANK
den Entwurf weiter aus. Die
Ausschreibung konnte er nicht
gewinnen und auch der Grafit-Verlag, dem er das
Manuskript anschließend schickte, lehnte ab.
Dort fand man Idee und Buch zwar gut, ein Krimi
im eigentlichen Sinn aber sei es nicht und passe
von daher leider nicht ins Programm. Statt dessen
ist „Hause” jetzt im Hamburger Acabus-Verlag er-
schienen. (wk)
DERHANK | Hause
Acabus Verlag | 175 Seiten, 12,90 Euro
ISBN: 978-3-86282-047-4
bodo verlost 3 Exemplare (s.S. 21)
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Finde die 10 Unterschiede im rechten Bild. Viel Erfolg!
RÄTSEL | von Volker Dornemann
Fehlersuchbild – Lösung:
1) Chaplin fehlt das Bärtchen 2)
und ein Fuß, 3) der Clown mit der
Latzhose hat volles Haar, 4) eine
Zahnlücke und 5) einer seiner
Schuhe ist vorn kürzer, 6) auf der
am Boden liegenden Torte fehlt
eine Beere 7) und dem am Boden
liegenden Clown fehlt das Ohr, 8)
die Blume an der roten Weste ist
hellgelb, 9) die Kappe des Harlekin
hat eine Hutkrempe und 10) an sei-
ner Faust fehlt ein Finger.
37
Rätsel-Lösung: EILBRIEF
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Ein Ort, an dem Jung und Alt gemeinsam Erlebnisse machen, an dem man gemein-sam kreativ ist: Im Namen „Bullerbüdchen“ klingt die heile Welt aus Astrid Lindgrens Kinderbuchreihe über den fiktiven schwedi-schen Ort nicht zufällig mit.
an den Wänden und weiß gestrichenen Holzmö-
beln aussieht wie die Postkartenvorstellung des
schwedischen Hauses am See. Von der Einrich-
tung bis zum Anstrich haben die langjährigen
Freundinnen alles selbst restauriert und reno-
viert. Kinderfreundlich, wie Bullerbü nun mal zu
sein hat, gibt es eine Spielecke mit Bällchenbad,
Spielzeug und viel Raum für Kinderwagen. Das
Geschirr ist ebenfalls nach eigenen Vorstellun-
gen gefertigt, in Auftrag gegeben bei einer so-
zialtherapeutischen Werkstatt. Darauf serviert
werden sowohl kleine Speisen wie Frühstücke,
aber auch verschiedene, zum Teil nach schwe-
dischen Rezepten gekochte Mittagsgerichte.
Getränke aller Art – ob Cappuccino und Chai im
Winter oder ein Pils im Sommer auf der geräu-
migen und ruhigen Terrasse – machen die Karte
sehr rund und komplett.
Ganz besonders am Bullerbüdchen ist die Zwei-
teilung des Ladens: An das Café angeschlos-
sen findet sich noch eine Bastelwerkstatt, in
der Christine Lessmann ihre Kreativität als
Schmuck-, Mode- und Möbeldesignerin aus-
lebt. Sie stellt individuelle Geschenkideen wie
Schmuck, Deko, Accessoires und Taschen her,
restauriert alte Möbel. 20 weitere Künstler und
Designer stellen ebenfalls aus. „Wir würden uns
aber selbstverständlich über noch mehr Leute
freuen, die ihre Sachen bei uns ausstellen“, so
Christine Lessmann.
Für alle diejenigen, die gerne selbst tätig wer-
den möchten, richten die beiden Heimwerke-
rinnen in regelmäßigen Abständen sogenannte
„Slöijdnatts“, gesellige Werkelabende aus, bei
denen vom völligen Dilettanten bis zum Profi je-
der mitmachen kann – Ziel ist, sich gegenseitig
zu helfen und miteinander etwas zu schaffen.
Mal wird gestrickt, mal wird genäht, gehäkelt
oder geschreinert – mitzubringen sind nur die
eigenen Ideen.
Wem das zuviel Arbeit ist, der kann sich beim
„Tanztee“ von 19 bis 22 Uhr ein Nach-Feierabend-
vor-Disko-Bier genehmigen und bei gedimmtem
Licht und Musik den Tag abrunden oder die Nacht
einleiten. „Man könnte den Eindruck bekommen,
dass wir hier einen reinen Familienladen führen“,
sagt Annette Schmitz, „aber in unserem Ange-
bot findet sich für jeden etwas.“ Das nämlich war
die Grundidee der beiden Lindgren-Fans: Ein La-
den, in dem Jung und Alt gemeinsam Erlebnisse
machen können, in dem man gemeinsam kreativ
sein kann. Die beiden Lindgren-Fans haben diese
Idee in ihrem kleinen Bullerbü auf wirklich char-
mante Art und Weise umgesetzt. (ag)
BullerbüdchenHattinger Str. 80 | 44789 Bochum
Tel. 0234 – 623 471 15
Di – Fr. von 9 – 18 Uhr | Sa. 9 – 17 Uhr
Jeden 1. Sonntag im Monat langes
Sonntagsfrühstück von 10 bis 16 Uhr
bodo verlost ein großes Frühstück für zwei mit Kaffee und einer Piccolo-Flasche Sekt (siehe Seite 21).
An der Hattinger liegt Bullerbü
Bullerbüdchen | Bochum
38 BODO GEHT AUS | von Alexander Greif | Fotos: Claudia Siekarski
„Den Namen zu finden hat vielleicht fünf Minuten
gedauert“, erklären Annette Schmitz und Christine
Lessmann, die sich im Oktober 2011 den gemeinsa-
men Traum eines eigenen Cafés erfüllt haben. Der
Namensgebung folgte ein halbes Jahr, in dem sie
ihr Konzept ausarbeiteten, danach drei Monate Re-
novierung, und nun findet sich das Bullerbüdchen
an der Hattinger Straße Nr. 80, dort, wo lange Jah-
re zuvor in der Altherrenkneipe „Panzergrotte“ vom
rustikalen Eichentresen aus Herrengedecke ausge-
schenkt wurden. Daran erinnern nur noch einzelne
Möbelstücke und vereinzelte alte Stammgäste, die
sich ab und an dorthin verirren.
Was sie dort vorfinden, ist ein liebevoll eingerich-
tetes Café, das mit seiner roten Holzverschalung
39
CARTOON | Idee und Zeichnung: Volker Dornemann
39LESERSEITE
bodo dankt: Sparkasse Bochum Gisela und Bernd Ammermann, Edeltraud Kraski-Kuehne, Oliver Stiller, Carsten Piel, Hannelore Lohmann, Christian Chammings, Hildegard Jänsch, Paul Busse, Dr. Rinnert Siemssen, Peter Schmitt-Wittrock, Volker Schaika, Erika Maltz, Helga Ru-sche, Helga Ruehl, Monica Meyer, Elsemarie Bork, Peter Lasslop, Christina Kolivopoulos, Jutta und Wido Wagner, Kathrin Bohr, Marianne Linnenbank, Klara Lehmann, Sabine Raddatz, Petra Danielsen-Hardt, Silke Harborth, Timo Zimmermann, Hilde-gard Reinitz, Dolf Mehring, Harald Gering, Ute Doth-Dykgers, Annette Düe, Herbert Schwittay, Dr. Josef Balzer, Alexander Barbian-Steinfort, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Geers, Matthias Grigo, Grün-bau GmbH, Britta Richter, Manfred Kater, Almuth Keller, Jutta Kemper, Helga Koester-Wais, Birgit Kuehn, Otfried Ladwig, Nicola Steinstrass, Wulf-hild Tank, Felix Zulechner, Ingeborg Schumacher, Brigitte Sonntag, Gabriele Steinbrecher, Gabriela Schaefer, Hermann Schroeder, Christoph Roeper, Susanne Mildner, Barbara Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bon-bardt, Das Grafikhaus/O. Schäfer, Ralf Finke, Mi-chael Stange, Nicole Goralski, Jörg Gruda, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolf-gang Neuhaus, Ursula Remer, Daniela Schmitz, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Thomas Terbeck, Linda Wotzlaw, Heinz Schildheuer, Thomas Schrö-der, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regi-na Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Heike Pan-nitz, Frank Siewert, Ilona Zarnowski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rüdiger Haag, Els-beth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Krtizler, Ur-sula Machatschek, Lieselotte Markgraf, Thorsten Matern, Jutta Meklenborg, Marlies und Eberhard Piclum, Sandra Rettemeyer, Inge Schaub, Doro-thea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christain Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell Bikowski-Gauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kinzel, Annegret Males-sa, Else Stockert, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Eberhard Garburg, Jutta Haring, Lie-selotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Märkel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Meyer, Carsten klink, Thomas Olschowny, Daniela Gerull, Dieter Schibilski, Martin Scholz, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bokel, Sandra Wortmann, An-nabell Preusler, Birgitt Kuhlmann, Dieter Zawodni-ak, Elisabeth Heymann-Roeder, Friederike Jansen, Dirk Schmiedeskamp, Sebastian Poschadel
Im Rahmen eines Schulprojektes sammelten Schülerinnen und Schüler der siebten Klasse der Matthias-Claudius-Schule in Bo-
chum Geld für gemeinnützige Organisationen, unter anderem für bodo. Zur Spendenübergabe kamen sie in unsere Bochumer
Anlaufstelle und erhielten Einblicke in unsere Arbeit. Vielen Dank für die Unterstützung und den unterhaltsamen Vormittag!
By the way: danke für die wirklich interessanten Bei-
träge des Magazins. Ich freue mich jedesmal auf das
neue Heft!!!
:-)) Rita Gerstenkorn
Ich fand euren Artikel „Aus der Tonne auf den Tisch“
hervorragend! Endlich mal eine Zeitung, die sich an
dieses Thema heranwagt! Ich wünschte, mehr Leute
würden das lesen und das Wegschmeißen von brauch-
baren Lebensmitteln wird verboten! Diese Lebens-
mittel sollten lieber Leuten gegeben werden, die sie
gebrauchen können.
Mit freundlichen Grüßen, Kathrin Wiedemann
Hallo zusammen,
ich finde die Arbeit von bodo e.V. großartig und wün-
sche allen einen guten Start am neuen Standort. Werde
sicherlich demnächst öfters mal reinschauen.
Viele Grüße, A. Schmidt
LESERBRIEFE
Sehr geehrte Damen und Herren der bodo-Redaktion,
ich wolllte mich noch einmal für die Konzertkarten für
das Hannes-Wader-Konzert gestern bedanken. Es war
ganz toll, ein wunderschöner, angenehmer, entspann-
ter Abend. Ist wirklich ein toller Sänger, schön, dass es
so jemanden noch gibt, der so authentisch rüberkommt
und auch ernste, tiefgründige Texte schreibt.
War wirklich toll! Danke vielmals!
Mit freundlichen Grüßen, Sonja Rudolph
Sehr geehrte Damen und Herren,
für bodo scheint es in Dortmund nur den Westenhellweg
zu geben. Bei der Stellungnahme von Herrn Yetkin freut
er sich vor allem darüber, dass der Westenhellweg „um
die Ecke“ liegt. Dieser ist aber erst hinter der Reinoldi-
kirche und der Ostenhellweg liegt viel näher.
Bei dem Bericht „Schals und Jacken gegen die Kälte“
standen Sie angeblich auf Dortmunds klirrend kaltem
Westenhellweg. Diese Kirche liegt aber am Ostenhell-
weg! Das liegt daran, dass früher die entscheidende
Kreuzung an der Südwestseite der Reinoldikirche lag und
sich später dann zur Nordostseite hin verlagerte.
Mit freundlichen Grüßen, Eberhard Garburg
Schreiben Sie uns Ihre Meinung!
bodo e.V. | Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
oder eMail an: [email protected]
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