bodo januar 2013
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Die Januar-Ausgabe des StraßenmagazinsTRANSCRIPT
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08 | Weltraum, Werbung, Witten | Ein Besuch im »Charles Wilp Space«
14 | Srebrenica, vergessene Stadt | Ein Dortmunder hilft in Bosnien
11 | Das andere Bochum | Eine Stadtführung mit bodo-Verkäufern
21 | 16 Verlosungen | z.B. Jazzfestival Dortmund im Fritz-Henßler-Haus
1.80 EuroJanuar 2013 | 90 Cent für den Verkäufer bodo
Das Straßenmagazin
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EDITORIAL
BODO E.V. – SO ERREICHEN SIE UNS
Herausgeber | Verleger | Redaktion
bodo e.V.
Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20
Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.:
Bastian Pütter | [email protected]
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Layout und Produktion:
Andre Noll | Büro für Kommunikationsdesign
0231 – 106 38 31 | [email protected]
Veranstaltungskalender:
Benedikt von Randow | [email protected]
Anzeigenleitung:
Bastian Pütter | [email protected]
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Vertriebsleitung:
Oliver Philipp | [email protected]
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Autoren dieser Ausgabe:
Bianka Boyke (bb), René Boyke (rb), Guido
Fahrendholz, Sandro Giuri (sg), Wolfgang
Kienast (wk), Jens Mayer (jm), Bastian Pütter
(bp), Benedikt von Randow (bvr), Dr. Birgit
Rumpel (biru), Sebastian Sellhorst (sese)
Fotos: Bianka Boyke (12, 32, 33), Andre Noll
(3, 4, 5, 8, 9, 10, 11), Dirk Planert (3, 14,
15, 16), Daniel Sadrowski (3, 28, 29, 30, 38),
Sebastian Sellhorst (6, 7, 31, 39), Claudia
Siekarski (2, 6, 18)
Titelbild: Andre Noll
Zeichnungen + Cartoons: Volker Dornemann
Druck: Gebr. Lensing GmbH & Co. KG.
Auflage | Erscheinungsweise:
16.000 Exemplare (BO, DO und Umgebung)
Redaktions- und Anzeigenschluss:
für die Februar-Ausgabe 10.01.2013
Anzeigen:
Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 8, Juli 2012
Vertriebe:
Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum
Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist
kostenfrei, aber ohne Gewähr. Für unaufgefordert
eingesandte Fotos oder Manuskripte wird keine
Haftung übernommen. Das Recht auf Kürzung
bleibt vorbehalten. Abdruck und Vervielfältigung
von redaktionellen Beiträgen und Anzeigen be-
dürfen der ausdrücklichen Genehmigung der
Redaktion. Leserbriefe und namentlich gekenn-
zeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die
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Di. und Do. von 10 – 13 Uhr
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Stadtsparkasse Dortmund
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Bank für Sozialwirtschaft Essen
BLZ 370 205 00 | Kto. 722 39 00
IMPRESSUM
02
Liebe Leserinnen und Leser,
wir alle bei bodo wünschen Ihnen ein gutes und
gesundes 2013!
Und wir möchten uns bedanken: Danke für Ihre
großzügige Unterstützung unserer Spendenak-
tion „Gute Geschichten“. Mit Ihrer Hilfe werden
wir unser Beratungsangebot ausbauen, denn das
ist dringend nötig. Immer mehr Menschen in Not
kommen zu uns. Erstberatung, Begleitung und die
Vermittlung zu Fachstellen haben deutlich zuge-
nommen und sind in den bestehenden Strukturen
kaum zu leisten.
Wenn Sie uns mit Ihrem persönlichen Einsatz unter-
stützen möchten – wir freuen uns auf Sie! Unser
Projekt Ehrenamt freut sich auf UnterstützerInnen,
z.B. bei der Betreuung unserer Verkäuferinnen und
Verkäufer oder bei der Durchführung von Infoständen.
Vielen Dank auch für den Erfolg unserer Weih-
nachtsausgabe. Mit acht Seiten mehr als sonst
und einer von Weltbestseller-Autor Paulo Coelho
den Straßenzeitungen geschenkten Weihnachtsge-
schichte konnten wir so viele Leserinnen und Leser
erreichen wie noch in keinem Monat in den letzten
Jahren. Schreiben Sie uns, was Sie gerne lesen wür-
den in bodo, was Ihnen gefällt oder nicht zusagt.
Und schreiben Sie uns, wie Ihre Erfahrungen mit
unseren Verkäuferinnen und Verkäufern sind.
Gerade in der Weihnachtszeit haben wir hin und
wieder Menschen angetroffen, die ohne Verkäu-
ferausweis das Straßenmagazin angeboten haben.
Das ist für uns ein Problem, denn unsere regulären
VerkäuferInnen unterschreiben Vereinbarungen, mit
denen sie das Einhalten unserer Regeln zusichern,
und sie erhalten feste Verkaufsplätze. Das Wei-
tergeben von Zeitungen zwecks Weiterverkauf ist
ausdrücklich untersagt.
Deshalb eine Bitte: Kaufen Sie nur bei Verkäufer-
innen und Verkäufern, die ihren Ausweis sichtbar
tragen. Um es für unsere VerkäuferInnen und ihre
Kundinnen und Kunden noch einfacher zu machen,
werden ab Januar neue Ausweise ausgegeben. Auf
farbig bedruckten, wetterfesten Kunststoffkarten
ähnlich einer Scheckkarte finden sich Foto, Name
und Nummer des Verkäufers oder der Verkäuferin
und unsere Kontaktdaten.
Nach einer Vielzahl von Veranstaltungen im Dezem-
ber haben wir für das neue Jahr einen regelmäßigen
Termin für unsere Kulturabende gefunden. „Zweiter
Freitag“ heißt unsere Reihe, und dementsprechend
wird an jedem zweiten Freitag im Monat um 19.30
Uhr unser Dortmunder Buchladen öffnen für Klein-
kunst, Kabarett und Musik. In den nächsten Monaten
kommen zum Beispiel Jürgen und Rocco Wiersch mit
einer Blues-Auffrischung, Markus Veith mit einer
echten Premiere, Fräulein Nina zum „Internationalen
Fräulein-Tag“ und „Ghostwriter“ Thomas Koch. Also
bitte vormerken: „Zweiter Freitag“ bei bodo.
Zurück zur Straße: Wir freuen uns, wenn Sie auch in
diesem Jahr – und gerade in der kalten Jahreszeit –
unsere Verkäuferinnen und Verkäufer „von der Stra-
ße lesen“ und uns weiterempfehlen. Erzählen Sie
Menschen in Armut von unseren Angeboten, und
wenn Sie Winter- und Kinderkleidung abzugeben
haben und im Bücherregal Platz schaffen möchten:
Wir freuen uns auf Ihre Sachspenden!
In diesem Monat vermissen Sie vielleicht unsere
beiden schreibenden Verkäuferinnen Rosi und Mai-
ke. Die gute Nachricht: Beide sind wieder gesund,
waren bei unserer großen Weihnachtsfeier schon
wieder dabei und senden Ihnen wie wir alle
herzliche Neujahrsgrüße von bodo.
Bastian Pütter – [email protected]
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INHALT 03
02 Editorial | Impressum
04 Menschen Stefan Keim von Dr. Birgit Rumpel
Seine Stimme kennen Hörer der einschlägigen Kultursender, regelmäßig
berichtet er über kulturelle Ereignisse und liefert sehr unterhaltsame Thea-
terkritiken ab. Wir sprachen mit dem Kulturjournalisten, Kritiker, Entertai-
ner, Autor und Familienvater Stefan Keim.
06 Neues von bodo
08 Reportage Charles Wilp Space von Jens Mayer
Weltraum, Werbung, Wirkung: Wilp. Er ist eine deutsche Werbeikone und
der erste Künstler, dessen Werke das Prädikat „außerirdisch“ wirklich
verdienten. Seine Geburtsstadt Witten präsentiert die Welten von Charles
Wilp in einer ungewöhnlichen Umgebung.
11 Neues von bodo bodos soziale Stadtführungen von Bastian Pütter Wie verbringen eigentlich Menschen auf der Straße ihren Tag? Wo halten
sie sich auf, welche Angebote und Hilfen gibt es? Wie sieht die Stadt aus
der Sicht der „Menschen am Rand“ aus? Bei bodos sozialer Stadtführung
zeigen Verkäufer des Straßenmagazins „ihr“ Bochum.
12 Recht Am Abmahn-Pranger von René Boyke
Warum das Veröffentlichen von Namen im Internet durch Rechtsanwalts-
kanzleien im Rahmen von Abmahnverfahren gegen das Persönlichkeitsrecht
verstößt, erklärt Rechtsanwalt René Boyke.
12 Kultur Schöne fiese Apple-Welt von Dr. Birgit Rumpel
Mike Daisey denkt über die Herstellung von Mobiltelefonen nach. Die
Ergebnisse seiner Recherchen und die Reflektion über das eigene Konsum-
verhalten schrieb er in einem Monolog auf, der im Schauspiel Dortmund
gerade Deutschlandpremiere feiert.
13 Wilde Kräuter Hagebutte.4 von Wolfgang Kienast
Zur Konservierung von Lebensmitteln sind zahlreiche Geschichten überlie-
fert, darunter Komisches, Tragisches oder Skurriles. Wer sich selbst an der
Haltbarmachung von Lebensmitteln versuchen will, bekommt diesmal ein
leckeres Rezept für kandierte Hagebutten.
14 Reportage Srebrenica, vergessene Stadt von Bastian Pütter Der Journalist Dirk Planert war 14 Jahre lang eine der Nachrichtenstimmen
von Radio 91.2. Von 1992 bis 1994 riskierte er als humanitärer Helfer in den
Balkankriegen sein Leben und fuhr Medikamente und Lebensmittel durch die
Kampflinien. Nun ging er zurück nach Bosnien, wieder um zu helfen.
18 Kommentar Wie arm ist das denn? von Bastian Pütter
Armut ist Thema. Über eine mangelnde Präsenz in den Medien kann sich
niemand beschweren, die Daten sind gut aufbereitet, „nachrichtenfähig“
und geben gute Schlagzeilen ab. Und dann?
18 News | Skotts Seitenhieb
20 Netzwelt foodsharing.de von Sebastian Sellhorst
Über 80 Kilo Lebensmittel wirft jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr
in den Müll. Mehr als die Hälfte davon wäre noch verwertbar gewesen.
Diesem Trend möchte das Projekt foodsharing.de entgegenwirken.
20 Kinotipp Dokumentarfilmfest: Stranger than Fiction im endstation.kino
21 Veranstaltungskalender | Verlosungen | von Benedikt von Randow
28 Porträt Johannes Klais von Wolfgang Kienast
Johannes Klais ist Kameramann. Um zu entspannen hat er einen eher un-
gewöhnlichen Ort und dort eine nicht weniger seltsame Tätigkeit für sich
entdeckt. Wir trafen ihn im Dortmunder Stadtarchiv, wo er aktuell eine
Unzahl bislang nicht ausgewerteter Filmdokumente sichtet.
31 Verkäufergeschichten Sefa protokolliert von Sebastian Sellhorst
Als Kleinkind kommt Sefa mit seiner Mutter nach Dortmund, geht zur
Schule, macht eine Lehre. Seit er vor einigen Jahren schwer erkrankt ist,
bekommt er eine kleine Rente. Mitte letzten Jahres kommt er über einen
Freund zu bodo. Seitdem verkauft er in Dortmund das Straßenmagazin.
32 Reportage Ein vergessener Ort von Bianka Boyke
Das ehemalige KZ-Außenlager Buchenwald in Dortmund-Huckarde.
34 Interview Der geschönte Armutsbericht von Guido Fahrendholz
Die wachsende Armut in Deutschland ist keine Meinung – sondern eine
Tatsache. Ein Interview mit Thomas Öchsner von der Süddeutschen Zeitung
und Christian Woltering vom Paritätischen.
36 Literatur | gelesen von Sandro Giuri
37 Rätsel | von Volker Dornemann
38 bodo geht aus Kugelpudel von Sebastian Sellhorst
Mitte Dezember eröffneten Julia Bernecker und Kevin Kuhn ihre Szene-
Eisdiele „Kugelpudel“ in Bochum-Ehrenfeld. Vom Eis-Cocktail bis zur
Rohkost-Torte wird dort alles ohne Farb- und Zusatzstoffe und in eigener
Produktion zubereitet.
39 Leserseite | Cartoon
Unser Titelbild der Januar-Ausgabe:
Ingrid Schmidt-Winkeler im Charles Wilp Space (S. 8)
Foto: Andre Noll
04280814 11
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Stefan KeimEin Tausendsassa in Kultur
MENSCHEN | von Dr. Birgit Rumpel | Fotos: Andre Noll04
Wir treffen ihn in einem Café im Dortmunder Kreuzviertel, das regelmäßig für ihn auch zur Bühne wird: Kulturjournalist, Kritiker, Enter-tainer und Autor Stefan Keim. Gut gelaunt freut er sich auf einen Kaffee und eine Extra-portion Kalte Schnauze. „Ich bin ein Süßig-keitenfanatiker – man sieht’s ja auch.“
Seine Stimme kennen Hörer der einschlägigen
Kultursender, regelmäßig berichtet er über kul-
turelle Ereignisse und liefert sehr unterhaltsame
Theaterkritiken ab. Die Frage nach seinem Beruf
kann selbst der eloquente und stimmgewaltige
Keim nicht mit einem Satz beantworten: „Ich
habe mich selbst mal Worthure genannt, weil ich
ja alles mache, was mit Sprache zu tun hat, und
in fast jeder Hinsicht käuflich bin.“ Denn neben
seinem Haupterwerb als Kulturjournalist ist er mit
eigenen Programmen auf Kleinkunstbühnen und
in Literaturcafés landesweit unterwegs, moderiert
Veranstaltungen, schreibt Reden und Kabarettpro-
gramme für Kollegen und unterrichtet Nachwuchs-
journalisten. „Ich habe einen seltsamen Cross-
over-Beruf, eine Mischung aus Kulturjournalismus,
Schauspielerei und Arbeit als Künstler.“
Den typischen „Nine-to-five-Arbeitstag“ gibt es
bei ihm nicht. Einen idealen Tag beschreibt er
so: Morgens zu Pressevorführungen ins Kino in
Köln oder Düsseldorf, nachmittags recherchieren
und schreiben oder Probe mit Kollegen, abends
ins Theater gehen oder selber spielen. „Ich habe
ein tolles Leben. Ich beschäftige mich ja nur mit
Sachen, die mir einen Riesenspaß machen, habe
mein Hobby zum Beruf gemacht und kann meine
Familie damit ernähren.“
Also gibt es für den 45Jährigen doch noch ein
Leben jenseits der Radiosender, Theater und
Kleinkunstbühnen. Mit Ehefrau, drei Kindern
und einem alten Mops lebt er in Wetter, wo er
auch aufgewachsen ist. „Ich musste erst lernen,
dass Kinder und Familie ein Recht auf Zeit und
Aufmerksamkeit haben, meine Frau hat es mir
beigebracht“, gesteht er ein. „Manchmal bin ich
auch nachmittags zu Hause, das entschädigt die
Kinder für die viele Zeit, die ich unterwegs bin.“
Die Kultur hat ihn schon in jungen Jahren be-
geistert. In der Schule spielte er in der Theater-
5
05
AG, besuchte mit Freunden Sinfoniekonzerte in
Witten. „Damals waren dort absolute Superstars
zu sehen, mit meinem Schüler-Abo war das er-
schwinglich.“ Später ging es regelmäßig nach
Bochum. „Als Peymann dort Intendant war, habe
ich meine Freizeit fast komplett im Bochumer
Schauspielhaus verbracht.“ Die 5 DM für eine
Schülerkarte verdiente er sich mit Nachhilfeun-
terricht und ersten Artikeln für die lokale Pres-
se. „Ohne Subventionen wäre mein Zugang zur
Kultur so gar nicht möglich gewesen, deswegen
rege ich mich auch immer über die ständigen
Kürzungen im Kulturbereich auf.“
Die Idee, Schauspieler zu werden, redete der
Vater ihm aus. Also studierte Stefan Keim in
Dortmund Journalistik und parallel in Bochum
Theater, Film- und Fernsehwissenschaften, ohne
jedoch einen Abschluss zu machen. „Ich habe
studiert, weil mich das alles so interessierte,
die Abschlüsse waren mir wurscht.“ Stattdessen
nutzte er die Gelegenheit, sich nach dem Vordi-
plom während der praktischen Ausbildung in der
Kultursparte des WDR-Hörfunks zu etablieren.
Doch der Hang zur Rampe ist geblieben. Wenn er
nicht andere auf der Bühne beobachtet, steht er
selbst vor Publikum, u.a. als Ensemblemitglied
von Melange e.V., einem Verein, der Kaffeehäu-
ser als Orte für Literatur und Kleinkunst nutzt.
Verschiedene Programme hat er geschrieben und
trägt sie allein oder im kleinen Ensemble vor.
Gern verarbeitet er dabei aktuelles Tagesgesche-
hen zu Persiflagen auf einschlägige Genrelitera-
tur wie Krimis, Western oder Thriller. Da kämpft
schon mal die Mafia auf dem Hühnerhof und es
kommt zum Angriff der Killerküken. „Das sind
unterhaltende Sachen – nicht zu anspruchsvoll,
aber auch nicht zu blöde.“
Wie kommt man mit zwei konträren Rollen klar –
einmal Kritiker zu sein, und dann wieder selbst
Darsteller? „Mit Schauspielern fühle ich mich schon
eher solidarisch, da werde ich nur böse, wenn ich
merke, dass sich jemand nicht genug Mühe gibt.
Viel mehr schlage ich auf Regisseure ein.“ Seine
durchweg positive Grundstimmung kommt auch
den Kritiken zugute. Häme und Gehässigkeit fin-
det man darin nicht, sondern fundierte Argumen-
te, die zeigen, dass er sich mit einer Inszenierung
beschäftigt hat. „Die Theaterleute unter sich ge-
hen viel härter miteinander um.“
Die scheinbar permanent gute Laune bringt ihm
manchmal den Vorwurf ein, er lebe in einer Son-
nenscheinwelt. Dabei ist er ganz gut geerdet, seit
er seinen Zivildienst in der Altenpflege leistete.
„Ein alter Herr fiel mir tot in die Arme, so etwas
vergisst man nicht.“ In dieser Zeit hat er mehre-
re Menschen in den Tod begleitet, sodass er die
Scheu vor dem Tod ablegen konnte. „Tod ist etwas
Menschliches, es endet doch für uns alle.“
Stefan Keim kann den Tod als Teil des Lebens
betrachten, ihm positive Seiten abgewinnen. Als
Kulturexperte ist er in ständiger Rufbereitschaft
bei Todesfällen prominenter Künstler, so war es
etwa bei Peter Zadek und Christoph Schlingen-
sief. Wie schwer fällt so ein Nachruf, wenn man
selbst trauert? „Ich kann die Trauer gut ver-
schieben. Erst ist da ein kurzer Schockmoment,
dann geht es professionell los.“ Seine Spezialität
sind Nachrufe, bei denen man lachen kann. „Dar-
an habe ich tatsächlich Freude. Ich will klar-
machen, was uns diese Leute gebracht haben,
warum sie so toll waren.“ Auch kürzlich hatte
er dazu wieder Gelegenheit, als er für Deutsch-
landRadio Berlin die verstorbenen Künstler des
Jahres 2012 Revue passieren ließ. (biru)
INFO
Am 8.2.2013 im Fletch Bizzel, Dortmund:
Stefan Keim & Winfried Fechner
Schmand des Lächelns – Eine Reise durch
das Leben auf den Flügeln der Operette
6
06 NEUES VON BODO | www.bodoev.de | www.facebook.com/bodoev
bodo ist für Sie da
Geschäftsleitung
Tanja Walter
Verwaltung
Brigitte Cordes
Redaktion und
Öffentlichkeitsarbeit
Bastian Pütter
Vertrieb
Oliver Philipp
bodos Bücher
Suzanne Präkelt
bodos Bücher Online
Gordon Smith
Transporte und
Sachspenden
Brunhilde Dörscheln
montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr
unter dieser zentralen Rufnummer:
0231 – 950 978 0
Mail: [email protected] | Fax: 0231 – 950 978 20
Oder Sie besuchen uns:
Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr
Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum
Mo., Mi. u. Fr. 14 – 17 Uhr
Di. u. Do. 10 – 13 Uhr
Unsere – und Ihre – Taschen sind da! Dank einer Firmenspende und der großartigen Kooperation mit Jens Christof Micheel von RuhrGepäck be-kommen unsere Verkäufer nun wetterfeste und unverwüstliche Umhängetaschen!
Noch besser: Weil uns Taschen und Design (das
stammt von unserem Grafiker Andre Noll) so gut ge-
fallen, haben wir weitere Taschen in Auftrag gege-
ben, die wir ab sofort im Dortmunder Buchladen und
in der Bochumer Anlaufstelle anbieten.
Die Taschen gibt es in zwei Größen mit mehreren
ähnlichen Motiven zur Auswahl. Sie sind aus ech-
ter LKW-Plane, haben ein Innenfach mit Reißver-
schluss und einen Schultergurt aus original Auto-
sicherheitsgurt. Mit den Taschen lassen sich nicht
nur Straßenzeitungen knick- und regensicher trans-
portieren: Das Modell „Leisure“ ist groß genug für
DinA-4-Blöcke, „Cargo“ hat Platz genug für große
Ordner, Ihre Einkäufe, usw.
Sie erhalten die Taschen in unserem Dortmunder
Buchladen und der Bochumer Anlaufstelle und bei
unseren Info- und Buchständen – günstiger im
Vergleich zu identisch ausgestatteten RuhrGepäck-
Taschen!
bodo zum Umhängen Gute Geschichten
Im Januar läuft sie noch, unsere Spendenaktion „Gute Geschichten“: Menschen auf den Weg zu bringen, ihnen die Gelegenheit zu geben, neues Zu-trauen in die eigenen Kräfte zu gewinnen – das ist unsere Arbeit, und sie schreibt „gute Geschichten“.
Mehr als 100 Frauen und Männer, die das Straßenma-
gazin verkaufen, betreuen wir zurzeit. Inzwischen
kommen immer mehr Menschen in Not zu uns. Viele
sind verzweifelt, doch alle haben den Wunsch, ihr
Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen.
Sie können dabei helfen: Ermöglichen Sie uns, unsere
Beratungsangebote auszubauen und die Kontinuität
unserer Hilfen sicherzustellen. Denn Obdachlosigkeit
und Armut sind kein Schicksal. Der Weg aus der Krise
kann lang sein, aber wir helfen dabei, ihn zu gehen.
Wir freuen uns über jede Unterstützung, auch kleine
Spenden helfen. Wenn Sie lieber selbst Hand anlegen:
Unser Projekt Ehrenamt freut sich auf Ihre Mitarbeit,
zum Beispiel bei der Betreuung unserer Verkäufer-
Cafés. Und natürlich sind wir dankbar über Ihre Buch-
und Sachspenden. Vor allem Herren-Winterkleidung
und Kinderkleidung brauchen wir zurzeit dringend.
Mit Ihrer Spende schreiben Sie mit an diesen guten
Geschichten. Herzlichen Dank!
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Am 14.12. wurde groß gefeiert bei bodo. Unse-re Verkäuferinnen und Verkäufer trafen sich mit den MitarbeiterInnen aus den anderen Arbeits-bereichen zu einer Weihnachtsfeier in unseren Dortmunder Räumen.
Ein beeindruckendes Buffet (vielen Dank auch aus
der immer noch satten Redaktion an Buch-Chefin
Suzanne Präkelt), stimmungsvolle Live-Musik durch
unseren Verkäufer Otto, der ganz großartig Trompe-
te spielt, und dick gefüllte Geschenktüten für alle
– das war ein wirklich schöner Abend.
Für unsere Bochumer VerkäuferInnen hatten wir am
Tag vorher schon einen Weihnachtsbrunch ausgerich-
tet, denn einige scheuten die Anreise nach Dortmund
und sollten doch nicht leer ausgehen. So erfuhren die
Bochumer auch als erste von der Weihnachtsüberra-
schung, bei der uns viele, viele SpenderInnen über
die Plattform „Betterplace“ unterstützt hatten.
In den Weihnachtstüten war neben Süßem und
Gesundem auch ein warmer Kapuzenpullover in
leuchtendem bodo-rot. Ideal für die kalte Jah-
reszeit und doch ein „Ganzjahresgeschenk“. Dass
dann am gleichen Tag auch noch unsere neuen
Verkäufertaschen ankamen, war ein wirklich schö-
ner Zufall. Wir bedanken uns herzlich bei allen
UnterstützerInnen.
So viele Veranstaltungen wie im Dezember haben wir noch nie in einem Monat gestemmt, aber un-sere schönen Räume am Dortmunder Schwanen-wall wollen ja auch genutzt sein.
Am vollsten war es bei der Diskussion „In der
Hoffnung auf ein besseres Leben“, die der Euro-
mayday Ruhr bei uns ausrichtete. Gut 50 Gäste
diskutierten mit bodo und dem Madonna e.V. über
die Situation der ArbeitsmigrantInnen aus Bulga-
rien und Rumänien.
Bei uns wurde gelesen, wir waren auf drei Weih-
nachtsmärkten und Partner bei der Migrantenpop
Kinder- und Jugendwerkstatt, einem Projekt des
„Kulturrucksack Dortmund“. An zwei Wochenen-
den waren Kinder zwischen 10 und 12 bei uns, um
sich anzusehen, wie eine Zeitung gemacht wird.
Sogar richtige Interviews haben die Kinder geführt:
„Wir waren an vielen Stellen: Museum, Bäckerei, Ki-
osk, Café, Gemüseladen. Die Leute kamen aus Mazedo-
nien, Balve im Sauerland, Nordstadt, Türkei, Italien.
Wir haben einige Migranten interviewt. Die meisten
Leute wussten, was Migranten sind, aber es gab auch
Leute, die es nicht wussten. Die meisten haben ganz
verschiedene Hobbys und Lieblingsgetränke.“ – Viele
Grüße an unsere Nachwuchsreporter!
Weihnachten bei bodo Lesung, Werkstatt, Diskussion„Zweiter Freitag“ bei bodo
In unserem Buchladen startet am 11. Januar eine neue Veranstaltungsreihe. An jedem zweiten Freitag im Monat jeweils um 19.30 Uhr laden wir ein zu Musik, Lesungen, Kleinkunst und Kabarett zwischen Büchern.
Den Anfang machen Jürgen und Rocco Wiersch mit
einer Akustik-Variante ihres Programms „Blues-
Auffrischung“. Jürgen Wiersch lebt in Dortmund
und schnuppert und genießt seit 1979 Bühnenluft
als Dichter, Schauspieler und Performer. Er ist als
Schriftsteller mehrfach ausgezeichnet und einer
der Pioniere des Poetry-Slam in Deutschland. Sein
Sohn Rocco, Ausnahmegitarrist und regelmäßi-
ger Bühnenpartner seines Vaters, überrascht mit
höchst beeindruckendem Gitarrenspiel und seiner
Reibeisenstimme.
Nächster Gast bei „Zweiter Freitag“ wird am 8. Fe-
bruar der Schauspieler, Regisseur und Autor Markus
Veith sein mit einer Premieren-Werkstattlesung
seines neuen Stücks „Eulenspiegels Enkel“. Der
Aufstieg und Fall eines modernen Eulenspiegel, der
nicht anders kann, als in Reimen zu sprechen, wird
zuallererst bei uns zu erleben sein.
Die Höhe des Eintrittsgeldes bestimmen die Gäste in
Form einer kleinen Spende selbst, warme und kalte
Getränke gibt es gegen Spende.
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09Reportage | von Jens Mayer | Fotos: Andre Noll
Afri-Cola und die Tränen der Ariane
Charles Wilp SpaceWeltraum, Werbung, Wirkung: Wilp. Er ist eine deutsche Werbeikone und der erste Künstler, dessen Werke das Prädikat „außerirdisch“ wirklich verdienten. Seine Geburtstadt Witten präsentiert die Welten von Charles Wilp in ei-ner ungewöhnlichen Umgebung.
Schon aus einiger Entfernung kann Ingrid
Schmidt-Winkeler erkennen, dass etwas schief
gegangen sein muss. Neben dem Parkplatz, auf
dem der Schwertransport mit dem Futuro-Haus
Halt machen musste, um auf die nächtliche Wei-
terfahrt über die gesperrte Autobahn nach Wit-
ten zu warten, kann sie Kräne, Polizei- und ADAC-
Einsatzfahrzeuge sehen. Es ist früher Abend, die
Verkehrsnachrichten raten dazu, das Kreuz Dort-
mund-Witten weiträumig zu umfahren.
Der Witwe von Charles Wilp schwant Böses. Das
vom finnischen Architekten Matti Suuronen ent-
worfene Gebäude mit acht Metern Durchmesser
sollte in zwei Fahrten aus dem ostwestfälischen
Vlotho in die Geburtstadt Wilps transportiert wer-
den. Schmidt-Winkeler selbst begleitet den spek-
takulären Umzug im Schneckentempo mit einem
Kamerateam: „Es war ein sehr aufregender Anblick,
wie es auf den Tieflader kam. Die Fenster mussten
herausgenommen werden, das Standgerüst musste
abgeschweißt werden.“ In den frühen Morgenstun-
den hatte sie den Transporter mit der auffälligen
Ladung verlassen, der sicher auf dem Rastplatz ab-
gestellt werden konnte. Vor Ort wird sie aufgeklärt:
„Wie sich herausstellte, hatte der Fahrer eines spa-
nischen Transporters bei der Auffahrt auf die Auto-
bahn gedacht, es sei ein Ufo gelandet, das Lenkrad
herumgerissen und war umgekippt.“ Glücklicher-
weise gibt es keine Verletzten, auch der Fahrer aus
Madrid kommt mit dem Schrecken davon. Die Pres-
se nimmt den Vorfall dankend auf: „Carambo, Cara-
cho, ein UFO!“ kommentiert der Express am 29. Mai
2010 begeistert. Frau Schmidt-Winkeler muss lä-
cheln. Das passt zu ihrem Mann, dem Werbe-Profi:
„Das hat bestimmt Charles wieder mit beeinflusst,
damit was in die Medien kommt.“
Heute steht das einem afrikanischen „Round-
house“ nachempfundene Gebäude aus Plastik vor
einem alten Pumpengebäude. Die Besucher kön-
nen es besichtigen und sich von der eigentümli-
chen Atmosphäre in dem Bau überzeugen, in dem
der „Werbe-Guru der 60er“ seine Ideen entwickel-
te. Am 15. September 2012 eröffnete der Charles
Wilp Space zum achtzigsten Geburtstag des 2005
verstorbenen Künstlers. Das ist vor allem W. Erik
Böhmer zu verdanken. Der Geschäftsführer der Ei-
senwerke Böhmer und Vorsitzender des Förderver-
eins Charles Wilp Modul hat sich dafür eingesetzt,
den Nachlass des „ersten ARTronauten“ in Witten
präsentieren zu können. Der ungenutzte Teil des
Wasserwerks habe geradezu nach Wilp geschrien,
bestätigt Schmidt-Winkeler: „Mein Mann hat im-
mer schon gesagt, dass die Kunst zum Menschen
kommen muss, Museen waren für ihn nie der Sinn.
Und dann jetzt hin zu den Menschen im Ruhrge-
biet und seiner Geburtstadt – das fand ich eine
schlüssige Sache.“ Während das Märkische Mu-
seum die Fotografien „Sozialliberales Kabinett“
zeigte, startete zeitgleich die Ausstellung „Or-
bital Elements“ in der eigenartigen Umgebung:
„Es hat diesen klassischen Kubus-Schnitt des
Bauhauses“, findet Wilps Witwe. „Ein spannendes
Gebäude, das in sich schon wirkt.“
Fotograf, Werbefachmann, Regisseur, Dirigent
und „Prince of Space“ (Yves Klein) – der 1932 als
Sohn eines Dachdeckermeisters und einer Bau-
Ω Gut gelandet: Das Futuro-Haus vor der ehemaligen
Pumpenstation. Ingrid Schmidt-Winkeler begleitet
unseren Redakteur Jens Mayer in die Ausstellung.
∆ „Orbital Elements“ erwarten den Besucher auf zwei
Etagen. Im Hintergrund das Porträt des 2005 verstor-
benen Multi-Künstlers Charles Wilp.
10
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erntochter geborene Charles Paul Wilp hatte viele
Professionen. In den 1960er Jahren sorgt er mit
dem Konzept eines Werbeklassikers für Aufsehen,
der den Zeitgeist auf den Punkt bringt: „Super-
sexy-mini-flower-pop-op-cola – alles ist in Afri-
Cola“. Sinnlich dreinblickende Nonnen hinter ei-
ner eisigen Scheibe sorgten erwartungsgemäß für
Kontroversen, doch darüber hinaus ist das audio-
visuelle Konzept Wilps programmatisch. Es folgen
weitere Klassiker-Kampagnen für Puschkin Vodka
(„Für harte Männer“) und VW („Er läuft und läuft
und läuft...“). 1970 fotografiert er das erste sozi-
alliberale Kabinett unter Willy Brandt erstmals in
persönlicher Pose. „Human Image“ nennt das Wilp
und fordert damit Politgrößen wie Hans-Dietrich
Genscher und Walter Scheel heraus. Zwei Jahre
später wird Wilps Werbekunst Teil der documenta
5 in Kassel.
In den 80er Jahren heben seine Werke endgültig
ab. Nicht nur, dass seine Arbeiten auf der Raum-
station MIR den Globus umkreisen, neben Wissen-
schaftlern und Astronauten steht Wilp selbst auf
einer Liste, die ihm die Chance in Aussicht stellt,
selbst mit ins All zu fliegen. Doch auch auf der Erde
bleibt er nicht untätig: Er konstruiert einen „Mars-
Penetrator“, mit dem er durch Fernsteuerung in
den Mars-Sand malen will. Zudem stellt ihm die
ESA für seine Arbeit Trümmer der abgestürzten
Ariane 5 zur Verfügung. Auf deren Basis entstehen
einige seiner imposantesten Kunstwerke.
Bis zum April widmet sich Orbital Elements dieser
letzten großen Phase in Wilps Schaffen. „Dann
wird im Pumpengebäude weiter restauriert und
renoviert“, erklärt Schmidt-Winkeler. Vielleicht
werde man „einen richtigen Werbe-Rausch“ er-
sinnen oder die Arbeiten der zahlreichen Weg-
gefährten ihres Mannes präsentieren. Sie könne
sich aber auch eine ganz andere Nutzung des
Gebäudes vorstellen, für Konzerte zum Beispiel.
„Wir wollen kein Wilp-Mausoleum sein. Wir wol-
len Dinge entwickeln, und eine Denkfabrik haben,
in der verschiedenste Bereiche des menschlichen
Wissens aufeinandertreffen. Am liebsten natür-
lich in unserem Futuro-Roundhouse“, erläutert
sie. „Ich möchte gerne diese Wittener Runde,
die schon angedacht ist, nach vorne treiben und
regelmäßige Gesprächskreise veranstalten: Kunst
trifft Wirtschaft, Wissenschaft, Weltraumfahrt,
Religion und Philosophie.“
Im zweiten Jahr strebe man zudem endlich eine
Öffnung des Gebäudes zu den üblichen Museums-
zeiten an, denn momentan ist ein Besuch nur
nach Voranmeldung möglich. „Bislang haben wir
als Verein alles alleine gestemmt, ohne öffentli-
che Mittel, darauf sind wir sehr stolz. Aber wenn
es weitergehen soll und wir uns öffnen wollen,
geht es nicht mehr ohne.“
Zum Abschied gibt sie den Besuchern selbstver-
ständlich eine Flasche Afri-Cola mit auf den Weg.
Dann erzählt sie noch von ihrem Traum, irgendwann
auch einmal das Artmodul Michelangelo: WXLP auf
dem Gelände zu installieren. Die sieben Meter lan-
ge und zwei Meter hohe Röhre, die während der
Millennium-Ausstellung im Berliner Gropius-Bau zu
besichtigen war, als Wilp die Sektion „Weltraum“
verantwortete, sollte als erste Kunstakademie im
Weltraum an die ISS angedockt werden. „Darin gibt
es diese rotierenden Röhren, in denen Spacy Lucy,
die schwerelose Bordärztin abgebildet ist. Wenn
man auf diesem schmalen Steg durch die Röhre
geht, verliert man wirklich die Verbindung zur Re-
alität. Der Körper weiß nicht mehr wo links, wo
rechts, oben oder unten ist. In Berlin sind die Men-
schen reihenweise umgekippt. Deswegen mussten
wir ein Geländer anbringen.“ (jm)
INFO www.charleswilp.org
Ingrid Schmidt-Winkeler vor der großen Fotogalerie. Das Porträt des französischen Malers, Bildhauers und Performance-Künstlers Yves Klein hat ihr Ehemann 1959 fotografiert.
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11NEUES VON BODO | von Sandro Giuri | Foto: Andre Noll
bodo-Verkäufer zeigen das andere BochumSoziale Stadtführung ab dem 19. Januar:
Wie verbringen eigentlich Menschen auf der Stra-ße ihren Tag? Wo halten sie sich auf, welche An-gebote und Hilfen gibt es? Wie sieht die Stadt aus der Sicht der „Menschen am Rand“ aus? Bei bodos sozialer Stadtführung zeigen Verkäufer des Stra-ßenmagazins „ihr“ Bochum.
Bei einem zweistündigen Rundgang gibt es neue
An- und Einsichten zu gewinnen. Entlang des Tages-
ablaufs eines Menschen ohne Wohnung besuchen die
Stadtführer Orte und Einrichtungen, beschreiben ei-
gene Erfahrungen und liefern Informationen zu den
Hilfe- und Selbsthilfenetzen in der Stadt. Sandro Giu-
ri hat sich die Tour vorab einmal zeigen lassen.
Morgens halb elf in Deutschland: „Hey, du musst
Sandro sein“, begrüßt mich Markus in der Bochumer
Ausgabestelle des bodo e.V., Start und Zielpunkt der
sozialen Stadtführung. Bevor es losgeht, gibt es noch
eine heiße Tasse Kaffee zur Stärkung – bei dem Winter-
wetter sicher nicht verkehrt. Vor der Tür fängt Markus
an zu erzählen: Über die Aufgaben des Vereins, das
alltägliche Treiben innerhalb der Anlaufstelle, die Vor-
aussetzungen, um bodo-Verkäufer zu werden, und auch
ein wenig von sich selbst. Dann geht es auch schon zur
nächsten Station, der Beratungsstelle für wohnungs-
lauf eines Obdachlosen“, erklärt mir Markus. Morgens
bodo-Zeitungen holen, dann bei der Wohnungslo-
senhilfe ins Postfach schauen, mittags zum Essen in
die Suppenküche, danach auf einen Kaffee zur Bahn-
hofsmission und im Anschluss die Suche nach einem
Schlafplatz. Hört sich romantischer an, als es ist.”
Das letzte Ziel unserer Stadtführung und direkter
Nachbar der Bochumer Ausgabestelle von bodo ist der
Tagesaufenthalt der Diakonie, auch hier treffen wir
freundliche Menschen, und ich erfahre viel Neues zum
Alltag auf der Straße. Zum Abschluss gibt es ein Ge-
tränk bei bodo und Zeit, über die Fülle von Eindrücken
zu sprechen, die ich auf dieser außergewöhnlichen und
spannenden Tour durch Bochum machen durfte – mit
einem Tourguide, der weiß, wovon er spricht. (sg)
INFO
An jedem 3. Samstag im Monat ist um 11 Uhr Treff-
punkt an der Bochumer Anlaufstelle des Vereins in der
Stühmeyerstraße 33. Erster Termin ist der 19. Januar.
„Teilnahmegebühr“ ist der Kauf eines Straßenmaga-
zins bei unserem Stadtführer. Über eine kleine Spen-
de an den Verein freut sich bodo. Stadtführungen
können auch von Gruppen gebucht werden. Um tele-
fonische Anmeldung wird gebeten: 0231 – 950 978 0.
lose Männer. Marcus erzählt mir von den Problemen,
mit denen Menschen auf der Straße konfrontiert sind,
davon, dass die Beratungsstelle die postalische Anmel-
dung ermöglicht und vieles mehr.
Unser nächstes Ziel ist die Suppenküche – „zum Mit-
tagessen“, sagt Markus grinsend. Doch aus Respekt
enthält die Stadtführung keinen direkten Besuch.
Verständlich – wer möchte schon beim Mittagessen
gestört werden. Markus versorgt mich auch hier mit
den nötigen Infos. Zirka 35.000 Besuche zählt die
Suppenküche im Jahr. Eine Zahl, die hängen bleibt.
Von der Suppenküche geht es weiter zur Bahnhofsmis-
sion. Markus erläutert mir hier bei Kaffee und Speku-
latius, für wen alles die Einrichtung der erste Anlauf-
punkt ist. Frisch gestärkt geht es über den Ostring in
Richtung Stadion. Unterwegs sehe ich links im Fens-
tervorsprung eines Restaurants einen Obdachlosen
schlafen. Vielleicht ist es genau das, was die Stadt-
führung mit Markus bewirkt: einen sensibleren Blick.
Unsere vierte Station ist die Einrichtung SchlafamZug,
die Bochumer Übernachtungsstelle für Jugendliche.
Das Haus ist leuchtend orange, aufgefallen ist es mir
bisher nie. „Bis hierhin ist die Tour wie der Tagesab-
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KULTUR | von Dr. Birgit Rumpel12 RECHT | von Rechtsanwalt René Boyke
Internet:Am Abmahn-Pranger
An dieser Stelle habe ich bereits mehrfach
über Abmahnungen aufgrund von „Internet-
delikten“ gesprochen. Bekanntlich kann das
rechtswidrige Herunterladen nur eines ein-
zigen Liedes oder Filmchens aus dem Inter-
net bereits einige hundert Euro kosten.
Um diese Forderungen durchzusetzen,
gibt es Anwälte, die sich etwas Besonde-
res einfallen lassen. So drohte eine Grup-
pe von Rechtsanwälten regelmäßig damit,
bei Nichtzahlung der in der Abmahnung
geforderten Beträge den Namen der Abge-
mahnten im Internet zu veröffentlichen.
Pikant. Denn die Abmahnungen hatten das
illegale Herunterladen bzw. Anbieten von
Pornofilmen zum Gegenstand. Von einem
Abgemahnten forderten die Anwälte für das
Herunterladen eines Pornofilms aus, bzw.
Hochladen eines solchen in das Internet,
1.286,80 Euro. Bei Nichtzahlung kündigten
sie die Veröffentlichung des Namens des
Anschluss-inhabers an.
Der Abgemahnte wehrte sich dagegen, rief –
peinlich genug – das Landgericht Essen an.
Dieses sah den Abgemahnten in seinem Recht
auf Anonymität verletzt und entschied: „Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst das
Recht einer Person auf Selbstbestimmung.
Dazu gehört auch, in gewählter Anonymi-
tät zu bleiben und die eigene Person nicht
in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen.
Durch die Nennung in einer sog. ,Gegner-
liste‘ würde die Antragsgegnerin mit ihrem
Namen in einer für jedermann zugänglichen
Quelle genannt und dadurch in ihrem Recht
auf Anonymität verletzt.“ Weiter führte das
Gericht aus, was sich jedem aufdrängt: „Dies
gilt vorliegend (...) auch deshalb, weil die An-
tragsstellerin befürchten muss, (...) in ihrem
sozialen Ansehen beeinträchtigt zu werden.“
Der Fall zeigt deutlich, dass bei Abmahnun-
gen im Urheberrecht mit harten Bandagen
gekämpft wird. Niemand will ernsthaft Ur-
heberrechtsverstöße ignorieren. Allerdings
ist es völlig unangemessen, jedem, z.B. im
Rahmen einer Google-Suche, bekannt zu ma-
chen, dass der Nachbar oder Arbeitskollege
angeblich Delinquent einer Urheberrechts-
verletzung ist. (rb)
www.kanzlei-boyke.de
Ein paar unscharfe Fotos auf seinem fabrik-neuen iPhone brachten den Autor Mike Daisey dazu, über die Herstellung von Mobiltelefonen nachzudenken. Die Ergebnisse seiner Recher-chen und die Reflektion über das eigene Kon-sumverhalten schrieb er in einem Monolog auf, der im Schauspiel Dortmund gerade Deutsch-landpremiere feiert.
„I‘m honored to be here today“, tönt es wieder
und wieder aus Lautsprechern, während die letz-
ten der ca. 80 Zuschauer ihre Plätze im Studio
einnehmen, nicht in nummerierten Stuhlreihen,
sondern auf bunt gemischten Sitzgelegenheiten
aller Art, arrangiert zu lockeren Sitzgruppen.
Das Publikum ist Teil der Bühne, umrahmt von
schlichten Kulissen, die verschiedene Szenerien
andeuten, sowie Requisiten, die an die Anfänge
des Computerzeitalters erinnern.
„Es ist mir eine Ehre, heute hier zu sein“, mit die-
ser Floskel begann Steve Jobs 2005 seine berühmt
gewordene Rede vor Absolventen der Universität
Stanford. Heute ist er, der im Oktober 2011 starb,
zwar nicht dabei, aber doch sehr präsent. Denn
es geht um seine Geschichte, die untrennbar mit
der Apple-Firmengeschichte verwoben ist. Anders
als in Stanford folgen im Studio am Dortmunder
Schauspielhaus keine biografischen Erzählungen
des Apple-Gründers, sondern der Monolog „Die
Agonie und die Ekstase des Steve Jobs“ des ameri-
kanischen Autors Mike Daisey. Verkörpert wird die-
ser in der deutschsprachigen Erstaufführung von
dem Schauspieler Andreas Beck, der den 90minüti-
gen Monolog so authentisch präsentiert, dass man
sich in einer ganz privaten Unterhaltung wähnt.
„In meiner Jugend war ich Leistungsschwimmer,
da habe ich gelernt, die Langstrecke einzuteilen“,
verrät er nach der Vorstellung.
Mit seiner beeindruckenden Präsenz nimmt Beck
die Zuhörer mit hinter die Kulissen der modernen
Kommunikationswelt und zeigt ihnen, wo wir heu-
te angekommen sind: Besitzer mobiler Endgeräte
sind zu reinen Nutzern degradiert, quasi entmün-
digt. Mit immer schnelleren Produktzyklen und
Updates sowie unverzichtbaren Apps werden sie
an ihren Anbieter gekettet, neue Produkte werden
als Innovationen verkauft, die sich bei näherem
Hinsehen als Rückschritt entpuppen. Spätestens
jetzt geht ein bestätigendes Nicken durch das Pu-
blikum. Das kennt man irgendwie, man weiß es ja.
Daisey beschreibt seine Recherchereise ins
chinesische Shenzhen, den Ort, an dem nahezu
die gesamte Weltproduktion an Elektronikgeräten
angesiedelt ist. Auch der Elektronikhersteller
Foxconn produziert hier – unter anderem für
Apple. Foxconn geriet 2010 in die Schlagzeilen,
weil das Unternehmen nach einer Reihe von
Mitarbeiterselbstmorden Fangnetze zwischen
den Gebäuden installieren ließ. Daisey versuchte,
mit Arbeitern ins Gespräch zu kommen, was von
Sicherheitskräften vereitelt wurde.
Schöne fiese Apple-WeltAuseinandersetzung mit einem Weltveränderer
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fürchteten zunächst den Ausbruch eines
neuen Krieges.
Wirklich tragisch endete ein frühes Expe-
riment mit Konservennahrung für die Teil-
nehmer einer mit modernsten Mitteln der
Zeit ausgestatteten Polarexpedition. Bis
gegen Mitte des 19. Jahrhunderts wurde
Pökelfleisch auf Schiffen eingelagert. Die
neuartigen Dosen für Sir John Franklin und
seine Mannen versprachen eine Revolu-
tion in Sachen Verpflegung, wurden aber
unglücklicherweise mit giftigem Lötblei
versiegelt, welches allmählich und unbe-
merkt das Bordessen kontaminieren sollte.
Niemand überlebte die Reise ins Eis.
Natürlich haben sich trotz dieser Fehl-
schläge Konserven durchsetzen können,
und der Einzug von Kühlschränken und
-truhen in den Haushalt erspart einiges
an lästiger Arbeit. An kandierte Hage-
butten jedoch kommt man mit solcher
Technik nicht.
Aber so: Halbieren und entkernen Sie
500 g harte Hagebutten. Kochen Sie die-
se mit 300 g Zucker in 250 ml Wasser kurz
auf, lassen Sie alles auf kleiner Flamme
bei geschlossenem Deckel etwa 5 Minu-
ten köcheln. Warten Sie 24 Stunden und
schütten Sie alles in ein Sieb. Nehmen
Sie vom entstandenen Sirup 250 ml und
kochen ihn mit 125 g Zucker wieder kurz
auf. Geben Sie die Butten zur heißen
Flüssigkeit. Weitere 24 Stunden warten
und am dritten Tag wie am zweiten ver-
fahren. Lassen Sie am vierten Tag die
wiederum gesiebten Hagebuttenhälften
bei geringer Hitze im Herd oder in einem
Dörrapparat trocknen. Kandierte Butten
eignen sich zum Süßen von Tee oder
Würzen von Gebäck. Waschen, trocknen
und verwahren Sie die vielseitig nutzba-
ren Kerne. Und schütten Sie nie den Si-
rup weg! Aufgegossen
mit Sekt schmeckt er
phantastisch. (wk)
wildkraeuter.bodo/25_hagebutte.4/2011 war ein gutes Jahr, Vogelbeeren zu
suchen. 2010 gab es enorm viele Schle-
hen. Letztes Jahr lief es mit Weißdorn
super, Schlehen und Vogelbeeren blie-
ben rar. Hagebutten gibt es immer. Ab
September und weit ins neue Jahr hin-
ein, wenn an anderen Sträuchern längst
nichts mehr zu holen ist. Ein Loblied
also auf den fein schmeckenden Vitamin-
spender und mit der ersten Wildkräuter-
kolumne 2013 der Vorschlag, die leckere
Scheinfrucht mal kandiert zu versuchen.
Kandieren ist eine faszinierende, leider
aus der Mode gekommene Methode, Obst
oder Gemüse haltbar zu machen.
Lebensmittel konservieren zu können
war oft von essentieller Bedeutung. Wie
die Verfahren selbst wurden Geschichten
dazu überliefert, darunter Komisches,
Tragisches oder Skurriles.
Von Surströmming beispielsweise, einer
Art schwedischer C-Waffe. Vergorener
Fisch. Eine Spezialität, deren unnach-
ahmlicher Geschmack von übelriechenden
Milch- und Aminosäuren geprägt ist, wel-
che selbst in den Konservendosen noch
unvermindert am ollen Hering arbeiten,
weswegen deren Transport aufgrund mög-
licher Explosionsgefahr bei einigen Flug-
gesellschaften strikt verboten ist.
Tatsächlich explodiert sind gegen Ende
des 19. Jahrhunderts Bohnendosen von
Gustav Busch. Der Bruder von Wilhelm
Busch hatte in Wolfenbüttel eine Kon-
servenfabrik eröffnet. Als absehbar war,
dass eine frühe Produktionsreihe ver-
kaufshemmende Mängel aufwies, vergrub
er die Büchsen kurzerhand im Garten.
Unter der Grasnabe begann es bald sur-
strömmingartig zu gären und der Über-
druck jagte die Dinger mit Krawumm in
die Luft. Rasenspren-
gen wörtlich genom-
men; Nachbarn in
Wolfenbüttel
13WILDE KRÄUTER | von Wolfgang Kienast
Schließlich ist Beck beim fragwürdigen Titelhelden
angekommen, dem charismatischen, zwischen Ge-
nie und Wahnsinn pendelnden Steve Jobs, der mit
Apple nicht nur eine Computerfirma, sondern eine
Philosophie mit religiösen Zügen begründet hat.
Mit der ihm eigenen Duplizität von Designfreak und
knallhartem Geschäftsmann hat er nicht nur Apple
seinen Stempel aufgedrückt, sondern später auch
Unternehmen wie Pixar erfolgreich gemacht. An-
gesichts der an Kontrollwahn grenzenden Akribie,
die Jobs nicht nur sich selbst, sondern auch seinen
Mitarbeitern abforderte, stellt Daisey die Frage, ob
die Apple-Manager wirklich nichts über die Arbeits-
bedingungen in den chinesischen Fabriken wissen,
wenn doch die Herstellung auch Bestandteil des
Produktdesigns ist.
Apple und Steve Jobs stehen im Fokus, weil sie
Vorreiter und konsequenteste Vertreter einer
Produktphilosophie sind, die das moderne Leben
weltweit nachhaltig beeinflusst haben. „Wenn Du
das Konstrukt beherrschst, mit dem die Menschen
leben, beherrschst Du sie,“ wird Jobs zitiert, und
man wird schlagartig an Orwells 1984 erinnert.
Ist das nun Theater? Man kann es journalistisches
Theater nennen. Daisey selbst ist Technikfreak und
traditioneller Apple-Nutzer, der beschreibt, wie er
seine Unschuld verlor. Der Monolog soll nicht als
Boykottaufruf gegen Apple verstanden werden, der
Appell des Autors ist eher ein wirtschaftsethischer:
Wir sollen unsere blinden Flecken erkennen und
überlegen, warum wir nicht sehen wollen, was doch
offensichtlich ist. (biru)
INFO www.theaterdo.de
Download des Monologs: www.mikedaisey.blogspot.de
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Srebrenica –vergessene Stadt Ein Dortmunder zurück in Bosnien
INTERVIEW | von Bastian Pütter | Fotos: Dirk Planert
Dirk Planert ist freier Journalist und war 14 Jahre lang eine der Nachrichten-stimmen des Dortmunder Lokalradios 91.2. Von 1992 bis 1994 riskierte er als humanitärer Helfer in den Balkankriegen sein Leben und fuhr mit seiner eige-nen Hilfsorganisation Medikamente und Lebensmittel durch die Kampflinien. Nun ist er zurück nach Bosnien gegangen, wieder um zu helfen.
Srebrenica ist eine vergessene Stadt, dabei ist ihr Name den meisten geläufig. Wer
über Srebrenica spricht, meint den Friedhof. Im Juli 1995 wurden hier mehr als
8.000 Jungen und Männer unter den Augen der UN-Blauhelmsoldaten ermordet und
in Massengräbern verscharrt. Das systematisch geplante Massaker ist das schwerste
Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.
Das Leid brachten die Balkankriege schon vorher über die Region. Als der junge Stu-
dent Dirk Planert 1992 vor dem Hörsaalgebäude ein Flugblatt in die Hand gedrückt
bekam, beschloss er kurzerhand: „Es gibt zwei Probleme. Das erste kann ich nicht lö-
sen: Es ist Krieg. Das zweite ist ein logistisches: Dort fehlen Medikamente, Lebens-
mittel, Kleidung – alles ist hier vorhanden. Man muss es nur eine Brücke bauen.“
»Logistik ist alles«
Zwei Wochen später fuhr er einen ersten LKW nach Rijeka. Er gründete einen Verein,
und nach drei Monaten gab es in Deutschland 32 Aktionsgruppen mit rund 400 Eh-
renamtlichen. In Rijeka kamen ab November 1992 die LKW an und von hier aus fuhr
Planert alleine Touren ins Kampfgebiet. „Es hatte sich bald an der Adriaküste herum-
gesprochen, dass wir helfen können. Ich fuhr gezielt die Städte und Krankenhäuser
an mit den Dingen, die dort konkret fehlten. Logistik ist alles.“
Im März 1993 die nächste Eskalation: Kroaten und bosnische Muslime erklärten einander
den Krieg. Planert zieht weiter ins kroatische Karlovac. In der dortigen Kaserne waren
2.600 Menschen untergebracht, die das Rote Kreuz aus serbischen Lagern herausgeholt
hatte. „Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen versorgte nur die Kriegsgefan-
genen, aber da waren Frauen und Kinder. Wir brachten Babynahrung, Windeln, Kleidung.“
»Schritt für Schritt an die Hölle herangetastet«
Eines Tages hielt auf dem Marktplatz ein ehemaliger Post-LKW und ein Deutscher
stieg aus, er kam aus dem bosnischen Bihac, einem der Kessel, in denen serbische
Verbände bosnische Verteidiger, Zivilbevölkerung und Flüchtlinge eingeschlossen
hatten. Ein Kessel wie später Srebrenica. Die Lage in der eingeschlossenen Stadt war
dramatisch, Planert entschied zu helfen. „Ich hab mich Schritt für Schritt an die
Hölle herangetastet“, sagt er.
Alle acht Wochen lenkte er einen Konvoi nach Bihac, durch die Frontlinien. Ein
25jähriger mit schmalen Schultern auf einem bemitleidenswert alten Hanomag-LKW,
bemalt mit Herzen: „An den Checkpoints nahmen die mich nicht für voll und lie-
ßen mich passieren. Dazu habe ich zwei Jahre lang konsequent meine Neutralität
gewahrt und auch an Krankenhäusern in der serbisch besetzten Kraijina gehalten.“
Als im Februar 1994 die serbische Offensive begann, war Planert für zwei Wochen in
der Stadt. „Ich saß mit Flüchtlingen, die nichts zu essen hatten, in Wohnungen und wir
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haben auf die Granaten gehört. Man erkennt am Geräusch, wie nahe die Granate kommt.
Irgendwann war es so eng, dass sicher schien, die Serben brechen durch. Alle Männer ab
16 gingen an die Front gingen, ich blieb mit Flüchtlingen, Frauen und Kindern im einzi-
gen dreistöckigen Haus, stand hinter der Tür und wartete auf den ersten Tschetnik. Das
war die schlimmste Zeit. Da war ich relativ sicher, dass ich diesmal nicht zurückkommen
würde. Wäre Bihac gefallen, es wäre das selbe geschehen wie in Srebrenica.“
»Wunden der Seele verheilen langsamer«
Zurück in Deutschland ist er nicht mehr derselbe. „Es ist aus meiner Sicht nicht mög-
lich, sich längere Zeit in einem Kriegsgebiet aufzuhalten, ohne das zu bekommen,
was man allgemein ein Kriegstrauma nennt. Wir haben das alle. Egal ob Flüchtling,
Soldat oder humanitärer Helfer. Man kann lernen, damit zu leben.“ Bestimmte Gerü-
che und bestimmte Geräusche und das Gefühl sei da. Feuerwerk zum Beispiel oder
das Zuschlagen von Autotüren und der kurze Überdruck dadurch.
Das Erlebte schiebt er beiseite. „Schwierig war der Umgang mit meinen Freunden
hier“, gibt er zu, er habe mehrere Jahre gebraucht, Probleme, die man hier hat,
wieder als solche zu akzeptieren. „Bis heute habe ich Instinkte, die mir damals
das Leben gerettet haben. Wenn Granaten kommen, hat man einen Herzschlag lang
Zeit, den Kopf einzuziehen. Das bekommt man nicht raus. Ich hab einen Freund, der
Soldat in Kroatien war, wir können darüber sehr gut reden – sonst ist man damit
natürlich allein.“ Und leiser: „Wunden der Seele verheilen langsamer.“
»Es stimmt nicht, dass man nichts machen kann«
Bereuen möchte Planert die Jahre auf dem Balkan nicht. „Ich habe wunderbare Men-
schen kennengelernt und bewiesen, dass es nicht stimmt, dass man nichts machen
kann“, sagt er ernst. „Wir haben fast eine halbe Million Mark Spenden gesammelt
und Medikamente im Wert von mehreren Millionen Mark von Pharmafirmen bekom-
men, weil wir denen nicht gesagt haben, wir sind eine kleine Studentenorganisation,
sondern: Wir sind die einzigen, die reinkommen, und wir brauchen genau für dieses
Krankenhaus genau das für genau diese Kinder.“
Erst seit einiger Zeit beschäftigt er sich wieder mit der Region. „Für einen Schulvor-
trag musste ich Fotos heraussuchen. Die lagen seitdem in meinem Keller. Ich hatte
sie nicht mehr angesehen, das konnte ich nicht.“ Einige dieser Bilder postete er bei
Facebook, sie wurden Facebook-Freunden aus Bihac geteilt. „Auf einmal meldete
sich eine Frau aus Chicago, 35 Jahre alt. Eines der Kinder, die damals hinter meinem
LKW gestanden haben. Sie schrieb: ,Du warst unser Engel. Du hast uns gezeigt, dass
wir noch ein Teil der guten Welt da draußen sind.‘“
Einer der Gründe für eine erneute Reise, diesmal im Frieden. Im Oktober besuchte Pla-
nert Bosnien – als Journalist. Bei den anstehenden Wahlen durften zum ersten Mal die
im Ausland lebenden Bosnier nicht wählen. Vor dem Krieg lebten im Bezirk Srebrenica
36.000 Menschen, davon 80 Prozent Bosniaken. Heute sind es ungefähr 11.000, zwei
Drittel Serben. „Hätte ein Serbe gewonnen, wären die Geschichtsbücher umgeschrieben
worden“, sagt Planert. Die westlichen Medien interessierten sich nicht für die Wahl.
Doch Planert hatte noch einen anderen Grund, zurückzukehren. Unter Lebensge-
fahr hatte er Kinder aus dem Kriegsgebiet geschmuggelt. Alan, den er damals nach
Deutschland brachte, wo er drei Jahre bei Planerts Eltern lebte, bis er zurück konn-
te, erwartete ihn. „Ich landete in Sarajevo, er stand am Flughafen und wir holten
gemeinsam seine Tochter vom Kindergarten ab. Alan hat eine Familie, einen guten
Job – ich war so glücklich, das zu sehen.“
∆ Vorherige Seite: Trauernde Frauen in Srebre-
nica. Das Vorlesen der Namen der Opfer auf den
Gedenktafeln dauert einen Tag.
¬ Dirk Planert schmuggelte den damals 14jäh-
rigen Alan aus dem Kriegsgebiet. Heute lebt
Alan mit seiner Familie wieder in Bosnien.
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»Die Lebenden hat man vergessen«
In Srebrenica ist Planert zum ersten Mal. Als die bosnische Enklave 1995 fiel, war er
in Deutschland: „Ich saß vor dem Fernseher, versteinert, die ganze Nacht.“ Die Hoff-
nungslosigkeit, auf die er jetzt trifft, schockiert ihn. 80 Prozent der Menschen sind
arbeitslos, niemand will in der Stadt des Massakers investieren. Und wer keine Arbeit
hat, wird nicht heiraten, es leben auffällig wenige Kinder in Sebrenica. Die Armut hin-
gegen ist sichtbar: „Alte Menschen, die sich verschimmeltes Brot aus Müllcontainern
holen, habe ich viele gesehen.“
In der einzigen Kneipe mit jungem Publikum besucht er eine Geburtstagsfeier, freut
sich über die ausgelassene Stimmung. „Und nach ein paar Minuten wird mir klar, dass
sie alle dabei waren. Alle. Wer in dieser Stadt älter ist als 17 Jahre, war entweder in
Potocari bei der Selektion dabei oder ist in Richtung Tuzla über die Berge geflüchtet.“
Oberflächlich funktioniert das Zusammenzuleben. Jeden Tag treffen sich Serben und
Bosnier, die wissen, dass sie jeweils Soldaten waren. Über den Krieg wird nicht gespro-
chen. Srebrenica gehört zur Republica Srbska, die Polizeifahrzeuge tragen serbisch-
kyrillische Schrift. In Potocari bewachen die Täter die Gräber der Opfer – der Polizei-
chef selbst hingegen ist ein Moslem. „Einmal im Jahr ist Srebrenica voller Menschen“,
sagt Planert, „wenn man der Toten gedenkt. Nur die Lebenden hat man vergessen.“
»Dieser Verzweiflung etwas entgegensetzen«
Planert lernt Avdo kennen, einen 40jährigen Bosnier, der nach dem Massaker zurück-
gekehrt war in die entvölkerte Stadt: „Hier sind meine Freunde, hier liegen unsere
Toten, natürlich lebe ich hier.“ Nach seinen Träumen gefragt verneint er, man könne
nichts machen. Planert ist hartnäckig und Avdo erzählt, dass er Bäcker gewesen sei
und dass es in Srebrenica keine Bäckerei gebe.
„Diese Hoffnungslosigkeit, gepaart mit dem Schmerz des Krieges hat dazu geführt,
dass ich in diesem Moment die Entscheidung getroffen habe“, sagt Planert. Aus dem
Journalisten wird wieder der humanitäre Helfer. „Ich wollte dieser Verzweiflung etwas
entgegensetzen. Wir werden eine Bäckerei bauen. Die Genehmigung der Gemeinde
Srebrenica liegt vor. Ich besorge die Maschinen. Wir brauchen etwas Geld, um den
Laden einzurichten und für die ersten Wochen Einkauf und Material.“
Sieben Arbeitsplätze wird das Projekt schaffen. Mit Avdo ist vereinbart, dass er nicht,
wie bei vielen Entwicklungsprojekten üblich, einen Mikrokredit zurückzahlt, sondern
stattdessen vom ersten Tag an mehr Brote backen wird als verkauft werden können.
Jeden Abend sollen die Überschüsse an die Rentner, die sich keine Lebensmittel leisten
können, kostenlos abgegeben werden. „Das heißt: Wir machen ein Projekt und erreichen
damit viele Menschen. In dieser Situation geht es nicht um Hilfslieferungen, sondern
darum, den Menschen, die etwas tun wollen, die Möglichkeit dazu zu geben.“
Gleichzeitig erhält das Krankenhaus von Srebrenica einen Anbau mit einer Kinder-
station. Bisher gibt es nur eine Ambulanz, Patienten transportiert das Hospital mit
einem Fiat Panda. Ein Bus wird benötigt und ein neues Labor. Planert spricht vom
Stein im Wasser, der Kreise zieht. Es geht um Kontakte, Multiplikatoren und wieder
ist das Zauberwort Logistik. „Nebenbei“ hat er ein Ultraschallgerät von Duisburg nach
Bihac ins Krankenhaus vermittelt.
Besonders wichtig ist ihm, dass alle Projekte multiethnisch sind: „Das Haus wird von
Serben und Muslimen gemeinsam gebaut, in der Bäckerei werden Serben und Muslime
zusammenarbeiten, und ich werde kein Projekt unterstützen, in dem das nicht so ist.
Gemeinsam oder gar nicht.“ (bp)
INFO Help Srebrenica e.V. | www.facebook.com/helpsrebrenicaev
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Wie arm ist das denn?
Es war die Zeit der Armutsberichterstattung.
Vor Weihnachten pilgerten Journalisten wie
jedes Jahr in Suppenküchen und Sozialkauf-
häuser und kurz getaktet trudelten die statis-
tischen Erhebungen und Armutsberichte ein.
Die Befunde sind deutlich, auch wenn die
Bundesregierung in ihrem Bericht alles ver-
sucht, dessen soziale Sprengkraft zu mindern
(s.S. 34). Die Entwicklung im Ruhrgebiet hat
„dramatische Züge“ angenommen, so der Pa-
ritätische. Die Quote der Armutsgefährdung
liegt in Dortmund bei über 24 Prozent und
hat sich seit 2005 um fast ein Drittel erhöht.
Armut ist Thema. Über eine mangelnde Prä-
senz in den Medien kann sich niemand be-
schweren, die Daten sind gut aufbereitet,
„nachrichtenfähig“ und geben gute Schlag-
zeilen ab. Und dann? Wie stets verschwinden
konkrete Lösungsvorschläge so schnell wie
die kurze mediale Aufwallung. Mindestlöhne,
Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze sowie eine
Reform des Wohngeldgesetzes – das schnelle
Gegengift zur steigenden Verarmung auch der
„arbeitenden Bevölkerung“ steht im Schrank.
Auf das Verwässern der Lagebeschreibung
durch die Rede von der relativen Armut
folgt das Sachzwang-Schulterzucken. Na-
türlich ist Armut relativ. Die Menschen, die
hier wirklich hungern, tauchen in den Sta-
tistiken gar nicht auf. Bei den anderen geht
es um zwei einfache Zusammenhänge.
Erstens: Die Armutsentwicklung hat sich
von der Wirtschaftsentwicklung abgekop-
pelt. Wenn es „Deutschland“, „dem Mittel-
stand“ oder „uns allen“ besser geht, hat
das keinen Einfluss auf die Zahl und die
Situation der Menschen in Armut mehr. Das
Bild von der Schere zwischen arm und reich
ist nicht wirklich originell, aber es trifft.
Deutschland geht es gut, abzüglich läppi-
scher 12 Millionen.
Zweitens: Wer arm ist, bleibt es, ob mit
Arbeit oder ohne. Ein immer noch massiv
ungerechtes Bildungssystem, das Armuts-
risiko „Kind“, Leiharbeit, Niedriglöhne und
das Hartz-IV-Regime haben Kreisläufe ge-
schaffen, aus denen Millionen Menschen
nicht mehr herauskommen, so sehr sie sich
anstrengen. Dagegen hilft Berichterstat-
tung nicht. (bp)
NEWS | von Sandro Giuri · Sebastian Sellhorst18 DER KOMMENTAR | von Bastian Pütter
Stromkosten treffen Geringverdiener
Haushalte mit geringen Einkommen
zahlen durch die EEG-Umlage, die zur
Förderung des Ausbaus der erneuer-
baren Energien Teil der Stromkosten
ist, besonders viel für die Energie-
wende. Zu diesem Schluss kommt
einer Studie des arbeitgebernahen
Instituts der deutschen Wirtschaft
(IW) in Köln. Das Grund sei, dass sich
der Verbrauch von Strom auch bei
steigendem Einkommen kaum verän-
dere. Bei den einkommensschwächs-
ten zehn Prozent würden ab dem Jahr
2013 gut 1,3 Prozent des Einkommens
in die Ökostromförderung fließen, bei
den einkommensstärksten zehn Pro-
zent seien es nur 0,2 Prozent. Der
Bundesverband der erneuerbaren
Energien (BEE) kritisierte die Aussa-
gen des IW scharf. Sie stelle den ge-
zielten Versuch dar, die erneuerbaren
Energien für soziale Not in Deutsch-
land verantwortlich zu machen.
„Was die einkommensschwächsten
Haushalte betrifft, ist es schlicht
und ergreifend eine sozialpolitisch
gebotene Notwendigkeit, staatliche
Transferleistungen den realen Le-
benshaltungskosten anzupassen“, so
BEE-Präsident Dietmar Schütz.
SKOTTS SEITENHIEB
Hartz IV nicht nur für Arbeitslose
Bei der „Grundsicherung für Arbeit-
suchende“ steht nicht – wie oft
angenommen – Arbeitslosigkeit,
sondern Hilfebedürftigkeit im Mit-
telpunkt. Zu den sechs Millionen
Empfängern von Hartz IV gehören
auch 1,3 Millionen Erwerbstätige.
Die übrigen 4,3 Millionen Leis-
tungsberechtigten gelten als er-
werbsfähig. Weniger als die Hälfte
dieser Menschen ist arbeitslos. Die
meisten nehmen an arbeitsmarkt-
politischen Maßnahmen wie Weiter-
bildungen oder Ein-Euro-Jobs teil
und gelten daher gesetzlich nicht
als Arbeitslose. Andere erwerbs-
fähige Leistungsberechtigte sind
Auszubildende oder noch Schüler,
befinden sich in der Erziehungszeit
oder pflegen Angehörige. Zudem
gehören zu der Gruppe der sechs
Millionen Leistungsempfänger
auch Angehörige, oft Kinder unter
15 Jahren, die auf Grundsicherung
angewiesen sind. Die Ursachen für
den Bezug von Hartz IV sind sehr
verschieden. Mangelnde Arbeitsbe-
reitschaft gehört meist nicht dazu.
Armutskonferenz fordert Grundgesetzänderung
354.000 Menschen waren im Jahr
2010 wohnungslos. Zu diesem Er-
gebnis kommt eine Schätzung der
BAG Wohnungslosenhilfe. Eine offi-
zielle Zahl gibt es nicht, da amtliche
Statistiken weiterhin fehlen. An-
lässlich des Internationalen Tages
der Menschenrechte fordert Thomas
Beyer, Sprecher der Nationalen Ar-
mutskonferenz, eine Änderung des
Grundgesetzes. „Wir als Nationale
Armutskonferenz fordern von der
Politik, das Menschenrecht auf eine
Wohnung durch einen neuen, eige-
nen Artikel im Grundgesetz zu ver-
ankern.“ Dabei bezieht er sich auf
Artikel 25, Absatz 1 der Allgemei-
nen Erklärung der Menschenrechte.
Dieser beinhaltet das Recht eines
jeden „auf einen Lebensstandard,
der seine und seiner Familie Gesund-
heit und Wohl gewährleistet, ein-
schließlich Nahrung, Kleidung und
Wohnung“. Ein fester Wohnsitz sei
essenziell für die Entwicklung und
das Wohlbefinden eines Menschen
und zudem zwingend erforderlich
bei der Arbeitsplatzsuche oder beim
Beantragen der Lohnsteuerkarte.
19
In Dortmund spielt man den besten Ball, baut die tollste Tanne und veranstaltet die wildestenWahlen. Deshalb musste neulich eine Studie tiefste Verzweiflung auslösen. Ein gewerkschafts-nahes Institut hatte festgestellt, dass die ehemals freie Reichsstadt unter DeutschlandsMetropolen nur einen zweiten Platz einnimmt. Leipzig schlägt Dortmund knapp in SachenArmutsgefährdung.
Das kann der stolze Westfale nicht auf sich sitzen lassen. Spätestens 2015 will man dieSachsen abhängen. Danach wird es schwierig. Denn wenn alle richtig armsind, ist niemand mehr armutsgefährdet.
Auf das Thema sprang auch ein ARD-Magazin an und schickte michals fragenden Mikrofonständer durch die Stadt. Ich schlenderte umden Phönixsee und sprach mit vielen Menschen mit wenig Geld.Das missfiel der Onlineausgabe einer Zeitung. Ich hätte nur diehalbe Wahrheit gezeigt, und außerdem gebe es doch die schöneThier-Galerie.
An dieser Stelle leiste ich Abbitte. So wie jeder Bericht über denBVB darauf hinweist, dass in Dortmund auch Damenfeldhockeygespielt wird, hätte ich mehr über den Boutiquenbunker in derInnenstadt berichten müssen. Hier wird das Armutsproblem gelöst.Der Eintritt ist frei. Wer sich nicht auffällig benimmt, kann sich gratisaufwärmen. Und wenn das Geld für die Edelarmbanduhr nichtreicht, gibt es immer noch dieses irische Kaufhaus. In dem kannman sich für praktisch kein Geld einkleiden, und die verräte-rischen natronbraunen Papiertüten kann man diskret vor denBilligläden in der alten Innenstadt entsorgen.
Wirtschaftsminister Philipp Rösler ist beim Weglassenklüger als ich. Aus dem Armutsbericht der Bundesregierungließ er einfach Passagen streichen, die auf die zunehmendeKluft zwischen Reich und Arm hinwiesen, womit dasProblem aus der Welt wäre. Vielleicht sollte ich imGegenzug die FDP konse-quent nicht mehr erwähnen.Ich fürchte nur, so einfachgeht das nicht.
Martin Kaysh (Geierabend)schreibt jeden Monat in
bodo für die AWO.
Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt
Unterbezirk DortmundKlosterstraße 8-1044135 Dortmund0231- 99 340
Unterbezirk Ruhr-MitteBleichstr. 8 44787 Bochum0234- 96 47 70
Unterbezirk UnnaUnnaer Straße 29a59174 Kamen02307- 91 22 10
Je mehr Mitglieder die AWO hat, desto mehr kann sie in der Gesellschaftbewirken. Desto eher kann sie Menschen helfen, die Hilfe brauchen.
Werden auch Sie Mitglied in der AWO!
www.awo-ww.de
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20
Bereits zum 6. Mal präsentiert das Endstation Kino
im Bahnhof Langendreer in der 2. Januarhälfte
das Dokumentarfilmfest Stranger than Fiction;
auch diesmal ist der Großteil der Regisseure zum
Filmgespräch geladen. Auf dem Programm stehen
aktuelle Dokumentarfilme vor allem aus deutscher
Produktion – ein Spektrum ganz unterschiedlicher
Themen und Formen. Zum Beispiel:
Arbeit Heimat Opel von Ulrike Franke und Mi-
chael Loeken portraitiert sechs Jugendliche, die
2009 ihre Ausbildung zum Industriemechaniker
im Bochumer Opelwerk beginnen – gerade im
Zuge der Schließung des Werks in 2016 ein wich-
tiger Film. Im Anschluss gibt es ein Filmgespräch.
Balkan-Melodie portraitiert den mittlerweile
86jährigen Marcel Cellier, der seit über 50 Jah-
ren durch den Osten Europas reist, um musikali-
sche Perlen zu entdecken.
In Heino Jaeger – Look before you kuck be-
gibt sich Gerd Kroske auf die Spuren des vor 15
Jahren verstorbenen, vielleicht unbekanntesten
unter den großen deutschen Komikern: Heino
Jaeger. „Wir haben ihn wohl nicht verdient“,
schlussfolgerte Loriot.
Thomas Heises Film Gegenwart zeigt den anstren-
genden Alltag zwischen Heiligabend und Neujahr
in einem kleinen Krematorium. Geplant ist ein
Gespräch mit dem Kameramann Robert Nickolaus.
The Iran Job – Die ungewöhnliche Geschichte
eines US-Profi-Basketballers in der iranischen
Liga 2008/09 erzählen Till Schauders und Sara
Nodjomi. Im Anschluss ein Filmgespräch.
Where‘s the beer & when do we get paid – die
beiden Filmemacherinnen Sigrun Köhler und Wil-
trud Baier spüren der Frage nach, wie Jimmy Carl
Black, legendärer Schlagzeuger der „Mothers of
Invention“, in ein kleines bayrisches Dorf kommt.
Ab 24.01. Genaue Termine und Uhrzeiten
standen bei Redaktionschluss noch nicht fest.
Endstation Kino im Bahnhof Langendreer
Wallbaumweg 108, 44894 Bochum
Tel. 0234 – 68 71 620 | www.endstation-kino.de
endstation.kino & bodo präsentieren:Stranger than Fiction
Dokumentarfilmfest mit Gästen
20 KINOTIPP | von endstation.kino
NETZWELT | von Sebastian Sellhorst
Über 80 Kilo Lebensmittel wirft jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr in den
Müll. Mehr als die Hälfte davon wäre noch verwertbar gewesen. Diesem Trend
möchte das Projekt foodsharing.de entgegenwirken. Auf der seit einem Monat
existierenden Online-Platform können angemeldete Nutzer Nahrungsmittel, die
sie nicht mehr benötigen, anderen Menschen zu Verfügung stellen. So landet
weniger Essen im Müll und gleichgesinnte Menschen kommen über das Thema
Lebensmittelverschwendung in Kontakt.
Hat man selbst zu viele Lebensmittel im Haus, sei es, weil man zu viel ein-
gekauft hat, der Kühlschrank vor Urlaubsbeginn noch voll ist oder der eigene
Obstbaum mehr Früchte trägt, als man selbst verbraucht, kann man diese auf
der Onlineplattform einer sinnvollen Verwendung zuführen. Nach einer kurzen
Anmeldung mit Name und E-Mail-Adresse kann man auf dem Portal sogenannte
„Essenskörbe“ anlegen. Das sind virtuelle Listen, auf denen man die eigenen
überschüssigen Bestände einträgt. Diese „Essenskörbe“ werden auf einer großen
Karte angezeigt und geben einen Überblick über die Angebote in der eigenen
Nachbarschaft. Mit nur wenigen Klicks können diese angefragt werden. Online
wird ein Treffen vereinbart, an dem die Lebensmittel an ihren neuen Verbraucher
übergeben werden.
Ins Leben gerufen wurde das Projekt Anfang 2012 von einer Gruppe engagierter
Bürger. Mittlerweile kümmert sich ein gemeinnütziger Verein, der gegründet
wurde, als sich immer mehr Unterstützer für die Idee fanden, um das Projekt.
Federführend dabei ist der Journalist und Filmemacher Valentin Thurn, der sich
bereits mit seinem Dokumentarfilm „Taste the Waste“ mit dem Thema Lebens-
mittelverschwendung auseinandersetzte. Bei dem Projekt geht es ihm aber
nicht nur um den unmittelbaren Nutzen, der für alle
Teilnehmer entsteht, sondern auch darum, eine Verän-
derung im Umgang mit Lebensmitteln zu bewirken. „Es
geht mit nicht darum, den einen Salatkopf zu retten.
Ich möchte einen mentalen Wandel in den Köpfen der
Leute in Gang setzen“, beschreibt er seine Motivation.
„Ich möchte, dass das Teilen von Essen wieder etwas
ganz Normales wird.“ (sese)
www.foodsharing.de
Soziales, Kultur, Politik – Jeden Monat stellt bodo ein
Online-Projekt vor, das die Welt ein bisschen besser macht:
Valentin Thurn
21
21
Auch diesmal gibt es wieder Karten für tolle Veranstaltungen und Bücher zu gewinnen.Senden Sie uns eine Email mit dem Betreff „bodo-Verlosung“ und der Angabe Ihres Wunschgewinns an:
[email protected] schicken Sie uns eine frankierte Postkarte mit Ihrem Wunsch, Absender und Telefonnummer an:
bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund
Unter allen Emails und eingesandten Postkarten entscheidet das Losverfahren. Alle Gewinner
werden rechtzeitig telefonisch oder per Email benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Einsendeschluss für Veranstaltungen ist jeweils zwei Werktage vor dem Termin.
Einsendeschluss für terminunabhängige Verlosungen ist der 25.01.2013
18.01. | Get Well Soon | FZW, Dortmund | 2 x 2 Karten
19.01. | Jazzfestival Dortmund | Fritz-Henßler-Haus, Dortmund | 3 x 2 Karten
26.01. | Andrea Badey | Bahnhof Langendreer, Bochum | 3 x 2 Karten
29.01. | The 69 Eyes | Zeche, Bochum | 3 x 2 Karten
ab 24.01. | Stranger than Fiction – Dokumentarfilmfest mit Gästen | endstation.kino, Bochum | 1 x 2 Karten
Schwingungen. Dortmund – Die Musikstadt | Stefan Keim, Didi Stahlschmidt | 3 Exemplare
Kugelpudel | Dibergstraße 2 | 44789 Bochum | 2 Überraschungs-Eisbecher
Viel Glück, wünscht Ihr bodo-Team!
Jazzfestival Dortmund
mit Frank Haunschild & Jiggs Whigham & Ack van Rooyen, The Dangerous Kitchen (Zappa Tribute Band), Big Band der Glen Buschmann Jazz Akademie, Freistil, Soulfood Organ Quartett, Messalla, Lu-Künzer-Quartett
und Les Jeunes Bohèmes
Am Samstag, den 19. Januar 2013 ab 20 Uhrim Fritz-Henßler-Haus, Dortmund
bodo verlost 3 x 2 Karten
VERANSTALTUNGEN JANUAR 2013 | VERLOSUNGEN | zusammengestellt von Benedikt von Randow
22
FR 04 | 01 | 13
Führung | Mit der Taschenlampe durch die DASA
Angeknipst und mitgemacht bei der DASA-Taschen-
lampenführung. Das Format kombiniert eine „klassi-
sche“ Führung mit Entdeckerfreude. Ausstellungsob-
jekte erscheinen in anderem Licht, verborgene Ecken
stehen plötzlich im Mittelpunkt, und ganz von selbst
erschließen sich neue Perspektiven auf die DASA. Eine
Anmeldung ist erforderlich.
DASA, Dortmund, 20 Uhr (auch 19.01.)
SA 05 | 01 | 13
Party | Neujahrs-Sause
Für alle, die zu Silvester nicht feiern konnten, weg wa-
ren, auf Heimaturlaub sind oder einfach das Bedürfnis
haben, weiter zu feiern, startet die Cosmotopia-Crew
auch 2013 mit einer großen „Neujahrs-Sause“ in das
Jahr. DJ Martini und das Funk Fatal Team versprechen
einen wilden Teppichtanz in der Dortmunder Groß-
marktschänke und wollen eine Rakete aus 60ties &
70ties Funk, Soul, Disco, Swing, Pop Legends und
Breakbeats zünden.
Cosmotopia, Dortmund, 22 Uhr
DI 08 | 01 | 13
Kunst und Kultur | Salongeschichten
Die Teilnehmer erwartet ein Rundgang durch die Aus-
stellung „Altpapier meisterhaft“. 1909 schenkte der
Stadtrat und „Großkaufmann“ Gustav Wiskott dem
Museum der Stadt Dortmund eine 1.640 Blatt um-
fassende Kupferstichsammlung des Malers Engelbert
Seibertz (1813–1905). Die Arbeiten aus dem 16. bis
18. Jahrhundert zeigen vorwiegend Werke der italie-
nischen, niederländischen, deutschen und französi-
schen Schulen. Diese Sammlung liegt seit über 100
Jahren geschützt in den Schränken der Graphischen
Sammlung des Museums und wird zum ersten Mal in
einer großen Ausstellung gezeigt. Eine Anmeldung
ist erforderlich.
Museum für Kunst und Kulturgeschichte,
Dortmund, 14.30 Uhr
MI 09 | 01 | 13
Kleinkunst | Nachtschnittchen
Alle Jahre wieder lädt Initiator und Moderator Helmut
Sanftenschneider im Januar zum Stelldichein seiner
persönlichen Favoriten aus den Shows der vergange-
nen 12 Monate. Dieses Mal dabei u.a. Kristian Kokol,
ein junger Freak, der die Welt mit anderen Augen sieht.
Don Clarke ist ein ‚Natural Born Comedian’. Der in
Hamburg beheimatete Engländer verzweifelt nach 30
Jahren immer noch an den Eigenheiten der deutschen
Sprache. Deutsch als Fremdsprache ist wiederum ein
Spezialgebiet von Frank Fischer. Allerdings kennt sich
der bekennende Hypochonder noch mehr mit Phobi-
en aus. Den musikalischen Schnittchen-Belag liefert
das Trio Wildes Holz. Ihre Mission: Die Befreiung der
Blockflöte vom schäbigen Ruf eines Kinderspielzeugs.
Flottmann-Hallen, Herne, 20 Uhr
FR 11 | 01 | 13
Theater | Nach Einlass kein Beginn
Schon bei ihrer ersten Begegnung im Schauspielhaus
Bochum erkannten Marco Massafra und Maximilian
Strestik, ohne auch nur ein einziges Wort auf der
Bühne getauscht zu haben, das schier unerschöpfli-
che Potenzial ihrer komödiantischen Symbiose. Und
nun – nach Jahren getrennten Theaterschaffens – ist
es endlich soweit: Ein Schweizer Aristokrat (Massa-
fra) und ein Pottprolet (Strestik) wagen sich an di-
verse Duoszenen berühmter und weniger berühmter
Komikerpärchen wie Rosenkranz & Güldenstern, Barry
Derril & Darry Berril (aus O'Caseys „Das Ende vom An-
fang"), Abbot & Costello, etc.
Rottstr 5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr
Kleinkunst | Volker Diefes
„Ein Bauch ist schon mal ein Ansatz“, so lautet das Mot-
to von Volker Diefes in seinem „OneManShowKabarett“.
Diefes singt und spielt mit Inbrunst und zeigt, dass gro-
ße Gefühle auch im Kabarett und in der Comedy möglich
sind. Er setzt Bierbäuche gegen Abnehmwahn, Rauch-
verbote gegen Lebensfreude und griffige Wortwitze ge-
gen mediale Bildersintfluten. Dabei bewegt sich Diefes
genau an der Grenze zum Mainstream und schlägt ihn mit
seinen eigenen Waffen. Im Zentrum stehen seine eige-
nen Songs mit Ohrwurmcharakter. Ein Abend zwischen
Eckkneipe und Großraum-Comedy, zwischen hustenden
Regenwürmern und Barack Obama; sehen Sie Diefes
Schau gegen Abnehmwahn und Diätenerhöhung.
Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr
SA 12 | 01 | 13
Theater | Moby Dick
Ein Meister-Roman, den jeder kennt? Nicht wirklich.
Den Titel schon. Die ein oder andere Verfilmung ja.
03 | 01 – 12 | 02 | 13 Geierabend 2013
22 VERANSTALTUNGEN JANUAR 2013
03 | 01 | 13 Der Kontrabass
DO 03 | 01 – DI 12 | 02 | 13
Comedy-Karneval | Geierabend 2013
Zombies auf Zeche! So ein skurriles Szenario kön-
nen nur die Anarcho-Karnevalisten vom alterna-
tiven Ruhrpott-Karneval Geierabend entwerfen.
Unter dem Motto „Ein Zombie hing am Förderseil“ ver-
setzen die Geier vom 27. Dezember bis zum 12. Februar
an 36 Abenden die Zeche Zollern in Ausnahmezustand.
Das brandneue Drei-Stunden-Programm verspricht ein
humorgeladenes Spektakel aus Comedy, Kabarett,
Musik und kohlenschwarzem Ruhrpott-Humor. „Ein
echter Ruhri, der ist ja nicht kaputtzukriegen. Wenn's
sein muss, klettert der auch noch als Zombie aus dem
Schacht.“ Freuen dürfen sich die Zuschauer auf lieb
gewonnene Bühnen-Bekannte: die Kellnerinnen Lilli
und Lotti lassen ebenso Dampf ab wie die AWO-Op-
pas oder die Vorstadt-Philosophen Siegfried & Roy.
Nicht fehlen dürfen „Die Zwei vonne Südtribüne“, die
Nordstadt-FDP in Gestalt des Politiker-Pärchens Udo &
Moni oder Joachim Schlendersack. Dabei gibt es auch
ein Wiedersehen mit dem beliebten Schnöttentroper
Männerchor. Neu im Team ist „der Hauer“, zum Leben
erweckt durch den Hertener Kabarettisten Benedikt
Hahn.
Zeche Zollern II/IV, Dortmund, jeweils 19.30 Uhr
DO 03 | 01 | 13
Theater | Die Ehe der Maria Braun
Geschlossen wird die Ehe der Maria Braun 1943, schon
am nächsten Tag muss ihr Mann wieder an die Front.
Sie währt länger als vermutet, doch zusammen leben
werden die beiden Eheleute nie. Hermann Braun kehrt
nicht aus dem Krieg zurück. So nimmt Maria ihr Le-
ben selbst in die Hand. Sie fordert ihren Anteil am
Wirtschaftswunder, arbeitet dafür mit allen Mitteln,
auch mit den Waffen der Frau. Als Hermann doch
überraschend zurückkehrt und sie mit einem amerika-
nischen Soldaten im Bett erwischt, erschlägt sie ih-
ren Liebhaber. Ins Gefängnis wandert dafür ihr Mann.
Rainer Werner Fassbinder gelingt es, die Geschichte
der frühen Bundesrepublik und ihren Gründungsmy-
thos in einer einzigen Frauenfigur auf den Punkt zu
bringen: Maria Braun ist nicht nur „die Mata Hari des
Wirtschaftswunders“, wie sie sagt, sie ist das Wirt-
schaftswunder selbst.
Kammerspiele, Bochum, 19.30 Uhr (auch 20.01.)
Theater | Der Kontrabass
Mit dem furiosen Monolog eines Kontrabassisten
schrieb Patrick Süskind, der mit „Das Parfüm“ weltbe-
rühmt wurde, seinen einzigen Theatertext: Allein in
seinem Musikzimmer sinniert und flucht der namenlo-
se Orchesterbeamte über sich, seine Arbeit, die Liebe
– und vor allem über sein Leben mit dem größten aller
Streichinstrumente. Ein Soloabend von Ensemblemit-
glied Roland Riebeling.
Theater Unten, Bochum, 19.30 Uhr (auch 20.01.)
23
Den weißen Wal – klar, und Kapitän Ahab, der mit
dem Holzbein. Und dann ist da noch dieser Kannibale
mit einem Schrumpfkopf. Wie bei vielen Klassikern
stellt sich heraus, dass der eigentliche Roman un-
bekannt ist. Bei Moby Dick gilt dies verstärkt. Die
Protagonisten haben das gleiche Problem. Abenteu-
erlustig stürzen sie sich in die Erzählung und erzäh-
len dadurch etwas über das Erzählen. Indem sie Moby
Dick auf der Bühne durchleben, reißen sie das Publi-
kum mit – mitsamt allen Fragmenten der Geschichte
und den großen Erwartungen.
Theater im Depot, Dortmund, 20 Uhr
Theater | Regenschauer – Wie ich starb
Der lebensmüde Ephraim begegnet, als er Selbstmord
begehen will, dem mysteriösen Gent. Dieser überre-
det jenen, noch eine letzte Reise zu unternehmen. So
ziehen beide gemeinsam durch das Land und treffen
die verschiedensten Menschen mitsamt ihren Schick-
salen: Da wären die unnahbare Myri, der von Selbst-
zweifeln zerfressene Tom, die durch das Leben het-
zende Helene und der unscheinbare John. Einem jeden
versucht Ephraim zu helfen, und dabei streift er ihre
Leben wie ein Schatten, der Spuren hinterlässt. Und
so versammeln sich alle Menschen, deren Herzen er
berührt hat, um Abschied zu nehmen.
MZ der Ruhr-Uni, Bochum, 19.30 Uhr (auch 13.01.)
Theater – La Cantina Adrenalina
Der alltägliche Wahnsinn zwischen Probe und Premi-
ere, Abgrund und Adrenalin, Bühnen-Euphorie und
Garderoben-Einsamkeit, zwischen rauschhaftem Er-
folg, der Theatergeschichte schreibt, und Theater-
geschichten, die die Welt bedeuten – von diesem
alltäglichen Wahnsinn lässt sich nicht sprechen, von
ihm muss man singen: Ein Abend mit Musik, der vom
Theater handelt – also vom Leben selbst. „Szene und
Musik wirken an mehreren Stellen famos zusammen.
Ein Höhepunkt: Das Ensemble entwickelt Heinz Er-
hardts „Wenn ich einmal traurig bin“ zu einer Kern-
szene des Hamlet. Deutscher Schlager-Humor trifft
Dada – es bringt den Mut dieser Musik-Revue auf den
Punkt.“ (Ruhrnachrichten)
Schauspielhaus, Dortmund, 19.30 Uhr (auch 25.01.)
DI 15 | 01 | 13
Lesung · Musik | Lavinia Korte und duo aciano
Poesie trifft Musik, beim musikalisch-literarischen
Abend „Schattentango“. Auf dem Programm stehen
neue Texte der Dortmunder Autorin Lavinia Korte,
begleitet wird sie dabei vom duo aciano (Sandra Wil-
helms, Gitarre, und Freya Deiting, Geige). Lavinia Kor-
tes Metier sind Texte, die Suche ausdrücken, „nach der
Welt in mir, nach den Welten in jedem von uns, nach
Begegnung dieser Welten, nach Worten, die Begegnung
ermöglichen“. Im Jahr 2010 stand sie dabei erstmals
mit dem duo aciano auf einer Bühne. Eine Koopera-
tion, aus der sich bald ein festes Programm ergeben
sollte. Geige, Gitarre und Literatur setzten zu einem
musikalisch-lyrischen Dialog an und ließen keine Seite
der menschlichen Emotionen unberührt.
Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr
MI 16 | 01 | 13
Kleinkunst | Moses W.
„Meine Mutter wollte immer einen kleinen David Has-
selhoff haben, ich persönlich wollte lieber aussehen
11 | 01 | 13 Nach Einlass kein Beginn 16 | 01 | 13 C. Heiland12 | 01 | 13 La Cantina Adrenalina
wie einer von KISS. Letzendlich war meine Frisur ein
lausiger Kompromiss aus beidem.“ Moses W. liest
Auszüge aus seinem Buch „Das rockt! – Bekennt-
nisse eines Heavy Metal Fans“. Die Geschichte eines
Hard Rock Fans auf seiner Odyssee, sich selber, seine
Musik und den Rest der Welt in einen harmonischen
Dreiklang zu bringen. Dazu gibt es ein Potpourri aus
Kino- und Filmkritiken und akustische Live-Musik.
Der Eintritt ist frei.
Biercafe, Bochum, 20 Uhr
Kleinkunst | C. Heiland
C. Heiland hat neben brillianten Texten, einer aufre-
genden Stimme, Melancholie und aller Boshaftigkeit
den Humor, den das Musikbusiness seit langem braucht.
Seine Band, das „Heidelberger Daumenorchester“, be-
steht aus Sir Toby (Flöten, Tasten, Saxofone), Hörliver
van der Eem (versucht sich am Bass) und Drumbert Del-
Alle Infos kostenfrei
unter 0800.544 00 44
oder www.dew21.de
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gardo (Schlagzeug). Manchmal versucht auch noch
einer, Gitarre zu spielen. Beherrschte C. Heiland
nicht auch noch Omnichord, Akkordeon, sprechen-
de Stofftiere und falsche Orgel, würde man von ei-
ner absoluten Unverschämtheit sprechen können.
Und wenn man sich mal kurz erholen muss vom Gip-
fel der Unvollkommenheit, beginnt der Heiland, dem
Publikum seine Gedichte und Geschichten vorzulesen.
Sein aktuelles Programm heißt – nomen est omen –
„Scheiße, ist das schön“.
Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr
DO 17 | 01 | 13
Musik-Revue | Nachttankstelle
Die Tankstelle um die Ecke ist der Ort, an dem sich
die Nachtschwärmer treffen. Und es ist ein besonde-
rer Abend, der da allerlei Volk – in diesem Fall die
Punkerin, den arbeitslosen Seemann, den Philoso-
phieprofessor, den jungen Rapper, die aus dem Au-
gustinum entlaufene Seniorin samt der sie suchenden
polnischen Altenpflegerin, den Betrunkenen von der
Weihnachtsmannvermittlung, die Prostituierte, die
Investment-Bankerin oder gar einen Eisbär – in ihrer
Tristesse vereint: der Heilige Abend. Zeit, einzukeh-
ren, das Jahr Revue passieren zu lassen. Selten sind
die Menschen in ihren Gefühlen so ungeschützt wie
in diesen Stunden. Die alten Rituale helfen da über
manche Verwirrung hinweg.
Fletch Bizzel, Dortmund, 20 Uhr
(auch 18. & 19.01., 20 Uhr und 20.01., 18 Uhr)
FR 18 | 01 | 13
BODO VERLOSUNG | Get Well Soon
Im August erschien das dritte Album von Konstantin
Gropper, besser bekannt als Get Well Soon. Es hört
auf den knackigen Namen
„The Scarlet Beast O'Seven
Heads – La Bestia Scarlat-
ta Con Sette Teste“ und ist
ganz der großen Kunst der
Cinematographie bzw. der
italienischen Variante davon gewidmet. Dass Gropper,
der in den letzten Jahren ein gefühltes Dutzend Filme
vertont hat und eine komplette TV-Serie in Frankreich
mit Musik ausgestattet hat, dass dieser Künstler nun
sein filmischstes Album ever aufgenommen hat, ist also
nur konsequent. Doch tatsächlich, man ahnt es bereits,
geht es um weitaus mehr. Gropper reibt sich am Welt-
untergangs- und Krisengedöns, stürzt sich mit Roland
Emmerich voller Wagemut in den Abgrund, singt sich
selber Mut zu, arbeitet sich durch das 13.000 Seiten
Werk von Henry Darger und rechnet im Rundumschlag
mit Esoterik, Selbsthilfe, Lebens-Coaching und Kris-
tallschädeln ab. Da kommt was auf uns zu.
FZW, Dortmund, 20 Uhr
bodo verlost 2 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
Theater | Hypergamie – Ich heirate einen Krüppel
Andersfähig, besonders, benachteiligt, physisch ge-
fordert – schnarch. Es gibt Unworte, die bringen Men-
schen mit Beeinträchtigung auf die sprichwörtliche
Palme. Eine körperlich beeinträchtigte Frau und ein
nicht behinderter Mann feiern mit den (Zuschauer-)
Gästen ihre Hochzeitsfeier mit echtem, interaktivem
Hochzeitsbuffet. Die Gäste erhalten Behinderungen
auf Zeit (freiwillige Teilnahme). Mit auffallenden
Prothesen werden sie selbst zu Menschen mit Be-
einträchtigungen und erfahren die Einschnitte im
direkten Versuch. Das Brautpaar eröffnet den Tanz,
Hochzeitsspiele und Brautklau, emotionale wie lusti-
ge Reden über das Paar, der Anschnitt der Torte, das
Hochzeitsessen und die anschließende Party werden
zu kleinen Herausforderung und fördern Verständnis
durch Selbsterfahrung.
Hochschule für Gesundheit, Bochum, 19.30 Uhr
(auch 19.01., im Hardys, Bochum)
SA 19 | 01 | 13
BODO VERLOSUNG | Jazzfestival Dortmund
Auf ein Neues: Das Jazzfestival der Technischen Uni-
versität Dortmund in Kooperation mit dem Fritz-
Henßler-Haus und der Musikschule
Dortmund läuft wieder an: mit sechs
bekannteren Jazzbands (Frank Haun-
schild, Jiggs Whigham und Ack van
Rooyen im Studio, die Zappa Tribu-
te Band The Dangerous Kitchen im
Gartensaal, die Big Band der Glen
Buschmann Jazz Akademie im Studio,
Freistil im Gartensaal, das Soulfood Organ Quartett im
Café und Messalla im Studio), einer Band aus Dortmund
(das Lu/Künzer-Quartett,) die ausgelost wurde, und ei-
ner achten Band (Les Jeunes Bohèmes), bestehend aus
Dortmunder Musikstudenten. Der Top-Act des Abends
ist bestimmt der Auftritt des Trios um den Niederlän-
der Ack van Rooyen mit Jiggs Whigham und dem Köl-
ner Jazzgitarristen Frank Haunschild. Ack van Rooyen
ist bekannt aus dem legendären United Jazz and Rock
Ensemble, und Jiggs Wigham begann seine Karriere im
Glenn Miller Orchestra und der Stan Kenton Big Band.
Weiterhin nehmen folgende Bands am Jazzfestival teil:
Die Frank Zappa-Tribute-Band The dangerous kitchen,
Freistil, Soulfood, Messalla und die Big Band der Glen
Buschmann-Jazzakademie und der TU Dortmund.
Fritz-Henßler-Haus, Dortmund, 20 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
24 VERANSTALTUNGEN JANUAR 2013
19 | 01 | 13 Schwanensee 19 | 01 | 13 Trovaci feat. Dr. Ring Ding
Lese-Show | Sträter & Gäste: Ruhrpott meets Hollywood
Der Dortmunder Autor, Slam-Poet und Bühnenzyniker
Torsten Sträter präsentiert seine zweite Ruhrpott-
Hollywood-Lese-Show. Das Konzept: Bekannte Ruhr-
gebietsgesichter und -stimmen treffen auf promi-
nente (Überraschungs-)Künstler des gesprochenen
Wortes. Vorgetragen werden überwiegend lustige
Texte, aus dem Kontext gerissene Kinderbücher und
neue Hollywoodinterpretationen. O-Ton des Künst-
lers: „Die Sau wird auf hohem Niveau rausgelassen“.
Gastgeber Sträter ist Autor, Zyniker, preisgekrönter
Slam-Poet. Sein aktuelles Buch „Der David ist dem
Goliath sein Tod“ wurde bei WDR 2 zum witzigsten
Buch des Jahres 2011 gekürt.
domicil, Dortmund, 20 Uhr
Musik | Trovaci feat. Dr. Ring Ding
Vier Ex-Jugos, 15 Jahre Exil in Deutschland, kombi-
niert mit treibendem Balkan-Ska-Reggae-Punk er-
geben nicht nur eine exzellente Liveband, sondern
stehen auch für selbstironische und sympathisch-
schlitzohrige Texte auf serbisch und deutsch. Seit
2003 wirft die Düsseldorfer Combo einen einzigarti-
gen „balkanisierten“ Blick auf den deutschen Alltag,
auf Gastarbeiterklischees und Herzschmerz-Themen.
„Geballte balkanesische Live-Energie – nicht quat-
schen – tanzen!“ (Asphalt-Festival) Auf der anschlie-
ßenden Globalibre/Afrikanista/Balkan-Party wird
Band-Frontmann Danko Rabrenovic aka „Der Balkani-
zer“ als DJ noch den Anheizer geben. Der Eintritt zur
Party ist für Konzertbesucher frei.
Bahnhof Langendreer, Bochum, 21 Uhr
Ballett | Schwanensee
Wie viele Träume von einer Ballettkarriere dieses Werk
schon gestiftet, wie viele Karrieren der Tanzkunst
„Schwanensee“ begründet und wie viele Laufbahnen
zerstört hat, bleibt für immer ungezählt. Für jeden
Choreographen stellt er eine faszinierende Heraus-
forderung dar und verlangt jedem Tänzer körperliche
und darstellerische Höchstleistungen ab. Mit seiner
Choreographie von Schwanensee (2004) wies Ballett-
direktor Xin Peng Wang in atmosphärisch dichten Bil-
dern und durch eine beeindruckende Tanzsprache dem
Ballett Dortmund jene künstlerische Richtung, die
mittlerweile überregional große Beachtung gefunden
hat. Nun nähert er sich abermals diesem magischen
Werk. „Zehn Minuten stehende Ovationen genossen
die exzellent trainierten Tänzer und Wangs Team nach
zweieinhalb Stunden hoher Danse d’Ecole.“ (WAZ/WR)
Opernhaus, Dortmund, 19.30 Uhr
25
20 | 01 | 13 Addys Mercedes 22 | 01 | 13 Tryo21 | 01 | 13 Vinyl-Café
SO 20 | 01 | 13
Musik | Addys Mercedes
Die aus Kuba stammende Sängerin und Songwriter-
in Addys Mercedes, mittlerweile mit Wahl-Wohnsitz
Ruhrgebiet, steht für kubanische Musik mit traditi-
onellen Einflüssen, irgendwo zwischen Pop und Welt-
musik. Addys warme Stimme schlägt die Brücke zwi-
schen kubanischer Tradition und Indiepop, sie gilt als
Europas renommierteste kubanische Stimme. Auftrit-
te mit Eric Clapton, Bob Geldorf, Juan Luis und Ringo
Starr, belegen dies.
domicil, Dortmund, 20 Uhr
MO 21 | 01 | 13
Vortrag | Warum Hellas der Retter Europas ist
Krisennachrichten aus Griechenland und kein Ende?
Warum Hellas eigentlich der Retter Europas ist, dar-
über referiert der Europaabgeordnete Jorgo Chatzi-
markakis. In seinem Vortrag wird Jorgo Chatzimar-
kakis darstellen, wie die antike Kultur der Hellenen
einst Europa erst möglich machte und warum helle-
nische Werte wie Freiheit, Selbstgenügsamkeit und
direkte Demokratie noch immer bei der Lösung der
heutigen Probleme helfen könnten. Chatzimarkakis
fordert eine Besinnung auf Selbstgenügsamkeit und
Nachhaltigkeit in der Politik, um Europa, aber auch
Griechenland fit für das 21. Jh. zu machen. Der Ein-
tritt ist frei.
Auslandsgesellschaft NRW e.V., Dortmund, 20 Uhr
Lesung · Musik · Lounge | Vinyl-Café
Live-Magazin mit Menschen, Musik und Geschichten
Ab Januar gibt‘s also nun jeden dritten Montag im
Monat veranstaltet vom Endstation Kino und dem
Bochumer Plattenladen DISCover das Vinyl-Café, ein
Live-Magazin mit Musik. Die Gäste sind eingeladen,
eigene Platten zum jeweiligen Thema und ihre Ge-
schichten dazu mitzubringen. Gespräche und Musik
werden ergänzt durch Live-Akustik-Sets, Rezensio-
nen, Musikfilme, Lyrik und alles Denk- und Undenk-
bare, das mit Musik zu tun hat. Als erster Gast, pas-
send zum Thema „Speisen & Getränke in der Musik“,
ist der Bochumer Kulturjournalist und Gastrokritiker
Tom Thelen eingeladen. Der Eintritt ist frei.
Endstation Kino Café, Bochum, 20 Uhr,
DI 22 | 01 | 13
Musik | Tryo
Tryo sind in Frankreich längst eine lebende Legen-
de. Und zwar eine höchst lebendige. Und mit ihrem
neuen Album „Ladilafé“ an Bord gehen sie nun auch
endlich in Deutschland auf Tour. Dabei steckt hinter
ihren smoothen, meist akustischen Reggae-Songs oft
keine simple, leichtverdauliche Message: Es geht um
Politik, um die eigenen Werte, um das Recht, anders
zu sein, und vor allem und immer wieder um Umwelt-
schutz. Tryo kooperieren u.a. eng mit Greenpeace bei
diversen Projekten, und die Umweltorganisation wird
auch ihre Europatour präsentieren. Aber auch musika-
lisch haben Tryo Sinn für Nachhaltigkeit: Von Anfang
an konzentrierte die Band sich nicht einzig und allein
auf den fossilen Brennstoff namens Reggae. Dieser
bleibt dann trotz allen möglichen anderen musikali-
schen Einflüssen die Hauptantriebsfeder. Stets auf der
Suche nach erneuerbarer kreativer Energie wandern
sie wie Globetrotter mit offenen Augen und offenem
Herzen durch die Welt der Musik, während ihre Texte
gleichzeitig fest verankert in ihrem Glauben an Hinga-
be und soziales Miteinander bleiben.
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
MI 23 | 01 | 13
Theater | Batman hält die Welt in Atem
Die „Vereinigte Umwelt“ will die Weltherrschaft
übernehmen. Zu diesem Zweck stehlen der Joker, der
Pinguin, der Rätselknacker und das Katzenweib eine
Erfindung, mit deren Hilfe sie die gesamte Mensch-
heit pulverisieren könnten. Nur zwei sind in der
Weitere Infos: www.bus-und-bahn.deMobiles Internet: bub.mobi
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Lage diesen düsteren Plan zu stoppen: Batman
und Robin! Doch auch die Gegner wissen, was
es heißt, wenn das Rächer-Duo ins Spiel kommt,
und so locken sie die beiden heimtückisch in
eine Falle. Wird es den beiden Fledermaus-Hel-
den gelingen, das skrupellose Verbrechersyndi-
kat rechtzeitig auszutricksen, um so die Welt vor der
drohenden Katastrophe zu retten? Ein Live-Hörspiel
aus der Reihe „Dynamische Duos“.
Rottstr 5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr
Kabarett | Frank Lüdecke
Frank Lüdecke gehört zu jenen politischen Kabarettis-
ten, die „bitterböse und gleichzeitig unendlich char-
mant beweisen, dass man den Spagat zwischen intel-
lektuellem Witz und bester Unterhaltung glänzend
meistern kann.“ (Internetkabarettpreis Zeck). In sei-
nem brandneuen Programm untersucht er die Vorzüge
egoistischer Selbstbedienung und die Gegenmodelle:
Von Jesus Christus über Robin Hood zu Bill Gates und
Hartz IV. Mit wohlkalkulierter Präzision philosophiert
er sich hinauf zu den Grundsatzfragen menschlichen
Zusammenlebens. Ein Soloprogramm mit aktuellen
satirischen Abschweifungen zur Lobbyisten-Demo-
kratie, glückselig machenden Bindungshormonen und
desillusionierten Nasszellendesignern aus Mecklen-
burg. Und mit Musik.
Flottmann-Hallen, Herne, 20 Uhr
Musik | Jennifer Rostock
Mit einer Live-DVD hatte die Band Jennifer Rostock
gerade erstaunlicherweise ihren höchsten Chart-Ent-
ry. Die Quintessenz aus dem Erfolg von „Live in Ber-
lin“: Die Band muss wohl dringend wieder auf Tour.
Bevor man sich ins lärmende Kämmerlein zurück-
zieht, um am Material für die neue Platte zu schrau-
ben, gibt es zum Abschied in die Frühjahrspause
noch eine abschließende Klassenfahrt mit Pauken,
Trompeten, Konfetti, jeder Menge Gäste und ganz
bestimmt ohne Lloret de Mar. Doch abgesehen von
Klassikern im neuen Gewand und dem standardgemä-
ßen Entertainmentwahnsinn soll die „*_* Tour 2013“
alles jemals Dargebotente übertreffen. Mit zusätz-
lich zwei glühenden Newcomerbands (Aufbau West
& Heisskalt), die nicht nur das übliche Anheizerpro-
gramm bestreiten werden, und einem DJ (Amokko-
ma), der die sonst so tristen Umbaupausen in tanz-
beinzermarternde Elektrogewitter verwandelt.
FZW, Dortmund, 20 Uhr
DO 24 | 01 | 13
Musik | Herr Meier
Herr Meier singt unter dem hochoffiziellen Siegel „Ruhr-
Rock-Gypsy-Pop“ frisch von der Leber weg über Gott
und die Welt: Ruhrpottcowboys, Telefone, Schwarzfah-
rerinnen, Fußballvereine und auch das miese Wetter.
Die Dortmunder Band experimentiert gern mal mit Pol-
ka, Tango und Gypsy, macht aber vor allem Stücke, die
grooven, mitreißen und ins Blut gehen.
subrosa, Dortmund, 19 Uhr
SA 26 | 01 | 13
BODO VERLOSUNG | Andrea Badey
Andrea Badey, die Kabarett-Lady aus Oberhausen und
kabarettistische Frauenbeauftragte in Sachen Lebens-
komik, zerpflückt in ihrem neuen Pro-
gramm „Wer mit sich selbst fremd geht,
bleibt sich treu“ mit Charme, Witz und
beherzten Liedern die Tiefgründe un-
seres menschlichen und gesellschaftli-
chen Daseins. Kabarettistisch, poetisch
und urkomisch geht Badey mit uns und
mit sich selbst fremd und bleibt sich
doch immer treu. „Wie Andrea Badey ihre Geschichten
erzählt, das ist einfach umwerfend. Frech. Dann wieder
in einem Lied, leise zärtlich. Nur, um im gleichen Moment
wieder die ganz großen Saiten anzuschlagen. Wenn böse
Mädchen in den Himmel und gute nirgendwo hinkommen,
wohin kommt dann eigentlich ,die Badey‘?“ (Westfäli-
sche Rundschau) „Die Lady aus dem Ruhrpott schleift
Kohle zu Diamanten.“ (Süddeutsche Zeitung)
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
Musik | Compania Bataclan
Wer kennt sie mittlerweile nicht, die Compania Bata-
clan aus der Metropole Ruhrgebiet? Über ihr bekanntes
weltmusikalisches Repertoire hinaus wurde ein Hörspiel
namens „Planeta Autonomia“, welches den Focus auf
eine gesellschaftliche Utopie richtet, uraufgeführt.
Tanzeinlagen bei „Sonsonet“, einem afrikanischen,
rhythmusbetonten und percussiven Track, fanden
gleichwohl Zuneigung und Applaus. Die Compania Ba-
taclan ist eine siebenköpfige Band aus Bochum, Witten,
Dortmund, Fröndenberg, Wuppertal. Ihre musikalische
Vielseitigkeit verbindet sich mit politischem Anspruch.
Texte aus eigener Feder oder von Brecht/Weill werden
mit unterschiedlichsten Mixturen unterlegt. Heraus
kommt ein spannender Soundclash; ob Balkan-Klezmer,
französische Musette, Reggae oder Ska – die Compania
tanzt auf vielen musikalischen Hochzeiten - frei nach
dem Motto der amerikanischen Anarchistin Emma Gold-
man „Wenn ich nicht tanzen kann, ist es nicht meine
Revolution.“ Special Guest: Leonie.
Maschinchen Buntes, Witten, 20 Uhr
SO 27 | 01 | 13
Vortrag | György Konrád:
Zum Tag der Befreiung von Auschwitz
Als die Deutschen im März 1944 Ungarn besetzten,
floh der 11jährige György Konrád nach Budapest und
tauchte unter. Aber auch, wer entkam, ist nicht ent-
kommen: „Wichtigster Orientierungspunkt meines
Denkens ist eine polnische Kleinstadt, die das Rei-
seziel meiner Schulkameraden aus der Grundschule
geworden war.“ schreibt Konrád in seinem jüngsten
Werk, 2012 erschienen: „Zufällig bin ich nicht dort-
hin gelangt. Die anderen dagegen entsprechend dem
Lauf der Dinge sehr wohl. In Oswieczim, zu deutsch
Auschwitz, hätte ich vernichtet werden sollen. Das
Unglück, dass meine Eltern vor der Deportation ver-
haftet worden waren, erwies sich als unser lebensret-
tendes Glück. Sie wurden nach Österreich gebracht,
entkamen dem Todeslager, kehrten heim. Wir waren
die einzige intakt gebliebene jüdische Familie der
Kleinstadt. Du lebst statt der anderen, das sagte mir
in meiner Kleinstadt ein Jude, dessen Frau und zwei
Kinder verbrannt worden waren. Im Februar 1945 sag-
te er das, kurz vor meinem zwölften Geburtstag. Diese
Feststellung klang wie ein Urteil.“
Christuskirche, Dortmund, 17 Uhr
Theater | FischBAR – Gib mir das Teil
FischBAR ist ein völlig ungewisser Theaterabend mit
einem gewissen Herrn Hecht. Alles, was er braucht,
ist ein Objekt, ein Gegenstand, welches das Publikum,
mitbringt. Aus dem „Teil“, welches er vor der Vor-
stellung erhält, lässt er etwas ganz Neues entstehen
und es verwandeln. So wird der Gegenstand der Aus-
gangspunkt von plötzlich beginnenden Geschichten,
Situationen und Begegnungen. Niemand weiß, was als
nächstes geschehen wird, wie es enden wird und ob
es gelingen wird.
Theater im Depot, Dortmund, 19 Uhr
MO 28 | 01 | 13
Jugendtheater | Lumpenpott
Herrmann, genannt Lumpenpott, lebt davon, dass er
mit seinem Karren durch s Ruhrgebiet zieht, Lumpen
und Trödel sammelt und verkauft. Manches behält
er aber auch, Stücke mit Geschichte. Geschichten
von denen, die damals mitgemacht, angezettelt,
weggehört, an- und brandgestiftet haben. Aber
auch von denen, die verschwunden sind, verfolgt
26 VERANSTALTUNGEN JANUAR 2013
23 | 01 | 13 Batman hält die Welt in Atem23 | 01 | 13 Jennifer Rostock
27
30 | 01 | 13 Alex Clare27 | 01 | 13 FischBAR
und verschleppt wurden – damals, als die rote Ruhr
kackbraun war. Ausgehend von authentischen Er-
innerungsstücken werden signifikante und ganz
alltägliche Charaktere wieder lebendig, zeigen den
Nationalsozialismus und seine menschenverachten-
den Mechanismen in individuellen Schicksalen. Ein
Theaterstück für Menschen ab 14 Jahren.
KiJuKuMa, Bochum, 10 Uhr (auch 29., 30. & 31.01.)
DI 29 | 01 | 13
BODO VERLOSUNG | The 69 Eyes
The 69 Eyes, „die dunklen Gesellen aus Helsin-
ki“, feiern Jubiläum: Vor 20 Jahren erschien mit
„Bump’n’Grind“ das erste
Album der Finnen, nun er-
scheint das zehnte Studio-
album und trägt mit dem
römischen Zahlzeichen den
standesgemäßen Titel „X“.
Wieder ist es klassischer Goth’n’Roll, den die Helsin-
ki Vampires auf Scheibe gebrannt haben, zehn Stücke
Vollgasrock zwischen Dancefloor, düsteren und lang-
samen Phrasen und wunderbaren Refrains. Wie schon
beim Vorgänger-Album „Back In Blood“ kommen 69
Eyes allerdings deutlich rockiger daher als schon ein-
mal und gehen damit einen Schritt zurück in ihre ei-
gene Vergangenheit. Ein Jubiläum muss man als Band
aber auch auf der Bühne feiern, und so kommen 69
Eyes nun auch ins Ruhrgebiet, um das neue Album und
ihre alten Hits live zu präsentieren. Special Guest an
diesem Abend: die Thüringer Band The Fright, die ih-
ren Sound als „Horrock‘n‘Roll“ betiteln.
Zeche, Bochum, 20 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
MI 30 | 01 | 13
Musik | Alex Clare
Alex Clare ist der Mann, der mit dem Dubstep-Soul-
Track „Too Close“ in diesem Jahr einen absoluten
Überraschungs-Hit geliefert und mit „Treading Water“
gleich noch einen fetten zweiten hintergeschoben
hat. Und kein Wunder, dass die Fans nun auch auf
Konzerte von Alex Clare brennen. Im Januar spielt er
insgesamt fünf Shows hierzulande, im Rahmen derer
wird Alex Clare sein Album „The Lateness Of The Hour“
live präsentieren. Der Longplayer beinhaltet eine Mi-
schung aus Blues, Jazz und Soul, gemischt mit Dubs-
tep, und wer das Album einmal gehört hat, wird nur
noch eines wollen: diesen außergewöhnlichen Künst-
ler live auf der Bühne zu erleben.
FZW, Dortmund, 20 Uhr
Theater | Spiel des Lebens
Eine Uhr tickt und begrenzt die Zeit, die sie gemein-
sam im Theater verbringen: Publikum und Schauspie-
ler. Auf der einen Seite die, die etwas sehen wollen für
ihr Geld, auf der anderen die, die auf der Bühne stehen
und eine Mission haben, jung, voller Enthusiasmus.
Sie wollen die geballte Lebenszeit der Zuschauer nicht
vergeuden. Aber was ist eigentlich ein guter Theater-
abend? Die perfekte Show? Katharsis, Erschütterung,
Läuterung? Große Gefühle? Intelligente Analyse? Was
passiert, wenn Realität und Fiktion, Spiel und Ernst
beginnen zu verschwimmen? Autor Lutz Hübner und
Regisseurin Martina van Boxen entwickeln mit zehn
Schauspiel-Studierenden einen Abend, bei dem das
Publikum sich vielleicht bis zum Ende fragt, was
„echt“ ist, und ob die da oben nicht doch nur ver-
dammt gut etwas vorspielen.
Kammerspiele, Bochum, 19.30 Uhr
DO 31 | 01 | 13
Musik | Gefilte Fish
Liebe geht ja bekanntermaßen durch den Magen,
aber manchmal auch durch die Ohren. Und so ist Ge-
filte Fish nicht nur eines der beliebtesten jüdischen
Festtagsgerichte, sondern auch eine internationa-
le Gruppe von engagierten Musikern, die sich den
Liedern und Melodien der europäischen Juden ver-
schrieben haben. Ihr Repertoire erstreckt sich von
alten osteuropäischen Klezmermelodien und Volks-
liedern über sephardische Lieder und chassidische
sowie israelische Songs bis zu Theaterliedern der Off
Broadway Szene der 20er bis 40er Jahre des letzten
Jahrhunderts in New York.
Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund, 20 Uhr
31 | 01 | 13 Gefilte Fish
Adressen | Bochum (0234)Bahnhof Langendreer, Wallbaumweg 108, 687 16 10
Christuskirche, An der Christuskirche 1, 338 74 62
Endstation Kino, Wallbaumweg 108, 687 16 20
Eve Bar, Königsallee 15, 333 354 45
Freilichtbühne Wattenscheid, Parkstraße, 61 03-0
HalloDu-Theater, Lothringer Str. 36c, 87 65 6
Jahrhunderthalle, Gahlensche Str. 15, 369 31 00
Kulturhaus Oskar, Oskar-Hoffmann-Straße 25
Kulturrat Bochum, Lothringer Straße 36, 862 012
Museum Bochum, Kortumstraße 147, 910 42 30
Mus. Zentrum der RUB, Universitätsstr. 150, 322 28 36
Prinz-Regent-Theater, Prinz-Regent-Str. 50 – 60, 77 11 17
Riff, Konrad-Adenauer-Platz 3, 150 01
RuhrCongress, Stadionring 20, 610 30
Schauspielhaus, Königsallee 15, 333 30
Stadthalle Wattenscheid, Saarlandstraße 40, 610 30
Thealozzi, Pestalozzistraße 21, 175 90
Varieté et Cetera, Herner Straße 299, 130 03
Zauberkasten, Lothringer Straße 36c, 86 62 35
Zeche, Prinz-Regent-Straße 50-60, 977 23 17
Zeche Lothringen, Lothringer Straße 36c, 876 56
Zwischenfall, Alte Bahnhofstraße 214, 28 76 50
Adressen | Dortmund (0231)Auslandsgesellschaft, Steinstraße 48, 838 00 00
Cabaret Queue, Hermannstraße 74, 41 31 46
DASA, Friedrich-Henkel-Weg 1 – 25, 90 71 24 79
Dietrich-Keuning-Haus, Leopoldstr. 50 – 58, 502 51 45
domicil, Hansastraße 7 – 11, 862 90 30
Fletch Bizzel, Humboldtstraße 45, 14 25 25
F.-Henßler-Haus, Geschw.-Scholl-Str. 33 – 37, 502 34 72
FZW, Ritterstraße 20, 17 78 20
Galerie Torhaus, Haupteingang Rombergpark, 50 23 194
Konzerthaus, Brückstraße 21, 22 69 62 00
Museum f. Kunst u. Kulturgesch., Hansastr. 3, 502 55 22
Piano Musiktheater, Lütgendortmunder Str. 43, 604 206
Rasthaus Fink, Nordmarkt 8, 999 876 25
Reinoldikirche, Ostenhellweg 1, 52 37 33
Schauspielhaus, Hiltropwall, 502 55 47
Sissikingkong, Landwehrstraße 17, 728 25 78
Strobels, Strobelallee 50, 999 50 60
Subrosa, Gneisenaustraße 56, 82 08 07
SweetSixteen Kino im Depot, Immermannstr. 29, 910 66 23
Theater im Depot, Immermannstraße 29, 98 21 20
U, Leonie–Reygers-Terrasse, 50 247 23
Westfallenhallen, Rheinlanddamm 200, 120 40
Westfalenpark, An der Buschmühle 3, 35 02 61 00
Zeche Zollern, Grubenweg 5, 696 12 11
Adressen | Herne (02323)Flottmann-Hallen, Flottmannstr. 94, 16 29 52
Mondpalast, Wilhelmstraße 26, 58 89 99
Adressen | Witten (02302)Saalbau, Bergerstraße 25, 581 24 24
Werkstadt, Mannesmannstraße 2, 94 89 40
Der Druck dieser Seite wurde ermöglicht durch Spenden der Besucher des Geierabend 2012.
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28 PORTRÄT | von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski
Johannes Klais ist Kameramann, er ist selbst-ständig und verdient seinen Lebensunterhalt hauptsächlich mit der Produktion von Image-filmen für mittelständische Unternehmen. Um zu entspannen – nach oft anstrengenden Dreharbeiten, welche sich über mehrere Tage erstrecken können – hat er einen eher unge-wöhnlichen Ort und dort eine nicht weniger seltsame Tätigkeit für sich entdeckt. Wir trafen ihn im Dortmunder Stadtarchiv, wo er aktuell eine Unzahl bislang nicht ausgewer-teter Videos der Stadtwerke (DSW) sichtet. Ungeöffnete Kartons türmen sich in den Rega-len, über den Bildschirm flimmert gerade ein BTX-Lehrfilm aus den 80ern. Wir sind neugie-rig und fragen nach, warum er sich das antut.
Zu den bewegten Bildern ist Johannes Klais auf
Umwegen über den Ton gekommen. Denn obwohl
sich der gebürtige Dortmunder bereits früh fürs
Fotografieren begeistern konnte, galt sein Inter-
esse in erster Linie den Spielarten akustischer
Techniken. Nach Abitur und Zivildienst absol-
vierte er deswegen in Köln eine Ausbildung zum
Audio-Engineer. Es folgten drei Jahre Berufstä-
tigkeit in einem Studio für Film-Postproduktion,
Synchronisation und Ton-Nachbearbeitung. Wäh-
rend dieser Arbeit fand er zunehmend Gefallen
am Film an sich, er kehrte nach Dortmund zurück
und begann ein FH-Studium als Kameramann.
Parallel drehte er mit einigen Freunden eigene
Filme. Zunächst „Großes Tennis” (2003) und dann
„Oh Fortuna”, der am 29. Mai 2010 im Westfa-
lenstadion Premiere hatte. Fußball, Feinripp und
Flaschenbier: der schnell zum Kultfilm avancierte
Streifen spielt liebevoll mit Revier-Klischees.
Beim alljährlich im Stadion stattfindenden Open-
Air-Kino wird „Oh Fortuna” seither regelmäßig
gezeigt. Ein Heimatfilm? „In gewisser Weise trifft
das wohl zu”, meint Klais. „Mit gefällt in diesem
Zusammenhang nur nicht, dass der Begriff Hei-
mat, mit irgendetwas drangehängt, inzwischen
inflationär oft gebraucht wird.”
Dass „Oh Fortuna” gut funktioniert, liegt unter an-
derem an der Sprache der Protagonisten. Die Dia-
loge leben von ruhrgebietstypischen Redewendun-
gen, sie wirken nie bemüht oder aufgesetzt. „Die
beiden Drehbücher haben wir im Team geschrieben,
ich selbst bin nämlich gar nicht so aufgewachsen”,
sagt Klais dazu. „Zwar bin ich hier geboren worden,
,datt‘ und ,watt‘ war bei uns zu Hause aber ver-
pönt. Meine Mutter ist Deutschlehrerin, die hat da
sehr drauf geachtet. Meine Freunde dagegen sind
auf dem Terrain zum Teil sehr bewandert. Moritz
Bergmann zum Beispiel. Der lebt inzwischen in
Hamburg und betreibt sehr erfolgreich das Projekt
,dortmunderisch.de‘. Auf dieser Internet-Seite geht
es um Sprache, Bilder und Geschichten der Stadt.”
Gewissermaßen HeimatfilmeWilms, Gorbatschow und Oh Fortuna
Gern würde Johannes Klais einen dritten
abendfüllenden Spielfilm drehen, doch nach
dem Studium, gefordert von Familie und
Beruf, mangelt es ihm und seinen Freunden an
Freiraum, sich solch einem aufwändigen, rein
idealistisch betriebenen Projekt zu widmen.
„Dem extrem kreativen Pool fehlt gerade die
Zeit. Das ist aber kein Problem, das ist das
Leben”, beschreibt er die Situation. Einfacher
schien es dem filmbegeisterten Team, ein
kleines Festival auf die Beine zu stellen. Basis
war die Beliebtheit von „Oh Fortuna”. Der
Streifen flimmert nämlich nicht nur im Stadion
über die Leinwand, er wurde auch mehrmals in
Klais‘ Stammkneipe gezeigt, dem „Balke“ an
der Hohen Straße.
Wie nahezu jede ernstzunehmende Revierkneipe
ist das Balke aus fußballerischen Gründen mit
Leinwand und Beamer ausgestattet. Als Cineast
sieht Klais in jedem dieser Lokale ein Kleinkino,
das außerhalb der Bundesliga Hin- und Rückrun-
den praktisch brach liegt. Als Alternative zur
x-ten „Oh Fortuna”-Aufführung konnte er vor
zwei Jahren seinen Stammkneipenwirt für ein
Kurzfilmprogramm gewinnen. Ebenso hochtra-
bend wie ironisch gebrochen wurde die Veran-
staltung als „1. Dortmunder Tresen-Filmfestival”
angekündigt. Zum bemerkenswerten Niveau
trug bei, dass Klais bestehende Kontakte zur FH
nutzen konnte, wo in jedem Semester Kurzfilme
gedreht werden, die selten oder nie außer-
halb der Lehranstalt gezeigt werden. Nach der
vielversprechenden Premiere wurde eine zweite
Ausgabe im vergangenen Jahr um mehrere Tage
und auf weitere Aufführungsorte ausgedehnt.
„Wir hatten schon beim ersten Mal gemerkt,
dass in dem Rahmen nicht nur die ,auf lustig‘
gemachten Filme funktionieren. Wir waren
selber überrascht, wie konzentriert sich das
Publikum auf schwerere Stoffe einließ. Und
dann hatte ich die Idee, neben aktuellen stu-
dentischen Produktionen auch Archivmaterial
zu zeigen, Imagefilme der Stadt oder ansässiger
Unternehmen und privat Gefilmtes”, erklärt
Klais das im Vergleich zu anderen Festivals
sehr heterogene Programm. Dabei wollte er
unter keinen Umständen auf die Arbeiten einer
ganz bestimmten Filmemacherin verzichten:
29
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30
30
Elisabeth Wilms. Erste Filme drehte die Tochter
eines münsterländischen Wurstfabrikanten
während des Zweiten Weltkriegs, ihre mit dem
Bundesfilmpreis ausgezeichneten Dokumentati-
onen „Dortmund 1947” und „Schaffende in Not”
gelten heute als wertvolle historische Quellen.
Im Handel ist eine DVD mit fünf ihrer insgesamt
etwa zweihundert Werke erhältlich. Klais wollte
Unbekanntes von ihr zeigen und wandte sich an
entsprechende Archive.
„An ihre Arbeiten zu kommen war viel anstren-
gender als ich dachte”, erzählt er. „Dabei haben
wir nicht um die Originale gebeten, sondern
um vorhandene, digitalisierte Kopien. Und
die Filme wurden ja nicht gemacht, um jetzt
in irgendwelchen Schubladen zu lagern. Die
müssen gezeigt werden. Die Archive werden
aus Steuermitteln finanziert, und was dort
liegt, gehört der Bevölkerung. Aber leider ist
es manchmal schwierig, die Verantwortlichen
davon zu überzeugen.”
Als zum Glück ausgesprochen unkompliziert er-
wies sich die Kooperation mit dem Dortmunder
Stadtarchiv. Bei Frau Dr. Andrea Zupancic, der
Leiterin des angeschlossenen Bild-, Film- und
Tonarchivs, fand er offene Ohren, offene Türen
und es ergab sich eine klassische Win-Win-
Situation. Im Stadtarchiv nämlich wartet jede
Menge ungesichtetes Material auf Auswertung.
Wenn Erben nach einem Todesfall auf Kisten
mit Büchern, Filmen oder Fotos stoßen, die zu
schade zum Wegwerfen scheinen, für sie selbst
jedoch keinen Wert zum Behalten besitzen,
werden solche Funde nicht selten dem Stadtar-
chiv überlassen. Ähnliches gilt, wenn Betriebe
ihre firmenhistorischen Sammlungen entrüm-
peln. So gelangten unter anderem die eingangs
erwähnten DSW-Filme in Zupancic´ Obhut. In
diesem konkreten Fall fehlte es nicht nur an
Personal und Zeit, sondern an der entspre-
chenden Technik, das Geschenk in Augenschein
zu nehmen. Sämtliche Aufnahmen waren auf
U-matic gespeichert, einem Videoformat, das
Ende der 1980er Jahre vom Markt verschwand.
Über seine FH-Verbindungen konnte Klais ein
Abspielgerät besorgen.
„Ich bin kein gelernter Archivar”, sagt er. „Aber
Frau Zupancic hat mir erklärt, worauf aus ihrer
Sicht zu achten wäre. Außerdem bin ich hier
aufgewachsen und kann mir schon vorstellen,
was für ein Stadtarchiv von Bedeutung sein
könnte. Auf Einladung des Hoesch-Betriebsrates
kam zum Beispiel Michail Gorbatschow kurz vor
dem Fall der Berliner Mauer nach Dortmund. Auf
den DSW-Bändern gibt es umfangreiche Live-
Aufnahmen seines Besuches.”
Für ihn selbst, sagt er, für ein drittes „Dortmun-
der Tresen-Filmfestival”, wären freilich andere
Sachen interessanter. Begeistert erzählt er von
einem Versuch des Dortmunder Kabelpilotprojek-
tes, unterm Pylon am Stadthaus eine Fernseh-
show im „Wetten, dass...?“-Format zu präsentie-
ren. „Total schräge Nummer! Das kannst du 60
Minuten lang ungeschnitten zeigen! Sehr skurril
sind auch die Lehrfilme. Ich habe kürzlich ein
ernst gemeintes Original zum Trashfilmfestival-
hit „Staplerfahrer Klaus” entdeckt. Ich muss mir
natürlich viel Mist anschauen. Mindestens 80%
kann weg. Doch bislang war an jedem Tag etwas
dabei, was mich entschädigt hat. Wenn ich mit
den DSW-Kisten durch bin, mache ich an einer
anderen Ecke weiter. Hier lagern noch viele
unentdeckte Perlen.”
Für das „3. Dortmunder Tresen-Filmfestival”,
es soll im Frühjahr 2013 stattfinden, sucht
das Team Lustiges, Ehrliches, Herzzerreißen-
des, Existenzielles, Erfundenes, Übertriebe-
nes und wahre Geschichten. Aktuelles oder
Historisches aus dem echten Leben, wobei die
einzelnen Filme nicht länger als 30 Minuten
sein sollten. Das Team freut sich auf Filmvor-
schläge. (wk)
INFO
www.dtff.de
31
Seit 18 Jahren gehören das Straßenmagazin und seine
Verkäufer zum Straßenbild in Bochum, Dortmund und
Umgebung. Viele haben feste Verkaufsplätze und einen
eigenen Kundenstamm. Manche sind schon seit Jahren
bei uns, andere nur auf der Durchreise. Für alle jedoch
ist der Verkauf des Straßenmagazins eine Arbeit, die
Halt gibt und Selbstbewusstsein schafft. bodo stellt
regelmäßig einen Verkäufer vor.
bodo-VerkäuferInnen
31VERKÄUFERGESCHICHTEN | protokolliert von Sebastian Sellhorst | Foto: Sebastian Sellhorst
»Nichts ist schlimmer, als nur zu Hause zu sitzen«Sefa aus Dortmund:
Als Kleinkind kommt Sefa mit seiner Mutter nach Dortmund, geht zur Schule, macht eine Lehre. Seit er vor einigen Jahren schwer er-krankt ist, bekommt er eine kleine Rente. Mitte letzten Jahres kommt er über einen Freund zu bodo. Seitdem verkauft er an der Saarlandstra-ße in Dortmund das Straßenmagazin. Immer nur für ein paar Stunden in der Woche, so wie es sei-ne Gesundheit gerade zulässt. Uns hat er seine Geschichte erzählt.
„Geboren bin ich in Bartin. Das ist eine kleine
Stadt am Schwarzen Meer in der Türkei. Dort habe
ich aber nur gelebt, bis ich circa sechs Monate alt
war. Dann bin ich mit meiner Mutter nach Deutsch-
land gegangen. Mein Vater lebte bereits seit ei-
nigen Jahren im Ruhrgebiet, da er hier Arbeit im
Bergbau gefunden hatte.
Hier angekommen bin ich in Lünen zur Grundschule
gegangen. Das lief noch ganz gut. Später auf der
Gesamtschule hatte ich oft Stress mit meinen Leh-
rern, weil ich viel geschwänzt habe. Dort bin ich
dann irgendwann von der Schule geflogen. Danach
habe ich eine Lehre als Informatiker angefangen.
Das hat mir sehr gut gefallen, aber leider habe ich
die Lehre nicht beenden können, weil ich auch dort
zu viele Fehlzeiten hatte. Von da an habe ich mich
mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen. Jobbte im
Bereich Landschaftsbau, Autoverwertung und als
Hausmeister. Mit 19 habe ich geheiratet. 1992 kam
mein Sohn zur Welt, vier Jahre später meine Toch-
ter. Mittlerweile lebe ich von meiner Frau getrennt
und unsere Kinder leben bei ihr, aber ich bekomme
regelmäßig Besuch von den beiden.
2004 bekam ich starke gesundheitliche Probleme.
Eines Morgens konnte ich kaum noch aufstehen
und ging zum Arzt. Der schickte mich sofort ins
Krankenhaus, wo ich wegen einer Herzklappen-
entzündung operiert wurde. Während der Opera-
tion ist einiges schief gelaufen und ich lag für
drei Tage wegen eines Hirninfarktes im Koma. Da-
nach folgte natürlich noch ein sehr langer Kran-
kenhausaufenthalt mit anschließender Kur. Seit
dem habe ich mit erheblichen gesundheitlichen
Problemen zu kämpfen. Anfangs litt ich unter
Gedächtnisverlust, musste mich körperlich sehr
ruhig halten und darf seitdem auch keinen Sport
mehr machen.
Seit 2005 bekomme ich eine Erwerbsminderungs-
rente. Einmal im Jahr muss ich ein gesundheitli-
ches Gutachten machen lassen, dann wird diese
Rente wieder für ein Jahr verlängert. Eine ziemlich
unerträgliche Situation, da ich nicht wirklich viel
mit mir anfangen kann. Das Schlimmste im Moment
sind die Magenprobleme, die ich von den vielen
Medikamenten bekommen habe, die ich für mein
Herz nehmen muss. Meine Magenschleimhaut ist
angegriffen und ich habe fast täglich Schmerzen.
Dadurch habe ich fast 30 Kilo abgenommen.
Bei bodo bin ich jetzt seit einem halben Jahr. Me-
tin, ein bodo-Verkäufer, mit dem ich zusammen
bei ,Crashtest Nordstadt‘ mitgemacht habe, hat
mich auf die Idee gebracht. Jetzt bin ich seit Au-
gust dabei und verkaufe am Rewe in der Saarland-
straße die Zeitung. Am Anfang war es noch etwas
ungewohnt, aber mittlerweile macht es mir richtig
Spaß. Natürlich kann ich immer nur ein für kurze
Zeit an meinem Verkaufsplatz stehen. Mehrere
Stunden am Stück gehen im Moment noch nicht,
aber wenigstens komme ich ab und zu mal raus,
treffe Leute und komme mit Kunden ins Gespräch.
Das hilft mir zurzeit sehr. Nichts ist schlimmer,
als zu Hause zu sitzen und sich zu langweilen.
Und vielleicht bin ich ja bald wieder fit genug für
einen Job.“ (sese)
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32
32 GESCHICHTE | von Bianka Boyke | Fotos: Bianka Boyke
Die Stadt Dortmund versucht nicht, die Gräueltaten der NS-Zeit zu verheimlichen. So gibt es in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache eine ständige Ausstellung, die auch die Verfolgung ausländischer Zwangsarbeiter, der polnischen Minderheit, von Sinti und Roma sowie von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren zeigt.
Das ehemalige KZ-Außenlager Buchenwald an der Huckarder Straße 111 in
Dortmund taucht dort allerdings nicht auf – zum Zeitpunkt, als die Ausstellung
konzipiert wurde, war von einem Außenlager nicht mehr viel bekannt. Es war
einfach „vergessen“ worden. Eine öffentliche Erinnerung steht bis heute aus.
Das Außenlager gehörte zum Betrieb der Dortmund-Hörder Hüttenunion –
heute befindet sich dort die Außerbetriebliche Ausbildungsstätte der Hand-
werkskammer Dortmund. Von Anfang Oktober 1944 bis Mitte März 1945
mussten hier 650 inhaftierte Frauen unter unmenschlichen Bedingungen
arbeiten. Angemessene Entschädigungen gab es nie, über die Existenz wur-
de lange geschwiegen. Bis sich der Dortmunder Geschichtsverein 1992 der
Aufarbeitung annahm. Andreas Müller, Gründungsmitglied der Geschichts-
werkstatt Dortmund, erinnert sich: „Auch wir hatten schon mal von dem
KZ-Außenlager gehört, haben uns aber zuerst mit den Themen beschäftigt,
denen wir näher standen, bei denen das Recherchieren leichter war. Seit
unserer Gründung 1982 gab es so viel, was es aufzuarbeiten galt.“
Die Staatsanwaltschaft hatte bereits 1966 sieben Jahre lang ermittelt,
dann wurde das Verfahren eingestellt. An die Öffentlichkeit kam nichts.
1992 überließ die Staatsanwaltschaft ihre Unterlagen schließlich den Mit-
arbeitern der Geschichtswerkstatt. Auch beim Werksarchiv Hoesch fragte
der Geschichtsverein nach. „Es gibt keine Unterlagen mehr“, hieß es von
dort. Trotzdem bekamen die Mitarbeiter von verschiedenen Stellen genug
Material, um ehemalige Inhaftierte ausfindig zu machen. „Wir schrieben
viele Frauen an, vier antworteten uns“, erzählt Andreas Müller. Alle vier
Frauen wollten der Einladung nach Dortmund folgen, aus gesundheitlichen
Gründen kamen nur zwei – Antonia Musial und Maria Lekawska. „Die Kinder
der beiden Frauen haben ihnen davon abgeraten, aber sie wollten unbe-
dingt kommen“, sagt Müller. „So komisch es klingt: Sie haben sich gefreut,
von uns zu hören.“ Sie hatten jahrzehntelang darauf gewartet.
Das Leben im Lager
Im Oktober 1944 wurden mehrere hundert Häftlingsfrauen zwischen 13 und
20 Jahren aus Ravensbrück nach Dortmund verlegt. Mit ihnen trafen auch die
SS-Aufseherinnen ein, die zuvor in Dortmund für diese Tätigkeit geworben
und in Ravensbrück ausgebildet worden waren. Das Lager bestand aus einem
mehrgeschossigen Steingebäude, das durch einen unterirdischen Gang mit der
Fabrik verbunden war. Ein Teil der Gänge existiert auch heute noch unverän-
dert und wird als Lager genutzt. Elektrischen Draht oder Wachtürme gab es
nicht. Das Gebäude war unauffällig, so sollte es sein. Die Frauen durften nie
nach draußen, sollten von der Bevölkerung nicht wahrgenommen werden.
Bei ihrem Besuch in Dortmund 1993 erinnerte sich die damals 14jährige Maria
Lekawska: „Wir waren damals sehr jung und wir hatten furchtbare Angst. Wir
haben einfach die Arbeit gemacht, die gemacht werden musste. Ich wurde
Das ehemalige KZ-Außenlager Buchenwald in Dortmund-Huckarde
Auf den Spuren eines vergessenen Ortes
zusammen mit meiner 13jährigen Cousine gebracht. Ohne sie hätte ich nicht
überlebt.“ Die Häftlingsfrauen erinnerten sich auch an ihre Unterbringung:
„Wir wohnten in den früheren Baderäumen, hatten vierstöckige Betten. Es
gab ein mit Gras ausgestopftes Kopfkissen und eine dünne Decke. „Aus den
vergitterten Fenstern konnten wir die Wohnhäuser gegenüber sehen. Wir
konnten jeden Tag die Familien beim Essen und Spielen mit ihren Kindern
sehen und wir haben sie um ihr Glück beneidet“, so Maria Lekawska bei ihrem
Besuch in Dortmund. „Daran erinnere ich mich noch gut“, sagt Andreas Müller.
„Zeitzeugen haben wir immer befragt, aber in diesem Fall war das eine ganz
andere Nummer. Ich hätte nicht gedacht, dass mich der Besuch so mitnimmt.“
Der Arbeitstag der Häftlingsfrauen
Die Frauen mussten um 5.30 Uhr aufstehen. Dann ging es durch die unterirdi-
schen Gänge zur Fabrik. Bis 10 wurde gearbeitet, dann konnten die Frauen ihr
zurückgelegtes Brot vom Abend – pro Tag gab es einen Viertellaib Brot und ein
kleines Stück Margarine, manchmal eine Pellkartoffel – essen. Gegen 19 Uhr
ging es zurück. Ähnlich war es in der Nachtschicht. Vor und nach der Arbeit
gab es Appelle – sieben Tage die Woche. Überwacht wurden die Frauen von
männlichen SS-Angehörigen und in Dortmund angeworbenen Aufseherinnen.
33
33
In der Fabrik produzierten die Frauen Bomben und Granaten am laufen-
den Band – jeweils 10 bis 13 Kilo schwer. Schutzkleidung gab es nicht.
Bei Antonia Musial führte ein Unfall mit einem Granatsplitter dazu, dass
sie auf dem rechten Auge beinahe erblindete. Ein anderes Mädchen wurde
von einer Maschine mit den Haaren ergriffen und starb an den schweren
Verletzungen, so Musial. Schwerkranke kamen zurück nach Ravensbrück.
Die Inhaftierten ahnten, welches Schicksal ihnen drohte. „Und davor
hatten wir natürlich alle Angst und haben uns trotzdem zur Arbeit ge-
schleppt“, so Antonia Musial.
Es fehlte an Allem
„Wir hatten keine Seife, Zahnbürsten oder Hygieneartikel für die Frau“,
erinnerte sich Maria Lekawska. Noch schlimmer: Es fehlte jegliche warme
Kleidung. So trugen die Frauen im Winter Holzschuhe mit freier Ferse.
Dazu Hosen aus feinem Drillich mit rotem Seitenstreifen und gelbem X
auf dem Rücken. Lekawska: „Unsere eigenen Kleidungsstücke wurden uns
abgenommen. Wenn man Glück hatte und die neue Kleidung zu groß war,
konnte man sich daraus Wäsche oder Socken machen. Im Winter haben
wir unsere Hände in der Fabrik gewärmt, an den Geschossen, die aus der
Maschine herauskamen.“
Ostern 1945 – es war der 1. April – ging es für alle übrig gebliebenen
Häftlinge nach Bergen-Belsen und von dort weiter nach Buchenwald.
Grund: Die zunehmenden Bombenangriffe führten schließlich zur Produk-
tionsstilllegung.
In der „Festschrift zur Hundertjahrfeier der Dortmund-Hörder Hüt-
tenunion AG 1852 bis 1952“ heißt es: „Die Zahl der Werksangehörigen
erfuhr eine dauernde Zunahme. (…) Die Kriegsjahre brachten eine Menge
Schwierigkeiten mit sich (Verdunkelungsübungen, Einberufungen, Einstel-
lung weiblicher Arbeitskräfte und Fremdarbeiter, Material- und Versor-
gungsschwierigkeiten). (…) Dann kam das Furioso furchtbarer Luftangrif-
fe auf das Werk.“ Die Frauen aus dem KZ werden nicht erwähnt.
Wiedergutmachung
Selbst 1993 geschah nichts. „Auf unsere Einladung hin kam von den
Firmen niemand“, sagt Andreas Müller. „Ich habe mich damals vor unseren
Besucherinnen geschämt – geschämt für meine Landsleute. Es war richtig
peinlich.“ Eine Entschuldigung haben Antonia Musial und Maria Lekawska –
die inzwischen beide verstorben sind – nie erwartet. Eine Hand hätte ihnen
gereicht. „Auch wenn ich es nicht nachvollziehen kann, sie hatten ihren
Frieden gemacht und verziehen“, so Andreas Müller.
Eine kleine Ausstellung des Geschichtsvereins und ein von der Castro-
per Künstlerin Annette Seiler gestaltetes Denkmal (Foto links) erinnert
an das Leid der Zwangsarbeiterinnen. Aus Sicherheitsgründen steht das
Denkmal im Inneren des alten Backsteinbaus. Der liegt genau zwischen
der „R135“, dem ehemaligen Stützpunkt des Ende August verbotenen
„Nationalen Widerstands“ Dortmund, Rheinische Straße 135, und der zu-
künftigen Geschäftsstelle der Partei (und Nachfolgeorganisation) „Die
Rechte“ an der Huckarder Straße 336. (bb)
34
Interview | von Guido Fahrendholz
bodo Wie haben Sie reagiert, als Sie erlebt haben,
dass innerhalb weniger Wochen dieselben sozia-
len Lebensumstände in der BRD von der Bundes-
regierung auf so unterschiedliche Art und Weise
beschrieben wurden?
Thomas Öchsner Mit Erstaunen. Der große Auf-
wand bei meiner Arbeit ist, die erste Fassung mit
der zweiten Fassung verglichen zu haben, das
sind jeweils rund 500 Seiten. Wenn man genau
hinschaut, stößt man auf geänderte Passagen.
Die Aussage „Die Privatvermögen in Deutschland
sind sehr ungleich verteilt“, wurde beispielsweise
vollständig gestrichen, obwohl kein Mensch dar-
an zweifelt, dass es so ist.
bodo Wie reagierten die Regierungsparteien auf
Ihre Veröffentlichung?
T.Ö. Es gab einige Verärgerung darüber, vor allem
auch in der FDP, zum Beispiel von Rainer Brüderle,
der sich wünschte, der Artikel wäre nicht erschie-
nen. Auch deshalb bleibt es wichtig, Politiker zu
hinterfragen. Das haben wir mit diesem Artikel
gemacht. Direkt bei mir hat sich aber niemand
gemeldet, das wäre auch unprofessionell.
bodo Müssen sie befürchten, nicht mehr an der
Bundespressekonferenz teilnehmen zu dürfen?
T.Ö. Wenn ja, würden wir ja in einer Bananenrepu-
blik leben. Das ist sicherlich nicht der Fall.
bodo Herr Woltering, wie ist die Aussage von
Herrn Rösler zu bewerten, der Armutsbericht in
seiner Erstfassung gebe nicht die Meinung der
Bundesregierung wieder? Ist ein Bericht nicht
eigentlich an Fakten orientiert und weniger an
Meinungen?
Christian Woltering Interessante Frage. Ursula von
der Leyen ist ja ebenfalls Mitglied dieser Bundes-
regierung, was die Aussage noch unverständlicher
macht. Aber es beweist auch, dass die neue Fas-
sung kein objektiver Bericht ist, sondern Opfer
politischer Spiele wurde. Es zeigt, dass wir einen
unabhängig erstellten und objektiven Armuts-
und Reichtumsbericht brauchen.
bodo Wie sieht die Situation in Deutschland tat-
sächlich aus?
Der geschönte Armutsbericht der Bundesregierung
Armut in Deutschland ist keine Meinung – sondern eine Tatsache
34
Als Ende November die endgültige Fassung des 4. Armuts- und Reichtumsberichts vorge-stellt wurde, geriet dies zu einer Blamage der Bundesregierung und zu einem politischen Skandal.
Die erste Fassung war den Ministerien im zurück-
liegenden September zur Abstimmung vorgelegt
worden. Auszüge daraus wurden in der Süddeut-
schen Zeitung (SZ) veröffentlicht und kommen-
tiert. Wirtschaftsminister Phillipp Rösler (FDP)
fuhr Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der
Leyen (CDU), deren Ressort den Bericht erstellt
hatte, mit den Worten in die Parade, dieser Ent-
wurf sei nicht ressortabgestimmt und entspreche
daher nicht der Meinung der Bundesregierung.
Nun liegt die von den Fachministerien überarbei-
tete, zweite Fassung vor.
Thomas Öchsner, Redakteur der SZ, der schon an
der Vorabveröffentlichung der ersten Fassung
beteiligt war, hat erhebliche Veränderungen im
neuen Text entdeckt. In seinem Artikel „Bundes-
regierung schönt den Armutsbericht“ vom 28.
November 2012 informierte er in der SZ darüber.
Gewerkschaften und Sozialverbände reagieren zu
Recht empört. Ein Gespräch mit Thomas Öchsner
und Christian Woltering, Referent für Fachpoliti-
sche Grundsatzfragen beim Paritätischen Wohl-
fahrtsgesamtverband.
35
ANZE
IGEN
C.W. Inzwischen befinden sich 60 Prozent der
Vermögen in Deutschland verteilt auf zehn Pro-
zent der Bevölkerung. Noch bedenklicher ist in-
zwischen aber, dass die Hälfte der Bevölkerung
nur ein Prozent des Vermögens unter sich auf-
teilt. Zahlen lügen nicht und sie beweisen, dass
die Vermögen in Deutschland ungemein ungleich
verteilt sind.
bodo Es gibt Wortmeldungen, nach denen das
Aufweichen des Niedriglohnsektors zu mehr Be-
schäftigung geführt habe?
C.W. Das zeigt nur die Ignoranz einiger Mitglieder
der Bundesregierung gegenüber prekär Beschäf-
tigten mit ständig verlängerten Zeitarbeitsver-
trägen, Löhnen, die deutlich unter den Mindest-
löhnen liegen, und der Perspektivlosigkeit in
Leiharbeitsfirmen. In Vollzeit zu arbeiten, ohne
davon eigentlich menschenwürdig leben zu kön-
nen, ist mit Sicherheit keine positive Tendenz!
bodo Die Politik diskutiert oft einen Mindestlohn
in Höhe von sieben Euro in der Stunde. Inzwi-
schen arbeiten aber mehr als vier Millionen Men-
schen unterhalb dieser Grenze!?
C.W. Innerhalb der Wohlfahrts- und Sozialverbän-
de wurde errechnet, dass mindestens ein Lohn in
Höhe von elf Euro notwendig ist, um mit Erreichen
des Renteneintrittsalters nicht in die Grundsiche-
rung zu fallen, also eine Rente zu bekommen, die
oberhalb des Hartz IV-Niveau liegt. Vor diesem
Hintergrund einen Mindestlohn von sieben Euro
zu diskutieren, ist unzeitgemäß und ignorant.
Umso wichtiger ist eine öffentlich geführte, kri-
tische Berichterstattung über den Armutsbericht
der Bundesregierung, wie sie derzeit geführt
wird. Schön ist es in diesem Zusammenhang auch,
unabhängige Armutsberichte zu haben, wie den
Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz,
der als Sonderausgabe des Berliner Straßenzei-
tung „strassenfeger“ veröffentlicht wurde. Er
zeigt die Perspektive der Betroffenen.
INFO
Das Interview führte Guido Fahrendholz vom
Berliner Straßenmagazin „strassenfeger“.
Wir danken der Redaktion.
Auf www.bodoev.de finden Sie den Armuts- und
Reichtumsbericht in seiner Originalfassung vom
17. September 2012 und den Schattenbericht der
nationalen Armutskonferenz (nak), der als Son-
derausgabe des „strassenfeger“ erschienen ist.
www.bundes.blog.de/tags/armut/
schafft Chancenbodo
www.bodoev.de
das straßenmagazin
die besten geschichten auf der straße
ein euro achtzig – neunzig cent für den verkäufer
36
LITERATUR | gelesen von Sandro Giuri36
Wer unter „hartz IV moebel .com“
von Van Bo Le-Mentzel einen
Ratgeber zum Erwerb oder Bau
kostengünstiger Möbel für Men-
schen, die auf Hartz-IV ange-
wiesen sind, erwartet, wird nur
teilweise befriedigt. In erster
Linie ist es eine Message, die der
Autor vermitteln will: Konstruie-
ren statt Konsumieren! Wir sol-
len von passiven Konsumenten zu
aktiven Gestaltern werden. Dafür
stellt er Baupläne von Möbeln im
Bauhausstil zum Nachbauen zur
Verfügung: Vom Tisch, über Stuhl
und Hocker, bis hin zum Sofa und Schrank ist alles dabei.
Neben einem Interview mit Le-Mentzel, in dem er über die Hintergründe
seines Projektes spricht, enthält das Buch Bilder und Geschichten von
den Nutzern seines Konzeptes und am Ende die Erklärung des von ihm
geprägten, etwas schrägen Begriffs der „Karma-Economy“.
„Do it yourself“ für heimwerkende Design-Fans statt Hilfe zur Selbsthil-
fe: In erster Linie richtet Le-Mentzel sich an den Typus des kritischen,
design-affinen Heimwerkers, der gerne den Wert eines Konsumgutes hin-
terfragt, indem er es nachbaut.
So ist es fraglich, ob für diejenigen, die wirklich am Rand des Existenz-
minimums leben, das Sofa mit 350 Euro, exklusive Matratze, eine echte
Alternative darstellt. Ebenso wäre es wünschenswert gewesen, bei den
Preisangaben die Lieferanten offen zu legen. Zudem lässt der Teil mit
den Geschichten – jeder, der die Baupläne online anfordert, verpflichtet
sich, als „Bezahlung“ Le-Mentzel seine Geschichte zu erzählen – Bilder
von der im Titel angesprochenen Gesellschaftsgruppe vermissen. Diese
Punkte lassen den Titel irritierend wirken.
Die Leser, die sich für „soziales Design“ interessieren und dabei gerne
einmal ein Designer-Möbelstück in Eigenregie bauen möchten, werden
mit dem Buch allerdings ihre Freude haben. (sg)
Van Bo Le-Mentzel | hartz IV moebel .com
Build More Buy Less! Konstruieren statt konsumieren!
Hatje Cantz Verlag | 144 Seiten | 12,99 Euro
ISBN: 978-3-7757-3395-3
Soziales Design – Konstruieren statt konsumieren?
Stefan Keim und Didi Stahl-
schmidt nehmen mit „Schwin-
gungen” den Leser mit auf
eine musikalische Reise: An-
gefangen im Mittelalter bei
der Zunft der Spielleute über
die ersten Orchester, die An-
fänge der Oper und der Chöre
bis hin zu Gegenwart und Zu-
kunft. Dabei geben sie einen
tiefen Einblick in die musika-
lischen Facetten der Ruhrgebietsstadt. Aber nicht nur klassische Elemen-
te finden sich in diesem Buch wieder. Es greift ebenso Kabarett und Un-
terhaltung, populäre Dortmunder Vertreter verschiedener Musikgenres,
den Jazz, Weltmusik und die Festivals auf.
Auch Ausbildungsmöglichkeiten und die Musikwirtschaft finden einen
Eintrag, sodass dem Leser auch die ökonomische Seite und ihr Stellen-
wert nahegebracht werden. Zudem enthält das Buch interessante Inter-
views mit Musikverbundenen, u.a. mit einem Dortmunder Geigenbauer,
die das Ganze abrunden.
Schwierig dürfte dabei manchem die Einordnung der verschiedenen ge-
nannten Komponisten im Kapitel über Orchester fallen. So dürften bei
den Namen Boris Blacher, Wolfgang Fortner oder Woiciech Kilar nicht
jedem Leser direkt ein Licht aufgehen. Aber mit etwas Neugierde sollte
das nicht wirklich einen Mangel darstellen.
Schön ist, dass die Autoren auf verschiedene Textsorten zurückgreifen,
wie z.B. den Textauszug aus einem Tagebuch eines fiktiven Jazz-Anhän-
gers sowie auf Interviews und Künstlerportraits. Da, wo es nötig ist,
wird auch der geschichtliche Hintergrund erläutert, und gut gewählte
Fotografien gestalten die Texte lebendig. Zitate zur Musikstadt Dort-
mund sind zum Teil durchaus kritisch, wodurch das Buch nicht zu einem
reinen Lobgesang verkommt und sich wirklich ein vielfältiges Bild er-
gibt. Alles in allem ein lesenswerter Überblick, der dem Leser das Bild
einer pulsierenden, lebendigen Musikstadt Dortmund vermittelt. (sg)
Stefan Keim | Didi Stahlschmidt
Schwingungen. Dortmund – Die Musikstadt
Klartext Verlag | 152 Seiten | 11,95 Euro
ISBN: 978-3837506914
bodo verlost drei Exemplare (siehe Seite 21).
Dortmundsfacettenreiches Musikleben
Van Bo Le-Mentzel Stefan Keim, Didi Stahlschmidt
37
Finde die 10 Unterschiede im rechten Bild. Viel Erfolg!
RÄTSEL | von Volker Dornemann
Fehlersuchbild – Lösung:
1) Statt eines Rufzeichens steht
ein Punkt in der Sprechblase, 2) der
Bommel an Pauls Mütze ist kleiner,
3) seine Hose ist rot, 4) der Schnee-
mann hat eine kürzere Nase 5) und
einen „Knopf“ mehr, 6) die Rauch-
fahne ist kürzer, 7) an einem Haus
ist ein Fenster zu wenig 8) und an
einem anderen eins zu viel, 9) an
der Tragetasche ist der andere Hen-
kel zu sehen und 10) ein Baguette
in der Tasche ist länger.
37
Rätsel-Lösung: KREISEL
38
Mit Eis rechnet man im Dezember eher auf den Straßen als im Waffelhörnchen, doch Ende letzten Jahres gab es im Bochumer Stadtteil Ehrenfeld gleich beides. Mitte Dezember er-öffneten dort Julia Bernecker und Kevin Kuhn ihre Szene-Eisdiele „Kugelpudel“.
„Dann muss ich es halt selber machen!“ An der
Eisfachschule in Werl lernte die Fotografin, die
bereits in Berlin Gastronomieerfahrung gesam-
melt hatte, das Handwerk des Eismachens.
Seit Mai letzten Jahres haben Julia Berne-
cker und Kevin Kuhn, die auch privat ein Paar
sind, renoviert, um aus den dunklen, niedri-
gen Räumen der ehemaligen Gaststätte „Haus
Ehrenfeld“ ein helles und freundliches Café zu
machen. Möbel im „Upcycling“-Design verhel-
fen der Eisdiele zu ihrem unverwechselbaren
Charme. Egal, ob man es sich auf ehemaligen
Turngeräten gemütlich macht oder man seinen
Eisbecher auf einem Tisch aus alten Ofenble-
chen abstellt, klassisches Bistro-Mobiliar sucht
man im „Kugelpudel“ vergebens. Sogar eine
„Kuschelecke“ mit Kissen lädt dazu ein, es sich
gemütlich zu machen.
Schon am Tag der Eröffnung ließen sich reich-
lich interessierte Kunden die ausgefallenen Eis-
Kreationen wie Kürbiskern-Öl oder Winterapfel
schmecken. Mit einem Kugelpreis von einem
Euro liegt man preislich im oberen Mittelfeld
der Eisdielen. Viele der Zutaten für das Eis
kommen von einem befreundeten Bio-Hof. Die
Eistheke ist zwar nicht so bunt, wie man es von
anderen Eisdielen kennt, dafür fehlt aber auch
der Aushang mit den kennzeichnungspflichtigen
Zusatzstoffen.
Doch nicht nur Gaumenfreuden soll es im „Ku-
gelpudel“ geben. Bald sollen auch kleinere
Veranstaltungen stattfinden und jungen Desi-
gnern Raum geboten werden, die eigenen Ex-
ponate auszustellen. Das optimale Netzwerk
dazu bringt Inhaber Kevin Kuhn bereits mit. Mit
seiner Veranstaltungsagentur „feel vergnuegen“
sorgt er bereits seit geraumer Zeit für spannen-
de Events in Bochums Nachtleben.
Auf die Frage, warum man eine Eisdiele im De-
zember eröffnet, habe er zwei Antworten, eine
wahre und eine schöne, so Kevin Kuhn. „Anders
als so manch anderer Eisdielenbetreiber wollen
wir im Sommer statt im Winter Urlaub in Ita-
lien machen“, erzählt er augenzwinkernd, ver-
schweigt aber dann doch nicht, dass es Verzöge-
rungen bei den Renovierungsarbeiten gegeben
habe. Irgendwann sei dann der verrückte Eröff-
nungstermin Mitte Dezember zustandegekom-
men. „Rückblickend gar nicht so schlimm“, freut
sich Kevin Kuhn über die positive Resonanz der
ersten Tage. (sese)
KugelpudelDibergstraße 2 | 44789 Bochum
Mi. bis Do. und So. von 12 bis 22 Uhr
Fr. bis Sa. von 12 bis 2 Uhr
bodo verlost zwei Überraschungs-Eisbecher im Kugelpudel (siehe Seite 21).
Alles ohne Zusätze
Kugelpudel | Bochum
38 BODO GEHT AUS | von Sebastian Sellhorst | Fotos: Daniel Sadrowski
Vom Eis-Cocktail bis zur Rohkost-Torte ist dort al-
les ohne Farb- und Zusatzstoffe und in eigener
Produktion zubereitet. Neben eher ausgefallenen
Eissorten erinnert auch die Ausstattung im „Ku-
gelpudel“ nicht im geringsten an die einer klas-
sischen Eisdiele, sondern überrascht mit vielen
spannenden Design-Experimenten.
Das erste Mal auf die Idee, eine eigene Eisdiele
zu eröffnen, kam Julia Bernecker als sie vor zehn
Jahren ein Buch mit Eisrezepten in Händen hielt,
aber viele der Sorten, die sie darin fand, in Eis-
dielen nicht zu bekommen waren. Den Entschluss,
die eigene Eisdiele zu eröffnen, fasste sie, als sie
aus Berlin nach Bochum kam und merkte, dass es
in Bochum noch keine „gesunde“ Eisdiele gab.
39
CARTOON | Idee und Zeichnung: Volker Dornemann
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bodo dankt: Sparkasse Bochum Rainer Wiggeshoff, Charlotte Steinke, Bert Grollmann, Sabi-ne Raddatz, Jochen Otto Ley, Petra Danielsen-Hardt, Petra Schäckermann, Silke Harborth, N. Vach De Lima Pinheiro, Hildegard Reinitz, Dolf Mehring, Timo Zimmermann, Ute Soth-Dykgers, Doris Buderus, Annette Düe, Elisabeth und Herbert Schwittay, Harald Gering, Melanie Rüting, Brigitte und Walter Reusse, Piratenpartei Deutschland, Ursula Höpp-ner, Jutta Grundmann, Oliver Stiller, Gerta Lindner, Reinhard Hachenberger, Ursula Dierschke, Caritas-Konferenz St. Pat-rokli, Thomas Renner, Carsten Piel, Esther Hagemann, Marion und Frank Matzdorff, Andreas Happel, Dr. Rinnert Siemssen, Erika Maletz, Volker Schaika, Henrik Kahrmann, Elsemarie Bork, Peter Lasslop, Jutta und Wido Wagner, Hannerlore Thimm-Rasch, Christina Kolivopoulos, Klara Lehmann, Uwe Falke, Ingolf Joachimsmeier, Carila und Georg Schmidt, Su-sanne Hausdorf, Johannes Artmann, Klaus Heinemann, Triple Crown Gmbh, Horst Werner Wtölzig, Manfred Brehme, Dieter Brinker, Brigitte albach, Martin Iwanetzky, Dietmar Krehl, Armin Rau, Karin Thesing, Heinz-Dieter Höveler, Wouter Willem van Eijden, Annette und Reiner Kraft, Dr. Ilse und Dr. Heinz-Heinrich Sprenger, Ursula Glunz, Kerstom Walger, Ulrike Weinert, Marlies und Holger Firch, Claudia Gröhlich, Heinz Riedl, Liselotte und Gerd Schlitzer, Gertrud Rohrberg, Eva Kutschmann, Christian Ullmann, Claudia Hilt, Gabriele Meschonat, Dipl.-Ing. Eberhard Garburg, Ulrich Schwarz, Angelika Gebel, Margarete Kissing, Waltraud und Elrich Ro-degro, Bärbel Pieper, Maria-Anna und Wolfgang Zepezauer, Olaf Jäkel, Erika Todzy, Martin Krug, Helmut Eder, Meike Mischo, Wilfried Haverkamp, Irene Röbrock, Irmela Witte, Kerstin Hilsmann, Heinz Josef Gockel, Irene Pelzer, Dr. Josef Balzer, Alexander Barbian-Steinfort, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Geers, Matthias Grigo, Grünbau GmbH, Britta Richter, Manfred Kater, Almuth Kel-ler, Jutta Kemper, Helga Koester-Wais, Birgit Kuehn, Nicola Steinstrass, Wulfhild Tank, Felix Zulechner, Ingeborg Schu-macher, Brigitte Sonntag, Gabriele Steinbrecher, Gabriela Schaefer, Hermann Schroeder, Christoph Roeper, Susanne Mildner, Barbara Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bongardt, Ralf Finke, Michael Stan-ge, Nicole Goralski, Jörg Gruda, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolfgang Neuhaus, Ursula Remer, Danie-la Schmitz, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Thomas Terbeck, Linda Wotzlaw, Heinz Schildheuer, Thomas Schröder, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regina Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Frank Siewert, Ilona Zarnowski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rüdiger Haag, Elsbeth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Krtizler, Ursula Machatschek, Lieselotte Markgraf, Jutta Meklenborg, Marlies und Eberhard Piclum, Sandra Rettemeyer, Inge Schaub, Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christain Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell Bikowski-Gauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kinzel, Annegret Malessa, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Eberhard Garburg, Jut-ta Haring, Lieselotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Mär-kel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Mey-er, Carsten Klink, Thomas Olschowny, Daniela Gerull, Dieter Schibilski, Martin Scholz, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bo-kel, Sandra Wortmann, Annabell Preusler, Birgitt Kuhlmann, Dieter Zawodniak, Elisabeth Heymann-Roeder, Friederike Jansen, Dirk Schmiedeskamp, Sebastian Poschadel, Rita Pi-lenko, Margret und Hansjörg Sellhorst, Elisabeth Heymann-Röder, Christian Bösterling, Linda Wotzlaw, Dagmar Dra-bandt, Christian Müller, Gerd Schlitzer, Johannes Sock
So sehen sie aus, unsere neuen Kapuzenpullover! Dank vieler Einzelspender bekommt jede Verkäuferin und jeder Ver-
käufer des Straßenmagazins einen warmen Pullover für den Winter. Ein weiterer Vorteil: Das leuchtende bodo-rot ist
wohl kaum zu übersehen. Ganz bodo sagt: Danke!
bei meinem nächsten Besuch im Ruhrgebiet ganz sicher
nachholen. Bis dahin wünsche ich Ihnen eine besinnliche
Weihnachtszeit und einen guten erfolgreichen Start in
das Jahr 2013. Mit den besten Grüßen, Ute Schmidt
Sehr geehrte Redaktion, Ihr Interview mit dem Hinter-
bliebenen Ibrahim Arslan und dem Dortmunder Künst-
ler Murat Kayi zum Jahrestag des Anschlags in Mölln
hat mich sehr beeindruckt. Zu Ihrer Erinnerung: Am 29.
Mai 1993 erfolgte der erste Mordanschlag in Nordrhein-
Westfalen, in Solingen, übrigens drei Tag nach der Ein-
schränkung des Asylrechts. Ich hoffe auch hier auf ein
mutiges, selbstbestimmtes Gedenken, wie es die Hin-
terbliebenen in Mölln erreicht haben. Vielleicht ist das
dann auch noch einmal Thema für Sie.
Mit freundlichen Grüßen, Hartmann
Guten Abend, liebes bodo-Team! Eure Mädels und Jungs
sehen gut in den Jacken aus, finde ich. Und warm schei-
nen sie auch zu sein ;-)) Christian Kure
LESERBRIEFE
Liebe bodo-Redaktion, ich bin 1. regelmäßige bodo-
Käuferin und finde euer Projekt wichtig und gut, 2.
bin ich Abonnentin der „Jungen Welt“. Für mich ist es
wichtig, dass es neben der weitgehend gleichgeschalte-
ten neoliberalen Presse diese linke Tageszeitung gibt.
Das muss man ja nicht so sehen, aber dass Ihr in Eurem
launig-netten Bericht über die Frankfurter Buchmesse
die „Junge Welt“ und die „Junge Freiheit“ gleichsetzt,
hat mich wirklich geärgert. Und dann so nach dem Mot-
to: „Ham‘ wir gelacht über diese Extremisten.“ Ihr zieht
keinen Trennungsstrich zur rechten faschistischen Szene
und Presse. Das finde ich gefährlich und falsch. In dem
Punkt solltet in der bodo-Redaktion pingelig sein – so-
wieso, aber vielleicht besonders bei uns in Dortmund.
Alles Gute Euch, G. Brenner
Hallo bodos, als großer Paulo-Coelho-Fan habe ich mit
Freude Eure Dezemberausgabe gelesen. Was für eine
schöne Geschichte. Besonders das Interview hat mir sehr
gut gefallen. Leider konnte ich als Berlinerin die Zeitung
nicht bei einem Verkäufer auf der Straße kaufen, wie
es ja eigentlich Sinn und Zweck ist. Das werde ich aber
Schreiben Sie uns Ihre Meinung!
bodo e.V. | Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
oder eMail an: [email protected]
Foto: Sebastian Sellhorst
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