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www.ulrike-stahl.com Ulrike Stahl Das Mango-Prinzip . Gemeinsam gewinnen mit dem Erfolgsfaktor Kooperation

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Page 1: Das Mango-Prinzip. Gemeinsam gewinnen mit dem ...Dass uns diese Selbstverständlichkeit, mit der die Kinder gemeinsam für ein Happyend sorgen, ein positives Gefühl verschafft, verbunden

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Ulrike Stahl

Das Mango-Prinzip. Gemeinsam gewinnen mit dem

Erfolgsfaktor Kooperation

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Von Kindesbeinen an lernen wir, dass Wettbewerb uns erfolgreich(er) macht: Der

Bessere, Stärkere oder Schnellere gewinnt. Im Wirtschaftsleben heißt es gern

„Konkurrenz belebt das Geschäft“. Doch dass Konkurrenz ein Nullsummenspiel ist,

wird häufig übersehen – denn wo es Gewinner gibt, gibt es immer auch Verlierer.

Früher fraßen die Großen die Kleinen, dann überholten die Schnellen die Langsamen

und jetzt haben die Kooperativen die Nase vorn. Wer also nicht als Konkurrenz-

dinosaurier auf der Strecke bleiben, sondern sich zum Kooperationsscout

weiterentwickeln will, für den heißt es jetzt umdenken und umlernen. Die fünf

Disziplinen kooperativen Handelns heißen Miteinander, Alle im Blick, Nutzen stiften,

Gemeinsam Gewinnen und Offen sein. Und schon sind wir beim MANGO-Prinzip!

Warum sich alles um diese süße Frucht dreht, wird später verraten.

Kooperation verändert die Perspektive

Kooperation macht kreativer. Kooperation inspiriert, den zu verteilenden Kuchen

größer zu machen, sodass alle Beteiligten gewinnen. Kooperatives Handeln fördert

das Wohlbefinden, schafft ein besseres Arbeitsklima und macht Individuen und

Unternehmen erfolgreicher. Aber wie kooperationsfähig sind wir eigentlich?

Grundstein für Gier, Mangeldenken und Abgrenzung

Von der ersten Klasse an fordern Lehrer ihre Schüler im Sportunterricht durch

Wettbewerbe heraus, besser zu werden. Ganz besonders motivierend sollen

„Prämien“ wirken, deswegen gibt es Urkunden, Medaillen oder... genau: Noten! Wie

erging es uns mit Disziplinen, in denen wir nicht so stark waren? Hatten wir da Spaß

am Wettkampf? Haben wir einfach mitgemacht, weil wir es ja mussten? Oder haben

wir, wann immer es möglich war, versucht, uns zu drücken? Tatsächlich empfindet

nur ein geringer Teil der Schüler Lust am Wettkampf, nämlich diejenigen, die echte

Chancen haben, zu gewinnen. Die anderen müssen eben lernen, zu verlieren.

Die pädagogische Order und die oberste Regel zum Verhalten in der Gruppe lautet:

Mitmachen und bloß kein Spielverderber sein! Am Ende haben wir gelernt, dass wir

uns eben auf das konzentrieren müssen, wo es für uns etwas zu gewinnen gibt – für

unseren moralischen Selbsterhalt und die persönliche Genugtuung. Nur so können wir

ansatzweise das ausgleichen, wo wir zu den Verlierern gehören. Der Grundstein für

Gier, Mangeldenken und Abgrenzung wird früh gelegt. Und das nicht nur im

Sportunterricht.

Auf Konkurrenz programmiert

Für Kinder ist es doch ganz natürlich, dass sie ihre Freunde fragen, wenn sie nicht

weiterkommen. Darauf steht aber Strafe. „Unterschleif, Abgeben, 0 Punkte!“ heißt es

dann in der Schulaufgabe. Und das obwohl der eine Tipp einen sofort aus der

Denkblockade herausgeholt und wieder arbeitsfähig gemacht hätte. Auch

Hausaufgaben sind auf jeden Fall alleine zu erledigen. Und den Banknachbarn zu

bitten, uns verständlich zu erklären, wovon der Lehrer gerade spricht, stört als

Schwätzen den Unterricht und wird sofort unterbunden.

In den jahrgangsübergreifenden Klassen unserer Eltern oder Großeltern war all das

noch selbstverständlich. Die Kinder unterrichteten sich gegenseitig und tauschten

sich aus, denn der Lehrer konnte sich ja nicht gleichzeitig um alle kümmern. Die

zwischenzeitliche Professionalisierung des Unterrichtes soll nicht nur das

Bildungsniveau heben. Sie soll uns vor allem auch auf den Ernst des Berufslebens

vorbereiten, wo wir mit Leistungsdruck und Wettbewerb fertig werden müssen. So

bekommen wir parallel zu all der Wissensvermittlung die mentale Grundhaltung

„Konkurrenz“ programmiert.

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Als Erwachsene überrascht es uns dann auch nicht sonderlich, dass derjenige den

Job bekommt, der die besten Noten hat. Dass der Durchsetzungsstärkste Karriere

macht: Oder dass Männern Managerpositionen eher zugetraut werden als Frauen.

Natürlich ärgert uns das, wenn wir negativ davon betroffen sind. Doch am Ende

zucken wir mit den Achseln und sagen „So ist das halt. Man kann nicht immer

gewinnen.“ Wenn wir in diesem System erfolgreich sein wollen, so scheint es, geht

das nur, wenn wir uns dieser Regel unterwerfen. Die Alternative ist, sich komplett zu

verweigern. Stimmt das denn wirklich? Die folgende Geschichte beschreibt, was eine

deutsche Lehrerin bei einem Auslandspraktikum in Malawi, Südostafrika, erlebt hat:

Die Geschichte zum Mango-Prinzip

Die Lehrerin will die Kinder, die sie unterrichtet, heute herausfordern und sie

motivieren, sich einmal richtig anzustrengen. Dafür denkt sie sich einen kleinen

Wettkampf aus. Sie hat einen Korb mit drei duftenden leuchtenden Mangos dabei

und den zeigt sie den Kindern. Als diesen klar wird, dass die wohl für sie bestimmt sind,

umringen sie die Lehrerin und beginnen schon zu jubeln. Ganz so einfach will sie es

den Kindern aber nicht machen. „Ich weiß ja, dass ihr Mangos mögt und ich weiß,

dass ihr alle ganz schnell rennen könnt. Wir machen ein Wettrennen. Ich stelle den

Korb unter den Affenbrotbaum dort hinten. Hier ist eure Startlinie“, sagt sie, während

sie diese in den Sand malt. „Ich gebe euch das Startkommando, dafür zähle ich bis

drei, auf drei rennen alle los und wer zuerst beim Korb ist, der gewinnt die Mangos!“

Dann löst sie sich von den Kindern und stellt den Korb unter den 300 m entfernten

Baum. Die Kinder tänzeln fröhlich an der Startlinie herum. Sie hebt den Arm und zählt

laut ein „eins, zwei und drei!“. Aber die Kinder laufen nicht los. Zu ihrer großen

Irritation schauen sie sich in die Augen, fassen sich an den Händen und spurten dann

gemeinsam los. Kurz vor dem Korb bleiben sie noch einmal stehen, vergewissern sich,

dass sie gleichauf sind und gehen dann absolut gleichzeitig über die Ziellinie. Die

Kinder jubeln, schnappen sich den Korb, und beratschlagen, was sie mit den Mangos

machen, damit alle ihren Teil davon bekommen.

Es lohnt sich, diese Geschichte kurz wirken zu lassen und zu beobachten, was sie mit

uns macht. Welche Gefühle und Gedanken sie in uns hervorruft.

Bei mir persönlich sind es zwei Gefühle. Berührung und Verblüffung.

Interaktion macht glücklich!

Dass uns diese Selbstverständlichkeit, mit der die Kinder gemeinsam für ein

Happyend sorgen, ein positives Gefühl verschafft, verbunden mit einer kleinen

Sehnsucht nach mehr davon, ist nicht verwunderlich. Wir Menschen sind nun einmal

soziale Wesen. Das ist so tief in uns verankert, dass unser Körper gute Beziehungs-

erlebnisse mit einem Ausstoß des Glückshormons Dopamin belohnt. Das ist übrigens

einer der Gründe, warum wir immer wieder bei WhatsApp oder Facebook

überprüfen wollen, ob nicht jemand etwas Nettes gepostet hat. Gute Interaktion

macht uns glücklich und erzeugt den Wunsch nach mehr.

Und dann war der Verlauf der Geschichte natürlich auch unerwartet. Es ist nicht

schwer, die Irritation der Lehrerin nachzuempfinden. Ist der Wettkampf doch deutlich

anders gelaufen, als sie und auch als wir das erwartet haben. Und zwar auf eine Art,

die außerhalb unserer Vorstellungswelt liegt. Wir wären unter diesen Voraussetzungen

doch im Traum nicht darauf gekommen, so zu handeln. Bei uns wäre das Ganze

eher so gelaufen:

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Unsere Lehrerin hätte uns eine Benotung in Aussicht gestellt, eine Urkunde oder weil

sie heute mal etwas ganz Besonderes ausprobieren will, eine große Tafel Schokolade.

Sie würde uns an der Grundlinie des Sportplatzes aufstellen lassen und zur Ziellinie

gehen, um den Startschuss zu geben. Wir würden uns bereitmachen. Vorfreudig,

erwartungsfroh oder siegessicher, wenn wir uns Gewinnchancen ausrechnen. Wenn

nicht, nicht so freudig und eher mit Gedanken wie „Hauptsache nicht Letzter

werden.“ Oder „Das ist ja nicht fair. Der Peter hat viel längere Beine.“ Oder „Die soll

ihre blöde Schokolade selbst essen.“. Weil aber keiner als Spielverderber gelten bzw.

auffallen will, zeigen sich alle willig und laufen beim Startschuss los. Außer Maximilian,

der hat nämlich gleich gesagt, dass er sich am Morgen den Fuß verknackst hat und

deswegen nicht mitmachen kann. Wie erwartet, geht Peter als erster über die Ziellinie

und gewinnt die Schokolade. Die anderen gehen leer aus oder sind auf Peters

Großzügigkeit angewiesen.

Warum bei uns alles anders ist

Das Verhalten dieser Kinder weicht deshalb so deutlich von dem der Kinder in der

Mango-Geschichte ab, weil es auf einem anderen Mindset beruht. Wie sieht es in

unserer Gedankenwelt aus? Unser mentales Programm „Konkurrenz“ prüft das

Geschehen und produziert ganz schnell den Gedanken, dass das nicht sein kann.

Das wiederum führt dazu, dass wir das Ganze anzweifeln oder belächeln. „Eine nette

Geschichte, aber doch völlig unrealistisch. Vielleicht mag das ja in Afrika

funktionieren, aber bei uns kommst du so nicht weit.“ sagen wir dann. Vielleicht

noch: „Ich fände es ja schön, aber die anderen ...“ Und auf dem Fuß folgen bereits

die Überlegungen, die uns bestätigen, dass unser eigenes Verhalten ganz normal

und angemessen ist.

Die zentrale Frage ist, stimmt denn das (noch) so? Unsere Welt hat sich verändert.

Wir sind in einem Maße miteinander vernetzt, wie wir uns das nie hätten erträumen

können. Unser Geschäft hat sich verändert. Heute wird bereits jeder zweite Job über

Empfehlung vergeben, mit Aufträgen ist es ähnlich. Wir empfehlen aber nur

Menschen weiter, die uns sympathisch sind und von denen wir den Eindruck haben,

dass sie sich nicht auf unsere Kosten bereichern. Und unsere Kunden haben sich

verändert. Sie sind selbstständiger geworden, auch Dank der technischen

Möglichkeiten. Sie meinen viele Dinge genauso gut selbst machen zu können. Wir

können sie nur vom Gegenteil überzeugen, indem wir zeigen, dass sie mit uns

gemeinsam bessere Ergebnisse erzielen. Wer meint, dass er mit seinem Konkurrenz-

verhalten noch wettbewerbsfähig ist, der kann schnell als Konkurrenz-Dinosaurier auf

der Strecke bleiben. Das war einmal, dass die Großen die Kleinen fraßen, oder dass

die Schnellen die Langsamen überholten. In einer Zeit der Informationsflut, in der

richtig und falsch nicht mehr so klar sind, in der es häufig nicht mehr die einzige

richtige Antwort und unendliche Möglichkeiten zur Auswahl stehen, haben jetzt die

Kooperativen die Nase vorn. Denn mehr Köpfe wissen einfach mehr als einer.

Kooperationsfähigkeit ist kein netter Soft Skill, sondern unser berufliches Überlebens-

handwerkszeug. Der Weg vom Konkurrenz-Dinosaurier zum Kooperationsscout

gelingt umso schneller, je öfter wir dem erlernten Automatismus Konkurrenz

widerstehen und stattdessen aktiv auf Kooperation setzen.

In der Mango-Geschichte verstecken sich fünf Aspekte, die unsere Kooperations-

fähigkeit aktivieren und fördern.

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Miteinander Eine stabile Basis bauen: Verbinden statt Trennen Die Kinder sehen sich in die Augen und fassen sich an den Händen. Sie haben ein

gemeinsames Ziel: Sie wollen die Früchte gemeinsam verspeisen.

Miteinander heißt

Verbindung aktiv aufzubauen

mit Unterschiedlichkeit umgehen zu können

gezielt nach Gemeinsamkeiten zu suchen

Ein gemeinsames Ziel verbindet…

Zu kooperieren heißt, mit anderen gemeinsam auf ein Ziel zuzusteuern. Das ist nur

erfolgreich, wenn wir zu anderen Verbindung und Nähe aufbauen. Vergleichbar mit

einem Flugzeug, das nur dann sicher ankommt, wenn alle Teile gut verbunden sind

und bis zum Ziel zusammenhalten. Mit Menschen, die uns ähnlich sind, fällt uns diese

Verbindung meist um einiges leichter. Der Nutzen einer Kooperation steigt aber

erfahrungsgemäß je unterschiedlicher die Beteiligten sind. Nur dann kommen

zusätzliche Fähigkeiten, Perspektiven und Ideen ins Spiel. Und genau dann stehen wir

vor der Herausforderung, mit dieser Unterschiedlichkeit umzugehen.

…bei allen Unterschiedlichkeiten.

Die Natur hat uns Menschen grundsätzlich genetisch so ausgestattet, dass wir mit

Unterschiedlichkeit zurechtkommen können. Durch unsere Gestik und Mimik können

wir in Sekundenbruchteilen auch mit wildfremden Menschen eine Verbindung

aufbauen. Unsere Spiegelneuronen erlauben uns sogar vorauszudenken, was ein

anderer Mensch als nächstes tun wird. Die sogenannten Mikroexpressionen – das

sind kleinste Bewegungen unserer Mimik, die Gefühle ausdrücken – sind über alle

Kulturen hinweg gleich, sodass wir uns unbewusst in andere einfühlen können, egal

ob ein Europäer oder ein Eskimo vor uns steht. Professor Dr. Tomasello vom Max-

Planck-Institut Leipzig fand in Studien mit Kleinstkindern heraus, dass diese bereits mit

18 Monaten in der Lage sind, zu erkennen, wenn jemand Hilfe braucht und den

natürlichen Impuls haben, diese auch zu leisten. Und das ohne dass sie trainiert oder

besonders motiviert wurden. Ja, sie kannten die Person, der sie halfen nicht einmal

besonders gut.

Vergleichen führt zur Abgrenzung…

Trotzdem: Wenn Menschen Dinge anders tun, als wir sie tun würden oder wenn sie

sich anders verhalten als wir, irritiert und verunsichert uns das schnell. Um Sicherheit zu

gewinnen, beobachten wir genauer und beginnen zu vergleichen. Dieser Vergleich

hilft uns dabei, Risiken zu vermeiden – zum Beispiel dann, wenn wir die Straße

überqueren wollen und einschätzen müssen, ob das Auto schneller hier ist als wir

laufen können. Im Umgang mit anderen Menschen führt uns dieses ständige

Vergleichen jedoch in die Abgrenzung und damit in die Konkurrenz. Er verdient mehr

als ich, sie bekommt die verantwortungsvolleren Aufgaben, er spricht schlechter

Englisch, sie hat weniger verkauft…

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…dabei sind wir doch gar nicht so anders!

Verbindung stellen wir her, indem wir uns auf das konzentrieren, was uns verbindet

anstatt auf das, was uns trennt. Gemeinsame Ziele und Interessen zum Beispiel. Im

Berufsleben erfordert das umso mehr Kreativität je weiter wir organisatorisch

voneinander entfernt sind. Doch letztendlich gehören sowohl das Controlling als

auch die Forschungsabteilung zum selben Unternehmen und beide werden nur dann

weiter existieren, wenn das gesamte Unternehmen weiter existiert. Selbst mit dem

Kunden haben wir etwas gemeinsam. Auch wenn unsere individuellen Ziele

wahrscheinlich nicht dieselben sind, wollen wir doch beide unsere Ziele erreichen

und erfolgreich sein. Allein das wahrzunehmen, überbrückt häufig schon den

Graben, der sich bei kontroversen Verhandlungen auftut. Weil wir aufhören uns

vorzumachen, wir wären anders oder berechtigter.

Gezielt Gemeinsamkeiten suchen und finden

Wie die Beispiele gezeigt haben, sind wir in der Lage, die Verbindung durch einen

kognitiven Denkprozess herzustellen – weit stärker ist sie aber auf der persönlichen

Ebene. Wenn uns Menschen sympathisch sind, fühlen wir uns ihnen eher verbunden,

als wenn uns Menschen unsympathisch sind. Ein wichtiger Sympathiefaktor ist dabei

der Eindruck, dass wir etwas gemeinsam haben. Eine Untersuchung zeigt, wie sehr es

sich lohnt, dafür etwas Zeit zu investieren: So wurden bei einem Versuch Studenten in

verschiedene Gruppen aufgeteilt. Alle erhielten den Auftrag, innerhalb der Gruppe

miteinander zu verhandeln. Der einen Gruppe sagte man: „Zeit ist Geld! Beginnt

sofort mit der Verhandlung.“ Die andere Gruppe wurde aufgefordert: „Bevor ihr mit

dem Verhandeln beginnt, nehmt euch etwas Zeit, um einige persönliche

Informationen auszutauschen und eine Gemeinsamkeit zu finden.“ Diejenigen, die

sofort mit dem Verhandeln begannen, erreichten zu 55 % eine Einigung. Diejenigen,

die erst nach einer Gemeinsamkeit suchten, erreichten zu 90 % eine Einigung. Ein

Projektkollege mag uns auf den ersten Blick nicht so sympathisch sein, wenn wir aber

herausfinden, dass er – genau wie wir – leidenschaftlicher Kite-Surfer ist, verbindet uns

das und sein Sympathiewert steigt. Im Übrigen haben wir ein gemeinsames

persönliches Thema, auf das wir uns zurückziehen können, wenn es in der fachlichen

Zusammenarbeit doch einmal hakt. Es lohnt sich also in jedem Fall, Zeit zu investieren,

um Menschen besser kennenzulernen, mit denen wir kooperieren wollen oder

müssen.

Viel häufiger beschäftigen wir uns aber mit dem, was uns trennt, anstatt mit dem,

was uns verbindet. Das Aufgabengebiet, die Abteilung, die Ziele, das Budget, die

Sprache, der Arbeitsstil – das alles hilft uns dabei, uns abzugrenzen und durch-

zusetzen. Auf der Suche nach unserer Kooperationsfähigkeit lauten jedoch die

wichtigen Fragen: Wie verbunden fühlen wir uns im Arbeitsleben? Wo haben wir

gemeinsame Ziele? Mit dem Chef, den Kollegen, den Mitarbeitern geht das vielleicht

noch ganz gut. Doch wie sieht es mit den Kollegen der anderen Abteilung, am

anderen Standort, im anderen Land oder gar den Mitbewerbern aus?

=> Mehr „Miteinander“ schaffen wir, indem wir nach dem suchen, was uns mit

anderen verbindet, anstatt nach dem, was uns trennt. Und es gibt IMMER eine

Gemeinsamkeit. Denn am Ende sitzen wir doch irgendwie alle im selben Boot.

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Alle im Blick Den Horizont weiten: Ko-zentriert statt konzentriert Bevor die Kinder die Ziellinie überschreiten, kontrollieren sie ihre eigene Position und

die Position der Gruppe, um sicherzustellen, dass sie alle gemeinsam das Ziel

erreichen. Diese Kinder haben nicht nur sich selbst, sondern auch die Gruppe

gleichzeitig im Blick. Das ist ein ko-zentrierter Blick. Ko-zentrieren bedeutet in „sowohl

als auch“ zu denken, statt in „entweder oder“. Es bedeutet, in sozialen Interaktionen

immer nach dem beiderseitigen Vorteil zu suchen.

Basis dafür ist eine Haltung, die das Leben nicht als Wettkampfarena, sondern als

Kooperationsfeld betrachtet. Eine Haltung, die davon ausgeht, dass genug für alle

da ist und dass wir gemeinsam gewinnen können. Das ist nicht immer leicht, denn

Erziehung, Gesellschaft und auch viele Unternehmen förderten in den letzten

Jahrzehnten Konkurrenzverhalten mehr als Kooperationsverhalten. Hinzu kommen die

Automatismen, denen wir unbewusst folgen, wenn wir unter Stress geraten: Dann

übernimmt unser Reptiliengehirn die Führung. Sein Fokus ist Überleben und die

möglichen Strategien lauten Kampf oder Flucht. Rationales Denken ist dann nicht

mehr angesagt.

Keine (faulen) Kompromisse mehr

Wenn wir kämpfen, versuchen wir unsere eigenen Ziele mit aller Macht durch-

zusetzen. Wenn wir flüchten, geben wir klein bei und opfern unsere eigenen

Interessen. Ko-Zentrieren bedeutet, sowohl die eigenen als auch die Interessen des

anderen im Blick zu haben und eine Lösung zu finden, die beiden gerecht wird.

Kompromisse zu schließen ist im Übrigen auch Teil des Entweder-oder-Denkens. Jeder

gewinnt ein wenig, jeder verliert ein wenig und keiner der beiden ist komplett

zufrieden.

Auf Kommunikation achten

Am einfachsten ist das Fehlen der Ko-Zentrierung am Kommunikationsverhalten zu

beobachten: Sobald jemand versucht, seine Meinung mit aller Macht durchzusetzen

und eine andere nicht gelten lässt oder wenn jemand still wird, sich zurückzieht und

seine Meinung gar nicht erst äußert. Sowohl die Kampf- als auch die Fluchtstrategie

gehören zum Konkurrenzverhalten. Wir konzentrieren uns nur noch darauf, in der

jeweiligen Situation zu überleben. Das Fatale dabei ist, dass wichtige Gedanken

unausgesprochen oder ungehört bleiben und nicht alle Ideen und Perspektiven in

die Lösungsfindung einbezogen werden. In einer Welt, in der Zusammenhänge

immer schwerer zu durchschauen sind und in der Wissen immer schneller veraltet, ist

dieses Verhalten sehr riskant. Für eine mögliche Kooperation ist es ein garantierter

Erfolgs-Killer.

Gerade weil wir anders konditioniert sind und Stress uns schnell auf die

Wettkampfbahn schickt, ist es wichtig, das Ko-Zentrieren immer wieder zu üben. Dazu

müssen wir uns zunächst darüber klar werden, was eigentlich unser Ziel ist und

welches Interesse dahinter steht. Dann geht es darum herauszufinden, welche Ziele

und dahinterstehende Interessen die anderen Personen verfolgen. Fragen wie „Was

ist Ihr Ziel?“ und „Aus welchem Grund ist Ihnen das wichtig?“ sowie aktives Zuhören,

also zuzuhören mit der Absicht, wirklich zu verstehen und sich dessen

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rückzuversichern, sind Schlüsselfähigkeiten, die eine erfolgreiche kooperative

Zusammenarbeit ermöglichen.

Wir haben eher den konzentrierten Blick. Eine Art Tunnelblick, der vor allem dann

auftritt, wenn wir unter Stress kommen. Und das ist bei 2/3 der Menschen im

Berufsleben heute regelmäßig der Fall. Wir konzentrieren uns dann nur noch darauf,

wie wir überleben können. Indem wir uns durchsetzen und die Interessen der

anderen hinten anstellen oder indem wir uns unterwerfen und unsere eigenen

Interessen hinten anstellen und uns nur noch fragen, wie wir es den anderen recht

machen können.

Konzentriert zu denken, bedeutet ENTWEDER ODER. Gewinnen oder verlieren. Selbst

der Kompromiss fällt in diese Kategorie. Denn jeder gewinnt ein wenig und jeder

verliert ein wenig. Die ko-zentrierte Haltung baut auf SOWOHL ALS AUCH. Nicht

entweder gewinne ich und der andere verliert oder der andere gewinnt und ich

verliere, sondern wie können sowohl ich als auch der andere dabei gewinnen? Dazu

müssen wir uns sowohl mit dem Gegenüber beschäftigen als auch mit uns selbst. Was

sind unser beider Motive und Interessen? Der Vorteil dabei ist, dass wir viel öfter das

bekommen, was wir möchten. Denn ko-zentriertes Denken ist die Grundlage der

WIN-WIN-Strategie, die hilft, Konflikte erfolgreich zu lösen.

=> Um „Alles im Blick“ zu haben, können wir uns – bevor wir kämpfen oder uns

unterwerfen – öfter fragen, „was will ich“ und „was will der andere“ und nach einer

Lösung suchen, die beides möglich macht.

Nutzen stiften Investieren: Erst geben, dann nehmen Die Kinder sorgen mir ihrem Verhalten dafür, dass alle die Mangos gemeinsam

verspeisen können. Sie stiften für die Schwächeren den Nutzen, sich als vollwertige

Gewinner zu erleben. Das führt dazu, dass das gemeinsame Verspeisen der Mangos

nicht eine Veranstaltung von Gönnern und Almosenempfängern wird, sondern ein

lust- und kraftvolles Event auf Augenhöhe.

Heute hat fast jedes Unternehmen seinen eigenen Berliner Flughafen, also

mindestens ein interdisziplinäres Projekt, das gründlich gescheitert ist. Wobei alle

Beteiligten klarstellen, dass die Schuld nicht bei ihnen liegt und sie ja ihren Teil der

Arbeit gemacht hätten. Wenn jeder nur seine Arbeit macht, dann ist das keine

Kooperation, sondern Arbeitsteilung.

Kooperation beginnt…

… wo die Beteiligten nicht nur ihre Teilaufgabe und ihr Teilziel im Blick haben, sondern

darüber hinaus ihr Umfeld und wo jeder sich auch für das Gesamtziel verantwortlich

fühlt. Das bedeutet, über die eigene Rolle hinaus zu denken und zu handeln und

kontinuierlich mit den anderen Beteiligten zu interagieren.

Die Fähigkeit zu erkennen, wo man einer anderen Person weiterhelfen kann und das

auch bereitwillig zu tun, ist das, was einen erfolgreichen Kooperationspartner

auszeichnet. Und das großzügig, ohne die Erwartung oder die Garantie dafür, auch

etwas zurückzubekommen.

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Bei Kooperationen investieren wir, um später von einem Ergebnis zu profitieren, das

größer ist, als der eigene Einsatz. Das erfordert eine Vorinvestition und Geduld.

Das rasante wirtschaftliche Wachstum der letzten Jahrzehnte hat uns auf "quick wins"

getrimmt. Es geht darum, möglichst schnell möglichst viel zu haben. Das funktioniert

scheinbar nur, wenn wir das, was wir haben, behüten und gleichzeitig möglichst viel

dazubekommen. Nutzen stiften hingegen heißt, etwas wegzugeben ohne Garantie,

dass dafür sofort oder später etwas zurückkommt. Und das beschränkt sich gar nicht

so sehr immer nur auf materielle Dinge. Unser wertvollstes Gut ist heute oftmals

Wissen. Wie bereit sind wir, unser Wissen weiterzugeben? Betrachten wir das eher als

Hol- oder als Bringschuld? Wer von uns hat nicht schon einmal folgende Sätze

benutzt oder gehört: „Du hättest mich ja nur fragen brauchen“ oder „Mich hat ja

keiner gefragt“. Informationsaustausch wird eher als Holschuld denn als Bringschuld

betrachtet. Wir horten Wissen als würde es verschwinden, wenn wir es teilen.

Sebastian ist Unternehmensberater und er gesteht folgendes: „Ich bin auf ein Buch

zur Unternehmensentwicklung gestoßen, kann mich aber nicht überwinden, es auch

meinen Kunden zu empfehlen. Nicht weil es schlecht ist, ganz im Gegenteil. Ich habe

viel Wissen aus dem Buch gezogen und setze es begeistert in meiner Beratung ein.

Wenn meine Kunden das Buch selbst lesen würden, sind sie am Ende schlauer als ich

und wissen außerdem, woher ich alle meine Beispiele habe. Diese Information

behalte ich lieber für mich.“ Warum aber fällt es uns so schwer zu teilen?

Trotz unseres Reichtums haben wir die Befürchtung, kultiviert zu kurz zu kommen.

Mangeldenken ist eine der größten Fallen, wenn es ums Kooperieren geht. Es macht

uns misstrauisch, kurzsichtig und engstirnig. Es hindert uns nicht nur daran ko-zentriert

zu denken, sondern vor allem daran, das zu sehen, was zurückkommt, wenn wir

geben.

...und es kommt immer etwas zurück

Das Gesetz der Reziprozität besagt, wenn wir anderen einen Gefallen tun, ist die

Wahrscheinlichkeit höher, dass sie auch uns einen Gefallen tun. Wenn uns jemand

hilft, fühlen wir eine innere Verpflichtung, den Gefallen zu erwidern. Würde unser

bereits erwähnter Unternehmensberater Sebastian das Buch seinem Kunden

empfehlen und sollte es diesem wirklich so sehr helfen, dass er den Berater nicht

mehr braucht, wird er auf jeden Fall so dankbar und begeistert sein, dass er

Sebastian aktiv weiterempfiehlt. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass der Kunde die

Inhalte nach dem Lesen mit dem Berater diskutieren möchte, was dem Berater

deutlicher macht, was seine Kunden beschäftigt. So kann Sebastian seine Beratung

noch besser machen und noch erfolgreicher werden. Geben zahlt sich schließlich

doch aus!

Geben macht glücklich und sympathisch

Studien zeigen, dass Menschen, die andere durch eine persönliche Handlung

unterstützen, glücklicher sind. Dank unserer Spiegelneuronen können wir uns schon

während des Gebens vorstellen, wie der andere sich freuen wird. Dadurch entsteht

auch in uns selbst Freude und Wohlbefinden. Großzügig zu teilen, bestätigt uns selbst,

dass wir genug haben. Das erzeugt eine deutlich sympathischere Ausstrahlung, als

die Sorge, zu kurz zu kommen. Und diese Ausstrahlung wiederum sorgt dafür, dass

Menschen leichter auf uns zukommen und damit auch die Chance steigt, dass sich

für uns eine neue gute Gelegenheit ergibt, zu kooperieren.

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=> Mehr „Nutzen stiften“ wir , indem wir beginnen, unser Wissen zu teilen. Fragen wir

uns, für wen diese Information noch nützlich sein könnte und geben wir diese dann

aktiv weiter.

Gemeinsam gewinnen Ernten: Den Weg gemeinsam bis zum Ziel gehen - mit dem Bindemittel Vertrauen Die Kinder halten sich ganz entspannt an den Händen. Sie tun das, um in Kontakt zu

sein, nicht um den festhalten zu können, der vielleicht losrennt. Sie vertrauen sich.

Gemeinsam gewinnen heißt

den Weg gemeinsam bis ans Ziel und über die Ziellinie zu gehen

gemeinsam die Herausforderungen zu meistern, die auf dem Weg zum Ziel

liegen

eine Vertrauensbasis zu bauen und sie aufrecht zu erhalten.

Zusammenkommen ist ein Beginn,

Zusammenbleiben ein Fortschritt,

Zusammenarbeiten ein Erfolg. (Henry Ford)

Tatsächlich geschieht es, dass Menschen voller Schwung in eine Kooperation starten,

dann aber Schwierigkeiten auftreten. Daraus entwickeln sich Konflikte, die nicht aktiv

bewältigt werden und schließlich bewegen sich die Beteiligten irgendwo, aber auf

jeden Fall weit davon entfernt, gemeinsam über die Ziellinie zu gehen.

Wieder andere starten erst gar nicht, weil sie sich nicht überwinden können, sich auf

den anderen oder das Projekt einzulassen. So beschränken sie sich auf das, was sie

alleine erreichen können und übersehen, was gemeinsam zu erreichen ist.

Das Leben… ein Spiel

Es gibt ein Spiel, bei dem jeder Beteiligte einen Geldschein als Startkapital und ein

Kuvert bekommt. Die Aufgabe ist, möglichst viel aus dem Startkapital herauszuholen.

Jeder entscheidet, ob er seinen Schein in das Kuvert steckt, welches er dem

Spielleiter zurückgibt. Der Spielleiter verteilt die Kuverts so, dass jeder das Kuvert eines

anderen Mitspielers erhält. Befindet sich darin Geld, verdoppelt der Spielleiter den

Betrag.

Kein Gewinner ohne Verlierer?

Meist stehen bereits nach der ersten Runde mehrere Beteiligte ohne Geld da, weil in

dem Kuvert, das sie erhalten haben, kein Schein war, sie ihren aber weggegeben

haben. Sie können nicht mehr mitspielen. Pech gehabt! So funktionieren die Spiele

eben, die wir gelernt haben. Mensch-ärgere-dich-nicht, Monopoly und wie sie alle

heißen. Je erfolgloser die einen sind, desto erfolgreicher sind die anderen. Gewinnen

ist nur auf Kosten der Verlierer möglich. Doch das Kuvertspiel ist kein Nullsummenspiel.

Kooperation wird belohnt.

Je mehr jeder investiert, umso mehr Geld kommt ins Spiel. Der Spielleiter verdoppelt

ja alles Geld, das die Spieler aus der Hand geben. Genau wie im normalen Leben

Menschen Ergebnisse erzielen, die größer sind als die Summe der Einzelleistungen,

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wenn sie zusammenwirken. Schon die Geschichte zeigt: Der Mensch hat als

Individuum nur geringe Überlebenschancen. Er ist weder besonders schnell, noch

besonders stark, noch besonders giftig. Nur seine Fähigkeit, kreativ und flexibel zu

kooperieren, hat dazu geführt, dass die menschliche Rasse im Evolutionssieb hängen

geblieben ist. Gemeinsam kommen wir weiter als alleine.

Genau darum geht es in Kooperation. Der eine hat die kreative Idee, der andere

den Plan zur Umsetzung. Die beiden entwickeln daraus ein Produkt, dessen Erlöse

beide reicher machen. Dazu wird es aber nur kommen, wenn beide sich von Anfang

an auf diesen gemeinsamen Gewinn konzentrieren und diesen über den

zwischendurch erzielbaren individuellen Gewinn stellen. Und das ganz besonders in

kritischen Situationen.

Das erfordert die Bereitschaft, kurzfristig die aus individueller Sicht zweitbeste Lösung

zu akzeptieren, weil sie für das gemeinsame Projekt die bessere ist. In unserem

Kuvertspiel heißt das, nicht das Maximum aus jedem Spielzug herauszuholen, indem

wir unser Geld zurückhalten und gleichzeitig aber von den Beiträgen der anderen

profitieren. Es heißt, auf die individuelle Gewinnmaximierung zu verzichten, dadurch

in die vertrauensvolle Zusammenarbeit zu intensivieren und dann von den

Synergieeffekten zu profitieren.

Für erfolgreiche Kooperation darf die Fragestellung nicht lauten: „Wie kann ich für

mich das Meiste herausholen?“, sondern „Wie kann für uns das Beste entstehen?“

Wie gut wir diese Sichtweise in Konfliktsituationen beibehalten, hängt vom Maß des

Vertrauens ab, das zwischen den Beteiligten herrscht. Was ist eigentlich Vertrauen?

Wir können zwar relativ leicht sagen, ob es da ist oder nicht, aber zu definieren

worauf es beruht, ist schwierig. Hängt das nur vom Gegenüber ab, ist es ein

unbewusster Vorgang oder eine eigene Fähigkeit? Die Antwort lautet: Es ist etwas

von allem. Dr. Duane C. Tway, Jr. beschreibt Vertrauen als „die Bereitschaft für eine

ungeschützte Interaktion mit etwas oder jemandem“. Um uns darauf einzulassen, ist

es nötig, dass wir

grundsätzlich in der Lage sind, Vertrauen zu schenken

ausreichend Kompetenz wahrnehmen, mit der Situation umzugehen und zwar

bei uns selbst als auch bei den anderen Beteiligten sowie

wahrnehmen, dass das Handeln der anderen Beteiligten eher auf

ko-zentrierten als auf eigennützigen Absichten beruht.

Inwieweit wir selbst fähig sind, Vertrauen zu schenken, hängt von den Erfahrungen

ab, die wir im Laufe unseres Lebens gemacht und wie wir sie verarbeitet haben. Wer

mehrfach erlebt hat, dass er viel investiert hat, dann aber am Ende auf der Strecke

blieb, wird mit der Zeit zögerlicher. Wenn dazu der Eindruck entsteht, diesem Verlauf

hilflos ausgeliefert zu sein, reduziert das die Fähigkeit zu vertrauen.

Wie wir die Kompetenzen der Beteiligten und deren Absichten bewerten, hängt stark

davon ab, wie gut wir sie kennen, welche Erfahrungen wir schon mit ihnen

gesammelt haben und wie gut wir abschätzen können, welche Kompetenzen die

Kooperationssituation erfordert. Weil wir Menschen sind, ist unsere Einschätzung viel

mehr subjektiv als objektiv. Wir lassen uns von dem beeinflussen, was wir von anderen

hören und ob die Personen uns sympathisch sind oder nicht. Sogar an wen uns die

anderen erinnern, färbt unsere Wahrnehmung.

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Diese drei Vertrauensregler zu kennen, ermöglicht uns das Maß unseres Vertrauens zu

beeinflussen. Warum ist das so wichtig? Kooperationen bergen dann besondere

Chancen, wenn die Herangehensweisen und Fähigkeiten der Beteiligten

unterschiedlich sind. Gerade diese kreative Reibung ist es, die bei erfolgreicher

Bewältigung der darin liegenden Interessenskonflikte den Zugewinn in der

Zusammenarbeit beschert und das Vertrauen in den Erfolg stärkt. So entstehen die

Lösungen, bei denen 1 + 1 nicht nur zwei, sondern drei ergibt. Das braucht eine

starke Vertrauensbasis. Denn sobald die Beteiligten das Vertrauen verlieren, das sie

vom gemeinsamen Ergebnis profitieren und das Ziel gemeinsam erreicht werden

kann, beginnt die beste Kooperation zu bröckeln.

Die Spieletheorie, eine Wissenschaftsrichtung deren bedeutendster Forscher John F.

Nash sogar einen Nobelpreis erhalten hat, befasst sich unter anderem mit Konflikten

zwischen mehreren Parteien, die nicht miteinander kooperieren. Viele Beispiele

zeigen, dass in so einem Fall ein Ergebnis entsteht, bei dem alle Beteiligten schlechter

wegkommen, als wenn sie zusammengearbeitet hätten. Die Forscher beschäftigen

sich natürlich auch mit der Frage, was die beste Strategie ist, damit alle Beteiligten

profitieren. Die beste Strategie ist Vorschussvertrauen. Das heißt, so zu handeln, als ob

man wüsste, dass die andere Partei ebenfalls kooperativ handelt.

Dabei geht es aber nicht um eine Opferstrategie. Falls die andere Partei das

Vertrauen missbraucht, muss dies geahndet werden. Danach heißt es aber sofort

wieder zurück auf Anfang und in die Vertrauenshaltung.

Vertrauen hilft, Konflikte zu lösen

Gerade in zeitkritischen Projekten ist zu beobachten, dass die Beteiligten sich sofort

damit beschäftigen, was zu tun und wie es zu bewältigen ist. Weil sich jeder zu

Beginn von seiner besten Seite zeigt, scheint das erfolgsversprechend und man

konzentriert sich weiter auf die Arbeit. Smalltalk, der Austausch von Interessen,

Bedenken, persönliche Sichtweisen oder Vorlieben werden in einer auf Effizienz

getrimmten Umgebung als Zeitverschwendung betrachtet. Jeder funktioniert eben.

Da wir allerdings Menschen und keine Maschinen sind, fällt uns das auf die Füße,

sobald sich Misserfolge einstellen. Die Interessenskonflikte werden offensichtlich,

Streitereien über scheinbare Belanglosigkeiten häufen sich, das Engagement

verändert sich, die Zusammenarbeit wird nicht mehr als befriedigend erlebt. Konflikte

sind leichter zu lösen, wenn man darauf vertraut, dass der oder die anderen einem

nichts Böses wollen. Wenn dieses Vertrauen nicht bereits aufgebaut wurde, ist die

Situation – wenn überhaupt - nur mit hohem Zeit- und Energieaufwand sowie

externer Hilfe zu retten. Das zeigt auch folgendes Beispiel einer Kanzleiübernahme:

Ein Kanzleiinhaber kauft eine Kanzlei, die aus Altersgründen aufgegeben wird. Er

übernimmt das gesamte Team samt Kanzleileiter. Nachdem sich dieser auskennt und

das Büro auch weiter leiten soll, startet man sofort mit der Arbeit. Der Kanzleileiter

scheint seine Arbeit weiterzumachen, denn der neue Standort läuft wie bisher.

Gespräche zwischen dem Kanzleileiter und dem Kanzleiinhaber drehen sich in der

Regel um sach- und fallbezogene Entscheidungen. Nach einiger Zeit beginnt der

neue Kanzleiinhaber mit organisatorischen Veränderungen, um die beiden Kanzleien

besser abzustimmen. Nach und nach fällt auf, dass der Kanzleileiter sich nicht daran

hält, ja dass er sogar dagegen interveniert. Er hat den Eindruck, dass seine Stellung

untergraben und diese Änderungen die Mitarbeiter nur verwirren. Nachdem die

Kanzleien zwei verschiedene Standorte haben, dauert es rund acht Monate bevor

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der Kanzleiinhaber bemerkt, dass der Kanzleileiter nicht mit, sondern gegen ihn

arbeitet. Er ist enttäuscht und verärgert. Schließlich trägt er ja das unternehmerische

Risiko. Die Gesprächsatmosphäre ist gespannt, der Kanzleileiter wenig entgegen-

kommend, weil er seine Wichtigkeit kennt. Es folgen genauere schriftliche

Anweisungen, Abmahnungen für Verstöße und schließlich ein langwieriger

arbeitsgerichtlicher Kündigungsstreit. Alle Beteiligten gehen als Verlierer aus dieser

Situation.

Der neue Kanzleiinhaber hat sich davon täuschen lassen, dass „die Arbeit lief“ und

angenommen, dass er sich tatsächlich rein auf Organisation und Abarbeitung

konzentrieren könne. Er hat dabei versäumt, Vertrauen aufzubauen, indem er sich

mit dem Kanzleileiter über Ziele und Interessen austauscht, versucht Gemeinsam-

keiten zu finden und sich menschlich näher zu kommen. Der Kanzleileiter hat es

vermieden, Meinungsverschiedenheiten offenzulegen. Die frühzeitige Bewältigung

kleiner Konflikte hätte die Vertrauensbasis ebenfalls gestärkt.

Führen Interessenskonflikte zu Reibungen oder Auseinandersetzungen, ermöglicht

Vertrauen, diese Konflikte so effektiv zu lösen, dass die Kooperation für alle Seiten

weiterhin nutzenbringend und befriedigend ist. Gelingt das, stärkt das wiederum die

Vertrauensbasis.

=> „Gemeinsam gewinnen“ wir, indem wir uns auf den möglichen gemeinsamen

Gewinn fokussieren und kurzfristig die gemeinsamen Interessen über die eigenen

stellen, um langfristig davon zu profitieren, dass wir gemeinsam mehr gewinnen als

alleine.

Offen sein Spielräume erweitern: Dem Neuen offen begegnen und offen sein für Entwicklung

Obwohl den Kindern das Spiel fremd ist, lassen sie sich freudig darauf ein und

probieren es aus.

Offen zu sein bedeutet,

ja zu sagen zu Überraschungen und unerwarteten Entwicklungen

sich für die Sichtweise anderer zu öffnen und eigene Schwächen

einzugestehen

sich stetig weiterzuentwickeln und von anderen zu lernen

Erfolgsversprechende Kooperationen bergen Überraschungen. Zum Glück! Wenn wir

schon genau wüssten, was passiert, wo wäre dann der erhoffte Zugewinn? Also die 3

die aus 1 plus 1 entsteht? Wenn wir eine Einstellung der Offenheit gegenüber

Anderem und Neuem kultivieren, sind wir bestens dafür gewappnet auch mit den

Überraschungen und Entwicklungen umzugehen, die uns missfallen.

Wer mit der Einstellung ans Werk geht, möglichst gut dazustehen und sich ja keine

Blöße zu geben, erweist sich und den anderen Beteiligten keinen guten Dienst.

Kooperation lebt davon, dass unterschiedliche Stärken zusammenkommen. Wer

vorgibt, bereits alles zu können und zu wissen, hindert andere daran, ihren Nutzen zu

stiften und ihre Stärken voll zum Tragen zu bringen. Sich selbst hindert man daran,

neue Impulse wertfrei aufzunehmen und daran zu wachsen.

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Wenn wir andere Menschen um einen Rat bitten, dann kann uns das selbst so

vorkommen, als würden wir Schwäche zeigen und möglicherweise fällt uns das

schwer. Umso wichtiger ist es, uns vor Augen zu führen, was wir mit diesem Verhalten

in anderen und für das gemeinsame Ziel bewirken. Der Mensch, den wir um Rat

fragen, fühlt sich wertgeschätzt, man schenkt ihm Bedeutung und Vertrauen. Das

stärkt die gemeinsame Beziehungsebene. Ist unser Gegenüber ein eher introvertierter

Typ, sorgen wir mit unserer Frage dafür, dass das Wissen dieser Person überhaupt

sichtbar und verfügbar wird. Und schließlich können wir unser eigenes Wissen von

den Ideen der anderen Person befruchten lassen. Alles was es erfordert, ist die

Offenheit einzugestehen, dass man nicht perfekt ist und die Offenheit, andere

Sichtweisen zuzulassen und sich davon bereichern zu lassen.

Die US-Amerikanische Psychologieprofessorin Carol Dweck beschreibt zwei sich

unterscheidende Selbstbilder. Das statische und das dynamische. Erfolgreiche

Kooperationspartner haben ein dynamisches Selbstbild. Das heißt, sie pflegen eine

Einstellung zu sich selbst, die ihnen erlaubt zu wachsen und mit Neuem und

Unerwartetem erfolgreich umzugehen. Sie wissen, dass man sich mit der Zeit

verändert und dass das, was wir heute tun, beeinflusst, wer wir morgen sind. Das

heißt, darauf zu vertrauen, dass uns das, was uns heute noch nicht gelingt, morgen

schon gelingen kann. Vorausgesetzt wir sind bereit an uns und unseren Fähigkeiten

zu arbeiten. Menschen mit einem dynamischen Selbstbild betrachten Fähigkeiten als

etwas, das entwickelt und optimiert werden kann. Sie sind zuversichtlich, dass sie die

Grenzen, die sie momentan erleben durch Übung und Ausdauer überwinden

können. Sie sehen Niederlagen als persönliche Herausforderungen, an denen sie

wachsen können. Es fällt ihnen leicht, anderen einzugestehen, dass sie nicht perfekt

sind. Und sie nutzen jede Gelegenheit, von anderen zu lernen.

Menschen mit einem statischen Selbstbild gehen im Gegensatz dazu davon aus,

dass sie morgen noch derselbe Mensch sein werden, mit denselben Fähigkeiten,

unabhängig davon, was sie heute tun. Deshalb ist ihnen auch sehr wichtig zu zeigen,

dass so zu sein, wie sie es sind, völlig richtig ist und da gar keine Schwächen

vorhanden sind.

Die meisten Menschen haben ein gemischtes Selbstbild. Sie gehen zum Beispiel im

Bereich des Sports davon aus, dass sie sich entwickeln können: „Ich bin mir sicher,

dass ich nächstes Jahr den Marathon laufen kann, wenn ich entsprechend trainiere.

Aber möglicherweise im Bereich des Charakters folgen sie eher der Überzeugung,

dass sie gleichbleiben werden. „Es kann ja sein, dass ich es kooperativ leichter hätte.

Aber ich bin eben ein Einzelkämpfer, das lässt sich nicht ändern.“

Die dynamische Denkweise fördert den Einsatz aller Kräfte und hilft dabei, die

eigenen Potenziale zu entfalten, die statische Denkweise hingegen begrenzt.

Menschen mit dem dynamischen Mindset haben keine Angst vor dem Scheitern,

weil sie wissen, dass sie aus Fehlern lernen und Herausforderungen ihre Fähigkeiten

nur stärken können.

Das gibt uns auch die Kraft, unsere Kooperationsfähigkeit weiter einzusetzen und zu

trainieren. Natürlich gibt es Fehlschläge. Wir selbst können aus bestimmten Gründen

auch einmal nicht halten, was wir versprochen haben. Dasselbe können wir bei

anderen erleben. Eine Reaktionsmöglichkeit wäre sich zu ärgern und zu sagen, „Man

kann sich eben nur auf sich selbst verlassen!“ und zukünftig weniger offen zu sein. Die

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andere Vorgehensweise wäre eine nüchterne Analyse, was vorgefallen ist und wo

wir hätten Einfluss nehmen können. Dass wir es dieses Mal nicht getan haben,

bedeutet ja nicht, dass es uns das nächste Mal nicht gelingen kann.

Vielleicht möchten wir auch kooperativ mit jemandem zusammenarbeiten.

Gewinnen aber den Eindruck, dass die andere Person nicht so kooperativ ist wie wir

selbst. Ist es dann besser aufzugeben und sich jemanden zu suchen, der genauso

kooperativ ist, wie wir selbst? Wenn wir die Wahl haben, spricht einiges dafür.

Andererseits könnten wir uns auch dafür entscheiden, offen für eine neue Erfahrung

zu sein und schon tut sich ein besonderes Übungsfeld für das Mango-Prinzip auf.

=> „Offen sein“ gelingt, indem wir akzeptieren, dass nicht jeder alles kann und wir

öfter aktiv den Rat oder die Einschätzung anderer einholen.