das mango-prinzip. gemeinsam gewinnen mit dem ...dass uns diese selbstverständlichkeit, mit der die...
TRANSCRIPT
www.ulrike-stahl.com
Ulrike Stahl
Das Mango-Prinzip. Gemeinsam gewinnen mit dem
Erfolgsfaktor Kooperation
www.ulrike-stahl.com
2
Urheberrechtshinweis
Alle Inhalte dieses Ebooks, insbesondere Texte, Fotografien und Grafiken, sind
urheberrechtlich geschützt (Copyright). Das Urheberrecht liegt, soweit nicht
ausdrücklich anders gekennzeichnet, bei Ulrike Stahl.
Ich freue mich, wenn Sie aus diesem Ebook zitieren oder Passagen veröffentlichen,
sofern Sie die Quelle benennen. Andernfalls wäre das ein Verstoß gegen das
Urheberrecht. Bitte informieren Sie mich ([email protected]), falls Sie die Inhalte
dieses Ebooks verwenden möchten.
www.ulrike-stahl.com
3
Von Kindesbeinen an lernen wir, dass Wettbewerb uns erfolgreich(er) macht: Der
Bessere, Stärkere oder Schnellere gewinnt. Im Wirtschaftsleben heißt es gern
„Konkurrenz belebt das Geschäft“. Doch dass Konkurrenz ein Nullsummenspiel ist,
wird häufig übersehen – denn wo es Gewinner gibt, gibt es immer auch Verlierer.
Früher fraßen die Großen die Kleinen, dann überholten die Schnellen die Langsamen
und jetzt haben die Kooperativen die Nase vorn. Wer also nicht als Konkurrenz-
dinosaurier auf der Strecke bleiben, sondern sich zum Kooperationsscout
weiterentwickeln will, für den heißt es jetzt umdenken und umlernen. Die fünf
Disziplinen kooperativen Handelns heißen Miteinander, Alle im Blick, Nutzen stiften,
Gemeinsam Gewinnen und Offen sein. Und schon sind wir beim MANGO-Prinzip!
Warum sich alles um diese süße Frucht dreht, wird später verraten.
Kooperation verändert die Perspektive
Kooperation macht kreativer. Kooperation inspiriert, den zu verteilenden Kuchen
größer zu machen, sodass alle Beteiligten gewinnen. Kooperatives Handeln fördert
das Wohlbefinden, schafft ein besseres Arbeitsklima und macht Individuen und
Unternehmen erfolgreicher. Aber wie kooperationsfähig sind wir eigentlich?
Grundstein für Gier, Mangeldenken und Abgrenzung
Von der ersten Klasse an fordern Lehrer ihre Schüler im Sportunterricht durch
Wettbewerbe heraus, besser zu werden. Ganz besonders motivierend sollen
„Prämien“ wirken, deswegen gibt es Urkunden, Medaillen oder... genau: Noten! Wie
erging es uns mit Disziplinen, in denen wir nicht so stark waren? Hatten wir da Spaß
am Wettkampf? Haben wir einfach mitgemacht, weil wir es ja mussten? Oder haben
wir, wann immer es möglich war, versucht, uns zu drücken? Tatsächlich empfindet
nur ein geringer Teil der Schüler Lust am Wettkampf, nämlich diejenigen, die echte
Chancen haben, zu gewinnen. Die anderen müssen eben lernen, zu verlieren.
Die pädagogische Order und die oberste Regel zum Verhalten in der Gruppe lautet:
Mitmachen und bloß kein Spielverderber sein! Am Ende haben wir gelernt, dass wir
uns eben auf das konzentrieren müssen, wo es für uns etwas zu gewinnen gibt – für
unseren moralischen Selbsterhalt und die persönliche Genugtuung. Nur so können wir
ansatzweise das ausgleichen, wo wir zu den Verlierern gehören. Der Grundstein für
Gier, Mangeldenken und Abgrenzung wird früh gelegt. Und das nicht nur im
Sportunterricht.
Auf Konkurrenz programmiert
Für Kinder ist es doch ganz natürlich, dass sie ihre Freunde fragen, wenn sie nicht
weiterkommen. Darauf steht aber Strafe. „Unterschleif, Abgeben, 0 Punkte!“ heißt es
dann in der Schulaufgabe. Und das obwohl der eine Tipp einen sofort aus der
Denkblockade herausgeholt und wieder arbeitsfähig gemacht hätte. Auch
Hausaufgaben sind auf jeden Fall alleine zu erledigen. Und den Banknachbarn zu
bitten, uns verständlich zu erklären, wovon der Lehrer gerade spricht, stört als
Schwätzen den Unterricht und wird sofort unterbunden.
In den jahrgangsübergreifenden Klassen unserer Eltern oder Großeltern war all das
noch selbstverständlich. Die Kinder unterrichteten sich gegenseitig und tauschten
sich aus, denn der Lehrer konnte sich ja nicht gleichzeitig um alle kümmern. Die
zwischenzeitliche Professionalisierung des Unterrichtes soll nicht nur das
Bildungsniveau heben. Sie soll uns vor allem auch auf den Ernst des Berufslebens
vorbereiten, wo wir mit Leistungsdruck und Wettbewerb fertig werden müssen. So
bekommen wir parallel zu all der Wissensvermittlung die mentale Grundhaltung
„Konkurrenz“ programmiert.
www.ulrike-stahl.com
4
Als Erwachsene überrascht es uns dann auch nicht sonderlich, dass derjenige den
Job bekommt, der die besten Noten hat. Dass der Durchsetzungsstärkste Karriere
macht: Oder dass Männern Managerpositionen eher zugetraut werden als Frauen.
Natürlich ärgert uns das, wenn wir negativ davon betroffen sind. Doch am Ende
zucken wir mit den Achseln und sagen „So ist das halt. Man kann nicht immer
gewinnen.“ Wenn wir in diesem System erfolgreich sein wollen, so scheint es, geht
das nur, wenn wir uns dieser Regel unterwerfen. Die Alternative ist, sich komplett zu
verweigern. Stimmt das denn wirklich? Die folgende Geschichte beschreibt, was eine
deutsche Lehrerin bei einem Auslandspraktikum in Malawi, Südostafrika, erlebt hat:
Die Geschichte zum Mango-Prinzip
Die Lehrerin will die Kinder, die sie unterrichtet, heute herausfordern und sie
motivieren, sich einmal richtig anzustrengen. Dafür denkt sie sich einen kleinen
Wettkampf aus. Sie hat einen Korb mit drei duftenden leuchtenden Mangos dabei
und den zeigt sie den Kindern. Als diesen klar wird, dass die wohl für sie bestimmt sind,
umringen sie die Lehrerin und beginnen schon zu jubeln. Ganz so einfach will sie es
den Kindern aber nicht machen. „Ich weiß ja, dass ihr Mangos mögt und ich weiß,
dass ihr alle ganz schnell rennen könnt. Wir machen ein Wettrennen. Ich stelle den
Korb unter den Affenbrotbaum dort hinten. Hier ist eure Startlinie“, sagt sie, während
sie diese in den Sand malt. „Ich gebe euch das Startkommando, dafür zähle ich bis
drei, auf drei rennen alle los und wer zuerst beim Korb ist, der gewinnt die Mangos!“
Dann löst sie sich von den Kindern und stellt den Korb unter den 300 m entfernten
Baum. Die Kinder tänzeln fröhlich an der Startlinie herum. Sie hebt den Arm und zählt
laut ein „eins, zwei und drei!“. Aber die Kinder laufen nicht los. Zu ihrer großen
Irritation schauen sie sich in die Augen, fassen sich an den Händen und spurten dann
gemeinsam los. Kurz vor dem Korb bleiben sie noch einmal stehen, vergewissern sich,
dass sie gleichauf sind und gehen dann absolut gleichzeitig über die Ziellinie. Die
Kinder jubeln, schnappen sich den Korb, und beratschlagen, was sie mit den Mangos
machen, damit alle ihren Teil davon bekommen.
Es lohnt sich, diese Geschichte kurz wirken zu lassen und zu beobachten, was sie mit
uns macht. Welche Gefühle und Gedanken sie in uns hervorruft.
Bei mir persönlich sind es zwei Gefühle. Berührung und Verblüffung.
Interaktion macht glücklich!
Dass uns diese Selbstverständlichkeit, mit der die Kinder gemeinsam für ein
Happyend sorgen, ein positives Gefühl verschafft, verbunden mit einer kleinen
Sehnsucht nach mehr davon, ist nicht verwunderlich. Wir Menschen sind nun einmal
soziale Wesen. Das ist so tief in uns verankert, dass unser Körper gute Beziehungs-
erlebnisse mit einem Ausstoß des Glückshormons Dopamin belohnt. Das ist übrigens
einer der Gründe, warum wir immer wieder bei WhatsApp oder Facebook
überprüfen wollen, ob nicht jemand etwas Nettes gepostet hat. Gute Interaktion
macht uns glücklich und erzeugt den Wunsch nach mehr.
Und dann war der Verlauf der Geschichte natürlich auch unerwartet. Es ist nicht
schwer, die Irritation der Lehrerin nachzuempfinden. Ist der Wettkampf doch deutlich
anders gelaufen, als sie und auch als wir das erwartet haben. Und zwar auf eine Art,
die außerhalb unserer Vorstellungswelt liegt. Wir wären unter diesen Voraussetzungen
doch im Traum nicht darauf gekommen, so zu handeln. Bei uns wäre das Ganze
eher so gelaufen:
www.ulrike-stahl.com
5
Unsere Lehrerin hätte uns eine Benotung in Aussicht gestellt, eine Urkunde oder weil
sie heute mal etwas ganz Besonderes ausprobieren will, eine große Tafel Schokolade.
Sie würde uns an der Grundlinie des Sportplatzes aufstellen lassen und zur Ziellinie
gehen, um den Startschuss zu geben. Wir würden uns bereitmachen. Vorfreudig,
erwartungsfroh oder siegessicher, wenn wir uns Gewinnchancen ausrechnen. Wenn
nicht, nicht so freudig und eher mit Gedanken wie „Hauptsache nicht Letzter
werden.“ Oder „Das ist ja nicht fair. Der Peter hat viel längere Beine.“ Oder „Die soll
ihre blöde Schokolade selbst essen.“. Weil aber keiner als Spielverderber gelten bzw.
auffallen will, zeigen sich alle willig und laufen beim Startschuss los. Außer Maximilian,
der hat nämlich gleich gesagt, dass er sich am Morgen den Fuß verknackst hat und
deswegen nicht mitmachen kann. Wie erwartet, geht Peter als erster über die Ziellinie
und gewinnt die Schokolade. Die anderen gehen leer aus oder sind auf Peters
Großzügigkeit angewiesen.
Warum bei uns alles anders ist
Das Verhalten dieser Kinder weicht deshalb so deutlich von dem der Kinder in der
Mango-Geschichte ab, weil es auf einem anderen Mindset beruht. Wie sieht es in
unserer Gedankenwelt aus? Unser mentales Programm „Konkurrenz“ prüft das
Geschehen und produziert ganz schnell den Gedanken, dass das nicht sein kann.
Das wiederum führt dazu, dass wir das Ganze anzweifeln oder belächeln. „Eine nette
Geschichte, aber doch völlig unrealistisch. Vielleicht mag das ja in Afrika
funktionieren, aber bei uns kommst du so nicht weit.“ sagen wir dann. Vielleicht
noch: „Ich fände es ja schön, aber die anderen ...“ Und auf dem Fuß folgen bereits
die Überlegungen, die uns bestätigen, dass unser eigenes Verhalten ganz normal
und angemessen ist.
Die zentrale Frage ist, stimmt denn das (noch) so? Unsere Welt hat sich verändert.
Wir sind in einem Maße miteinander vernetzt, wie wir uns das nie hätten erträumen
können. Unser Geschäft hat sich verändert. Heute wird bereits jeder zweite Job über
Empfehlung vergeben, mit Aufträgen ist es ähnlich. Wir empfehlen aber nur
Menschen weiter, die uns sympathisch sind und von denen wir den Eindruck haben,
dass sie sich nicht auf unsere Kosten bereichern. Und unsere Kunden haben sich
verändert. Sie sind selbstständiger geworden, auch Dank der technischen
Möglichkeiten. Sie meinen viele Dinge genauso gut selbst machen zu können. Wir
können sie nur vom Gegenteil überzeugen, indem wir zeigen, dass sie mit uns
gemeinsam bessere Ergebnisse erzielen. Wer meint, dass er mit seinem Konkurrenz-
verhalten noch wettbewerbsfähig ist, der kann schnell als Konkurrenz-Dinosaurier auf
der Strecke bleiben. Das war einmal, dass die Großen die Kleinen fraßen, oder dass
die Schnellen die Langsamen überholten. In einer Zeit der Informationsflut, in der
richtig und falsch nicht mehr so klar sind, in der es häufig nicht mehr die einzige
richtige Antwort und unendliche Möglichkeiten zur Auswahl stehen, haben jetzt die
Kooperativen die Nase vorn. Denn mehr Köpfe wissen einfach mehr als einer.
Kooperationsfähigkeit ist kein netter Soft Skill, sondern unser berufliches Überlebens-
handwerkszeug. Der Weg vom Konkurrenz-Dinosaurier zum Kooperationsscout
gelingt umso schneller, je öfter wir dem erlernten Automatismus Konkurrenz
widerstehen und stattdessen aktiv auf Kooperation setzen.
In der Mango-Geschichte verstecken sich fünf Aspekte, die unsere Kooperations-
fähigkeit aktivieren und fördern.
www.ulrike-stahl.com
6
Miteinander Eine stabile Basis bauen: Verbinden statt Trennen Die Kinder sehen sich in die Augen und fassen sich an den Händen. Sie haben ein
gemeinsames Ziel: Sie wollen die Früchte gemeinsam verspeisen.
Miteinander heißt
Verbindung aktiv aufzubauen
mit Unterschiedlichkeit umgehen zu können
gezielt nach Gemeinsamkeiten zu suchen
Ein gemeinsames Ziel verbindet…
Zu kooperieren heißt, mit anderen gemeinsam auf ein Ziel zuzusteuern. Das ist nur
erfolgreich, wenn wir zu anderen Verbindung und Nähe aufbauen. Vergleichbar mit
einem Flugzeug, das nur dann sicher ankommt, wenn alle Teile gut verbunden sind
und bis zum Ziel zusammenhalten. Mit Menschen, die uns ähnlich sind, fällt uns diese
Verbindung meist um einiges leichter. Der Nutzen einer Kooperation steigt aber
erfahrungsgemäß je unterschiedlicher die Beteiligten sind. Nur dann kommen
zusätzliche Fähigkeiten, Perspektiven und Ideen ins Spiel. Und genau dann stehen wir
vor der Herausforderung, mit dieser Unterschiedlichkeit umzugehen.
…bei allen Unterschiedlichkeiten.
Die Natur hat uns Menschen grundsätzlich genetisch so ausgestattet, dass wir mit
Unterschiedlichkeit zurechtkommen können. Durch unsere Gestik und Mimik können
wir in Sekundenbruchteilen auch mit wildfremden Menschen eine Verbindung
aufbauen. Unsere Spiegelneuronen erlauben uns sogar vorauszudenken, was ein
anderer Mensch als nächstes tun wird. Die sogenannten Mikroexpressionen – das
sind kleinste Bewegungen unserer Mimik, die Gefühle ausdrücken – sind über alle
Kulturen hinweg gleich, sodass wir uns unbewusst in andere einfühlen können, egal
ob ein Europäer oder ein Eskimo vor uns steht. Professor Dr. Tomasello vom Max-
Planck-Institut Leipzig fand in Studien mit Kleinstkindern heraus, dass diese bereits mit
18 Monaten in der Lage sind, zu erkennen, wenn jemand Hilfe braucht und den
natürlichen Impuls haben, diese auch zu leisten. Und das ohne dass sie trainiert oder
besonders motiviert wurden. Ja, sie kannten die Person, der sie halfen nicht einmal
besonders gut.
Vergleichen führt zur Abgrenzung…
Trotzdem: Wenn Menschen Dinge anders tun, als wir sie tun würden oder wenn sie
sich anders verhalten als wir, irritiert und verunsichert uns das schnell. Um Sicherheit zu
gewinnen, beobachten wir genauer und beginnen zu vergleichen. Dieser Vergleich
hilft uns dabei, Risiken zu vermeiden – zum Beispiel dann, wenn wir die Straße
überqueren wollen und einschätzen müssen, ob das Auto schneller hier ist als wir
laufen können. Im Umgang mit anderen Menschen führt uns dieses ständige
Vergleichen jedoch in die Abgrenzung und damit in die Konkurrenz. Er verdient mehr
als ich, sie bekommt die verantwortungsvolleren Aufgaben, er spricht schlechter
Englisch, sie hat weniger verkauft…
www.ulrike-stahl.com
7
…dabei sind wir doch gar nicht so anders!
Verbindung stellen wir her, indem wir uns auf das konzentrieren, was uns verbindet
anstatt auf das, was uns trennt. Gemeinsame Ziele und Interessen zum Beispiel. Im
Berufsleben erfordert das umso mehr Kreativität je weiter wir organisatorisch
voneinander entfernt sind. Doch letztendlich gehören sowohl das Controlling als
auch die Forschungsabteilung zum selben Unternehmen und beide werden nur dann
weiter existieren, wenn das gesamte Unternehmen weiter existiert. Selbst mit dem
Kunden haben wir etwas gemeinsam. Auch wenn unsere individuellen Ziele
wahrscheinlich nicht dieselben sind, wollen wir doch beide unsere Ziele erreichen
und erfolgreich sein. Allein das wahrzunehmen, überbrückt häufig schon den
Graben, der sich bei kontroversen Verhandlungen auftut. Weil wir aufhören uns
vorzumachen, wir wären anders oder berechtigter.
Gezielt Gemeinsamkeiten suchen und finden
Wie die Beispiele gezeigt haben, sind wir in der Lage, die Verbindung durch einen
kognitiven Denkprozess herzustellen – weit stärker ist sie aber auf der persönlichen
Ebene. Wenn uns Menschen sympathisch sind, fühlen wir uns ihnen eher verbunden,
als wenn uns Menschen unsympathisch sind. Ein wichtiger Sympathiefaktor ist dabei
der Eindruck, dass wir etwas gemeinsam haben. Eine Untersuchung zeigt, wie sehr es
sich lohnt, dafür etwas Zeit zu investieren: So wurden bei einem Versuch Studenten in
verschiedene Gruppen aufgeteilt. Alle erhielten den Auftrag, innerhalb der Gruppe
miteinander zu verhandeln. Der einen Gruppe sagte man: „Zeit ist Geld! Beginnt
sofort mit der Verhandlung.“ Die andere Gruppe wurde aufgefordert: „Bevor ihr mit
dem Verhandeln beginnt, nehmt euch etwas Zeit, um einige persönliche
Informationen auszutauschen und eine Gemeinsamkeit zu finden.“ Diejenigen, die
sofort mit dem Verhandeln begannen, erreichten zu 55 % eine Einigung. Diejenigen,
die erst nach einer Gemeinsamkeit suchten, erreichten zu 90 % eine Einigung. Ein
Projektkollege mag uns auf den ersten Blick nicht so sympathisch sein, wenn wir aber
herausfinden, dass er – genau wie wir – leidenschaftlicher Kite-Surfer ist, verbindet uns
das und sein Sympathiewert steigt. Im Übrigen haben wir ein gemeinsames
persönliches Thema, auf das wir uns zurückziehen können, wenn es in der fachlichen
Zusammenarbeit doch einmal hakt. Es lohnt sich also in jedem Fall, Zeit zu investieren,
um Menschen besser kennenzulernen, mit denen wir kooperieren wollen oder
müssen.
Viel häufiger beschäftigen wir uns aber mit dem, was uns trennt, anstatt mit dem,
was uns verbindet. Das Aufgabengebiet, die Abteilung, die Ziele, das Budget, die
Sprache, der Arbeitsstil – das alles hilft uns dabei, uns abzugrenzen und durch-
zusetzen. Auf der Suche nach unserer Kooperationsfähigkeit lauten jedoch die
wichtigen Fragen: Wie verbunden fühlen wir uns im Arbeitsleben? Wo haben wir
gemeinsame Ziele? Mit dem Chef, den Kollegen, den Mitarbeitern geht das vielleicht
noch ganz gut. Doch wie sieht es mit den Kollegen der anderen Abteilung, am
anderen Standort, im anderen Land oder gar den Mitbewerbern aus?
=> Mehr „Miteinander“ schaffen wir, indem wir nach dem suchen, was uns mit
anderen verbindet, anstatt nach dem, was uns trennt. Und es gibt IMMER eine
Gemeinsamkeit. Denn am Ende sitzen wir doch irgendwie alle im selben Boot.
www.ulrike-stahl.com
8
Alle im Blick Den Horizont weiten: Ko-zentriert statt konzentriert Bevor die Kinder die Ziellinie überschreiten, kontrollieren sie ihre eigene Position und
die Position der Gruppe, um sicherzustellen, dass sie alle gemeinsam das Ziel
erreichen. Diese Kinder haben nicht nur sich selbst, sondern auch die Gruppe
gleichzeitig im Blick. Das ist ein ko-zentrierter Blick. Ko-zentrieren bedeutet in „sowohl
als auch“ zu denken, statt in „entweder oder“. Es bedeutet, in sozialen Interaktionen
immer nach dem beiderseitigen Vorteil zu suchen.
Basis dafür ist eine Haltung, die das Leben nicht als Wettkampfarena, sondern als
Kooperationsfeld betrachtet. Eine Haltung, die davon ausgeht, dass genug für alle
da ist und dass wir gemeinsam gewinnen können. Das ist nicht immer leicht, denn
Erziehung, Gesellschaft und auch viele Unternehmen förderten in den letzten
Jahrzehnten Konkurrenzverhalten mehr als Kooperationsverhalten. Hinzu kommen die
Automatismen, denen wir unbewusst folgen, wenn wir unter Stress geraten: Dann
übernimmt unser Reptiliengehirn die Führung. Sein Fokus ist Überleben und die
möglichen Strategien lauten Kampf oder Flucht. Rationales Denken ist dann nicht
mehr angesagt.
Keine (faulen) Kompromisse mehr
Wenn wir kämpfen, versuchen wir unsere eigenen Ziele mit aller Macht durch-
zusetzen. Wenn wir flüchten, geben wir klein bei und opfern unsere eigenen
Interessen. Ko-Zentrieren bedeutet, sowohl die eigenen als auch die Interessen des
anderen im Blick zu haben und eine Lösung zu finden, die beiden gerecht wird.
Kompromisse zu schließen ist im Übrigen auch Teil des Entweder-oder-Denkens. Jeder
gewinnt ein wenig, jeder verliert ein wenig und keiner der beiden ist komplett
zufrieden.
Auf Kommunikation achten
Am einfachsten ist das Fehlen der Ko-Zentrierung am Kommunikationsverhalten zu
beobachten: Sobald jemand versucht, seine Meinung mit aller Macht durchzusetzen
und eine andere nicht gelten lässt oder wenn jemand still wird, sich zurückzieht und
seine Meinung gar nicht erst äußert. Sowohl die Kampf- als auch die Fluchtstrategie
gehören zum Konkurrenzverhalten. Wir konzentrieren uns nur noch darauf, in der
jeweiligen Situation zu überleben. Das Fatale dabei ist, dass wichtige Gedanken
unausgesprochen oder ungehört bleiben und nicht alle Ideen und Perspektiven in
die Lösungsfindung einbezogen werden. In einer Welt, in der Zusammenhänge
immer schwerer zu durchschauen sind und in der Wissen immer schneller veraltet, ist
dieses Verhalten sehr riskant. Für eine mögliche Kooperation ist es ein garantierter
Erfolgs-Killer.
Gerade weil wir anders konditioniert sind und Stress uns schnell auf die
Wettkampfbahn schickt, ist es wichtig, das Ko-Zentrieren immer wieder zu üben. Dazu
müssen wir uns zunächst darüber klar werden, was eigentlich unser Ziel ist und
welches Interesse dahinter steht. Dann geht es darum herauszufinden, welche Ziele
und dahinterstehende Interessen die anderen Personen verfolgen. Fragen wie „Was
ist Ihr Ziel?“ und „Aus welchem Grund ist Ihnen das wichtig?“ sowie aktives Zuhören,
also zuzuhören mit der Absicht, wirklich zu verstehen und sich dessen
www.ulrike-stahl.com
9
rückzuversichern, sind Schlüsselfähigkeiten, die eine erfolgreiche kooperative
Zusammenarbeit ermöglichen.
Wir haben eher den konzentrierten Blick. Eine Art Tunnelblick, der vor allem dann
auftritt, wenn wir unter Stress kommen. Und das ist bei 2/3 der Menschen im
Berufsleben heute regelmäßig der Fall. Wir konzentrieren uns dann nur noch darauf,
wie wir überleben können. Indem wir uns durchsetzen und die Interessen der
anderen hinten anstellen oder indem wir uns unterwerfen und unsere eigenen
Interessen hinten anstellen und uns nur noch fragen, wie wir es den anderen recht
machen können.
Konzentriert zu denken, bedeutet ENTWEDER ODER. Gewinnen oder verlieren. Selbst
der Kompromiss fällt in diese Kategorie. Denn jeder gewinnt ein wenig und jeder
verliert ein wenig. Die ko-zentrierte Haltung baut auf SOWOHL ALS AUCH. Nicht
entweder gewinne ich und der andere verliert oder der andere gewinnt und ich
verliere, sondern wie können sowohl ich als auch der andere dabei gewinnen? Dazu
müssen wir uns sowohl mit dem Gegenüber beschäftigen als auch mit uns selbst. Was
sind unser beider Motive und Interessen? Der Vorteil dabei ist, dass wir viel öfter das
bekommen, was wir möchten. Denn ko-zentriertes Denken ist die Grundlage der
WIN-WIN-Strategie, die hilft, Konflikte erfolgreich zu lösen.
=> Um „Alles im Blick“ zu haben, können wir uns – bevor wir kämpfen oder uns
unterwerfen – öfter fragen, „was will ich“ und „was will der andere“ und nach einer
Lösung suchen, die beides möglich macht.
Nutzen stiften Investieren: Erst geben, dann nehmen Die Kinder sorgen mir ihrem Verhalten dafür, dass alle die Mangos gemeinsam
verspeisen können. Sie stiften für die Schwächeren den Nutzen, sich als vollwertige
Gewinner zu erleben. Das führt dazu, dass das gemeinsame Verspeisen der Mangos
nicht eine Veranstaltung von Gönnern und Almosenempfängern wird, sondern ein
lust- und kraftvolles Event auf Augenhöhe.
Heute hat fast jedes Unternehmen seinen eigenen Berliner Flughafen, also
mindestens ein interdisziplinäres Projekt, das gründlich gescheitert ist. Wobei alle
Beteiligten klarstellen, dass die Schuld nicht bei ihnen liegt und sie ja ihren Teil der
Arbeit gemacht hätten. Wenn jeder nur seine Arbeit macht, dann ist das keine
Kooperation, sondern Arbeitsteilung.
Kooperation beginnt…
… wo die Beteiligten nicht nur ihre Teilaufgabe und ihr Teilziel im Blick haben, sondern
darüber hinaus ihr Umfeld und wo jeder sich auch für das Gesamtziel verantwortlich
fühlt. Das bedeutet, über die eigene Rolle hinaus zu denken und zu handeln und
kontinuierlich mit den anderen Beteiligten zu interagieren.
Die Fähigkeit zu erkennen, wo man einer anderen Person weiterhelfen kann und das
auch bereitwillig zu tun, ist das, was einen erfolgreichen Kooperationspartner
auszeichnet. Und das großzügig, ohne die Erwartung oder die Garantie dafür, auch
etwas zurückzubekommen.
www.ulrike-stahl.com
10
Bei Kooperationen investieren wir, um später von einem Ergebnis zu profitieren, das
größer ist, als der eigene Einsatz. Das erfordert eine Vorinvestition und Geduld.
Das rasante wirtschaftliche Wachstum der letzten Jahrzehnte hat uns auf "quick wins"
getrimmt. Es geht darum, möglichst schnell möglichst viel zu haben. Das funktioniert
scheinbar nur, wenn wir das, was wir haben, behüten und gleichzeitig möglichst viel
dazubekommen. Nutzen stiften hingegen heißt, etwas wegzugeben ohne Garantie,
dass dafür sofort oder später etwas zurückkommt. Und das beschränkt sich gar nicht
so sehr immer nur auf materielle Dinge. Unser wertvollstes Gut ist heute oftmals
Wissen. Wie bereit sind wir, unser Wissen weiterzugeben? Betrachten wir das eher als
Hol- oder als Bringschuld? Wer von uns hat nicht schon einmal folgende Sätze
benutzt oder gehört: „Du hättest mich ja nur fragen brauchen“ oder „Mich hat ja
keiner gefragt“. Informationsaustausch wird eher als Holschuld denn als Bringschuld
betrachtet. Wir horten Wissen als würde es verschwinden, wenn wir es teilen.
Sebastian ist Unternehmensberater und er gesteht folgendes: „Ich bin auf ein Buch
zur Unternehmensentwicklung gestoßen, kann mich aber nicht überwinden, es auch
meinen Kunden zu empfehlen. Nicht weil es schlecht ist, ganz im Gegenteil. Ich habe
viel Wissen aus dem Buch gezogen und setze es begeistert in meiner Beratung ein.
Wenn meine Kunden das Buch selbst lesen würden, sind sie am Ende schlauer als ich
und wissen außerdem, woher ich alle meine Beispiele habe. Diese Information
behalte ich lieber für mich.“ Warum aber fällt es uns so schwer zu teilen?
Trotz unseres Reichtums haben wir die Befürchtung, kultiviert zu kurz zu kommen.
Mangeldenken ist eine der größten Fallen, wenn es ums Kooperieren geht. Es macht
uns misstrauisch, kurzsichtig und engstirnig. Es hindert uns nicht nur daran ko-zentriert
zu denken, sondern vor allem daran, das zu sehen, was zurückkommt, wenn wir
geben.
...und es kommt immer etwas zurück
Das Gesetz der Reziprozität besagt, wenn wir anderen einen Gefallen tun, ist die
Wahrscheinlichkeit höher, dass sie auch uns einen Gefallen tun. Wenn uns jemand
hilft, fühlen wir eine innere Verpflichtung, den Gefallen zu erwidern. Würde unser
bereits erwähnter Unternehmensberater Sebastian das Buch seinem Kunden
empfehlen und sollte es diesem wirklich so sehr helfen, dass er den Berater nicht
mehr braucht, wird er auf jeden Fall so dankbar und begeistert sein, dass er
Sebastian aktiv weiterempfiehlt. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass der Kunde die
Inhalte nach dem Lesen mit dem Berater diskutieren möchte, was dem Berater
deutlicher macht, was seine Kunden beschäftigt. So kann Sebastian seine Beratung
noch besser machen und noch erfolgreicher werden. Geben zahlt sich schließlich
doch aus!
Geben macht glücklich und sympathisch
Studien zeigen, dass Menschen, die andere durch eine persönliche Handlung
unterstützen, glücklicher sind. Dank unserer Spiegelneuronen können wir uns schon
während des Gebens vorstellen, wie der andere sich freuen wird. Dadurch entsteht
auch in uns selbst Freude und Wohlbefinden. Großzügig zu teilen, bestätigt uns selbst,
dass wir genug haben. Das erzeugt eine deutlich sympathischere Ausstrahlung, als
die Sorge, zu kurz zu kommen. Und diese Ausstrahlung wiederum sorgt dafür, dass
Menschen leichter auf uns zukommen und damit auch die Chance steigt, dass sich
für uns eine neue gute Gelegenheit ergibt, zu kooperieren.
www.ulrike-stahl.com
11
=> Mehr „Nutzen stiften“ wir , indem wir beginnen, unser Wissen zu teilen. Fragen wir
uns, für wen diese Information noch nützlich sein könnte und geben wir diese dann
aktiv weiter.
Gemeinsam gewinnen Ernten: Den Weg gemeinsam bis zum Ziel gehen - mit dem Bindemittel Vertrauen Die Kinder halten sich ganz entspannt an den Händen. Sie tun das, um in Kontakt zu
sein, nicht um den festhalten zu können, der vielleicht losrennt. Sie vertrauen sich.
Gemeinsam gewinnen heißt
den Weg gemeinsam bis ans Ziel und über die Ziellinie zu gehen
gemeinsam die Herausforderungen zu meistern, die auf dem Weg zum Ziel
liegen
eine Vertrauensbasis zu bauen und sie aufrecht zu erhalten.
Zusammenkommen ist ein Beginn,
Zusammenbleiben ein Fortschritt,
Zusammenarbeiten ein Erfolg. (Henry Ford)
Tatsächlich geschieht es, dass Menschen voller Schwung in eine Kooperation starten,
dann aber Schwierigkeiten auftreten. Daraus entwickeln sich Konflikte, die nicht aktiv
bewältigt werden und schließlich bewegen sich die Beteiligten irgendwo, aber auf
jeden Fall weit davon entfernt, gemeinsam über die Ziellinie zu gehen.
Wieder andere starten erst gar nicht, weil sie sich nicht überwinden können, sich auf
den anderen oder das Projekt einzulassen. So beschränken sie sich auf das, was sie
alleine erreichen können und übersehen, was gemeinsam zu erreichen ist.
Das Leben… ein Spiel
Es gibt ein Spiel, bei dem jeder Beteiligte einen Geldschein als Startkapital und ein
Kuvert bekommt. Die Aufgabe ist, möglichst viel aus dem Startkapital herauszuholen.
Jeder entscheidet, ob er seinen Schein in das Kuvert steckt, welches er dem
Spielleiter zurückgibt. Der Spielleiter verteilt die Kuverts so, dass jeder das Kuvert eines
anderen Mitspielers erhält. Befindet sich darin Geld, verdoppelt der Spielleiter den
Betrag.
Kein Gewinner ohne Verlierer?
Meist stehen bereits nach der ersten Runde mehrere Beteiligte ohne Geld da, weil in
dem Kuvert, das sie erhalten haben, kein Schein war, sie ihren aber weggegeben
haben. Sie können nicht mehr mitspielen. Pech gehabt! So funktionieren die Spiele
eben, die wir gelernt haben. Mensch-ärgere-dich-nicht, Monopoly und wie sie alle
heißen. Je erfolgloser die einen sind, desto erfolgreicher sind die anderen. Gewinnen
ist nur auf Kosten der Verlierer möglich. Doch das Kuvertspiel ist kein Nullsummenspiel.
Kooperation wird belohnt.
Je mehr jeder investiert, umso mehr Geld kommt ins Spiel. Der Spielleiter verdoppelt
ja alles Geld, das die Spieler aus der Hand geben. Genau wie im normalen Leben
Menschen Ergebnisse erzielen, die größer sind als die Summe der Einzelleistungen,
www.ulrike-stahl.com
12
wenn sie zusammenwirken. Schon die Geschichte zeigt: Der Mensch hat als
Individuum nur geringe Überlebenschancen. Er ist weder besonders schnell, noch
besonders stark, noch besonders giftig. Nur seine Fähigkeit, kreativ und flexibel zu
kooperieren, hat dazu geführt, dass die menschliche Rasse im Evolutionssieb hängen
geblieben ist. Gemeinsam kommen wir weiter als alleine.
Genau darum geht es in Kooperation. Der eine hat die kreative Idee, der andere
den Plan zur Umsetzung. Die beiden entwickeln daraus ein Produkt, dessen Erlöse
beide reicher machen. Dazu wird es aber nur kommen, wenn beide sich von Anfang
an auf diesen gemeinsamen Gewinn konzentrieren und diesen über den
zwischendurch erzielbaren individuellen Gewinn stellen. Und das ganz besonders in
kritischen Situationen.
Das erfordert die Bereitschaft, kurzfristig die aus individueller Sicht zweitbeste Lösung
zu akzeptieren, weil sie für das gemeinsame Projekt die bessere ist. In unserem
Kuvertspiel heißt das, nicht das Maximum aus jedem Spielzug herauszuholen, indem
wir unser Geld zurückhalten und gleichzeitig aber von den Beiträgen der anderen
profitieren. Es heißt, auf die individuelle Gewinnmaximierung zu verzichten, dadurch
in die vertrauensvolle Zusammenarbeit zu intensivieren und dann von den
Synergieeffekten zu profitieren.
Für erfolgreiche Kooperation darf die Fragestellung nicht lauten: „Wie kann ich für
mich das Meiste herausholen?“, sondern „Wie kann für uns das Beste entstehen?“
Wie gut wir diese Sichtweise in Konfliktsituationen beibehalten, hängt vom Maß des
Vertrauens ab, das zwischen den Beteiligten herrscht. Was ist eigentlich Vertrauen?
Wir können zwar relativ leicht sagen, ob es da ist oder nicht, aber zu definieren
worauf es beruht, ist schwierig. Hängt das nur vom Gegenüber ab, ist es ein
unbewusster Vorgang oder eine eigene Fähigkeit? Die Antwort lautet: Es ist etwas
von allem. Dr. Duane C. Tway, Jr. beschreibt Vertrauen als „die Bereitschaft für eine
ungeschützte Interaktion mit etwas oder jemandem“. Um uns darauf einzulassen, ist
es nötig, dass wir
grundsätzlich in der Lage sind, Vertrauen zu schenken
ausreichend Kompetenz wahrnehmen, mit der Situation umzugehen und zwar
bei uns selbst als auch bei den anderen Beteiligten sowie
wahrnehmen, dass das Handeln der anderen Beteiligten eher auf
ko-zentrierten als auf eigennützigen Absichten beruht.
Inwieweit wir selbst fähig sind, Vertrauen zu schenken, hängt von den Erfahrungen
ab, die wir im Laufe unseres Lebens gemacht und wie wir sie verarbeitet haben. Wer
mehrfach erlebt hat, dass er viel investiert hat, dann aber am Ende auf der Strecke
blieb, wird mit der Zeit zögerlicher. Wenn dazu der Eindruck entsteht, diesem Verlauf
hilflos ausgeliefert zu sein, reduziert das die Fähigkeit zu vertrauen.
Wie wir die Kompetenzen der Beteiligten und deren Absichten bewerten, hängt stark
davon ab, wie gut wir sie kennen, welche Erfahrungen wir schon mit ihnen
gesammelt haben und wie gut wir abschätzen können, welche Kompetenzen die
Kooperationssituation erfordert. Weil wir Menschen sind, ist unsere Einschätzung viel
mehr subjektiv als objektiv. Wir lassen uns von dem beeinflussen, was wir von anderen
hören und ob die Personen uns sympathisch sind oder nicht. Sogar an wen uns die
anderen erinnern, färbt unsere Wahrnehmung.
www.ulrike-stahl.com
13
Diese drei Vertrauensregler zu kennen, ermöglicht uns das Maß unseres Vertrauens zu
beeinflussen. Warum ist das so wichtig? Kooperationen bergen dann besondere
Chancen, wenn die Herangehensweisen und Fähigkeiten der Beteiligten
unterschiedlich sind. Gerade diese kreative Reibung ist es, die bei erfolgreicher
Bewältigung der darin liegenden Interessenskonflikte den Zugewinn in der
Zusammenarbeit beschert und das Vertrauen in den Erfolg stärkt. So entstehen die
Lösungen, bei denen 1 + 1 nicht nur zwei, sondern drei ergibt. Das braucht eine
starke Vertrauensbasis. Denn sobald die Beteiligten das Vertrauen verlieren, das sie
vom gemeinsamen Ergebnis profitieren und das Ziel gemeinsam erreicht werden
kann, beginnt die beste Kooperation zu bröckeln.
Die Spieletheorie, eine Wissenschaftsrichtung deren bedeutendster Forscher John F.
Nash sogar einen Nobelpreis erhalten hat, befasst sich unter anderem mit Konflikten
zwischen mehreren Parteien, die nicht miteinander kooperieren. Viele Beispiele
zeigen, dass in so einem Fall ein Ergebnis entsteht, bei dem alle Beteiligten schlechter
wegkommen, als wenn sie zusammengearbeitet hätten. Die Forscher beschäftigen
sich natürlich auch mit der Frage, was die beste Strategie ist, damit alle Beteiligten
profitieren. Die beste Strategie ist Vorschussvertrauen. Das heißt, so zu handeln, als ob
man wüsste, dass die andere Partei ebenfalls kooperativ handelt.
Dabei geht es aber nicht um eine Opferstrategie. Falls die andere Partei das
Vertrauen missbraucht, muss dies geahndet werden. Danach heißt es aber sofort
wieder zurück auf Anfang und in die Vertrauenshaltung.
Vertrauen hilft, Konflikte zu lösen
Gerade in zeitkritischen Projekten ist zu beobachten, dass die Beteiligten sich sofort
damit beschäftigen, was zu tun und wie es zu bewältigen ist. Weil sich jeder zu
Beginn von seiner besten Seite zeigt, scheint das erfolgsversprechend und man
konzentriert sich weiter auf die Arbeit. Smalltalk, der Austausch von Interessen,
Bedenken, persönliche Sichtweisen oder Vorlieben werden in einer auf Effizienz
getrimmten Umgebung als Zeitverschwendung betrachtet. Jeder funktioniert eben.
Da wir allerdings Menschen und keine Maschinen sind, fällt uns das auf die Füße,
sobald sich Misserfolge einstellen. Die Interessenskonflikte werden offensichtlich,
Streitereien über scheinbare Belanglosigkeiten häufen sich, das Engagement
verändert sich, die Zusammenarbeit wird nicht mehr als befriedigend erlebt. Konflikte
sind leichter zu lösen, wenn man darauf vertraut, dass der oder die anderen einem
nichts Böses wollen. Wenn dieses Vertrauen nicht bereits aufgebaut wurde, ist die
Situation – wenn überhaupt - nur mit hohem Zeit- und Energieaufwand sowie
externer Hilfe zu retten. Das zeigt auch folgendes Beispiel einer Kanzleiübernahme:
Ein Kanzleiinhaber kauft eine Kanzlei, die aus Altersgründen aufgegeben wird. Er
übernimmt das gesamte Team samt Kanzleileiter. Nachdem sich dieser auskennt und
das Büro auch weiter leiten soll, startet man sofort mit der Arbeit. Der Kanzleileiter
scheint seine Arbeit weiterzumachen, denn der neue Standort läuft wie bisher.
Gespräche zwischen dem Kanzleileiter und dem Kanzleiinhaber drehen sich in der
Regel um sach- und fallbezogene Entscheidungen. Nach einiger Zeit beginnt der
neue Kanzleiinhaber mit organisatorischen Veränderungen, um die beiden Kanzleien
besser abzustimmen. Nach und nach fällt auf, dass der Kanzleileiter sich nicht daran
hält, ja dass er sogar dagegen interveniert. Er hat den Eindruck, dass seine Stellung
untergraben und diese Änderungen die Mitarbeiter nur verwirren. Nachdem die
Kanzleien zwei verschiedene Standorte haben, dauert es rund acht Monate bevor
www.ulrike-stahl.com
14
der Kanzleiinhaber bemerkt, dass der Kanzleileiter nicht mit, sondern gegen ihn
arbeitet. Er ist enttäuscht und verärgert. Schließlich trägt er ja das unternehmerische
Risiko. Die Gesprächsatmosphäre ist gespannt, der Kanzleileiter wenig entgegen-
kommend, weil er seine Wichtigkeit kennt. Es folgen genauere schriftliche
Anweisungen, Abmahnungen für Verstöße und schließlich ein langwieriger
arbeitsgerichtlicher Kündigungsstreit. Alle Beteiligten gehen als Verlierer aus dieser
Situation.
Der neue Kanzleiinhaber hat sich davon täuschen lassen, dass „die Arbeit lief“ und
angenommen, dass er sich tatsächlich rein auf Organisation und Abarbeitung
konzentrieren könne. Er hat dabei versäumt, Vertrauen aufzubauen, indem er sich
mit dem Kanzleileiter über Ziele und Interessen austauscht, versucht Gemeinsam-
keiten zu finden und sich menschlich näher zu kommen. Der Kanzleileiter hat es
vermieden, Meinungsverschiedenheiten offenzulegen. Die frühzeitige Bewältigung
kleiner Konflikte hätte die Vertrauensbasis ebenfalls gestärkt.
Führen Interessenskonflikte zu Reibungen oder Auseinandersetzungen, ermöglicht
Vertrauen, diese Konflikte so effektiv zu lösen, dass die Kooperation für alle Seiten
weiterhin nutzenbringend und befriedigend ist. Gelingt das, stärkt das wiederum die
Vertrauensbasis.
=> „Gemeinsam gewinnen“ wir, indem wir uns auf den möglichen gemeinsamen
Gewinn fokussieren und kurzfristig die gemeinsamen Interessen über die eigenen
stellen, um langfristig davon zu profitieren, dass wir gemeinsam mehr gewinnen als
alleine.
Offen sein Spielräume erweitern: Dem Neuen offen begegnen und offen sein für Entwicklung
Obwohl den Kindern das Spiel fremd ist, lassen sie sich freudig darauf ein und
probieren es aus.
Offen zu sein bedeutet,
ja zu sagen zu Überraschungen und unerwarteten Entwicklungen
sich für die Sichtweise anderer zu öffnen und eigene Schwächen
einzugestehen
sich stetig weiterzuentwickeln und von anderen zu lernen
Erfolgsversprechende Kooperationen bergen Überraschungen. Zum Glück! Wenn wir
schon genau wüssten, was passiert, wo wäre dann der erhoffte Zugewinn? Also die 3
die aus 1 plus 1 entsteht? Wenn wir eine Einstellung der Offenheit gegenüber
Anderem und Neuem kultivieren, sind wir bestens dafür gewappnet auch mit den
Überraschungen und Entwicklungen umzugehen, die uns missfallen.
Wer mit der Einstellung ans Werk geht, möglichst gut dazustehen und sich ja keine
Blöße zu geben, erweist sich und den anderen Beteiligten keinen guten Dienst.
Kooperation lebt davon, dass unterschiedliche Stärken zusammenkommen. Wer
vorgibt, bereits alles zu können und zu wissen, hindert andere daran, ihren Nutzen zu
stiften und ihre Stärken voll zum Tragen zu bringen. Sich selbst hindert man daran,
neue Impulse wertfrei aufzunehmen und daran zu wachsen.
www.ulrike-stahl.com
15
Wenn wir andere Menschen um einen Rat bitten, dann kann uns das selbst so
vorkommen, als würden wir Schwäche zeigen und möglicherweise fällt uns das
schwer. Umso wichtiger ist es, uns vor Augen zu führen, was wir mit diesem Verhalten
in anderen und für das gemeinsame Ziel bewirken. Der Mensch, den wir um Rat
fragen, fühlt sich wertgeschätzt, man schenkt ihm Bedeutung und Vertrauen. Das
stärkt die gemeinsame Beziehungsebene. Ist unser Gegenüber ein eher introvertierter
Typ, sorgen wir mit unserer Frage dafür, dass das Wissen dieser Person überhaupt
sichtbar und verfügbar wird. Und schließlich können wir unser eigenes Wissen von
den Ideen der anderen Person befruchten lassen. Alles was es erfordert, ist die
Offenheit einzugestehen, dass man nicht perfekt ist und die Offenheit, andere
Sichtweisen zuzulassen und sich davon bereichern zu lassen.
Die US-Amerikanische Psychologieprofessorin Carol Dweck beschreibt zwei sich
unterscheidende Selbstbilder. Das statische und das dynamische. Erfolgreiche
Kooperationspartner haben ein dynamisches Selbstbild. Das heißt, sie pflegen eine
Einstellung zu sich selbst, die ihnen erlaubt zu wachsen und mit Neuem und
Unerwartetem erfolgreich umzugehen. Sie wissen, dass man sich mit der Zeit
verändert und dass das, was wir heute tun, beeinflusst, wer wir morgen sind. Das
heißt, darauf zu vertrauen, dass uns das, was uns heute noch nicht gelingt, morgen
schon gelingen kann. Vorausgesetzt wir sind bereit an uns und unseren Fähigkeiten
zu arbeiten. Menschen mit einem dynamischen Selbstbild betrachten Fähigkeiten als
etwas, das entwickelt und optimiert werden kann. Sie sind zuversichtlich, dass sie die
Grenzen, die sie momentan erleben durch Übung und Ausdauer überwinden
können. Sie sehen Niederlagen als persönliche Herausforderungen, an denen sie
wachsen können. Es fällt ihnen leicht, anderen einzugestehen, dass sie nicht perfekt
sind. Und sie nutzen jede Gelegenheit, von anderen zu lernen.
Menschen mit einem statischen Selbstbild gehen im Gegensatz dazu davon aus,
dass sie morgen noch derselbe Mensch sein werden, mit denselben Fähigkeiten,
unabhängig davon, was sie heute tun. Deshalb ist ihnen auch sehr wichtig zu zeigen,
dass so zu sein, wie sie es sind, völlig richtig ist und da gar keine Schwächen
vorhanden sind.
Die meisten Menschen haben ein gemischtes Selbstbild. Sie gehen zum Beispiel im
Bereich des Sports davon aus, dass sie sich entwickeln können: „Ich bin mir sicher,
dass ich nächstes Jahr den Marathon laufen kann, wenn ich entsprechend trainiere.
Aber möglicherweise im Bereich des Charakters folgen sie eher der Überzeugung,
dass sie gleichbleiben werden. „Es kann ja sein, dass ich es kooperativ leichter hätte.
Aber ich bin eben ein Einzelkämpfer, das lässt sich nicht ändern.“
Die dynamische Denkweise fördert den Einsatz aller Kräfte und hilft dabei, die
eigenen Potenziale zu entfalten, die statische Denkweise hingegen begrenzt.
Menschen mit dem dynamischen Mindset haben keine Angst vor dem Scheitern,
weil sie wissen, dass sie aus Fehlern lernen und Herausforderungen ihre Fähigkeiten
nur stärken können.
Das gibt uns auch die Kraft, unsere Kooperationsfähigkeit weiter einzusetzen und zu
trainieren. Natürlich gibt es Fehlschläge. Wir selbst können aus bestimmten Gründen
auch einmal nicht halten, was wir versprochen haben. Dasselbe können wir bei
anderen erleben. Eine Reaktionsmöglichkeit wäre sich zu ärgern und zu sagen, „Man
kann sich eben nur auf sich selbst verlassen!“ und zukünftig weniger offen zu sein. Die
www.ulrike-stahl.com
16
andere Vorgehensweise wäre eine nüchterne Analyse, was vorgefallen ist und wo
wir hätten Einfluss nehmen können. Dass wir es dieses Mal nicht getan haben,
bedeutet ja nicht, dass es uns das nächste Mal nicht gelingen kann.
Vielleicht möchten wir auch kooperativ mit jemandem zusammenarbeiten.
Gewinnen aber den Eindruck, dass die andere Person nicht so kooperativ ist wie wir
selbst. Ist es dann besser aufzugeben und sich jemanden zu suchen, der genauso
kooperativ ist, wie wir selbst? Wenn wir die Wahl haben, spricht einiges dafür.
Andererseits könnten wir uns auch dafür entscheiden, offen für eine neue Erfahrung
zu sein und schon tut sich ein besonderes Übungsfeld für das Mango-Prinzip auf.
=> „Offen sein“ gelingt, indem wir akzeptieren, dass nicht jeder alles kann und wir
öfter aktiv den Rat oder die Einschätzung anderer einholen.