der manipulierte mensch teil 1

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  • 7/28/2019 Der Manipulierte Mensch Teil 1

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    http://www.zeitenschrift.com/magazin/09061-manipulierte-menschen.ihtml

    Der manipulierte Mensch Teil 1

    Der 30. April 1939 ist kein Datum, das in unseren Geschichtsbchern

    speziell hervorgehoben wird. Dennoch streckte eine Krake aus der Zukunft ihre

    Fangarme aus, um mit einer neuen Erfindung Menschen zu umgarnen eine Krake, die

    mit jedem Tag mchtiger wurde und heute das Bewutsein

    von Milliarden Menschen okkupiert: Das Fernsehen.

    Big Brother is watching you aus dem TV-Kasten.Unsere Beeinflussung durch das Fernsehen geht viel weiter, als wir es uns trumen lieen.

    Die Welt von morgen" war der sinnschwere Titel der Weltausstellung von NewYork, deren Erffnungsfeier die allererste in den USA bertragene TV-Sendunggewidmet war. Tagelang standen Tausende von Menschen Schlange vor denwenigen Fernsehksten, um die Demonstrationen des neuen Wundergertes zusehen Es war nur zu offensichtlich: Die Hypnose der Menschheit durch dasFernsehen hatte begonnen.Es hat den Kern unserer privaten Welt gesprengt und verstrahlt unsere Realitt mitMillionen von Bildern, die unser Leben unbedeutend werden lassen. Was gedenkenSie gegen den Krieg in Bosnien-Herzegowina zu unternehmen? Gegen den

    in Tschetschenien? Anders als unsere Vorfahren lassen wir uns tglich mit demElend der Welt konfrontieren und bei den allermeisten Menschen ist die Reaktiondarauf Gleichgltigkeit, geboren aus dem Gefhl totaler Hilflosigkeit.

    http://www.zeitenschrift.com/magazin/09061-manipulierte-menschen.ihtmlhttp://www.zeitenschrift.com/magazin/09061-manipulierte-menschen.ihtml
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    Was kann ich schon dagegen tun? Wie klein und unbedeutend ich doch bin! Frhermochte die Erfahrungswelt des Menschen wohl kleiner sein, doch war sie seinenEinflumglichkeiten angepat.Fernsehen zeigt uns tglich Menschen, die erfolgreicher, cleverer, schner sind alswir. Wo finde ich mich noch in diesem nimmer endenden Zirkus der Eitelkeiten? Wie

    definiere ich mich, wie bleibe ich ich? Als Mitte der 70er Jahre die Erfolgsserie ,DreiEngel fr Charlie' lief, lieen sich Hunderttausende Amerikanerinnen die gleichewilde Haarmhne frben und schneiden wie Farrah Fawcett-Major. Sicher, Idole gabes schon in archaischen Gesellschaften. Doch sind die Idole des Fernsehens keinespirituellen mehr, sondern visuelle.Das Fernsehen hat uns zu Sklaven des Auges gemacht. Unser Hauptaugenmerk giltnicht mehr den inneren Werten, nein, es gilt dem Tonus unserer Muskeln, derfaltenfreien Haut, dem Glanz der Mhne, dem Porzellanwei der Zhne und derRankheit der Figur. ber 100'000 deutsche Frauen und 10'000 deutsche Mnner(Tendenz stark steigend) lassen sich jhrlich fr die Schnheit operieren. Mindestensjede fnfte Frau ist magerschtig, und der Wunschtraum der Teenie-Mdchen ist es,

    Model zu werden. Die Model-Mania unserer Tage steht fr den totalen Triumph derhohlen Hlle ber die seelenvolle Innerlichkeit. Wobei wir immer dann ein wenig inNot geraten, wenn wir mchten, da die Gttinnen mit uns ihr Innerstes teilen, dennda ist nichts, was bewundert werden knnte (wie auch, bei ihrem jugendlichen Alter?)auer vielleicht der Fhigkeit, sich selbst fr viel Geld zu verkaufen.Vor hundertfnfzig Jahren noch machte ein lndlich lebender Mensch vielleicht dieBekanntschaft von zwei- bis dreihundert Menschen in seinem ganzen Leben. Sovielen Menschen begegnet der heutige Fernsehkonsument in ein oder zwei Wochen.Sie sind wohl nicht physisch anwesend, und doch dringen sie alle in sein,Allerheiligstes', seine Wohnung ein und drngen sich mit ihren Ansichten undEigenheiten dem passiven Zuschauer ins Gemt. Kein Wunder, nennenWissenschafter den heutigen Menschen ,multiphren' oder ,entkernt'. Der Mensch istnicht mehr Ausdruck eines starken, kernartigen Innern, aus dem er seine Kraftbezieht, sondern irrlichterdes Spiegelbild all jener hchst verschiedenartigen TV-Gestalten, die ihn bestndig und ungefragt mit ihrer Scheinexistenz reizen undirritieren.Nicht nur die Menschenmassen, die via Bildschirm in unser Leben drngen, tragenzur Verwirrung des modernen Menschen bei. Das ganze Programm ist ein Gewittervon Eindrkken: Eine durchschnittliche Kameraeinstellung dauerte 1984 auf dengroen amerikanischen TV-Kanlen 3,5 Sekunden. Die durchschnittliche Lngeeiner Nachrichtenmeldung sollte bei deutschen Privatsendern 45 Sekunden nicht

    berschreiten. Was erreicht uns da noch an ,News' wenn man bedenkt, da ohnehinvon den nationalen Nachrichtenagenturen nur zehn Prozent aller Meldungenweitergeleitet werden, die international hereinkommen? Das Gefhl, nach einerTagesschau ber den Lauf der Welt ,informiert' zu sein, entbehrt jeglicher Grundlage.Um so mehr, als 51 Prozent der Zuschauer einer Nachrichtensendung sich gleichnach Ende der Sendung an keine einzige der Meldungen mehr erinnern knnen(Untersuchung von A. Stern, A Study for the National Association for Broadcasting"in M. Barrett, The Politics of Broadcasting, New York 1973), und nur jeder Fnfteberhaupt den Inhalt der Meldungen begreift!Welche Welten trennen uns von jenen Amerikanern, die sich am 16. Oktober 1854 inPeoria, lllinois, zu einem Rededuell der beiden Politiker Abraham Lincoln

    (Republikaner) und Stephan A. Douglas (Demokrat) einfanden. Douglas hatte zuerstdas Votum. Nach drei Stunden war er mit seinen Auslegungen fertig, und Lincoln waran der Reihe. Da es schon fnf Uhr nachmittags sei, und er gewi nicht weniger

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    lange als sein Vorredner fr die Erwiderung brauchen werde, bat er die Zuhrer,doch nach Hause zu gehen und zu Abend zu essen. Man tat, wie geheien, und amAbend ging der Diskurs vier Stunden lang weiter. Der ganze Meinungsstreit dauertealso volle sieben Stunden ohne Werbung dazwischen fr die Sandwich- oderPipipause. Die beiden Politiker waren nicht etwa Prsidentschaftskandidaten, und

    solche politischen Anlsse normale, gut besuchte Gelegenheiten zurMeinungsbildung fr das Volk. 1984 durften sich die beiden Bewerber um dasamerikanische Prsidentenamt, Walter Mondale und Ronald Reagan, jeweils fnfMinuten zu einem komplexen politischen Thema uern. Der Gegner durfte dannnochmals eine Minute Replik geben.Im Zeitalter des Fernsehens sieht Medienkritiker Neil Postman einenZusammenhang zwischen dem Niedergang der Parteien und der Hochblte des,prominenten' Politikers. Die Message ist der TV-bekannte Kopf, und sie ist kurz wieein Videoclip: He is simply the best" war die Wahlkampfbotschaft fr Helmut Kohl.Der Tina-Turner-Ohrwurm verfhrte wie vorausgesehen. Wozu nach einemRegierungsprogramm fragen, das Kopfzerbrechen bereiten knnte, wo ein simples

    kleines Liedchen doch den zuverlssigeren Dienst tut?Das Fernsehen hat aus uns passive Konsumenten gemacht. Die tgliche DosisBerieselung ist lngst zu einem ,Menschenrecht' geworden. Der Fernseher wirdsosehr als Grundbedrfnis des Menschen angesehen, da ihn nicht einmal mehr derBetreibungsbeamte pfnden darf. In einem Experiment des Schweizer Fernsehensboten junge TV-Mitarbeiter zufllig ausgewhlten lteren Menschen 100'000 Frankenbar auf die Hand an, wenn sie ihr Fernsehgert mitnehmen drften, und diese sichverpflichteten, ein Jahr lang TV-abstinent zu leben. Kein einziger der allesamt inbescheidenen Verhltnissen lebenden Senioren lie sich auf den Handel ein. Dabei:Wieviel Lebenszeit die Flimmerkiste doch frit! Am Abend knnte man einem Hobbyoder Handwerk oder dem Studium eines guten Buches nachgehen, knntemusizieren oder Spiele in der Familie machen, Freunde besuchen oderSpaziergnge unternehmen. Statt dessen sitzen ganze Nationen unbeweglich undwie hypnotisiert vor flimmernden, kleinen Ksten durchschnittlich um die vierStunden am Tag. Die Folge davon ist, da wir mehr und mehr glauben, das ganzeLeben msse aus Unterhaltung und Nervenkitzel bestehen. Wir freuen uns nichtmehr an oder ber etwas. Statt dessen macht es uns ,Spa'. Wenn ich mich freue,dann bin ich aktiv beteiligt, und mein Herz lacht. Macht ,es' mir Spa, dann lasse ichmir meine Sinne kitzeln. Doch dies sind nur die leicht durchschaubaren Mutationen,die das Fernsehen an den Menschen vollzogen hat. In Wirklichkeit ist dieManipulation der Masse in Gebiete vorangeschritten, die die Masse selbst noch in

    den Bereich der Science Fiction verbannt.