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Ausgewählte Fachartikel und Interviews aus den letzten drei Jahren inklusive Literaturangaben zur weiterführenden Recherche. Diabetes bibliomed-pflege.de DOSSIER

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Page 1: Diabetes - bibliomed-pflege.de · Diabetes mellitus: Neue Empfehlungen für die Insulininjektion Eine internationale Expertengruppe hat neue Empfehlungen für die Insulininjektion

Die Schwester Der Pfleger 55. Jahrg. 5|16 45

Pflegen + Unterstützen

Diabetes mellitus – der „honigsüße Durchfluss“Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, bei der es zu einem Anstieg der Glukose (Traubenzucker, unser wichtigster Energielieferant) im Blut kommt. Weil Glukose osmotisch wirksam ist, zieht es vermehrt Flüssigkeit aus dem Gewebe, die dem Körper dann über die Niere verloren geht. Symptome sind daher starker Durst, eine hohe Urinausscheidung und eine trockene Haut. Unbehandelt kann der Blutzucker immer weiter steigen und schließlich ein lebensbedrohliches diabetisches Koma auslösen. Außerdem führen hohe Werte langfristig zu Gefäß- und Nervenschäden, erhöhen das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen und können Nieren- oder Augenschäden verursachen.

Der Begriff Diabetes mellitus stammt aus dem Griechischen und bedeutet „honigsüßer Durchfluss“. Im Mittelalter diagnostizierten Ärzte die Krankheit aufgrund des süßen Uringeschmacks. Heute stehen dafür Schnelltests zur Verfügung. Auch den Blutzuckerwert kann heute jeder medizinische Laie – mithilfe kleiner Geräte – leicht selbst aus einem Bluttropfen bestimmen. Ärzte messen außerdem bestimmte Langzeitwerte, wie das HbA1, die Rückschluss über den durchschnitt-lichen Blutzucker der vergangenen Wochen liefern.

Zu einem Diabetes kommt es zum Beispiel, wenn die Bauch- speicheldrüse kein oder nicht mehr genug Insulin produziert. Dieses Hormon ist dafür zuständig, den Zucker aus dem Blut in die Zellen zu schleusen. Typ-1-Diabetes entsteht durch einen Autoimmunprozess, der die Insulin-produzierenden Betazellen in den Langerhansschen Inseln der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) zerstört. Warum das Immun-system die Zellen angreift, ist bisher nicht bekannt. Experten vermuten, dass unter anderem bestimmte Infektionen eine Rolle spielen. Bei dem Typ-2-Diabetes hingegen bildet die Bauchspeicheldrüse zwar Insulin. Es verliert aber zunehmend seine Wirksamkeit.

Während Typ-1-Diabetes die Lebensgewohnheiten nach dem heutigen Wissensstand keine Rolle spielen, begünstigen den Typ-2-Diabetes bestimmte Faktoren wie Übergewicht, Bewegungsmangel und eine ungesunde Ernährung.

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Die Schwester Der Pfleger 56. Jahrg. 6|17 39

Praxis

Welche Nadeln verwenden?

Die Haut gliedert sich in drei Schichten: Epidermis (Oberhaut), Dermis (Lederhaut) und Subkutis (Unter-haut). Für die Insulininjektion muss die Kutis (Epidermisund Dermis) überwunden werden, um in das subkutaneGewebe zu gelangen. Fachleute gingen lange davon aus, dass die Dicke des Hautgewebes je nach Body-Mass-In-dex, Altersgruppe, Geschlecht und geografischer Her-kunft von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausfällt. Von dieser Information ausgehend, wurden bei Patienten mit Diabetes mellitus Pen- und Injektionsnadeln in un-terschiedlichen Längen eingesetzt, die zwischen 5,0 und 12,7 Millimetern variierten.

Diese Vorgehensweise ist aus heutiger Sicht als veral-tet zu betrachten, denn neue Erkenntnisse aus Ultra-schall- und MRT-Messungen belegen zwar unterschied-liche Stärken des subkutanen Gewebes, aber eine fast einheitliche Kutisdicke von 1,9 bis 2,4 Millimetern.

Aus dieser Erkenntnis leiten sich neue Empfehlun-gen für die Insulininjektion ab: Um das Ziel zu erreichen, den Insulinwirkstoff zuverlässig ohne Rückfluss aus der Einstichstelle bei möglichst geringen Beschwerden in dassubkutane Fettgewebe zu bringen, gelten kürzere und dünnere Nadeln von 4,0 (32–34 G) bis 6,0 Millimetern(31/32 G) für Patienten heute als verträglicher (4).

Da intramuskuläre Injektionen bei Diabetes-melli-tus-Patienten aufgrund der Gefahr von Hypoglykämien grundsätzlich zu vermeiden sind, sollen bei Kindern kei-ne Nadeln zur Anwendung kommen, die länger sind als 6,0 Millimeter (31/32 G), und bei Erwachsenen keine Nadeln, die länger sind als 8,0 Millimeter (30/31 G).

Medizinisches Personal sollte grundsätzlich Sicher-heitskanülen verwenden, um Nadelstichverletzungen zu vermeiden. Verschiedene Hersteller bieten Sicherheitska-nülen an, die für den einmaligen Gebrauch in stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen sowie im Kranken-haus bestimmt sind (Abb. 1).

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DoDoDoDoDooD wnwnwnwnwnlololololoadadadada -T-T-T-TTipipipippppppLeitfaden zur Injektion bei Diabetes mellitusDie Empfehlungen für die Insulininjektion sind aus-führlich in einer Broschüre des Verbands für Diabetes-beratungs- und Schulungs-berufe (VDBD) veröffent-licht worden. Die gedruckte Version kann beimVDBD gegen eine Gebühr von 3,50 Euro bestellt werden: VDBD Geschäftsstelle, Habersaathstr. 31, 10115 Berlin. Ein kostenfreier Download der PDF-Version ist unter folgendem Link möglich: https://vdbd.de/Downloads/VDBD-Leitfaden_zur_ Injektion_2016.pdf

Leitfaden zur Injektion bei Diabetes mellitus

Health Care Professionals

www.vdbd.de

AktuelleFort- und Weiterbildung

Individuelle Hilfe für Menschen mit Diabetes

QualifizierteMitglieder

Wir sind an Ihrer Seite

Ausgewählte Fachartikel und Interviews aus den letzten drei Jahren inklusive

Literaturangaben zur weiterführenden Recherche.

Diabetes

bibliomed-pflege.de

DOSSIER

34 Die Schwester Der Pfleger 56. Jahrg. 12|17

Doppelt gefährdet

Z wischen der Demenz und dem Diabetes mellitus Typ 2 besteht ein direkter Zusammenhang: Wer

einen Diabetes aufweist, hat im Vergleich zu stoffwech-selgesunden Menschen ein 1,5- bis zweifach erhöhtes Demenzrisiko (Deutschl et al. 2016, Cheng/Huang et al. 2012, Bahrmann et al. 2012). Etwa jeder vierte Demenz-patient weist zusätzlich einen Diabetes auf (Meyer 2017).

Frühzeitig Hilfe anbieten

Demenz und Diabetes – beide Krankheiten zusammen in den Griff zu bekommen, stellt für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung dar. Um frühzeitig Unter-stützung anbieten zu können, sollte bei allen Personen mit Diabetes aufmerksam auf kognitive Veränderungen geachtet werden – auch wenn diese bislang keine Ein-schränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit zeigen.

Dies gilt umso mehr, wenn weitere diabetesbeding-te Risikofaktoren für eine Demenz vorliegen. Hierzu zählen die arterielle Hypertonie, die Hyperlipopro -teinämie sowie mikro- und makrovaskuläre Erkrankun-gen. So ist beispielsweise das Alzheimer-Risiko um das Dreifache erhöht, wenn Patienten gleichzeitig einen Diabetes und eine arterielle Hypertonie aufweisen (Luchsinger et al. 2005).

Eine Demenz und ein Diabetes mellitus sind bereits isoliert betrachtet schwerwiegende Erkrankungen. Beide zusammen in den Griff zu bekommen, stellt eine immenseHerausforderung dar. Die Betroffenen benötigen eine individuelle Therapie,die kontinuierlich zu überprüfen und anzupassen ist.

Von Katja Hodeck

Demenz und Diabetes

Die Schwester Der Pfleger 56. Jahrg. 12|17 35

Zudem ist bekannt, dass erhöhte Blutzuckerwerte auf längere Sicht die kognitiven Fähigkeiten verschlechtern können. Spezielle genetische Voraussetzungen verstärken dieses Risiko nochmals. Insulinresistenz und Defizite in der Insulinsekretion sind folgerichtig eigene Risikofakto-ren für die Alzheimer-Demenz (Kopf 2009).

Auch der Depression kommt bei der Demenzent-wicklung eine besondere Bedeutung zu. Sie ist bereits oh-ne einen Diabetes als wichtiger Risikofaktor für demen-tielle Syndrome und kognitive Störungen bekannt.

Interessant ist, dass die bei einer schweren Depression nachweisbaren physiologischen Veränderungen auch im Zusammenhang mit der Entwicklung eines metaboli-schen Syndroms stehen. Einige Experten schließen daher auf eine gemeinsame physiologische Grundlage von De-pression, Demenz und Diabetes (Leonard 2007, Riederer et al. 2011). Fakt ist: Menschen mit Diabetes sind dop-pelt so häufig von Depressionen betroffen wie Stoff-wechselgesunde.

Um kognitive Defizite möglichst früh zu erkennen, sollten die bei Diabetespatienten ohnehin empfohlenen Augenuntersuchungen unbedingt wahrgenommen wer-den. Veränderungen im Zusammenhang mit den Netz-hautgefäßen sind häufig mit Einschränkungen der Ko-gnition verbunden.

Individuelle und flexible Therapie erforderlich

Um einen Diabetes erfolgreich behandeln zu können, ist bei den Patienten ein hohes Maß an Motivation, kogniti-ver Leistungsfähigkeit, Aufmerksamkeit und Konzentra-tion vorauszusetzen. Hierzu sind Menschen mit kogniti-ven Einschränkungen häufig nicht in der Lage. Für diese Patienten ist die Therapie und Pflege individuell zu ge-stalten und situationsgerecht anzupassen. Oberste Ziele sind eine größtmögliche Lebensqualität, Sicherheit und Symptomfreiheit.

Die Vermeidung von Unterzuckerung hat in der Dia-betesbehandlung demenzkranker Personen Priorität. Aber auch lange Phasen von Überzuckerung sollten nicht die Regel sein, weil die typischen Symptome wie Konzentrationsschwäche, Abgeschlagenheit, Infektions-anfälligkeit und schlechte Wundheilung die Betroffenen unnötig belasten. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) empfiehlt für Menschen im höheren Alter einen Blutzuckerzielkorridor von 150 bis 180 mg/dl. Starke Blutzuckerschwankungen sind grundsätzlich zu vermei-den, weil diese glukoseempfindliche Organe wie die Netzhaut des Auges schädigen können.

Es sollte darauf geachtet werden, möglichst früh die Anforderungen der Diabetestherapie an die sukzessive nachlassenden Fähigkeiten des Patienten anzupassen. Vereinfachungen der Insulintherapie, etwa durch eine Umstellung auf weniger verschiedene Insulinarten, überschaubare Insulinschemata und Gedächtnishilfen, verringern die Verwechslungsgefahr und das Risiko für Fehldosierungen und Doppelinjektionen.

Praxis

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Bibliomed Medizinische Verlagsgesellschaft mbH Stadtwaldpark 10 | 34212 Melsungen

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SIE HABEN ES IN DER HAND, EINEM DELIR VORZUBEUGEN

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Diabetes mellitus: Neue Empfehlungen für die Insulininjektion Eine internationale Expertengruppe hat neue Empfehlungen für die Insulininjektion formuliert. Die Empfehlungen wurden mittlerweile auch als deutschsprachige Broschüre veröffentlicht. Der Artikel fasst die wichtigsten Inhalte zusammen.Von Andrea Müller (06/2017)

Das dibetische Fußsyndrom: Den Druck nehmen Eine besonders gefährliche Folge einer Diabeteserkrankung ist der diabetische Fuß. Im schlimmsten Fall droht eine Amputation. Durch eine sachgerechte Therapie unter Mitarbeit des Betroffenen und eine gute Fußpflege lässt sich diese Komplikation oft verhindern.Von Kerstin Protz (02/2018)

Diabetologische Pflege: „Jeder Pflegende sollte über Diabeteswissen verfügen“ Wir sprachen mit Diabetes-Expertin Katja Hodeck über pflegerische Besonderheiten bei Diabetes, neue Therapiemöglichkeiten und die Notwendigkeit eines Diabetespflege- Qualitätsmanagements.Von Stephan Lücke (01/2015)

Demenz und Diabetes: Doppelt gefährdet Demenz und Diabetes mellitus sind bereits isoliert betrachtet schwerwiegende Erkrankungen. Beide zusammen in den Griff zu bekommen, stellt eine immense Herausforderung dar. Die Betroffenen benötigen eine individuelle Therapie, die kontinuierlich zu überprüfen und anzupassen ist.Von Katja Hodeck (12/2017)

Typ-1-Diabetes bei Kindern: Den Diabetes managen Die Zahl der Diabetiker im Kindes- und Jugendalter steigt. Betroffene müssen lebenslang konsequente Maßnahmen durchführen, um ihren Blutzucker in Grenzen zu halten. Spezialisierte Diabeteszentren richten ihren Fokus vor allem darauf, die Familien bestmöglich anzulernen und psychisch zu stärken.Von Dorothess Schulte (05/2016)

Mundpflege bei Diabetes-Patienten: Oralen Komplikationen vorbeugen Ein Diabetes mellitus geht oft mit entzündlichen Erkrankungen der Mundhöhle einher. Um gefährliche Folgeerscheinungen zu verhindern, muss die Mund- und Zahnpflege besonders sorgfältig erfolgen.Von Dr. Anja Ratzmann (01/2015)

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Inhaltsverzeichnis

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38 Die Schwester Der Pfleger 56. Jahrg. 6|17

Neue Empfehlungen für die Insulininjektion

Eine internationale Expertengruppe hat neue Empfehlungen für die Insulininjektion formuliert, die auf dem Kongress FITTER (Forum for Injection & Therapie Expert Recommendation) in Rom vorgestellt wurden. Die Empfehlungen sind mittlerweile auch als deutschsprachige Broschüre veröffentlicht worden. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Inhalte zusammen.

Von Andrea Müller

L ipohypertrophien sind bei Patienten mit Diabetes mellitus ein häufig zu beobachtendes Phänomen.

Diese gutartigen, übermäßigen Wucherungen des Unter-hautfettgewebes treten bei rund 40 Prozent der Betroffe-nen auf (1, 2). Sie sind maßgeblich darauf zurückzufüh-ren, dass bei der Insulininjektion die Kanülen und Ein-stichstellen nicht regelmäßig gewechselt wurden. In Kombination mit der wachstumsfördernden Wirkung des Insulin kommt es so zu diesen Fettgewebeverände-rungen. Sie treten überwiegend am Bauch und an den Oberschenkeln auf – also an Körperstellen, an denen In-sulin meist verabreicht wird. Lipohypertrophien können als sichtbare Erhebungen auftreten und sind als gummi-artige oder verhärtete Hautveränderung tastbar.

Lipohypertrophien führen aufgrund ihrer unvorteil-haften ästhetischen Auswirkungen oft zu einem enormen Leidensdruck der Patienten. Hinzu kommen erhebliche medizinische Konsequenzen: Injektionen in lipotrophier-te Stellen führen nachweislich zu Resorptionsverzögerun-gen des Insulins (3). Die Folge sind erhöhte Blutzucker-werte und -entgleisungen.

183 Experten beschlossen Empfehlungen

Diese schwerwiegenden Erkenntnisse motivierten Ex-perten aus der Diabetologie zu einem Projekt, um die

Diabetes mellitus

Versorgung von Menschen mit Diabetes mellitus welt-weit zu verbessern und Handlungssicherheit für medizi-nische Fachpersonen zu erbringen. Eine Projektgruppe führte 2014 und 2015 eine systematische Literaturre-cherche mit Stichworten wie Insulin, Insulininjektion und Injektionstechnik durch.

Darüber hinaus wurde eine Fragebogen-Studie durchgeführt, an der 13 264 insulinspritzende Menschen mit Diabetes mellitus aus 42 Ländern teilnahmen. Zu-sätzlich zu den Patientendaten wurden die Sichtweisen und Erfahrungen von Diabetesberatern erfasst. Eine internationale Expertengruppe traf sich im Abstand von 18 Monaten in Workshops, um die aktuelle Literatur zu sichten und Relevanzkriterien zu erarbeiten.

Auf dieser Grundlage wurden Empfehlungen ver-fasst, die von 183 Experten aus 54 Ländern überprüft und gemeinschaftlich beschlossen wurden. Die Ergebnis-se aus den vier Workshops wurden im Oktober 2015 in Rom auf dem Kongress FITTER (Forum for Injection Technique & Therapy Expert Recommendations) 1 000 Online-Teilnehmern vorgestellt. Der Verband für Diabe-tes-Beratungs- und Schulungsberufe (VDBD) hat die Empfehlungen übersetzt und in einer kompakten Bro-schüre zusammengefasst. Sie kann beim Verband gegen eine geringe Gebühr bestellt oder online heruntergeladen werden (siehe Kasten).

Produkt

BD Autoshield® Duo

BD Safe Assist®

Mylife Clickfine AutoProtect®

Novofine Autocover®

Nadellänge (mm)

5 mm, 8 mm

5 mm, 8 mm

5 mm, 8 mm

8 mm

Nadelstärke (mm)

0,30 mm

0,30 mm

0,25 mm, 0,33 mm

0,30 mm

Gauge (G)

30 G

30 G

31 G, 29 G

30 G

Abb. 1Übersicht an Sicherheitskanülen

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Neue Empfehlungen für die Insulininjektion

Eine internationale Expertengruppe hat neue Empfehlungen für die Insulininjektion formuliert, die auf dem Kongress FITTER (Forum for Injection & Therapie Expert Recommendation) in Rom vorgestellt wurden. Die Empfehlungen sind mittlerweile auch als deutschsprachige Broschüre veröffentlicht worden. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Inhalte zusammen.

Von Andrea Müller

L ipohypertrophien sind bei Patienten mit Diabetes mellitus ein häufig zu beobachtendes Phänomen.

Diese gutartigen, übermäßigen Wucherungen des Unter-hautfettgewebes treten bei rund 40 Prozent der Betroffe-nen auf (1, 2). Sie sind maßgeblich darauf zurückzufüh-ren, dass bei der Insulininjektion die Kanülen und Ein-stichstellen nicht regelmäßig gewechselt wurden. In Kombination mit der wachstumsfördernden Wirkung des Insulin kommt es so zu diesen Fettgewebeverände-rungen. Sie treten überwiegend am Bauch und an den Oberschenkeln auf – also an Körperstellen, an denen In-sulin meist verabreicht wird. Lipohypertrophien können als sichtbare Erhebungen auftreten und sind als gummi-artige oder verhärtete Hautveränderung tastbar.

Lipohypertrophien führen aufgrund ihrer unvorteil-haften ästhetischen Auswirkungen oft zu einem enormen Leidensdruck der Patienten. Hinzu kommen erhebliche medizinische Konsequenzen: Injektionen in lipotrophier-te Stellen führen nachweislich zu Resorptionsverzögerun-gen des Insulins (3). Die Folge sind erhöhte Blutzucker-werte und -entgleisungen.

183 Experten beschlossen Empfehlungen

Diese schwerwiegenden Erkenntnisse motivierten Ex-perten aus der Diabetologie zu einem Projekt, um die

Diabetes mellitus

Versorgung von Menschen mit Diabetes mellitus welt-weit zu verbessern und Handlungssicherheit für medizi-nische Fachpersonen zu erbringen. Eine Projektgruppe führte 2014 und 2015 eine systematische Literaturre-cherche mit Stichworten wie Insulin, Insulininjektion und Injektionstechnik durch.

Darüber hinaus wurde eine Fragebogen-Studie durchgeführt, an der 13 264 insulinspritzende Menschen mit Diabetes mellitus aus 42 Ländern teilnahmen. Zu-sätzlich zu den Patientendaten wurden die Sichtweisen und Erfahrungen von Diabetesberatern erfasst. Eine internationale Expertengruppe traf sich im Abstand von 18 Monaten in Workshops, um die aktuelle Literatur zu sichten und Relevanzkriterien zu erarbeiten.

Auf dieser Grundlage wurden Empfehlungen ver-fasst, die von 183 Experten aus 54 Ländern überprüft und gemeinschaftlich beschlossen wurden. Die Ergebnis-se aus den vier Workshops wurden im Oktober 2015 in Rom auf dem Kongress FITTER (Forum for Injection Technique & Therapy Expert Recommendations) 1 000 Online-Teilnehmern vorgestellt. Der Verband für Diabe-tes-Beratungs- und Schulungsberufe (VDBD) hat die Empfehlungen übersetzt und in einer kompakten Bro-schüre zusammengefasst. Sie kann beim Verband gegen eine geringe Gebühr bestellt oder online heruntergeladen werden (siehe Kasten).

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Nadellänge (mm)

5 mm, 8 mm

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Nadelstärke (mm)

0,30 mm

0,30 mm

0,25 mm, 0,33 mm

0,30 mm

Gauge (G)

30 G

30 G

31 G, 29 G

30 G

Abb. 1Übersicht an Sicherheitskanülen

Die Schwester Der Pfleger 56. Jahrg. 6|17 39

Praxis

Welche Nadeln verwenden?

Die Haut gliedert sich in drei Schichten: Epidermis (Oberhaut), Dermis (Lederhaut) und Subkutis (Unter-haut). Für die Insulininjektion muss die Kutis (Epidermisund Dermis) überwunden werden, um in das subkutaneGewebe zu gelangen. Fachleute gingen lange davon aus, dass die Dicke des Hautgewebes je nach Body-Mass-In-dex, Altersgruppe, Geschlecht und geografischer Her-kunft von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausfällt. Von dieser Information ausgehend, wurden bei Patienten mit Diabetes mellitus Pen- und Injektionsnadeln in un-terschiedlichen Längen eingesetzt, die zwischen 5,0 und 12,7 Millimetern variierten.

Diese Vorgehensweise ist aus heutiger Sicht als veral-tet zu betrachten, denn neue Erkenntnisse aus Ultra-schall- und MRT-Messungen belegen zwar unterschied-liche Stärken des subkutanen Gewebes, aber eine fast einheitliche Kutisdicke von 1,9 bis 2,4 Millimetern.

Aus dieser Erkenntnis leiten sich neue Empfehlun-gen für die Insulininjektion ab: Um das Ziel zu erreichen, den Insulinwirkstoff zuverlässig ohne Rückfluss aus der Einstichstelle bei möglichst geringen Beschwerden in dassubkutane Fettgewebe zu bringen, gelten kürzere und dünnere Nadeln von 4,0 (32–34 G) bis 6,0 Millimetern(31/32 G) für Patienten heute als verträglicher (4).

Da intramuskuläre Injektionen bei Diabetes-melli-tus-Patienten aufgrund der Gefahr von Hypoglykämien grundsätzlich zu vermeiden sind, sollen bei Kindern kei-ne Nadeln zur Anwendung kommen, die länger sind als 6,0 Millimeter (31/32 G), und bei Erwachsenen keine Nadeln, die länger sind als 8,0 Millimeter (30/31 G).

Medizinisches Personal sollte grundsätzlich Sicher-heitskanülen verwenden, um Nadelstichverletzungen zu vermeiden. Verschiedene Hersteller bieten Sicherheitska-nülen an, die für den einmaligen Gebrauch in stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen sowie im Kranken-haus bestimmt sind (Abb. 1).

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Leitfaden zur Injektion bei Diabetes mellitus

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40 Die Schwester Der Pfleger 56. Jahrg. 6|17

Praxis

Patienten sollten diese Sicherheitskanülen nur in be-gründeten Einzelfällen und nur nach Schulung für die Selbstinjektion nutzen, zum Beispiel bei Nadelphobien und Infektionserkrankungen wie HIV, Hepatitis B und C (4) sowie bei Sehbehinderungen.

Injektionsorte nach Schema wechseln

Die Auswahl des Injektionsorts richtet sich im Wesent -lichen nach der Insulingruppe und dem damit verbunde-

nen Wirkeintritt. Eine Übersicht der Insulingruppen und entsprechenden auf dem Markt erhältlichen Insulinpens zeigt Abbildung 2. Nach FITTER werden der Bauch und die Flanken als Injektionsorte empfohlen (Abb. 3).

Die Beschreibung des Bauchareals als Injektionsort reicht von einem Zentimeter über der Schambeinfuge bis zu einen Zentimeter unter der untersten Rippe. Der Ab-stand zum Nabel bei der Injektion soll einen Zentimeter betragen (4). Beim Bauch handelt es sich um eine „schnelle Spritzstelle“. Insuline, die zu den Mahlzeiten

Insulingruppe

NormalinsulineWirkbeginn: nach15 Min.Wirkmaximum: nach 2 Std.Wirkdauer: 4–6 Std.Spritz-Ess-Abstand: 15–30 Min.

SchnellwirkendeAnaloginsulineWirkbeginn: nach ca. 10 Min.Wirkmaximum: nach 1 Std.Wirkdauer: 3–4 Std.Spritz-Ess-Abstand: ca. 10 Min.

UltraschnellwirkendeAnaloginsulineWirkbeginn: sofortWirkmaximum: nach 1 Std.Wirkdauer: 3–4 Std.Spritz-Ess-Abstand: 2 Min. vor und ca. 20 nach der Mahlzeit

Basalinsuline(Verzögerungsinsulin mit NPH)Wirkbeginn: nach 2 Std.Wirkmaximum: nach 4–6 Std.Wirkdauer: 8–12 Std.

Langwirkende AnaloginsulineWirkbeginn: nach 2 Std.

Mischinsuline(Normalinsulin und NPH anteilig gemischt)Wirkbeginn: nach 20–30 Min.Wirkmaximum: nach 2–8 Std.Wirkungsdauer: ca. 12 Std.Spritz-Ess-Abstand: 20–30 Min.

Analog-Mischinsuline (Schnelle Analoginsuline & NPH anteilig gemischt)Wirkbeginn: nach ca. 10 Min.Wirkmaximum: nach 2–8 Std.Wirkungsdauer: ca. 12 Std.Kein Spritz-Ess-Abstand

Firma

Novo Nordisk

Actrapid®

Novo Rapid®

Fiasp®

Protaphane®

Levemir®

Wirk- maximum: nach 8 Std., Wirkdauer:12–17 Std.

Actraphane 30®

Novo Mix 30®

Sanofi

Insuman Rapid®

Apidra®

Insuman Basal®

Lantus® Tujeo®

kein Wirk- maximum, Wirkdauer: nach ca. 24 Std.

Insuman Comb 25®

Lilly

Huminsulin Normal®

Humalog®

Huminsulin Basal®

Abaglasar®

kein Wirk- maximum, Wirkdauer: nachca. 24 Std.

Profil III®

Humalog Mix 25®

Berlin-Chemie

Berlinsulin Normal®

Liprolog®

Berlinsulin Basal®

Berlinsulin 30/70®

Liprolog Mix 25®

B. Braun

B. Braun RatiopharmNormal®

B. Braun Ratiopharm®

B. Braun Ratiopharm®

Abb. 2Übersicht der Insulingruppen und die entsprechenden erhältlichen Insulinpens

Hinweis: Die Farben entsprechen den Farben der Insulinpens

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Praxis

Patienten sollten diese Sicherheitskanülen nur in be-gründeten Einzelfällen und nur nach Schulung für die Selbstinjektion nutzen, zum Beispiel bei Nadelphobien und Infektionserkrankungen wie HIV, Hepatitis B und C (4) sowie bei Sehbehinderungen.

Injektionsorte nach Schema wechseln

Die Auswahl des Injektionsorts richtet sich im Wesent -lichen nach der Insulingruppe und dem damit verbunde-

nen Wirkeintritt. Eine Übersicht der Insulingruppen und entsprechenden auf dem Markt erhältlichen Insulinpens zeigt Abbildung 2. Nach FITTER werden der Bauch und die Flanken als Injektionsorte empfohlen (Abb. 3).

Die Beschreibung des Bauchareals als Injektionsort reicht von einem Zentimeter über der Schambeinfuge bis zu einen Zentimeter unter der untersten Rippe. Der Ab-stand zum Nabel bei der Injektion soll einen Zentimeter betragen (4). Beim Bauch handelt es sich um eine „schnelle Spritzstelle“. Insuline, die zu den Mahlzeiten

Insulingruppe

NormalinsulineWirkbeginn: nach15 Min.Wirkmaximum: nach 2 Std.Wirkdauer: 4–6 Std.Spritz-Ess-Abstand: 15–30 Min.

SchnellwirkendeAnaloginsulineWirkbeginn: nach ca. 10 Min.Wirkmaximum: nach 1 Std.Wirkdauer: 3–4 Std.Spritz-Ess-Abstand: ca. 10 Min.

UltraschnellwirkendeAnaloginsulineWirkbeginn: sofortWirkmaximum: nach 1 Std.Wirkdauer: 3–4 Std.Spritz-Ess-Abstand: 2 Min. vor und ca. 20 nach der Mahlzeit

Basalinsuline(Verzögerungsinsulin mit NPH)Wirkbeginn: nach 2 Std.Wirkmaximum: nach 4–6 Std.Wirkdauer: 8–12 Std.

Langwirkende AnaloginsulineWirkbeginn: nach 2 Std.

Mischinsuline(Normalinsulin und NPH anteilig gemischt)Wirkbeginn: nach 20–30 Min.Wirkmaximum: nach 2–8 Std.Wirkungsdauer: ca. 12 Std.Spritz-Ess-Abstand: 20–30 Min.

Analog-Mischinsuline (Schnelle Analoginsuline & NPH anteilig gemischt)Wirkbeginn: nach ca. 10 Min.Wirkmaximum: nach 2–8 Std.Wirkungsdauer: ca. 12 Std.Kein Spritz-Ess-Abstand

Firma

Novo Nordisk

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Novo Rapid®

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Wirk- maximum: nach 8 Std., Wirkdauer:12–17 Std.

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Sanofi

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Insuman Basal®

Lantus® Tujeo®

kein Wirk- maximum, Wirkdauer: nach ca. 24 Std.

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Huminsulin Basal®

Abaglasar®

kein Wirk- maximum, Wirkdauer: nachca. 24 Std.

Profil III®

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Berlin-Chemie

Berlinsulin Normal®

Liprolog®

Berlinsulin Basal®

Berlinsulin 30/70®

Liprolog Mix 25®

B. Braun

B. Braun RatiopharmNormal®

B. Braun Ratiopharm®

B. Braun Ratiopharm®

Abb. 2Übersicht der Insulingruppen und die entsprechenden erhältlichen Insulinpens

Hinweis: Die Farben entsprechen den Farben der Insulinpens

Die Schwester Der Pfleger 56. Jahrg. 6|17 41

von der Wirkung schnell verfügbar sein müssen – zum Beispiel schnellwirkende Insuline –, werden bevorzugt in diesen Bereich gespritzt.

Bei den Flanken ist das obere Drittel der Außensei-ten beider Oberschenkel und der hintere seitliche Be-reich beider Gesäßhälften gemeint (4). Bei den Flanken handelt es sich um „langsame Spritzstellen“. Das Ein-bringen von langwirkenden Insulinen wie Verzögerungs-insulinen sollte bevorzugt in diesen Bereich erfolgen.

Injizierbare Antidiabetika werden ebenfalls am Bauch oder an den Flanken gespritzt. Die Studienlage gibt kei-ne Auskunft über die Wirksamkeit der beiden Injekti-onsbereiche.

Besonderheiten bestehen bei Mischinsulinen, also schnellwirkenden Humaninsulinen oder Analoginsuline gemischt mit dem Verzögerungsstoff NPH (Neutrales Protamin Hagedorn). Um hier die Aufnahmegeschwin-digkeit des Gewebes für Insulin zu nutzen, gilt die Emp-fehlung: Das Mischinsulin morgens in den Bauch und abends in Oberschenkel oder in das Gesäß injizieren.

Eine Injektion in den Oberarm als mittelschnelle Re-sorptionsstelle wird wegen des Risikos einer intramusku-lären Injektion nur unter Vorbehalt empfohlen. Sichere Injektionen in den mittleren, hinteren Bereich des Oberarms können mit Fremdhilfe – zum Beispiel über Angehörige – oder über medizinisches Personal erfolgen.

Praxis

Bei diesem Injektionsort wird keine Hautfalte gebildet und es kommen vier Millimeter lange Pennadeln zum Einsatz.

Spritzstellen vor Injektion begutachten

Die Injektionsstellen müssen vor jeder Injektion begut-achtet werden, um dann über die Nadellänge, den Ein-

• Ideal für Berufstätige• Maximale Flexibilität• Hoher Praxisbezug• Minimale Anwesenheit• Einstieg jederzeit möglich

Studienform: Online-Studium, berufsbegleitendStudienabschluss: Bachelor of Science in Nursing (BScN)Studiendauer: 3 Jahre (3 Kompetenzlevel), 180 ECTSStudieninhalte: u. a. Grundlagen der Pflegewissenschaftund -forschung, Research Utilization, Theorien/Modelleder Pflege, Public Health, Qualitätsmanagement, Pädagogische Grundlagen, Statistik, Ethik Studiengebühren: Euro 2.480,- je Kompetenzlevel Studienstart: jederzeit möglich

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Nähere Informationen zu Studieninhalten und Zugangsvoraussetzungen unter www.pmu.ac.at/onlinestudium

Abb. 3Empfohlene Injektionsorte

Quelle: BD

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42 Die Schwester Der Pfleger 56. Jahrg. 6|17

Schritt für Schritt: Ablauf der Injektion von Insulinen und injizierbaren Antidiabetika in stationären Einrichtungen

Quelle: (4)

1. Injektionsstelle auswählen und mit Hautdesinfektions-mittel einsprühen. Wichtig: Die Einstichstellen sind bei jeder Injektion im Abstand von zwei bis drei Zentimetern zu wechseln. Der Injektionsbereich wird wöchentlich gewechselt – zum Beispiel linker und rechter Oberschenkel.

2. Injektionsstelle überprüfen – es erfolgt keine Injektion in Hämatome, Narben, Leberflecke oder lipohyper- trophierte Hautveränderungen

3. Richtige Nadellänge auswählen. Medizinisches Personal verwendet grundsätzlich Einweg-Sicher-heitskanülen.

4. NPH- und Mischinsuline – erkennbar an der trüben Farbe – durchmischen (20-mal schwenken).

5. Insulinmengen über 20 IE sollten wegen der Gefahr des Rückflusses aus der Einstichstelle gesplittet werden. Wenn beispielsweise um 22 Uhr 28 IE eines Basalinsulins verabreicht werden, sollte dieses auf zwei gleich große Mengen – 14 IE und 14 IE – auf zwei Spritzstellen aufgeteilt werden.

6. Schutzkappe entfernen, neue Kanüle aufschrauben 7. Bei allen Kanülen erfolgt vor der Injektion eine

Funktionskontrolle des Insulinpens und ein Entfernen des Luftreservoirs aus der Nadel. Hierzu am Dosier-fenster des Pens 2 IE einstellen und Dosierknopf durchdrücken, bis Insulin austritt.

8. Insulindosis einstellen. 9. Falls nötig, Hautfalte bilden.10. Gleichmäßiges, zügiges und vollständiges Einstechen

der Pennadel.11. Wirkstoff gleichmäßig und langsam injizieren. Hierzu

Dosierknopf vollständig eindrücken, bis Anzeige auf „0“steht. Die Nadel dabei nicht tiefer in das Hautareal eindrücken und langsam bis zehn zählen. Danach die Pennadel herausziehen und erst dann die Hautfalte lösen.

12. Gebrauchte Sicherheits-Penkanülen gemäß der Hygienebestimmungen sicher entsorgen.

13. Überprüfen der Einstichstelle – bildet sich zum Beispiel ein Hämatom aufgrund einer Verletzung eines kleinen Hautgefäßes, wird dies in der Patientenakte dokumentiert.

Die vier Millimeter lange Nadel muss senkrecht in die Haut eingestochen werden – ohne eine Hautfalte zu bilden, um in das Subkutangewebe zu gelangen. Bei einer Nadellänge von fünf Millimetern kann bei Erwachsenen auf eine Hautfalte verzichtet werden, bei Kindern und Jugendlichen sollte in eine Hautfalte injiziert werden. Bei einer Nadellänge von sechs bis acht Millimetern wird bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen immer eine Hautfalte gebildet.

Die Einstichtiefe im 45-Grad-Winkel bei einer Sechs-Millimeter-Nadel beträgt vier Millimeter und sollte bei Kindern bis zum Alter von sechs Jahren und bei sehr schlanken Erwachsenen nicht angewendet werden. Bei einer Nadellänge von sechs Millimetern kann ohne Hautfalte und bei einer Länge von acht Millimetern mit Hautfalte, bei Erwachsenen an den Flanken – Ober-schenkel und Gesäß – im 45-Grad-Winkel injiziert wer-den.

Sicherheitskanülen sind von den Firmen für einen senkrechten Einstich konzipiert. Deshalb ist bei einer Nadellänge von acht Millimetern immer auf das Bilden einer Hautfalte zu achten – oder es muss eine Fünf-Mil-limeter-Nadel verwendet werden. Sollte der Oberarm als Injektionsstelle gewählt werden, ist immer eine Hautfalte – durch eine zweite Person – zu bilden. Eine korrekte Hautfalte wird locker gehalten und nicht zu fest zusam-mengedrückt.

Der Leitfaden zur Injektion bei Diabetes mellitus enthält auch Hinweise zum Umgang mit Insulin. Bei der Lagerung von Insulinen sind die Hersteller-Emp-fehlungen zu beachten. Grundsätzlich sollten Tempera-turen von unter zwei Grad Celsius und über 30 Grad Celsius vermieden werden. Gefrorene Insuline verlieren ihre Wirksamkeit; bei Lagertemperaturen über 30 Grad Celsius und nach Verfall des Haltbarkeitsdatums nimmt die Wirksamkeit ab. Das Insulin wird seitlich in der Kühlschranktüre oder im Gemüsefach bei zwei bis acht Grad Celsius aufbewahrt. Angebrochene oder unge-kühlte Insuline können bis zu vier Wochen verwendet werden. Kaltes Insulin sollte vor der ersten Injektion die Raumtemperatur bei etwa 21 bis 25 Grad Celsius an-nehmen.

(1) De Coninck, F.A. et al. (2010): Results and analysis oft the 2008–2009 Insulin Injection Technique Questionaire survey. J Diabetes, 2: 168–179(2) Schmeisl, G.W.; Drobinski, E. (2009): Koinzidenzen: Injektionsge-wohnheiten, Lipohypertrophien, Glukoseschwankungen. Diabetes & Stoffwechsel/Herz 18: 251–258(3) Famulla, S. et al. (2016): Insulin Injection Into Lipohypertrophic Tis-sue: Blunted and More Variable Insulin Absorption and Action, and Im-paired Postprandial Glucose Control. Diabetes Care 39: 1486–92(4) Cureu, B. et al. (2016): Leitfaden zur Injektion bei Diabetes mellitus. Health Care Professionals. VDBD, 9–63

Andrea Müller, M.Sc., ist Diabetes-Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin, Diabetes- beraterin DDG und Gesundheits- und Kranken-pflegerin am Klinikum Fürth. Mail: [email protected]

Praxis

stichwinkel und die Bildung einer Hautfalte zu entschei-den. Bei der Überlegung, eine Hautfalte zu bilden, geht es nicht um das Vorhandensein von mehr oder weniger Subkutangewebe, sondern um die zu verwendende Na-dellänge und den Einstichwinkel.

Sicherheitskanülen, die von medizinischem Personal verwendet werden, sind mit einer Länge von fünf und acht Millimeter erhältlich. Für Kinder und Jugendliche sollten Sicherheits-Penkanülen mit einer Länge von fünf Millimetern und für Erwachsene in einer Länge von fünf oder acht Millimetern verwendet werden.

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. Gla

user

Pflegeschwerpunkt Diabetisches Fußsyndrom: Eine sorgfältige

Fußbeobachtung und -pflege ist in der Diabetespflege essentiell

Beispiel für Qualität in der Diabetespflege: Um Blutzucker- werte korrekt einzuschätzen, brauchen Pflegende individuelle Zielgrößen

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Top-Thema

„JEDER PFLEGENDE SOLLTE ÜBER DIABE TESWISSEN VERFÜGEN“

Diabetologische Pflege. Diabetes mellitus ist eine komplexe Erkrankung, die mit vielen Gefährdungen für Patienten einhergeht. Mit Expertin Katja Hodeck, Leiterin der Diabetespflege-Akademie in Berlin, sprachen wir über Besonderheiten in der Pflege, neue Therapiemöglichkeiten und die Notwendigkeit eines Diabetespflege-Qualitätsmanagements.

Interview mit Katja Hodeck

Frau Hodeck, warum ist Diabetes mellitus ein so wichtiges Thema für die Pflege?Ein Grund ist allein die hohe Präva-lenz: In der stationären und ambu-lanten Pflege ist jeweils ein Drittel der Patienten von Diabetes betrof-fen. In Einzelberichten werden sogar Werte von bis zu 50 Prozent ge-nannt. Bei älteren Patienten im Krankenhaus ist von ähnlichen Zah-len auszugehen. Zudem ist die Dun-kelziffer sehr hoch. Diabetes mellitus ist gerade auch deswegen ein wichti-ges Pflegethema, weil es sich um eine komplexe Erkrankung handelt und besonders hochaltrige Betroffene mit ohnehin geschwächter Immun-abwehr vielfältig gefährdet sind. In-kontinenz, Sturz, Mobilität, Wun-den, Mundhygiene, Hautzustand – das sind Beispiele für Bereiche, bei denen sich der Diabetes zusätzlich nachteilig auswirkt, und das wird vielfach noch zu wenig wahrgenom-men und beachtet. Kognitive Ein-schränkungen oder der Verlust an Selbstständigkeit werden oft zu stark vorrangig auf das hohe Lebensalter zurückgeführt – das ist in vielen Fäl-

len richtig, aber häufig wird verges-sen, dass die Gründe für diese Pfle-geprobleme auch ein schlecht einge-stellter Diabetes sein kann. In dieser Hinsicht ist es höchst problematisch, dass gerade stark pflegebedürftige Menschen kaum Zugang zu spezia-lisierter diabetologischer Fachkom-petenz haben.

Pflegende übernehmen hier also eine Schlüsselfunktion …Definitiv. Gerade bei sehr hilfebe-dürftigen Patienten schlagen Pfle-gende die Brücke zwischen dem Arzt und anderen Versorgern. Inso-fern können sie deutlich dazu beitra-gen, eine für den Patienten bestmög-liche Versorgungssituation zu schaf-fen. Aufgrund der Komplexität des Krankheitsbildes brauchen sie dafür ein tiefes diabetologisches Verständ-nis, um die Gesamtsituation ein-schätzen zu können und mit anderen Professionen wie Diabetologen und Podologen auf Augenhöhe zusam-menzuarbeiten.

Was sind die wesentlichen Schwer-punkte in der Diabetes-Pflege?

Katja Hodeck ist Leiterin der Diabetespflege-Akademie des IIGM – Institut für Innovatives Gesundheits-management in Berlin. Sie ist Fachbuchautorin und Referentin zu Themen des Diabetes-Pflege -qualitätsmanagements. Kontakt: [email protected]

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Pflegeschwerpunkt Diabetisches Fußsyndrom: Eine sorgfältige

Fußbeobachtung und -pflege ist in der Diabetespflege essentiell

Beispiel für Qualität in der Diabetespflege: Um Blutzucker- werte korrekt einzuschätzen, brauchen Pflegende individuelle Zielgrößen

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In der Akutsituation müssen Pfle-gende die Symptomatik von Über- und Unterzuckerung sowie Notfall-maßnahmen sicher beherrschen. Das ist trotz Ausbildung nicht immer der Fall. Hierbei ist zu beachten, dass sich diabetesspezifische Symptome bei älteren Patienten anders zeigen können als bei jüngeren und sich auch im Laufe der Zeit verändern. Pflegende brauchen ein gutes Ge-spür dafür, inwieweit der Patient selbst noch in der Lage ist, diese Ver-änderungen wahrzunehmen und Hilfsbedarf zu artikulieren. Zudem ist immer auf stoffwechselbeeinflus-sende Faktoren wie zum Beispiel Veränderungen in der Ernährung, bei Medikamenten oder beim Bewe-gungsverhalten zu achten. Auch Stress oder leichte Infekte können von Bedeutung sein. Im Pflegepro-zess ist das Diabetische Fußsyndrom ein ganz wichtiger Schwerpunkt. Hier ist eine gute Fußbeobachtung und -pflege das A und O.

Worauf muss hier geachtet wer- den?Zunächst sollte bei jeder Patienten-aufnahme eine dezidierte Fußanam-nese erfolgen. Pflegende verschaffen sich hierbei ein allgemeines Bild vom Fuß und achten auf Risikofak-toren wie Neuropathie, periphere ar-terielle Verschlusskrankheit, Defor-mitäten sowie ausgeheilte oder akute Wunden und Amputationen. Ein besonderes Augenmerk ist auf den Hautzustand zu legen: trockene Haut, Risse, Einblutungen, Druck-stellen, Blasen, Pilz – jede Abwei-chung vom Normalzustand sollte Beachtung finden und sofort in eine Folgebehandlung münden, um wei-tere Komplikationen zu vermeiden. Was ist beim Waschen der Füße zu beachten?Das Wasser darf nicht zu heiß sein, weil sonst Verbrühungsgefahr be-steht. Aufgrund der Neuropathie können Diabetespatienten die Tem-peratur des Wassers oft nicht realis-tisch einschätzen. Zudem sollten Fußbäder nicht zu lange dauern, da die Haut dann zu sehr aufweicht und die natürliche Schutzfunktion der Haut in Mitleidenschaft gezogen

wird. Grundsätzlich sollten pH-Wert-neutrale Waschzusätze zum Einsatz kommen, weil diese die Haut am wenigsten austrocknen. Ganz wichtig ist auch ein sorgfälti-ges Abtrocknen, besonders in den Zehenzwischenräumen. Zudem ist auf eine angemessene Fußbeklei-dung zu achten. Socken, Schuhe und Hausschuhe sollten grundsätzlich passgenau und keinesfalls zu eng sein.

Eincremen ist vorteilhaft?Eincremen ist immer gut, weil es die Haut geschmeidig hält. Diabetische Haut trocknet schnell aus und wird rissig. Hautläsionen erhöhen wieder-um die Gefahr von Infektionen. Harnstoffhaltige Pflegeprodukte bieten einen guten Schutz vor Tro-ckenheit. Wichtig ist, die Socken erst anzuziehen, wenn die Creme in die Haut eingezogen ist. Sonst kann besonders zwischen den Zehen leicht ein feucht-warmes Milieu ent-stehen, was ein idealer Nährboden für Pilzinfektionen darstellt.

Sollte die Nagelpflege stets Sache des Podologen sein?Vorteilhaft ist es schon, wenn die Nägel vom Podologen versorgt wer-den. Denn diese Berufsgruppe ver-fügt über das nötige Know-how. Grundsätzlich gilt: Nägel von Dia-betespatienten sollten aufgrund der Verletzungsgefahr nicht geschnitten, sondern nur gerade und nicht zu kurz gefeilt werden. An den Nagel-enden sollte nicht zu tief gefeilt wer-den, um das Einwachsen der Nägel zu vermeiden.

Abgesehen von der Fußpflege: Wel-che Besonderheiten bestehen bei der Grundpflege noch?Patienten sollten möglichst nicht zu lange baden oder duschen, um den natürlichen Hautschutz zu erhalten. Zudem ist es für Patienten vorteil-haft – wenn man das An- und Aus-kleiden zur Grundpflege dazurech-net –, auf synthetische Kleidungsstü-cke zu verzichten. So kann Schweiß-bildung vermieden werden. Sinnvoll ist nicht zu enge, atmungsaktive Kleidung. Strümpfe sollten täglich gewechselt werden.

Kommen wir auf ein weiteres wich-tiges Thema zu sprechen: die Er-nährung. Müssen sich Diabetespa-tienten grundsätzlich einschränken und auf Genussmittel verzichten?Ganz klar nein. Bei hochaltrigen Pa-tienten gilt: Die Diabetestherapie sollte sich an den individuellen Er-nährungsgewohnheiten des Patien-ten orientieren und nicht umge-kehrt. Das Wichtigste bei dieser Pa-tientengruppe ist, eine adäquate Nährstoffversorgung mit Kohlenhy-draten, Vitaminen und Eiweiß si-cherzustellen. Dies wirkt in Verbin-dung mit einem leichten Körpertrai-ning dem sogenannten Frailty-Syn-drom entgegen, also der altersbe-dingten, chronisch herabgesetzten Belastbarkeit bei vermindertem Kraftzustand. Auf alle Bereiche der Gebrechlichkeit nimmt der Diabetes Einfluss. Um der für den Stoffwech-sel ungünstigen Abwärtsspirale ent-gegenzuwirken, ist auf eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung – wie bei jüngeren Menschen auch – zu achten. Die Vorstellung, dass sich Diabetespatienten beim Essen be-schränken müssen, ist im höheren Alter überholt. Es ist wesentlich sinnvoller, von individuellen Ge-wohnheiten wie dem Stück Torte am Sonntagnachmittag zu wissen und die Therapie entsprechend anzupassen.

Gibt es Handlungsempfehlungen für die Versorgung von Diabetes-Patienten mit Demenz?Hauptprobleme bei demenzerkrank-ten Diabetespatienten sind eine un-kontrollierte Ernährung sowie Um-herwandern und starker Bewegungs-drang. Denn dies sind stoffwechsel-wirksame Faktoren, die eine Über- oder Unterzuckerung begünstigen können. Ein weiteres relevantes Pfle-geproblem ist die bei Demenz häufig vorkommende Verweigerungshal-tung, da dies vor allem die medika-mentöse Therapie erschwert. De-menz ist in der Diabetespflege per se ein schwieriges Themenfeld und ei-ne Wunderpille gibt es nicht. Es können aber bestimmte Empfehlun-gen ausgesprochen werden.

Können Sie diese bitte kurz zusam-menfassen?

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In der Akutsituation müssen Pfle-gende die Symptomatik von Über- und Unterzuckerung sowie Notfall-maßnahmen sicher beherrschen. Das ist trotz Ausbildung nicht immer der Fall. Hierbei ist zu beachten, dass sich diabetesspezifische Symptome bei älteren Patienten anders zeigen können als bei jüngeren und sich auch im Laufe der Zeit verändern. Pflegende brauchen ein gutes Ge-spür dafür, inwieweit der Patient selbst noch in der Lage ist, diese Ver-änderungen wahrzunehmen und Hilfsbedarf zu artikulieren. Zudem ist immer auf stoffwechselbeeinflus-sende Faktoren wie zum Beispiel Veränderungen in der Ernährung, bei Medikamenten oder beim Bewe-gungsverhalten zu achten. Auch Stress oder leichte Infekte können von Bedeutung sein. Im Pflegepro-zess ist das Diabetische Fußsyndrom ein ganz wichtiger Schwerpunkt. Hier ist eine gute Fußbeobachtung und -pflege das A und O.

Worauf muss hier geachtet wer- den?Zunächst sollte bei jeder Patienten-aufnahme eine dezidierte Fußanam-nese erfolgen. Pflegende verschaffen sich hierbei ein allgemeines Bild vom Fuß und achten auf Risikofak-toren wie Neuropathie, periphere ar-terielle Verschlusskrankheit, Defor-mitäten sowie ausgeheilte oder akute Wunden und Amputationen. Ein besonderes Augenmerk ist auf den Hautzustand zu legen: trockene Haut, Risse, Einblutungen, Druck-stellen, Blasen, Pilz – jede Abwei-chung vom Normalzustand sollte Beachtung finden und sofort in eine Folgebehandlung münden, um wei-tere Komplikationen zu vermeiden. Was ist beim Waschen der Füße zu beachten?Das Wasser darf nicht zu heiß sein, weil sonst Verbrühungsgefahr be-steht. Aufgrund der Neuropathie können Diabetespatienten die Tem-peratur des Wassers oft nicht realis-tisch einschätzen. Zudem sollten Fußbäder nicht zu lange dauern, da die Haut dann zu sehr aufweicht und die natürliche Schutzfunktion der Haut in Mitleidenschaft gezogen

wird. Grundsätzlich sollten pH-Wert-neutrale Waschzusätze zum Einsatz kommen, weil diese die Haut am wenigsten austrocknen. Ganz wichtig ist auch ein sorgfälti-ges Abtrocknen, besonders in den Zehenzwischenräumen. Zudem ist auf eine angemessene Fußbeklei-dung zu achten. Socken, Schuhe und Hausschuhe sollten grundsätzlich passgenau und keinesfalls zu eng sein.

Eincremen ist vorteilhaft?Eincremen ist immer gut, weil es die Haut geschmeidig hält. Diabetische Haut trocknet schnell aus und wird rissig. Hautläsionen erhöhen wieder-um die Gefahr von Infektionen. Harnstoffhaltige Pflegeprodukte bieten einen guten Schutz vor Tro-ckenheit. Wichtig ist, die Socken erst anzuziehen, wenn die Creme in die Haut eingezogen ist. Sonst kann besonders zwischen den Zehen leicht ein feucht-warmes Milieu ent-stehen, was ein idealer Nährboden für Pilzinfektionen darstellt.

Sollte die Nagelpflege stets Sache des Podologen sein?Vorteilhaft ist es schon, wenn die Nägel vom Podologen versorgt wer-den. Denn diese Berufsgruppe ver-fügt über das nötige Know-how. Grundsätzlich gilt: Nägel von Dia-betespatienten sollten aufgrund der Verletzungsgefahr nicht geschnitten, sondern nur gerade und nicht zu kurz gefeilt werden. An den Nagel-enden sollte nicht zu tief gefeilt wer-den, um das Einwachsen der Nägel zu vermeiden.

Abgesehen von der Fußpflege: Wel-che Besonderheiten bestehen bei der Grundpflege noch?Patienten sollten möglichst nicht zu lange baden oder duschen, um den natürlichen Hautschutz zu erhalten. Zudem ist es für Patienten vorteil-haft – wenn man das An- und Aus-kleiden zur Grundpflege dazurech-net –, auf synthetische Kleidungsstü-cke zu verzichten. So kann Schweiß-bildung vermieden werden. Sinnvoll ist nicht zu enge, atmungsaktive Kleidung. Strümpfe sollten täglich gewechselt werden.

Kommen wir auf ein weiteres wich-tiges Thema zu sprechen: die Er-nährung. Müssen sich Diabetespa-tienten grundsätzlich einschränken und auf Genussmittel verzichten?Ganz klar nein. Bei hochaltrigen Pa-tienten gilt: Die Diabetestherapie sollte sich an den individuellen Er-nährungsgewohnheiten des Patien-ten orientieren und nicht umge-kehrt. Das Wichtigste bei dieser Pa-tientengruppe ist, eine adäquate Nährstoffversorgung mit Kohlenhy-draten, Vitaminen und Eiweiß si-cherzustellen. Dies wirkt in Verbin-dung mit einem leichten Körpertrai-ning dem sogenannten Frailty-Syn-drom entgegen, also der altersbe-dingten, chronisch herabgesetzten Belastbarkeit bei vermindertem Kraftzustand. Auf alle Bereiche der Gebrechlichkeit nimmt der Diabetes Einfluss. Um der für den Stoffwech-sel ungünstigen Abwärtsspirale ent-gegenzuwirken, ist auf eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung – wie bei jüngeren Menschen auch – zu achten. Die Vorstellung, dass sich Diabetespatienten beim Essen be-schränken müssen, ist im höheren Alter überholt. Es ist wesentlich sinnvoller, von individuellen Ge-wohnheiten wie dem Stück Torte am Sonntagnachmittag zu wissen und die Therapie entsprechend anzupassen.

Gibt es Handlungsempfehlungen für die Versorgung von Diabetes-Patienten mit Demenz?Hauptprobleme bei demenzerkrank-ten Diabetespatienten sind eine un-kontrollierte Ernährung sowie Um-herwandern und starker Bewegungs-drang. Denn dies sind stoffwechsel-wirksame Faktoren, die eine Über- oder Unterzuckerung begünstigen können. Ein weiteres relevantes Pfle-geproblem ist die bei Demenz häufig vorkommende Verweigerungshal-tung, da dies vor allem die medika-mentöse Therapie erschwert. De-menz ist in der Diabetespflege per se ein schwieriges Themenfeld und ei-ne Wunderpille gibt es nicht. Es können aber bestimmte Empfehlun-gen ausgesprochen werden.

Können Sie diese bitte kurz zusam-menfassen?

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Es ist sinnvoll, möglichst frühzeitig bestimmte Routinen einzuführen, an die sich der kognitiv eingeschränkte Patient gewöhnen kann, zum Bei-spiel im Bereich der Fußkontrolle und -pflege. Zudem sollte die beste-hende Therapie so lange wie mög-lich fortgeführt werden. Denn Ver-änderungen sind für Menschen mit Demenz bekanntermaßen kontra-produktiv. Ein weiterer wichtiger Bereich ist das Schmerzmanage-ment. Denn wenn ein demenzkran-ker Patient eine Schmerzsymptoma-tik aufgrund einer diabetischen Neu-ropathie oder Parodontose hat, soll-ten Pflegende über Instrumente und Interventionsmöglichkeiten verfü-gen, diese Schmerzen zu erkennen, einzuschätzen und zu behandeln.

Ein anderes Thema: Gibt es Neue-rungen in der ärztlichen Diabetes-therapie, die für Pflegende wichtig zu wissen sind?

Es gibt ständig Neuerungen hin-sichtlich der medikamentösen The-rapie und bei Hilfsmitteln. Einen Überblick über die neuen Medika-mente zu behalten ist nicht leicht. Viele neue Medikamente kommen eher bei jüngeren Patienten zum Einsatz, sodass Pflegende diesen in der Praxis seltener begegnen. Bei den Hilfsmitteln gibt es ein Leuchtturm-projekt, das in der Fachwelt für Fu-rore gesorgt hat: der sogenannte In-supad. Es handelt sich um ein klei-nes Gerät, das direkt auf die Haut des Patienten aufgesetzt wird. Durch elektrische Reizung wird die Haut-durchblutung stimuliert. Insulin soll so besser vom Körper aufgenommen werden. Das Gerät ist noch recht neu und es gibt bislang wenige Stu-dien. Erste Ergebnisse legen aber die Vermutung nahe, dass der Insupad tatsächlich eine bessere Diabetesein-stellung und geringere Insulinmen-gen ermöglicht. Insofern könnte das

Gerät für die Pflege künftig eine spannende Ergänzung sein. Darüber hinaus gibt es im Bereich der Hilfs-mittel ständig Weiterentwicklungen der Blutzuckermessgeräte und Pens.

Können Sie hier eine Empfehlung aussprechen?Nein, es kommt immer auf die je-weilige Therapie und die Bedürfnis-se des Patienten an. Für blinde Per-sonen gibt es zum Beispiel Messge-räte mit Sprachfunktion oder für Pa-tienten mit Sehbeeinträchtigung Geräte mit großem Display und gro-ßen Zahlen.

Vor zwei Jahren haben Sie Deutsch-lands erste und bislang einzige Dia-betespflege-Akademie gegründet. Ist eine solch spezialisierte Bil-dungseinrichtung wirklich notwen-dig?Ja, das zeigt uns die Erfahrung der vergangenen Jahre. Als wissenschaft-

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Die Schwester Der Pfleger 54. Jahrg. 1|15

le Frage, weil man hierfür eigentlich eine theoretische Fundierung bräuchte. Diese fehlt aber, weil der Bereich der diabetologischen Pflege noch recht jung ist. Daher beziehen wir uns im Diabetespflege-Quali-tätsmanagement vorrangig auf Er-kenntnisse des diabetologischen, und damit ärztlichen Bereichs. Diese ver-suchen wir für die Pflege zu trans-portieren und damit handhabbar zu machen.

Was bedeutet das konkret?Qualität in der Pflege von Diabetes-patienten betrifft zunächst einmal die Frage, wie die ärztliche Diabetes-therapie von der Pflege begleitet wird. Ein Qualitätsparameter wäre beispielsweise, ob individuelle Ziel-werte für den Blutzucker vorliegen. In der Praxis ist es ja oft so, dass der Blutzucker gemessen wird und gar keine Referenzgröße vorliegt. Dann wird es für die Pflege natürlich schwierig, die Therapie angemessen zu begleiten. Denn sie können gar nicht einschätzen, ob die Werte des Patienten akzeptabel sind. Qualität in der Diabetespflege beinhaltet also unter anderem das Vorhandensein von Zielwerten beziehungsweise Sorge dafür zu tragen, welche zu be-kommen.

Was sind weitere Qualitätspara -meter?Im Sinne der Lebensqualität sind gerade bei älteren Patienten Symp-tomfreiheit und Freiheit von Akut-komplikationen wichtige Zielgrö-ßen. Diabetesassoziierte Klinikein-weisungen und Notfallaufnahmen sollten möglichst nicht vorkommen. Das Beobachten und Abtasten von Spritzstellen sowie die Fußkontrol-len sind weitere wichtige Themen. Die Liste lässt sich natürlich weiter ergänzen: intakte Haut, gesunde Mundflora, Schmerzfreiheit. Das al-les sind Ziele, die mit einer guten Pflege erreichbar sind und zu einer guten Versorgung des Patienten bei-tragen. Um es mal an einem prakti-schen Beispiel festzumachen: Allein die Tatsache, dass eine Pflegeein-richtung täglich auf die Füße bei ei-nem Diabetespatienten schaut, spricht schon für eine gute Diabetes-

pflege-Qualität. Das bekommt das Haus nicht bezahlt, aber im Sinne der Prävention ist das ein ganz wich-tiger Punkt. Das hebt eine Einrich-tung schon positiv von anderen ab.

Was kann eine Einrichtung tun, um ihre Diabetespflege-Qualität zu ver-bessern?Ein guter Anfang ist immer ge-macht, wenn man sich einen Über-blick verschafft, wo man momentan steht. Sonst kann eine Einrichtung Änderungen nicht systematisch und strukturiert voranbringen. Wenn klar ist, was die Ziele sind und wo Defizi-te vorliegen, muss die Einrichtung Prioritäten setzen. Grundsätzlich wichtig ist aber immer die Diabetes-kompetenz. Jeder Pflegende, der Diabetespatienten betreut, sollte über sicheres Diabeteswissen verfü-gen. Natürlich muss der Pflegehelfer nicht über das gleiche Maß an Fach-wissen verfügen wie eine examinierte

Kraft – aber jeder Mitarbeiter sollte für seinen Aufgabenbereich über ein angemessenes Fundament an Diabe-teswissen verfügen. Sollten hier De-fizite bestehen, bieten sich systema-tische Fortbildungen, Schulungen oder eventuell auch E-Learning an. Weitere wichtige Punkte, um die Diabetespflege-Qualität zu verbes-sern, sind regelmäßig stattfindende Fallbesprechungen und eine gute Zusammenarbeit mit externen Part-nern. Die Versorgung sollte optima-lerweise ineinander verzahnt erfol-gen, da man so das für den Patienten beste Ergebnis und ein möglichst hohes Maß an Lebensqualität er-zielt. Und das ist schließlich das, wo-rum es in der Diabetespflege zualler-erst geht.

Frau Hodeck, vielen Dank für dieses Gespräch.

Das Interview führte Stephan Lücke.

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Die Schwester Der Pfleger/01/2015/Produktionsstrecke_Innenteil_01-15 - Seite 19 bp - 18.12.2014 13:00

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Die Schwester Der Pfleger 54. Jahrg. 1|15

le Frage, weil man hierfür eigentlich eine theoretische Fundierung bräuchte. Diese fehlt aber, weil der Bereich der diabetologischen Pflege noch recht jung ist. Daher beziehen wir uns im Diabetespflege-Quali-tätsmanagement vorrangig auf Er-kenntnisse des diabetologischen, und damit ärztlichen Bereichs. Diese ver-suchen wir für die Pflege zu trans-portieren und damit handhabbar zu machen.

Was bedeutet das konkret?Qualität in der Pflege von Diabetes-patienten betrifft zunächst einmal die Frage, wie die ärztliche Diabetes-therapie von der Pflege begleitet wird. Ein Qualitätsparameter wäre beispielsweise, ob individuelle Ziel-werte für den Blutzucker vorliegen. In der Praxis ist es ja oft so, dass der Blutzucker gemessen wird und gar keine Referenzgröße vorliegt. Dann wird es für die Pflege natürlich schwierig, die Therapie angemessen zu begleiten. Denn sie können gar nicht einschätzen, ob die Werte des Patienten akzeptabel sind. Qualität in der Diabetespflege beinhaltet also unter anderem das Vorhandensein von Zielwerten beziehungsweise Sorge dafür zu tragen, welche zu be-kommen.

Was sind weitere Qualitätspara -meter?Im Sinne der Lebensqualität sind gerade bei älteren Patienten Symp-tomfreiheit und Freiheit von Akut-komplikationen wichtige Zielgrö-ßen. Diabetesassoziierte Klinikein-weisungen und Notfallaufnahmen sollten möglichst nicht vorkommen. Das Beobachten und Abtasten von Spritzstellen sowie die Fußkontrol-len sind weitere wichtige Themen. Die Liste lässt sich natürlich weiter ergänzen: intakte Haut, gesunde Mundflora, Schmerzfreiheit. Das al-les sind Ziele, die mit einer guten Pflege erreichbar sind und zu einer guten Versorgung des Patienten bei-tragen. Um es mal an einem prakti-schen Beispiel festzumachen: Allein die Tatsache, dass eine Pflegeein-richtung täglich auf die Füße bei ei-nem Diabetespatienten schaut, spricht schon für eine gute Diabetes-

pflege-Qualität. Das bekommt das Haus nicht bezahlt, aber im Sinne der Prävention ist das ein ganz wich-tiger Punkt. Das hebt eine Einrich-tung schon positiv von anderen ab.

Was kann eine Einrichtung tun, um ihre Diabetespflege-Qualität zu ver-bessern?Ein guter Anfang ist immer ge-macht, wenn man sich einen Über-blick verschafft, wo man momentan steht. Sonst kann eine Einrichtung Änderungen nicht systematisch und strukturiert voranbringen. Wenn klar ist, was die Ziele sind und wo Defizi-te vorliegen, muss die Einrichtung Prioritäten setzen. Grundsätzlich wichtig ist aber immer die Diabetes-kompetenz. Jeder Pflegende, der Diabetespatienten betreut, sollte über sicheres Diabeteswissen verfü-gen. Natürlich muss der Pflegehelfer nicht über das gleiche Maß an Fach-wissen verfügen wie eine examinierte

Kraft – aber jeder Mitarbeiter sollte für seinen Aufgabenbereich über ein angemessenes Fundament an Diabe-teswissen verfügen. Sollten hier De-fizite bestehen, bieten sich systema-tische Fortbildungen, Schulungen oder eventuell auch E-Learning an. Weitere wichtige Punkte, um die Diabetespflege-Qualität zu verbes-sern, sind regelmäßig stattfindende Fallbesprechungen und eine gute Zusammenarbeit mit externen Part-nern. Die Versorgung sollte optima-lerweise ineinander verzahnt erfol-gen, da man so das für den Patienten beste Ergebnis und ein möglichst hohes Maß an Lebensqualität er-zielt. Und das ist schließlich das, wo-rum es in der Diabetespflege zualler-erst geht.

Frau Hodeck, vielen Dank für dieses Gespräch.

Das Interview führte Stephan Lücke.

gesundheitskongresse.de

Weitere Informationen: 030 / 827 87 – 5513 [email protected]

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44 Die Schwester Der Pfleger 55. Jahrg. 5|16

DEN DIABETES MANAGENTyp-1-Diabetes bei Kindern. Die Zahl der Diabetiker im Kindes- und Jugendalter steigt. Betroffene müssen lebenslang konsequente Maßnahmen durchführen, um ihren Blutzucker in Grenzen zu halten. Spezialisierte Diabetes-zentren richten ihren Fokus vor allem darauf, die Familien bestmöglich anzulernen und psychisch zu stärken.

Von Dorothee Schulte

A uf dem Schrank direkt neben der Küchentür der Familie W. liegt ein kleines Heft. Darin stehen

die Blutzuckerwerte und die gespritzten Insulin-Dosen von Timon. Seit etwa zwei Jahren weiß der heute Sechs-jährige, dass er an Typ-1-Diabetes leidet (siehe Kasten). Schon einige Monate zuvor war seiner Mutter aufgefal-len, dass der Junge mehr Durst hatte als gewöhnlich und dass er wieder anfing, ins Bett zu machen. Der Kinder-arzt wies in seinem Urin zunächst Glukose nach – ein Zeichen für einen zu hohen Blutzuckerwert, weil die Niere bei normalen Werten keinen Zucker ausscheidet. Doch eine Kontrolluntersuchung gab wieder Entwar-nung. „Da hat die Bauchspeicheldrüse vorübergehend nochmal ausreichend Insulin produziert“, erklärt Andreas W., der Vater von Timon. Die ganze Familie kennt sich inzwischen gut aus mit der Krankheit.

„Fit gemacht“ hat sie auch das Team vom Diabetes-zentrum der Darmstädter Kinderkliniken Prinzessin Margaret. Etwa ein halbes Jahr nach den ersten Sympto-men stellte Timons Kinderarzt die Diagnose und wies ihn in die Klinik ein. Im Rahmen des stationären Auf-enthaltes stand neben der Einstellung seines Blutzuckers durch eine Insulintherapie die Aufklärung der Familie im Vordergrund. „Wir kannten Diabetes zu diesem Zeit-punkt nur im Zusammenhang mit älteren Menschen“, erzählt Andreas W., „in der Klinik haben meine Frau und ich viele Gespräche geführt und uns mit dem Thema auseinandergesetzt.“

Wie gut die Familien betroffener Kinder mit der chronischen Erkrankung zurechtkommen, hängt wesent-lich von der ersten Zeit nach der Diagnosestellung ab. „Viele Eltern fühlen sich überfordert und weinen erst einmal viel“, erzählt Martina Meuren, Kinderkranken-schwester auf der Station A der Darmstädter Kinder-

Viel Wissen erforderlichFür Kinder mit Diabetes und ihre Familien gibt es eine Menge zu lernen. Sie müssen wissen,

wie Insulin wirkt, was Broteinheiten sind und wie die Insulindosis entsprechend der

Ernährung berechnet wird. Sie müssen lernen, den Blutzucker zu messen und Insulin zu

verabreichen. Und sie müssen wissen, was im Falle einer Über- und Unterzuckerung zu tun ist

kliniken. Dann gelte es, ihnen die Angst zu nehmen und geduldig zu erklären, dass man mit Diabetes heute ganz gut leben könne. Seit 26 Jahren arbeitet die 56-Jährige bereits auf der Station und hat in dieser Zeit unzählige Kinder mit der Krankheit „großwerden“ sehen. Denn die Patienten kommen nicht nur nach der Diagnosestellung, sondern im Verlauf auch zu weiteren Schulungen und mitunter mit Blutzuckerentgleisungen oder zur Therapie anderer Erkrankungen.

Tatsächlich stehen den Betroffenen heute gute Be-handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Zwar ist der Typ-1-Diabetes bis heute nicht heilbar, wenn auch viele Forschungsansätze, wie die Transplantation von Insulin-produzierendem Inselgewebe, einen Weg dafür suchen. Dennoch haben Typ-1-Diabetiker heute durch gut verträgliche synthetische Insuline und technische Hilfs-mittel, wie leicht händelbare Blutzucker-Messgeräte, Insulinpumpen und Pens gute Voraussetzungen, trotz den Umständen eine gute Lebensqualität zu erreichen und durch konsequente Messungen und entsprechende Insulingaben gefährliche Entgleisungen und langfristige Folgeschäden zu verhindern.

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Die Schwester Der Pfleger 55. Jahrg. 5|16 45

Pflegen + Unterstützen

Diabetes mellitus – der „honigsüße Durchfluss“Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, bei der es zu einem Anstieg der Glukose (Traubenzucker, unser wichtigster Energielieferant) im Blut kommt. Weil Glukose osmotisch wirksam ist, zieht es vermehrt Flüssigkeit aus dem Gewebe, die dem Körper dann über die Niere verloren geht. Symptome sind daher starker Durst, eine hohe Urinausscheidung und eine trockene Haut. Unbehandelt kann der Blutzucker immer weiter steigen und schließlich ein lebensbedrohliches diabetisches Koma auslösen. Außerdem führen hohe Werte langfristig zu Gefäß- und Nervenschäden, erhöhen das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen und können Nieren- oder Augenschäden verursachen.

Der Begriff Diabetes mellitus stammt aus dem Griechischen und bedeutet „honigsüßer Durchfluss“. Im Mittelalter diagnostizierten Ärzte die Krankheit aufgrund des süßen Uringeschmacks. Heute stehen dafür Schnelltests zur Verfügung. Auch den Blutzuckerwert kann heute jeder medizinische Laie – mithilfe kleiner Geräte – leicht selbst aus einem Bluttropfen bestimmen. Ärzte messen außerdem bestimmte Langzeitwerte, wie das HbA1, die Rückschluss über den durchschnitt-lichen Blutzucker der vergangenen Wochen liefern.

Zu einem Diabetes kommt es zum Beispiel, wenn die Bauch- speicheldrüse kein oder nicht mehr genug Insulin produziert. Dieses Hormon ist dafür zuständig, den Zucker aus dem Blut in die Zellen zu schleusen. Typ-1-Diabetes entsteht durch einen Autoimmunprozess, der die Insulin-produzierenden Betazellen in den Langerhansschen Inseln der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) zerstört. Warum das Immun-system die Zellen angreift, ist bisher nicht bekannt. Experten vermuten, dass unter anderem bestimmte Infektionen eine Rolle spielen. Bei dem Typ-2-Diabetes hingegen bildet die Bauchspeicheldrüse zwar Insulin. Es verliert aber zunehmend seine Wirksamkeit.

Während Typ-1-Diabetes die Lebensgewohnheiten nach dem heutigen Wissensstand keine Rolle spielen, begünstigen den Typ-2-Diabetes bestimmte Faktoren wie Übergewicht, Bewegungsmangel und eine ungesunde Ernährung.

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46 Die Schwester Der Pfleger 55. Jahrg. 5|16

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Ganz normale Kinder

Je schneller die Familien die Krankheit akzeptieren, desto eher seien sie offen für die notwendigen Maßnahmen. Etwa zehn bis 14 Tage bleiben die Kinder nach der Erst-diagnose in der Klinik, je nach Alter in Begleitung eines Elternteils. Bei Timon fiel der Aufenthalt 2013 sogar über Weihnachten. Da habe die Station einen Baum auf-gestellt und die Familie mitsamt Timons älterem Bruder und Großeltern zusammen gefeiert, erzählt der Vater. Alles sollte so normal wie möglich weiterlaufen, damit das Kind nicht das Gefühl bekommt, etwas Schlimmes sei eingetreten. Zwar seien in der ersten Zeit bei seiner Frau schon ab und an ein paar Tränen geflossen, erinnert sich Andreas W. Doch Timon habe davon nichts mitbe-kommen. „Du bist ein ganz normaler Junge“, habe der Vater ihm erklärt, „nur produziert dein Körper kein Insulin mehr, aber dafür hast du jetzt deine Pumpe als Freund.“

Schon von Anfang an habe der damals Vierjährige seinen Blutzucker selbst gemessen. „Wir lernen Kinder etwa ab drei Jahren dazu an“, sagt die Kinderkranken-schwester Meuren, „zuerst führen wir ihnen die Hände, später machen sie das ganz allein.“ Wenn ein Patient das nicht wolle, dann müssten die Eltern das übernehmen. Manchen falle der Stich in den Finger zunächst schwer. Die Kinder können das dann an einem großen Teddy, die Eltern an sich selbst ausprobieren. „Mit der Zeit ist das in der Regel kein Problem mehr“, so Meuren.

Etwa 250 Kinder und Jugendliche mit Diabetes mel-litus im Quartal behandelt und betreut das Zentrum. Mit zum Team gehören neben Pflegekräften und Ärzten auch Fachpsychologen für Diabetes und Diabetesberaterin-nen. Die Kinderkrankenschwester Stephanie Kempe hat sich schon in den 1990ern von der Deutschen Diabetes Gesellschaft zur Beraterin ausbilden lassen, dann das Zentrum mit aufgebaut und schult seither die stationären und ambulanten kleinen Patienten, ihre Eltern, aber auch Erzieher und Lehrer.

Eltern benötigen viel medizinisches Know-how

Mindestens 30 Stunden Unterricht bekommen die Fami-lien als Grundschulung im Rahmen des stationären Auf-enthaltes nach der Diagnosestellung. „Sie müssen bei der Entlassung in der Lage sein, den Diabetes zu managen“, erzählt sie. Dazu gehören unter anderem ein gutes Ver-ständnis der Krankheit und der medizinischen Zusam-menhänge, was eine Unterzuckerung und eine Überzu-ckerung bedeuten und welche Maßnahmen sie erfordern. „Sie müssen wissen, wie Insulin wirkt, welche Lebens-mittel sie abwiegen müssen, was Broteinheiten sind und wie die Insulindosis entsprechend der Ernährung berech-net wird“, zählt Kempe auf, „und sie müssen den Blut- zucker messen und Insulin verabreichen lernen.“ Klein-kinder bekommen in der Regel von der Krankenkasse eine Pumpe bezahlt, die ihren Körper kontinuierlich mit In-sulin versorgt. Dann ist es Aufgabe der Eltern, die Kathe-

ter zu wechseln und zu den Mahlzeiten und bei Bedarf Boli zu geben. Ohne Pumpe müssen sie das synthetische Hormon entsprechend mehrmals täglich injizieren.

Typ-1-Diabetes kann zwar prinzipiell in jedem Alter auftreten, gehäuft erkranken aber Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Vor allem bei Kleinkindern steigt die Zahl der Neuerkrankungen. Je nach Alter bei der Manifestation gibt es laut Kempe Besonderheiten. So seien Kleinkinder in ihrem Essverhalten oft schwer kal-kulierbar. Auf ein „Ich habe einen Riesenhunger“ seien sie manchmal trotzdem schon nach wenigen Löffeln satt. Da mache es unter Umständen Sinn, das Insulin erst nach dem Essen zu spritzen. „Grundschulkinder sind hingegen in der Regel sehr gut zu händeln“, erzählt Kem-pe. Sie würden sich über kleine Trostgeschenke freuen und seien stolz, wenn sie den Blutzucker selbst messen. Außerdem seien die Eltern „dicht dabei“.

Kein Platz mehr für Diabetes

Das ändere sich aber gewöhnlich in der Jugend. „Puber-tierende wollen autonom sein und ihre Eltern nicht mehr immer mit im Boot haben“, erzählt sie. Hinzu kämen weitere Schwierigkeiten. Teenager haben ein starkes Bedürfniss, nicht anders zu sein als ihre Freunde. Heran-wachsende machen oft erste Erfahrungen mit Alkohol-konsum. „Besonders in Verbindung mit Tanzen kann das zu Unterzuckerung führen“, so Kempe. Denn wenn die Leber mit dem Abbau des Alkohols beschäftigt sei, vermindere das die Zuckerneubildung, und durch die Be-wegung verbrauche der Körper viel Energie. Auch wollen Jugendliche möglichst frei von Zwängen, ungeplant in den Tag leben und unbeschwert sein. „Diabetes und Pubertät, das passt nicht zusammen“, sagt Kempe.

Auch eine Reihe anderer Faktoren erschweren das Management. Bereits bestehende Probleme in der Fami-lienstruktur ließen oft nicht ausreichend Platz für den Diabetes. So seien etwa berufstätige Mütter auf ein gutes Netzwerk und die Kooperation der Erzieher in Kinder-gärten angewiesen, so die Beraterin.

„Hypomännchen“ zeigt Symptome einer Unterzuckerung

Damit die Familien auch in schwierigen Situationen bestmöglich zurechtkommen, bietet das Zentrum ihnen eine Reihe von Unterstützungen, darunter Schulungen wie „Fit für die Schule“, in dem die Diabetesberaterinnen Kindern Tipps geben, wie sie ihren Freunden erklären können, was an ihnen besonders ist, und wann sie etwa im Kindergarten einer Erzieherin Bescheid sagen müs-sen. Um die körperlichen Symptome einer Unterzucke-rung anschaulich zu erklären, hängt im Zentrum ein von Kindern gemaltes „Hypomännchen“, mit den zu den ver-schiedenen Körperstellen gehörenden Erscheinungen.

Timon kennt sich inzwischen schon so gut damit aus, dass er eine Unterzuckerung schon bei noch fast norma-len Werten spürt. „Er hat dann ein komisches Gefühl

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und kann das schon selbst managen“, erzählt sein Vater. Einmal habe er angerufen und gesagt: „Mama, ich hab 65 gehabt und zwei Traubenzucker gegessen.“

Trotzdem müssen auch Erzieher und Lehrer ent-sprechend über die Erkrankung Bescheid wissen. Timons Vater hat das tatkräftig selbst in die Hände genommen, einen Vortrag im Kindergarten seines Sohns gehalten und die wichtigsten Punkte schriftlich zur Verfügung gestellt. Das Zentrum bietet ebenfalls regelmäßig ent-sprechende Kurse.

Auch für ältere Kinder gibt es dort Angebote. Im „Wake up“-Kurs finden Jugendliche verständnisvolle, professionelle Gesprächspartner für ihre Probleme und bleiben schon mal eine gewisse Zeit danach mit anderen Betroffenen über eine WhatsApp-Gruppe in Ver- bindung. Mit dem Workshop 16+ möchte das Zentrum die Heranwachsenden schließlich an ihre Zukunft als Erwachsene heranführen. Dort besprechen die Berate-rinnen allgemeine Fragen, wie „Wie lief es bisher?“ oder „Wo siehst du dich in der Zukunft?“. Aber auch konkrete Themen, zum Beispiel Sexualität und Schwangerschaft, kommen zur Sprache. Mit den Eltern bleibt das Team ebenfalls weiter in Kontakt und bespricht die anfallenden Probleme und bietet psychologische Unterstützung.

Das Beste daraus machen

Timon steht die Pubertät noch bevor. Doch sein Vater will es gelassen angehen. Es gebe Dinge, sagt er, die könne man nicht beeinflussen. Die müsse man hin- nehmen und das Beste draus machen. Nur ein einziges Mal habe Timon bisher gesagt, er wolle kein Diabetiker mehr sein. „Ich habe ihm gesagt, dass er sich das zwar nicht aussuchen könne, aber dass es auch nichts Schlimmes sei“, erzählt Andreas W. Die Familie hat den Diabetes von Timon akzeptiert und die notwendigen Maßnahmen in ihren Alltag integriert.

Doch trotz aller Konsequenz: Nicht immer gelingt es, die Blutzuckerwerte in einem „normalen“ Bereich zu halten. Aber starke Abweichungen über einen längeren Zeitraum und damit Folgeschäden zu vermeiden, „dafür geben wir alles“, so der Vater.

Dorothee Schulte ist Krankenschwester und Wissenschaftsjournalistin. Sie schreibt schon seit vielen Jahren für Die Schwester Der Pfleger. Mail: [email protected]

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28 Die Schwester Der Pfleger 57. Jahrg. 2|18

Den Druck nehmenEine besonders gefährliche Folge einer

Diabeteserkrankung ist der diabetische Fuß. Im schlimmsten Fall droht eine Amputation. Durch eine sachgerechte Therapie unter Mitarbeit des Betroffenen und eine gute Pflege der Füße lässt sich diese Komplikation oft verhindern.

Von Kerstin Protz

I n Deutschland sind über sechs Millionen Menschen an Diabetes

mellitus erkrankt. Jährlich gibt es zirka 300 000 Neuerkrankungen. Ei-ne Folge ist das diabetische Fußsyn-drom (DFS), das eine Vielzahl von pathologischen Veränderungen auf-grund einer Diabeteserkrankung zu-sammenfasst. Die schwerwiegends-ten Folgen sind Fußulzera, Infektio-nen und Amputationen. Zwei bis zehn Prozent aller Diabetiker entwi-ckeln im Laufe ihres Lebens ein Fußulkus. Jährlich werden 12 000 Diabetespatienten hauptsächlich aufgrund von Durchblutungsstörun-

gen und Infektionen oberhalb des Sprunggelenks amputiert (Major-amputation). Hinzu kommen knapp 30 000 Minoramputationen.

Ursachen des diabetischen Fußsyndroms

Das diabetische Fußsyndrom um-fasst verschiedene krankhafte Verän-derungen an den Füßen von Men-schen mit Diabetes mellitus. Hierzu gehören Nagelbettentzündungen, Pilzbefall, Fußdeformitäten bis hin zum Zusammenbruch des Fußge-wölbes, Infektionen und Fußulzera-

Das diabetische Fußsyndrom

tionen. Die Erkrankung ist gekenn-zeichnet durch lang anhaltende, ho-he Blutzuckerwerte. Diese sind ur-sächlich für Folgeschäden an Gefäß- und Nervensystem.

Die Hauptursachen für das Dia-betische Fußsyndrom sind zu etwa 50 Prozent die Polyneuropathie, zu etwa 15 Prozent die periphere arte-rielle Verschlusskrankheit (pAVK) und zu etwa 35 Prozent eine Mi-schung aus beiden. Bei der Polyneu-ropathie sind die sensorischen, mo-torischen und autonomen Nervenfa-sern geschädigt. Typische Symptome sind Verhornungen (Hyperkerato-

Foto

: Ker

stin

Pro

tz

Foto: Getty Images/Kameleon007

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28 Die Schwester Der Pfleger 57. Jahrg. 2|18

Den Druck nehmenEine besonders gefährliche Folge einer

Diabeteserkrankung ist der diabetische Fuß. Im schlimmsten Fall droht eine Amputation. Durch eine sachgerechte Therapie unter Mitarbeit des Betroffenen und eine gute Pflege der Füße lässt sich diese Komplikation oft verhindern.

Von Kerstin Protz

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mellitus erkrankt. Jährlich gibt es zirka 300 000 Neuerkrankungen. Ei-ne Folge ist das diabetische Fußsyn-drom (DFS), das eine Vielzahl von pathologischen Veränderungen auf-grund einer Diabeteserkrankung zu-sammenfasst. Die schwerwiegends-ten Folgen sind Fußulzera, Infektio-nen und Amputationen. Zwei bis zehn Prozent aller Diabetiker entwi-ckeln im Laufe ihres Lebens ein Fußulkus. Jährlich werden 12 000 Diabetespatienten hauptsächlich aufgrund von Durchblutungsstörun-

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Das diabetische Fußsyndrom

tionen. Die Erkrankung ist gekenn-zeichnet durch lang anhaltende, ho-he Blutzuckerwerte. Diese sind ur-sächlich für Folgeschäden an Gefäß- und Nervensystem.

Die Hauptursachen für das Dia-betische Fußsyndrom sind zu etwa 50 Prozent die Polyneuropathie, zu etwa 15 Prozent die periphere arte-rielle Verschlusskrankheit (pAVK) und zu etwa 35 Prozent eine Mi-schung aus beiden. Bei der Polyneu-ropathie sind die sensorischen, mo-torischen und autonomen Nervenfa-sern geschädigt. Typische Symptome sind Verhornungen (Hyperkerato-

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Die Schwester Der Pfleger 57. Jahrg. 2|18 29

Praxis

sen) an der Fußsohle sowie Horn-hautschwielen an druckexponierten Stellen. Zudem können sich Hüh-neraugen, Warzen oder Blasen aus-bilden. Die Haut ist rosig, warm, tro-cken und rissig (Rhagaden). Hinzu kommt Pilzbefall an Nägeln und Haut.

Aufgrund der gestörten Nerven-versorgung ist ein normaler Abroll-vorgang beim Laufen nicht mehr möglich. Der Betroffene geht wa-ckelig, unsicher und „wie auf Watte“. Eine dadurch bedingte Atrophie der Fußmuskeln führt zur Ausbildung von Krallen-/Hammerzehen, zu Ge-lenkschwellungen, und es kann sich ein Hohl-, Senk-, Spreizfuß entwi-ckeln. Die drastischste Folge ist der Zusammenbruch des Fußgewölbes (Charcot-Fuß). Die Haut reagiert auf die unphysiologische Druckbe-lastung beim Laufen mit verstärkter Hornhautausbildung. Unter der Hornhaut kann es als Spätfolge zum sogenannten Mal perforans, einem Druckulcus kommen.

Zudem verursacht die Polyneu-ropathie Missempfindungen wie Kribbeln, Taubheit oder ein Kältege-fühl an warmen Tagen. Temperatu-ren und Schmerzen werden nur ein-

geschränkt oder gar nicht mehr wahrgenommen. Dadurch erhöht sich das Verletzungsrisiko. Der Be-troffene nimmt den Fuß nicht mehr als Teil seines Körpers wahr. Dies be-zeichnet der Dortmunder Diabeto-loge Dr. A. Risse als Leibesinsel-schwund. Aufgrund dieser gestörten Wahrnehmung bilden sich dort Ul-zerationen oft unbemerkt aus und werden bagatellisiert. Hinzu kommt, dass solchen Patienten oft ein Krankheitsverständnis und somit die Einsicht in die Notwendigkeiten der Therapie fehlen.

Bei der pAVK kommt es durch Verengungen und Verschlüsse der Arterien zu einer Minderung oder Unterbrechung des Blutflusses. Die Haut ist dünn, pergamentartig und blass-bläulich. Die Füße sind kalt und meist unbehaart. Die Betroffe-nen klagen über Wadenkrämpfe und Schmerzen beim Laufen und kön-nen nur noch kurze Gehstrecken zu-rücklegen (Schaufensterkrankheit). Nachts beziehungsweise im Liegen tritt häufig ein Ruheschmerz auf, der sich durch Heraushängen der Füße aus dem Bett bessert. Schmerzen, Berührungen und Temperaturen werden normal empfunden. Wunden

und Läsionen sind meist äußert schmerzhaft und bilden sich an den äußeren Extremitätenenden, den Zehen, aus.

Zur Klassifikation des neuropa-thisch-ischämischen diabetischen Fußes wird die kombinierte Eintei-lung nach Wagner-Armstrong ge-nutzt (Abb. 1).

Umfassend behandeln

Die Behandlung der Ursachen, die ein diabetisches Fußsyndrom auslö-sen, steht im Vordergrund der The-rapie. Hierzu zählt die Optimierung des Blutzuckers, das heißt regel- mäßige Stoffwechselkontrollen und die Therapie von internistischen Begleiterkrankungen. Der HbA1c- Wert sollte bei Typ-2-Diabetes in-nerhalb einer Spanne von 6,5 bis 7,5 Prozent liegen (AWMF 2013, Nationale VersorgungsLeitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes). Bei Typ-1-Diabetes wird ein Wert un-terhalb von 7,5 Prozent empfohlen (AWMF-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes, Deutsche Diabetes Gesellschaft 2011). Ein sorgfältig geführter Diabetespass zeigt Verän-derungen auf.

Wichtiger SchutzEine gute Hautpflege, gutes Schuhwerk und eine regelmäßige Inspektion tragen wesentlich zur Vorbeugung bei

Foto: Getty Images/Ocskaymark

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Praxis

Zudem sollten zeitnah eine Be-handlung der pAVK durch Revasku-larisation, zum Beispiel Bypass, Ge-fäßdilatation, Stent-Einlage, sowie eine Infektionsbehandlung erfolgen. Lokale Infekte sind mit Lokalanti-septika zu therapieren, auf Basis von Octenidin (z. B. Octenisept®) oder Polihexanid (z. B. Serasept®). Neben diesen flüssigen beziehungsweisen halbfesten Wundantiseptika bietet der Markt diverse antiseptische

Wundauflagen mit Silber oder Poli-hexanid (PHMB) sowie hydrophobe Produkte (Cutimed® sorbact), die Keime binden, zur Versorgung von infizierten Wunden an.

Bei systemischen Infekten ist nach Antibiogramm-Bestimmung eine systemische Antibiotikagabe abzuwägen. Beim Charcot-Fuß soll-ten zeitnah chirurgische Maßnah-men erfolgen. Zudem sind gegebe-nenfalls weitere Operationen wie

Hallux-Valgus-OP, Resektion des Mittelfußknochens sowie Minor- oder Majoramputation notwendig. Bei geplanten Amputationen ist grundsätzlich eine Zweitmeinung einzuholen!

Druckentlastung: Eine wesentliche Therapiemaßnahme ist die wirksa-me Druckentlastung des betroffenen Fußes. Eine neuere, effektive Me-thode ist das Filzen. Hierbei werden

Wagner-Grad

Armstrong-Stadium

A

B

C

D

0

Deformität oder Hyperkeratose, keine Läsion

Mit Infektion

Mit Ischämie

Mit Infektion und Ischämie

1

Oberflächliche Wunde

Mit Infektion

Mit Ischämie

Mit Infektion und Ischämie

2

Tiefes Ulcus bis zur Gelenkkap-sel, zu Sehnen oder Knochen

Mit Infektion

Mit Ischämie

Mit Infektion und Ischämie

Abb. 1Die Wagner-Armstrong-Klassifikation des neuropathisch-ischämischen diabetischen Fußes

Wagner-Grad

Armstrong-Stadium

A

B

C

D

3

Tiefes Ulcus mit Abszedierung, Osteomyelitis, Infektion der Gelenkkapsel

Mit Infektion

Mit Ischämie

Mit Infektion und Ischämie

4

Vorfuß- oder Fersennekrose

Mit Infektion

Mit Ischämie

Mit Infektion und Ischämie

5

Nekrose des gesamten Fußes

Mit Infektion

Mit Ischämie

Mit Infektion und Ischämie

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Praxis

Zudem sollten zeitnah eine Be-handlung der pAVK durch Revasku-larisation, zum Beispiel Bypass, Ge-fäßdilatation, Stent-Einlage, sowie eine Infektionsbehandlung erfolgen. Lokale Infekte sind mit Lokalanti-septika zu therapieren, auf Basis von Octenidin (z. B. Octenisept®) oder Polihexanid (z. B. Serasept®). Neben diesen flüssigen beziehungsweisen halbfesten Wundantiseptika bietet der Markt diverse antiseptische

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Bei systemischen Infekten ist nach Antibiogramm-Bestimmung eine systemische Antibiotikagabe abzuwägen. Beim Charcot-Fuß soll-ten zeitnah chirurgische Maßnah-men erfolgen. Zudem sind gegebe-nenfalls weitere Operationen wie

Hallux-Valgus-OP, Resektion des Mittelfußknochens sowie Minor- oder Majoramputation notwendig. Bei geplanten Amputationen ist grundsätzlich eine Zweitmeinung einzuholen!

Druckentlastung: Eine wesentliche Therapiemaßnahme ist die wirksa-me Druckentlastung des betroffenen Fußes. Eine neuere, effektive Me-thode ist das Filzen. Hierbei werden

Wagner-Grad

Armstrong-Stadium

A

B

C

D

0

Deformität oder Hyperkeratose, keine Läsion

Mit Infektion

Mit Ischämie

Mit Infektion und Ischämie

1

Oberflächliche Wunde

Mit Infektion

Mit Ischämie

Mit Infektion und Ischämie

2

Tiefes Ulcus bis zur Gelenkkap-sel, zu Sehnen oder Knochen

Mit Infektion

Mit Ischämie

Mit Infektion und Ischämie

Abb. 1Die Wagner-Armstrong-Klassifikation des neuropathisch-ischämischen diabetischen Fußes

Wagner-Grad

Armstrong-Stadium

A

B

C

D

3

Tiefes Ulcus mit Abszedierung, Osteomyelitis, Infektion der Gelenkkapsel

Mit Infektion

Mit Ischämie

Mit Infektion und Ischämie

4

Vorfuß- oder Fersennekrose

Mit Infektion

Mit Ischämie

Mit Infektion und Ischämie

5

Nekrose des gesamten Fußes

Mit Infektion

Mit Ischämie

Mit Infektion und Ischämie

Die Schwester Der Pfleger 57. Jahrg. 2|18 31

Praxis

selbstklebende Filzplatten zur Ent-lastung des Mal perforans individuell zurechtgeschnitten und mit Fixier-klebevlies appliziert. Dies gewähr-leistet eine permanente Druckent-lastung, auch wenn der Betroffene ohne entlastendes Schuhwerk nur barfuß oder auf Socken durch die Wohnung geht.

Bei bereits bestehenden Defor-mationen oder Ulzerationen ist eine individuell angepasste orthopädische Schuhversorgung mit spezieller Fuß-bettung erforderlich, zum Beispiel mit diabetesadaptierter Weichbet-tung und Sohlenzubereitung, gege-benenfalls mit Abrollhilfe. Als Grundausstattung sind zwei Paar Straßen- und ein Paar Hausschuhe verordnungs- und erstattungsfähig. Alle zwei Jahre können die Straßen- und alle vier Jahre die Hausschuhe neu verordnet werden.

Zudem ist spezielles orthopädi-sches Schuhwerk notwendig, zum Beispiel Orthesen, Total Contact Cast in Zwei-Schalen-Technik (TCC), orthetische Vakuum-Stütz-Systeme (z. B. VACO®ped Diabetic, AIRCAST® AIRSELECT® ELITE), Interimschuhe (z. B. VACO® paso Free) oder Langzeitverbandschuhe. Auch eine anfängliche Bettruhe so-wie der Hilfsmitteleinsatz von Roll-stuhl oder Unterarmgehstützen können eine Druckentlastung un-terstützen.

Cave: Der Einsatz eines Vorfuß-entlastungsschuhs sollte nicht erfol-gen! Über dessen keilförmige Aus-sparung im Vorfußbereich kann nicht abgerollt werden. Dennoch versucht der Betroffene, „normal“ damit zu gehen. Das unsichere Gangbild aufgrund der Neuropathie wird noch verstärkt. Dadurch besteht ein erhöhtes Sturzrisiko. Aus dem Vorfußentlastungsschuh wird somit ein Vorfußbelastungsschuh!

Hautpflege: Die Haut des Betroffe-nen ist aufgrund der reduzierten Schweißproduktion schuppig und trocken. Daher ist diese mindestens einmal täglich mit Cremes oder Schäumen, die schnell einziehen, auf Wasser-in-Öl-Basis mit Feuchthalte-faktoren, wie Urea, zu pflegen. Um Mazerationen und Pilzbefall vorzu-

beugen, sind die Zehenzwischenräu-me auszusparen. Bei Pilzbefall ist der Einsatz von Antimykotika nach der-matologischer Abklärung erforder-lich. Zur Vorbeugung von Mazeratio-nen im Zwischenzehenbereich eig-nen sich transparente Hautschutzfil-me. Vor Applikation ist unbedingt ein Pilzbefall auszuschließen!

Tipp: Zum Schutz vor Druck und Feuchtigkeit, wie Schweiß und Wundexsudat, aber auch Pilzbefall lässt sich ein grob- und gemischt-poriger, individuell zugeschnittener Polyurethanschaum (LIGASANO® weiß) verwenden, zum Beispiel in den Zehenzwischenräumen, aber auch als Schutz eines Mal perforans, der Ferse oder der Knöchel. Zudem können einzelne Kompressenstreifen zum Schutz in die Zehenzwischen-räume gelegt werden, damit sich dort kein Pilzbefall entwickelt oder sich durch Aneinanderreiben der Zehen Ulzerationen ausbilden. Die Kom-presse sollte dabei nicht schlangen-förmig durch die Zwischenräume geführt werden. Sie würde die Zehen unphysiologisch nach oben und un-ten beugen und Fehlstellungen un-terstützen.

Wundversorgung: Ein weiteres Au-genmerk liegt auf der lokalen Wund-situation. Zunächst wird per Wund-débridement, zum Beispiel chirur-gisch, biochirurgisch, mechanisch oder autolytisch die Wunde von avi-talem Gewebe gereinigt sowie Hy-perkeratosen im Bereich von Wund-rand und -umgebung entfernt. Eine Ausnahme ist das arterielle oder ge-mischt arteriell-neuropatische diabe-tische Ulcus mit trockener Nekrose. Solche Nekrosen sind erst im An-schluss an eine erfolgreiche Revas-kularisation oder zur Entlastung akuter Infektionen zu entfernen. Sie dürfen keinesfalls vor einem solchen Eingriff angeweicht werden. Bis da-hin sind nur trockene Verbandwech-sel durchzuführen!

Nach ausführlicher Wundreini-gung folgt dann eine individuelle, phasenadaptierte Wundversorgung. Als Standardabdeckung gelten fein-porige Polyurethanschaumverbände. Diese sind für Wunden mit mittlerer Exsudation und für solche mit wenig

Exsudat als „Lite-Variante“ gut geeig-net. Aufgrund der trockenen, rissigen Haut sollten Produkte ohne Klebeflä-chen oder gegebenenfalls mit haut-freundlicher Silikonbeschichtung ge-wählt werden. Eine Fixierung erfolgt durch locker angelegte, nicht ein-schnürende elastische Mullbinden und/oder einen Schlauchverband (Achtung: keinen Druck auf den Ze-hen durch abschließende Drehungen provozieren!).

Cave: Ein Einsatz von Hydro-kolloidverbänden ist kritisch zu sehen. Durch die Polyneuropathie bemerken Patienten Entzündungs-zeichen oft nicht. Aufgrund des schlechteren Gasaustauschs bei die-sen Produkten und gegebenenfalls zu langer Wechselintervalle kann sich unbemerkt eine Infektion ausbilden. Zudem kann die Haut durch die Hydrokolloidklebeflächen weiter ge-reizt werden.

Podologie: Bestandteil der soge-nannten podologischen Komplexbe-handlung sind regelmäßige Fuß-, Nagel-, Hautinspektion und -pflege, die Behandlung krankhaft verdickter und eingewachsener Zehennägel und das regelmäßige Abtragen der Hornhaut. Betroffene sollten regel-mäßig – alle vier bis sechs Wochen – eine solche Behandlung wahrneh-men. Die Kostenübernahme erfolgt für Wagner-Grad 0 durch die Kran-kenkasse. Ab Wagner-Grad 1, das heißt bei bestehenden Wunden, ist eine Behandlung von Hautdefekten und Entzündungen sowie einge-wachsenen Zehennägeln ärztliche Leistung.

Interdisziplinäre und interprofessio-nelle Zusammenarbeit: Für die be-schriebenen, umfassenden Therapie-maßnahmen ist eine reibungslose Zusammenarbeit von vielen Berufs-gruppen erforderlich, wie Internis-ten/Diabetologen, Gefäßchirurgen, Angiologen, Dermatologen, Pflege-fachkräften, Wundexperten, Podolo-gen, Diabetesberatern, Ernährungs-beratern, Physiotherapeuten und Orthopädie-Schuhtechnikern. In Deutschland gibt es diverse speziali-sierte diabetische Fußnetze/-zentren sowie Fußsprechstunden und Diabe-

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32 Die Schwester Der Pfleger 57. Jahrg. 2|18

tesambulanzen. Eine zeitnahe Über-weisung zum Spezialisten optimiert die Therapie und beugt einer Ver-schlimmerung des Krankheitsbildes vor. Unter spezialisierter Behand-lung gibt es deutlich weniger Major-amputationen, weniger stationäre Aufenthalte und weniger Komplika-tionen.

Effektiv vorbeugen

Diabetesberater vermitteln Betroffe-nen und ihren Angehörigen durch Schulungen allgemeine Informatio-nen zum Krankheitsbild, zur diabe-tesgerechten Ernährung und über-wachen therapeutische Maßnah-men. Solche Schulungen sind halb-jährlich verordnungs- und erstat-tungsfähig. Sie befähigen Betroffene, Risikofaktoren und Anzeichen, die der Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms vorausgehen, zu er-kennen und motivieren zu regelmä-ßigen Arztbesuchen. Zu den Inhal-ten gehören die regelmäßige, selbst-ständige Blutzuckermessung, die tägliche Selbstuntersuchung der Fü-ße sowie die Inspektion und Austas-tung der Schuhe vor dem Anziehen. Zudem wird Wissen über eine sach-gerechte, verletzungsfreie Fußpflege und zu einer angepassten Ernährung vermittelt.

Fußinspektion und -pflege: Bewe-gungseingeschränkte Patienten mit ausreichendem Sehvermögen kön-nen einen langstieligen Handspiegel zur selbstständigen täglichen Fußin-spektion nutzen. Hierbei werden die Füße auf Hühneraugen, Hornhaut, Druckstellen, Einblutungen, Risse, eingewachsene Zehennägel, Pilzbe-fall, Fuß- und Zehdeformitäten, Ver-letzungen und Entzündungen begut-achtet. Die Reinigung der Füße er-folgt täglich mit pH-hautneutraler Waschlotion und einem weichen Waschlappen. Sie werden vorsichtig und gründlich, insbesondere in den Zehenzwischenräumen, abgetrock-net. Mittels Feile oder Bimsstein kann Hornhaut schonend entfernt werden. Optimal ist eine regelmäßige Fußpflege durch einen Podologen.

Cave: Aufgrund von Verlet-zungsgefahr sind Hornhauthobel,

Rasierklingen, Nagelzwicker, Sche-ren, Hornhaut- oder Hühneraugen-pflaster nicht zu verwenden.

Schuhe und Strümpfe: Schuhe soll-ten grundsätzlich abends gekauft werden, wenn die Füße dicker sind. Sie sollten aus weichem Leder sein, über flache Absätze verfügen und keine drückenden Nähte und Ösen haben. Um Verletzungen zu vermei-den, ist auf einen gepolsterten Ein-schlupf sowie auf eine ausreichende Länge, Breite und Höhe zu achten. Eine Pappschablone des eigenen Fu-ßes kann beim Kauf als Orientierung dienen. Bei Bedarf sind orthopädi-sche Maßschuhe erforderlich (siehe oben). Die Bestrumpfung sollte nahtlos, ohne einengende Bündchen und aus atmungsaktivem Material, wie Mikrofaser, Wolle oder Baum-wolle sein, um Verletzungen und Pilzrisiken vorzubeugen. Das Tragen von hellen Farben ist hilfreich, um mögliche Verletzungen zeitnah zu erkennen.

Sonstiges: Aufgrund von Verbren-nungsgefahr sollte der Betroffene grundsätzlich auf die Verwendung von Wärmflaschen und Heizdecken verzichten. Zudem besteht eine Ver-letzungsgefahr bei offenen Schuhen oder Barfußlaufen, da mögliche Fremdkörper nicht gespürt werden. Dieses Risiko besteht ebenfalls bei Bettbrettern. Daher sind diese, wenn möglich, zu entfernen.

Eine gute Fußpflege kann Leben retten

Die Füße von Diabetikern sollten mindestens einmal jährlich ärztlich untersucht werden. In spezialisierten Diabeteszentren liegt die Rate an Majoramputationen durch die Zu-sammenarbeit der Berufsgruppen nach einheitlichen Standards bei 3,1 Prozent, hingegen in nicht-speziali-sierten Einrichtungen bei zehn bis 20 Prozent. Nur jeder vierte Patient lebt nach so einem Eingriff noch länger als fünf Jahre, bei einer Mi-noramputation sind es hingegen bis zu 80 Prozent.

Da so ein Eingriff nicht nur eine erhebliche Konsequenz für die Ge-

sundheit, sondern auch für die Le-bensqualität und den Alltag der Be-troffenen darstellt, ist zuvor grund-sätzlich eine Zweitmeinung in einem spezialisierten Gefäßzentrum einzu-holen. Experten diskutieren daher ein verpflichtendes Zweitmeinungs-verfahren sowie ein Bonussystem für eine Fußrettung.

AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissen-schaftlichen Medizinischen Fachgesellschaf-ten. Patienten-Leitlinie zur Nationalen Versor-gungsLeitlinie Typ-2-Diabetes Prävention und Behandlungsstrategien für Fußkomplikatio-nen. 2008AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissen-schaftlichen Medizinischen Fachgesellschaf-ten. Nationale VersorgungsLeitlinie: Typ-2-Diabetes Präventions- und Behandlungs-strategien für Fußkomplikationen. Version 2.8. 2010. AWMF-Leitlinien-Register Nr. nvl/001cAWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissen-schaftlichen Medizinischen Fachgesellschaf-ten. Nationale VersorgungsLeitlinie: Therapie des Typ-2-Diabetes. Version 3. 2013, geän-dert April 2014. AWMF-Leitlinien-Register Nr. nvl/001 gDeutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe (2017): Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2017 – Die Bestandsaufnahme, Kirchheim + Co GmbH Verlag, MainzDeutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) Hrsg. (2015): Experten-standard Pflege von Menschen mit chroni-schen Wunden, 1. Aktualisierung, OsnabrückHochlehnert D, Engels G, Morbach S (2014): Das diabetische Fußsyndrom – Über eine En-tität zur Therapie, Springer-Verlag, Berlin Hei-delberg Protz K (2016): Moderne Wundversorgung, Praxiswissen, 8. Auflage, Elsevier Verlag, München

Kerstin Protz ist Krankenschwester, Projektmanagerin Wundforschung

CWC-Comprehensive Wound Center im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf,

Vorstandsmitglied Wundzentrum Hamburg e.V. und Referentin für

Wundversorgungskonzepte.Mail: [email protected]

Praxis

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tesambulanzen. Eine zeitnahe Über-weisung zum Spezialisten optimiert die Therapie und beugt einer Ver-schlimmerung des Krankheitsbildes vor. Unter spezialisierter Behand-lung gibt es deutlich weniger Major-amputationen, weniger stationäre Aufenthalte und weniger Komplika-tionen.

Effektiv vorbeugen

Diabetesberater vermitteln Betroffe-nen und ihren Angehörigen durch Schulungen allgemeine Informatio-nen zum Krankheitsbild, zur diabe-tesgerechten Ernährung und über-wachen therapeutische Maßnah-men. Solche Schulungen sind halb-jährlich verordnungs- und erstat-tungsfähig. Sie befähigen Betroffene, Risikofaktoren und Anzeichen, die der Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms vorausgehen, zu er-kennen und motivieren zu regelmä-ßigen Arztbesuchen. Zu den Inhal-ten gehören die regelmäßige, selbst-ständige Blutzuckermessung, die tägliche Selbstuntersuchung der Fü-ße sowie die Inspektion und Austas-tung der Schuhe vor dem Anziehen. Zudem wird Wissen über eine sach-gerechte, verletzungsfreie Fußpflege und zu einer angepassten Ernährung vermittelt.

Fußinspektion und -pflege: Bewe-gungseingeschränkte Patienten mit ausreichendem Sehvermögen kön-nen einen langstieligen Handspiegel zur selbstständigen täglichen Fußin-spektion nutzen. Hierbei werden die Füße auf Hühneraugen, Hornhaut, Druckstellen, Einblutungen, Risse, eingewachsene Zehennägel, Pilzbe-fall, Fuß- und Zehdeformitäten, Ver-letzungen und Entzündungen begut-achtet. Die Reinigung der Füße er-folgt täglich mit pH-hautneutraler Waschlotion und einem weichen Waschlappen. Sie werden vorsichtig und gründlich, insbesondere in den Zehenzwischenräumen, abgetrock-net. Mittels Feile oder Bimsstein kann Hornhaut schonend entfernt werden. Optimal ist eine regelmäßige Fußpflege durch einen Podologen.

Cave: Aufgrund von Verlet-zungsgefahr sind Hornhauthobel,

Rasierklingen, Nagelzwicker, Sche-ren, Hornhaut- oder Hühneraugen-pflaster nicht zu verwenden.

Schuhe und Strümpfe: Schuhe soll-ten grundsätzlich abends gekauft werden, wenn die Füße dicker sind. Sie sollten aus weichem Leder sein, über flache Absätze verfügen und keine drückenden Nähte und Ösen haben. Um Verletzungen zu vermei-den, ist auf einen gepolsterten Ein-schlupf sowie auf eine ausreichende Länge, Breite und Höhe zu achten. Eine Pappschablone des eigenen Fu-ßes kann beim Kauf als Orientierung dienen. Bei Bedarf sind orthopädi-sche Maßschuhe erforderlich (siehe oben). Die Bestrumpfung sollte nahtlos, ohne einengende Bündchen und aus atmungsaktivem Material, wie Mikrofaser, Wolle oder Baum-wolle sein, um Verletzungen und Pilzrisiken vorzubeugen. Das Tragen von hellen Farben ist hilfreich, um mögliche Verletzungen zeitnah zu erkennen.

Sonstiges: Aufgrund von Verbren-nungsgefahr sollte der Betroffene grundsätzlich auf die Verwendung von Wärmflaschen und Heizdecken verzichten. Zudem besteht eine Ver-letzungsgefahr bei offenen Schuhen oder Barfußlaufen, da mögliche Fremdkörper nicht gespürt werden. Dieses Risiko besteht ebenfalls bei Bettbrettern. Daher sind diese, wenn möglich, zu entfernen.

Eine gute Fußpflege kann Leben retten

Die Füße von Diabetikern sollten mindestens einmal jährlich ärztlich untersucht werden. In spezialisierten Diabeteszentren liegt die Rate an Majoramputationen durch die Zu-sammenarbeit der Berufsgruppen nach einheitlichen Standards bei 3,1 Prozent, hingegen in nicht-speziali-sierten Einrichtungen bei zehn bis 20 Prozent. Nur jeder vierte Patient lebt nach so einem Eingriff noch länger als fünf Jahre, bei einer Mi-noramputation sind es hingegen bis zu 80 Prozent.

Da so ein Eingriff nicht nur eine erhebliche Konsequenz für die Ge-

sundheit, sondern auch für die Le-bensqualität und den Alltag der Be-troffenen darstellt, ist zuvor grund-sätzlich eine Zweitmeinung in einem spezialisierten Gefäßzentrum einzu-holen. Experten diskutieren daher ein verpflichtendes Zweitmeinungs-verfahren sowie ein Bonussystem für eine Fußrettung.

AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissen-schaftlichen Medizinischen Fachgesellschaf-ten. Patienten-Leitlinie zur Nationalen Versor-gungsLeitlinie Typ-2-Diabetes Prävention und Behandlungsstrategien für Fußkomplikatio-nen. 2008AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissen-schaftlichen Medizinischen Fachgesellschaf-ten. Nationale VersorgungsLeitlinie: Typ-2-Diabetes Präventions- und Behandlungs-strategien für Fußkomplikationen. Version 2.8. 2010. AWMF-Leitlinien-Register Nr. nvl/001cAWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissen-schaftlichen Medizinischen Fachgesellschaf-ten. Nationale VersorgungsLeitlinie: Therapie des Typ-2-Diabetes. Version 3. 2013, geän-dert April 2014. AWMF-Leitlinien-Register Nr. nvl/001 gDeutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe (2017): Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2017 – Die Bestandsaufnahme, Kirchheim + Co GmbH Verlag, MainzDeutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) Hrsg. (2015): Experten-standard Pflege von Menschen mit chroni-schen Wunden, 1. Aktualisierung, OsnabrückHochlehnert D, Engels G, Morbach S (2014): Das diabetische Fußsyndrom – Über eine En-tität zur Therapie, Springer-Verlag, Berlin Hei-delberg Protz K (2016): Moderne Wundversorgung, Praxiswissen, 8. Auflage, Elsevier Verlag, München

Kerstin Protz ist Krankenschwester, Projektmanagerin Wundforschung

CWC-Comprehensive Wound Center im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf,

Vorstandsmitglied Wundzentrum Hamburg e.V. und Referentin für

Wundversorgungskonzepte.Mail: [email protected]

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34 Die Schwester Der Pfleger 56. Jahrg. 12|17

Doppelt gefährdet

Z wischen der Demenz und dem Diabetes mellitus Typ 2 besteht ein direkter Zusammenhang: Wer

einen Diabetes aufweist, hat im Vergleich zu stoffwech-selgesunden Menschen ein 1,5- bis zweifach erhöhtes Demenzrisiko (Deutschl et al. 2016, Cheng/Huang et al. 2012, Bahrmann et al. 2012). Etwa jeder vierte Demenz-patient weist zusätzlich einen Diabetes auf (Meyer 2017).

Frühzeitig Hilfe anbieten

Demenz und Diabetes – beide Krankheiten zusammen in den Griff zu bekommen, stellt für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung dar. Um frühzeitig Unter-stützung anbieten zu können, sollte bei allen Personen mit Diabetes aufmerksam auf kognitive Veränderungen geachtet werden – auch wenn diese bislang keine Ein-schränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit zeigen.

Dies gilt umso mehr, wenn weitere diabetesbeding-te Risikofaktoren für eine Demenz vorliegen. Hierzu zählen die arterielle Hypertonie, die Hyperlipopro -teinämie sowie mikro- und makrovaskuläre Erkrankun-gen. So ist beispielsweise das Alzheimer-Risiko um das Dreifache erhöht, wenn Patienten gleichzeitig einen Diabetes und eine arterielle Hypertonie aufweisen (Luchsinger et al. 2005).

Eine Demenz und ein Diabetes mellitus sind bereits isoliert betrachtet schwerwiegende Erkrankungen. Beide zusammen in den Griff zu bekommen, stellt eine immenseHerausforderung dar. Die Betroffenen benötigen eine individuelle Therapie,die kontinuierlich zu überprüfen und anzupassen ist.

Von Katja Hodeck

Demenz und Diabetes

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34 Die Schwester Der Pfleger 56. Jahrg. 12|17

Doppelt gefährdet

Z wischen der Demenz und dem Diabetes mellitus Typ 2 besteht ein direkter Zusammenhang: Wer

einen Diabetes aufweist, hat im Vergleich zu stoffwech-selgesunden Menschen ein 1,5- bis zweifach erhöhtes Demenzrisiko (Deutschl et al. 2016, Cheng/Huang et al. 2012, Bahrmann et al. 2012). Etwa jeder vierte Demenz-patient weist zusätzlich einen Diabetes auf (Meyer 2017).

Frühzeitig Hilfe anbieten

Demenz und Diabetes – beide Krankheiten zusammen in den Griff zu bekommen, stellt für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung dar. Um frühzeitig Unter-stützung anbieten zu können, sollte bei allen Personen mit Diabetes aufmerksam auf kognitive Veränderungen geachtet werden – auch wenn diese bislang keine Ein-schränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit zeigen.

Dies gilt umso mehr, wenn weitere diabetesbeding-te Risikofaktoren für eine Demenz vorliegen. Hierzu zählen die arterielle Hypertonie, die Hyperlipopro -teinämie sowie mikro- und makrovaskuläre Erkrankun-gen. So ist beispielsweise das Alzheimer-Risiko um das Dreifache erhöht, wenn Patienten gleichzeitig einen Diabetes und eine arterielle Hypertonie aufweisen (Luchsinger et al. 2005).

Eine Demenz und ein Diabetes mellitus sind bereits isoliert betrachtet schwerwiegende Erkrankungen. Beide zusammen in den Griff zu bekommen, stellt eine immenseHerausforderung dar. Die Betroffenen benötigen eine individuelle Therapie,die kontinuierlich zu überprüfen und anzupassen ist.

Von Katja Hodeck

Demenz und Diabetes

Die Schwester Der Pfleger 56. Jahrg. 12|17 35

Zudem ist bekannt, dass erhöhte Blutzuckerwerte auf längere Sicht die kognitiven Fähigkeiten verschlechtern können. Spezielle genetische Voraussetzungen verstärken dieses Risiko nochmals. Insulinresistenz und Defizite in der Insulinsekretion sind folgerichtig eigene Risikofakto-ren für die Alzheimer-Demenz (Kopf 2009).

Auch der Depression kommt bei der Demenzent-wicklung eine besondere Bedeutung zu. Sie ist bereits oh-ne einen Diabetes als wichtiger Risikofaktor für demen-tielle Syndrome und kognitive Störungen bekannt.

Interessant ist, dass die bei einer schweren Depression nachweisbaren physiologischen Veränderungen auch im Zusammenhang mit der Entwicklung eines metaboli-schen Syndroms stehen. Einige Experten schließen daher auf eine gemeinsame physiologische Grundlage von De-pression, Demenz und Diabetes (Leonard 2007, Riederer et al. 2011). Fakt ist: Menschen mit Diabetes sind dop-pelt so häufig von Depressionen betroffen wie Stoff-wechselgesunde.

Um kognitive Defizite möglichst früh zu erkennen, sollten die bei Diabetespatienten ohnehin empfohlenen Augenuntersuchungen unbedingt wahrgenommen wer-den. Veränderungen im Zusammenhang mit den Netz-hautgefäßen sind häufig mit Einschränkungen der Ko-gnition verbunden.

Individuelle und flexible Therapie erforderlich

Um einen Diabetes erfolgreich behandeln zu können, ist bei den Patienten ein hohes Maß an Motivation, kogniti-ver Leistungsfähigkeit, Aufmerksamkeit und Konzentra-tion vorauszusetzen. Hierzu sind Menschen mit kogniti-ven Einschränkungen häufig nicht in der Lage. Für diese Patienten ist die Therapie und Pflege individuell zu ge-stalten und situationsgerecht anzupassen. Oberste Ziele sind eine größtmögliche Lebensqualität, Sicherheit und Symptomfreiheit.

Die Vermeidung von Unterzuckerung hat in der Dia-betesbehandlung demenzkranker Personen Priorität. Aber auch lange Phasen von Überzuckerung sollten nicht die Regel sein, weil die typischen Symptome wie Konzentrationsschwäche, Abgeschlagenheit, Infektions-anfälligkeit und schlechte Wundheilung die Betroffenen unnötig belasten. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) empfiehlt für Menschen im höheren Alter einen Blutzuckerzielkorridor von 150 bis 180 mg/dl. Starke Blutzuckerschwankungen sind grundsätzlich zu vermei-den, weil diese glukoseempfindliche Organe wie die Netzhaut des Auges schädigen können.

Es sollte darauf geachtet werden, möglichst früh die Anforderungen der Diabetestherapie an die sukzessive nachlassenden Fähigkeiten des Patienten anzupassen. Vereinfachungen der Insulintherapie, etwa durch eine Umstellung auf weniger verschiedene Insulinarten, überschaubare Insulinschemata und Gedächtnishilfen, verringern die Verwechslungsgefahr und das Risiko für Fehldosierungen und Doppelinjektionen.

Praxis

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36 Die Schwester Der Pfleger 56. Jahrg. 12|17

Neuerungen können Demenzpatienten verwirren und die Gesamtsituation verschlechtern. Insofern kann es hilfreich sein, frühzeitig Rituale zu etablieren, die für die Diabetestherapie bedeutsam sind. Beispiele sind die Blutzuckermessung und Fußpflegemaßnahmen. Jede notwendige Veränderung in späteren Phasen sollte sehr behutsam angegangen werden.

Es hat sich gezeigt, dass ältere Menschen mit gerin-gen kognitiven Einschränkungen von einer Strukturier-ten geriatrischen Schulung (SGS) profitieren. Hier wird das notwendige Wissen über Erkrankung, Therapie und präventive Maßnahmen zur Vermeidung diabetesbeding-ter Notfälle vermittelt, das speziell auf ältere Menschen zugeschnitten ist. Dieses Wissen schafft Sicherheit und versetzt Diabetespatienten in die Lage, die notwendigen Maßnahmen der Diabetestherapie zu verstehen. Die Ko-operation mit dem Versorgungsteam gelingt dann meist besser.

Es ist wichtig, den Betroffenen in dieser Phase vor-handene Kompetenzen nicht voreilig zu entziehen. Den-noch sollte in der Pflege sehr aufmerksam bereits auf kleinere Veränderungen der geistigen Kapazitäten geach-tet werden. Betroffene schaffen es häufig, kognitive Einschränkungen lange zu verbergen.

Nehmen funktionelle Einschränkungen zu und die kognitiven Möglichkeiten weiter ab, liegt die Verantwor-

tung, eine leitliniengerechte Diabetestherapie mit den Möglichkeiten des Alltags zu verbinden, zunehmend bei den Pflegefachpersonen. Die Deutsche Diabetes Gesell-schaft (DDG) bietet mit der Basisqualifikation Diabetes-Pflege ab 2018 eine neue zweitägige Fortbildung an, bei der diabetologisches Fachwissen anwendungsorientiert vermittelt wird. Ist geplant, in der Pflegeeinrichtung übergreifend leitliniengerechte Pflegeprozesse aufzubau-en, sollte die vertiefende Weiterbildung der DDG zur Diabetes-Pflegefachkraft genutzt werden.

Mangelernährung vermeiden, Bewegung fördern

Die medikamentöse Therapie ist bei Menschen mit Dia-betes und Demenz an die Ernährungsgewohnheiten an-zupassen. Süße Säfte, Brei und Mus sind bei schlechtem Zahnstatus und nachlassendem Geschmackssinn im Al-ter sehr beliebt. Um Blutzuckerspitzen zu reduzieren, bieten sich Saftschorlen an.

Verbote oder diabetesspezifische Ernährungsvorga-ben sind kontraproduktiv. Die Mahlzeiten sollten ab-wechslungsreich, schmackhaft und optisch ansprechend sein. Wichtig ist, an Ernährungsgewohnheiten anzu-knüpfen, da die Mahlzeiten sonst nicht angenommen werden. Im Verlauf der Demenzerkrankung kommt es

Praxis

1 Bewegung aktiv fördern: Der demenztypische Bewegungsdrang ist sowohl für den Diabetes als auch für die Demenz förderlich und sollte nicht unterbunden werden

2 Grundsätzlich sollte bei Diabetespatienten darauf geachtet werden, dass die Mahlzeiten optisch ansprechend, schmackhaft und abwechslungsreich sind

3 Unter den oralen Antidiabetika ist Metformin bei ausreichender Nahrungszufuhr die erste Wahl

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Foto: Getty Images/Steve Debenport

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36 Die Schwester Der Pfleger 56. Jahrg. 12|17

Neuerungen können Demenzpatienten verwirren und die Gesamtsituation verschlechtern. Insofern kann es hilfreich sein, frühzeitig Rituale zu etablieren, die für die Diabetestherapie bedeutsam sind. Beispiele sind die Blutzuckermessung und Fußpflegemaßnahmen. Jede notwendige Veränderung in späteren Phasen sollte sehr behutsam angegangen werden.

Es hat sich gezeigt, dass ältere Menschen mit gerin-gen kognitiven Einschränkungen von einer Strukturier-ten geriatrischen Schulung (SGS) profitieren. Hier wird das notwendige Wissen über Erkrankung, Therapie und präventive Maßnahmen zur Vermeidung diabetesbeding-ter Notfälle vermittelt, das speziell auf ältere Menschen zugeschnitten ist. Dieses Wissen schafft Sicherheit und versetzt Diabetespatienten in die Lage, die notwendigen Maßnahmen der Diabetestherapie zu verstehen. Die Ko-operation mit dem Versorgungsteam gelingt dann meist besser.

Es ist wichtig, den Betroffenen in dieser Phase vor-handene Kompetenzen nicht voreilig zu entziehen. Den-noch sollte in der Pflege sehr aufmerksam bereits auf kleinere Veränderungen der geistigen Kapazitäten geach-tet werden. Betroffene schaffen es häufig, kognitive Einschränkungen lange zu verbergen.

Nehmen funktionelle Einschränkungen zu und die kognitiven Möglichkeiten weiter ab, liegt die Verantwor-

tung, eine leitliniengerechte Diabetestherapie mit den Möglichkeiten des Alltags zu verbinden, zunehmend bei den Pflegefachpersonen. Die Deutsche Diabetes Gesell-schaft (DDG) bietet mit der Basisqualifikation Diabetes-Pflege ab 2018 eine neue zweitägige Fortbildung an, bei der diabetologisches Fachwissen anwendungsorientiert vermittelt wird. Ist geplant, in der Pflegeeinrichtung übergreifend leitliniengerechte Pflegeprozesse aufzubau-en, sollte die vertiefende Weiterbildung der DDG zur Diabetes-Pflegefachkraft genutzt werden.

Mangelernährung vermeiden, Bewegung fördern

Die medikamentöse Therapie ist bei Menschen mit Dia-betes und Demenz an die Ernährungsgewohnheiten an-zupassen. Süße Säfte, Brei und Mus sind bei schlechtem Zahnstatus und nachlassendem Geschmackssinn im Al-ter sehr beliebt. Um Blutzuckerspitzen zu reduzieren, bieten sich Saftschorlen an.

Verbote oder diabetesspezifische Ernährungsvorga-ben sind kontraproduktiv. Die Mahlzeiten sollten ab-wechslungsreich, schmackhaft und optisch ansprechend sein. Wichtig ist, an Ernährungsgewohnheiten anzu-knüpfen, da die Mahlzeiten sonst nicht angenommen werden. Im Verlauf der Demenzerkrankung kommt es

Praxis

1 Bewegung aktiv fördern: Der demenztypische Bewegungsdrang ist sowohl für den Diabetes als auch für die Demenz förderlich und sollte nicht unterbunden werden

2 Grundsätzlich sollte bei Diabetespatienten darauf geachtet werden, dass die Mahlzeiten optisch ansprechend, schmackhaft und abwechslungsreich sind

3 Unter den oralen Antidiabetika ist Metformin bei ausreichender Nahrungszufuhr die erste Wahl

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oft zu einer verringerten Nahrungs- und Flüssigkeitsauf-nahme, was mit einem erhöhten Risiko für eine Mangel-ernährung einhergeht.

Viele Demenzpatienten sind eher untergewichtig. Es ist deshalb darauf zu achten, die notwendige Zufuhr von Nährstoffen und Energie aufrechtzuerhalten und einen Body-Mass-Index von 20 oder höher anzustreben. Die bei Demenzkranken häufig nicht kalkulierbaren Zeitab-stände der Mahlzeiten und Nahrungsmengen stellen hierbei eine Herausforderung dar. Insbesondere beim Einsatz von Insulin oder insulinotropen Medikamenten muss die ausreichende Aufnahme von Kohlenhydraten sichergestellt werden. Dies gilt umso mehr bei ausge-prägtem Bewegungsdrang. Fingerfood entlang der Geh-strecke kann dem Vergessen der Nahrungsaufnahme ent-gegenwirken und zur Vermeidung von Unterzuckerun-gen beitragen.

Neben der Ernährung ist die regelmäßige Bewegung ein wichtiger Aspekt. Der demenztypische Bewegungs-drang ist sowohl für den Diabetes als auch für die De-menz förderlich und sollte nicht unterbunden werden. Bewegung wirkt sich auf den Stoffwechsel, die Kogniti-on, den Gleichgewichtssinn und die Kraft stabilisierend aus. Rundwege und verborgene Ausgangstüren in Ge-bäude und Gärten bieten sichere Rahmenbedingungen.

Um die Entwicklung eines Diabetischen Fußsyn-droms (DFS) bei den oft langen Gehstrecken vorzubeu-gen, sollten Pflegende sorgfältig auf die tägliche Fuß- beobachtung und auf geeignetes Schuhwerk achten. Pfle-gehilfskräfte sind im Rahmen der Grundpflege zu den Risiken des DFS und der korrekten Fußpflege zu schu-len. Sie sollten Veränderungen im Fußstatus erkennen können und die Information sofort an die zuständige Pflegefachperson weiterleiten.

Medikamente: Was ist zu beachten?

Im Rahmen der medikamentösen Behandlung ist zu be-achten, dass Antidementiva und Neuroleptika, die mög-licherweise im Rahmen der Demenzbehandlung einge-setzt werden, sich ungünstig auf den Glukosestoffwechsel auswirken können. Die antidiabetische Therapie muss darauf entsprechend angepasst werden. Auf die Insulin-sekretion fördernde Medikamente, wie Sulfonylharnstof-fe, sollte bei Demenzpatienten verzichtet werden, da die-se mit einem erhöhten Risiko für langanhaltende Unter-zuckerungen einhergehen.

Unter den oralen Antidiabetika (OAD) ist Metfor-min bei ausreichender Nahrungszufuhr die erste Wahl. Bei Nierenfunktionsstörungen sollte Metformin abge-setzt werden, da es bei kurzfristiger Verschlechterung des Allgemeinzustands mit reduzierter Flüssigkeitsaufnahme oder Infekten zu einer erheblichen Verschlechterung der Nierenfunktion kommen kann (Meyer 2017).

Bei fortschreitenden Nieren- und Leberfunktions-störungen ist auf die regelmäßige Dosisanpassung zu achten, um niedrige Blutzuckerwerte zu vermeiden.

Pflegende dürfen zwar nicht ohne Rücksprache Medi-kamente absetzen und Dosisanpassungen vornehmen, können aber durch rechtzeitige Kontaktaufnahme mit dem behandelnden Arzt zu einer gelingenden Diabe-testherapie und zur Vermeidung von Entgleisungen beitragen.

Liegen Kontraindikationen vor oder werden die The-rapieziele nicht erreicht, ist der Einsatz von Insulin indi-ziert. Einfache Therapieschema sind zu bevorzugen. Bei einer basal unterstützten oralen Therapie (BOT) wird einmal täglich langwirksames Insulin zusätzlich zur Ein-nahme von OAD gegeben. Reicht dies nicht aus, kann ei-ne konventionelle Insulintherapie (CT) mit täglich zwei-maliger Gabe von Mischinsulin angezeigt sein.

Bei unregelmäßiger Nahrungsaufnahme bietet sich eine supplementäre Insulintherapie (SIT) an. Hier wird kurzwirksames Insulin zu den Mahlzeiten entsprechend der tatsächlich eingenommenen Kohlenhydrate appli-ziert. Zur Vermeidung von Hypoglykämien kann das In-sulin auch nach der Mahlzeit verabreicht werden. Hierfür eignet sich kurzwirksames Analoginsulin.

Wenn Patienten Insulin erhalten, muss der Blutzu-cker aufgrund des hohen Risikos von Unterzuckerungen regelmäßig beobachtet werden. Die „Glukosebestim-mung ohne Blut“ (Flash Glukose Monitoring, FGM) bietet hier neue Möglichkeiten: Ein am Oberarm befes-tigter Sensor misst minütlich und speichert die Werte ab. Mit einem Lesegerät im Format eines üblichen Blutzu-ckermessgeräts können die gespeicherten Werte jederzeit aktuell sowie rückblickend für die letzten acht Stunden angezeigt werden. Ein Trendpfeil informiert über die Tendenz und unterstützt damit die Handlungsentschei-dungen. Seit 2016 übernehmen immer mehr Kassen die-ses System. Stehen solche Hilfsmittel nicht zur Verfü-gung bleibt die konventionelle Blutzuckermessung.

Therapie regelmäßig überprüfen

Die Pflege von Menschen mit Demenz und Diabetes stellt besondere Herausforderungen an alle Beteiligten. Die Diabetestherapie muss zur Sicherheit des Diabetes-patienten regelmäßig überprüft und an die sich ständig verändernden Fähigkeiten behutsam angepasst werden. Pflegefachpersonen übernehmen in diesem Prozess zu-nehmend die Verantwortung eines am aktuellen Wissen orientierten Diabetes-Managements.

Literatur bei der Verfasserin.

Katja Hodeck ist Institutsleitung der IIGM – Institut für Innovatives Gesundheits- management GmbH in Berlin. Mail: [email protected]

Praxis

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Top-Thema

ORALEN KOMPLIKATIONEN

VORBEUGENMundpflege bei Diabetes-Patienten. Ein Diabetes mellitus geht oft mit entzündlichen Erkrankungen der Mundhöhle einher. Um gefährliche Folgeerscheinungen zu verhindern, muss die Mund- und Zahnpflege besonders sorgfältig erfolgen.

Von Dr. Anja Ratzmann

E s gilt als wissenschaftlich gesi-chert, dass zwischen Diabetes

mellitus und entzündlichen Erkran-kungen der Mundhöhle enge Zu-sammenhänge bestehen (Chåvarry et al. 2009, Demmer et al. 2010, De-schner et al. 2011). Symptome wie Mundtrockenheit, Geschmacksver-änderungen, Zungen veränderungen, Pilzbefall und schwere Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Parodonti-tis) können erste Hinweise auf das Vorliegen eines Diabetes mellitus sein oder im Rahmen einer bereits vorliegenden Diabeteserkrankung auftreten.

Parodontitis häufigste orale Komplikation

Die Parodontitis, auch Zahnbett- erkrankung genannt, ist die häufigste orale Komplikation eines Diabetes mellitus.

Bei einer chronisch schlechten Stoffwechseleinstellung kann die Hyperglykämie über verschiedene Mechanismen die Entstehung einer Parodontitis begünstigen. Anderer-seits gibt es Hinweise, dass eine Pa-rodontitis ähnlich wie andere Ent-zündungsprozesse zu hyperglykämi-

schen Blutzuckerauslenkungen und damit zu einer Verschlechterung der diabetischen Stoffwechseleinstellung führen kann. Somit besteht zwischen Diabetes und Parodontitis ein wech-selseitiger Zusammenhang (Demmer et al. 2010 & 2012, Deschner 2011).

Die Parodontitis ist eine chroni-sche Erkrankung, die nicht nur das Zahnfleisch, sondern den gesamten Zahnhalteapparat – Zahnfleisch, Kieferknochen, Wurzelzement und Wurzelhaut – betrifft und in ver-schiedenen Schweregraden auftreten kann.

Das Anfangsstadium besteht in einer Zahnfleischentzündung, der sogenannten Gingivitis. Sie ist gekennzeichnet durch gerötetes, ge-schwollenes Zahnfleisch, das meis-tens auch beim Zähneputzen oder bei Druck mit der Parodontalsonde blutet (Abb. 1).

In diesem frühen Stadium ist die Erkrankung in der Regel noch rever-sibel. Mit weiterem Fortschreiten kommt es jedoch zu irreversiblem Knochenabbau, Zahnfleischrück-gang und Zahnlockerung (Abb. 2). Symptome dafür sind geschwollenes, blutendes Zahnfleisch, Sekretentlee-rung, Mundgeruch, fauliger Ge-

schmack und Schmerzen in den aku-ten Phasen. Es bilden sich soge-nannte Zahnfleischtaschen, deren Tiefe mit dem Schweregrad der Pa-rodontitis korreliert.

Verantwortlich für die Zahn-fleisch- und Zahnbetterkrankung sind spezielle Bakterien. Sowohl die genaue Befundung als auch Behand-lung der Parodontitis ist nur durch einen Zahnarzt und geschultes zahnärztliches Fachpersonal wie Prophylaxeassistentin und/oder Dentalhygienikerin möglich.

Dazu werden zuerst die Zähne mit Handschall- und Ultraschall- instrumenten gereinigt sowie an-schließend poliert und fluoridiert. Zusätzlich erhält jeder Patient ge-naue Instruktionen, wie die häus -liche Zahnpflege in Abhängigkeit vom Ausprägungsgrad seiner Er-krankung durchzuführen ist. Diese Maßnahmen werden zusammen mit der Prophylaxeassistentin geübt.

Die Reinigung von tiefen Zahn-fleischtaschen ist nur durch den Zahnarzt mit speziellen Instrumen-ten möglich.

Wichtig ist es zu wissen, dass die Parodontitis eine chronische Er-krankung ist. Daher ist es nötig, eine

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ORALEN KOMPLIKATIONEN

VORBEUGENMundpflege bei Diabetes-Patienten. Ein Diabetes mellitus geht oft mit entzündlichen Erkrankungen der Mundhöhle einher. Um gefährliche Folgeerscheinungen zu verhindern, muss die Mund- und Zahnpflege besonders sorgfältig erfolgen.

Von Dr. Anja Ratzmann

E s gilt als wissenschaftlich gesi-chert, dass zwischen Diabetes

mellitus und entzündlichen Erkran-kungen der Mundhöhle enge Zu-sammenhänge bestehen (Chåvarry et al. 2009, Demmer et al. 2010, De-schner et al. 2011). Symptome wie Mundtrockenheit, Geschmacksver-änderungen, Zungen veränderungen, Pilzbefall und schwere Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Parodonti-tis) können erste Hinweise auf das Vorliegen eines Diabetes mellitus sein oder im Rahmen einer bereits vorliegenden Diabeteserkrankung auftreten.

Parodontitis häufigste orale Komplikation

Die Parodontitis, auch Zahnbett- erkrankung genannt, ist die häufigste orale Komplikation eines Diabetes mellitus.

Bei einer chronisch schlechten Stoffwechseleinstellung kann die Hyperglykämie über verschiedene Mechanismen die Entstehung einer Parodontitis begünstigen. Anderer-seits gibt es Hinweise, dass eine Pa-rodontitis ähnlich wie andere Ent-zündungsprozesse zu hyperglykämi-

schen Blutzuckerauslenkungen und damit zu einer Verschlechterung der diabetischen Stoffwechseleinstellung führen kann. Somit besteht zwischen Diabetes und Parodontitis ein wech-selseitiger Zusammenhang (Demmer et al. 2010 & 2012, Deschner 2011).

Die Parodontitis ist eine chroni-sche Erkrankung, die nicht nur das Zahnfleisch, sondern den gesamten Zahnhalteapparat – Zahnfleisch, Kieferknochen, Wurzelzement und Wurzelhaut – betrifft und in ver-schiedenen Schweregraden auftreten kann.

Das Anfangsstadium besteht in einer Zahnfleischentzündung, der sogenannten Gingivitis. Sie ist gekennzeichnet durch gerötetes, ge-schwollenes Zahnfleisch, das meis-tens auch beim Zähneputzen oder bei Druck mit der Parodontalsonde blutet (Abb. 1).

In diesem frühen Stadium ist die Erkrankung in der Regel noch rever-sibel. Mit weiterem Fortschreiten kommt es jedoch zu irreversiblem Knochenabbau, Zahnfleischrück-gang und Zahnlockerung (Abb. 2). Symptome dafür sind geschwollenes, blutendes Zahnfleisch, Sekretentlee-rung, Mundgeruch, fauliger Ge-

schmack und Schmerzen in den aku-ten Phasen. Es bilden sich soge-nannte Zahnfleischtaschen, deren Tiefe mit dem Schweregrad der Pa-rodontitis korreliert.

Verantwortlich für die Zahn-fleisch- und Zahnbetterkrankung sind spezielle Bakterien. Sowohl die genaue Befundung als auch Behand-lung der Parodontitis ist nur durch einen Zahnarzt und geschultes zahnärztliches Fachpersonal wie Prophylaxeassistentin und/oder Dentalhygienikerin möglich.

Dazu werden zuerst die Zähne mit Handschall- und Ultraschall- instrumenten gereinigt sowie an-schließend poliert und fluoridiert. Zusätzlich erhält jeder Patient ge-naue Instruktionen, wie die häus -liche Zahnpflege in Abhängigkeit vom Ausprägungsgrad seiner Er-krankung durchzuführen ist. Diese Maßnahmen werden zusammen mit der Prophylaxeassistentin geübt.

Die Reinigung von tiefen Zahn-fleischtaschen ist nur durch den Zahnarzt mit speziellen Instrumen-ten möglich.

Wichtig ist es zu wissen, dass die Parodontitis eine chronische Er-krankung ist. Daher ist es nötig, eine

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Top-Thema

lebenslange Kontrolle und Nachsor-ge – die sogenannte Recallmaßnah-me – durchzuführen.

Mundpflege besonders sorgfältig durchführen

Aufgrund der engen Zusammen-hänge zwischen Mundgesundheit und Diabetes mellitus sollte die Zahn- und Mundpflege bei Diabe-tespatienten besonders sorgfältig

erfolgen. Erkrankungen der Mund-höhle können zum Beispiel durch Schmerzen und Mundgeruch die Lebensqualität der betroffenen Pa-tienten erheblich reduzieren.Weiterhin wird das Ernährungsver-halten negativ beeinflusst, da die Kaufunktion durch die Parodontitis erheblich eingeschränkt wird. Be-stimmte Nahrungsmittel können nicht richtig gekaut werden, beim Essen können Schmerzen auftreten.

Daraus kann ein Vitaminmangel re-sultieren, welcher wiederum zu Man-gelerscheinungen wie aufgeplatzen Lippen, schmerzhaft geschwollener Zunge und Mundulzerationen (Mundgeschwüre) führen kann.

Daher ist es notwendig, ein syste-matisches orales Assessment in die tägliche Pflege des Diabetespatien-ten zu integrieren. Mit einer einfa-chen regelmäßigen Blickdiagnose lässt sich der Zustand der Mund-

Pflegebedürftige Diabetespatienten benötigen spezielle Maßnahmen zur Zahn- und Mundpflege

Abb. 1 Zahnfleischbluten ist typisches Symptom der Gingivitis

Abb. 2 Bei Fortschreiten der Gingivitis kommt es zu einer Erkrankung des gesamten Zahnhalte apparats mit Rückgang des Zahnfleischs und Knochenabbau

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■ Es sollten Zahnbürsten mit abgerundeten und weichen bis mittelharten Borsten sowie fluoridhaltige Zahnpasta verwendet werden

■ Empfehlenswert bei der Zahnreinigung ist die sogenannte BASS-Technik: Der Bürstenkopf wird im Winkel von 45 Grad am Übergang des Zahnfleischs zur Zahnfläche angesetzt. Es erfolgen dann leichte rüttelnde Bewegungen und Ausstreichungen in Richtung Mundhöhle

Zahnzwischenraumreinigung

■ Zur Mundhygiene zählt die Reinigung der Zahnzwischenräume fest dazu

■ Bei normalen Zahnzwischenräumen sollte Zahnseide zum Einsatz kommen

■ Bei vergrößerten Zahnzwischenräumen sollten Interdentalbürstchen verwendet werden

■ Dentalfloss ist bei Kronen, Brücken und Implantaten gut geeignet

Zungenreinigung

■ Eine gute Zungenpflege wird durch sanftes Schaben mit dem Zungenschaber erreicht

■ Es sollte folgendermaßen vorgegangen werden: Den Zungenschaber hinten auf die Zunge aufsetzen und nach vorne ziehen. Dieser Vorgang wird einige Male wiederholt

■ Die Zungenreinigung sollte möglichst täglich durchgeführt werden

■ Besonders das hintere Drittel der Zunge sollte gereinigt werden

höhle kontrollieren und somit kön-nen entsprechende Behandlungs- und Pflegemaßnahmen eingeleitet werden. Auf folgende Symptome sollte dabei geachtete werden:■ Mundgeruch,■ Entzündungen von Zahnfleisch und Mundhöhle,■ Zahnfleischbluten,■ Entzündungen der Mundwinkel,■ Beläge an Zunge und Mund-schleimhaut (eventuell Hinweise auf Pilzbefall),■ gelockerte Zähne,■ Druckstellen,■ Karies.

Bezüglich der durchzuführenden Mundhygienemaßnahmen ist es wichtig, individuelle Risikofaktoren für den einzelnen Patienten zu iden-tifizieren und ein angepasstes Mund -hygieneprogramm zu konzeptionie-ren. Als Risikofaktoren einer unzu-reichenden Mundhygiene gelten:■ verwendete Produkte, insbeson-dere Zahnbürsten/Zahnpasta,■ Zustand und Sitz von heraus-nehmbarem Zahnersatz, insbeson-dere Prothesen,■ Medikamente (ggf. Wechselwir-kungen im oralen Bereich, z. B. Wir-kung auf Speichelproduktion),

■ Ernährungsgewohnheiten (Ursa-chen identifizieren, ggf. insuffizien-ter Zahnersatz als Ursache für einge-schränkte Ernährung),■ Rauchen und Alkoholkonsum,■ Regelmäßigkeit zahnärztlicher Kontrolluntersuchungen.

Definierte Reihenfolge einhalten

Prinzipiell sollte die Mundhygiene im-mer in einer definierten Reihenfolge und individuell auf die Bedürfnisse und Erfordernisse des einzelnen Patienten abgestimmt durchgeführt werden.Wichtig ist, nach einer Mahlzeit zir-ka 30 Minuten zu warten, da unmit-telbar nach dem Essen ein saurer pH-Wert im Mund vorhanden ist. Die dafür verantwortlichen Säuren greifen den Schmelz an. Nach etwa einer halben Stunde hat sich die neutralisierende Wirkung des Spei-chels entfaltet. Es sollte mindestens zweimal täglich, möglichst zur sel-ben Tageszeit – morgens nach dem Frühstück und abends vor dem Schlafengehen – geputzt werden. Abbildung 3 zeigt den empfohlenen Ablauf der Mundhygiene.

Prothesenträger sollten den Mund nach jeder Mahlzeit ausspü-len und die Prothese ebenfalls durch Abspülen von Speiseresten befreien. Abends sollte die Prothese gründlich mit eine entsprechenden Zahn- oder besser noch Prothesenbürste gerei-nigt werden (Abb. 4). Reinigungs-tabletten ersetzen nicht die mecha-nische Reinigung und sollten daher nur unterstützend und nicht täglich zur Anwendung kommen.

Hilfsmittel nutzen

Insbesondere stark pflegebedürftige Patienten sind auf die Assistenz von Pflegepersonal beziehungsweise auf die Anwendung von bestimmten Hilfsmitteln bei der Mundhygiene angewiesen. Bei motorisch einge-schränkten Patienten können Zahn-bürsten mit verstärktem Spezialgriff verwendet werden (Abb. 5).

Bei Mundtrockenheit aufgrund von vermindertem Speichelfluss ist es hilfreich, die Speichelproduktion durch das Lutschen zuckerfreier Sal-

EMPFOHLENER ABLAUF ZUR MUNDHYGIENE BEIM DIABETESPATIENTEN

Abb. 3

Zahnreinigung

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■ Es sollten Zahnbürsten mit abgerundeten und weichen bis mittelharten Borsten sowie fluoridhaltige Zahnpasta verwendet werden

■ Empfehlenswert bei der Zahnreinigung ist die sogenannte BASS-Technik: Der Bürstenkopf wird im Winkel von 45 Grad am Übergang des Zahnfleischs zur Zahnfläche angesetzt. Es erfolgen dann leichte rüttelnde Bewegungen und Ausstreichungen in Richtung Mundhöhle

Zahnzwischenraumreinigung

■ Zur Mundhygiene zählt die Reinigung der Zahnzwischenräume fest dazu

■ Bei normalen Zahnzwischenräumen sollte Zahnseide zum Einsatz kommen

■ Bei vergrößerten Zahnzwischenräumen sollten Interdentalbürstchen verwendet werden

■ Dentalfloss ist bei Kronen, Brücken und Implantaten gut geeignet

Zungenreinigung

■ Eine gute Zungenpflege wird durch sanftes Schaben mit dem Zungenschaber erreicht

■ Es sollte folgendermaßen vorgegangen werden: Den Zungenschaber hinten auf die Zunge aufsetzen und nach vorne ziehen. Dieser Vorgang wird einige Male wiederholt

■ Die Zungenreinigung sollte möglichst täglich durchgeführt werden

■ Besonders das hintere Drittel der Zunge sollte gereinigt werden

höhle kontrollieren und somit kön-nen entsprechende Behandlungs- und Pflegemaßnahmen eingeleitet werden. Auf folgende Symptome sollte dabei geachtete werden:■ Mundgeruch,■ Entzündungen von Zahnfleisch und Mundhöhle,■ Zahnfleischbluten,■ Entzündungen der Mundwinkel,■ Beläge an Zunge und Mund-schleimhaut (eventuell Hinweise auf Pilzbefall),■ gelockerte Zähne,■ Druckstellen,■ Karies.

Bezüglich der durchzuführenden Mundhygienemaßnahmen ist es wichtig, individuelle Risikofaktoren für den einzelnen Patienten zu iden-tifizieren und ein angepasstes Mund -hygieneprogramm zu konzeptionie-ren. Als Risikofaktoren einer unzu-reichenden Mundhygiene gelten:■ verwendete Produkte, insbeson-dere Zahnbürsten/Zahnpasta,■ Zustand und Sitz von heraus-nehmbarem Zahnersatz, insbeson-dere Prothesen,■ Medikamente (ggf. Wechselwir-kungen im oralen Bereich, z. B. Wir-kung auf Speichelproduktion),

■ Ernährungsgewohnheiten (Ursa-chen identifizieren, ggf. insuffizien-ter Zahnersatz als Ursache für einge-schränkte Ernährung),■ Rauchen und Alkoholkonsum,■ Regelmäßigkeit zahnärztlicher Kontrolluntersuchungen.

Definierte Reihenfolge einhalten

Prinzipiell sollte die Mundhygiene im-mer in einer definierten Reihenfolge und individuell auf die Bedürfnisse und Erfordernisse des einzelnen Patienten abgestimmt durchgeführt werden.Wichtig ist, nach einer Mahlzeit zir-ka 30 Minuten zu warten, da unmit-telbar nach dem Essen ein saurer pH-Wert im Mund vorhanden ist. Die dafür verantwortlichen Säuren greifen den Schmelz an. Nach etwa einer halben Stunde hat sich die neutralisierende Wirkung des Spei-chels entfaltet. Es sollte mindestens zweimal täglich, möglichst zur sel-ben Tageszeit – morgens nach dem Frühstück und abends vor dem Schlafengehen – geputzt werden. Abbildung 3 zeigt den empfohlenen Ablauf der Mundhygiene.

Prothesenträger sollten den Mund nach jeder Mahlzeit ausspü-len und die Prothese ebenfalls durch Abspülen von Speiseresten befreien. Abends sollte die Prothese gründlich mit eine entsprechenden Zahn- oder besser noch Prothesenbürste gerei-nigt werden (Abb. 4). Reinigungs-tabletten ersetzen nicht die mecha-nische Reinigung und sollten daher nur unterstützend und nicht täglich zur Anwendung kommen.

Hilfsmittel nutzen

Insbesondere stark pflegebedürftige Patienten sind auf die Assistenz von Pflegepersonal beziehungsweise auf die Anwendung von bestimmten Hilfsmitteln bei der Mundhygiene angewiesen. Bei motorisch einge-schränkten Patienten können Zahn-bürsten mit verstärktem Spezialgriff verwendet werden (Abb. 5).

Bei Mundtrockenheit aufgrund von vermindertem Speichelfluss ist es hilfreich, die Speichelproduktion durch das Lutschen zuckerfreier Sal-

EMPFOHLENER ABLAUF ZUR MUNDHYGIENE BEIM DIABETESPATIENTEN

Abb. 3

Zahnreinigung

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Die Schwester Der Pfleger 54. Jahrg. 1|15

beibonbons anzuregen. In Absprache mit dem behan-delnden Zahnarzt ist die Gabe von Speichelersatzmitteln möglich. Auf eine ausreichende Trinkmenge ist zu ach-ten.

Bei stark pflegebedürftigen Patienten kann der Mundraum mehrfach täglich mit Olivenöl ausgestrichen werden.

Zur Vermeidung von Verletzungen sollten keine Ein-mal- oder Naturborstenzahnbürsten verwendet werden. Es empfiehlt sich der Einsatz weicher Zahnbürsten mit abgerundeten Borsten. Zusätzlich können alkoholfreie, fluoridhaltige Mundspüllösungen die tägliche Mund-pflege ergänzen.

Trägt der Patient einen herausnehmbaren Zahner-satz, sollte dieser zur Nacht aus dem Mund entfernt und gründlich gereinigt werden. Wie bereits erwähnt, sollte dies analog zur Zahnreinigung mit Zahnbürsten oder speziellen Prothesenbürsten erfolgen. Die alleinige An-wendung von Sprudeltabletten im Wasserglas ist nicht ausreichend. Entzündliche Veränderungen und/oder schlechter Prothesensitz sollte in jedem Fall dem Haus-zahnarzt vorgestellt werden.

Chávarry NG, et al. The relationship between diabetes mellitus and de-structive periodontal disease: a meta-analysis. Oral Health Prev Dent. 2009;7(2):107–27Demmer RT, et al. Periodontal status and A1C change: longitudinal re-sults from the study of health in Pomerania (SHIP).Diabetes Care. 2010 May; 33(5): 1037–43. doi: 10.2337/dc09–1778. Epub 2010 Feb 25Demmer RT, et al. The influence of type 1 and type 2 diabetes on peri-odontal disease progression: prospective results from the Study of He-alth in Pomerania (SHIP). Diabetes Care. 2012 Oct; 35(10): 2036–42. Epub 2012 Aug 1Deschner J, et al. [Diabetes mellitus and periodontitis. Bidirectional re-lationship and clinical implications. A consensus document]. Internist (Berl). 2011 Apr; 52(4): 466–77

Dr. Anja Ratzmann, MScFachzahnärztin für KieferorthopädieUniversitätsmedizin ZZMKRotgerberstraße 8, 17475 [email protected]

Kontakt WILHELM LÖHE AKADEMIEMerkurstraße 41 | Südstadtpark | 90763 FürthTelefon 0911-766 069-0 | Fax 0911-766 [email protected] | www.wla-fuerth.de

Perspektiven erweiternBerufsbegleitendstudierenan der Willhelm Löhe Akademiein Kooperation mit der Fachhochschule Münster

Berufsbegleitender Master Studiengang

Bildung im Gesundheitswesenmit dem Schwerpunkt „Berufspädagogik Pflege“ Beginn Sommersemester 2015

Berufsbegleitender Bachelor Studiengang

Berufspädagogik im GesundheitswesenBeginn Wintersemester 2015/2016

Infoabend 16. Januar 19:00 Uhr

Abb. 5 Zahnbürsten mit Spezialgriff eignen sich für motorisch eingeschränkte Patienten

Abb. 4 Prothesen sollten mit entsprechendem Equipment gereinigt werden

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