die neue s3 – leitlinie zur polytrauma-versorgung · 142 zwar logistische und medizinische...

21
141 Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung M. D. FRANK Vorbemerkung In der Bundesrepublik Deutschland erleiden jährlich ca. 35.000 Patienten ein schweres Trauma mit einem injury severity score (ISS) von 16 oder höher [85]. Verkehrsunfälle und Unfälle im häuslichen Bereich sind die häufigste Ursache für die „Polytraumatisierung“ und stellen insgesamt die häufigste Todesursache bei unter 40-jährigen dar. Allein im Jahr 2009 sind in Deutschland 4.160 Personen im Straßenverkehr ums Leben gekommen [96]. Zwar hat sich die Zahl um 7,1% im Vergleich zum Vorjahr reduziert und bedeutet somit den niedrigsten Stand seit 1950, aber dies ist immer noch eine hohe Gesamtzahl, wenn man neben den menschlichen auch die volkswirtschaftlichen Auswirkungen bedenkt. Ca. 13% aller jährlichen Arbeitsausfalltage sind durch Unfälle bedingt. Damit verbunden ist ein Produktionsausfall von über 5 Milliarden Euro. Etwa 50 % der durch ein Trauma bedingten Todesfälle treten unmittelbar als Folge extre- mer Gewalteinwirkung auf. Weitere 30 % sterben am Schock infolge schwerer Blutung innerhalb der ersten Stunden oder im Verlauf im Multiorganversagen (20%) [50, 90]. Diese „50 %“ sind aber prinzipiell therapierbar und ihnen gelten unsere Therapieanstren- gungen. Allerdings ist der Einsatz „Polytrauma“ mit etwa 0,5-1 % aller Einsätze eine eher selte- ne Aufgabe im Notarztdienst, was zu Defiziten in der Versorgung durch mangelnde Rou- tine führen kann. Zudem erschweren oft besondere Einsatzbedingungen, wie schlechtes Wetter und niedrige Außentemperaturen, schlechte Lichtverhältnisse, eingeklemmte oder nicht ausreichend zugängliche Patienten die Situation. Nicht selten sind mehrere Personen schwer verletzt oder zunächst scheinbar unkritische Patienten zeigen im Verlauf lebens- bedrohliche Störungen. Für das Überleben eines Patienten spielen neben dem Alter und vorliegenden chronischen Erkrankungen, insbesondere die Schwere der Verletzung, die Qualität der initialen Behandlung und die initiale Versorgungszeit eine entscheidende Rolle [24, 86]. Die Durchführung invasiver oder intensivmedizinischer Maßnahmen am Notfallort erfor- dert für die präklinische Versorgung von Schwerstverletzten besondere theoretische und praktische Fähigkeiten. Die sichere Durchführung von endotrachealer Intubation und Beatmung, Anlage großlumiger venöser Verweilkanülen, eine adäquate Infusionstherapie, Anlage von Thoraxdrainagen, Maßnahmen zur Blutstillung, oder die Gabe potenter Anal- getika und vasoaktiver Substanzen sind unter den erschwerten präklinischen Bedingun- gen und unter Berücksichtigung des Zeitfaktors auch für erfahrene Notärzte eine medizi- nische Herausforderung. So wurde über kaum ein Thema in der Notfallmedizin in den vergangenen Jahren so intensiv und zum Teil kontrovers diskutiert, wie über die Versorgung des Schwerverletz- ten. Ausgehend vom Prinzip der Vorverlagerung intensivmedizinischer Maßnahmen an den Unfallort wurden noch bis Mitte der 90er Jahre in Deutschland polytraumatisierte Patienten zum Teil (zeit)aufwendig am Notfallort versorgt. Durch die bekannten wissen- schaftliche Studien von Bickell, Kaweski, Sampalis und Smith hinsichtlich der initialen Volumentherapie wurde die bis dahin postulierte Strategie unserer präklinischen Versor- gung erheblich in Frage gestellt. Und obwohl zahlreiche Einschränkungen durch in den jeweiligen Studiendesigns dieser Arbeiten auffielen und auch die Übertragbarkeit der Bedingungen auf unser Rettungssystem in Deutschland angezweifelt wurden, wie von Lechleuthner, Boullion und Dick beschrieben, konnte der Beweis der Effektivität unseres Konzeptes nicht geführt werden. Im Jahr 2001/2002 wurde die S1- Leitlinie Polytrauma durch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) publiziert. Hierin wurden

Upload: vankhuong

Post on 21-Jun-2019

221 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

141

Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung

M. D. Frank

Vorbemerkung

In der Bundesrepublik Deutschland erleiden jährlich ca. 35.000 Patienten ein schweres Trauma mit einem injury severity score (ISS) von 16 oder höher [85]. Verkehrsunfälle und Unfälle im häuslichen Bereich sind die häufigste Ursache für die „Polytraumatisierung“ und stellen insgesamt die häufigste Todesursache bei unter 40-jährigen dar. Allein im Jahr 2009 sind in Deutschland 4.160 Personen im Straßenverkehr ums Leben gekommen [96]. Zwar hat sich die Zahl um 7,1% im Vergleich zum Vorjahr reduziert und bedeutet somit den niedrigsten Stand seit 1950, aber dies ist immer noch eine hohe Gesamtzahl, wenn man neben den menschlichen auch die volkswirtschaftlichen Auswirkungen bedenkt. Ca. 13% aller jährlichen Arbeitsausfalltage sind durch Unfälle bedingt. Damit verbunden ist ein Produktionsausfall von über 5 Milliarden Euro.Etwa 50 % der durch ein Trauma bedingten Todesfälle treten unmittelbar als Folge extre-mer Gewalteinwirkung auf. Weitere 30 % sterben am Schock infolge schwerer Blutung innerhalb der ersten Stunden oder im Verlauf im Multiorganversagen (20%) [50, 90]. Diese „50 %“ sind aber prinzipiell therapierbar und ihnen gelten unsere Therapieanstren-gungen. Allerdings ist der Einsatz „Polytrauma“ mit etwa 0,5-1 % aller Einsätze eine eher selte-ne Aufgabe im Notarztdienst, was zu Defiziten in der Versorgung durch mangelnde Rou-tine führen kann. Zudem erschweren oft besondere Einsatzbedingungen, wie schlechtes Wetter und niedrige Außentemperaturen, schlechte Lichtverhältnisse, eingeklemmte oder nicht ausreichend zugängliche Patienten die Situation. Nicht selten sind mehrere Personen schwer verletzt oder zunächst scheinbar unkritische Patienten zeigen im Verlauf lebens-bedrohliche Störungen. Für das Überleben eines Patienten spielen neben dem Alter und vorliegenden chronischen Erkrankungen, insbesondere die Schwere der Verletzung, die Qualität der initialen Behandlung und die initiale Versorgungszeit eine entscheidende Rolle [24, 86].Die Durchführung invasiver oder intensivmedizinischer Maßnahmen am Notfallort erfor-dert für die präklinische Versorgung von Schwerstverletzten besondere theoretische und praktische Fähigkeiten. Die sichere Durchführung von endotrachealer Intubation und Beatmung, Anlage großlumiger venöser Verweilkanülen, eine adäquate Infusionstherapie, Anlage von Thoraxdrainagen, Maßnahmen zur Blutstillung, oder die Gabe potenter Anal-getika und vasoaktiver Substanzen sind unter den erschwerten präklinischen Bedingun-gen und unter Berücksichtigung des Zeitfaktors auch für erfahrene Notärzte eine medizi-nische Herausforderung.So wurde über kaum ein Thema in der Notfallmedizin in den vergangenen Jahren so intensiv und zum Teil kontrovers diskutiert, wie über die Versorgung des Schwerverletz-ten. Ausgehend vom Prinzip der Vorverlagerung intensivmedizinischer Maßnahmen an den Unfallort wurden noch bis Mitte der 90er Jahre in Deutschland polytraumatisierte Patienten zum Teil (zeit)aufwendig am Notfallort versorgt. Durch die bekannten wissen-schaftliche Studien von Bickell, Kaweski, Sampalis und Smith hinsichtlich der initialen Volumentherapie wurde die bis dahin postulierte Strategie unserer präklinischen Versor-gung erheblich in Frage gestellt. Und obwohl zahlreiche Einschränkungen durch in den jeweiligen Studiendesigns dieser Arbeiten auffielen und auch die Übertragbarkeit der Bedingungen auf unser Rettungssystem in Deutschland angezweifelt wurden, wie von Lechleuthner, Boullion und Dick beschrieben, konnte der Beweis der Effektivität unseres Konzeptes nicht geführt werden. Im Jahr 2001/2002 wurde die S1- Leitlinie Polytrauma durch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) publiziert. Hierin wurden

Page 2: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

142

zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen mit kritischen Evidenzbewertungen waren jedoch nicht verfügbar. In den darauf folgenden Jahren wurden zahlreiche wissen-schaftliche Arbeiten zur Behandlung polytraumatisierter Patienten publiziert und disku-tiert. Durch das außergewöhnliche Engagement einiger Vertreter verschiedener Fachge-sellschaften wurde im Verlauf an der Erstellung einer fachübergreifenden und praktisch anwendbaren Leitlinie gearbeitet mit dem Ziel die Versorgung des Schwerverletzten zu verbessern.Die nun im Juli 2011 veröffentlichte S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behand-lung wurde von insgesamt 11 Fachgesellschaften unter Federführung der DGU und unter Koordination durch das Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM) der Universität Witten/Herdecke erarbeitet. Sie ist auf der Internetseite der 1962 gegründeten Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) abrufbar: www.awmf.org/leitlinien/detail/II/012-019.htlm

Anwenderzielgruppe der Leitlinie sind alle an der Behandlung beteiligten Fachdisziplinen und medizinischen Berufsgruppen inkl. nichtärztlichen Rettungsdienstpersonals.

Methodik und Empfehlungsgrade

Als Basis der vorliegenden Leitlinie dienten die Formulierung von Schlüsselfragen und eine systematische Literaturrecherche. Als Publikationszeitraum wurde 1995 – 2010 fest-gelegt. Es wurden vorrangig Studien mit dem höchsten Evidenzlevel (LoE) für die Formulierung von Empfehlungen herangezogen. Es wurden 3 Empfehlungsgrade (Grade of Recommen-dation, GoR) unterschieden (A, B, 0). Die Formulierung der Schlüsselempfehlung lautete entsprechend „soll“, „sollte“, oder „kann“. In die Festlegung des GoR wurden neben der zugrunde liegenden Evidenz auch Nutzen-Risiko-Abwägungen, die Direktheit und Homogenität der Evidenz sowie klinische Expertise einbezogen. Zudem wurden die Aus-sagen in einem formalen Konsensusverfahren von Experten diskutiert. Die meisten Emp-fehlungen wurden im „starken Konsens“ (Zustimmung von >95% der Teilnehmer) verab-schiedet [23]. Insgesamt enthält die S3 - Leitlinie Polytrauma 264 Schlüsselempfehlungen in den 3 übergeordneten Themenbereichen.

Empfehlungsgrade

GoR A „soll“

GoR B „sollte“

GoR 0 „kann“

Die S3- Leitlinie wurde in 3 übergeordnete Themenbereiche gegliedert: PräklinikSchockraumErste OP-Phase

Präklinik

Grundsätzlich handelt es sich bei der Versorgung von Schwerverletzten um einen Ablauf von Handlungen, der bestimmten Prioritäten folgt. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Einflußfaktoren ist es nicht möglich einen allgemeingültigen und evidenzbasierten Hand-lungsalgorithmus zu etablieren. Die Inhalte der Leitlinie wurden daher nicht auf ein

Page 3: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

143

Ablaufschema, sondern auf einzelne Aspekte fokussiert. Die einzelnen Aspekte müssen in einen allgemeinen Handlungsweg eingebettet sein, der Prioritäten setzt und Handlungs-pfade und Abläufe vorgibt. Einen solchen Rahmen können Konzepte wie Prehospital Trauma Life Support (PHTLS), Advanced Trauma Life Support (ATLS), European Trau-ma Course (ETC) und andere vorgeben. So zeigt sich auch in der Leitlinie entsprechend ein „roter Faden“ nach dem A, B, C, D, E Schema. Die Sicherung der Vitalfunktionen Atemweg, Belüftung/Beatmung, Circulati-on (A, B, C) hat dabei höchste Priorität. Entsprechend dieser Gewichtung sind die ersten 17 Schlüsselempfehlungen bezogen auf das Atemwegsmanagement und damit assoziierte Abläufe, wie Notfallnarkose, Intubation und Beatmung. Die anschließenden 11 Schlüsselempfehlungen beziehen sich auf die Volumentherapie beim Polytrauma entsprechend dem „C“ in der bekannten prioritäteno-rientierten Vorgehensweise. Grade in diesem Bereich existiert seit vielen Jahren eine anhaltende Diskussion über Art und Menge von geeigneten Infusionslösungen für die Behandlung eines Schwerverletzten. Durch die systematische Literaturrecherche und Bewertung und durch die Expertendiskussionen mit abschließender Konsensfindung ist es dennoch gelungen klare Handlungsempfehlungen zu formulieren, die von wissen-schaftlicher Evidenz getragen werden und gleichzeitig von bedeutender Relevanz für die praktische Vorgehensweise sein werden. Neben Formulierungen zur permissiven Hypo-tension bei unkontrollierten Blutungen werden Empfehlungen für bzw. gegen bestimmte Infusions-, oder Volumenersatzlösungen gegeben.Die weiter folgenden Empfehlungen im Bereich Präklinik beziehen sich auf die Vorge-hensweise bei Verletzungen bestimmter anatomischer Regionen beginnend mit den Kern-aussagen beim Vorliegen eines Thoraxtraumas. Auch hier werden klare und eindeutige Empfehlungen für die Praxis gegeben, wie die Art der klinischen Untersuchung oder die Indikationen zur Anlage von Thoraxdrainagen. Anschließend folgen Empfehlungen für Verletzte mit Schädel- Hirn- Trauma, Wirbelsäulenverletzungen, Extremitätenverletzun-gen und urologische Verletzungen. Der Bereich Präklinik schließt mit den Empfehlungen hinsichtlich der Logistik der Rettungsmittel und der Zielklinik. Insgesamt beinhaltet der präklinische Bereich 66 Schlüsselempfehlungen. Beim Lesen der Leitlinie und den Emp-fehlungen fällt eindrücklich auf, dass nahezu alle Aussagen einen klaren praktischen Bezug haben. Jeder in der Versorgung von schwerverletzten Patienten involvierte Notarzt, jede Pflegekraft und jeder Rettungsassistent, wird die Inhalte nachvollziehen können, da zumindest die überwiegende Mehrzahl der Aussagen ohnehin Bestandteil der derzeitigen Vorgehensweise darstellt. Insoweit bedeutet diese Leitlinie auch ein gewisses Maß an „Rückendeckung“ für die am Patient Handelnden, insbesondere in der Präklinik. Den-noch wird es eine Herausforderung sein eine zeitnahe flächendeckende Verbreitung und Umsetzung der Inhalte zu erreichen.

Empfehlungen für die Notfallnarkose, Atemwegsmanagement und Beatmung beim Polytrauma/Schwerverletzten

Beim Polytraumatisierten entwickelt sich aus verschiedenen Ursachen häufig eine rasch progrediente respiratorische Insuffizienz, die eine bereits bestehende Gewebshypoxie verstärkt und damit zur Organschädigung beiträgt. Die Sicherung der Atemwege, sowie die Oxygenierung des Patienten stehen deshalb im Vordergrund der Primärtherapie. Ziel ist also eine bestmögliche Oxygenierung und Ventilation durch die endotracheale Intuba-tion. Es geht hier um die Sicherung grundlegender Vitalfunktionen, die unmittelbar mit dem Leben assoziiert sind. Das „A“ für Atemweg und das „B“ für Belüftung/Beatmung finden sich in allen etablierten Standards der Traumaversorgung als erste Maßnahme und nehmen daher einen besonderen Stellenwert in der präklinischen, als auch frühen klini-schen Phase der Traumaversorgung ein [99].

Page 4: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

144

Eine Problematik spiegelt sich hinsichtlich der Bewertung internationaler Studien zum Atemwegsmanagement wieder aufgrund der divergierenden Rettungsdienstsysteme. Während im angloamerikanischen Raum meistens medizinisches Hilfspersonal (Parame-dics) eingesetzt werden, ist im europäischen Raum das Notarztsystem sehr verbreitet. In Abhängigkeit von eingesetztem Personal und Erfahrungsgrad, findet sich in der Literatur eine hohe Rate an oesophagealen Fehlintubationen bis zu 12%, oder misslungenen Intu-bationen (bis zu 15%). Aufgrund der unterschiedlichen klinischen Routine der Anwender ist eine Übertragung von Studienergebnissen aus Paramedic Systemen nicht einfach auf das deutsche Rettungssystem übertragbar. Dennoch zeigen gerade Studien aus dem anglo-amerikanischen Raum mit negativen Ergebnissen hinsichtlich Intubationserfolg die Not-wendigkeit mit der Auseinandersetzung der Thematik, da auch in Deutschland der Aus-bildungs- und Erfahrungsstand nicht einheitlich auf wünschenswertem Stand sind.

Folgende Besonderheiten der präklinischen Situation können und müssen die Indikations-stellung und Planung von Narkose und Intubation und Beatmung beeinflussen:- Erfahrungslevel und Routinetraining des Notarztes- Umstände an der Einsatzstelle (Einklemmung, Rettungszeit)- Transportart (bodengebunden oder luftgestützt)- Transportzeit- Begleitverletzungen der Atemwege (und abschätzbare Intubationshindernisse)

Die Indikation zur Durchführung / Nichtdurchführung von präklinischer Narkose und Intubation und Beatmung bewegt sich im Einzelfall zwischen den Extremen hoher Ausbil-dungsstand, langer Transportweg, einfacher Atemweg und geringe Erfahrung, kurze Transportzeit und voraussichtlich schwieriges Atemwegsmanagement. In jedem Fall muss eine ausreichende Oxygenierung durch entsprechende Maßnahmen sichergestellt sein.Eine schwere Mehrfachverletzung bedeutet für den menschlichen Organismus eine Folge mediatorvermittelter Reaktionen im Sinne eines Systemic Inflammatory Response Syndro-me (SIRS). Im Rahmen dieser Schädigungskaskade kommt der Gewebeoxygenierung besondere Bedeutung zu. Eine Gewebeoxygenierung kann nur erreicht werden, wenn Sauerstoffaufnahme, -transport und -abgabe gewährleistet werden. Die Sauerstoffauf-nahme ist nur bei Sicherung des Atemwegs möglich und die endotracheale Intubation hat gemäß den aktuell bestehenden europäischen und nicht europäischen Leitlinien den Stel-lenwert eines Goldstandards [99]. Das bedeutet, dass die Maßnahme „Intubation“ an sich zu einer bestmöglichen Versorgung beitragen kann, die Ausbildung und das Training dieser Maßnahme nicht selten defizitär erscheint. Somit erscheint es sinnvoll an dieser Problematik anzusetzen, wie in Empfehlung Nr. 5 formuliert. Das regelmäßige und wie-derholte Trainieren bestimmter Maßnahmen ist nachweislich dazu geeignet die Erfolgs-wahrscheinlichkeit zu erhöhen [55]. In einer retrospektiven 10-Jahres Untersuchung von Traumapatienten aus einem großen Traumazentrum wurde bei insgesamt 6088 Patienten eine Sicherung des Atemwegs durch Anaesthesisten vorgenommen. 98,7% der Patienten wurden endotracheal intubiert. 0,97% wurden nasotracheal intubiert. Bei 0,28% der Pati-enten wurde eine Notfallkoniotomie vorgenommen und bei 0,07% der Patienten eine Nottracheotomie. Kein Patient ist in Folge des Atemwegsmanagement verstorben. [97]. Entsprechend klar ist die Forderung, dass erfahrenes und trainiertes anaesthesiologisches Personal die innerklinische endotracheale Intubation, Notfallnarkose und Beatmung vor-nehmen sollen (Empfehlung Nr. 4). Eindeutig sind auch die Indikationen zur Intubation des polytraumatisierten Patienten formuliert. So stellt der Atemstillstand oder eine Schnappatmung eine klare Indikation zur endotrachealen Intubation dar. Des Weiteren ist beim Vorliegen eines schweren Schädel- Hirn- Traumas (SHT) mit einem GCS <9 eine Indikation zur Intubation gegeben. Insbesondere beim Polytrauma mit SHT gehört die Hypoxie neben der Hypotension zum sog. „lethal duo“, das einen Sekundärschaden her-beiführen kann. Auch das Vorliegen einer Hypoxie, eines schweren Thoraxtraumas, oder

Page 5: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

145

eine traumabedingte hämodynamische Instabilität mit einem RR systolisch von < 90 mmHg stellen Indikationen zur endotrachealen Intubation dar. Nach einer Analyse der Daten des Traumaregisters der DGU von 24.771 Patienten waren 31% der Patienten bereits am Unfallort bewusstlos (GCS <9), 19% wiesen eine schwere hämodynamische Instabilität auf (syst. Blutdruck <90 mmHg) und insgesamt wurden 55% der Patienten präklinisch durch den Notarzt intubiert. Nach den Empfehlungen soll der polytraumatisierte Patient vor Narkoseeinleitung, wann immer vertretbar, für bis zu 4 Minuten präoxygeniert werden. Eine längere Präoxygenierungszeit führt zu keiner weite-ren deutlichen Verbesserung des arteriellen Sauerstoffpartialdrucks und verzögert beim kritischen Patienten die Atemwegssicherung [74, 67, 68]. Insgesamt ist die endotracheale Intubation eines Notfallpatienten im präklinischen Umfeld aufgrund der Rahmenbedingungen deutlich schwieriger als innerklinisch. Es soll daher grundsätzlich mit einem schwierigen Atemweg gerechnet werden und entsprechend alternative Methoden zur Atemwegssicherung vorgehalten werden. Probleme bei der Atemwegssicherung treten beim Traumapatienten deutlich häufiger auf als bei anderen Notfallpatienten [97, 101]. Als Ursachen wurden in einer Studie in 48,8% die Position des Patienten, die schwierige Laryngoskopie in 42,7%, Sekret oder Aspiration im Mund- Rachen- Raum in 15,9%, sowie traumatische Verletzungen in 13,4% der Fälle angegeben. Auch in zahlreichen weiteren Untersuchungen zeigten sich bei der Atemwegssicherung des Traumapatienten häufiger Komplikationen, als bei anderen Patientengruppen. Insbe-sondere bei Patienten mit schwerem Mittelgesichtstrauma besteht ein erhöhtes Risiko für eine schwierige Intubation [18]. Vor dem Hintergrund der bestehenden Datenlage ist der polytraumatisierte Patient zudem als nicht nüchtern anzusehen. Des Weiteren erschweren Blut oder Erbrochenes die Sicht im Rahmen der Laryngoskopie. Eine leistungsstarke Absaugeinheit muss daher regelhaft zur Verfügung stehen. Im Falle des Misslingens der endotrachealen Atemwegssicherung muss nach einem ent-sprechendem Algorithmus vorgegangen und auf die Maskenbeatmung und / oder alterna-tive Methoden zur Atemwegssicherung zurückgegriffen werden [1, 13, 44, 73, 74]. In einer prospektiven Untersuchung wurde der Intubationserfolg in einem rein mit Anaesthe-sisten besetzten Notarztsystem an 598 Patienten evaluiert. Bei 85,4% aller Patienten gelang die Intubation im ersten Versuch. Bei lediglich 2,7% waren mehr als 2 Versuche erforderlich, bei 1,5% wurden nach dem dritten erfolglosen Intubationsversuch supralaryn-geale Hilfsmittel, wie der Kombitubus, die Larynxmaske, oder eine Notfallkoniotomie angewendet [100]. Die Untersuchung verdeutlicht, dass selbst in hochprofessionellen Systemen alternative Methoden zur Atemwegssicherung vorgehalten werden müssen [51].Die schwerwiegendste Komplikation der endotrachealen Intubation ist die nicht erkannte ösophageale Fehlintubation. Daher müssen sowohl präklinisch, als auch innerklinisch alle Möglichkeiten genutzt werden, um eine ösophageale Fehlintubation zu erkennen und umgehend zu beheben [99]. Zahlreiche Untersuchungen berichten über ösophageale Fehl-intubationen in einer Häufigkeit bis zu 17% [49]. Gleichzeitig konnte bei Fehllage des Tubus eine hohe Letalität aufgezeigt werden [49]. Damit ist die ösophageale Fehlintuba-tion kein seltenes Ereignis. Verschiedene Untersuchungen haben auch in Deutschland schwerwiegende Komplikationen im Rahmen der endotrachealen Intubation aufgezeigt. In einer prospektiven Untersuchung mit 598 Patienten betrug die Rate an ösophagealen Fehlintubationen durch nicht ärztliches Personal oder durch Ärzte vor Ankunft des eigent-lichen Notarztsystems von 3,2%. [100] Andere Untersuchungen zeigen Fehlintubations-raten zwischen 1,1% und 13,1% [35, 102]. In einer prospektiven Anwendungsbeobach-tung an 153 Patienten konnte nachgewiesen werden, dass Patienten, die kapnographisch überwacht wurden in keinem Fall eine Fehlintubation aufwiesen [98].Die Kapnographie gehört daher zur Standardausrüstung an anaesthesiologischen Arbeits-plätzen und im Rettungsdienst. Im Bereich der präklinischen Versorgung ist dies nicht flächendeckend der Fall. Hier herrscht dringender Handlungsbedarf.

Page 6: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

146

Vor dem Hintergrund der Leitlinie „Airway Management“ der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) sowie der DIN- Normen für NEF, RTH, und RTW zur vorgeschriebenen Verfügbarkeit einer Kapnographie wurde das Fehlen einer entsprechenden Ausstattung bereits in den Bereich des Organisationsverschuldens gerückt [34].Die Kapnographie dient allerdings nicht nur zur Detektion der Tubuslage, sondern ist ein maßgeblicher Faktor in der Steuerung der Ventilation. Eine suffiziente Ventilation dient nicht nur der Zuführung von Sauerstoff und damit der Oxygenierung, sondern v.a. der Eliminierung des Kohlendioxids. Der Kohlendioxidgehalt im Blut hat einen unmittelba-ren Einfluss auf den pH - Wert und auf die zerebrale Perfusion im Rahmen eines vorlie-genden SHT. Gleichzeitig hat eine Azidose einen negativen Einfluss auf die Blutgerin-nung. Das heißt, dass sowohl eine Hypokapnie, als auch eine Hyperkapnie ungünstig für den Schwerverletzten sind. Der Patient soll entsprechend normoventiliert werden. Ver-schiedene Studien konnten zeigen, dass nur ein Teil der intubierten und beatmeten Pati-enten, die den Schockraum erreichen, normoventiliert sind [109]. Dabei konnte die Leta-lität präklinisch intubierter und beatmeter Traumapatienten sowohl mit als auch ohne SHT durch eine Normoventilation spezifisch gesenkt werden. Patienten mit isoliertem SHT profitierten dabei noch deutlicher von einer Normoventilation. Bei schwer verletzten Patienten scheint nach den vorliegenden Ergebnissen insbesondere eine Hyperventilation mit konsekutiver Hypokapnie (paCO2

<30 mmHg) zu schaden. Diese Ergebnisse verdeut-lichen, dass ab der Schockraumphase die Beatmung durch engmaschige arterielle Blut-gasanalysen kontrolliert und gesteuert werden muss. In der präklinischen Phase dient die Kapnographie primär der Evaluation der Tubuslage und sekundär der Steuerung der Ven-tilation, da nicht immer direkt vom kapnographisch ermittelten etCO

2 auf das arterielle

CO2 (paCO

2) rückgeschlossen werden kann. Dies liegt unter anderem an der durch Lun-

genkontusionen, Atelektasen, Hypotension und metabolischer Azidose bedingten pulmo-nalen Shuntfraktion. D.h. der etCO

2 Gehalt wird auch durch die Perfusion beeinflusst, oder: Niedrige etCO

2 -

Werte können auch durch einen niedrigen systemischen Blutdruck verursacht werden.Eine Notfallnarkose ist häufig unverzichtbarer Bestandteil der Traumaversorgung. Die Narkoseeinleitung findet in der Regel in Form einer Rapid Sequence Induction (RSI) statt, um das Risiko einer Aspiration beim vermutet nicht nüchternen Patienten zu redu-zieren. Hierbei kamen bisher unterschiedliche Einleitungshypnotika zur Anwendung. Häufig wurde Etomidat als Einleitungshypnotikum verwendet. Allerdings zeigten ver-schiedene Untersuchungen potentiell negative Auswirkungen bei Verwendung von Eto-midat beim Traumapatienten. So wurde in einer retrospektiven Analyse von 94 Trauma-patienten ein höheres Risiko für die Entstehung eines ARDS oder Multiorganversagen, sowie mehr Beatmungstage und einen längerer Klinikaufenthalt beobachtet [110].In einer weiteren Untersuchung eines amerikanischen Traumaregisters zeigten sich ähnli-che Ergebnisse. Die Autoren schlussfolgerten, dass Etomidat einer der wenigen modifi-zierbaren Risikofaktoren für die Entwicklung einer Nebennierenrindeninsuffizienz bei kritisch kranken Traumapatienten ist [22]. Eine prospektive, randomisierte Studie unter-suchte ebenfalls den Einfluss von Etomidat als Einleitungshypnotikum auf den Cortisol-spiegel. Auch hier waren die Patienten, die mit Etomidat behandelt wurden mit negativen Auswirkungen behaftet. Nach der derzeitigen Datenlage erscheint Etomidat als eher ungünstig und sollte daher nur mit großer Vorsicht und Bedacht angewendet werden.

Die Sicherung der Atmung mit effektiver Ventilation und suffizienter Oxygenierung ste-hen im Mittelpunkt der präklinischen Empfehlungen. Dabei zielt die S3-Leitlinie insbe-sondere auch auf die Eingangsbedingungen des Personals und der technischen Ressour-cen ab. Es ist notwendig zu realisieren, dass das regelmäßige Training bestimmter prakti-scher Fertigkeiten, als auch eine optimale apparative Ausstattung einen Einfluss auf das Überleben haben kann.

Page 7: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

147

SchlüsselempfehlungenEmpfehlungen für die Notfallnarkose, Atemwegsmanagement und Beatmung beim Polytrauma/Schwerverletzten

GoR

1. Bei polytraumatisierten Patienten mit Apnoe oder Schnappatmung (AF <6) sollen präkli-nisch eine Notfallnarkose, eine endotracheale Intubation und eine Beatmung durchge-führt werden.

A

2. Beim polytraumatisierten Patienten sollte bei folgenden Indikationen prähospital eine Notfallnarkose, eine endotracheale Intubation und eine Beatmung durchgeführt werden:a) Hypoxie (SpO

2<90%) trotz Sauerstoffgabe und nach Ausschluss eines Spannungs-

pneumothoraxb) Schweres SHT (GCS <9)c) traumaassoziierte hämodynamische Instabilität (RRsys <90 mmHg)d) schweres Thoraxtrauma mit respiratorischer Insuffizienz (Atemfrequenz >29)

B

3. Der polytraumatisierte Patient soll vor Narkoseeinleitung präoxygeniert werden. A

4. Die innerklinische endotracheale Intubation, Notfallnarkose und Beatmung sollen durch trainiertes und erfahrenes anaesthesiologisches Personal durchgeführt werden.

A

5. Notärztliches Personal soll regelmäßig in der Notfallnarkose, der endotrachealen Intubati-on und den alternativen Methoden zur Atemwegssicherung (Maskenbeatmung, supraglottische Atemwegshilfen, Notfallkoniotomie) trainiert werden.

A

6. Bei der endotrachealen Intubation des Traumapatienten soll mit einem schwierigen Atem-weg gerechnet werden.

A

7. Bei der Narkoseeinleitung und endotrachealen Intubation des polytraumatisierten Patien-ten sollen alternative Methoden zur Atemwegssicherung vorgehalten werden.

A

8. Innerklinisch soll bei der Narkoseeinleitung und endotrachealen Intubation eine Fiberop-tik als Alternative verfügbar sein.

A

9. Bei erwartet schwieriger Narkoseeinleitung und / oder endotrachealer Intubation soll innerklinisch ein anaesthesiologischer Facharzt dieses Verfahren durchführen bzw. super-vidieren, wenn dies keine Verzögerung einer sofort lebensrettenden Maßnahme bedingt. Es soll durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden, dass ein anaesthesiologischer Facharzt im Regelfall rechtzeitig vor Ort ist.

A

10. Nach mehr als 3 Intubationsversuchen sollen alternative Methoden zur Beatmung bzw. Atemwegssicherung in Betracht gezogen werden.

11. Zur Narkoseeinleitung, endotrachealer Intubation und Führung der Notfallnarkose soll der Patient mittels EKG, Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie und Kapnographie überwacht werden.

A

12. Eine Kapnometrie / -graphie soll präklinisch bzw. innerklinisch im Rahmen der endotra-chealen Intubation zur Tubuslagekontrolle und danach zur Dislokation- und Beatmungs-kontrolle angewendet werden.

A

13. Beim endotracheal intubierten und narkotisierten Traumapatienten soll eine Normoventi-lation durchgeführt werden.

A

14. Ab der Schockraumphase soll die Beatmung durch engmaschige arterielle Blutgasanaly-sen kontrolliert und gesteuert werden.

A

15. Bei polytraumatisierten Patienten soll zur endotrachealen Intubation eine Notfallnarkose aufgrund der meist fehlenden Nüchternheit und des Aspirationsrisikos als Rapid Sequence Induction durchgeführt werden.

A

16. Etomidat als Einleitungshypnotikum sollte aufgrund der assoziierten Nebenwirkungen auf die Nebennierenfunktion vermieden werden. (Ketamin stellt hier meistens eine gute Alter-native dar)

B

17. Zur endotrachealen Intubation sollte die Manuelle In-Line-Stabilisation unter temporärer Aufhebung der Immobilisation mittels HWS Immobilisationschiene durchgeführt werden.

B

Empfehlungen für die Volumentherapie

Der hämorrhagisch-traumatische Schock steht in der Initialphase des Polytraumas im Vordergrund. Die exakte Beurteilung von Ausmaß und Dauer des Schocks ist nicht ein-fach, da weder der externe Blutverlust noch der Verlust in große Körperhöhlen wirklich

Page 8: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

148

quantifizierbar ist. Im Rahmen des traumatisch-hämorrhagischen Schocks kommt es auf-grund der Minderperfusion zu einem Missverhältnis zwischen Sauerstoff-Angebot und -Bedarf im Gewebe [105]. Ziel einer Volumentherapie sollte entsprechend eine Verbesse-rung der Perfusion und der Mikrozirkulation sein. So war das Konzept einer eher aggres-siven präklinischen Volumentherapie lange Expertenmeinung und bis Mitte der 90er Jahre weit verbreitet. Zahlreiche Studien aus dem angloamerikanischen Raum stellten dieses Konzept in Frage und forcierten eine anhaltende Debatte hinsichtlich der Thematik. Auch wenn es einige kritische Punkte hinsichtlich des Studiendesigns, insbesondere in der Arbeit von Bickell gab und auch die Übertragbarkeit auf das deutsche Rettungssystem kritisch in Frage gestellt wurde, so konnten in der Folge in randomisierten kontrollierten Studien keine Vorteile einer aggressiven Volumentherapie in der Präklinik aufgezeigt werden. In einer Untersuchung von Turner wurden präklinisch Patienten mit und ohne Volumen behandelt. Insgesamt wurden 1309 Patienten eingeschlossen. Es zeigte sich kein Unterschied zwischen den Gruppen hinsichtlich der Mortalität, Morbidität und des Lang-zeitergebnisses [105].

In Situationen mit unkontrollierbarer Blutung (intrathorakal, intraabdominell) sollte die chirurgische Therapie so rasch als möglich erfolgen und nicht durch (unnötige) präklini-sche Maßnahmen verzögert werden. Dies ist das Ergebnis zahlreicher experimenteller Untersuchungen oder Übersichtsarbeiten zur Thematik auf dem Boden der Studie von Bickell [4, 2, 47, 72, 93, 104].Hier sei eine moderate Volumentherapie mit einer „kontrollierten Hypotension“ und einem systolischen Blutdruck um 90 mmHg anzustreben [3, 27, 56, 82]. Bei Patienten mit SHT ist allerdings ein ausreichender zerebraler Perfusionsdruck von zentraler Bedeutung. Aufgrund der beim schweren SHT aufgehobenen zerebralen Autoregulation ist der zere-brale Perfusionsdruck in diesen Fällen direkt vom systolischen Blutdruck abhängig. Daher ist eine hypotone Kreislaufsituation hier mit einer erhöhten Letalität verbunden [15, 83].Nach Erreichen der Klinik und dem Beginn der chirurgischen Versorgung oder bei unkon-trollierbaren Blutungen empfehlen die meisten Arbeiten das Einleiten einer intensiven Volumentherapie. Die zu applizierende Volumenmenge wird wiederum als Expertenmei-nung mit einem Zielhämatokrit von 25 – 30% angegeben [7, 60, 62]. Kontrollierte Studi-en existieren hierzu nicht.

Einige Studien aus dem angloamerikanischen Raum beurteilen das Konzept der primären intensiven Versorgung vor allem wegen des Zeitverlustes (z.B. Anlage eines venösen Zugangs: 10–13 min) und der geringen Effektivität der initialen Volumenersatztherapie (20 ml/min kristalline Lösung) eher ablehnend [95, 61]. Zum Teil wird der Zeitverlust als wenig relevant [105] interpretiert oder als wesentlicher Negativfaktor für die Mortalität erachtet [87]. Die bereits angesprochene Übertragbarkeit der Aussagen auf das deutsche Notarzt- gestützte System bleiben unklar.Immerhin kommen verschiedene Untersuchungen zu durchaus positiven Ergebnissen durch den intensivtherapeutische Ansatz in der präklinischen Phase [89, 84]. Der Erfolg einer vorgezogenen, an die Situation angepassten Therapie zeigt sich allerdings nur dann, wenn diese kompetent ohne Zeitverlust erfolgt und wenn dieses Konzept im jeweiligen Rettungssystem etabliert ist [59].Dazu sind sowohl entsprechende medizinische Kenntnisse und Erfahrungen beim Notarzt und Rettungspersonal, wie auch eine ständige Übung der praktischen Fertigkeiten erfor-derlich. Die schnellstmögliche Zuführung in eine geeignete Klinik bei gleichzeitiger Schocktherapie, d.h. Verringerung des Sauerstoffverbrauchs und Erhöhung des Sauer-stoffangebots scheint sinnvoll. Ziel ist es die Progredienz des Schocks zu verringern. Dies kann zu einer Verbesserung der Behandlungsergebnisse führen [84]. Die Alternative zum Konzept von “load and go“, welches bei unkontrollierbarer Blutung und bei kurzen Trans-

Page 9: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

149

portzeiten von Vorteil ist, darf daher nicht “stay and play“ heißen, sondern muss eher mit „work and go“ im Sinne von “diagnostiziere schnell und behandle effektiv“ beschrieben werden.

Hinsichtlich der Wahl der zu verwendeten Infusionslösung wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Die meisten Daten sind auf dem Boden von tierexperimentellen Studien oder bei Operationen erhoben worden. In den durchgeführten Metaanalysen kommt es zu unterschiedlichen Ergebnissen. So zeigte Velanovich 1989 bei Traumapatienten eine Reduktion der Mortalität um 12,3% im Falle einer Volumentherapie mit Kristalloiden [107]. Auch Choi 1999 postulierten eine geringere Mortalität bei der Verwendung von Kristalloiden. Eine Chochrane Analyse von 2008 ergab keinen Unterschied zwischen Kolloiden und Kristalloiden beim Trauma [9, 10, 11]. Insoweit folgerten die Autoren, dass auf Kolloide auch verzichtet werden könne. Zudem zeigt sich in verschiedenen Untersu-chungen ein negativer Einfluss auf das Gerinnungssytem. Alle kolloidalen Volumenersatzmittel (Hydroxyäthylstärke, HES, Gelatine) führen mit Ausnahme von Humanalbumin neben Verdünnungseffekten zu einer Störung der Fibrin-polymerisation [71, 69, 33, 48, 26]. Dieser Effekt ist bei höhermolekularen HES Präpa-raten (HES 200) ausgeprägter als bei niedermolekularen (HES 130) oder den Gelatinelö-sungen. Darüber hinaus wurde bei Kolloiden eine verminderte Gerinnselfestigkeit sowie ein vermindertes Gerinnselgewicht beschrieben [70, 54]. Den geringsten Effekt auf die Gerinnung zeigen Elektrolytlösungen, bei denen lediglich Dilutionseffekte die Gerinnung beeinträchtigen können [88]. Allerdings müssen um dieselben Volumeneffekte wie mit Kolloiden zu erzielen größere Volumina infundiert werden [12].Entsprechend der Datenlage wurde in der S3- Leitlinie Polytrauma die Empfehlung for-muliert zur Volumentherapie des Traumapatienten Kristalloide zu verwenden (GoR B). Bei der Wahl des Kristalloids sollte Ringer-Lactat bevorzugt werden [20, 39, 42]. Isotone Kochsalzlösungen sollten nicht verwendet werden (GoR B). In experimentellen Arbeiten konnte das Auftreten einer Dilutionsazidose nach Infusion großer Mengen isotoner Koch-salzlösung aufgezeigt werden [76, 77]. Zu bemerken ist jedoch, dass Ringer-Lactat zu einem Anstieg des Plasmalactatspiegels kommen und so die Diagnostik diesbezüglich stören kann [81].Werden bei hypotensiven Traumapatienten kolloidale Lösungen eingesetzt, sollte HAES 130/0,4 bevorzugt werden (GoR B). Beim polytraumatisierten Patienten nach stumpfen Trauma mit hypotonen Kreislaufver-hältnissen können hypertone Lösungen verwendet werden (GoR O). Mit diesen Lösungen ist es möglich, mit einer geringen, schnell injizierbaren Flüssigkeitsmenge (4ml/kgKG) über 2-4 min einen deutlich größeren Volumeneffekt zu erzielen. Durch die Bolusinjekti-on der hypertonen Kochsalzlösung (Osmolarität ca. 2400 mosmol) kommt es zur Ausbil-dung eines osmotischen Gradienten zwischen Intravasal- und Extravasalraum, welcher zu einer Mobilisation von Flüssigkeit aus den Erythrozyten, dem Interstitium und beson-ders aus geschwollenen Endothelzellen nach intravasal führt. Dadurch kommt es neben einer raschen Stabilisierung der Makrozirkulation zu einer Verbesserung der nutritiven Gewebeperfusion auf der Ebene der Mikrozirkulation, was günstig bezüglich der Präven-tion von Sekundärfolgen erscheint [58, 57, 80, 19, 36]. Eine Metaanalyse von Wade C. et al. zeigte eine 3,5%ige Reduktion der Letalität durch die Anwendung von hypertoner Kochsalzlösungen im Schock [108]. In anderen kontrollierten Studien konnten keine signifikanten Vorteile der hypertonen Lösungen nachgewiesen werden. Bunn et al unter-suchten 2004 in einer Chochrane Analyse hypertone versus isotone Lösungen [10]. Die Autoren kamen zu der Schlussfolgerung, dass die Datenlage noch nicht ausreiche, um abschließend ein Urteil über hypertone Lösungen zu fällen. Im Rahmen der Behandlung des SHT beschreiben einige Untersuchungen eine senkende Wirkung eines gesteigerten Hirndrucks nach der Applikation von hypertonen Lösungen [41, 52, 92]. Hingegen konn-te in einer aktuellen Arbeit von Burger auch nach Behandlung von 1313 Patienten kein

Page 10: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

150

Vorteil der hypertonen Lösungen gezeigt werden, so dass die Untersuchung abgebrochen wurde. Zahlreiche weitere Untersuchungen zu hypertonen Lösungen führten zu unter-schiedlichen Ergebnissen.

Zusammenfassend führen hypertone Lösungen zu einem Blutdruckanstieg und einer Ver-minderung des Volumenbedarfs [8, 16, 17, 28, 63, 64]. Inwiefern dies das Behandlungs-ergebnis beeinflusst, bleibt die Literatur die Antwort schuldig.

SchlüsselempfehlungenEmpfehlungen für die Volumentherapie GoR

18. Bei schwer verletzten Patienten sollte eine Volumentherapie eingeleitet werden, die bei unkontrollierbaren Blutungen in reduzierter Form durchgeführt werden sollte, um den Kreislauf auf niedrig-stabilem Niveau zu halten und die Blutung nicht zu verstärken.

B

19. Bei hypotensiven Patienten mit einem SHT sollte eine Volumentherapie mit dem Ziel der Normotension durchgeführt werden.

B

20. Normotensive Patienten bedürfen keiner Volumentherapie, es sollten jedoch venöse Zugän-ge gelegt werden.

B

21. Zur Volumentherapie beim Traumapatienten sollten Kristalloide eingesetzt werden. B

22. Isotone Kochsalzlösungen sollten nicht verwendet werden, Ringer-Malat, alternativ Ringer Acetat oder Ringer-Laktat, sollte bevorzugt werden.

B

23. Humanalbumin soll nicht zur präklinischen Volumentherapie herangezogen werden. A

24. Werden bei hypotensiven Traumapatienten kolloidale Lösungen eingesetzt, sollte Haes 130/0,4 bevorzugt werden.

B

25. Beim polytraumatisierten Patienten nach stumpfen Trauma mit hypotonen Kreislaufverhält-nissen können hypertone Lösungen verwendet werden.

0

26. Bei penetrierendem Trauma sollten hypertone Lösungen verwendet werden, sofern hier eine präklinische Volumentherapie durchgeführt wird.

A

27. Bei hypotonen Patienten mit schwerem SHT kann eine hypertone Lösung verwendet wer-den.

0

28. Anti-Schock Hosen sollen zur Kreislaufunterstützung bei Polytrauma- Patienten nicht ein-gesetzt werden.

A

Trotz der anhaltenden Diskussion hinsichtlich der Volumentherapie konnten mit starkem Konsens 11 Handlungsempfehlungen formuliert werden, die dem „C“ für Circulation zuzuordnen sind. Die medizinischen Auswirkungen der Empfehlungen müssen unbedingt wissenschaftlich begleitet werden. Bis zur nächsten geplanten Überarbeitung der Leitlinie werden weitere Studien zu dieser Thematik vorliegen. In den klinischen Untersuchungen ergeben sich nicht selten Limitierungen der Aussagekraft durch Studiendesign und mul-tiple Einflussfaktoren in einem speziellen Patientengut. Auch werden dann Ergebnisse von Studien zu bestimmten vasoaktiven Substanzen verfügbar sein. (Vasopressin, VITRIS-Studie).

Die in der S3- Leitlinie folgenden Schlüsselempfehlungen im Bereich Präklinik beziehen sich auf Verletzungen einzelner Organe und der dazugehörigen Untersuchung. Um einen schwerverletzten Patienten adäquat einschätzen zu können, ist eine körperliche Untersuchung absolut notwendig. Nicht selten werden schwere Verletzungen initial nicht oder erst spät erkannt. Die Einschätzung der Situation beinhaltet in der präklinischen Phase auch die Beachtung der Unfallkinetik, bzw. der Unfallsituation, da sich hieraus ebenfalls wichtige Hinweise auf Verletzungen ergeben können oder die eine Mehrfach-verletzung wahrscheinlich machen. Nicht erkannte Verletzungen und/oder verspätete Diagnosen können in bis zu 39% der Schwerverletzten auftreten [78].

Page 11: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

151

Die Sicherung der Vitalfunktionen hat oberste Priorität und erfolgt nach dem ABCDE Schema (primary survey). Dabei wird zeitgleich untersucht und behandelt, sofern mög-lich. Nachdem die ersten Maßnahmen zur Sicherung und Stabilisierung der Vitalfunktio-nen ergriffen worden sind, erfolgt eine Reevaluation. Die Problematik beim Polytrauma liegt darin, dass die Kombination zwischen vitaler Bedrohung und komplizierten Verlet-zungen mehrerer Organsysteme eine Prioritätenfestlegung in der Diagnostik und Therapie vor dem Hintergrund eine einer äußerst dynamischen Krankheitsentwicklung erfordert. D.h. die Punkte ABCDE müssen deswegen erneut beurteilt werden. Dabei wird der Pati-ent systematisch von Kopf bis Fuß untersucht. (secondary survey) Verletzungen, die eine hämodynamische Instabilität oder respiratorische Insuffizienz bedingen, können so fest-gestellt und ggf. therapiert werden. Eine vollständige Entkleidung (Schere) ist dabei sinnvoll. Bei nicht kontrollierbarer Blutung (auch vermutet) kann der Transport in die nächste geeignete Zielklinik auch ohne Exploration notwendig sein.

Empfehlungen für das Thoraxtrauma

Eine klinische Untersuchung des Thorax und der Atemfunktion soll durchgeführt werden. (GoR A) Die Untersuchung sollte mindestens die Bestimmung der Atemfrequenz und die Auskultation der Lunge umfassen. Eine wiederholte Untersuchung sollte erfolgen (GoR B). Nach den vorliegenden Studien ist die Erkennung eines Pneumothorax durch die Auskultation sehr hoch [14, 103]. Hierdurch nicht erkannte Pneumothoraces hatten ein mittleres Volumen von 378 ml (max. 800 ml), nicht erkannte Hämatothoraces ein mittle-res Volumen von 277 ml (max. 600 ml) Damit wurden keine lebensbedrohlichen Läsionen übersehen [45]. Voraussetzung für die Diagnosestellung eines Pneumothorax ist aller-dings eine korrekte Tubuslage, soweit vorhanden. Auch die Erfassung der Atemfrequenz scheint wichtige Hinweise darüber zu geben. In mehreren Studien ist eine Normopnoe (10 – 20 / min) ein sehr sicheres Zeichen, um einen Pneumothorax ausschließen zu kön-nen [112]. Insgesamt ist die diagnostische Treffsicherheit des Notarztes hinsichtlich Pneumothorax eingeschränkt. Bei Patienten mit gesichertem Thoraxtrauma liegt in 9 – 50% der Fälle ein Pneumothorax vor. Das Vorliegen auf ein Hautemphysem wird ebenfalls als Hinweis auf einen Pneumothorax gesehen. Fundierte wissenschaftliche Untersuchungen existieren hierzu jedoch nicht. Wichtig erscheint in jedem Fall die Erfas-sung einer möglichen Progredienz eines Pneumothorax. Hierzu existieren einige Studien, allerdings mit Daten aus dem innerklinischen Bereich. Nach Meinung der Experten ist die Entstehung eines Spannungspneumothorax aus einem Pneumothorax bei Patienten, die mit Überdruck beatmet werden größer. Gute wissenschaftliche Untersuchungen zur dia-gnostischen Genauigkeit von Untersuchungsbefunden bei einem Spannungspneumotho-rax liegen nicht vor. Nahezu alle Aussagen beruhen auf Fallberichten, Tierexperimenten oder Expertenmeinungen. Auch eine einheitliche Definition fehlt. Dennoch ist in der Leitlinie eine passende Formulierung für die Stellung der Verdachtsdiagnose Pneumotho-rax und/oder Hämatothorax, sowie Pneumothorax erstellt worden. Die sich daraus erge-benden Indikationen zur Entlastung sind anschließend ebenfalls klar formuliert. Dabei liegen keine Untersuchungen zum Vergleich zwischen konservativer und intervenierender Therapie vor. Die Empfehlungen beruhen hier auf Expertenmeinungen und Überlegungen zu Wahrscheinlichkeiten. Bei der Anlage einer Thoraxdrainage werden in zahlreichen Untersuchungen zum Teil schwere Komplikationen aufgezeigt. Es erscheint notwendig und sinnvoll nachdrücklich das Trainieren derartiger Fertigkeiten zu fordern.

Page 12: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

152

SchlüsselempfehlungenEmpfehlungen für das Thoraxtrauma GoR

29. Eine klinische Untersuchung des Thorax und der Atemfunktion soll durchgeführt werden. A

30. Die Untersuchung sollte mindestens die Bestimmung der Atemfrequenz und die Auskulta-tion der Lunge umfassen. Eine wiederholte Untersuchung sollte erfolgen.

B

31. Die Inspektion (Seitendifferenz der Atemexkursion, Vorwölbung einer Seite, paradoxe Atmung), die Palpation (Schmerzen, Krepitation, Hautemphysem, Instabilität) und die Perkussion (Hypersonorer Klopfschall) des Thorax sowie die Pulsoxymetrie und bei beat-meten Patienten die Überwachung des Beatmungsdrucks kann hilfreich sein.

0

32. Die Verdachtsdiagnose Pneumo- und / oder Hämatothorax soll bei einseitig abgeschwäch-tem oder fehlendem Atemgeräusch (nach Kontrolle der Tubuslage) gestellt werden. Das Fehlen eines solchen Auskultationsbefundes, insbesondere bei Normopnoe und thorakaler Schmerzfreiheit schließt einen größeren Pneumothorax weitgehend aus.

A

33. Die mögliche Progredienz eines kleinen, zunächst präklinisch nicht diagnostizierbaren Pneumothorax sollte in Betracht gezogen werden.

B

34. Die Verdachtsdiagnose Spannungspneumothorax sollte bei einseitig fehlendem Atemge-räusch bei der Auskultation der Lunge (nach Kontrolle der Tubuslage) und dem zusätz-lichen Vorliegen von typischen Symptomen insbesondere einer schweren respiratorischen Störung oder einer oberen Einfluss-Stauung in Kombination mit einer arteriellen Hypoten-sion.

B

35. Ein klinisch vermuteter Spannungspneumothorax soll umgehend dekomprimiert werden. A

36. Ein durch Auskultationsbefund diagnostizierter Pneumothorax sollte bei Patienten, die mit Überdruck beatmet werden, dekomprimiert werden.

B

37. Ein durch Auskultationsbefund diagnostizierter Pneumothorax sollte bei nicht beatmeten Patienten in der Regel unter engmaschiger klinischer Kontrolle beobachtend behandelt werden.

B

38. Die Entlastung eines Spannungspneumothorax sollte durch eine Nadeldekompression gefolgt von einer chirurgischen Eröffnung des Pleuraspaltes mit oder ohne Drainage erfol-gen.

B

39. Ein Pneumothorax sollte, sofern die Indikation besteht, durch eine Thoraxdrainage behan-delt werden.

B

40. Die Eröffnung des Pleuraraums sollte mittels Minithorakotomie erfolgen. Die Einlage der Thoraxdrainage sollte ohne Verwendung eines Trokars erfolgen.

B

Die Empfehlungen 41 – 64 beziehen sich auf das Vorgehen bei Patienten mit Schädel- Hirn- Trauma, Wirbelsäulenverletzungen, Extremitätenverletzungen, sowie urologisches Trauma. Dabei sind die Aussagen klar formuliert und nachvollziehbar.

Empfehlungen für Logistik: Rettungsmittel und Zielklinik

Die Luftrettung ist in Deutschland, aber auch international zunehmend fester Bestandteil rettungsdienstlicher Versorgung. In zahlreichen Studien wurde versucht die Effektivität der Luftrettung nachzuweisen. Hierzu wurden Faktoren, wie eine mögliche Verkürzung der Prähospitalzeit, sowie eine aggressive präklinische Therapie als potentielle Ursache für ein verbessertes Outcome polytraumatisierter Patienten herangezogen. Die Ergebnisse der präklinischen Versorgung polytraumatisierter Patienten durch die Luftrettung wurden in 19 Studien mit denen der Bodenrettung verglichen. Primäres Zielkriterium war in allen Fällen die Letalität. In 11 Untersuchungen konnte eine statistisch signifikante Reduktion der Letalität zwischen 8,2 und 52% durch den Einsatz der Luftrettung nachgewiesen werden. 6 Untersuchungen wiesen keine Vorteile auf. Bei diesen war allerdings die Ver-letzungsschwere in der Gruppe der durch die Luftrettung versorgten Patienten hochsigni-fikant erhöht. Die zum Teil signifikanten Ergebnisse hinsichtlich der Senkung der Letalität durch den Einsatz der Luftrettung werden auch in einem insgesamt besseren Ausbildungs- und

Page 13: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

153

Erfahrungsstand der RTH- Teams gesehen. Nahezu alle Studien zeigen allerdings eine Verlängerung der Prähospitalzeit. Unter Berücksichtigung bestimmter Faktoren kann die Luftrettung einen Überlebensvorteil bedeuten. (GoR 0)

Ein weiterer wichtiger bzw. entscheidender Faktor im Rahmen einer adäquaten Transpor-torganisation ist die Auswahl der Zielklinik. Es ist unabdingbar, dass der Notarzt über die Diagnose- und Behandlungskapazitäten der umliegenden Akutkrankenhäuser bzw. Spezi-alkliniken ausreichende Kenntnis hat. Es ist dabei wichtig, dass nicht das nächste Kran-kenhaus, sondern das nächstgeeignete Krankenhaus ausgewählt wird mit einer 24h Ver-fügbarkeit aller medizinischen und chirurgischen Disziplinen. Ein Transport in eine nicht geeignete Klinik hat einen erheblichen Zeitverlust bis zur adäquaten Therapie zur Folge und führt ggf. zu einer erhöhten Sterblichkeit [5]. Es konnte gezeigt werden, dass Kran-kenhäuser mit einer hohen Frequentierung schwerstverletzter Patienten ein eindeutig besseres Outcome aufweisen als Einrichtungen mit deutlich weniger Jahresaufkommen. In verschiedenen Studien konnte eine signifikante Reduktion der Sterblichkeit nachge-wiesen werden, wenn polytraumatisierte Patienten primär in ein Traumazentum transpor-tiert wurden.

SchlüsselempfehlungenEmpfehlungen für Logistik: Rettungsmittel und Zielklinik GoR

65. Die primäre Luftrettung kann zur präklinischen Versorgung Schwerverletzter eingesetzt werden, da insbesondere bei mittlerer bis hoher Verletzungsschwere ein Überlebensvorteil resultieren kann.

0

66. Schwerverletzte Patienten sollten primär in ein Traumazentum eingeliefert werden. B

Schockraum

Der Schockraum stellt die interdisziplinäre Schnittstelle zwischen Präklinik und weiterer klinischer Versorgung dar. Dabei ist nicht nur die medizinische Vorgehensweise, sondern insbesondere auch die logistische Ordnung von entscheidender Bedeutung. Hier arbeiten zahlreiche Ärzte verschiedener Fachrichtungen zeitgleich an einem Patienten. In kurzer Zeit muss die Situation des Patienten eingeschätzt, lebensrettende Maßnahmen ergriffen und Entscheidungen in der weiteren Vorgehensweise getroffen werden. Präklinik und Schockraumphase gehen praktisch fließend ineinander über. Kurskonzepte wie die des Prehospital Trauma Life Support (PHTLS) für die Präklinik, oder Advanced Trauma Life Support (ATLS) oder European Trauma Course (ETC) für die Klinik können diese Pro-zesse durch eine klare Hierarchie der Behandlungsabläufe verbessern. Dabei erscheint es unabdingbar, dass alle Beteiligten eine „gemeinsame Sprache“ sprechen. Wichtig ist, dass ein Schockraumalgorithmus für jede Klinik existiert und dass alle potentiell Beteiligten diesen kennen.

In der S3-Leitlinie werden zunächst Empfehlungen hinsichtlich der Strukturvoraussetzun-gen gegeben. Dies bedeutet Aussagen zur Vorhaltung bestimmten Personals, der Ausstat-tung, Fallzahl und Qualität. Anschließend folgen Empfehlungen für die Diagnostik inklu-sive Sofortmaßnahmen und Notoperationen nach anatomischen Regionen geordnet. Auch hier ist eine Auflistung entsprechend der medizinischen Relevanz klar erkennbar. Die bildgebende Diagnostik hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert und mit der Verfügbarkeit leistungsfähiger und schneller CT- Geräte auch die Vorgehensweise beim Polytrauma beeinflusst. Der Themenbereich beinhaltet zudem spezifische Empfehlungen für die Reanimation beim polytraumatisierten Patienten und Empfehlungen zur Gerin-nungstherapie. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Arbeiten zu dieser viel disku-tierten und wichtigen Thematik publiziert worden.

Page 14: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

154

Schlüsselempfehlungen (Auswahl)Empfehlungen für die Strukturvoraussetzungen: Personal, Ausstattung, Fallzahl und Qualität GoR

67. Zur Polytrauma-Versorgung sollen feste Teams (sog. Schockraumteams) nach vorstruktu-rierten Plänen arbeiten und/oder ein spezielles Training absolviert haben.

A

68. Das Basis- Schockraum- Team soll aus mindestens 3 Ärzten (2 Chirurgen, 1 Anaesthesist) bestehen, wobei mindestens 1 Anaesthesist und 1 Chirurg Facharztstandard haben sollen.

A

69. Traumazentren sollen erweiterte Schockraumteams vorhalten. A

71. Die Größe des Schockraums sollte 25 – 50 qm (pro Patient) betragen B

72. Der Schockraum, die Krankenanfahrt, die radiologische Abteilung und die OP-Abteilung sollten sich in dem gleichen Gebäude befinden. Der Hubschrauberlandeplatz sollte sich auf dem Klinikgelände befinden.

B

73. Bei folgenden Verletzungen soll das Trauma-/Schockraumteam aktiviert werden:• Systolischer Blutdruck unter 90 mmHg nach Trauma• Vorliegen von penetrierenden Verletzungen der Rumpf- Hals Region• Schussverletzungen der Rumpf- Hals Region• GCS <9 nach Trauma• Atemstörung / Intubationspflicht nach Trauma• Frakturen von mehr als 2 proximalen Knochen• Instabiler Thorax• Beckenfrakturen• Amputationsverletzungen proximal der Hände/Füße• Querschnittsverletzung• Offene Schädelverletzungen• Verbrennungen > 20% und Grad 2b-4 A

74. Bei folgenden zusätzlichen Kriterien sollte das Trauma-/Schockraumteam aktiviert werden:• Nach Sturz aus über 3 Meter Höhe• Nach einem Verkehrsunfall mit• Frontalaufprall mit Intruision mehr als 50 – 75• Einer Geschwindigkeitsveränderung von delta > 30 km/h• Fußgänger/Zweirad-Kollision• Tod eines Insassen• Ejektion eines Insassen

B

In den folgenden Empfehlungen (Nr. 75 – 148) zur Diagnostik inklusive Sofortmaßnah-men und Notoperationen bestimmter anatomischer Regionen wird zum Einen auf die Wichtigkeit der Anamnese und der klinischen Untersuchung verwiesen. Gleichzeitig rückt die bildgebende Diagnostik mehr in den Fokus. Grundlage für eine zeitnahe kausa-le chirurgische Therapie ist eine korrekte Diagnose. Beim Thoraxtrauma steht zunächst die konventionelle Röntgenaufnahme zur Verfügung. In einer prospektiven Untersuchung an 100 Patienten konnte nachgewiesen werden, dass durch die Röntgenaufnahme die wichtigsten Thoraxverletzungen nachgewiesen werden können [43]. Andererseits zeigen zahlreiche Studien, dass intrathorakale Verletzungen durch eine CT Diagnostik signifi-kant häufiger entdeckt wurden, als mittels Röntgen Diagnostik. Für die Indikationsstel-lung einer Thoraxdrainage bietet die Röntgenaufnahme des Thorax wiederum ausreichen-de Genauigkeit. In einer prospektiven Untersuchung konnten Peytel an 400 polytrauma-tisierten Patienten zeigen, dass die auf der Röntgendiagnostik basierenden Anlagen von Thoraxdrainagen in allen Fällen korrekt waren [75].

Die Überlegenheit der CT Diagnostik bezieht sich vor allem auf der Erkennung von Pneu-mothoraces und Hämatothoraces, Lungenkontusionen, sowie Aortenverletzungen. Die Verwendung von Mehrschichtspiral CT´s kann im Vergleich zur Einschicht Spiral CT die Untersuchungszeit einer Ganzkörperuntersuchung von durchschnittlich 28 auf 16 min. senken. Dabei können zudem diagnostische Real Time Bilder erste Aufschlüsse geben [53].Trupka konnten an einer Serie von 103 schwer verletzten Patienten im Vergleich zur Röntgenuntersuchung bei 65% der Patienten zusätzliche Informationen über das zugrun-

Page 15: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

155

de liegende Thoraxtrauma gewinnen [106]. Zahlreiche weitere Untersuchungen konnten positive Effekte durch die CT- Untersuchung des Thorax aufzeigen.Eine retrospektive multizentrische Analyse anhand der Datenbank des DGU Traumaregi-sters konnte eine Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit für Patienten nachwei-sen, bei denen initial eine Ganzkörper CT durchgeführt wurde [46]. Die Verwendung der Ganzkörper CT führt zu einer relativen Reduktion der Mortalität im TRISS um 25% und im RISC- Score um 13%. Die CT erwies sich in der multivarianten Analyse als unabding-barer Prädiktor für das Überleben.Auch im Rahmen eines Abdominaltraumas hat die Mehrschicht- Spiral CT (MSCT) eine hohe Sensitivität und die höchste Spezifität im Erkennen intraabdomineller Verletzungen und soll deshalb nach Abdominaltrauma durchgeführt werden (GoR A). Eine initiale abdominelle Sonographie zum Screening freier Flüssigkeit, „Focused Assesment with Sonography for Trauma“ (FAST) sollte durchgeführt werden (GoR B). Allerdings zeigen zahlreiche Untersuchungen erhebliche Defizite in der Erkennung intraabdomineller Ver-letzungen durch FAST. Die sonographische Untersuchung erfolgt oft zu einer orientieren-den Einschätzung im Schockraum parallel zu anderen Maßnahmen. Sie ersetzt keinesfalls die Mehrschicht- Spiral CT. In einigen Kliniken ist zur Optimierung des Zeitfaktors ein Mehrschicht- Spiral CT im Schockraum integriert.

Empfehlungen für die Gerinnungstherapie

Die primäre Hämostase ist zunächst abhängig von der physiologischen Antwort des Gefä-ßendothels auf eine Verletzung. Durch die Gefäßwandverletzung kommt es zur Freiset-zung von „tissue factor“ mit Aktivierung der Gerinnung und zeitgleich zu einer fibrinoly-tischen Aktivierung, um andererseits eine überschießende Gerinnung zu vermeiden [31]. Je nach Ausmaß der Verletzung kommt es zu einem Verlust und Verbrauch von Gerin-nungsfaktoren und Thrombozyten.Beim Polytraumatisierten führt eine Vielzahl von weiteren Faktoren zu schweren Blutun-gen und zum möglichen Zusammenbruch des Gerinnungssystems [65, 66]. Insbesondere die Volumentherapie mit kolloidalen Lösungen kann diesen Effekt verstärken [32, 40]. Darüber hinaus wird die Blutgerinnung durch Hyperfibrinolyse, Hypothermie und Azido-se auf das Schwerste beeinträchtigt [38, 66]. Mikhail et al bezeichnet in einer Arbeit die Kombination aus Koagulopathie, Hypothermie und Azidose als Trauma Trias des Todes.Die Traums-Induzierte Koagulopathie ist ein eigenständiges Krankheitsbild mit deutli-chen Einflüssen auf das Überleben. Aus diesem Grund soll die Gerinnungsdiagnostik und Therapie im Schockraum unmittelbar begonnen werden. (GoR A)Alle enzymatischen Prozesse, so auch die der plasmatischen und zellulären Gerinnung werden bei Hypothermie erheblich gestört [21]. Ein Abfall der Körpertemperatur um 1°C führt zu einer Abnahme der Gerinnungsfähigkeit um ca. 10%. Ein weiterer Faktor, der die Hämostase merklich beeinflusst ist eine Azidose, die als Folge der verminderten Sauer-stoff- und Substratversorgung der Gewebe im hämorrhagischen Schock entsteht [65, 38]. Das Unterschreiten eines pH-Wertes von 7,10 wird als Risikofaktor für die Entwicklung einer fulminanten Gerinnungsstörung angesehen [21, 37].Bei der Therapie der Koagulopathie infolge massiven Blutverlustes hat die primär chirur-gische Blutstillung die höchste Priorität [83].Da alle gerinnungsaktiven Plasmabestandteile in der Frühphase der Blutung verloren gehen, erscheint der Ersatz mit fresh frozen plasma (FFP) in der Regel die erste Wahl zu sein. Aus dem Ablauf der plasmatischen Gerinnung lässt sich jedoch begründen, dass primär Fibrinogen in größeren Mengen verloren geht, respektive verbraucht wird [31, 111]. Der akute Fibrinmangel kann aber kurzfristig nicht durch FFP- Präparate ersetzt werden (hohe Volumenmenge, Zeitverzögerung durch Auftauen etc.), so dass die Appli-kation von Fibrinogenkonzentraten sinnvoll erscheint [91, 29, 30]. Nach derzeitigen

Page 16: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

156

Erfahrungen sind Fibrinogenspiegel von 2 – 3 g/l sinnvoll. Unterhalb einer Plasmakon-zentration von 1,5 – 2g wird die initiale Substitution von 3 – 4 g Fibrinogen empfohlen [83].Eine Substitution von Fibrinogen sollte laut Leitlinie bei Werten von < 1,5g/l durchge-führt werden. (GoR B) Allerdings sind Laborwerte nicht zeitnah verfügbar, so dass es beim Schwerverletzten mit Koagulopathie erforderlich sein kann, zunächst nach klini-schen Gesichtspunkten zu verfahren.Neuere Diagnoseverfahren wie die Rotationsthrombelastographie können helfen, solche Fibrinogenmangelblutungen zeitnah zu detektieren und gezielt zu therapieren [91]. Mit diesem Verfahren kann darüber hinaus eine schnelle Differentialdiagnostik zwischen Fibrinogenmangel und einer Hyperfibrinolyse erfolgen. Insbesondere bei Polytraumati-sierten ist das Auftreten einer Hyperfibrinolyse häufig. Die frühe Gabe von Antifibrinoly-tika wie Tranexamsäure kann daher auch ohne Vorliegen von Labortests beim polytrau-matisierten Patienten mit schweren Blutungen sinnvoll sein [25].Die Thrombelastographie bzw. –metrie kann zur Steuerung der Gerinnungsdiagnostik und – Substitution, durchgeführt werden. (GoR 0)Bei der Therapie der Blutung und Gerinnungsstörung ist zusätzlich wichtig aufgrund der Interaktion zwischen Erythrozyten und Thrombozyten auf einen ausreichenden Hämato-krit zu achten. Die Beurteilung von Hämatokrit und Hämoglobingehalt sollte bei der schweren Blutung daher nicht ausschließlich vom Aspekt der ausreichenden Sauerstoff-transportkapazität, sondern auch aus der Sicht der primären Hämostase in die therapeuti-schen Strategien mit einbezogen werden. Daten auf dem Boden von randomisierten und kontrollierten Untersuchungen hinsichtlich eines optimalen Hämoglobingehalts, bzw. Hämatokrits beim Polytrauma fehlen. Allerdings empfiehlt die Bundesärztekammer auf-grund der beschriebenen Effekte auf die primäre Hämostase bei massiver Blutung eine Hämoglobinkonzentration von 6,2 mmol/l, bzw. einen Hämatokrit von 30%. Dabei stützt sich die Empfehlung auf eine Übersichtsarbeit von Hardy et al [40].Bei einem aktiv blutenden Patienten kann die Indikation zur Transfusion bei Hämoglobin-werten unter 6,2 mmol/l bzw. unter 30% Hämatokrit gestellt werden und der Hämatokrit bei 30% gehalten werden. (GoR 0)Die Zahl der Thrombozyten sollte 50.000 nicht unterschreiten [83]. Absolute Thrombo-zytenzahlen sind für die Beurteilung der Gerinnbarkeit allerdings wenig zielführend, da die Aggregationsfähigkeit ebenfalls temperaturabhängig ist.

SchlüsselempfehlungenEmpfehlungen für die Gerinnungstherapie GoR

155. Die Trauma- induzierte Koagulopathie ist ein eigenständiges Krankheitsbild mit deutlichen Einflüssen auf das Überleben. Aus diesem Grund soll die Gerinnungsdiagnostik und Thera-pie im Schockraum unmittelbar begonnen werden.

A

156. Die Thrombelastographie bzw. – metrie kann zur Steuerung der Gerinnungsdiagnostik und – Substitution, durchgeführt werden.

0

157. Bei Patienten, die aktiv bluten, kann bis zur chirurgischen Blutstillung eine permissive Hypotension angestrebt werden. Dieses Konzept ist bei Verletzungen des ZNS kontraindi-ziert.

0

158. Die Auskühlung des Patienten sollte mit geeigneten Maßnahmen vermieden und therapiert werden.

B

159. Eine Azidämie sollte vermieden und durch eine geeignete Schocktherapie behandelt wer-den.

B

160. Eine Hypokalziämie sollte vermieden und kann therapiert werden. 0

161. Ein spezifisches Massivtransfusionsprotokoll sollte eingeführt und fortgeführt werden. B

162. Bei einem aktiv blutenden Patienten kann die Indikation zur Transfusion bei Hämoglobin-werten unter 6,2 mmol/l, bzw. unter 30% Hämatokrit gestellt werden und der Hämatokrit bei 30% gehalten werden.

0

Page 17: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

157

Empfehlungen für die Gerinnungstherapie GoR

163. Wird die Gerinnungstherapie bei Massivtransfusionen durch die Gabe von FFPs durchge-führt, sollte ein Verhältnis von FFP:EK im Bereich von 1:2 bis 1:1 angestrebt werden.

B

164. Eine Substitution von Fibrinogen sollte bei Werten < 1,5 g/l durchgeführt werden B

Neben der Sicherung der Vitalfunktionen ist die Behandlung des Schocks ein zentraler Eckpfeiler in der Behandlung polytraumatisierter Patienten. Der Schock wird durch Stö-rungen der Gerinnung weiter protrahiert. Die Auswirkungen einer verminderten Gewebe-oxygenierung mit folgender Azidose beeinflussen wiederum die Blutgerinnung nachhal-tig. Suffiziente Schocktherapie und Gerinnungstherapie sind untrennbar miteinander verwoben. Kofaktoren für die Entstehung oder Verschlechterung von Gerinnungsstörun-gen sollten so früh als möglich erfasst und therapiert werden.

Auf den Abschnitt der ersten operativen Phase wird hier nicht eingegangen.

Zusammenfassung

Für die Behandlung des Polytraumas ist aufgrund der Komplexität der Verletzungen das Wissen über Diagnostik und Therapie der einzelnen Verletzungen nicht ausreichend, da sich die Verletzungen nicht einfach aufsummieren lassen, sondern potenzieren und eine vitale Bedrohung für den Gesamtorganismus darstellen. In der Konsequenz sollten daher die multiplen Interaktionen der einzelnen Verletzungen mit den Vitalorganen beurteilt werden und in die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen integriert sein. Dar-über hinaus unterliegen alle medizinischen Anstrengungen dem Zeitfaktor der maßgeb-lich über Erfolg und Misserfolg der Behandlungsmaßnahmen entscheidet (“Golden hour in Shock“).

Die S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenbehandlung lässt sich problemlos in beste-hende Konzepte zur Traumaversorgung integrieren (PHTLS, ATLS, ETC). Sie gliedert sich in 3 übergeordnete Themenbereiche und formuliert Empfehlungen entsprechend der medizinischen Gewichtung. Der Schwerpunkt liegt klar auf der Sicherstellung der Vital-funktionen. So gelten die ersten Empfehlungen dem Atemwegsmanagement und der Belüftung/Beatmung sowie dem Kreislauf (A B C). Die Empfehlungen orientieren sich an der Praxis auf dem Boden wissenschaftlicher Evidenz und sind somit nachvollziehbar. Es gilt nun diese Leitlinien zeitnah und flächendeckend umzusetzen und die Effekte zu erfassen. Ziel ist es die Versorgung von schwerverletzten Patienten präklinisch und inner-klinisch zu sichern bzw. zu verbessern. Dies wird in Zukunft angesichts des Kostendrucks und einer zunehmend inhomogenen Versorgungslage nicht leichter. Die S3- Leitlinie stellt durch den breiten Konsens von 11 Fachgesellschaften auch ein wertvolles Instrument dar, da es eine gewisse „Rückendeckung“ für den praktischen Anwender beinhaltet.

Literaturverzeichnis

1. Anonymous. Practice guidelines for management of the difficult airway: an updated report by the Ameri-can Society of Anesthesiologists Task Force on Management of the Difficult Airway. Anesthesiology (2003) 98:1269-1277

2. Banerjee A, Jones R. Whither immediate fluid resuscitation? Lancet (1994) 344:1450-14513. Beekley AC. Damage control resuscitation: a sensible approach to the exsanguinating surgical patient. Crit

Care Med (2008) 36:S267-S2744. Bickell WH, Wall MJ, Pepe PE, Martin RR, Ginger VF, Allen MK et al. Immediate versus delayed fluid

resuscitation for hypotensive patients with penetrating torso injuries. New Engl J Med (1994) 331:1105-1109

Page 18: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

158

5. Biewener A, Aschenbrenner U, Sauerland S, Zwipp H, Rammelt S, Sturm J, AG Notfallmedizin der DGU. Einfluß von Rettungsmittel und Zielklinik auf die Letalität nach Polytrauma. Unfallchirurg (2005) 108:370-377

6. Bokhari F Brakenridge S, Nagy K et al. Prospective evaluation of the sensitivity of physical examination in chest trauma. J Trauma (2002) 53:1135-1138

7. Brinkmeyer SD. Fluid resuscitation: an overview. J Am Osteopath Assoc (1983) 82:326-3308. Brock H, Rapf B, Necek S et al. Comparison of postoperative volume therapy in heart surgical patients.

Anaesthesist (1995) 44:486-4929. Bunn F, Roberts I, Tasker R et al. Hypertonic vs isotonic crystalloid for fluid resuscitation in critically ill

patients. Cochrane Database (2002) Syst Rev CD00204510. Bunn F, Roberts I, Tasker R et al. Hypertonic vs near isotonic crystalloid for fluid resuscitation in critical-

ly ill patients. Cochrane Database (2004) Syst Rev CD00204511. Bunn F, Trivedi D Ashraf S. Colloid solutions for fluid resuscitation. Cochrane Database (2008) Syst Rev

CD00131912. Brandstrup B, Tonnesen H, Beier-Holgersen R, Hjortso E, Ording H, Lindorff-Larsen K, Rasmussen MS,

Lanng C, Wallin L, Iversen LH, Gramkow CS, Okholm M, Blemmer T, Svendsen PE, Rottensten HH, Thage B, Riis J, Jeppesen IS, Teilum D, Christensen AM, Graungaard B, Pott F. Effects of intravenous fluid restriction on postoperative complications: comparison of two perioperative fluid regimens: a randomized assessor-blinded multicenter trial. Ann Surg (2003) 238:641-8

13. Braun U, Goldmann K, Hempel V et al. Airway Management. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Anästh Intensivmed (2004) 45:302-306

14. Chen S, Chang K, Hsu C. Accuracy of auscultation in the detection of haemopneumothorax. Eur J Surg (1998) 164:643-645

15. Chesnut RM, Marshall LF, Klauber MR, Blunt BA, Baldwin N, Eisenberg HM, Jane JA, Marmarou A, Foulkes MA. The role of secondary brain injury in determining outcome from severe head injury. J Trauma (1993) 34:216-222

16. Chiara O, Pelosi P, Brazzi L et al. Resuscitation from hemorrhagic shock: experimental model comparing normal saline, dextran, and hypertonic saline solutions. Crit Care Med (2003) 31:1915-1922

17. Christ F, Niklas M, Kreimeier et al. Hyperosmotic-hypertonic solutions during abdominal aortic aneurysm (AAA) resection. Acta anaesthesiol Scand (1997) 41:62-70

18. Combes X, Jabre P, Jbeili C et al. Prehospital standardization of medical airway management: incidence and risk factors of difficult airway. Acad Emerg Med (2006) 13:828-834

19. Cooper DJ, Myles PS, McDermott FT, Murray LJ, Laidlaw J, and the HTS Investigators. Prehospital hypertonic saline resuscitation of patients with hypotension and severe traumatic brain injury: a randomi-zed controlled trial. JAMA (2004) 291(11):1350-1357

20. Coran AG, Ballantine TV, Horwitz DI et al. The effect of crystalloid resuscitation in hemorrhagic shock on acid base balance: a comparison between normal saline and Ringer lactate solutions. Surgery (1971) 69:874-880

21. Cosgriff N, Moore EE, Sauaia A, Kenny-Moynihan M, Burch JM, Galloway B: Predicting life-threatening coagulopathy in the massively transfused trauma patient: hypothermia and acidoses revisited. J Trauma (1997) 42:857-61

22. Cotton BA, Guillamondegui OD, Fleming SB et al. Increased risk of adrenal insufficiency following eto-midate exposure in critically injured patients. Arch Surg (2008) 143:62-67

23. Council of Europe, Developing a Methology for drawing up Guidelines on Best Medical Practices: Recom-mendation Rec (2001)13 adopted by the Committee of Ministers of the Council of Europe on 10 October 2001 and explanatory memorandum. 2001, Strasbourg Cedex: Council of Europe

24. Cowley RA, Dunham CM. (1982) Shock trauma/critical care manual. Initial assessment and management. 1 ed. Baltimore: University Park Press

25. The CRASH-2 trial collaborators. Effects of tranexamic acid on death, vascular occlusive events, and blood transfusion in trauma patients with significant haemorrhage (CRASH-2): a randomised, placebo-controlled trial. Lancet (2010) DOI:10.1016/S0140-6736(10)60835-5

26. De Jonge E, Levi M. Effects of different plasma substitutes on blood coagulation: A comparative review. Crit Care Med (2001) 29:1261-1267

27. Dutton RP Mackenzie CF Scalea TM. Hypotensive resuscitation during active hemorrhage: impact on in-hospital-mortality. J Trauma (2002) 52:1141-1146

28. Fischer M, Hossmann KA. Volume expansion during cardiopulmonary resuscitation reduces cerebral no reflow. Resuscitation (1996) 32:227-240

29. Fries D, Innerhofer P, Perger P, Gütl M, Heil S, Hofmann N, Kneifel W, Neuner L, Pernerstorfer T, Pfanner G, Schöchl H, Ziegler B, Kölblinger C, Kozek-Langenecker S, Gerinnungsmanagement bei traumatisch bedingter Massivblutung. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther. (2010) 45:552-561

30. Fries D, Martini WZ. Role of fibrinogen in trauma-induced coagulopathy. Br J Anaesth (2010) 105:116-21

31. Fries D, Haas T, Velik-Salchner C, Lindner K, Innerhofer P. Gerinnungsmanagement beim Polytrauma. Anaesthesist (2005) 54:137-14

Page 19: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

159

32. Fries D, Streif W, Haas T, Kuhbacher G: [Dilutional coagulopathy, an underestimated problem?]. Anasthe-siol.Intensivmed.Notfallmed.Schmerzther. (2004) 39:745-50

33. Fries D, Innerhofer P, Klingler A, Berresheim U, Mittermayr M, Calatzis A, Schobersberger W: The effect of the combined administration of colloids and lactated Ringer's solution on the coagulation system: an in vitro study using thrombelastograph coagulation analysis (ROTEG). Anesth Analg. (2002) 94:1280-7

34. Genzwürker HV, Lessing P, Ellinger K. Infrastructure of emergency medical services. Comparison of physician staffed ambulance equipement in the state of Baden Wuertemberg in 2001 and 2005. Anaesthe-sist (2007) 56:665-672

35. Genzwürker HV, Apfel B, Finteis T et al. Intubation by emergency physicians in the field: Rate of unreco-gnized oesophageal intubations upon admission to the trauma room: IN Euroanaesthesia (2008) Copenha-gen, Denmark

36. Gurfinkel V, Poggetti RS, Fontes B, da Costa Ferreira Novo F, Birolini D. Hypertonic saline improves tissue oxygenation and reduces systemic and pulmonary inflammatory response caused by hemorrhagic shock. J Trauma (2003) 54:1137-45

37. Grottke O, Rossaint R. Management der Gerinnungsstörung bei traumainduzierter Hypovolämie und (un-)kontrollierter Blutung. Notfall Rettungsmed (2009) 12:181-187

38. Gutierrez G, Reines HD, Wulf-Gutierrez ME: Clinical review: hemorrhagic shock. Crit Care (2004) 8:373-81

39. Hankeln K, Lenz I, Hauser B. Hemodynamic effects of 6% hydroyethyl starch. 200,000/0.62). Anaesthesist (1988) 37:167-172

40. Hardy JF, de MP, Samama M: Massive transfusion and coagulopathy: pathophysiology and implications for clinical management. Can.J.Anaesth. (2004) 51:293-310

41. Hartl R, Medary MB, Ruge M. Hypertonic/hyperoncotic salineattenuates microcirculatory disturbances after traumatic brain injury. J Trauma (1997) 42:S41-47

42. Healey MA, Davis RE, Liu FC et al. Lactated Ringers is superior to normal saline in amodel of massive hemorrhage and resuscitation. J Trauma (1998) 45:894-899

43. Hehir M, Hollands M, Deane S. The accuracy of the first chest x-ray in the trauma patient. Aust N Z J Surg (1990) 60:529-532

44. Henderson JJ, Popat MT, Latto IP et al. Difficult Airway Society guidelines for management of unantici-pated difficult intubation. Anaesthesia (2004) 59:675-694

45. Hirshberg A, Thomson S, Huizinga W. Reliability of physical examination in penetrating chest injuries. Injury (1988) 19:407-409

46. Huber-Wagner S, Lefering R, Quick LM et al. Effect of whole-body CT during trauma resuscitation on survival: a retrospective multicenter study. Lancet (2009) 373:1455-1461

47. Hyde J, Graham T. Pre-hospital fluid resuscitation for thoracic trauma. Pre-hospital Immediate Care (1999) 3:99-101

48. Innerhofer P, Fries D, Margreiter J, Klingler A, Kuhbacher G, Wachter B, Oswald E, Salner E, Frischhut B, Schobersberger W: The effects of perioperatively administered colloids and crystalloids on primary platelet-mediated hemostasis and clot formation. Anesth Analg. (2002) 95:858-65

49. Katz SH, Falk JL. Misplaced endotracheal tubes by paramedics in an urban emergency medical service system. Ann Emerg Med (2001) 37:32-37

50. Kauvar DS, Lefering R, Wade CE. Impact of hemorrhage on trauma outcome: an overview of epidemio-logy, clinical presentations and therapeutic considerations. J Trauma (2006) 60:3-11

51. Keul W, Bernhard M, Volkl A et al. Methods of airway managemet in prehospital emergency medicine. Anaesthesist (2004) 53:978-992

52. Kempski O, Obert C, Mainka T et al. Small volume resuscitation as a treatment of cerebral blood flow disturbances and increased ICP in trauma and ischemia. Acta Neurichir (1996) Suppl. 66:114-117

53. Klöppel R, Schreiter D, Dietrich J, Josten C, Kahnt T. Frühes klinisches Management nach Polytrauma mit 1- und 4- Schicht-Spiral- CT. Radiologe (2002) 42:541-546

54. Kohler M, Hellstern P, Lechler E, Uberfuhr P, Muller-Berghaus G: Thromboembolic complications asso-ciated with the use of prothrombin complex and factor IX concentrates. Thromb.Haemost. (1998) 80: 399-402

55. Konrad C, Schupfer G, Wietlisbach M et al. Learning manual skills in anesthesiology: Is there a recom-mended number of cases for anesthetic procedures? Anesth Analg (1998) 86:635-639

56. Kreimeier U, Lackner C, Pruckner S. Permissive Hypotension beim schweren Trauma. Anaesthesist (2002) 51:787-799

57. Kreimeier U, Messmer K Small volume resuscitation: from experimental evidence to clinical routine. Advantages and disadvantages of hypertonic solutions. Acta Anaesthesiol Scand (2002) 46(625):638

58. Kreimeier U, Peter K (1997) Prehospital Fluid Replacement. In: Vincent J-L, editor. Yearbook of Intensive Care and Emergency Medicine. Berlin, Heidelberg, New York: Springer Verlag, 383-397

59. Lechleuther A, Emerman C., Dauber A, Bouillon B, Kubincanek JA. Evolution of rescue systems: a com-parison between Cologne and Cleveland. Prehospital Disaster Med (1994) 9:193-197

60. Levison M, Trunkey DD. Initial Assessment and resuscitation. Surg Clin North Am (1982) 62:9-1661. Liberman M, Mulder D, Sampalis J. Advanced or basic life support for trauma: meta analysis and critical

review of the literature. J Trauma (2000) 49:584-599

Page 20: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

160

62. Marzi I. Hemorrhagic shock. Anaesthesist (1996) 45:976-99263. Matsuoka T, Hildreth J, Wisner DH. Uncontrolled hemorrhage from parenchymal injury: is resuscitation

helpful? J Trauma (1996) 40:915-92164. Matsuoka T, Wisner DH. Resuscitation of uncontrolled liver hemorrhage: effects on bleeding, oxygen

delivery, and oxygen consumption. J Trauma (1996) 41:439-44565. Mikhail J: The trauma triad of death: hypothermia, acidosis, and coagulopathy. AACN.Clin.Issues (1999)

10:85-9466. Moore EE, Burch JM, Franciose RJ, Offner PJ, Biffl WL: Staged physiologic restoration and damage

control surgery. World J.Surg. (1998) 22:1184-9067. Mort TC. Preoxygenation in critically ill patients requiring emergency tracheal intubation. Crit Care Med

(2005) 33:2672-267568. Mort TC, Waberski BH, Clive J. Extending the preoxygenation period from 4 to 8 mins in critically ill

patients undergoing emergency intubation. Crit Care Med (2009) 37:68-7169. Nielsen VG: Colloids decrease clot propagation and strength: role of factor XIII-fibrin polymer and

thrombin-fibrinogen interactions. Acta Anaesthesiol.Scand. (2005) 49:1163-7170. Nielsen VG, Gurley WQ, Jr., Burch TM: The impact of factor XIII on coagulation kinetics and clot strength

determined by thrombelastography. Anesth Analg. (2004) 99:120-371. Niemi TT, Suojaranta-Ylinen RT, Kukkonen SI, Kuitunen AH: Gelatin and hydroxyethyl starch, but not

albumin, impair hemostasis after cardiac surgery. Anesth Analg. (2006) 102:998-100672. Nolan JP. Fluid replacement. Br Med Bull (1999) 55:821-84373. Nolan JP, DeakinCD, Soar J et al. European Resuscitation Council guidelines for resuscitation 2005. Sec-

tion 4. Resuscitation (2005) 67 Suppl 1:S39-8674. Paal P, Herff H, Mitterlechner T et al. Anaesthesia in prehospital emergencies and the emergency room.

Resuscitation (2010) 81:148-15475. Peytel E, Menegaux F, Cluzel P, Langeron O, Coriat P, Riou B. Initial imaging assessment of severe blunt

trauma. Intensive Care Med (2001) 27:1756-176176. Pitts RF, Ayer JL, Schiess WA. The renal regulation of acid-base balance in man; the reabsorbtion and

excretion of bicarbonate. J Clin Invest (1949) 28:35-4477. Pitts RF, Lotspeich W. Bicarbonate and the renal regulation of acid based balance. Am J Physiol (1946)

147:138-15778. Pfeifer R, Pape HC. Missed injuries in trauma patients: A literature review. Patient Safety in Surg (2008)

2:20; DOI: 10.1186/1754-9493-2-2079. entfällt80. Ragaller M, Albrecht DM. Hypertone Lösungen: Volumen auf Pump? Anästesiol Intensivmed Notfallmed

Schmerzther (2001) 36(S2):155-15881. Raum M, Rixen D, Linker R et al. Influence of lactat infusion solutions on the plasma lactate concentrati-

on. Anaesthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther (2002) 37:356-35882. Roberts K, Revell M, Youssef H et al. Hypotensive Resuscitation in patients with ruprures abdominal

airtic aneurysm. Eur J Vasc Endovasc Surg (2006) 31:339-34483. Rossaint R, Bouillon B, Cerny V, Coats TJ, Duranteau J, Fernandez-Mondejar E, Hunt BJ, Komadina R,

Nardi G, Neugebauer E, Ozier Y, Schultz A, Stahel PF, Vincent JL, Spahn DR. Management of bleeding following major trauma: an updated European guideline. Crit Care (2010) 14:R52;1-29

84. Rossi R. Erstversorgung vor Ort oder schnellstmöglicher Transportbeginn. Anaesthesist (1997) 46:126-132

85. Ruchholtz S, Lefering R, Paffrath T, Oestern HJ, Neugebauer E, Nast-Kolb D, Pape HC, Bouillon B. Rückgang der Traumaletalität. Dtsch Arztebl (2008) 105(13):225-31

86. Sampalis JS, Lavoie A, Williams JI, Mulder DS, Kalina M. Impact of in-site care, prehospital time, and level of in-hospital care on survival in severely injured patients. J Trauma (1993) 34:252-261

87. Sampalis JS, Tamin H, Denis R et al. Ineffectiveness of on-site intravenous lines: is prehospital time the culprit? J Trauma (1997) 43:608-615

88. Schierhout G, Roberts I: Fluid resuscitation with colloid or crystalloid solutions in critically ill patients: a systematic review of randomised trials. BMJ (1998) 316: 961-4

89. Schmidt U, Muggia-Sullam M, Holch M, Kant CJ, Brummerloh C. Primärversorgung des Polytraumas. Vergleich des deutschen und amerikanischen Luftrettungssystems. Unfallchirurg (1993) 96:287-298

90. Schneider CP, Faist E, Chaudry IH, Angele. Therapie des hämorrhagischen Schocks. Notfall Rettungsmed (2009) 12:193-200

91. Schöchl H, Nienaber U, Hofer G, Voelckel W, Jambor C, Scharbert G, Kozek-Langenecker S, Solomon C. Goal-directed coagulation management of major trauma patients using thrombelastometry (ROTEM®)-guided administration of fibrinogen concentrate and prothrobin complex concentrate. Crit Care (2010) 14:R55

92. Schwarz S, Schwab S, Bertram M et al. Effects of hypertonic saline hydroxyethyl starch solution and mannitol in patients with increased intracranial pressure after stroke. Stroke (1998) 29:1550-1555

93. Shah N, Palmer C, Sharma P. Outcome of raising blood pressure in patients with penetrating wounds. Lancet (1998) 351:648-649

Page 21: Die neue S3 – Leitlinie zur Polytrauma-Versorgung · 142 zwar logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem Boden systematischer Literaturrecherchen

161

94. Shafizadeh S, Tjardes T, Steinhausen E, Balke M, Paffrath T, Bouillon B, Bäthis H. Schockraummanage-ment von Schwerverletzten. Orthopäde (2010) 39:771-776

95. Smith JP, Bodai BI, Hill AS, Frey CF. Prehospital stabilization of critically injured patients: A failed con-cept. J Trauma (1985) 25:65-76

96. Statistisches Bundesamt (2010)97. Stephens CT, Kahntroff S, Dutton RP. The success of emergency endotracheal intubation in trauma pati-

ents: A 10 year experience at a major adult trauma referral center.Anesth Analg (2009) 109:866-87298. Silvestri S Ralls GA, Krauss B et al. The effectiveness of out-of-hospital use of continuous endtidal carbon

dioxide monitoring on the rate of unrecognized misplaced intubation within a regional emergency medical service system. Ann Emerg Med (2005) 45:497-503

99. S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung (2011) AWMF Reg Nr. 012/019, 2011100. Thierbach A, Piepho T, Wolcke B et al. Prehospital emergency management procedures. Success rates and

complications. Anaesthesist (2004) 53: 543-550101. Timmermann A, Eich C, Russo SG et al. Prehospital airway management: a prospective evaluation of

anaesthesia trained emergency physicians. Resuscitation (2006) 70:179-185102. Timmermann A, Russo SG, Eich C et al. The out-of-hospital esophageal and endobronchial intubations

performed by emergency physicians. Anesth Anal (2007) 104:619-623103. Thomson S, Huizinga W, Hirshberg A. Prospective study of the yield of physical examination compared

with chest radiography in penetrating thoracic trauma. Thorax (1990) 45:616-619104. Trunkey DD. Prehospital Fluid resuscitation of the trauma patient. An analysis and review. Emerg Med

Serv (2001) 30:93-95105. Turner J, Nicholl J Webber L et al. A randomised controlled trial of prehospital intravenous fluid replace-

ment therapy inserious trauma. Health Technol Assess (2000) 4:1-57106. Trupka A, Kierse R, Waydhas C, Nast-Kolb D, Blahs U, Schweiberer L. Schockraumdiagnostik beim

Polytrauma- Wertigkeit der Thorax CT. Unfallchirurg (1997) 100:469-476107. Velanovich V. Crystalloid vs colloid fluid resuscitation: a meta analysis of mortality. Surgery (1998)

105:65-71108. Wade CE, Kramer GC, Grady JJ, Fabian TC, Younes RN. Efficacy of hypertonic 7,5% saline and 6%

dextrane 70 in treating trauma: a meta-analysis of controlled clinical studies. Surgery (1997) 122:609-616

109. Warner KJ, Cuschieri J, Copass MK et al. Emergency department ventilation effects outcome in severe traumatic brain injury. J Trauma (2008) 64:341-347

110. Warner KJ, Cuschieri J, Jurkovich GJ et al. Single-dose etomidate for rapid sequence intubation may impact outcome after severe injury. J Trauma (2009) 67:45-50

111. White NJ, Martin EJ, Brophy DF, Ward KR. Coagulopathy and traumatic shock: Characterizing hemosta-tic function during the critcal period prior to fluid resuscitation. Resuscitation (2010) 81:111-116

112. Wormald P, Knottenbelt J, Linegar A. A triage system for stab wound to the chest. S Afr Med. J (1989) 76:211-212