dialogspiele als semantische grundlage von logikkalkülen

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DIALOGSPIELE ALS SEMANTISCHE GRUNDLAGE V0N LOGIKKALKULEN* Von KUNO LORENZ I Pragmatische Einfiihrung tier Aussagen und logisehen Partikeln durch Dialoge . . . 1. Einfiihrtmg des Dialogbegriffes ....................... 2. Ein Dialogspiel ............................. 3. Die logisehen Partikein .......................... 4. Das relative Dialogspiel, eine formale Darstellung .............. II Die Rolle tier Log'rkkalkiile in der Theorie der Dialogspiele... 1. Formale Gewinnstellungen................ 2. Kalkiilisierung eines formalen Dialogspiels......... 3. Die effektive Logik ................... 4. Weitere Resultate ................... 32 32 37 41 50 folgt in Heft 11/3-4 Die Aufgabe dieses Aufsatzes soll es sein, den Dialogbegriff als Grundlage aller . . . . . . . l'i " wiehtigen Termini der Logik wie ,,Aussage , ,,wahr , ,,allgememgu ~ g usw. so weir einzuffihren, daI~ deutlieh wird, inwiefern der Rfickgang auf Dialogspiele eine Begrfindung tier Logik zu heiSen verdien~ 1. Im ersten Tefl sind dabei diejenigen Uberlegungen enthalten, die nut bis an die Schwelle der Logik im engeren Sinne fiihren. Sie kommen also im wesentliehen noeh ohne den Begriff tier Wahrheit einer Aussage aufgrund der Form allein aus. Der zweite Tefl bingegen ist aussehlie$1ich der Theorie der Dialogspiele unter diesem Gesiehtspunkt der Allgemeingfiltigkeit yon Aussagen gewidmet und ent- wiekelt Logil~l~alk~le als geeignetes Hilfsmittel fiir diese Theorie. Es zeigt sieh, dall dabei neben einem bier erstmals behandelten Kalkiil der,,strengen" Logik den l~ngst bekarmten Kalkfilen tier ktassischen (zweiwertigen) und in~uitionistisehen (effektiven) Logik eine ausgezeiehnete Rolle zukommt. I. Pragmatisehe Einfiihrung der Aussagen und logischen Partikeln dureh Dialoge 1. Ein/i~hrung des Dialogbegri~es Der Ausgangspunkt aller Uberle~mgen is~ die wohlbekannte Tatsache, dab nur fiir die Aussagen der Junktorenlogik eine Begriindung der einschl~gigen Kalkiile mSglich ist, die yon einer voUkommen finiten und daher unproblematischen Deft- * Eingegangen am 17. 10. 66 1 Die Idee, einen Dialog zur Begriindtmg der Logik heranzuziehen, geht zuriick auf Lorenzen [1], [2]; sie wurde ausgefiihrt in Lorenz [1] und bfldet die Grundlage der Darstellung in Loren- zen [3]. Vgl. aueh die dialogische Interpretation der Quanteren in Mackie [1], [2].

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Page 1: Dialogspiele als Semantische Grundlage von Logikkalkülen

D I A L O G S P I E L E A L S S E M A N T I S C H E G R U N D L A G E V 0 N L O G I K K A L K U L E N *

Von KUNO LORENZ

I Pragmatische Einfiihrung tier Aussagen und logisehen Partikeln durch Dialoge . . . 1. Einfiihrtmg des Dialogbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ein Dialogspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die logisehen Partikein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das relative Dialogspiel, eine formale Darstellung . . . . . . . . . . . . . .

I I Die Rolle tier Log'rkkalkiile in der Theorie der Dialogspiele.. . 1. Formale Gewinnstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kalkiilisierung eines formalen Dialogspiels . . . . . . . . . 3. Die effektive Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere Resultate . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

32 37 41 50

folgt in Heft 11/3-4

Die Aufgabe dieses Aufsatzes soll es sein, den Dialogbegriff als Grundlage aller . . . . . . . l ' i " wiehtigen Termini der Logik wie ,,Aussage , ,,wahr , ,,allgememgu ~ g usw. so

weir einzuffihren, daI~ deutlieh wird, inwiefern der Rfickgang auf Dialogspiele eine Begrfindung tier Logik zu heiSen verdien~ 1. Im ersten Tefl sind dabei diejenigen Uberlegungen enthalten, die nut bis an die Schwelle der Logik im engeren Sinne fiihren. Sie kommen also im wesentliehen noeh ohne den Begriff tier Wahrheit einer Aussage aufgrund der Form allein aus. Der zweite Tefl bingegen ist aussehlie$1ich der Theorie der Dialogspiele unter diesem Gesiehtspunkt der Allgemeingfiltigkeit yon Aussagen gewidmet und ent- wiekelt Logil~l~alk~le als geeignetes Hilfsmittel fiir diese Theorie. Es zeigt sieh, dall dabei neben einem bier erstmals behandelten Kalkiil der,,strengen" Logik den l~ngst bekarmten Kalkfilen tier ktassischen (zweiwertigen) und in~uitionistisehen (effektiven) Logik eine ausgezeiehnete Rolle zukommt.

I. P r a g m a t i s e h e E i n f i i h r u n g der A u s s a g e n u n d l o g i s c h e n P a r t i k e l n d u r e h D i a l o g e

1. Ein/ i~hrung des Dialogbegri~es

Der Ausgangspunkt aller Uberle~mgen is~ die wohlbekannte Tatsache, dab nur fiir die Aussagen der Junktorenlogik eine Begriindung der einschl~gigen Kalkiile mSglich ist, die yon einer voUkommen finiten und daher unproblematischen Deft-

* Eingegangen am 17. 10. 66 1 Die Idee, einen Dialog zur Begriindtmg der Logik heranzuziehen, geht zuriick auf Lorenzen [1], [2]; sie wurde ausgefiihrt in Lorenz [1] und bfldet die Grundlage der Darstellung in Loren- zen [3]. Vgl. aueh die dialogische Interpretation der Quanteren in Mackie [1], [2].

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Diah~jspiele als semantlsche Grundhtge yon ~ikkalkiilen 33

nition allgemeingfiltiger Aussageschemata Gebrauch maeht. Gemeint ist jene fibliehe Definition, die dureh Rfiekgang auf die wahr-falseh-Belegungen der Aus- sagesehemata erfolgt. Die logisehen Partikeln, jedenfalls die Junktoren, sind dabei niehts anderes als Bezeiehnungen fiir die versehiedenen MSgliehkeiten, zusaramen- gesetzfen Aussagen einen ,,Wahrheitswert" zuzuerteilen, je nachdem weleher Wahrheitswert den Teflaussagen zukommt. Die einzige, abet ffir die Definition der Allgemeing/iltigkeit entseheidende Voraussetzung dieses Verfahrens ist, dall jede Aussage, jedenfalls zun/~chst einmal jede Primaussage, einen yon zwei Wer~en hat, also wahr oder falseh ist, wie man sagt, wobei es unerheblieh ist, wie im einzelnen wahr und falsch ffir Aussagen, etwa der Arithmetik, definiert ist. Keineswegs un- erheblieh ist es jedoeh, sieh klarzumaehen, da$ das ganze Veffahren wirklieh nur Sinn hat, wenn jede Primaussage eben wahr oder falseh ist, d. h. auf, mindesfens prinzipiell, entscheidbare Weise ihr einer der beiden Wer~e zukommt. Was sell es z. B. heiBen, dab die Aussage ,,Figur a i s t im Kalkfil K ableitbar" wahr oder falseh ist, wenn K unentseheidbar und keine Ableitung yon ~ in K bekannt ist ? Eben bier mfiBte man metasprachlieh bereits einen Sinn yon ,,oder" zur Ver- ffigung haben, den es doeh objektspraehlieh erst einzuffihren gilt. Hingegen ist es unproblematiseh, jeder Primaussage ein Verfahren zuzuordnen, das naeh endlieh vielen Sehri~en fiber ihren Wert 0 ,,oder" 1 entseheidet~; diese Zuordnung macht metasprachlich nut seheinbar veto Junktor ,,oder" Gebraueh: ,,oder" ist prag- matiseh ellminiert. Daran liegt es nun aueh, dall die Quantoren nieht mehr auf gleiehe Weise dutch Wahrheitswerte ad/iquat clefiniert werden kSnnen; die Definition ist kein sehema- t iseh kombinatorisehes Verfahren mehr und mull metaspraehlieh yon ebenden- selben Quantoren bereits Gebraueh maehen. All- und Manehaussagen sind im all- gemeinen nieht mehr entseheidbar wahr oder falseh, junktorenlogisehe Ver- knfipfungen aus ihnen demzufolge nieht mehr iiberall definiert. Die Definition ,,allgemeingfilf~iger" Aussagesehemata wird problematiseh, besonders, wenn es grit, Sehemata auf diese ihre Allgemeingfiltigkeit bin zu priifen. An dieser Stelle setzen die Uberlegungen ein, einen Dialog mit genau festgeleg~en Regeln seiner Durehffihrung, ein Dialogstffel also, als Grundlage sowohl tier Defini- tion der logisehen Partikeln als aueh tier einsehl/~gigen semantisehen Termini ,,wahr", ,,allgemeingfiltig" usw. heranzuziehen. Eine krifdsehe Reflexion auf den Sinn yon Aussagen, etwa der oben genannten veto Typ ~-K ~, leg~ es bereits nahe, nieht erst ihre Verifizierbarkeit oder Falsifizierbarkeit ffir eharakferistisch zu hal ten . Vielmehr gibt es bier sog. ,,Beweisversuehe", vorgebUehe Ableitungen /-/K(~), die dutch ein Entseheidungsveffahren auf ihre Korrektheit hin geprfift werden kSnnen. Ihegt ein korrekter Beweisversuch, also ein Beweis ~tK(at ) vor, so wird man sagen wollen, dall der Aussage , , ~ " der Pr/~dikator ,,wahr" zukomme

2 Der pff~d~l~ator ,,entscheidbar" ist bier exemplarisch, d.h. an Beispielen, eingefiiln~ zu denken; die Begriffsbestimmung und dami~ Pr~zisierung des Gebrauchs yon ,,entscheidbar" durch ,,allgemein-rekursiv" setzt den exemplarischen Gebrauch yon ,,ent~eheidbar" bereits voraus, insofem fiir diese Begriffsbestimmung mindestens eine Theorie der Kalkiile gebraucht wird, und kann ihn daher nicht ersetzen. 3 Mathematische ~ (11, 1/2)

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- - m a n schreibt (metaspraehlich) auch , , ~ " Em und sagt, daB, wie ]-K~, auch ,,~K ~" EW zurecht behauptet werde --, liegt dagegen ein inkorrekter Beweisversueh vor, so ist noeh nichts fiber wahr oder falsch entschieden. Im Un~ersehied zu den entscheidbar wahr oder falsehen Aussagen, die man auch kurz wertdefinit nennen kann, heil3en solche Aussagen mit einem entseheidbaren Beweisbegriff beweisdefinit. Entspreehend sind Unableitbarkeitsaussagen wider- legungsdefinit. Geht man nun aber zu noch etwas komplizierteren Aussagen fiber, etwa yore Typ ,,Regel ~ - ~ fl ist im Kalkfil K zul~ssig", so ist leicht einzusehen, dab hier im allgemeinen weder ein entscheidbarer Beweis- noeh ein entscheidbarer Widerlegungsbe~iff, gesehweige denn ein entscheidbarer Wahrheitsbegriff vor- liegt. Trotzdem werden solehe Aussagen ohne Sehwierigkeiten verstanden und beliebig oft, z .B. in metamathematischen Vorlesungen, ,,bewiesen", und aueh diese Beweise werden verstanden. Was aber ist dann der ,,Sinn" einer solehen Aussage ? Hier hilft jetzt der Dialog weiter ! Die Aussage A o [~ Regel a =~ fl ist im Kalkfil K zul~ssig] wird gegeniiber einem Partner behauptet, der sie seinerseits bestreitet, und das alles mit abwechselnd vorgebraehten Argumenten, die naeh gewissen genau festgelegten Regeln aufein- ander folgen. Die Aussage ist ,,sinnvoll", insofern sie in einem Dialog behauptet und also auch bestritten werden kann. Das Behaupten und Bestreiten, die Ar- gumentationen, sind sinnvoUe Handlungen. Zum vorliegenden Fall etwa wird man dem Gegner, kurz Opponent 0 genannt, erlauben, eine Belegung a0 der Prgmi~se (sie wird im allgemeinen Variable enthalten) ]rei zu w~ihlen und ~K ao zu behaupten, wora~hin der A o Behauptende, kurz Proponent P genannt, verpfliehtet sein soll, sieh auf diesen Angriff des O, wie wir sagen wollen, mi~ der Behauptung ~-K flo zu verteidigen; flo ist hier die ao entsprechende Belegung yon fl in der Regel a =o ft. Aber natfirlich wird man P, danach oder stattdessen, auch erlauben, die Behaup- tung ~-~ ao des O seinerseits anzugreifen, n~mlieh yon O die Vorlage einer korrekten Ableitung ~ (ao) zu verlangen; liefert 0 eine solche Ablei~ung, so bleibt P zur ursprfinglichen Verteidigung yon A o, mi~ ~-~ flo n~mlich, verpfliehtet und muB auf Verlangen des O dann seinerseits eine korrekte Ableitung ~( f lo ) liefern. Damit ist der kleine Dialog um A o bereits beendet. Sehematiseh kann man die verschiedenen Dialogffihrungen wie folgt darstellen:

(1) Opp. Prop. (2) O P (3) O P

A o 0. 1. I-"ao t-flo 4. 3. ~(~o) ? 2. 5. ? ~(&) 6.

A o 0. 1. ~ o ~-Po 2. 3. ~ ~(3o) 4.

Ao 0. 1. ~ o I-rio 2. 3. ? 5. ~(,Xo) ~ 4.

(Die Reihenfolge der Argumente ist durehnumeriert worden; Angriif und Verteidi- gung darauf stehen aus Zweekm~l]igkeitsgriinden immer in der gleichen Zeile. Auf einen Index neben jedem Angriff, der angibt, gegen welches Argument er sich richter, ist in den Beispielen verzichtet worden.)

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Dialogspide als semantische Grundlage yon Logikkalkiden 35

Ira Fail (I) hat P gewonnen - - er hat alle Verptlichtungen efffillt und 0 kann niehts mehr beanstanden -- , im Fall (2) ebenfalls, im Fall (3) jedoeh nicht, well 0 auf Anfrage ~t(go) liefern kann, P aber kein at(/~0) kennt. Kennt aueh 0 in diesem Fall kein ~ (~o), fehlt also das 5. Argument, so gewinnt wieder P, weft vernfinftiger- weise eben erst 0 ffir die ,,Voraussetzung" F- a0 geradestehen muB, ehe P a u f ~- flo festgelegt werden karm. •aeh sp/~testens seehs Schritten ist der Dialog um A o beendet, gewonnen hat, wer,,das letzte Wort" hat. Es ist dabei auf einfache Weise entseheidbar, ob der Dialog korrekt geffihrt wurde und wer ihn gewonnen hatS: zur Aussage A o gehSrt ein entscheidbarer Dialogbegriff, A 0 soU daher dialogdefinit heit3en. Eine Aussage A ist ,,sinnvoll", oder eben schlicht wirklieh eine Aussage, insofern sie dialogdefinit ist. Zeiehen- oder Lautfolgen mSgen Aussagen heillen, wenn um sie ein Dialog geffibrt werden kann. Entseheidend ist nun aber, daft der individu- elle Ausgang eines Dialoges um A noeh niehts fiber Wahrheit und Falsehhei~ yon A besagen soll. Denn der Gewinn eines Dialoges wird natfirheh yon der Wahl der Argumente abh/~ngen und nieht invariant gegenfiber einer .~mderung der Argu- mente sein; Gewhm und Verlust lassen sich nut als Pr/~dikatoren auf ganze Dialoge A (A) anwenden, nieht etwa schon auf die Anfangsaussage A selbst. Man wird vielmehr definieren wonen:

D 01 A ist wahr genau, wenn P eine Gewinnstrategie ]iir A hat, also den Dialog um A gewinnen kann ohne Rficksieht auf die Wahl der Argumente yon 0 ; entspreehend: A ist ]alsch genau, werm 0 eine Gewinnstrategie gegen A hat, also den Dialog um A gewinnen kann ohne Rfieksieht auf die Wahl der Argumente yon P.

In dieser Definition wird als Definiens eine vergleiehsweise komplizierte Meta- aussage verwendet, yon der man sich erst zu/iberzeugen hat - - wie im Fall der Aussage ,,Regel ~ ~ fl ist im Kalkfil K zul/issig" -- , inwiefern sie dialogdefinit ist. Wie sieht ein Dialog um , ,P vefffigt fiber eine Gewinnstrategie ffir A " aus ? Der erste angreifende Schritt des 0pponenten wird lediglieh aus einer Aufforderung an P bestehen, eine Gewinnstrategie vorzulegen. Was immer man nun als Ver- teidigungsmSgliehkeiten des P irn einzelnen vorschreiben m a g - - im Fall unendlich vieler Alternativen des 0 im Dialog um A l~l~t sich sicher nieht die Angabe einer Antwort des P a u f ]ede MSglichkeit des 0 verlangen -- , jedenfalls wird man yon P fordern wollen, auf eine Aufforderung des 0 an P zu einem Dialog um A einzu- gehen, eine vorgelegte Argumentationsweise des 0 also zu beantwort~n. Es spielt dabei keine Rolle, ob sich die faktische Spielweise des P daraufhin prfifen 1/~llt, ob sie irgendeiner etwa vereinbarten Strategieangabe gehorcht; die yon P gew/thlte Spielweise gelte einfach als strategiegems D amit ist der Dialog um , ,P verffigt fiber eine Gewirmstrategie ffir A" auf den Dialog um A selbst zurfiekgeffihrt, die zur Definition yon A ~ m verwendete Aussage also selbst aueh dialogdefinit. Jedoeh

s Genau genommen miiBte m a n sich dann auf en~eheidbare Kalkiile beschranken; will m a n das jedoch ~icht, so geniigt es, start nut korrekte Ableitnngen ar(~) auch beliebige Ableitungs- versuche//(~) als Argumente zuzulassen und in einem weiteren Dialogschritt zur Priiftmg dieser Versuche auf ihre Kormktheit bin aufzufordem. 3*

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well] man noch nieht, ob der Pr/idikator ,,wahr" der Aussage A nun auch zukommt, ihr zu Recht zugesprochen ist. Es sieht also so aus, als sei man keinen Schritt welter gekommen, denn die Existenz einer Gewinnstrategie ffir,,A Em" zu beweisen, 1/iuft in tier Ta t jetzt auf nichts anderes binaus, als ebendasselbe ffir A zu tun. Nun war aber yon vornherein nieht zu erwarten, dab sich auf dem Wege fiber den Dialog etwa ein entscheidbarer und ad/iquater Wahrheitsbegriff wfirde gewinnen lassen; er bleibt dialogisch, und das ist alles. Trotzdem 1/iBt sich die Existenz yon Gewinnstrategien auch bei unendlich vielen mSgliehen Dialogen um eine Aussage A ,,beweisen", und zwar dureh Uberlegun- gen, wie sic in der konstruktiven 1V[athematik schon immer gelehrt und gelernt wurden, z. B. durch Induktion. Denn natfirlich werden bei unendlich vielen Alter- nativen ffir ein Argument in einem Dialog diese durch ein Schema, also einen Kal- kill, gegeben sein, und Induktion fiber diesen Kalkfil wird unter Umst/inden alle MSglichkeiten bei dem in Frage stehenden Dialogschritt zu behandeln gestatten. So reicht z. B. eine der ilblichen ]~liminationsmethoden filr Regeln in einem Kalkill aus, sich einer Gewinnstrategie ffir den oben eingefilhrten Dialog um A 0 zu ver- gewissem. In jedem Fall mug das Beweisverfahren verstanden werden, und das bedeutet keineswegs, den Beweis nut hinzunehmen oder zu ,,glauben". Wer an seiner Schlilssigkeit - - das hat bier nichts mit logisehem SchheBen zu tun! - - zweifelt, mag als Opponent zu einem Dialog um die fragliche Aussage antreten und diesen Dialog zu gewinnen versuchen. Endlieh viele solcher Versuche, einen Dialog um A 0 zu gewinnen, die gegen einen Proponenten als Partner, tier den Beweis ver- standen hat, aueh vergeblieh sein werden, kSnnen dann ein AnlaB sein, sich noeh einmal um das Verstiindnis des Beweisverfahrens zu bemiihen. Der Dialog um eine Aussage bleibt die entscheidbare Grundiage, an der sich jeder Beweis der Existenz einer Gewirmstrategie ffir diese Aussage bew/~hren muB, ganz /ihnlich fibrigens, wie sieh Beweise fiir die Ableitbarkeit oder Unableitbarkeit yon Figuren in Kalkillen an konkreten Ableitungen zu bewi~hren haben. Dialoge lassen sieh als Verallgemeinerung yon Kalkfilen auffassen: die einzelnen Dialogschritte selbst befolgen niehts anderes als schematische Handlungsanweisungen, also Kalkiilregeln, nut sind diese Kalkfile eben so fibereinandergetiirmt, dab sieh Dialogregeln ergeben. Umgekehrt lassen sieh Kalkille als entartete Dialogspiele, ngmlieh als ,,Monologe" oder ,,Ein-Schritt-Dialoge" auffassen, wie man am Bei- spiel der Ableitbarkeitsaussagen ~-xa sofort sehen kann. Es diirfte damit noeh deutlieher sein, inwiefern es der Dialog, ngmlieh ein lehr- und lembarer Handlungszusammenhang ist, der eine Aussage sinnvoll maeht. Man kSnnte aus diesem Grunde den Dialogbegriff aueh eine pragmatisehe Fundierung der Logik im weiteren Sinne nennen, die den alten Gegensatz von Syntax und Semantik ilberwindet: die schematisehen Regeln tier Dialogfilhrung sind prakti- sehe Handlungsanweisungen und gehSren als solehe ebenso zur Syntax wie zur Semantik der Aussagen4.

�9 Zur iiblichen mengentheoretischen Semantik vgl. ihre Grundlegung in Tarski [1]; ein kriti- seher Vergleich mit der in Lorenz [1 ] vorgelegCen und bier fortgeftihrten ,,spieltheoretisehen" Begriindung tindet sich in Stegmiiller [1].

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2. Ein Dialogspiel

Von den bisherigen Betrach$ungen geleitet, soU jetzt in Form einzelner Punkte erkl~rt werden, was man allgemein unter einem Dialogspiel verstehen mSge. Dieser Vorschlag ist natiirlich nicht zwangsl~ufig, insofern man sich sofort Alternativen wird fiberlegen kSnnen. Fiir eine Begriindung geniigt es, zuniichst iiberhaUpt einen Vorschlag zu machen, der als Leitfaden zur Behandlung yon Aussagen in ~eder Reflexionsstufe dient. Es wird sich dann herausstellen, ob Alternatiworschl~ge in irgendeinem angebbaren Sinn das gleiche oder aber Verschiedenes leisten.

Den Vorschlag, um sprachliche ~uBerungen einen Dialog zu fiihren, der sie als Aussagen qualifiziert, kSnnte man vergleichen mit der ,,Vereinbarung", iiberhaupt sprechen zu wollen. Solche Handlungen: sprechen, dialogisieren, auch z~hlen u. a., sind insofem yon ,,blol3en" Konventionen unterschieden, als sie MSglichkei~en erSffnen, die auf keine andere Weise erschlossen werden kSnnen; sie sind ,,nichb ersetzbar". Kantisch gesprochen, handelt es sich hier um ,,Bedingungen der MSglichkeit" yon: sprachlich gestalteter Lebenswelt, Logik und Arithmetik. Die spezifische VerwL-klichung yon ,,sprechen" etwa als ,,deutschsprechen" ist dagegen sehr wohl ersetzbar durch ,,ebenso gute" Alternativen anderer natiirlicher oder auch kiinstlicher Sprachen.

In ebendiesem Sinne ist auch der im folgenden explizit vorgelegte Vorschlag eines Dialogspiels ersetzbar durch andere Vorschl~g e dieser Art. Es bedarf jeweils detaillierter Einzeluntersuchungen (die sich natiirlich bereits selbst eines Vor- schlags in der Metasprache bedienen, wenn sie wirklich kritisch verfahren), um anzugeben, in welchem Sinne zwei verschiedene Verwirklichungen ,fiquivalent", ineinander ,,fibersetzbar" sind.

D 1 Dialoge um Aussagen bes~ehen aus abwechselnd vom Opponenten 0 und Proponenten P vorgebraehten Argumenten, die bestimmten zur Dialog- fiihrung gehSrigen Regeln folgen, und enden mit Gewinn und Verlust fftr je einen der beiden Partner.

D 2 Die Argumenr das uneigentliche yon P vorgebrachte Anfangsargument aus- genommen, greifen vorhergegangene des Gegners an oder verteidigen eigene auf solche Angriffe, nicht aber beides zugleich: die eigentlichen Argumente zeffallen in Angri~e und Verteidigungen.

D 3 Angriffe stellen Rechte dar, die jederzeit im Dialog wahrgenommen werden kSnnen.

D 4 Verteidigungen stellen Pflichten dar, denen in der umgekehrten Reihenfolge der zugehSrigen Angriffe sps dann nachgekommen werden muB, wenn kein Angriffsrecht mehr ausgefib~ werden kann: die jewefls zuletzt ent- s~andene Verteidigungspflicht hat Vorrang.

D 5 Wer in einem Dialog kein Argument mehr vorbringen kann oder aufgibt, hat diesen Dialog verloren, der andere ihn gewonnen.

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Dureh D 2 wird zunachst , ,Angriff" als zweistelliger und ,,Verteidigung" als drei- stelliger Pradikator fiber Argumenten in einem Dialog zJ (A) eingefiihrt: ,,~1, ~ E Angri f f" heiflt, dab ~1 ein Angriff gegen (3 ist; ,,~1, (z, (3 E Verteidigung" heiBt, dal3 ~1 eine Verteidigung yon ~a auf ~2 ist, wobei ,,~2, ~a C Angri f f" ~_lt. Anschlie- fiend werden , ,Angriff" und ,,Verteicligung" in der iiblieben bequemen Weise 5 einstellig bebandelt.

0ffenbar ist es bier bereits willkfirlieh, gerade diese Einteilung der Argumente zu treffen. Einfaeher ware es sicher, erst einmal nut mit Angriffen einen Dialog zu fiihren ~ -- abet dieser Spezialfall ist hier natfirlieh mit enthalten --, sehwieriger dagegen ware es, noch allgemeiner gleieh feinere Einteflungen zu treffen, etwa auch Angriffe ,,2. Ordnung" zu betraehten, die yon den ursprfinglichen Angriffen und den Verteidigungen darauf abhangen, also in diesem Falle einen vierstelligen Pradikator gleieh miteinffihren. Bei einer solehen Uberlegung vergigt man, was als Grundintention jeden Vorsehlags einer Dialogffihrung anzusehen ist, namlieh zunaehst nur so viele Distinktionen vorzugeben, als sieh durch Beispiete aus tier wissensehafthehen Praxis bei deren kritiseher Rekonstruktion und methodischer Reehtfertigung motivieren lassen. Insbesondere zeigt das Beispiel A o, da$ mit An~iffen aUein keine hinreiehend allgemeine Dial%ff/ihrung erreieht wird, wahrend ein Beispiel, fEr das man mit AngTiffen und Verteidigungen allein nieht auskame, noeh anzugeben ware. Darfiber hlnaus ist es nieht ausgesehlossen, da$ kompli- ziertere Dialogspiele sieh durehaus auf den bier gewahlten Vorschlag reduzieren IieBen.

Abet yon diesen Uberlegungen einmal abgesehen, wird es sieher niemand fiir un- natiirlich halten, in einem Dialog jedem der beiden Kontrahenten yon vornherein einen unmittelbaren Bezug zu jedem Argument einzuraumen, eben angreifend gegenfiber den Argumenten des Gegners und verteidigend gegenfiber den eigenen Argumenten, wobei im zweiten Falt die Angriffe des Gegners in geordneter Weise zu berficksiehtigen sein sollen. Durch D 3 und D 4 werden Angaben fiber das Verhaltnis yon Angriff und Ver- teidigung in einem Dialog gemaeht, die plausibel sein dfirften: z. B. sollen Angriffs- reehte im weiteren Verlauf eines Dialoges nieht erlSschen kSnnen; andererseits soU die Einl6sung yon Verteidigungspfliehten dureh die Wahrnehmung yon Angriffs- reehten zwar aufgesehoben, abet nieht aufgehoben werden k6nnen. Und zwar soll die EinlSsung einer Verteidigungspflicht insbesondere solange aufgesehoben wer- den dfirfen, bis der sie auslSsende Angriff vom Gegner seinerseits auf einen Gegen- angriff verteidigt worden ist. Damit dies aueh dann, wenn keine Angriffsreehte mehr zur Verffigung stehen-- also verteidigt werden muB -- stets ffir beide Partner

s ,,~ E Angriff" etwa ist definiert durch,,Vz ~, x E Angriff" unter Benutzung des bier noeh nieht zur Verfiigung stehenden M~nchquantors Y~. Trotzdem ist diese Definition auch bier v6Uig unproblematisch: wer ,,~ E Angriff" behauptet, muB ein Argument ~' angeben und ,,~, ~" E An. griff" behaupten. Entsprechend: wet ,,~ E Verteidigung" behaUptet, muB Argumente ~' und ~'" angeben und ,,$, ~P, ~" E Verteidigung" behaupten. 6 Vgl. hierzu Drieselmer [1], wo jede Aussage dureh diejenigen Aussagen, die als ,,EinwKnde" gegen sie (d. s. bei uns die Angriffe gegen sie) gelten soUen, eharakterisier~ wird.

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sichergestellt ist, muB man die angegebene Rangfolge innerhalb der Verteidigungs- pflichten einhalten. Das ergibt eine einfaehe Uberlegung, die man sich am Beispiel- dialog urn A o klarmachen kann:

Betrachtet man etwa den Dialogverlauf (3), so w/ire es denkbar, dal] O als 5. Ar- gument, start ~(a0) vorzubringen, das 4. Argument (hier das ,, ?" des P) noch angreifen k6nnte; darf es dann gleichg/il~ig sein, welcher Verteidigung P ~ sofern P nicht seinerseits angreift - - zuerst naehzukommen hat, der seines 2. oder der seines 4. Arguments ? Angenommen, P verteidigte zuers~ das 2. Argument, dann w~re wegen D 1 wieder 0 am Zuge. Und 0 miiBte, sofern keine Angriffe mehr m6glich sind, sein 3. Argument auf den Angriff des P (4. Argument) mit ~ (a0) ver- teidigen, obwohl er wegen der seitens P noch ausstehenden Verteidigung dieses Angriffs keine Veranlassung dazu hat. 0 h/s im Untersehied zu P, die M6glieh- keit verloren, die Einl6sung seiner Verteidigungspflicht mindestens solange auf- schieben zu d/irfen his der sie ausl6sende Angriif yore Gegner seinerseits auf den schon vorgebrachten Gegenangriff verteidigt worden ist.

Damit also die mit dew. Recht zum Aufschub versehene Pflicht zur Verteidigung sinnvoll bleibt, mug man die Reihenfolge der Angriffe zu einer Rangordnung der zugeh6rigen Verteidigungspfliehten benutzen, und zwar so, dab man in einem Dia- log tier Verteidigung auf den jeweils letzten unverteidigten Angriff stets Vorrang vor allen anderen noch nicht eingel6sten Verteidigungspttichten einr/~umt: alas zuletzt angegriffene Argument mug immer zuerst verteidigt werden.

Als zweckm~llige Terminologie empfiehlt es sich, je einen Angriif mit der zugeh6ri- gen Verteidigungspflicht - - also die Zeflen in der hier gewahlten Dialoguotation - - eine B u t t e des Dialogs zu nennen. Die Runden m6gen oOen bellmen, soIange die Verteidigungspflichten uneingel6st sind, hingegen geschlossen, sobald verteidig~ worden ist. geder Angriff er6ffnet eine neue Runde des Dialogs; der Dialog ist auf natiirliche Weise dutch Seine Angritfe nach Runden geordnet. Die Verteidigungen sehlielten Runden, und zwar miissen sie nach dem gerade Er6rter~en die jeweils le~zte noeh offene Runde zuerst schlieflen. Die oberste Zeile mit dem uneigen~- lichen Anfangsargument gelte als uneigentliehe (offene) 0. Runde.

D 5 sehlieBlich setz~ in naheliegender Weise lest, warm rind ffir wen ein Dialog ge- wonnen und verloren sein soil.

Kehr t man jetzt zum Beispieldialog um A0 zurfick, so kann man sich schnell davon iiberzeugen, dall D 1 - - D 5 noeh nicht ausreichen, um einen entscheidbaren, i. e. definiten, Dialogbegriff zu garantieren. Es muB n/~mlich sichergestellt sein, dal3 nach den unter D 1 genannten Regeln, den Argumenteregeln fiir die Dialog- fiihrtmg, jeder Dialog um eine Aussage wirklieh zu einem Ende kommt mud diese Regeln es gestatten, yon einem beendef~n Dialog zu entscheiden, ob er fehleffrei geffihrt wurde und wet ihn gewonnen hat. Erst darm sollen Aussagen dialogdel~nit heiflen. Betrachtet man jedoeh die oben angegebene Dialogfiihrung (1) um A o, so ist nicht einzusehen, warum O nach dem 6. Argument yon P nieht noch einen weiteren Angriff t- ~1 gegen A 0 - mit einer Belegung zq yon ~r naeh seiner Wah l - - sollte vorbringen diirfen. Dutch D 3 wird rrieht festgelegt, w/e o/t Angritfsreehte im

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Verlauf eines Dialogs wahrgenommen werden dfirfen. Die Frage l~Bt sich auch so stellen: sollen mehrere verschiedene MSglichkeiten der Dialogfiihrung um eine Aus- sage A innerhalb ein und desselben Dialoges LJ (A) realisierbar sein ? Man wird sofort einsehen, dab es keinen Sinn hat, die Ausiibung yon Angriifs- rechten gegen ein Argument beliebig o/t zu gestatten, weft dann ein Dialog beliebig lange gefiihrt werden kSnnte, der Dialogbegriff also nicht definit w~re. Daher miissen wir uns fiberlegen, welche Schrankdn fiir die Zahl der ausiibbaren Angriffs- rechte gegen ein Argument angemessen sind. Es ist dabei zun~chst sieher ver- niinftig, eine Schranke gleiehm~flig allen Argumenten gegeniiber vorzuschreiben; allenfalls kSnnte man beiden Partnern das Recht zugestehen, vor jedem Dialog, oder auch w~hrend eines solchen, Schranken erst auszuhandeln, und dann sogar mSglicherweise fiir O und P versehiedene. Die einfaehste Forderung abet ist es wohl, gegen ein Argument in einem Dialog hSchstens ein/ache Ausiibung des An- griffsreehts zu erlauben. Diese Vereinbarung soll auch hier zun~ehst getroffen werden: D 6z, 1 Argumente diirfen im Verlauf eines Dialoges h6chstens einmal angegriffen

werden. Es wird sieh heraussteUen, dal3 die in D 61,1 gews Sehranken- den ersten Index nennen wir kurz O-Angri~sschranke, den zweiten entspreehend P-Angri~8- schranke ~ durchaus folgenreieh sind, n~mlich in bezug auf die Klasse der Aus- sagen, fiir die es Gewinnstrategien gibt. Andere Angriffssehranken fiihren auch zu anderen Klassen gewinnbarer Aussagen. Trotzdem wird man D 61,1 nieht nur des- halb fiir verniinftig ansehen, weft es den einfaehsten Vorschlag darstellt, sondern auch aus folgendem Grunde: wer in einem Dialog eine Aussage ein weiteres Mal angreift, hat offenbar den vorhergehenden Angriff vergeblieh geffihrt, greift also zu einer anderen Dialogfiihrung, die er eigentlieh sehon vorher h~tte wiihlen kSn- hen. ~_~berlegungen aber, die sich erst aus der Behandlung yon Strategien des Dialogspiels mit nur einfachem Angriffsreeht ergeben, sollten zun~ehst noeh nicht innerhalb einer einzigen Dialogffihrung, dann eines neuen Dialogspiels mit mehr- faehem Angriffsreeht, ausgenutzt werden kSnnen. Auf ganz ~hnliehe Weise kann man sieh fragen, welehen Einflul3 es auf die Dialog- fiihrung hat, wenn nicht nur Angriffe, sondem auch Verteidigungen innerhalb eines einzigen Dialoges erneut gew~hlt, die alten also ,,zuriickgenommen" werden diirfen. Allerdings unterscheiden sich hier Angriffe und Verteidigungen: Angriffe sind Rechte, miissen also keineswegs stets gegen ein vorhergegangenes Argument des Gegners ausgeiibt werden, Verteidigungen hingegen sind Pflichten, sie werden durch die sie auslSsenden Angriffe erzwungen. Aus diesem Grunde brauchen wiederholte Angriffe nieht unbeding~ als Zuriieknahme der vorhergehenden auf- gefaBt zu werden - - s i e fordem vielmehr zu neuerlicher Verteidigung des ange- griffenen Arguments auf - - w~hrend wiederholte Verteidigungen stets eine solche Zuriieknahme der vorhergehenden Verteidigungen bedeuten. Da nun selbstver- sts unterstellt wird, dab Revisionen der Dialogffihrung innerhalb eines Dialoges zun~ehst nieht vorgesehen sind, braucht die Besehr~nkung der Anzahl der Verteidigungspfliehten auf nur einen Verteidigungsversuch nicht eigens als

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Punkt der Spielregel formuliert zu werden; die B eschr~nkung der Anzahl der An- griffsrechte ist hingegen nicht selbstverstiindlich und wird daher dutch D 61,1 vor- l~ufig festgelegt. Die Erkl~rungen D 1 -- D 61,1 sollen insgesamt die Rahmenreget fftr Dialogspiele heiBen. Sie legt insbesondere lest, warm und wie o/t Argumente im Verlauf eines Dialoges angegriffen und verteidigt werden diirfen. Um nun aber einen Dialog tun eine Aussage wirklich fiihren zu kSnnen, reicht die Rahmenregel ersichtlich noch nicht aus. Es muB im Sinne yon D 1 welter festgelegt werden, wie Argumente im Dialog angegriffen und verteidigt werden dfiffen. Man mul3 also noch angeben, welche Argumente als Angriffe gegen ein Argument und welche Argumente als Verteidigungen des letzteren auf jeden der Angrlife dagegen zugelassen sind. Das kann durch ein Angriffs- und Verteidigungsschema geschehen, wie es etwa ffir das Beispiel A 0 oben vorgeschlagen wurde. Dieser zweite Tefl der Spielregel besteht aus der detaillierten Angabe der in D 1 genannten Regeln und wurde oben schon die Argumenteregel ffir Dialogspiele genannt. Die Argumenteregel mul~ auf den speziel- len Aufbau der Aussagen, ihren ,,Inhalt", wie man gem sagt, elngehen und unter- scheidet sich dadurch yon der Rahmenregel, die alle blol3 ,,formalen" Rege]n der Dialogfiihrung zusammenfal3t, solche n~mlich, die sich unabh~ngig yon der speziel- len Gestalt der Aussagen formulieren lassen. Trotzdem gibt es eine naheliegende 1K6glichkeit, aus der Ffille mSglicher Argumenteregeln gewisse herauszugreifen, die ebenfalls nur in einem sehr eingeschr~nkten Sinn vom ,,Inhalt" der Aussagen Gebrauch machen und daher zum formalen Tell einer Dialogffihrtmg gerechnet werden diiffen. Man betrachte n~mlich Angriffs- und Verteidigungsschemata ffir Aussagen, die ihrererseits au8 Aussagen zusammengesetzt sind, wobei die Festlegung yon Angriff und Verteidigung in der Tat nur yon der Tatsache der Zusammenset- zung aus den direkten Teflaussagen Gebrauch macht und yon nichts sonst, ins- besondere also auch nicht den Aufbau der Teflaussagen seinerseits berficksichtigt. Diese (~berlegung ffihr~ zum Begriff der logischen Zusammensetzunf/yon Aussagen, dem wir uns jeSzt zuwenden woUen.

3. Die logischen Partilceln

Es werde vorgescMagen, eine Aussage A genau dann als direkt logisch (oder auch /orma 0 zusammengesetzt aus den Aussagen einer Klasse K schon gegebener dialog- definiter Aussagen anzusehen, wenn die zu A gehSrige Argumenteregel nut eben- diese direkten Teilaussagen, die Elemente yon K selbst, als Angriffe und Verteidi- gungen zul~t . Im Angriffs- und Verteidigungsschema, das alle m5glichen An- griife gegen A und ebenso alle mSglichen Verteidigungen yon A auf jeden dieser Angritfe angibt, diirfen also nur die Aussagen der Klasse K au_~reten. Schaltet man mehrere direkte logische Zusammensetzungen hintereinander und nennt ent- sprechend neben direkten Teilaussagen auch direkte Teflaussagen yon Teflaus- sagen wieder Teilaussagen, so entsteht eine aus ihren Teflaussagen logisch zu- sammengesetzte Aussage. Man wird sicher als charakteristisch fiir eine ,,bloB formale" Zusammensetzung einer Aussage A aus ihren direkten Teilaussagen, etwa A 1 und As, ansehen wollen, dab im Dialog um A Angriff gegen und Verteidigung

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yon A keinerlei Gebrauch yon der besonderen Beschaffenheit, dem ,,Inhalt" yon A 1 und A s machen oder gar sonstige, sich nicht bloB auf A s mud A s beziehende Nebenbedingungen berficksiehtigen. Jeder Dialog um eine Aussage wird dutch diese besonderen Argmnen~eregeln, die Partikelregeln heiBen mSgen, auf Dialoge um ihre direkten Teflaussagen zurfiekgeffihrt. Die neu gewonnene, logiseh zusam- mengesetzte Aussage ist dialogdefinit genau, wenn jede ihrer Teilaussagen es ist, sofern nut die Partikelregeln die m6glichen Angriffe und Verteidigungen wirklieh nach einem sehematischen Verfahren bestimmen. Um die folgende Ubersieht fiber s~mtliehe Partikelrege]n zu erleiehtern, sollen nur einfache direkte logische Zusammensetzungen betraehtet werden, d.s. solehe, deren Angriffs- und Verteidigungssehema jede direkte Teflaussage genau einmal enthi~lt. Es handelt sich dabei keineswegs um eine Besehr~nkung der Allgemein- belt: jede direkte Teflaussage mindestens einmal zu verlangen, l~uft darauf hinaus, nut eehte Zusammensetzungen zu betrachten; jede direkte Teilaussage h6chstens einmal zu verlangen, berfieksiehtigt die MSglichkeit, Schemata mit mehrfach wiederholten Teilaussagen als Spezialfs h6herstelliger Verknfipfungen aufzufassen. Allerdings empfiehlt es sieh, den Begriif einer einfach direkt logisch zusammengesetzten Aussage noeh ein wenig zu erweitern. Die vorgesehlagene Deft- nition erlaubt es n~mlich noeh nieht, im Angriffs- und Verteidigungsschema einer aus den beiden Teilaussagen A und B bes~henden neuen Aussage A * B sowohl A als aueh B als Verteidigungen yon A * B zu verwenden. Verteidigungen sind nur auf Angriffe mSglich, und wie soUten diese Angriffe bier aussehen, wenn A und B beide als Verteidigungen auftreten und daher ffir die zugehSrig~n Angriffe nieht mehr verwendet werden k6nnen. Aus diesem Grunde wird man in naheliegender Weise, wie schon oben im Beispiel der Ableitbarkeitsaussagen verwendet, als Angriffe auch ihrerseits nicht mehr angreffbare Argumente, bloBe Auf/orderungen zur Verteidigung, zulassen und diese im wesentliehen etwa dureh ein Fragezeiehen ,, ?" (gelesen: ,,dubito") wiedergegeben. Wir wollen diese zushtzlichen unangreif- baren Argumente Zwei/el nennen. Natfirlich karm man start dieses sinnvoll erweiterten Begriffs einer einfach direkt logisch zusammengesetzten Aussage auch den zun~ichst vorgeschlagenen engeren Begr i f f - ohne Fragezeichen -- verwenden. Man erh~lt dann ebenfalls logisehe Partikeln, nur eben weniger. Eine Begriindung, n~mlieh eine vernfinfCig motivierte Einffihrung der logisehen Partikeln liegt beidemal vor; dazu aufzufordern, mehr oder weniger logische Partikeln zu verwenden, kann nicht mit zur Aufgabe einer Begriindung z~hlen. Will man jedoch kritisch zu verstehen suchen, in welchem Sinne die bisher So genannten logischen Partikeln diese Bezeichnung verdienen, wird man den erweiterten Begriff einer einfachen direkr logischen Zusammen- setzung dem engeren vorziehen. Die folgenden Schemata enthalten in der ersten Spalte die jeweils neugewonnene logisch zusammengesetzte Aussage 7, in der zweiten Spalte zu jedem 7 nachein- ander alle m6glichen Angriffe ~ gegen 7 mad in der dritten Spalte wiederum zu jedem ~ nacheinander alle mSglichen Verteidigungen ~ yon ~ au] ~ (wobei gegen 7)"

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Dialogs~ele als semantische Orundlage yon Lo~fikkalkiilen 43

D 7 a 1-stemge einfache Verknfipfungen

*A' Angriffe

r -A ?

non: -1 A A

Verteidigungen

A

Von den beiden MSgliehkeiten einer 1-steUigen einfachen Verknfipfung kann die erste, die ,,Position" von A, in einem Dialog ersiehtlieh entbehrt werden: man ersetze r- A einfach iiberall dutch A. Die ,,Negation" yon A kann hingegen dutch A angegriffen, aber fiberhaupt nicht auf diesen Angriff verteidig~ werden. Durch den AngriffA entsteht eine Pflieht zur Verteidigung yon ~ A auf diesen Angriff, die uneinl6sbar bleibt, im Dialog um -n A ist man allein auf den Gegenangviffgegen A angewiesen.

D 72 2-st~llige einfache Verkniipfungen

A * B

et: A ^ B

A v B

Angriffe

17

vel:

sub:

2?

Verteid.

A

B

A

B

A - + B A B

A ~ B B A

A

B

A --< B

sine: A >- B

neque: A ~ B A

B

B

A

A und B sind beide Verteidigungen, im ersten Fall nach Wahl des An- greifers, im zweiten Fall nach Wahl des Verteidigers

Je eines der A und B ist Angriff, das andere Verteidigung, und zwar ent- weder auf diesen Angriff oder aber auf eine bloBe Aufforderung zur Verteidigung

A und B sind beide Angriffe

Die sieben Partikelregeln D 72 ersch6pfen wieder alle M6glichkeiten 2-stelliger Verknfipfungen; sie sollen in Anlehnung an die fibliehe Terminologie der Reihe nach Konjnnktion, Adjunktion, Subjunktion, konverse Subjunktion, konverse Abjunktion, Abjunktion ~ und Injunktion genannt werden. Man wird die gewonne- nen Partikeln, Junktoren genannt, als kritische Rekonstruktion der deutschen Synkategoremata ,,und", ,,oder", ,,dann", ,,falls", ,,nicht-sondem", ,,aber nicht" und ,,weder-noch" auffassen k6nnen s.

Das Zeichen >-- in der ldassischen Bedeutung yon A --1 stammt yon Britzelmayr, vg]. Bo- chefiski-Menne [1] S. 22f. 8 Die noch fehlenden drei klassischen echimn 2-stelligen Verlmiipfungen ,,~quijunktion" (A ~-~ B), ,,Contrajunktion" (.4 >--< B) und ,,Disjunktion" (A ~ B) treten bier nicht als ein- fache Verkniipiungen auf.

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H~tte man bei der ~bersieht fiber die 2-stelligen einfachen Verknfipfungen den engen Sinn yon einfaeh direkt logiseh zusammengese~zt gew~hlt, so w~ren nur die drei 2-stelligen Verknfipfungen Subjunktion, konverse Subjunktion und In- junktion als einfache aufgetreten und die fibrigen M5gliehkeiten versehlossen geblieben. In diesem Fall kSnnte man aber eine Spezialisierung der durch das Schema

Angriff Vert.

A C

B D

definierten 4-stelligen Verknfipfung, n~mlich die Spezialisierung auf unangrelf- bares A und B (A und B wfirden dann zweckm~Bigerweise darch eine , ,Konstante" Y - -Verum - - vertreten werden), als Ersatz Ifir C ^ D w~hlen. Entspreehend w~re ffir die anderen 2-stelligcn Verknfipfungen zu veffahren. Ersichtlich lassen sich s~mtliche ,,positiven", i. e. keine leeren Stellen im Schema enthaltenden 2-stelligen Verknfipfungen auf diese Weise dutch Spezialisierung aus der 5-stelligen Ver- knfipftmg mit dem Schema

A~g~

gewinnen.

A

Vert.

C

D

B E

Start nun gleich weiter zu den n-stelligen einfachen Verknfipfungen iiberzugehen, sollen zun~chst die bisher gewormenen acht 1- und 2-stelligen ein~achen Partikeln n~her untersucht werden. Es li~Bt sieh n~mlieh zeigen, dab die H~ifte dieser Par- tikeln ffir das Dialogspiel entbehrlich ist: sic lassen sich an/gewisse Kombinationen dcr restlichen vier zurfiekffihren. Damit ist gemeint: eine Aussage, z. B. A ~ B, kann fiberall in einem Dialog, in dem sic als Argument auftritt, durch eine andere Aussage, im Beispiel bier durch -~ A ^ -1 B, ersetzt werden, ohne dab sich an der Gewinnbarkeit des Gesamtdialogs ffir P oder ffir 0 etwas s Insbesondere kommt es hierbei auch nicht auf die Gewinnbarkeit der Teflaussagen A und B selbst an. Lediglieh die logische Form dcr betrachteten Aussagen ist yon Belang. Zweckm~Bigerweise sollte man dann stat t der Mitteflungszeiehen (A, B . . . . ) ffir Aussagen eigene Aussagevariable einffihren und entsprechend Aussagen yon den nur Aussagevariable enthaltenden Aussageschemata unterschciden. Es genfigt aber ffir das Folgende, von Aussagen und ihrer logischen Form, aueh kurz Form genannt, zu spreehen. Es werde definiert:

D 02 Zwei Aussagen A 1 und A 2 heiBen dialogSzluivalent genau, wenn in ]edcr Aus- sage A, die eine Aussage der Form A 1 bzw. A z enth~lt, A 1 bzw. A~. an einer Stelle oder an mehreren Stellen durch eine Aussagc der Form A~ bzw. A 1 ersetzt werden kaun derart, dal3 wahre Aussagen A wahr und falsche Aus- sagen A falseh bleiben.

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Dialogs~ele als semantlsche GrundlaeJe yon I~ikIc~dkigen 45

Selbstverst/~ndlieh ist auch diese Metaaussage ,,A 1, A~ E dialog~quivalent" ihrer- seits dialogdefmit, da als Deflniens eine Allaussage verwendet wird, die sich unter Znhilfenahme des Schemas D 7~ und unter Vorgriff auf das Schema D 7~ aus den dialogdefiniten Primaussagen A E m u n d A E ~ und weiteren dutch die Pr/idika~o- ren ,,yon gleicher logischer Form" und ,,dureh Substitution iibergehen yon in" trivialerweise dialogdefinit einffihrbaren Primaussagen logisch zusammensetzen l~flt. Als Spezialfall erh/ilt man: sind A 1 und A~ dialog~quivalent und is~ A 1 wahr bzw. falsch, so ist auch A 2 wahr bzw. ~alseh. Es kann hingegen durchaus sein, dab mit A 1 stets auch A 2 wahr bzw. falsch ist, ohne dab A 1 und A~ dialog~quivalen~ sin& E]n Beispiel erh~lt man durch die folgende ~berlegtmg: Jede Aussage der Form A -~ A 1/~Bt sich nach den Dialogregeln yore Proponenten gewinnen, sofem nut A dialogdefinit ist, weil P v0n Stellung

A--> A 1. A A 2.

4.

an - - ~ ist ein Angriff des 0 gegen A - - stets die Argumente des O, scion sie nun Angriffe odor Verteidigungen, seinerseits fibernehmen karm. Es gibt also eine Gewinnstrategie Ifir A -~ A, ohne dab eine Gewinnstrategie fiir odor gegen A selbst bekannt zu sein braueht: fiir A -~ A gibt es eine/ormale Gewinnstrategie. Nun sind A und -1-7 A trivialerweise stets zugleich wahr odor falseh, trotzdem kann in A -~ A das erste A nicht durch -n-7 A ersetzt werden, ohne dab die Un- abh~ngigkeit der Gewinnstrategie ffir A -~ A yon einer Gewinnstrategie f/ir odor gegen A verloren geht:

-n - -nA- ->A --]-'n A

P muff in dieser Situation entseheiden, ob er mit A verteidigt odor mit -7 A z u m Gegenangriff fibergeht: nur wenn eine Gowinnstrategie ffir oder gegen A bekannt ist, gibt es eine Gewinn.~trategie fiir -7-1 A -~ A. Um die Dialog~quivalenz zweier Aussagen zu beweisen, ist es das eirdaehste, sich zu iiberlegen, ob die Angriffs- und VerteidigungsmSgliehkciten im Gesamtdialog yon der Ersetzung der einen durch die andere Aussage unbetroffen bleiben. Das ist sicher dann der Fail, wenn die AngriffsmSgliehkeiten gegen die eine Aussage mit denen gegen die andere Aussage - - vor oder/und nach eventueUem Einsehub die Strategieverh~ltnisse nicht beeinflussender zwangslSufiger Argumente in dem einen Dialogstfiek odor auch in beiden -- / ibereinst immen und ebendasselbe auch f/it die zugeh6rigen Verteidigtmgsm6glichkeiten gilt. An dieser S~elle muB man daraaf achten, dal3 die fraglichen Aussagen im Gesamtdialog evCl. auch die Rollo yon Angriffen spielen; iImen entspreehen dann Ver~eidigungspfiichten, die, sofern aie noch tmeingelSst sind, wenn das Dialogs~fick um die betrachteten Aussagen

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beginnt, erst nach den Verteidigungen innerhalb dieses Dialogst/icks f/illig warden. Damit die Verteidigungsm6gllchkeiten im Gesamtdialog durch die Ersetzung der Aussagen nieht ver~ndert werden, dfirfen also dutch zwangsl/~ufige Argtunente h6chstens geschlossene Runden vor dem Vergleich der Angriffs- und Verteidigungs- m6glichkei~en in beiden F~llen eingeschoben werden. Als Beispiel mag wieder A und -1-7 A dienen: wird A irgendwo in einem Dialog durch -n -1 A erse~zt und ver- gleicht man nach Einschub der zwangsl/~ufigen Argumente -1 A und A i m zweiten Fall die entstehenden Dialogst/icke

A und -'-1"-1 A, --hA

A

so stimmen zwar die Angriffs-, nieht aber die Verteidigungsm6glichkeiten fiberein, falls das A i m ersten Fall einen Angriff mi~ einer echten Ver~eidigungsm6glich- keit - - also nicht seinerseits einen Angriff gegen -1 A - - darstellt. Man kann sich leicht davon/iberzeugen, dab die folgenden Ersetzbarkeiten gelten:

S 01 A >- B ist dialog/~quivaleng mit A ^ -1 B, ebenso A ~ B mit -n A ^ --7 B(und -7. A v B.), sowie -7 A m i r a ~ A.

Die fraglichen Dialogstticke, die jeweils die Ubereinstimmung der Angriffs- und VerteidigungsmSglichkeiten in beiden F~llen beweisen, m6gen einfaeh gegenfiber- gestellt werden:

A~---B ?

AfB A

.4tB B

--hA A

AA---n B 1 ? und B

- h A ^ - - r i B 17 - h A A

--hA^--riB 2? --nB B

A

A v B A

A v B B

A ~ B 2?

B

--n. A v )

--n. A v )

AA-"n B ---rib

und

Auf die gMche Weise kann man sich ebenfalls sofort davon fiberzeugen, dab der

klassisch-logischen J~quivalenz yon A ^ B mi~ A t A ~ B ~ B und A v B mi~ A ~ B ~ A ~ B keine Dialog~quivalenz entsprieht: in den ffaglichen Dialog- stricken 1/iBt sich keine Gleichheit der VerteidigungsmSgliehkeiten herstellen. Vielmehr wird sich in Taft I I sogar die Unabhgngigkeit der Junlr~oren ^ v mad beweisen lassen; keiner dieser Junktoren 1/~Bt sich auf irgendeine Kombination der

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jewefls restlichen ifinf - - die konversen <- und -< kfinnen trivialerweise ausgeschie- den w e r d e n - dialog~quivalent zurfickfiihren.

Sofern man es also nut auf die Gewirmbarkeit in Dialogspielen abgesehen hat, geniigt es, unter den acht 1- und 2-stelligen logisehen Partikeln allein -7 ^ v und -~ zu verwenden; dabei kann man wahlweise noch -7 durch ~ ersetzen. Es soll jetzt gezeigt werden, dab mit diesen vier Partikeln auch sKmtliche n-stelligen einfachen Verkniipfungen dialog~quivalent darstellbar sind.

Das folgende Schema aller n-stelligen Partikelregeln enth~lt drei verschiedene Sorten yon Angriifen, erstens Zweifel, also bloSe Aufforderungen zur Verteidigung, zweitens direkte Teilaussagen mit yon diesen Angriffen verschiedenen ebensolchen direkten Teflaussagen als Verteidigungen darauf, und drittens direkte Teflaus- sagen ohne VerteidigungsmSglichkeiten. Der Fall fehlender WahlmSglichkeit bei der Verteidigung kann hierbei ersichtlich als Spezialfall/-facher Verteidigungs- wahl betrachtet werden. Die Indizes k, m, r sowie l~ und n, fiir alle u, ~u zwischen 1 und k, m dfirfen Werte zwischen 0 und n annehmen; dabei bedeutet 0 nat/ir- lich, dab der betreffende Fall nicht vorkommt. Die A~, A s und Ar sind irgend- welche voneinander verschiedenen A~ (1 ~ v ~ n), wobei jedes A, genau einmal auftritt.

D 7. n-stellige einfaehe Verknfipfungen

* ( A 1 , . . . , A,,) ! Angriffe

~17

Verteidigungen

A#:

A=lll

Ark,

A~n

A~I,, 1

A ~

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S 02 * (A 1 . . . . . An) ist dialog/iquivalent mit k l . m n ~

A __VIA% h A1.Ap -+ V h A --1A~, , s=ll v=l Afl~v " ~=1

einer dreigliedrigen Kon~unktion, die zun~chst aus einer k-gliedrigen Kon- junktion yon mehrgliedrigen Adjunktionen, dann aus einer m-gliedrigen Konjunktion yon Subjunktionen mit mehrgliedriger Adjunktion als Hinter- glied, und schlieBlich aus einer r-gliedrigen Konjunktion von Negationen besteht.

Zum Beweis muB man wieder nur wie oben beim Beweis von S 01 die entsprechen- den Dialogstficke mit den eingeschobenen, dutch zwangsl/~ufige Argumente ent- stehenden, gesehlossenen Runden hinschreiben: Angriffs- und VerteidigungsmSg- lichkeiten stlmmen dann in beiden F/fllen fiberein. Man muB sich nur zusgtzlich noeh vergewissern, dab es bei der Dialog~quivalenz auf die Assoziierung der Kon- jtmktionen und Adjunktionen nicht ankommt. Das aber ist trivial.

Der Fall n --- 2 ist bier als Spezialfall natfirlich mit enthalten; man erh/ilt

(a) ffir/c = 2 die Konjunktion (/i ----/2 = 1)

(b) ffir/c = 1 und /1 = 2 die Adjunktion

(c) ffir k = 1 und /1 = 1 die Abjunktion (r = 1)

(d) ffir k = 0 und m = 1 die Subjunktion (n 1 = 1)

und (e) f/it/c = 0 und m = 0 die Injunktion (r ---- 2).

Es bleibt jetzt nur noch der Fall einfacher direkt logischer Zusammensetzungen aus unendlich vielen dialogdefiuiten Aussagen zu behandeln iibrig. Hier sollen aber yon vornherein nur spezielle einfache oo-stellige Verkn/ipfungen betrachtet werden, n~mlich solche, deren direkte Teilaussagen wie fiblich aus 1-stelligen Aussage- formen A (x) hervorgehen, wenn man die Variable x durch die Elemente n, m . . . . eines vorgegebenen Objektbereiches ersetzt. Der Charakter der ,,logischen", also bloB formalen Zusammensetzung einer neuen Aussage ~4 (x) aus den direkten Teilaussagen A (n), A (m) . . . . verlangt bier, dab im Angriffs- und Verteidigungs- schema yon *~A (x) kein Gebrauch vom Aufbau des Objektbereichs gemacht wet- den daft: die Wahl eines Objekts n daft yon keinerlei Nebenbedingungen, den Objektbereich betreffend, abh~ngen. Das Ergebnis sind die drei einfachen oo- s~elligen Partikelregeln des folgenden Schemas:

D 7~ oo-stellige einfache Verknfipfungen

fiir alle:

fiir manche:

fiir kein:

*A (x) Angriffe Verteidigungen

h A (x) ? n A (n) X

VA (x) ? A (.)

VA (x) A (.)

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Dialogspiele als semantische Grundla~e yon I, ogikkalkiilen 49

In den ersten beiden l~'/~llen erseheinen s/~mtliehe direkten Teilaussagen als Ver- teidigungen, und zwar einmal nach Wahl des O, das andere Mal naeh Wahl des P : es handelt sich hier nacheinander um die GroBkonjunktion und die Grogadjunk- tion; im dritten Fall erseheinen sRmtliche direkten Teilaussagen als Angriffe - - Groginjlmktion--, w&hrend F/~lle, in denen die direkten Teilaussagen sowohl als Angriffe als aueh als Verteidigungen auftreten, hier nieht vorkommen k5nnen. So vers~13t das Schema A (n) lA (m) gegen die Bedingung, jede direkte Teilaussage nur einmal auftreten zu lassen; die direkten Teilaussagen treten hier genau zwei- real auf. In der Tat ist das Schema ein Spezialfall des ,,h5hers~elligen" Schemas

A (x) * B (x) Angriff Vert.

A (n) B(m)

Man kann sich leicht fiberlegen, dab aueh die fibrigen, hier nieht behandelten oo-stelligen einfachen Verknfipfungen * (A ~ , A 1 (x), A121 (x, y), X p ~ t . o o " . . . . . ~ " ~ 1 7 6

� 9 dialoggquivalent durch die vier Junktoren ~ ^ v -* und die neu gewonnenen Quantoren, ,,AUquantor" A und ,,Manchquantor" V genannt, dargestellt werden kSnnen. Der Quantor W erweist sic^ als ellmluierbar, wghrend A und V trivialer- weise jewefls unabhgngig yon den fibrigen Quantoren und Junktoren sin&

S 03 W A (x) ist dialoggquivalent mit A ~ A (x) (und -1 V A (x)). x

Die beweisenden Dialogstfieke sind wieder

4 / A (x) und ? n ~ A (n)

A (n) A (n)

vA . Damit is4 eine vollstiindige l~bersieht fiber alle einfaehen logischen Zusammen- setzungen dialogdefiniter Aussagen gewonnen. Und nieht nur das! Es konnte sogar gezeigt werden, daft die vier Junktoren -1, ^, v und -~ zusammen mit den zwei Quantoren A und V eine Dialogbasis bflden, n/imlieh ausreiehen, alle fibrigen ein- fachen Verknfipfungen dialog~quivalent darzustellen.

Als erstes zusammenfassendes Hauptresultat 1/il~t sich daher formulieren:

S 1 S/imtliche einfaehen logischen Zusammensetzungen dialogdefiniter Aussagen lassen sich dialog~quivalent dureh die sechs logisehen Partikeln -1 ^ v ~ A V darstellen: die Junktoren -1, h, v und -~ bflden zusammen mit den Quantoren A und V eine Dialogbasis.

Es Iohnt sic^ noch anzumerken, dal~ die Partikelrege]n D 7 und also auch die vollstgndige Ubersieht fiber sie nut yon den Vereinbarungen D 1 und D 2 des Dialogspiels Gebrauch maehen. Der restliehe Tell der Rahmenregel, D 3 - D 6, wird erst bei den S/itzen fiber die Dialog/iquivalenz logiseh zusammengesetzter Aus- sagen relevant. Die Einfiihrung der logisehen Partikein saint ihrer Vollstandigkeit 4 M a t h e m a t i s c h e L o g i k ( 1 1 , 1 / 2 )

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ist daher als hn wesentliehen unabh~ngig yon den versehiedenen MSglichkeiten der Definition eines Dialogspiels anzusehen.

4. Das relative Dialogspiel, eine lormale DarsteUung

Dureh D 1 ist das Dialogspiel in spieltheoretischer Terminologie als ein o~enes Zweipersonenmattspiel charakterisiert, dessen Anfangsstellungen die Aussagen sind, um die die einzelnen I)ialoge, die Partien des Spiels, geffihrt werden. D 2 mag dann als eharakteristiseh dafiir gelten, da6 es sieh um ein dialogisches Spiel handelt. Die fibrigen Vereinbarungen der Rahmenregel legen die Realisierung eines solchen Dialogspiels im Detail lest, ohne dab behauptet werden kSnnte, davon versehiede- ne Realisierungen seien stets in irgendeinem Sinn als ~quivalent mi$, oder aber als wesentlich verschieden vonder hier gews Realisierung nachzuweisen. iV[it besonderer Rficksiehr auf die spezielle Schranke fiir die Zahl der ausfibbaren Angritfsreehte, wie sie in D 61,1 festgelegt wurde und die sparer dureh andere Festsetzungen ersetzt werden wird, soU das durch D 1 - - D 6I, I definierte Spiel das strenge Dialogspiel heiBen. Die Partikelregeln D 7 sehlieBlieh, als Sondeffall der in D 1 vorgesehenen Argu- menteregel, regieren das Dialogspiel um logiseh zusammengesetzte Aussagen rela- tiv zu einem Bereieh vorgegebener dialogdefiniter Primaussagen. Nut dieses - - zu- n~ehst strenge -- Dialogspiel relativ zu den Primdialogen, wie wir Dialoge um Primaussagen kurz nennen wollen, soll weiterhin Gegenstand der Untersuehung sein. Wir wollen daher ein mit den PriIndialogen vertrSgliches (d. h. Wiederein- ffihrung der Primdialoge l~Br Gewinnchancen unver~ndert) relatives Dialogspiel einfiihren tmd vereinbaren dafiir als erstes den folgenden teilweisen Ersatz ffir die Primdialoge: D 7 tel Wahre Primaussagen sind relativ unangrei/bar, falsche Primaussagen hin-

gegen durch ,, ?" angreifbar, aber relativ unverteidigbar. D 7 tel kann als eine weitere, aUerdings nicht fiberaU definierte spezielle Argumente- regel aufgefal~t werden, die wir relative Primregel nennen wollen; sie tr i t t an die Stelle der Argumenteregel ffir Primaussagen, fiber deren Wahrheit oder Falsehheit entsehieden ist, also der wertdefiniten. Ffir die anderen Primaussagen ist das relative Dialogspiel nieht erkl~rt; es muB dann wieder dureh das gesamte Dialog- spiel einschlieBtieh der Primdialoge ersetzt werden. Um die folgenden Untersuehungen zu pr~zisieren und zu erleiehtern, soll zum AbsehluB yon Tefl I noch eine formale Darstellung des relativen Dialogspiels skizziert werden. Die fibliehe spieltheoretisehe Standardausfiihrung 9 verlangt dazu die Angabe (a) einer Klasse Z yon Spielstellungen, (b) einer auf Z erkl~rten zweistelligen Relation T, der Spielreget (besteht zlTz 2,

so heil~t z~ ein T-Vorganger yon z 2 und z 2 ein T-Naehfolger yon z~; die Stellun- gen ohne T-Vorg~nger hei~en Anfangsstellungen, die Stellungen ohne T- Nachfolger Endstellungen),

�9 VgL die Monogra~e yon Berge [1].

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Dialogspiele als semantlsche Grundlage yon Ix~fikkalkiilen 51

(e) einer Einteflnng yon Z in zwei disjunkte Zugbereiche Zo und Zp, die mit T ver- tr/~glich ist (d. h. T besteht niemals zwischen Stellungen desselben Zngberei- ehes),

(d) einer Einteilung der Endstellungen E in zwei disjunkte Gewinnbereiche Eo und Ep.

Eine Partie des Spiels ist dann eine endliche Folge yon Stellungen z~ (0 < X < l) derart, daft stets z~ Tz~ + 1 gilt, wobei z 0 eine Anfangsstellung und z z eine Endstellung ist. Liegt za im Zugbereich Zo, so sagt man, Spieler 0 habe das Recht, mit einem T-Nachfolger za+l, der wegen (e) dana im Zugbereich Zp liegt, die Partie fort- zusetzen. GehSrt zt zum Gewinnbereieh Ep, so hat Spieler P gewonnen und Spieler 0 verloren, gilt zt C Eo, so hat 0 gewonnen und P verloren. Ist die Spielregel T so besehaffen, dal~ jedes Partienstfiek, das bei irgendeiner Stellung z beginn~ und mit T-Nachfolgern fortgefiihrt wird, nach endlich vielen Sehritten bei einer End- stellung endet, so heist das Spiel part ienendlich - - neben der Entscheidbarkeit yon T usw. is~ das die zentrale Anforderung an ein definites Spiel. Wir werden zeigen, dal3 das strenge Dialogspiel sogar relativ lxtrtienbeschr~inkt ist: zu jeder Aussage A 1/~Bt sich eine natarliche Zahl k angeben, so dal~ naeh hSchstens k Runden ein Dia- log um A in eine Runde eines zu A gehSrigen Primdialoges eintritt.

F 0 Gegeben seien - - durch nicht weiter spezffizierte Kalkiile - - eine Klasse yon Ob~ekten (mitgeteilt dureh n, m . . . . ), eine Klasse von Aussagesymbolen jeder SteIlenzahl > 0 (a', b~, . . . Mitteflungszeichen ffir t-stellige Aussagesymbole), eine Klasse yon Ob]ektvariablen (mitgeteilt durch x, y, . . . ) . Mit zwei Klammern ( ) als Hilfszeichen sind Primaussagen: a ~ b ~ . . . . ; aX(n), bl(m), . . . ; aS(n, m) . . . . . Weitere Atomzeiehen sind die logischen Partikeln ---1 ̂ v -+ A V.

F 1 Aussagen (mitgeteilt dureh A, B , . . . ) werden definiert durch: .1 Primanssagen sind Aussagen .2 Mit A und B sind (,4 ^ B), (,4 v B) und (A -+ B) Aussagen .3 Mi$ A sind -7 A, A a~A und zV az"A Anssagen, wenn nur in den letzten

beiden Fgllen n frei ffir x in A is~. (Wie iiblich heiSt bier n [rei liar x in A , wenn n nirgendwo in A hn Wirkungsbereich eines x- Quantors vorkommt; dabei ist

der W ku gsbereieh der x-quantoren A resp. V in A. `4 resp. und unter a~A - - aueh A (x) geschrieben - - versteht man das Resultat einer Ersetzung jedes in A vorkommenden n durch x.) N. B. In der Regel wird start der Klammem eine fibersichtlichere Punktie- rungskonvention benutzt: nennt man.4 den Wirkungsbereich von - n in -7 A und A und B zusammen den Wirkungsbereich der J~mlctoren in (`4 ^ B), (A v B) und (,4 -+ B), so ersetze man sukzessive yon innen nach auBen die geklamm erten Ausdrfieke durch die ungeklammerten und setze start dessen fiber den ent- sprechenden Junktor (n + 1} l~mkte, falls bereits maximal n Punkte fiber einem der 2-steUigen Junktoren im Wirknngsbereich des fraglichen Junktors vorkommen (enth~lt der Wirkungsbereieh keinen 2-steUigen Junktor, so gelte n = - -1 ; es genfigt iibrigens, dabei nur die]enigen 2-stelligen J u n k ~ r e n zu beriieksichtigen, die nieht ihrerseits schon im Wirkungsbereich eines -1, A oder

4 �9

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V vorkommen, der selbst innerhalb des urspriinglich betraehteten Wirkungs- bereiehs auftritt; zur Punkteersparnis sollen ^ und v sti~rker binden als -+). Weiter ersetze man -7 A, A A (x), und y A (x) jeweils durch -7.A., A.A (x).

und V.A (x)., wobei zur Punkteersparnis wie iiblich -7, A und V sts binden

als alle iibrigen Partikeln. Beispiel: ((-7 (a ^ (a-~ b)) v (a ^ b))-%A f f a (x)-~ b(x))) wird zu

--7.a ]~ a ~ b. 4 a ^ b-~ A. y a(x)-~ b(x).

F 2 Jetzt gelten als Argumente (durch $ . . . . mitgeteflt) : .1 die Aussagen ttinzugenommen werden weitere Atomzeiehen: .2 die Zwei/el ? 17 27 ?n .3 das ,,leere" Argument [ ]

F 3 Die SpielsteUungen Z lassen sieh induktiv als eine Klasse yon Spaltenpaaren z = ZolZ r definieren, die folgende Bedingungen erfiillen (nut der Einfachheit halber wird auf eine explizite Angabe verziehtet) : .1 Die beiden Spalten, die linke O-Spalte und die rechte P-Spalte, bes~ehen aus gleichvielen Argumenten tells mit, tefls ohne eingeklammerte natiirliche Zahlen als Indizes, wobei in jede Zeile auBer der obersten genau ein Argument mit Index und eines ohne Index zu stehen kommt. Werden die Zeilen yon oben nach unten, mit 0 beginnend, durchnumerier~, so gilt unter Bezug auf D 7 weiter: .2 Das Argument der P-Spalte in der 0-ten Zefle ist eine Aussage (das un- eigentliche Anfangsargument), das Argument der O-Spalte in der 0-ten Zefle ist das leere Argument [ ]. .3 Jedes Argument aus der t-Spalte mit Index (v) greift das Argument in der ~-Spalte und v-ten Zeile an, das zugeh6rige Argument ohne Index verteidigt das Argument in der ~-Spalte und v-ten Zeile auf den nebenstehenden Angriff oder ist das leere Argument [ ] (t und ~ sind Mitteflungszeiehen fiir 0 und P derart, dal3 t und ~ rile dasselbe mitteilen. Kommt in einer Spalte z, das Argu- ment ~ vor, so wird dies dutch z,(~) mitgeteflt; soll aut~erdem mitgeteflt werden, dab ~ in der v-ten Zeile steht und das Argument in der p-ten Zeile

v

der ~-Spalte angreift, so wird z, (~ (p)) geschrieben; soll das angegriffene Argu- ment ~' in der g-ten Zeile auch noch mitgeteilt werden, so sehreibt man

z, (~(~').). .4 Zwei zeilenbenaehbarte [ ] geh6ren versehiedenen Spalten an.

F 4 Um jetzt die Spielregel Tst des relativen strengen Dialogspiels festzulegen, genfigt es, mit ttilfe der Partikelregeln D 7. ~ und unter Beaehtung der relati- yen Prlmregel D 7 re1 das folgende Entseheidungsverfahren fiir zT~tz' in Gang zu setzen (in dem Fall allerdings, wo D 7 tel versagt, gibt es aueh kein Ent- scheidungsveffahren mehr fiir die Spielregel des relativen Dialogspiels; es bleibt dann niehts anderes iibrig, als wirklieh die Primdialoge explizit in das Dialogspiel miteinzubeziehen) :

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Dialogspiele ats semantische Grundlage yon Logikkalbiilen 53

.1 z und z' sind gleichlang und stimmen his auf ein Argument iiberein; handelt es sich hierbei um das letzte, d. i. unterste [ ] in z, das in z' durch eine Verteidigung auf den neben [ ] stehenden Angriff ersetzt ist, so besteht zTs~z' .2 z' ist um eine Zefle l~nger als z und stimmt sonst mit z iiberein; best~ht dann die letzte Zeile yon z' aus einem Argument mit Index, also einem Angriff, und zwar gegen ein bisher noch unangegriffenes Argument--das l~Bt sich daran prfifen, ob der gleiehe Index in derselben Spalte sehon friiher aufgetreten ist oder nieht -- , und einem [ ], das dann (wegen F 3.4) mit seinem benaehbarten [ ] nicht in derselben Spalte steht, so besteht zTs~z'. .3 In jedem yon .1 und .2 verschiedenen Fall bes~eht zTstz' nicht.

F 5 Die Zugbereiche yon Zo und Zp und die Gewinnbereiche Eo und Ep lassen sieh einfach definieren durch: .1 Steht das letzte [ ] einer Stellung z in der t-Spalte, so ~_lt z E Z,. .2 EndsteUungen im Zugbereich yon e gehSren zum Gewinnbereieh yon (D 5 !). Dabei sollen die Endstellungen im relativen Dialogspiel, wie sie nach F 3 zustandekommeu, entsprechend relative Endstellungen heiBen.

Aus F 4 geht hervor, dab ein T-Vorg~nger einer Stellung z stets als Teflstellung in z enthalten ist, sofern man nur in konkreten Befispielen das leere Argument tat- s~ehlieh nieht hinsehreibt, also auf [ ] verziehtet. Aus diesem Grunde l~Bt sieh ein Dialog, eine Partie des Spiels, immer innerhalb einer einzigen Stellung vollst~ndig realisieren, wenn man die Reihenfolge der Argumente zus~tzlieh notiert. Einige Beispieldialoge im relativen strengen Dialogspiel mSgen zur Veranschau- lichung folgen:

0

1. a ~ b ~ b ~ c - 5 - d (0)

3. ? (2) 5. a (3)

P

a--->b ~ b ~ c ~ d-~ d

(1) a ~ b ~ b ~ c 2. a ~ b 4.

b 6.

0

1. a ~ b ~ b ~ c ~ d (0)

3. ? (2) 5. b (3)

P

a---> b ~ b ~ c -~ d-:> d

(1) a ~ b ~ b ~ c 2. b ~ c 4.

(4) ? 6.

Im ersten Fall gewinnt P, wenn b wahr, also relativ unangreifbar fist. Die ange- schriebene Stellung ist dann eine relative Endstellung. Im zweiten Fall gewinnt P, wenn b falsch, also relativ unverteidigbar fist. Ist fiber b nichts bekannt, so ist der

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54 KunoJLorenz

Ausgang des Dialogs um die Anfangsaussage ungewi8 (die relativen Endstellungen sind nicht alle definiert). Mit der Abkiirzung A ~ B ~ A -+ B ~ B -+ A sieht ein Dialog um das ,,Diagonal- prinzip" wie folgt aus:

0

1. V A. a (x, y) ~-~ --7 a (y, y) . (0) Y

3. A.a(n,y)~--~ ~ a ( y , y ) . Y

5. a (n, n) ~-~ --1 a (n,n) 7. a (n, n) --> --1 a (n, n) 9. --1 a ( n , n )

P

-'7 V A . a ( x , y ) e - ~ -7 a (y, y). x y

(I) ? 2.

(2) ?n 4. (3) 1 ? 6. (4) a (n, n) 8. (5) a ( n , n ) 10.

P kann stets gewinnen, wenn f i ir alle n (Wahl yon 0 !) a (n,n) wahr ist; er kann aber aueh gewinnen, wenn/ i i r a l l e n a (n, n) entseheidbar wahr oder falsch ist (wer~- definit !) : in der 5. Runde greife P im ersten Fall mi t 1 ?, im zweiten Fall mit 2 ? an; der Dialog fiihrt dann zwangsl~ufig bis zu einer fiir P giinstigen relativen End- stellung. In den angegebenen Beispielen gibt es Gewinnstrategien ftir das Anfangsargument nur, wenn Gewinnstrategien fiir gewisse Primdialoge bekannt sind. Trotzdem ken- hen wir bereits FKlle formaler Gewinnstrategien, in denen P einen Dialog gewinnen kann ohne Rficksicht auf den Ausgang der Primdialoge, z .B. den Dialog um a -> a (und auch A -~ A). Diese Eigensehaft, obwohl unabh~ingig yon den Prim- dialogen, l~iSt sich noch nicht innerhalb des relativen Dialogspiels formulieren, weft eine relative Primregel ffir diesen Fall nicht erkl~rt ist. Unsere nKchste Aufgabe soll es daher sein, diese Lficke zu schlieSen und die formalen Gewinnstrategien systematisch zu untersuehen. Das ist der Inhal t yon Tefl I I dieser Arbeit.

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(Teil H folgt inHeft 11/3-4)