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KERNENERGIE Die Schwierig- keiten des Atomausstiegs Kurzfristig kann die Schweiz nicht ohne Stromimporte auf ihre Kernkraftwerke verzichten. Strom aus dem Ausland ist keineswegs sauberer als der in der Schweiz produzierte. Im Rahmen der neuen Energiepolitik soll ganz auf die Kernenergie verzichtet werden. Das ist ein hochst ehrgeiziges Vorhaben mit vielen Fragezeichen. M itte August 2015 erlebte die Schweiz eine aussergewohnli- che Situation: Wahrend fast zwei Tagen standen alle fUnf Kernkraftwerke (KKW) gleichzeitig still. Vier Werke waren zu diesem Zeitpunkt in der geplanten Jah- resrevision, Gosgen wurde fCir die Repara- tur einer Dampfleckage im nicht-nuklearen Teil vom Netz genommen. Entgegen der vielerorts geausserten Meinung ist das noch langst kein Beweis fUr die problem- lose Machbarkeit des Atomausstiegs. Im Durchschnitt musste die Schweiz namlich uber diese zwei Tage hinweg ungefahr die Leistung des KKW Gosgen aus dem Ausland beziehen. Franzosischer Atom- oder deutscher Kohlestrom Dieser importierte Strom kam uberwie- gend aus Frankreich und Deutschland. Frankreich produziert heute rund 75 % seines Stroms mit Kernenergie. Der deut- sche Strom stammt trotzjahrzehntelanger Energiewende noch heute fast zur Halfte aus «dreckigen» Kohlekraftwerken. Sig- mar Gabriel, Minister fUr Wirtschaft und Energie, musste unlangst eingestehen: Ohne Kohlekraftwerke wird Deutschland den Ausstieg aus der Kernenergie nicht schaffen. lnfolgedessen fordert die deut- sche Regierung den Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke bis 2050. Bis auf wei- teres importieren wir also franzosischen Atom- oder deutschen Kohlestrom, wenn alle Schweizer KKW stillstehen. Das kann kaum im Sinn derjenigen sein, die vehe- ment den Verzicht auf Kernenergie fordern. energie RUNDSCHAU Seite 32 Verschmiihte Option: die Schweizer Kernkraftwerke Leibstadt, Miihleberg, Beznau und Gosgen Wind Sonne ..... Biomasse, Erdwarme, biogene Abfalle Wasserkraft Kernenergie Erdgas Erdol Koh le nicht-biogene Abfalle Strommix unserer Nachbarn: iiberwiegend Gas-, Kahle- und Atomstrom Duel/en: BDEW, BFE, e-control, RTE, TERNA (2012) Wie soll die Kernenergie ersetzt werden? Im langjahrigen Durchschnitt produziert die Kernenergie rund 40 % des Schweizer Stroms, im Winter sogar die Halfte. Denn dann geht jeweils die Stromproduktion aus Wasserkraft zuruck, gleichzeitig wird in der kalten Jahreszeit mehr Strom gebraucht als im Sommer. In den warmen Monaten produzieren die Wasserkraftwerke mehr Strom als im Winter und der Strombedarf ist tiefer. Deshalb finden die Revisionen in den KKW jeweils gestaffelt im Sommer statt und deshalb ist es dann auch einfa- cher zu verkraften, wenn sie ausnahms- weise alle gleichzeitig fUr ein paar Tage stillstehen. Doch woher soil der Strom in der Schweiz stammen, wenn wir gar keine KKW mehr haben? Realistische Ausbauplane? Auch am Ende der parlamentarischen Be- ratung uber die Energiestrategie 2050 wird diese Frage erst auf dem Papi er beantwor- Stromproduktion und Stromverbrauch in der Schweiz Expor l Ezpor ·t Import Import Et.porl Import - - SpcichC'r- k1 c;rti.·1'-'r \< -:: Laulkraftwerke 1 rf.r 1! Winter 2011/12 Sommer 2012 Winter 2012/13 Sommer Winter Sommer 2014 2013 2013/14 Im Winter produzieren die Kernkraftwerke die Hiilfte des Schweizer Stroms. tet sein, denn Gesetzesartikel produzieren keinen Strom. Die Energiestrategie sieht einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien vor. Um unsere KKW zu erset- zen braucht es gemass den Zahlen des Bundesrates bei heutiger Technologie Que/le: Bundesamt fiir Energie, Elekrititiitsstatistik jahrlich uber 1 Million Tonnen Holz fUr Biomasse-Kraftwerke, 25 neue Flusskraft- werke und ausserdem 2 bis 3 neue Spei- cherkraftwerke wie auf der Grimsel. Ob das alles trotz immenser Kosten und Kon- flikten mit dem Naturschutz realisiert wer- Solarpanels auf einer Gesamtflache etwas den kann, ist mehr als fraglich. grosser als der Zurichsee, vom Genfer- zum Bodensee alle 250 Meter eine Wind- Optionen offenhalten! turbine, 175 geothermische Tiefbohran- lagen, wie sie in Basel nach spurbaren Erdbeben nicht gebaut werden konnten, Und selbst im optimistischsten Szenario des Bundesrates reichen die Erneuerbaren nicht aus. In seiner Strategie sind daher VERTIEFUNGSKURS NUKLEARFORUM SCHWEIZ KERNENERGIE --- auch Gaskombikraftwerke nicht ausge- schlossen. Das lasst sich aber angesichts der C0 2 -Emissionen von Gaskraftwerken kaum mit ernsthaften Klimaschutz-Bestre- bungen vereinbaren. Zudem ist das Gelin- gen dieses Plans auch in Anbetracht der Bedingungen am europaischen Strom- markt alles andere als sicher. Es bleibt also nur die Option der Stromimporte - Strom, auf dessen Herkunft wir wie ein- gangs beschrieben kaum Einfluss haben. Weitere Fragezeichen bei der zukunftigen Schweizer Energiepolitik sind die Entwick- lung des Bedarfs, die Liberalisierung des Strommarktes und ein Stromabkommen mit der EU, das noch weit vom Abschluss entfernt ist. Zudem reicht das erste Mass- nahmenpaket gerade mal fUr die Halfte der Ziele des Bundesrates. Angesichts all dieser Unsicherheiten ist es mehr als angebracht, die bewahrte Energiepolitik mit Kernenergie wenigstens als Option offenzulassen und dem Stimmvolk als echte Alternative vorzulegen. SCHWEIZ UISSE KOSTENOPTIMIERUNG IN KERNKRAFTWERKEN: MOGLICHKEITEN UNO GRENZEN IM RAHMEN EINER GUTEN SICHERHEITSKULTUR 17./ 18. November 2015, Hotel Arte, Olten DER BALANCEAKT ZWISCHEN OPTIMIERTEN KOSTEN UNO GROSSTMOGLICHER SICHERHEIT: WIE KONNEN BETREIBER, MITARBEITENDE, ZULIEFERER, BEHORDEN UNO FORSCHENDE DEN AKTUELLEN SICHERHEITSSTANDARD TROTZ STEIGENDEM SPARDRUCK AUFRECHT ERHALTEN? Dieser Frage gehen nationale und internationale Experten aus lndustrie, Wissenschaft und Be- htirde am diesjahrigen Vertiefungskurs nach. PROGRAMM UNO ANMELDUNG UNTER WWW.NUKLEARFORUM.CH

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Page 1: Die Schwierig Stromproduktion und Stromverbrauch in der ......die Kernenergie rund 40 % des Schweizer Stroms, im Winter sogar die Halfte. Denn dann geht jeweils die Stromproduktion

~--- KERNENERGIE

Die Schwierig­keiten des Atomausstiegs Kurzfristig kann die Schweiz nicht ohne Stromimporte auf ihre Kernkraftwerke verzichten. Strom aus dem Ausland ist keineswegs sauberer als der in der Schweiz produzierte. Im Rahmen der neuen Energiepolitik soll ganz auf die Kernenergie verzichtet werden. Das ist ein hochst ehrgeiziges Vorhaben mit vielen Fragezeichen.

M itte August 2015 erlebte die Schweiz eine aussergewohnli­che Situation: Wahrend fast zwei

Tagen standen alle fUnf Kernkraftwerke (KKW) gleichzeitig still. Vier Werke waren zu diesem Zeitpunkt in der geplanten Jah­resrevision, Gosgen wurde fCir die Repara­tur einer Dampfleckage im nicht-nuklearen Teil vom Netz genommen. Entgegen der vielerorts geausserten Meinung ist das noch langst kein Beweis fUr die problem­lose Machbarkeit des Atomausstiegs. Im Durchschnitt musste die Schweiz namlich uber diese zwei Tage hinweg ungefahr die Leistung des KKW Gosgen aus dem Ausland beziehen.

Franzosischer Atom- oder deutscher Kohlestrom Dieser importierte Strom kam uberwie­gend aus Frankreich und Deutschland. Frankreich produziert heute rund 75 % seines Stroms mit Kernenergie. Der deut­sche Strom stammt trotzjahrzehntelanger Energiewende noch heute fast zur Halfte aus «dreckigen» Kohlekraftwerken. Sig­mar Gabriel, Minister fUr Wirtschaft und Energie, musste unlangst eingestehen: Ohne Kohlekraftwerke wird Deutschland den Ausstieg aus der Kernenergie nicht schaffen. lnfolgedessen fordert die deut­sche Regierung den Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke bis 2050. Bis auf wei­teres importieren wir also franzosischen Atom- oder deutschen Kohlestrom, wenn alle Schweizer KKW stillstehen. Das kann kaum im Sinn derjenigen sein, die vehe­ment den Verzicht auf Kernenergie fordern.

• energie RUNDSCHAU Seite 32

Verschmiihte Option: die Schweizer Kernkraftwerke Leibstadt, Miihleberg, Beznau und Gosgen

Wind 5~

Sonne ..... Biomasse, Erdwarme, biogene Abfalle

Wasserkraft

Kernenergie

Erdgas

• Erdol

• Koh le

• nicht-biogene Abfalle

Strommix unserer Nachbarn: iiberwiegend Gas-, Kahle- und Atomstrom Duel/en: BDEW, BFE, e-control, RTE, TERNA (2012)

Wie soll die Kernenergie ersetzt werden? Im langjahrigen Durchschnitt produziert die Kernenergie rund 40 % des Schweizer Stroms, im Winter sogar die Halfte. Denn dann geht jeweils die Stromproduktion aus Wasserkraft zuruck, gleichzeitig wird in der kalten Jahreszeit mehr Strom gebraucht als im Sommer. In den warmen Monaten produzieren die Wasserkraftwerke mehr Strom als im Winter und der Strombedarf ist tiefer. Deshalb finden die Revisionen in

den KKW jeweils gestaffelt im Sommer statt und deshalb ist es dann auch einfa­cher zu verkraften, wenn sie ausnahms­weise alle gleichzeitig fUr ein paar Tage stillstehen. Doch woher soil der Strom in der Schweiz stammen, wenn wir gar keine KKW mehr haben?

Realistische Ausbauplane? Auch am Ende der parlamentarischen Be­ratung uber die Energiestrategie 2050 wird diese Frage erst auf dem Papi er beantwor-

Stromproduktion und Stromverbrauch in der Schweiz

Expor l Ezpor·t

Import Import

Et.porl

Import

- - SpcichC'r­k1 c;rti.·1'-'r \<-::

Laulkraftwerke

1 rf.r 1!

Winter 2011/12

Sommer 2012

Winter 2012/13

Sommer Winter Sommer 2014 2013 2013/14

Im Winter produzieren die Kernkraftwerke die Hiilfte des Schweizer Stroms.

tet sein, denn Gesetzesartikel produzieren keinen Strom. Die Energiestrategie sieht einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien vor. Um unsere KKW zu erset­zen braucht es gemass den Zahlen des Bundesrates bei heutiger Technologie

Que/le: Bundesamt fiir Energie, Elekrititiitsstatistik

jahrlich uber 1 Million Tonnen Holz fUr Biomasse-Kraftwerke, 25 neue Flusskraft­werke und ausserdem 2 bis 3 neue Spei­cherkraftwerke wie auf der Grimsel. Ob das alles trotz immenser Kosten und Kon­flikten mit dem Naturschutz realisiert wer-

Solarpanels auf einer Gesamtflache etwas den kann, ist mehr als fraglich. grosser als der Zurichsee, vom Genfer-zum Bodensee alle 250 Meter eine Wind- Optionen offenhalten! turbine, 175 geothermische Tiefbohran­lagen, wie sie in Basel nach spurbaren Erdbeben nicht gebaut werden konnten,

Und selbst im optimistischsten Szenario des Bundesrates reichen die Erneuerbaren nicht aus. In seiner Strategie sind daher

VERTIEFUNGSKURS NUKLEARFORUM SCHWEIZ

KERNENERGIE ---

auch Gaskombikraftwerke nicht ausge­schlossen. Das lasst sich aber angesichts der C0

2-Emissionen von Gaskraftwerken

kaum mit ernsthaften Klimaschutz-Bestre­bungen vereinbaren. Zudem ist das Gelin­gen dieses Plans auch in Anbetracht der Bedingungen am europaischen Strom­markt alles andere als sicher. Es bleibt also nur die Option der Stromimporte -Strom, auf dessen Herkunft wir wie ein­gangs beschrieben kaum Einfluss haben. Weitere Fragezeichen bei der zukunftigen Schweizer Energiepolitik sind die Entwick­lung des Bedarfs, die Liberalisierung des Strommarktes und ein Stromabkommen mit der EU, das noch weit vom Abschluss entfernt ist. Zudem reicht das erste Mass­nahmenpaket gerade mal fUr die Halfte der Ziele des Bundesrates. Angesichts all dieser Unsicherheiten ist es mehr als angebracht, die bewahrte Energiepolitik mit Kernenergie wenigstens als Option offenzulassen und dem Stimmvolk als echte Alternative vorzulegen. ~

SCHWEIZ UISSE

KOSTENOPTIMIERUNG IN KERNKRAFTWERKEN: MOGLICHKEITEN UNO GRENZEN IM RAHMEN EINER GUTEN SICHERHEITSKULTUR

17./ 18. November 2015, Hotel Arte, Olten

DER BALANCEAKT ZWISCHEN OPTIMIERTEN KOSTEN UNO GROSSTMOGLICHER SICHERHEIT: WIE KONNEN BETREIBER, MITARBEITENDE, ZULIEFERER, BEHORDEN UNO FORSCHENDE DEN AKTUELLEN SICHERHEITSSTANDARD TROTZ STEIGENDEM SPARDRUCK AUFRECHT ERHALTEN?

Dieser Frage gehen nationale und internationale Experten aus lndustrie, Wissenschaft und Be­htirde am diesjahrigen Vertiefungskurs nach.

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