dienstag,22.dezember2020 liebeaufdenerstenton

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REGIONALE KULTUR Dienstag, 22. Dezember 2020 m Treppenhaus stapeln sich schon die Kartons. Gefüllt mit den neuen Schätzen. Und so bittet Elke Voltz gleich um Mithilfe beim Tragen der schwe- ren Boxen hinauf in ihre Woh- nung. Dort, wo schon Tee und Kekse in dem nach Räucherstäb- chen riechenden Wohnzimmer warten. Dort, wo gleich ein Ge- spräch stattfinden wird, das sich neben den musikalischen Etap- pen der Sängerin auch mit Intui- tion, der Digitalisierung und ei- ner Portion Spiritualität befasst. Ganz ohne musikalische Früh- erziehung wuchs Elke Voltz auf einem Bauernhof am Rand des Odenwaldes auf. Anstatt Spie- len standen Schweineschlachten und Treckerfahren auf dem Un- terhaltungsprogramm: „Das war viel Arbeit, aber auch unkonven- tionelles Frei-sein. Wir durften laut sein“, erklärt Voltz. Gleich so laut, dass sie den Traktoren- lärm durch das Singen während der Arbeit übertönt habe, lacht die Sängerin. Das damalige Sin- gen war ein freies, nach Lust und Laune und ohne Richtig oder Falsch – eine musikalische Ein- stellung, der sie heute noch in ih- ren Kursen treu ist. Von ihrer Ältesten erhofften die Eltern sich damals, dass sie den Hof übernehmen und in die Landwirtschaft einsteigen wür- de. Doch das war nichts für sie. Und so begann Voltz eine Aus- bildung zur Industrieschneide- rin: „Währenddessen habe ich aber gemerkt, dass ich ein sozia- les Engagement für mein Leben viel besser finde“, erzählt die Musikerin. I Unkonventionell, wie sie es am liebsten hatte, ging es dann auch weiter: Durch Arbeit bei der An- tifa kam sie in Kontakt mit Aktion Sühnezeichen und beschloss dar- aufhin, mit dieser nach England zu gehen: „Ich dachte damals schon, dass ich irgendetwas ma- chen oder zumindest einen Teil beitragen muss, damit die Welt friedlicher wird“. Ein Bedürfnis, das sowohl die Musikerin als auch den Menschen Elke Voltz nach wie vor stark prägt. Einein- halb Jahre lang leistete sie in Lon- don und Birmingham Friedens- dienst. In dieser Zeit widmete sie sich auch vermehrt der Musik, kaufte sich mit 20 Jahren von ih- rem ersten selbstverdienten Geld eine Gitarre, brachte sich das Spielen autodidaktisch bei und schrieb ihre ersten Lieder. Als Elke Voltz von ihrem Aus- landsaufenthalt zurückkam, ent- schied sich die damals 21-Jähri- ge, ihr Abitur nachzuholen, um dann im nächsten Zug Sozialar- beit zu studieren. Während des Studiums begann sich auch ihre musikalische Karriere langsam, aber sicher zu entfalten. So spiel- te sie nebenher Kabarett, sang Brecht-Lieder, gab Solo-Konzer- te für ihr Liedermacher-Pro- gramm und sang in Blues-, Rock- oder Funkbands. Bei Erwähnung der Brecht- Lieder kann sich die Musikerin dann auch nicht mehr halten. Es kommt zu einer, aber nicht der letzten, gesanglichen Kostprobe dieses Nachmittags: „Als ich dich in meinem Leib trug, war es um uns gar nicht gut bestellt“, singt sie mit einem tiefen, ausdrucks- starken Timbre. Auch das politi- sche Engagement vernachlässig- te sie in dieser Zeit keineswegs, Voltz erinnert sich: „Mit 22 Jah- ren habe ich eine ‚Frauen für Frieden‘- Gruppe gegründet. Wir waren eine Gruppe von zwölf Frauen und sind dann in dieser Konstellation aufgetreten und ha- ben Friedenslieder gesungen. Ohne Noten, dafür mit Bewegun- gen. Wir hatten so einen Spaß.“ Die Sängerin muss laut lachen. Heute kennt man Elke Voltz unter anderem auch durch ihre Band „Kick La Luna“. Wie ist sie denn auf die Truppe aus Frank- furt gestoßen? Ach, das war auf einem Percussion-Seminar im hessischen Lich. Da lernte sie Bandmitglied Anne Breick ken- nen: „Das erzählt Anne immer – sie war schon schlafen, und unten sang die Elke Voltz ‚I am, what I am‘. Da musste sie schauen, wer das ist. So haben wir uns kennen- gelernt.“ Aus einer flüchtigen Be- kanntschaft wurde „Liebe auf den ersten Ton“. Und aus „Liebe auf den ersten Ton“ wurde 1992 eine Frauen-Band, die seitdem mit nur einer Umbesetzung Kon- zerte im In- und Ausland spielt. Auftritte in den USA, auf dem UHURU-Weltmusik-Festival in Solothurn und den World Gay Games in Amsterdam sind nur wenige Beispiele aus einer lan- gen Liste von musikalischen Highlights der Band. 2011 sangen sie auf der Main-Bühne in Frank- furt ihren Song „Hier sind wir“ für die Frauen-Fußball-WM vermutlich ihr bekanntester Song, überlegt Voltz. Bisher hat „Kick La Luna“ ins- gesamt neun CDs veröffentlicht. Für Voltz ist es mit ihren drei So- lo-CDs bereits ihre zwölfte. Par- don, da war ja noch etwas in den schweren Kartons, die vorhin hochgehievt werden mussten. Da war von den „Schätzen“ die Rede – ihre neueste CD, insge- samt die dreizehnte. Eine „Pan- demie“- CD sozusagen, die den Titel „dem Wunder“ trägt. Lie- der wie „Für mich da“, Voltz’ persönlicher „Anti-Burnout- Song“, sorgen für gute Laune, machen Hoffnung und Mut. Die CD ist eine Collage geworden, was die Künstler betrifft: Elke Voltz hat all diejenigen zusam- mengetrommelt, die sie auf ihren vorherigen Solo-CDs musika- lisch begleitet und unterstützt hatten. So sind zum Beispiel das preisgekrönte „Rilke-Projekt“, Florian Sitzmann und Tommy Baldu mit von der Partie. Für Elke Voltz ist diese CD ein Hoffnungsschimmer in einer Zeit, in der sie, wie auch alle an- deren Künstlerinnen und Künst- ler, in einer Warteschleife hängt, nicht zum Zuge kommt: Konzer- te mit „Kick La Luna“ mussten abgesagt werden, ihre Stimment- faltungs- und Gesangskurse müssen online stattfinden nicht viele ihrer Teilnehmerin- nen sind wirklich begeistert von der distanzierten Zoom-Atmo- sphäre. Trotz allem spüre die Sängerin die Solidarität sehr stark: „Wir haben mit der Band bei unserem einzigen Strea- ming-Konzert so viele Spenden von unseren Fans einsammeln können. Und auch meine Kurs- teilnehmerinnen sind so großzü- gig, was die Kursgebühren be- trifft, die konnten ja dann gar nicht mehr kommen“ Voltz’ Stimme bricht. Emotionen, die man auch als Nicht-Künstler nur zu gut nachvollziehen kann. Und irgendwann in dem Ge- spräch geht es dann nur noch zweitrangig um die musikali- schen Etappen der Sängerin. Wa- rum uns allen eine Handy-Pause guttun würde, warum man dem Leben vertrauen sollte und was es heißt, sich stimmlich auf Selbstfindungs-Suche zu bege- ben – das sind die großen Fra- gen, die besprochen und disku- tiert werden. Aber das ist eine andere Geschichte. Die Plattenläden haben zu. Die neue CD von Elke Voltz er- hält man derzeit in Tübingen in der Rote Rübe, Aixer Straße 44, Hinrichs Teehus, Froschgasse 5, Südstadt-Kiosk, Eugenstraße 29. Oder unter stimme@elke- voltz.de Liebe auf den ersten Ton Freie Tübinger Künstler (8) Hier ist sie: Vom Bauernhof zur Musik, vom Song für die Fußball-Frauen-Weltmeisterschaft zum Rilke-Projekt – Elke Voltz „ist, was sie ist“, mit oder ohne Kick La Luna. Ein Gespräch über Musik- und Lebenslinien. Von Justine Konradt Die einen sind über Veranstaltungen und damit auch in den Medien sehr präsent, die anderen kaum. Die einen haben mehr feste Einkünfte über Un- terricht, Teilzeitanstellungen, Broter- werbsjobs, die anderen weniger. Doch so oder so – sie alle trifft der Lock- down derzeit. Mit dieser unregelmäßig erscheinenden Serie wollen wir sie vor- stellen. Bunte Hunde und im Verborge- nen blühende Existenzen. Die Gitarre umgeschnallt, es kann losgehen: Elke Voltz. Bild: Wolfgang Schmidt Freie Künstler in Tübingen Wir waren eine Gruppe von zwölf Frauen und haben Friedenslieder gesungen. Ohne Noten, dafür mit Bewegungen.

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REGIONALE KULTUR Dienstag, 22. Dezember 2020

„Wann, wenn nicht jetzt!“ und „Jetzt erst recht“ – anprallen, störrisch und verstört wirkenden Gestendes Aufbegehrens fehlt es in letzter Zeit nicht. AlsRisikogrüppler hört und sieht man sowas natürlichgerne. Vorbei die Zeiten, als man sich wie OmaDuck mit ihrem Elektromobil in die Scharen derFriedas vor Fjutscha Jugend – wohlwollend gedul-det – einreihen musste.

Oder sich an irgendeine Gemeinschaftsblaseübelriechender Pegidarentner heranwanzen muss-te. Jetzt machen wir unser eigenes Ding. Leipzighab ich terminlich nicht geschafft. Aber in Frank-furt bin ich gerade noch rechtzeitig gekommen, ummich von einem Wasserwerfer umblasen zu lassen.Um mich herum lauter nette Leute, die zum Teilnoch älter waren als sie aussahen, frischrenoviertaus der Mottenkiste ehemaliger Antiatomkraft-Wi-derständler, reizende Esoteriker mit Blümchen imHaar, stramme Rechte mit bunten Fahnen undsportlichen Schlagstöcken – insgesamt eine Stim-mung zumNiederknien. Multikulti pur.

Alle geeint durch ein Ziel. Masken weg! – Ab-stand weg! – Anstand weg! – Merkel weg – Spahnweg – Drosten ohnehin … Querdenker nennen wiruns. Quer ist klar – Denken? Keine Ahnung. Aberdie Gefühle – einzigartig. Abgesehen davon, dasssich bisweilen völlig neue Allianzen bilden. Früherwaren die „Bullen“ für uns doch irgendwie dieFeinde schlechthin. Wenn wir jetzt spaßeshalbermit der schmucken Reichskriegsfahne an einemgitterbewehrten Einsatzfahrzeug vorbeiziehen,gibts aus den Wagen immer wieder mal ein auf-munterndes Lächeln, einen nach oben gestrecktenDaumen. Einfach schön, so ein wortloses Einver-ständnis zu spüren.

Für mich persönlich sind die Demos jedenfallseine Mischung zwischen Déjà-vu und Jungbrun-nen. Und wenn ich dann zurückgekommen wiederdurch das liebe Tübingen oder Rottenburg schlen-dere – auch hübsch, aber doch eher matt. Sie ver-stehen, schrullig eben. Herzchen, Friedensprole-ten, spirituelles Bündelholz und so. Kein harter

Kern – nix für mich. Immerhin, man kommt rausund verkommt nicht. Kann ja nicht den ganzen Tagrumschlendern – und wir Rentner schlendern viel.

Eigentlich tun wir nichts anderes, eigentlich tunalle nichts sehr viel anderes mehr – spazierengehenoder radfahren und glotzen. Alles ganz langsam.Ein ganzes Volk verschneckt in Beamtengeschwin-digkeit. Wenn ich die Querdenkerei nicht hätte,ich wäre am Ende. So aber denke ich alles quer: Wi-dersprüche lösen sich auf, als unmöglich Erachte-tes wird Realität.

Wacklige Alte? – Mit Verlaub, da scheidet sichjetzt eben die Spreu vom Weizen. Diejenigen, dievielleicht noch ein halbes Jahr … Na ja, nennen wir’s„Leben“ fristen. Da gibt nur eins – Flucht nach vorn.Soll der Strobl doch mal versuchen, uns zwangsein-zuweisen. Viel Vergnügen, Herr Minister. PassenSie auf, dass unsere Polizei nicht Sie kassiert!

So, aber jetzt steht erst mal Weihnachten vor derTür. Es wird ein wunderbares Weihnachtsfest. Zumersten Mal seit langer Zeit ohne Familie und ähnli-ches. Ohne faule Ausreden und Alibibesuche. Herr-lich – Covid sei Dank. Scarivari

Scarivaris Streifzüge

Déjà-vu und Jungbrunnen

Hinter dem DecknamenScarivari verbirgt sich einstadtbekannter Nörglerund Grantler, der inschönster Unregelmäßig-keit an dieser Stelle seineWeltsicht auf unsere kleinegroße Stadt verbreitet.

Bild: Wilhelm Busch

Wer zumTeufel ist Scarivari?

Tübingen. Verleger Gunter Narrhat sich in einem ausführlichenBrief an die Autoren des VerlagsKlöpfer, Narr gewandt, um seineSicht der Gründe für das Schei-terns der Zusammenarbeit mit Hu-bert Klöpfer zu erklären. DerHauptvorwurf: Sein ehemaligerGeschäftspartner habe zu Beginnunvollständige Aussagen gemacht,die zu für Narr unvorhersehbarenfinanziellen Vorausleistungenführten. Hubert Klöpfer reagierteauf den Brief mit einem betontknappenStatement.

Aus dem Brief Gunter Narrs:„(…) Klöpfer, Narr – das sollte einNeubeginn sein: Die vorhandenenTitel wurden deshalb für eine an-gemessene Summe aus dem altenVerlag Klöpfer & Meyer heraus-gekauft. Mit diesem Kaufpreissollten alle alten Verbindlichkei-ten des Klöpfer&Meyer Verlagesbedient werden, so dass Klöpfer,Narr sich möglichst unbelastetentwickeln könnte. (. . . )

Was der Verlegerfamilie Narrjedoch nicht bekannt war: Die soerworbenen Titel hätte Klöpfer,Narr gar nicht kaufen können.Diese Rechte waren Gegenstandeiner schon längst bestehendenSicherheitsübereignung. In dieserSituation wäre die einzige theore-tische Chance für ein Weiterma-chen gewesen, sämtliche Back-list-Titel nach allen bereits geleis-teten Zahlungen noch einmal zu-sätzlich aus dieser Sicherheits-übereignung herauszulösen. Das

war finanziell nicht darstellbarund führte zur Rückabwicklungdes Kaufvertrags. Klöpfer & Mey-er musste nun die überfällige In-solvenz anmelden – und somitwar der Kaufpreis, den Klöpfer,Narr schon bezahlt hatten, verlo-ren. Ohne die Erlöse aus demBacklist-Verkauf war Klöpfer,Narr plötzlich nicht mehr als einStart-up mit 20 Titeln, einem ver-lorenen Startkapital und großenfinanziellen Vorausleistungen.

Der Trennung von Klöpfer, Narrlag also nicht eine „vorgebliche“Erkenntnis Hubert Klöpfers zu-grunde, dass dem Verlag Klöpfer,Narr keine Zukunft beschieden sei.Der Grund für das Scheitern liegt

ganz woanders: In der hier geschil-dertenVorgeschichte, die durchzo-gen ist von falschen Annahmenund vor allem von unvollständigenAussagen, die letztlich dasVertrau-en restlos zerstörten.“

Hubert Klöpfer lässt dazu imMoment schriftlich nur so viel wis-sen: „Klöpfer & Meyers jahrzehn-telanger Steuerberater und Wirt-schaftsprüfer Eckhardt Schmidtsowie ich als geschäftsführenderGesellschafter des Klöpfer & Mey-er Verlags, beidseits auch anwalt-lich beraten, sind der festen Über-zeugung, in der von Klöpfer, Narrmonierten Sache nach bestemWissen und Gewissen aufgeklärtund gehandelt zu haben.“ mjk

Vertrauen zerstörtStreit Gunter Narr erhebt in einem Brief an die Autoren Vorwürfe anseinen ehemaligen Compagnon Hubert Klöpfer – der reagiert knapp.

Hubert Klöpfer Gunter Narr Bilder: Kanold

m Treppenhaus stapeln sichschon die Kartons. Gefülltmit den neuen Schätzen. Undso bittet Elke Voltz gleich um

Mithilfe beim Tragen der schwe-ren Boxen hinauf in ihre Woh-nung. Dort, wo schon Tee undKekse in dem nach Räucherstäb-chen riechenden Wohnzimmerwarten. Dort, wo gleich ein Ge-spräch stattfinden wird, das sichneben den musikalischen Etap-pen der Sängerin auch mit Intui-tion, der Digitalisierung und ei-ner Portion Spiritualität befasst.

Ganz ohne musikalische Früh-erziehung wuchs Elke Voltz aufeinem Bauernhof am Rand desOdenwaldes auf. Anstatt Spie-

len standen Schweineschlachtenund Treckerfahren auf dem Un-terhaltungsprogramm: „Das warviel Arbeit, aber auch unkonven-tionelles Frei-sein. Wir durftenlaut sein“, erklärt Voltz. Gleichso laut, dass sie den Traktoren-lärm durch das Singen währendder Arbeit übertönt habe, lachtdie Sängerin. Das damalige Sin-gen war ein freies, nach Lust undLaune und ohne Richtig oderFalsch – eine musikalische Ein-stellung, der sie heute noch in ih-ren Kursen treu ist.

Von ihrer Ältesten erhofftendie Eltern sich damals, dass sieden Hof übernehmen und in dieLandwirtschaft einsteigen wür-de. Doch das war nichts für sie.Und so begann Voltz eine Aus-bildung zur Industrieschneide-rin: „Währenddessen habe ichaber gemerkt, dass ich ein sozia-les Engagement für mein Lebenviel besser finde“, erzählt dieMusikerin.

IUnkonventionell, wie sie es am

liebsten hatte, ging es dann auchweiter: Durch Arbeit bei der An-tifa kam sie in Kontakt mit AktionSühnezeichen und beschloss dar-aufhin, mit dieser nach Englandzu gehen: „Ich dachte damalsschon, dass ich irgendetwas ma-chen oder zumindest einen Teilbeitragen muss, damit die Weltfriedlicher wird“. Ein Bedürfnis,das sowohl die Musikerin alsauch den Menschen Elke Voltznach wie vor stark prägt. Einein-halb Jahre lang leistete sie in Lon-don und Birmingham Friedens-dienst. In dieser Zeit widmete siesich auch vermehrt der Musik,kaufte sich mit 20 Jahren von ih-rem ersten selbstverdienten Geldeine Gitarre, brachte sich dasSpielen autodidaktisch bei undschrieb ihre ersten Lieder.

Als Elke Voltz von ihrem Aus-landsaufenthalt zurückkam, ent-schied sich die damals 21-Jähri-ge, ihr Abitur nachzuholen, umdann im nächsten Zug Sozialar-beit zu studieren. Während desStudiums begann sich auch ihremusikalische Karriere langsam,aber sicher zu entfalten. So spiel-te sie nebenher Kabarett, sangBrecht-Lieder, gab Solo-Konzer-te für ihr Liedermacher-Pro-gramm und sang in Blues-, Rock-oder Funkbands.

Bei Erwähnung der Brecht-Lieder kann sich die Musikerindann auch nicht mehr halten. Eskommt zu einer, aber nicht derletzten, gesanglichen Kostprobedieses Nachmittags: „Als ich dichin meinem Leib trug, war es umuns gar nicht gut bestellt“, singtsie mit einem tiefen, ausdrucks-starken Timbre. Auch das politi-sche Engagement vernachlässig-te sie in dieser Zeit keineswegs,Voltz erinnert sich: „Mit 22 Jah-ren habe ich eine ‚Frauen fürFrieden‘- Gruppe gegründet. Wirwaren eine Gruppe von zwölfFrauen und sind dann in dieserKonstellation aufgetreten und ha-ben Friedenslieder gesungen.Ohne Noten, dafür mit Bewegun-gen. Wir hatten so einen Spaß.“Die Sängerin muss laut lachen.

Heute kennt man Elke Voltzunter anderem auch durch ihreBand „Kick La Luna“. Wie ist siedenn auf die Truppe aus Frank-furt gestoßen? Ach, das war aufeinem Percussion-Seminar imhessischen Lich. Da lernte sieBandmitglied Anne Breick ken-nen: „Das erzählt Anne immer –sie war schon schlafen, und untensang die Elke Voltz ‚I am, what Iam‘. Da musste sie schauen, werdas ist. So haben wir uns kennen-gelernt.“ Aus einer flüchtigen Be-kanntschaft wurde „Liebe aufden ersten Ton“. Und aus „Liebeauf den ersten Ton“ wurde 1992eine Frauen-Band, die seitdemmit nur einer Umbesetzung Kon-zerte im In- und Ausland spielt.Auftritte in den USA, auf dem

UHURU-Weltmusik-Festival inSolothurn und den World GayGames in Amsterdam sind nurwenige Beispiele aus einer lan-gen Liste von musikalischenHighlights der Band. 2011 sangensie auf der Main-Bühne in Frank-furt ihren Song „Hier sind wir“für die Frauen-Fußball-WM –vermutlich ihr bekanntesterSong, überlegt Voltz.

Bisher hat „Kick La Luna“ ins-gesamt neun CDs veröffentlicht.Für Voltz ist es mit ihren drei So-lo-CDs bereits ihre zwölfte. Par-don, da war ja noch etwas in denschweren Kartons, die vorhinhochgehievt werden mussten.Da war von den „Schätzen“ dieRede – ihre neueste CD, insge-samt die dreizehnte. Eine „Pan-

demie“- CD sozusagen, die denTitel „dem Wunder“ trägt. Lie-der wie „Für mich da“, Voltz’persönlicher „Anti-Burnout-Song“, sorgen für gute Laune,machen Hoffnung und Mut. DieCD ist eine Collage geworden,was die Künstler betrifft: ElkeVoltz hat all diejenigen zusam-mengetrommelt, die sie auf ihrenvorherigen Solo-CDs musika-lisch begleitet und unterstützthatten. So sind zum Beispiel daspreisgekrönte „Rilke-Projekt“,Florian Sitzmann und TommyBaldu mit von der Partie.

Für Elke Voltz ist diese CD einHoffnungsschimmer in einerZeit, in der sie, wie auch alle an-deren Künstlerinnen und Künst-ler, in einer Warteschleife hängt,

nicht zum Zuge kommt: Konzer-te mit „Kick La Luna“ musstenabgesagt werden, ihre Stimment-faltungs- und Gesangskursemüssen online stattfinden –nicht viele ihrer Teilnehmerin-nen sind wirklich begeistert vonder distanzierten Zoom-Atmo-sphäre. Trotz allem spüre dieSängerin die Solidarität sehrstark: „Wir haben mit der Bandbei unserem einzigen Strea-ming-Konzert so viele Spendenvon unseren Fans einsammelnkönnen. Und auch meine Kurs-teilnehmerinnen sind so großzü-gig, was die Kursgebühren be-trifft, die konnten ja dann garnicht mehr kommen“ – Voltz’Stimme bricht. Emotionen, dieman auch als Nicht-Künstler nurzu gut nachvollziehen kann.

Und irgendwann in dem Ge-spräch geht es dann nur nochzweitrangig um die musikali-schen Etappen der Sängerin. Wa-rum uns allen eine Handy-Pauseguttun würde, warum man demLeben vertrauen sollte und wases heißt, sich stimmlich aufSelbstfindungs-Suche zu bege-ben – das sind die großen Fra-gen, die besprochen und disku-tiert werden. Aber das ist eineandere Geschichte.

Die Plattenläden haben zu.Die neue CD von Elke Voltz er-hält man derzeit in Tübingen inder Rote Rübe, Aixer Straße 44,Hinrichs Teehus, Froschgasse 5,Südstadt-Kiosk, Eugenstraße 29.Oder unter [email protected]

Liebe auf den ersten TonFreie Tübinger Künstler (8)Hier ist sie: Vom Bauernhof zur Musik, vom Song für die Fußball-Frauen-Weltmeisterschaft zum Rilke-Projekt –Elke Voltz „ist, was sie ist“, mit oder ohne Kick La Luna. Ein Gespräch überMusik- und Lebenslinien. Von Justine Konradt

Die einen sind über Veranstaltungenund damit auch in den Medien sehrpräsent, die anderen kaum. Die einenhaben mehr feste Einkünfte über Un-terricht, Teilzeitanstellungen, Broter-werbsjobs, die anderen weniger. Dochso oder so – sie alle trifft der Lock-down derzeit. Mit dieser unregelmäßigerscheinenden Serie wollen wir sie vor-stellen. Bunte Hunde und im Verborge-nen blühende Existenzen.

Die Gitarre umgeschnallt, es kann losgehen: Elke Voltz. Bild: Wolfgang Schmidt

Freie Künstler in Tübingen

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zwölf Frauen undhaben Friedensliedergesungen. OhneNoten, dafür mitBewegungen.