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Digitales Monitoring in der Krankenversicherung
Prof. Dr. Hato SchmeiserGeschäftsführender Direktor des Instituts für VersicherungswirtschaftUniversität St. Gallen
Juli 2017
Juli 2017, Seite 2
Agenda
1. Vorbemerkungen zur Kostensituation im Schweizer Gesundheitsmarkt
2. Digitalisierung und Digitales Monitoring: Chancen und Risiken für Krankenversicherer
3. Ausblick und Diskussion
Juli 2017, Seite 3
EY: Kostenentwicklung in der ambulanten Spitalbehandlung
• In den Jahren zwischen 2010 und 2014 sind die ambulanten Spitalbehandlungen um 22 Prozent auf CHF 24.9 Mrd. angestiegen
• Stationäre Spitalbehandlungen wuchsen im gleichen Zeitraum um knapp 12 Prozent auf insgesamt CHF 31.9 Mrd.
• Neue medizinische Möglichkeiten sowie Anreize aus der Spitalfinanzierung (Kostensplit zwischen Versicherern und Kantonen) sorgen für Verlagerung hin zu ambulanten Spitalleistungen
• Diese sind vollständig von den Krankenversicherern zu tragen
Quelle: EY (2017) / BfS
Juli 2017, Seite 4
• Kostenverteilung insgesamt: 63 Prozent private Haushalte; 37 Prozent Unternehmen bzw. steuerfinanziert (und damit im wesentlichen wieder bei den privaten Haushalten)
• Partialanalyse Entwicklung der Krankenkassenprämien
Prognose Prämienentwicklung
Schätzung EY (2017): 826 CHF pro Monat im Jahr 2030
Juli 2017, Seite 5
Kostenanstieg durch technologischen Fortschritt bedingt
• Gesamtperspektive: Wo steht die Schweiz?
• Verdopplung der Gesundheitskosten (Prozentsatz am BIP) in den OECD-Ländern in den letzten 30 Jahren
• Hintergrund: Technologischer Fortschritt und «Moralisches Risiko»
• Einfluss der Lebenserwartung auf Krankheitskosten ist nicht sehr ausgeprägt, wenn die durchschnittlich längeren Prämieneinzahlungen berücksichtigt werden
• Einsparungspotentiale gegeben (Spitalsektor, Pharmazeutika)
• Regulatorische Massnahmen können Prämienanstieg deutlich eindämmen aber implizieren immer auch Leistungskürzungen und Gefahr von Zweiklassenmedizin
• Kann digitales Monitoring und Digitalisierung im Allgemeinen helfen, Transaktionskosten zu senken?
• Welche Chancen und Risiken ergeben sich grundsätzlich?
Juli 2017, Seite 6
Agenda
1. Vorbemerkungen zur Kostensituation im Schweizer Gesundheitsmarkt
2. Digitalisierung und Digitales Monitoring: Chancen und Risiken für Krankenversicherer
3. Ausblick und Diskussion
Juli 2017, Seite 9
Digitales Monitoring – Chancen
Prävention
• Anreize zu gesundem Verhalten
• Früherkennung
• Optimale Koordination im Krankheitsfall (Krankenversicherer wird zum «Gesundheitsmanager»)
Individualisierung von Leistungen
• Vorteile für Kunden (Zielorientierung) und Kostenersparnis
Pooling von Information aus digitalem Monitoring von Krankheitsbildern und Behandlungsmethoden
• Hiermit verbunden: Chancen aus «Big Data»
• Studien zur Effizienz von Behandlungsmethoden enthalten «systematische Verzerrungen»
Juli 2017, Seite 10
Chancen aus der Digitalisierung im Allgemeinen
«Big Data»
• Grosse Chancen über grosse Auswahlsätze Wirksamkeit von Behandlungsmethoden fundiert zu untersuchen
• M. E. extremes Einsparungspotential
• Einhaltung von Datenschutzbestimmungen ist zentral, aber durch Anonymisierung der Informationen möglich
Digitalisierung wird Prozesses stark beeinflussen
• Erreichung neuer Märkte im Bereich der Zusatzversicherungen
• Vertrieb über Robo Advisor
• Interne Prozesse (Kostenersparnis, Fehlerreduktion)
Juli 2017, Seite 12
Chancen aus der Digitalisierung im Allgemeinen
• Schadenmanagement und «Kundenintegration» (z. B. Scannen und versenden von Belegen); aber: hier sind Kundenpräferenzen zu berücksichtigen (siehe Bankenindustrie)
Juli 2017, Seite 13
Chancen aus der Digitalisierung im Allgemeinen
Digitalisierung der Kostenerstattungen an Leistungserbringer
• Fehlerraten nachweislich sehr hoch (zwischen 10 bis 20%)
• Fehlerquellen sehr unterschiedlich (Betrug, unbeabsichtigte Falschmeldungen u.v.m.)
• Einsparungspotential sehr hoch
• Automatisierte Plausibilitätsabfragen können hier sehr hilfreich sein
• Entwicklung geht schnell voran und entsprechende digitale Werkzeuge werden 2025 in allen führenden Krankenversicherer installiert sein
Juli 2017, Seite 14
Beispiel Digitalisierung / digitales Monitoring
Beispiel CH
• CSS myStep / Sanagate• Helsana: Ausführliche Hinweis und Beratung bzgl. Fitness-Tracker• Swica / Plattform Benevita• Dacadoo
Ausländische Konzepte ähnlich
• Anreizstruktur über Prämienrabatte, Gutscheine, Gamification
• Messung von Lebensstil (Bewegung, Essen)
Juli 2017, Seite 15
Beispiel digitales Monitoring Ausland: Oscar Health (USA)
▪ Versteht Krankenversicherung wie einen Internet-Service, der direkt an Versicherungsnehmer herangetragen wird▪ Nutzt Daten und Technologien zur Verknüpfung von Wertschöpfungspartnern (z.B. App-basierte Zuweisung zu
Spezialisten; USD 20 Prämienreduktion pro Monat bei Erreichen eines individuellen Bewegungsziels, das mit einemWearable getrackt wird)
▪ Unter anderem von Google Capital finanziert (Wert ca. USD 3 Mrd.)
Juli 2017, Seite 16
Beispiel digitales Monitoring Ausland: Active+ (AXA UK)
▪ Hat als Versicherer einen Online-Shop für gesundheitsrelevante Produkte eröffnet▪ Versucht dadurch positive Kontaktpunkte mit Versicherten herzustellen und Kunden zu ermuntern, mehr Verantwortung
für ihre Gesundheit zu übernehmen ("attitudinal segmentation")▪ Da rationale Argumente häufig nicht funktionieren (z. B. Fettleibigkeit: Nur bei 16% aller Betroffenen ist eine rationale
Argumentation erfolgreich), gibt es zusätzlich emotionale Motivation (sinngemäss «Little black dress» als Zielbild)
Juli 2017, Seite 18
Digitales Monitoring – Risiken
Risiken aus dem Blickwinkel des Anbieters
• Pressefeedback zum digitalen Monitoring durchweg negativ, trotz mehr «Kostengerechtigkeit» (siehe nächstes Slide)
• Bsp.: Generali «Vitality»
• Versicherer tritt erzieherisch gegenüber ihren Kunden auf
• Datensicherheit / Gefahr einer «digitalen Diktatur» (Harald Welzer)
• Im Bereich der Zusatzversicherung: Verstärkte Risikoselektion und neue Regulierung für hohe Risiken
• Ausgrenzung «guter» Risiken, die nicht bereit sind Datentransfer zustimmen
• Abnahme des Nutzens von Versicherungsnahme bei besserer Schätzbarkeit auf Einzelrisikoebene / Zahlungsbereitschaft Kunden sinkt
• Technologieanbieter im Vorteil (auch wegen «loserem» Umgang mit Datenschutzregelungen)
Juli 2017, Seite 20
Digitales Monitoring – Fazit
Einschätzung
• Teilweise eher Marketingkonzepte (kann aber im Sinne einer «Gamification» durchaus zielführend sein)
• Risikoselektionsüberlegungen in der Obligatorischen Krankenversicherung gemäss KVG nur bedingt relevant
• Bedeutsam letztlich nur im Zusatzversicherungsgeschäft (inkl. Pflegeversicherung)
• Aber: Risikoselektionsmechanismen heute bereits recht ausgefeilt
• M. E. wird das digitale Monitoring eher interessant sein im Bereich der Eruierung von Kundenbedürfnissen (auch ausserhalb der Assekuranz) und Zahlungsbereitschaft
Juli 2017, Seite 21
Agenda
1. Vorbemerkungen zur Kostensituation im Schweizer Gesundheitsmarkt
2. Digitalisierung und Digitales Monitoring: Chancen und Risiken für Krankenversicherer
3. Ausblick und Diskussion