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Gotthard Barth
Die Geschichten des Fachlehrers
Rationale Physik gegen magisch-paradoxen Unsinn
Einstein widerlegt* 3. Auflage Nachdruck 1987
Verlag WISSEN im Werden Sonderband 1
A 2063 Zwingendorf sterreich Haus Bradley
A.E.
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Mit dem Versuch von A. Michelson (Potsdam 1881) begann das Unheil. Nach der Theorie des englischen mathe-
malischen Physikers J. C. Maxwell breitet sich das Licht im
Weltther von der Quelle weg als Kugelwelle aus. Auf der im
ther bewegten Erde wrde dann die Kugelwelle zu einem
Wellenellipsoid auseinander gezogen. Michelson wollte die Ge-
schwindigkeit der Erde im ther messen. Das Ergebnis war
enttuschend: Die Erde ruht im ther, auf der Erde breitet
sich das Licht als Kugelwelle aus.
Fr den Kristallfachmann Woldemar Voigt war dies ein all-
tgliches Problem. In doppelbrechenden Kristallen ist die Licht-
geschwindigkeit je nach Kristallachse verschieden. Voigt mute
aus der Wellenkugel im ther ein Wellenellipsoid im Kristall
errechnen. Beim Michelsonversuch war das Problem umgekehrt:
Aus dem Wellenellipsoid nach Maxwells Theorie mute eine
Wellenkugel gemacht werden, wie sie Michelson beobachtet
hatte. Voigts rein formale Lsung (1887) brachte fr die physi-
kalische Theorie nichts.
Dann aber nahmen sich die mathematischen Physiker des Mi-
chelsonversuches an. Zuerst kam die Lngenverkrzung von
Lorentz und Fitzgerald: Alle Krper werden durch den ther-
wind etwas zusammengedrckt. Es folgte die allgemeinere L-
sung: Lngen und Zeiten, Raum und Zeit" werden so vern-
dert, da die Lichtgeschwindigkeit absolut konstant wird (Ein-
steins Postulat"): Lorentz, Larmor, Poincare.
Aber alle diese Leute hatten doch gewisse Bedenken gegen
ihre mathematischen Erfindungen. Die Aufgabe war nicht leicht.
Und wenn Lorentz durchgekommen ist, geschah dies nur, in-
dem er Hypothese auf Hypothese hufte." sagte Poincare 1904
auf der Weltausstellung in St. Louis, Mo. (Tesla-Stadt).
Doch dann kam der junge Fachlehrer Albert Einstein. Die
Problematik des milungenen Michelsonversuches verstand er
schon seiner Ausbildung nach r weder mathematisch, noch phy-
sikalisch. Fr ihn war alles, was da die Rechner zusammenge-
braut hatten, physikalische Wirklichkeit. Von den physikalischen
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Widersprchen, von den mathematisch-physikalischen Proble-
men mit der Lorentzgruppe hatte er keine Ahnung. Noch heute
transformieren die Mathematiker bedenkenlos hin und zurck.
Da ein Mastab oder eine Uhr nicht wissen knnen, da sie
zum zweiten Mal, also zurcktransformiert werden, strt die
Gruppentheoretiker nicht. Fr Einstein war der logische Wider-
spruch, das Paradoxe, Ausdruck hherer Geistigkeit.
Niemals htte eine so vllig planlose Sammlung sich wider-
sprechender Einflle Wissenschaft werden knnen, htte nicht
der erste Nobelpreistrger fr Physik, der Maschinenbauingenieur
W. C. Rntgen Einsteins naive Referate in den Annalen der
Physik" abdrucken lassen. Ein paar gewissenlose Karrierema-
cher bauten dann den ahnungslosen Fachlehrer zur Galionsfigur
der mathematischen Physiker auf. Mit humorvollem Staunen, so
nehme ich an, mute der junge Max Laue feststellen, da man
den Herren Kollegen jeden Unsinn vorsetzen kann, wenn er nur
ein wenig mathematisch verbrmt ist. Bald schlossen sich Laue
und seinem Professor Max Plank andere an auf dem Weg zu
schnellem Ruhm.
Einstein selbst, in seiner Bescheidenheit, blieb im Hintergrund.
Er war sich seiner mangelnden Kenntnisse wohl bewut. Zu-
erst wunderte er sich ber das Interesse und die Hochscht-
zung, die ihm von berhmten Mnnern entgegen gebracht wur-
de. Dann glaubte er wirklich, er habe in Zusammenarbeit
mit dem lieben Gott" alle Probleme der Physik gelst. Aber
schon vor 1921 wute Einstein, da er nur eine Figur im Kampf
der Mchtigen war. Mit 70 Jahren schrieb er an seinen Jugend-
freund Solovine: Da ist kein einziger Begriff, von dem ich
berzeugt wre, da er standhalten wird."
Haus Bradley 08-06-87 Gotthard Barth
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V o r w o r t
Du kannst jederzeit eine gewisse Anzahl von Menschen bluffen. Aber die ganze Welt fr alle Zeiten zu bluffen, glaube mir, das ist unmglich."
BARNUM*)
Im September 1954 schrieb ich den Antirelativus". Nach
Krieg und Gefangenschaft hatte ich mein Physikstudium
wieder aufgenommen. Durch Vorlesungen angeregt wandte
ich mich, ungern, einem nheren Studium des Michel-
sonversuches zu. Das gleiche Gefhl, das mich in meinen
ersten Studienjahren beim sog. Carnotschen" Kreisproze
erfat hatte, war auch hier bestimmend: Etwas ist nicht in
Ordnung. Es war ein mhevolles Beginnen, nicht, die we-
nigen Formeln der speziellen Relativittstheorie auswendig-
zulernen, sondern zu erkennen, woher sie kamen, was da-
hinterstand, irgendwo die logischen Fehler zu entdecken.
Monatelang lie ich Lichtstrahlen in bewegten Systemen
hin- und herlaufen, um doch irgendeine Methode zu fin-
den, die klassische Gleichzeitigkeit nachzuweisen. So viele
Vorlesungen ich auch hrte, so viel Literatur ich nach und
nach vornahm, da eine ernsthafte Kritik der Relativitts-
theorie besteht, blieb dem Physikstudenten verborgen. Diese
Theorie ist endgltig und unwiderlegbar bewiesen.
So war ich mit meinen Problemen allein. Ein Zeitungs-
bericht ber einen von mir gehaltenen Vortrag brachte
erste Zuschriften anderer Kritiker. Die erste Auflage des
Antirelativus" hatte ich noch mit primitivsten Mitteln her-
gestellt. Durch die Herausgabe der Zeitschrift WISSEN
im Werden" sammelte sich dann mehr und mehr ein Kreis
von Antirelativisten. Einen Teil der alten Garde, die noch
aktiv am Einsteinrummel der Zwanzigerjahre teilgenom-
men hatte, lernte ich persnlich kennen. Vor allem war
*) Barnum, der Erfinder des Bluffs". Obigen Sprach stellt E. Gehrcke
seiner Schrift Die Massensuggestion der Rel. Theorie" (1924) voran.
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es mir erfreulich, da ich Prof. Dr. Ernst Gehrcke, nach
lngerem Briefwechsel, noch kurz vor seinem Tode in
Birkenwerder bei Berlin besuchen konnte. Zu den alten
kamen neue Gegner, die sich erst in jngerer Zeit mit
der Relativittstheorie beschftigt hatten. Viele davon sind
Mitarbeiter der Zeitschrift WISSEN im Werden" geworden.
Das Besondere dieser Entwicklung liegt darin, da ich
erst nach der Niederschrift meines Antirelativus" mit der
seit Aufstellung der Relativittstheorie bestehenden Kritik
bekannt wurde. Auch anderen erging es so: Was man
mhevoll erarbeitet hat, findet man nachtrglich in frhe-
ren Schriften hnlich, oder auch besser, bei Gehrcke, Le-
nard, Stark, Dingler, Ziegler, W. Mller, Mohorovicic, .
Kraus, Vogtherr, Palagyi, um nur einige Namen zu nen-
nen. Gewi ist in den letzten Jahrzehnten die Physik nicht
stehen geblieben. Aber gerade die Kritik der wichtigsten
Absurditten der Relativittstheorie wurde bereits in den
ersten Jahren bis etwa 1928 geleistet. Auch die heute mehr
in den Vordergrund getretene korpuskulare Auffassung
des Lichtes wird von Ritz und anderen schon in den frhe-
sten Stadien des Relativittsslreites vertreten. Nur die
dritte Auffassung des Lichtes: weder Welle noch Korpus-
kel, der auch Gehrcke in gewissem Sinne zustrebte, wie
er mir in Briefen schrieb, war naturgem damals noch
nicht vertreten. Vor allem wurde auch in den letzten Jah-
ren das Hauptgewicht der Beweise" fr Einsteins Theo-
rie auf die sogenannte Einsteinsche" Massenformel ver-
legt. In der Kritik der Relativittstheorie" von E. Gehrcke
(1924) zum Beispiel wird dieser Punkt kaum errtert.
So gebe ich denn in diesen neuen Auflagen des Anti-
relativus" zumeist den alten Text, dem jeweils die Kritik
meiner Vorgnger, soweit sie mir bekannt wurde, ange-
schlossen wird. Mehrere Abschnitte sind zur Gnze neu.
Ein Problem bleibt es, wieso eine solche absurde Erfin-
dung, wie es Einsteins Theorie ist, derartige Beachtung
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erlangen und sich durch Jahrzehnte, aller Kritik zum Trotz,
erhalten konnte. Geh r cke weist schon 1920 darauf hin.
da E ins te in sein Werk mit groer Geschicklichkeit zu
verteidigen wute und den Physikern ihre Bedenken mit
mathematischen und philosophischen, den Mathematikern
ihre Bedenken mit physikalischen und philosophischen,
den Philosophen ihre Bedenken mit mathematischen und
physikalischen Gegengrnden zerstreute: Jeder Fachmann
beugte sich vor der Autoritt des Kollegen im anderen
Fach, jeder glaubte das, was er nach anderen Fachautori-
tten als fr bewiesen halten zu sollen vermeinte. Niemand
wollte sich dem Vorwurf aussetzen, er verstnde nichts
von der Sache." Und er verweist auf Andersens Mrchen
von des Kaisers neuen Kleidern. Dazu kommt noch, da
Einstein seine Erkenntnisse jeweils nach dem augenblick-
lichen Stand der Kritik nderte, zum Beispiel hinsichtlich
der Existenz des thers oder hinsichtlich des berhmten
Uhrenparadoxons.
Sicher trifft dies alles zu. Weit mehr bestimmend
scheint mir jedoch die ganze Art unseres Erziehungssy-
stems. Der Schler hat nur das Vorgetragene zu erlernen.
Ein guter Lehrer ermglicht seinen Schlern auch ein Ver-
stehen des Erlernten. Eine Kritik des Gelehrten ist jedoch
vllig unerwnscht. Wie beim Staatsbrger, so auch bei
den Studenten werden nur die Zufriedenen geloht. Eine
rhmliche Ausnahme war mein hochverehrter Lehrer Pro-
fessor Felix E h r e n h a f t , der Physik kritisch vortrug.
Diese Einstellung ist verstndlich. Kein System, das sich
fr gut hlt, wird sich selbst Revolutionre erziehen. Ein-
steins Theorie war wenige Jahre, nach dem ersten Welt-
krieg, Revolution. Nunmehr hlt sie seit ber 40 Jahren mit
allen Mitteln des unrechtmig Emporgekommenen die
usurpierte Macht fest. Die magisch-paradoxe Doginatik der
modernen mathematischen Theorie kann keine rationale
Diskussion gestatten. Wie zu Galileis Zeiten verfolgt die
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moderne Inquisition ihre Gegner. Da die anderen nicht
minder absurden Themen, die Einstein-Plancksche Quan-
telung der Energie, die Bohrschen Elektronensprnge, die
statistische Akausalitt, nicht entfernt eine gleich heftige
Kritik auf den Plan riefen, liegt wohl darin, da in diesen
Geschftszweigen der modernen Theorie ein weitaus gerin-
gerer Aufwand an aufreizender Propaganda geleistet wurde.
Die Methode der relativistischen Beweisfhrung wurde
schon von Gehrcke hinreichend charakterisiert. Gegen eine
stndig nachgebende Wahrheit sind rationale Einwnde
machtlos. Weit wichtiger war jedoch die Ausschaltung je-
der Kritik durch eine hinterhltige Diffamierung der Geg-
ner. Die erste Opposition der wissenschaftlichen Welt ge-
gen die neuen Relativittstheorien hat man einfach gebro-
chen, indem man sie als eine Folge des Antisemitismus
dem breiten Publikum vorgestellt hat" (Mohorovicic 1962).
Schon E i n s t e i n selbst bedient sich dieser so erfolgreichen
Methode. In einem Interview der New York Tribune vom
3. 4. 1921 heit es:
Warum waren Mnner der Wissenschaft gegen Ihre
Theorie, als Sie sie zuerst bekannt gaben?"
Kein Mann der Wissenschaft", erwiderte er, indem er das
letzte Wort nachdrcklich betonte, war gegen die Theorie".
Aber es gab da einige Gegnerschaft."
Ja", versetzte er ruhig, aber das war nur politisch,
sogar die Phobiker, die meiner Theorie entgegen waren,
taten dies aus politischen Grnden nach meiner Auf-
fassung natrlich."
Dieser Zusatz: Nach meiner Auffassung natrlich" ist
typisch fr Einstein: natrlich nicht in Wahrheit, sondern
nur nach meiner Auffassung. So bleibt seine Aussage fr
alle Flle relativ richtig. Den Hhepunkt dieser ver-
chtlichen Methode erreicht wohl ein deutscher Hochschul-
professor, der zwei ehemaligen" Nobelpreistrgern vor-
wirft, sie htten die Neuschpfungen der Relativittstheorie
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und der Quantentheorie aus stupider Senilitt" nicht
verstanden. J. S t a rk war 5 Jahre lter als Einstein,
Ph. Lena rd 17 Jahre.
Jedermann hat also die Wahl, ob er die Relativitts-
theorie aus politischen Grnden" oder infolge stupider
Senilitt" fr falsch hlt. Jeder Kritiker Einsteins mu mit
derartigen Qualifikationen rechnen. Aber nicht jedermann
kann es sich leisten, ffentlich in dieser Weise beschimpft
zu werden. So bleibt notwendig die Zahl der Kritiker
bescheiden.
Die Wahrheit einer Theorie wird nicht durch den Cha-
rakter ihrer Anhnger bestimmt. Nicht allein. Eine Theorie,
die zu derartigen Methoden greifen mu, ist selbst von
ihrer Wahrheit nicht berzeugt. Man mu sich wundern,
wie es Einstein gelang, der vielfltigen Kritik zu wider-
stehen. Zunchst pat er seine augenblickliche Ansicht der
augenblicklichen Kritik an. In einer Reihe grundlegender
Fragen wechselt er immer wieder, zuweilen in wenigen
Tagen, seine Meinung. Auf der anderen Seite versteht er
es aber auch, sehr geschickt seinen Gegnern auszuwei-
chen seinen politischen Gegnern natrlich, denn wissen-
schaftliche Gegner hat es nach Einsteins Auffassung
niemals gegeben. In Amerika, wohin Einstein mit dem Zio-
nistenfhrer Dr. Weizmann gefahren war, um Geld fr
die Errichtung einer jdischen Universitt in Jerusalem
zu beschaffen, hatte Prof. R e u t e r d a h l , Prsident der In-
genieure der St. Thomas Universitt, erklrt, Einstein sei der
Barnum der Wissenschaft, seine Theorie sei eitel Humbug.
Mit seiner mythischen Theorie halte er die ganze Welt zum
Narren. Darauf meint Einstein, da solche Angriffe ihn sehr
an seine deutsche Heimat gemahnten. Dieser Hinweis, da
es sich hier um Antisemitismus, made in Germany, hand-
le, verfehlte in dem nicht gerade Deutschland freundlichen
Amerika der Nachkriegsjahre seine Wirkung nicht. So konn-
te Einstein eine Diskussion mit Reuterdahl formell ablehnen.
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Nach Deutschland zurckgekehrt erklrte Einstein (Nieu-
we Rotterdamsche Courant): Die bergroe Begeisterung
fr mich in Amerika scheint echt amerikanisch zu sein
und wenn ich es recht begreife, liegt es daran, da die
Menschen sich dort so ungeheuer langweilen... Es gibt
Stdte mit einer Million Einwohner trotzdem welche
Armut, welche geistige Armut! . . . Sie tun alles, was en
vogue und in der Mode ist, und haben sich nun zufllig
auf die Einstein-Mode geworfen... Ich finde es komisch
und zugleich interessant, dies Spiel zu beobachten. Ich
glaube bestimmt, da es das Geheimnisvolle des Nichtbe-
griffenen ist, das sie bezaubert. Man erzhlt ihnen von
etwas Groem, das Einflu auf das ganze weitere Leben
haben soll, und von einer Theorie, die nur von dem Auf-
fassungsvermgen einer kleinen Gruppe Hochgelehrter be-
wltigt werden kann, und es werden groe Namen genannt,
die auch groe Entdeckungen gemacht haben, von denen
die Masse nichts begreift. Es imponiert ihnen, es bekommt
die Farben und die bezaubernde Macht des Mysterisen...,
so wird man enthusiastisch und aufgeregt." Was wieder
den Amerikanern nicht angenehm zu hren war. Doch
Einstein bleibt objektiv: Da das sensationelle Interesse
fr die Relativittstheorie, welches sich im groen Publi-
kum zeigt, zum groen Teil auf einer Art Miverstndnis
beruht, ist wohl sicher. Aber dies gilt nicht nur fr das
amerikanische Publikum, sondern ebenso fr unser deut-
sches, fgte Professor Einstein schmunzelnd nach einer
Pause hinzu." (Vossische Ztg. 11. 7. 1921 u. a.)
Ganz hnlich war es in Frankreich. Es laufen so viele
Anekdtchen ber Einstein um. so da wir diesem Be-
kannten auch einiges gern Vergessenes hinzufgen knnen.
Diese Reise ist ein Muster geschickter Inszenierung. Im
Juni 1921 ging ein Interview Einsteins durch die Welt-
presse, in dem er erklrt: In England war ich offiziell
von den Universitten London und Manchester eingeladen
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(auf der Rckreise aus Amerika). Ich erhielt dort unver-
geliche Sympathiebezeugungen. Von Frankreich aus hat
mich niemand gebeten, zu kommen..." Eine ausgebreitete
Pressekampagne bereitete die Reise Einsteins vor. Die
Schwierigkeit, da ein Deutscher nach Frankreich eingela-
den werden soll, wird dadurch gelst, da Einstein ein
Schweizer Gelehrter" wird, der Professor an der holln-
dischen Universitt in Leiden ist, und den Rest der Zeit
frei wie ein Pensionr" an der Akademie zu Berlin arbei-
tet, deren erster Prsident der Franzose Maupertuis war".
Noch am 23. Mrz 1922 rt Echo de Paris Einstein, die
Reise wegen befrchteter Kundgebungen abzusagen. Darauf
wird die Einladung von anderen Blttern umso dringlicher
wiederholt. Einstein wird fr den 29. Mrz um 12,25 Uhr
erwartet. Die Herren von der deutschen Gesandtschaft
warteten vergeblich. In der Nacht um 28,30 Uhr kommt
Einstein auf dem Nordbahnhof an. Seine Gnner, die Pro-
fessoren Langevin und Nordmann hatten ihn von der Gren-
ze an begleitet. Um aber auch zu dieser spten Stunde
auf dem verlassenen Bahnhof den bsen Gegnern zu ent-
gehen, steigt Einstein auf dem entgegengesetzten Gelei-
se aus dem letzten Wagen des Zuges".
Zu den Vortrgen sind nur geladene Gste zugelassen.
Der Mathematiker und frhere Ministerprsident Painleve
selbst, untersttzt von neun Polizisten, kontrolliert die Ein-
trittskarten. Ein Vortrag in der Akademie der Wissenschaf-
ten wird abgesagt, da ein Teil der Mitglieder bei Einsteins
Eintreffen als Zeichen des Protestes den Saal verlassen
wollte. Einstein gab durch seine Absage seinen franzsi-
schen Kollegen zwar keine Aufklrung ber die Relativi-
ttstheorie, aber eine gute Lektion im Takt" (L'Oeuvre).
Bei der dritten Einstein-Konferenz griff der Schweizer
Physiker E. G u i l l a u m e in die Diskussion ein. Durch das
Guillaumesche Ellipsoid wollte er einen fundamentalen
Irrtum in der Theorie Einsteins" aufzeigen. Auch Painleve
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hatte, auf anderem Weg, denselben Fehler entdeckt. Herr
Guillaume hat beklagenswert abgeschnitten" (L'Oeuvre).
Dazu schreibt R. H. de la Montagne: Bemerken wir, da
L'Oeuvre unfhig sein wrde, auseinanderzusetzen und
dieses Blatt versucht es auch nicht worin Herr Guillaume
sich tuscht und worin Herr Einstein recht hat. Er wei
nichts. Aber fr Einstein Partei ergreifen, das scheint ihm
die Hhe der Eleganz." Einstein selbst griff in die Debat-
te nicht ein. Er hrte bescheiden zu, wie Guillaume von
Langevin abgekanzelt wurde. Einstein wute bereits da-
mals, warum er schwieg. Doch genug davon. Die Diskus-
sion um die Relativittstheorie bewegt sich auch heute
noch, soweit es etwas wie Diskussion berhaupt gibt
durchaus in den gleichen Bahnen.
Wenn ein Forscher seine Karriere einer Theorie verdankt,
die er schlielich als falsch erkennt, dann wre es ber-
menschlich, wollte man von ihm verlangen, da er seinen
Irrtum auch ffentlich einbekennt; man legt sich die Sache
zurecht. Bei Einstein steht es wohl auer Zweifel, da er
die Fragwrdigkeit seiner Thesen frhzeitig durchschaute.
Einstein hat sich niemals mit dem Sinn physikalischer
Behauptungen befat, sondern nur mit ihrer Richtigkeit",
meint P .K . F e y e r a b e n d , ein Verehrer Einsteins (Fischer
Lexikon Philosophie 1958). Diese Richtigkeit" bezieht sich
nur auf die Frage des Augenblicks. Sollen wir diese so
folgenreiche Methode moralisch beurteilen?
Fr Einstein war, wie sich an vielen Beispielen zeigen
lt, nicht nur die Zeit, sondern auch die Wahrheit rela-
tiv. Die Zeitangaben sind nach der Relativittstheorie ab-
hngig vom Ort. Schon 1913 schrieb Gehrcke: Der Stand-
punkt der verschiedenen Autoren in den errterten Fragen
ist nicht ganz einfach zu charakterisieren, weil mehrfach
in den verschiedenen Abhandlungen ein und desselben
Autors die verschiedenartigsten Standpunkte eingenommen
werden. Es fehlt nicht viel, und das Relativittsprinzip
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greift noch auf das literarische Gebiet ber: es erhlt,
ganz entsprechend dem in der Relativittstheorie blichen
Verfahren, irgendeine von irgendeinem Autor zu irgend-
irgendeiner Zeit gemachte Angabe... erst dann einen Sinn,
wenn auch der Ort der Verffentlichung angegeben wird."
Keine Wahrheit galt mehr fr sich. Diese Methode der
in der Physik dilettierenden Mathematiker" beschreibt H.
D i ng l e r (1931): Bewut konnte der Menge der Forscher
der bereits stillschweigend eingetretene Zustand erst wer-
den, als jemand eine Erklrung dadurch zu erreichen ver-
suchte, indem er eine jener Voraussetzungen aller exak-
ten Wissenschaften... aufgab, die bewut oder unbewut
seit dem Entstehen der rationalen Wissenschaften bei den
Griechen zu den unerschtterlichen Grundwahrheiten ge-
hrt hatten. Der Mann, der dies zum ersten Male in sy-
stematischer Weise getan hat, war wohl unstreitig Albert
E i ns te i n . "
Doch mssen wir festhalten, da Einstein die Entwick-
lung seiner Theorie nicht allein bestimmt hat. Er wurde
von der Strmung mit fortgerissen. Er verstand es nur,
sein Boot geschickt durch alle Fhrnisse zu steuern. Dem
berwiegenden Teil seiner Anhnger, darin zurck, ms-
sen wir den vollen Einblick in die Untiefen der erlernten
Theorie kaum zubilligen. Der ungeheure Aufwand fr den
relativistischen Denksport, auf ein sinnvolles Problem an-
gewandt, htte die Wissenschaft um ein gutes Stck fr-
dern knnen.
Der erste Erfolg meines Antirelativus" war minimal. Die
Zeit nach dem letzten Krieg war keineswegs geistig frucht-
bar. Man erfand zur Entschuldigung das Schlagwort von der
verlorenen Generation. Es sollte nur alles wieder so gut
werden, wie es vorher gewesen war. Ein an hchster Stel-
le beamteter Hochschulprofessor erklrte mir: Was erwar-
ten Sie sich schon davon? Wird eben eine Theorie durch
eine andere ersetzt." Man war mit sich zufrieden.
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Ganz anders nach dem ersten Weltkrieg. Die revolutio-
nren Anstze der Vorkriegsjahre wurden mit vollem Eifer
aufgegriffen und in dem hektischen Getriebe der Nach-
kriegsjahre emporgewirbelt: je verrckter, desto besser. Die
physikalische Theorie folgt willig dieser Parole; sie ist nicht
mehr rationale Wissenschaft, sondern science fiction, wis-
senschaftliche Fabel. Schon Cotes , der Herausgeber der
Mathematischen Principien" Newtons, schreibt: Diejeni-
gen, welche ihre Spekulationen auf Hypothesen grnden,
werden, wenn sie danach auch aufs strengste nach mechani-
schen Gesetzen fortschreiten, eine Fabel, vielleicht eine ele-
gante und schne, jedoch nur eine Fabel aufbauen." Den
Anfang nahm diese Entwicklung bei Clark Maxwell.
Im Sinne der alten Pythagorer wohnt der mathemati-
schen Formel schon von Natur aus gttliche Wahrheit
inne. Eine rationale Prfung der physikalischen Gege-
benheiten, eine kritische Untersuchung des angewandten
Rechnungsganges, eine vernnftige Beurteilung paradoxer
Rechenergebnisse ist anmaende Einmischung von Dilet-
tanten. Die allmchtigen Formeln, die der gebte Rechen-
stift hervorzaubert, haben magische Gewalt, sie vern-
dern das Gefge des Weltalls, Raum-Zeit, Masse und
Energie. Der magisch wirkende, rational nicht durchdachte
mathematische Algorithmus gengt; ein Verstndnis der
errechneten Naturvorgnge zu fordern, wre barbarisch.
Hier soll nicht nher auf die Bedeutung der Mathema-
tik in der Physik eingegangen werden; ich habe diese Pro-
blematik eingehend in meiner Rationalen Physik" behan-
delt. Die Tendenz zum Magischen, die dem mathematischen
Algorithmus innewohnt, hat schon E. Mach in seiner Me-
chanik" gekennzeichnet. Diese Entwicklung beschrnkt sich
nicht nur auf die Relativittstheorie. Die moderne Theorie
insgesamt hat sich in diesen ausweglosen Mathematismus
verrannt. Die paradoxen Ergebnisse, die Widersprche zur
allgemeinen Naturgesetzlichkeit, die Widersprche zu jedem
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normalen menschlichen Denken berhaupt sollen durch
den ewig wiederholten Hinweis auf die exakte Methode
der Mathematik und auf die angebliche Beschrnkung auf
Tatsachen" berdeckt werden. Die Folge ist mythisch-
magische Willkrlichkeit. Es ist ganz offenkundig, da
mit jener Wende wieder Prinzipien der Zugang in die Welt
ermglicht wird, die der Cartesianismus und der Mecha-
nizismus (als Versuche einer rationalen Naturerklrnng)
aus ihr ein fr allemal entfernt sehen wollten, nmlich
spirituellen Bewegern, feinen Geistern, dem .freien Willen'
(nicht im Sinne Kants!): je mehr sich die Physik von der
Naturphilosophie abschliet, je mehr sie sich auf ,reine
Tatsachen' beschrnkt, desto grere Freiheit lt sie den
Obskurantisten... Das ist... der Irrtum des Positivismus: er
beseitigt nicht die Metaphysik. Er schwcht nur das gute
und kritische Philosophieren und ermuntert die zgellose
Spekulation, die nun auf ihrem Gebiet nicht mehr der ge-
ringsten Einschrnkung unterliegt." So schreibt Feyer-
abend an der schon angefhrten Stelle.
Die Relativittstheorie ist von Mathematikern am
Schreibtisch erfunden worden, die den Sinn fr die Natur
vllig verloren haben oder niemals ernstlich mit der Na-
tur in ihrer universellen Bedeutung in Berhrung gekom-
men sind." schreibt Wilhelm M l l e r (SapperII. 1962). Und
weiter: Die Rcksichtnahme auf die wahre Natur der
Dinge hrt... in der Relativittstheorie vollkommen auf.
Der mathematische Formalismus pfuscht geradezu ber
alle Qualitten und Qualittsgrenzen skrupellos hinweg und
verwandelt das wirkliche physikalische Problem in ein
Scheinproblem, das mit physikalischen Fragen berhaupt
nichts mehr zu schaffen hat." Wesentliche Voraussetzung
fr diese Fehlentwicklung war die strenge Trennung der
Wissenschaften in den Fakultten. Es ist erst durch diese
Absperrungstaktik mglich geworden, da die Physiker, wie
in einer Festung eingeschlossen und unkontrolliert von den
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anderen Fakultten, ihr dogmatisches Gebude aufrichten
und eine eigene Formelsprache erfinden konnten, die durch
ihre magische Fremdheit und ihre khnen Folgerungen
imponierte." VV. Mller war zuletzt Professor fr theoreti-
sche Physik an der Universitt in Mnchen.
Wer sich nher fr die Kritik der Einsteinschen Theo-
rien interessiert, sei auf die Literaturhinweise am Schlu
des Buches verwiesen.
Die historische Entwicklung
Die Relativittstheorie entstand aus dem Problem der
Lichtbewegung. Die Frage, was denn das Licht sei, wur-
de schon im Altertum vielfltig errtert. ber das Sehen
ist von E m p e d o k l e s ein Fragment berliefert: Denn
durch die Erde schauen wir die Erde, durch Wasser das
Wasser, ther durch den gttlichen ther, aber durch
Feuer das vernichtende Feuer; die Liebe ferner durch un-
sere Liebe und den Ha durch unseren vernichtenden Ha."
Empedokles ist ein etwas eigenartiger Denker. Schon
wenige Jahrzehnte spter bringt P l a ton in seinem Dialog
Timaios eine ausfhrliche Darstellung der py thagor i-
schen Lehre vom Sehen: Unter den Sinneswerkzeugen
bildeten sie (die Gtter) zuerst die lichtvollen Augen, die
sie aus folgendem Grunde hier befestigten. Soviel von dem
Feuer die Eigenschaft des Brennens nicht besitzt, wohl aber
die Erzeugung des milden Lichtes, davon bewirkten sie,
da es der eigentmliche Krper jeden Tages wurde. Sie
machten nmlich, da das in uns befindliche, diesem ver-
wandte unvermischte Feuer durch die Augen hervorstr-
me, und gltteten und verdichteten den ganzen Augapfel,
vorzglich aber dessen Milte, damit er dem brigen, gre-
ren Feuer durchaus den Durchgang wehre und nur dem
reinen luternd ihn gestatte. Umgibt nun des Tages Helle
das den Augen Entstrmende, dann vereinigt sich dem
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hnlichen das hervorstrmende hnliche und bildet in der
geraden Richtung der Sehkraft aus Verwandtem da ein
Ganzes, wo das von innen Herausdringende dem sich ent-
gegenstellt, was von auen her mit ihm zusammentrifft."
Licht von innen und Licht von auen bilden, wie die Werk-
stcke des Handwerkers in Harmonie" zusammengefgt,
ein sinnvolles Ganzes. Geblieben ist von dieser schnen
Vorstellung die primitive Lehre von den Sehstrahlen, die
die Dinge betasten.
Neben der pythagorischen Harmonie finden wir in die-
ser Formulierung auch den Einflu der S o p h i s t e n , deren
Hauptstreben es war, alles in der Welt, Menschen und Din-
ge, mit allem in Verbindung, in Relation zu bringen, zu re-
lativieren". Diese Bewegung geht auf He r ak l e i t o s zurck.
Doch sehr wesentlich ist auch der Einflu der Schule von
Elea, die vergeblich versucht hatte, das absolute Eine, das
unvernderliche Sein rational zu erfassen. Menschlichem
Geist ist dies versagt. Der ehrwrdige Vater dieser Schule,
P a rmen i d e s , blieb jedoch nicht resignierend bei dieser
Feststellung stehen; nur der beschrnkte Geist erfreut
sich am Paradoxen. In Piatons Dialog Parmenides zeigt
der groe Meister selbst (freilich von Piatons absolutem
Idealismus entstellt) in breiter Darstellung den Weg vom
Einen zum Vielen, vom Sein zum Werden. Aus dem na-
turwissenschaftlichen Interesse der pythagorischen Schule,
dem Sein und Werden der Eleaten, dem Relationismus der
Sophisten folgt jene Stelle ber das Sehen in dem spten
Dialog Piatons Theaitetos. Hier vertritt Sokrates den Satz
des P ro tagoras , des Hauptes der Sophisten: Der Mensch
ist das Ma aller Dinge, der seienden, da sie sind, der nicht-
seienden, da sie nicht sind." Dies auf die Sinneswahrneh-
mungen angewandt erklrt Sokrates: Folgen wir nun dem
eben vorgetragenen Satz, indem wir nichts an und fr sich
als ein Eins seiend setzen, (sondern alles mit allem in Re-
lation,) und es wird uns deutlich werden, da Schwarz
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und Wei und jede andere Farbe aus dem Zusammensten
der Augen mit der zu ihr gehrigen Bewegung entstanden
ist, und wovon wir jedesmal sagen, es sei Farbe, das wird
weder das Anstoende sein noch das Angestoene, sondern
etwas dazwischen fr jeden besonders Entstandenes."
Das Sehen ist nicht im Auge, auch nicht in den Dingen,
sondern zwischen den beiden, die Verbindung, die Relation,
die Aktion, das Geschehen zwischen dem Lichthalten des
Auges und dem Lichthaften des Dinges. Dieser Gedanke
auf das Licht bertragen bietet den Ausweg aus dem un-
fruchtbaren Dualismus der modernen Theorie: Das Licht ist
weder ein Ding, ein Photon, noch die Eigenschaft oder Be-
wegung eines Dinges: Schwingung eines thers oder Fel-
des. Das Licht ist nicht Substanz, noch Eigenschaft einer
Substanz. Das Licht ist ein Teil der physikalischen Rela-
tion zwischen Lichtquelle und Lichtempfnger, das, was
die Inder als Karma bezeichnen, die Aktion zwischen den
wirkenden Krpern, zwischen leuchtendem und beleuch-
tetem Krper; aber das Licht selbst ist kein Krper. Die-
se Wirkung ist der Zeit nach abhngig von der rumlichen
Entfernung der beiden aufeinander wirkenden Krper ge-
m der Relation t = r/c, Zeit gleich Entfernung durch
Lichtgeschwindigkeit. In der Betonung der physikalischen
Bedeutung von Raum und Zeit liegt ohne Zweifel ein Ver-
dienst der modernen Theorie. Einstein beachtete offen-
sichtlich die Wirklichkeit von Raum und Zeit, aber er ber-
sah die Wirklichkeit der Materie" (0. Luther 1966). Doch
kehren wir zurck zur historischen Entwicklung.
Im Sinne der modernen Physik trat die Frage nach der
Lichtbewegung erst im 17. Jahrhundert in ein entschei-
dendes Stadium. Es ist interessant zu sehen, wie die groen
Physiker der Neuzeit die schon von den Griechen heraus-
gearbeiteten Probleme wieder aufnahmen. Die Erfindung
des Fernrohres in Holland und durch Galilei mit den fol-
genden Entdeckungen am Himmel gab dem Studium der
16
-
Lichterscheinungen einen gewaltigen Auftrieb. Zwei einander
widerstrebende Richtungen hatten sich herausgebildet. Die
eine Richtung vertrat die Anschauung, da von den Din-
gen eine feine materielle Emanation ausgeht, die im Auge
den Eindruck des Gesehenen hervorruft. Die andere Rich-
tung versuchte das Sehen in Analogie zum Hren zu erkl-
ren. Da sich der Schall als Schwingung in der Luft fort-
pflanzt, hatte, nicht ohne Vorgnger, schon Vitruvius Pollio
zu Beginn unserer Zeitrechnung gelehrt. Diese Situation
gibt uns Isaac Ba r r ow , der Lehrer und Freund Newtons,
in seinen Vorlesungen treffend wieder: Die Physiker strei-
ten ber die Natur des Lichtes viel herum; die einen hal-
ten das Licht fr eine gewisse krperliche Substanz, die
anderen fr eine Eigenschaft oder Bewegung. Man streitet
ber die Herkunft des Lichtes, darber, ob es durch ein
Medium ununterbrochen durchgeht oder sich durch Impul-
se verbreitet und sich dabei selbst vervielfacht... Es ist
mir nicht gelungen, die verborgenen Eigenschaften des
Lichtes zu verstehen, und die weisesten Philosophen haben
nicht begriffen, durch welche Methoden sich das Licht ver-
mehrt, was sein Wesen ist und wie es Kraft an den Tag
legen kann. Beide Vorstellungen vom Licht stoen auf glei-
che Schwierigkeiten. Darum neige ich der Meinung zu, da
das Licht durch beide Bewegungsarten entstehen kann, so-
wohl durch krperliche Ausstrmung, wie auch durch kr-
perliche Impulse. Vielleicht ist es richtiger, gewisse Ttig-
keiten dem einen, andere aber dem anderen zuzuschrei-
ben." Eine sehr moderne dualistische Auffassung. Jedenfalls
aber ist es ein Irrtum, wenn wir heute meinen, die Ema-
nationstheorie habe das Licht grob-materiell erklrt, die
Schwingungstheorie aber fein-therisch. Beide Theorien wa-
ren durchaus im Geist der Mechanik und aus mechanischen
Analogien entstanden. Sowohl die Lichtemanation wie auch
der Lichtther waren materielle Krper, allerdings noch viel
feiner als Luft, die man weder sehen noch wgen konnte.
17
-
Fr beide Theorien hatte man gewisse Beweise. Fr die
Emanationstheorie sprach vor allem die geradlinige Aus-
breitung des Lichtes. Denn der Schall, der unzweifelhaft
eine Wellenbewegung ist, breitet sich, ebenso wie Wasser-
wellen, nach allen Seiten aus, auch um Ecken herum. Die
Reflexion des Lichtes konnte man nach den mechanischen
Gesetzen des elastischen Stoes erklren. Fr die Wellen-
theorie sprachen etwa die Newtonschen Farbringe. Wenn
man eine konvexe Linse auf eine ebene Glasflche legt,
so entstehen konzentrische Farbringe, die Wasserwellen
verblffend hnlich sehen. Aber die Analogie zu Schall-
oder Wasserwellen war noch eine rein uerliche. Fast alle
Erscheinungen, die wir heute als Beweise fr die Wellen-
natur des Lichtes anfhren, waren den Physikern des 17.
Jahrhunderts schon bekannt. G r i m a l d i und unabhngig
von ihm Hooke hatten die Beugung des Lichtes an einer
Kante beschrieben. In seiner Mikrographia (1665) gibt Hooke
auch eine ausfhrliche Darstellung der Farben dnner Bltt-
chen, die durch Interferenz entstehen. Nur die Berechnung
der Doppelbrechung beim islndischen Kalkspat durch
H u y g e n s auf Grund der Wellentheorie konnte man als
direkten Beweis fr diese anfhren. Sonst hatte man nur
qualitative Vergleiche in Hnden. Obwohl Newton bereits
das Fortschreiten einer Welle in einem elastischen Medium
mathematisch untersucht hatte, wurde doch erst hundert
Jahre spter, durch Y o u n g und F resne l , die Bewegung
des Lichtes, die Reflexion, Beugung und Interferenz ma-
thematisch behandelt, so exakt als eben mglich.
Die Behauptung, Newton sei der Erfinder der Emanati-
onstheorie des Lichtes, hren wir immer wieder, so unsin-
nig dies auch ist. Schon im Altertum hlt man das Licht
fr eine materielle Ausstrmung. Ga l i l e i spricht von Licht-
atomen. Newton selbst wurde zu der Annahme, da das
Licht eine gewisse Substanz sei, vor allem durch seine
Erkenntnis gedrngt, da die Farbigkeit eine Eigenschaft
18
-
des Lichtes selbst ist und nicht durch irgendwelche St-
rungen im Prisma oder in den Linsen entsteht. So nahm
Ilooke an, da die Farben durch den Winkel zwischen Licht-
welle und Ausbreitungsrichtung dieser Welle gegeben sei.
Demgegenber sagt Newton in seiner Denkschrift an die
Royal Society Neue Theorie des Lichtes und der Farben"
(1672): Geradeso wie Lichtstrahlen sich nach Graden der
Brechbarkeit unterscheiden, so unterscheiden sie sich in
der Fhigkeit, diese oder jene besondere Farbe zu zeigen.
Die Farben sind nicht, wie allgemein geglaubt wird, Mo-
difikationen des Lichtes, sondern ursprngliche und ange-
borene Eigenschaften. Einige Strahlen sind befhigt, die
rote Farbe zu zeigen und keine andere, einige die gelbe
und keine andere, einige die grne und keine andere usw.."
Er schliet dann: Da wir nun den Grund der Farben nicht
in den Krpern, sondern im Licht gefunden haben, so haben
wir guten Grund, dieses als Substanz zu bezeichnen... Aber
mehr absolut und eingehender zu bestimmen, was das Licht
ist, auf welche Weise es gebrochen wird und auf welche
Art, oder durch welche Aktion es in unserem Geist die
Einbildung der Farben hervorbringt, das ist nicht so leicht.
Und ich will nicht Vermutungen mit Gewiheit vermischen."
Diese Substanzialitt des Lichtes Substanz" als Tr-
ger von Eigenschaften verstanden war in der Folge Ge-
genstand heftigster Angriffe von Newtons Zeitgenossen.
Vor allem Hooke wandte sich scharf gegen ihn. Gegen die-
se Kritik schlgt Newton, wie es schon Barrow tat, einen
Kompromi vor: Es ist wahr, da ich aus meiner Theo-
rie auf die Krperlichkeit des Lichtes schliee; aber ich
tue dies ohne eine absolute Bestimmtheit und gebe es hch-
stens als eine sehr plausible Folgerung meiner Doktrin um!
nicht als eine fundamentale Annahme... Wenn wir anneh-
men, da die Lichtquellen aus kleinen Krpern bestehen,
die von der leuchtenden Substanz nach allen Seiten ausge-
sandt werden, so mssen diese, wenn sie auf irgendwelche
19
-
brechende oder reflektierende Oberflchen treffen, so not-
wendig Schwingungen im ther erzeugen, wie ein Stein
im Wasser, wenn er in dieses geworfen wird." Newton
halte vor allein einen Einwand gegen Hooke: Wie er frei-
lich die Wellentheorie in anderen Schwierigkeiten vertei-
digen will, das wei ich nicht. Mir scheint seine funda-
mentale Annahme selbst unmglich, nmlich da die Wel-
len oder Schwingungen irgendeiner Flssigkeit in geraden
Linien fortgepflanzt werden, ohne immerwhrend nach al-
len Richtungen in das ruhende Medium, durch das sie be-
grenzt werden, einzubiegen und sich darin auszubreiten.
Ich mte mich sehr irren, wenn da nicht Experiment und
Demonstration beide zum Gegenteil fhrten."
Wir lesen immer wieder, die Autoritt Newtons habe die
Entwicklung der Lichttheorie fr Jahrhunderte aufgehalten;
es waren die Grnde, die er gegen die Wellentheorie anfh-
ren konnte. Von allen seinen Zeitgenossen erkannte gerade
Newton am klarsten die Vorzge der Wellenhypothese, vor
allem den Zusammenhang zwischen Tiefe und Dicke" der
Welle, zwischen der Wellenlnge, wie wir heute sagen und
der Farbe des Lichtes. Der Begriff der Interferenz, da
Licht zu Licht gefgt unter Umstnden, bei entsprechen-
der Phasendifferenz, Dunkelheit ergibt, war sowohl den
Anhngern der Wellentheorie wie auch Newton noch un-
bekannt. Aber wieder war es Newton, der bei der Erkl-
rung der partiellen Reflexion auf den Einflu der Schwin-
gungsphasen hinwies: Um zu erklren, warum von den
Strahlen, die auf dieselbe durchsichtige Oberflche fallen,
immer einige zurckgeworfen, andere aber durchgelassen
werden, nehmen wir an, da bei der Wechselwirkung zwi-
schen ther und Licht der ther in den Krpern durch
die Lichtstrahlen in Schwingung versetzt wird. Durch die-
se Schwingungen wird der ther abwechselnd zusammen-
gepret und ausgedehnt. Die Lichtstrahlen nun, die auf
den komprimierten ther treffen, werden augenscheinlich
20
-
zurckgeworfen, whrend die Strahlen, die auf den ver-
dnnten Teil, auf das Intervall zwischen zwei Schwingun-
gen treffen, durchgelassen werden.
Denselben Gedanken finden wir bei den Farben dnner
Blttchen: Jeder Lichtstrahl erlangt in seinem Durchgang
durch eine brechende Flche eine gewisse Eigenschaft oder
Disposition, welche im weiteren Verlauf des Strahles in
gleichen Intervallen wiederkehrt und ihn bei jeder Wie-
derkehr befhigt, durch die nchste brechende Flche leicht
durchgelassen zu werden und zwischen jeder Wiederkehr
leicht reflektiert zu werden... Ich untersuche hier nicht,
worin dieses Verhalten besteht, ob in einer kreisfrmigen
oder einer schwingenden Bewegung des Strahles oder des
Mediums oder worin sonst." Auch den Gedanken der Po-
larisation spricht Newton bei der Erklrung der Doppelbre-
chung aus: Besitzen nicht die Lichtstrahlen verschiedene
Seiten mit verschiedenen ursprnglichen Eigenschaften?"
Die Beugung des Lichtes war fr Newton eine groe
Schwierigkeit. Die erste seiner Fragen, mit welchen er sein
groes Werk, die Optik", abschliet, lautet: Wirken die
Krper nicht schon in einiger Entfernung auf das Licht ein,
indem sie die Lichtstrahlen beugen? Und wird nicht diese
Einwirkung unter sonst gleichen Umstnden umso strker
sein, je geringer die Entfernung ist?" Diese Frage wurde
durch die Ablenkung des Lichtes am Sonnenrand (nach
Einstein: im Schwerefeld der Sonne) wieder hchst aktuell.
Aber auch fr die Wellentheoretiker war die Beugung
ein ungelstes Problem. Gerade H u y g e n s versuchte zu
beweisen, da es nach der Wellentheorie keine Beugung
geben knne. Erst durch die Arbeiten F resne l s (1788-
1827) wurde die mechanische Theorie der Wellenausbrei-
tung in einem elastischen Medium so weit ausgebaut, da
sich Beugung und Interferenz als Folgen der Theorie er-
gaben. Mit zwei schwach gegeneinander geneigten Spie-
geln konnte er zeigen, da das Licht des einen Spiegels
21
-
durch das Licht des anderen Spiegels streifenweise aus-
gelscht wird. Diese Interferenzerscheinungen schienen
nur durch die Wellentheorie erklrbar. Fresnel konnte
vor allein auch mathematisch die Mglichkeit gerader und
scharf begrenzter Wellenstrahlen nachweisen. Neben Fres-
nel waren es insbesondere Y o u n g und F r aunho f e r ,
die diese Entwicklung frderten. Die wellentheoretische
Erklrung der Beugung und Interferenz, der geradlinigen
Lichtausbreitung, der Polarisation brachte, so schien es,
den endgltigen Sieg der Wellentheorie ber die Emissi-
onstheorie. Die Anhnger der Emissionstheorie starben all-
mhlich aus, wenn auch bis in die Mitte des 19. Jahrhun-
derts namhafte Physiker wie z.B. B iot und L ap l a c e fr
die Lichtemission eintraten. Biot wies auch nach, da die
Interferenz kein zwingender Beweis fr die Wellentheo-
rie des Lichtes ist.
Einen vlligen Umschwung erfuhr die Lichttheorie durch
James Clark Maxwe l l (1831 -1879), der Magnetismus,
Elektrizitt und Licht in seiner elektromagnetischen Licht-
theorie zu einer Einheit zusammenfate. Oers ted hatte
1820 den ersten Zusammenhang zwischen Elektrizitt
und Magnetismus beobachtet: Eine Kompanadel wird
durch einen elektrischen Strom abgelenkt. Diese einfache
Beobachtung wurde dann durch Fa r aday (1791-1867) in
einer Reihe glnzender Experimente ausgebaut. Faraday
ging dabei von der Vorstellung aus, da die elektrischen
und magnetischen Wirkungen sich in Kraftlinien durch
den Raum ausbreiten. Diese Nahwirkungstheorie und die
Tatsache, da die Lichtgeschwindigkeit c der Umrechnungs-
faktor zwischen elektrostatischen und elektromagnetischen
Einheiten ist, wie W e b e r und K o h l r a u s c h schon expe-
rimentell nachgewiesen hatten, waren fr Maxwell der An-
sto, das Licht als eine elektromagnetische Erscheinung
anzusehen. Mathematisch behandelte er die elektromagne-
tischen Schwingungen als mechanische Schwingungen in
22
-
einer inkompressiblen Flssigkeit, ganz im Sinne der da-
maligen klassischen Mechanik.
Nicht zu bersehen ist, neben den physikalischen Vor-
aussetzungen, den Forschungen Fresnels und Faradays,
der Fortschritt der mathematischen Technik. Erst die Vek-
toranalysis und die Quaternionen Hamiltons lieferten den
mathematischen Formalismus, der Maxwell die elegante
Form seiner Gleichungen ermglichte, die wesentlich zum
Sieg ber die Webersche Theorie beitrug. Damit war aber
die physikalische Theorie auf ein totes Geleise geraten,
da man nunmehr das Krftepaar Elektrizitt-Magnetismus
uns als Alternative dem mechanischen Krftepaar Zug -
Druck gegenberstellte. Dadurch war der Weg zu einer
alle Energieformen gleichwertig umfassenden Theorie ver-
baut. Der neuentdeckte mathematische Formalismus ge-
stattete nur die Berechnung einer elektro-magnetischen
Zweikrftewelt (Zug und Druck), dies allerdings in sehr
bequemer und eleganter Form. Fr die technische Wirt-
schaft ein unbezahlbarer Vorteil. Die Theorie aber endete
notwendig bei einer physikalisch verstmmelten vierdi-
mensionalen Raum-Zeitwelt.
Ein wichtiger Fortschritt der neuen Theorie lag vor
allem darin, da allmhlich an die Stelle des alten ela-
stischen, feinmateriellen Weltthers, in dem sich mecha-
nische Wellen fortpflanzen, ein Lichtther trat, der elek-
tro-magnetische Schwingungen vollfhrt. Damit war eine
der Hauptschwierigkeiten der Wellentheorie behoben. Der
alte Fresnelsche ther sollte einerseits auerordentlich
elastisch, anderseits uerst fein verteilt sein. Diese For-
derungen widersprachen allen sonstigen Erfahrungen in
der Mechanik, denn Krper sind umso elastischer, je dich-
ter und fester sie sind. Dem neuen elektro-magnetischen
Lichtther konnte man dagegen jede beliebige Fhigkeit
zuschreiben, da es nichts Analoges in der Erfahrung gab.
Die elektro-magnetischen Wellen waren zunchst Hypothese.
23
-
Erst durch die genialen Versuche von Heinrich Her tz
(1888) wurde die Maxwellsche Theorie, vor allem die Zu-
sammengehrigkeit von Licht und elektromagnetischen
Wellen, hervorragend besttigt. Hertz konnte elektromag-
netische Wellen reflektieren, brechen, beugen und auch
Polarisation nachweisen. Die Huygenssche Wellentheorie
hatte in etwas abgenderter Form, aber dafr bedeutend
erweitert, einen glnzenden Sieg errungen.
Der Michelsonversuch
Die geradezu souverne Beherrschung der elektromag-
netischen Erscheinungen durch die Maxwellschen Gleichun-
gen ergab naturgem die Mglichkeit, Fragen, die man
bis dahin nur rein spekulativ errtern konnte, exakt zu
untersuchen. Aber nicht allein die Theorie und die mathe-
matische Technik wurde in den letzten zweihundert Jah-
ren gewaltig entwickelt. Gewi hatten schon Galilei, Hooke,
Newton messend experimentiert. Die Genauigkeit der Mes-
sungen war jedoch durch die fortschreitende technische
Vervollkommnung der Meinstrumente und durch neue
Memethoden unvergleichlich erhht worden. Die Maxwell-
sche Theorie gab den Ansto, auch die Frage der Lichtge-
schwindigkeit wiederum genauestens zu berprfen. Schon
der Araber Al Hasan im 11. Jahrhundert hatte vermutet,
da das Licht eine gewisse Zeit bentigt, wenn es sich
durch den Raum bewegt. Dies war aber nur Vermutung,
so wie wir heute annehmen, da sich auch die Gravitati-
on mit endlicher Geschwindigkeit durch den Raum fort-
pflanzt. Man hatte versucht, die Lichtgeschwindigkeit durch
Abdecken von Laternen und Zuruf festzustellen. Aber erst
im Jahre 1675 konnte Olaf Roeme r aus den Durchgn-
gen der Jupitermonde eine endliche Lichtgeschwindigkeit
nachweisen und auch berechnen. 1728 folgte B rad l ey mit
seiner Berechnung aus der astronomischen Aberration. Im
24
-
19. Jahrhundert wurde dann mehrfach, zuerst von Fo-
caul t und von F i zeau , die Lichtgeschwindigkeit mit Hilfe
sinnreicher Maschinen auf der Erde gemessen.
Maxwe l l erkannte zuerst, da sich das Licht auf der
Erde nicht nach allen Seiten gleich schnell ausbreiten kn-
ne. Nach der Wellentheorie bewegt sich das Licht in einem
Medium als fortschreitende Strung weiter. Ob wir dabei
an den mechanisch-elastischen ther denken oder an den
elektromagnetischen ther, wie er sich aus der Maxwell-
schen Theorie nach und nach herausgebildet hat, ist fr
unsere berlegungen ohne Belang. Jedenfalls knnen wir
annehmen, da dieses Medium nach allen Seiten durchaus
homogen ist. Daraus folgt notwendig, da irgendein Licht-
impuls, der von einem Erregungszentrum ausgeht, sich
als Strungswelle nach allen Seiten gleich schnell ausbrei-
tet. Wir haben keinerlei Anla anzunehmen, da irgendeine
Richtung bevorzugt sein soll, da sich das Licht etwa nach
der einen Seite schneller, nach der anderen aber langsa-
mer ausbreitet. Dies gilt jedoch nur dann, wenn das Erre-
gungszentrum selbst im Medium ruht. Erzeugen wir in ru-
hendem Wasser mit einem Stab Wellen, so entstehen kon-
zentrische Wellenkreise. Der Stab befindet sich immer im
Mittelpunkt dieser Kreise. Wiederholen wir aber denselben
Versuch in einem ruhig flieenden Wasser, so wird die
eine Seite der erzeugten Kreiswellen von der Strmung
gegen das Erregungszentrum mitgenommen, der andere
Teil wird von der Strmung vom Stab weggetragen. Die
Wellenkreise werden zu Ellipsen verzerrt.
Ganz die gleichen Verhltnisse haben wir beim Schall.
Der Schall wird vom Wind mitgefhrt. Dadurch wird die
Schallgeschwindigkeit gegen den Wind kleiner, mit dem
Wind aber grer. Gegen den Wind legt der Schall in der
Sekunde eine kleinere Strecke zurck, mit dem Wind aber
eine grere Strecke als bei ruhender Luft. Aus dem
Wellenkreis wird im bewegten Wasser eine Wellenellipse,
25
-
aus der Wellenkugel beim Schall ein Wellenellipsoid. Das
gleiche mu auch fr Wellen im Lichtther gelten.
Jede Bewegung ist relativ. Dieselben Erscheinungen, die
wir bei unserem Versuch in flieendem Wasser beobach-
ten konnten, mssen wir auch dann erhalten, wenn wir
statt des Wassers den Stock weiter bewegen. Dieser Fall
ist nun, nach Maxwells Theorie, beim Licht auf unserer
Erde gegeben. Die Erde ruht nicht im Schwingungsmedi-
um des Lichts, im ther. Die Erde vollfhrt vielmehr eine
auerordentlich komplizierte Bewegung. Zur tglichen Ro-
tation um die eigene Achse kommt der jhrliche Kreislauf
um die Sonne mit einer Geschwindigkeit von 30 km in der
Sekunde. Die Sonne selbst bewegt sich mit allen Planeten
mit einer Geschwindigkeit von 20 km in der Sekunde gegen
das Sternbild des Herkules. Dazu kommt die Rotation des
ganzen Milchstraensystems usw.. Es ist kein Ende der
Bewegungen. Aber wie bewegt sich der Lichtther?
Sicher scheint jedenfalls, da der Weltlher, der das
ganze Weltall erfllt, nicht alle diese komplizierten Bewe-
gungen unseres winzigen Planeten mitmachen kann. Es mu
also, so schlo Maxwell mit gutem Recht, zwischen Licht-
ther und Erde irgendeine relative Bewegung bestehen.
Die Erde bewegt sich im Weltther. Anders ausgedrckt:
Bei unserer Reise durch das Weltall blst unserem Pla-
neten ein ordentlicher therwind um die Ohren. Dieser
therwind, oder die Bewegung der Erde im ther mte
sich aber nach der Wellentheorie feststellen lassen. Das
Licht wird durch die Bewegung des Mediums mitgefhrt.
Die Lichtgeschwindigkeit mte also gegen den therwind
kleiner, mit dem therwind aber grer sein als senkrecht
zur Richtung des therwindes. Betrachten wir wieder den
Weltther als ruhend, die Erde aber als bewegt, so mte
die Lichtgeschwindigkeit in der Richtung der Erdbewe-
gung kleiner sein als gegen die Richtung der Erdbewegung.
Im Verhltnis zu der ganz ungeheuren Geschwindigkeit
26
-
des Lichtes von 300000 km in der Sekunde war natrlich
ein Unterschied von plus oder minus 30 km/sec, wie er als
Folge der Erdbewegung um die Sonne zu erwarten war,
verschwindend klein. Die direkte Messung der Lichtge-
schwindigkeit war nicht imstande, die erforderliche Ge-
nauigkeit zu erreichen. Maxwell selbst erlebte die Ver-
wirklichung seiner berlegungen nicht mehr.
Zwei Jahre nach Maxwells Tod, im Jahre 1881, gelang
es M iche l son in Potsdam eine geeignete Apparatur auf-
zustellen. Albert Abraham Michelson (1852-1931), ein ganz
hervorragender Experimentator, hatte sich schon frher mit
der Messung der Lichtgeschwindigkeit befat. Er hatte dabei
ein Verfahren von F i zeau weiterentwickelt, bei dem die
Lichtgeschwindigkeit zwar nicht direkt gemessen wird, das
aber Vernderungen der Geschwindigkeit uerst genau re-
gistriert. Das Verfahren besteht darin, da ein Lichtstrahl
durch einen halbdurchlssigen Spiegel in zwei Teile zer-
legt wird. Die beiden Teile legen verschiedene Wege zu-
rck und werden schlielich durch Spiegel und Linsen
wieder vereinigt und auf einem Schirm aufgefangen. Auf
dem Schirm entstehen Interferenzstreifen. Jede kleinste
Vernderung im Lichtweg eines der beiden Strahlenteile
bewirkt sofort eine Verschiebung dieser Interferenzstrei-
fen. Natrlich verschieben sich auch die Interferenzstrei-
fen, wenn auf einem der beiden Strahlenwege die Licht-
geschwindigkeit verndert wird, etwa durch Einfgen von
Glas oder Wasserschichten. In dieser Weise hatte schon
1851 Fizeau die nderung der Lichtgeschwindigkeit in
bewegtem Wasser untersucht.
Die Michelsonsche Versuchsapparatur war durchaus ge-
eignet, auch weit kleinere Unterschiede in der Lichtge-
schwindigkeit festzustellen, als man sie auf der Erde in-
folge des therwindes erwarten konnte. Da die Eigenart
des Strahlenganges in der Michelsonschen Apparatur die
folgende Entwicklung entscheidend mitbestimmt hat, wollen
27
-
wir etwas nher darauf eingehen. Von einer Lichtquelle *
fllt ein Lichtstrahl unter 45 auf einen halbdurchlssigen
Spiegel HSp. Der eine Teil des Lichtstrahles wird senk-
recht zu seiner Einfallsrichtung abgelenkt, der andere
durchsetzt in gerader Linie den halbdurchlssigen Spiegel.
Beide Strahlenteile werden durch die Spiegel Spl und Sp2
in sich zurckgeworfen, so
da sie wieder auf den halb-
durchlssigen Spiegel treffen.
Dort werden sie durch ein
Linsensystem gesammelt. Da
beide Lichtwege niemals voll-
kommen gleich gemacht wer-
den knnen, ergeben sich auf
dem Beobachtungsschirm In-
terferenzstreifen Jnterf. von bestimmten Abstand.
Die ganze Versuchsapparatur bewegt sich der Vorstel-
lung Maxwells entsprechend mit der Erde irgendwie durch
den Weltther. Nehmen wir an, der eine Lichtstrahl laufe
zufllig gerade in der Richtung des therwindes. Dann
luft die zweite Strahlenhlfte senkrecht zum therwind.
Nun drehen wir das ganze Spiegelsystem: Die beiden Strah-
lenhlften vertauschen ihre Rollen. Die erste Strahlenhlfte
luft jetzt senkrecht zum therwind, die zweite Hlfte in
der Richtung des therwindes, bzw. in der Richtung der
Erdbewegung im ther. Wie schon gesagt kann aber nach
der Wellentheorie die Lichtgeschwindigkeit in der Richtung
des therwindes nicht gleich sein der Geschwindigkeit
senkrecht dazu. Am grten ist die Geschwindigkeit mit
dem therwind, am kleinsten dem therwind entgegen,
ganz wie beim Schall im Wind. Die Geschwindigkeit senk-
recht zum therwind liegt dazwischen.
Bei der Versuchsanordnung Michelsons wird jedoch, das
ist zu beachten, nicht die Lichtgeschwindigkeit in der Be-
wegungsrichtung des thers mit der Lichtgeschwindigkeit
28
-
gegen diese Richtung verglichen. Vielmehr durchlaufen
beide Strahlenteile ihre Bahn zweimal, hin und zurck.
Beim Strahlenteil, der senkrecht zum therwind luft, ist
die Lichtgeschwindigkeit auf beiden Wegteilen, sowohl hin
wie zurck, gleich gro. Bei der anderen Strahlenhlfte,
die in der Richtung des therwindes luft, sind die Ge-
schwindigkeiten auf dem Hinweg und auf dem Rckweg ver-
schieden. Die Berechnung ergibt, da die Mittelgeschwin-
digkeit etwas grer ist als die Geschwindigkeit des Licht-
strahles, der senkrecht zum therwind luft. Drehen wir
also die Versuchsapparatur um 90, so vertauschen die bei-
den Strahlenhlften ihre Geschwindigkeiten, und die im
Fernrohr beobachteten Interferenzstreifen mten sich ver-
schieben. Bei weiterer Drehung um 90u mte schlielich
das ursprngliche Interferenzstreifenbild wieder erscheinen.
Das Ergebnis des Versuches, den M i che l s on im Jahre
1881 ausfhrte, war jedoch negativ. Eine Verschiebung der
Interferenzstreifen konnte nicht beobachtet werden. Der
gleiche Versuch wurde in der Folge immer wieder und von
verschiedenen Physikern wiederholt. Das Ergebnis war
nicht immer vollkommen negativ. Doch diese Abweichungen
vom negativen Ergebnis wurden als Beobachtungsfehler
oder Mngel der Versuchsapparatur erklrt.
Die Lsungen des Michelsonschen Dilemmas
Durch das negative Ergebnis des Michelsonversuches war
die Physik in arge Schwierigkeiten geraten. Auf der einen
Seite standen die wohlbegriindeten Erwartungen, wie sie
sich aus der Wellentheorie des Lichtes zwingend ergaben.
Auf der anderen Seite stand die Beobachtung der Natur
im Michelsonversuch. Zunchst wurde naturgem das ne-
gative Ergebnis des Michelsonversuches berhaupt ange-
zweifelt. Durch Wiederholungen des Versuches wurden die-
se Zweifel ausgeschaltet. Dann tauchte die Annahme auf,
da der ther von der bewegten Erde milgenommen wird.
29
-
Dadurch wrde also die Michelsonsche Versuchsapparatur
in dem von der Erde mitgefhrten Lichtther ruhen. Diese
Annahme sollte durch die Wiederholung des Versuches auf
hohen Bergen berprft werden. Ein wenig berzeugen-
der Beweis. Die Erdatmosphre macht viele Kilometer hoch
die Erdrotation mit; warum sollte der ther auf einem
Berg hinter der Erde zurckbleiben?
Neben die physikalischen Erklrungsversuche traten bald
theoretisch-formale Lsungen. Im Jahre 1892 hatte Fitz-
gera l d die Hypothese aufgestellt, da alle materiellen
Krper durch den therwind etwas zusammengedrckt,
also verkrzt werden. H. A. Lo ren t z (1853-1928) bernahm
diese Hypothese in seiner Elektronentheorie. Durch diese
sogenannte Lorentzkontraktion wird beim Michelsonversuch
der Weg des einen Lichtstrahls, der in der Richtung des
therwindes luft, krzer, da der Abstand zwischen den
beiden Spiegeln kleiner geworden ist. Drehen wir den Ap-
parat um 90, so dehnt er sich in dieser Richtung wieder
aus, der Abstand der beiden Spiegel wird wieder grer.
Durch diese Verkrzung und Verlngerung der Spiegelab-
slnde wird aber die entgegengesetzte Verlngerung und
Verkrzung des Lichtweges, die sich nach der Wellen-
theorie durch den therwind ergibt, ausgeglichen. Die Lo-
rentzkontraktion drckt also alle materiellen Krper etwas
zusammen, so da sie in der Richtung, in der sie sich im
ther bewegen, etwas verkrzt werden. Senkrecht zu die-
ser Richtung bleiben sie unverndert. Aus der Lorentz-
kontraktion folgt notwendig das negative Ergebnis des
Michelson Versuches.
Man wirft der Hypothese von Fitzgerald und Lorentz
vor, da sie nur ad hoc, nur zur Lsung des Michelson-
schen Dilemmas erfunden wurde. Der Vorwurf ist unge-
recht. Ein groer Teil aller Theorien wurde nur zur Er-
klrung eines einzelnen Phnomens ersonnen. Da sich
diese Hypothesen dann auch auf andere Naturerscheinungen
30
-
anwenden lieen, ergab sich zumeist erst in der Folge. Ent-
scheidend erscheint mir dagegen der Einwand, da sich die
Lorentzkontraktion ihrer Natur nach nicht nachweisen lt.
In der Tat, hier ist die Theorie berfordert. Hypothesen wer-
den aufgestellt, um zu erklren, warum und auf welche Wei-
se irgendeine Erscheinung zustande kommt. Die Lorentz-
kontraktion soll aber begrnden, warum es etwas nicht gibt.
Offensichtlich eine schwierige und vieldeutige Aufgabe.
Schon 1908 hatte der Schweizer Physiker R i t z eine kor-
puskular-ballistische Theorie des Lichtes entwickelt, die
ebenfalls das negative Ergebnis des Michelsonversuches
erklrt. Nach Ritz wird die Lichtgeschwindigkeit nicht durch
den ther bestimmt, sondern durch die Lichtquelle, die
die Lichtstrahlen aussendet. Aber auch die entgegenge-
setzte Annahme, da die Lichtgeschwindigkeit nicht durch
die Lichtquelle, sondern durch den Lichtempfnger be-
stimmt wird, fhrt zum gleichen Ziel.
Der Gedanke, da sich das Licht nicht von der Licht-
quelle weg, sondern zum Lichtempfnger hin bewegt, ist
nicht so unnatrlich. Zuerst nahm man an, da im Stein
eine Kraft sitzt, die ihn zur Erde hin bewegt. Dann ver-
trat man die Auffassung, da die Erde den Stein anzieht.
Seit Newton wissen wir, da Stein und Erde sich gegen-
seitig anziehen. Beim Licht wird es nicht anders sein. Die
Gravitation ist auf den gemeinsamen Schwerpunkt der sich
anziehenden Massen zu beziehen. Den Bezugspunkt fr
die Lichtgeschwindigkeit haben wir noch nicht.
Seit der ersten Ausfhrung des Michelsonversuches sind
ber 85 Jahre vergangen. Die Relativittstheorie feierte
ihr 60jhriges Jubilum. Die bedeutensten Theoretiker
unserer Zeit haben sich mit diesen Problemen befat. Man
mchte tatschlich den Versicherungen des Fachmanns"
glauben, da dieses Gebiet vllig geklrt und abgeschlos-
sen sei. Doch immer noch werden neue Erklrungsmg-
lichkeiten des Michelsonversuches ersonnen und neue
31
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Widersinnigkeiten der relativistischen Fabel aufgedeckt.
Das Ergebnis des Michelsonversuches kann keineswegs
als klar und eindeutig bezeichnet werden.
Doch wenden wir uns der epochemachenden Erfindung
Einsteins zu. Fitzgerald und Lorentz vernderten zur Er-
klrung des Michelsonversuches die Lngen. Ritz versuch-
te die Lichtgeschwindigkeit zu ndern. Eine dritte Mg-
lichkeit, die W. Vo ig t schon 1887 bekannt gemacht hatte,
die Vernderung der Lngen und der Zeilen, wurde 18 Jah-
re spter die berhmte Einsteinsche Relativittstheorie".
Die Einsteinsche Relativittstheorie"
Die Relativittstheorie Albert E i n s t e i n s (1879-1955)
vom Jahre 1905 hat die Entwicklung der physikalischen
Theorie bis in die Gegenwart entscheidend mitbestimmt
weniger durch ihre Ergebnisse als vielmehr durch die
eigenartigen Methoden, die Einstein damit in die Physik
eingefhrt hatte. Es gibt eine Reihe von Darstellungen
dieser Theorie; die erste und bekanntetste ist wohl die von
L a u e . In gewissen Sinne typisch, sehr populr, aber nir-
gends auf die eigentliche Problematik eingehend: Die
Evolution der Physik" von Einstein-Infeld.
Die verschiedenen Autoren gehen verschiedene Wege.
Die lteren Darstellungen folgen durchwegs der historischen
Entwicklung. Sie gehen vom negativen Ergebnis des Mi-
chelsonversuches aus. Neuere Darstellungen, besonders in
der theoretischen Physik, stellen das Einsteinsche Postu-
lat von der absoluten Konstanz der Lichtgeschwindigkeit
an die Spitze und entwickeln dann den Maxwellschen
Elektromagnetismus so, da er diesem Postulat gengt.
Es ist klar, da eine kritische Untersuchung nur dem histo-
rischen Werdegang folgen kann. Nur so wird deutlich, was
organisch gewachsen, was Zufall und was Absicht ist. Vor
allein werden die Nahtstellen sichtbar, die oft nur allzu
zielstrebigen Sprnge von einem Gedanken zum anderen.
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-
Der unmittelbare Anla zur Aufstellung der Relativitts-
theorie wird verschieden angegeben. Wir hren, da Einstein
das klassische Relativittsprinzip auf die Erscheinungen
des Elektromagnetismus ausdehnen wollte. Diese Behaup-
tung ist ganz offensichtig sinnlos. Natrlich dachte Galilei
nur an eine mechanische Verschiebung materieller Krper.
Aber auch vor Einstein konnte niemand vernnftigerwei-
se erwarten, da es gelingen werde, mit Hilfe irgendwel-
cher elektromagnetischer Erscheinungen eine absolute Be-
wegung festzustellen. Selbst wenn es mglich wre, etwa
durch Messung der Lichtgeschwindigkeit, eine Bewegung
der Erde im Fresnelschen ther oder im Maxwellschen
Feld festzustellen, htte man damit keineswegs eine abso-
lute Bewegung gefunden. Die Feststellung einer solchen
Bewegung (relativ zum ther) kann natrlich auch durch
ein neues Einsteinsches Prinzip nicht ausgeschlossen wer-
den. Hingegen lehrt schon das Galileisehe Prinzip, da
wir eine solche Bewegung nicht als absolute Bewegung
bezeichnen drften. In meiner Rationalen Physik" und
auch in der Schrift Das Eine und das Werden, die Dia-
lektik der alten Griechen" habe ich dies breit ausgefhrt.
Das Relativittsprinzip ist keine Erfahrungstatsache, son-
dern eine logische Erkenntnis a priori. Bewegung ist schon
dem Begriff nach eine Relation, eine Beziehung zwischen
zumindest zwei Dingen, wie etwa schnell, links oder oben.
Es ist an sich sinnlos, von absolut schnell, absolut oben, ab-
solut bewegt zu sprechen. Die Worte: schnell, oben, be-
wegt knnen nur relativ, mit Beziehung auf ein anderes
Etwas sinnvoll verstanden werden. Aus all dem folgt, da
durch die Anwendung eines solchen Prinzips auf eine neue
Erscheinung kein neues Prinzip entstehen kann. Ebensowe-
nig wird dadurch das alte Prinzip irgendwie verndert oder
erweitert. Hier bleibt also nichts von Einsteins genialer Tat.
Tatschlich liegt der Ursprung der Relativittstheorie in
dem Einsteinschen Postulat von der absoluten Konstanz
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-
der Lichtgeschwindigkeit. Dieses Postulat widerspricht so-
wohl dem Galileischen wie auch einem Einsteinsehen Re-
lativittsprinzip. Hier verzichtet Einsteins Theorie auf jede
Relativitt und wird, jeder Erfahrung, jeder Vernunft zum
Trotz, vllig absolut.
Einstein geht, wie es zu dieser Zeit nicht anders sein
konnte, von der Hypothese Maxwells aus, da sich das
Licht im ther oder Weltfeld nach allen Seiten gleich
schnell, also kugelfrmig ausbreitet. Zu dieser Hypothese
kommt der Michelsonversuch, der beweist, da sich das
Licht auch auf der im ther bewegten Erde nach allen Sei-
ten gleich schnell, also ebenfalls kugelfrmig ausbreitet.
Physikalisch, und schon rein logisch sind diese beiden
Feststellungen unvereinbar. Als einzig vernnftiger Schlu
folgt daraus: Eine der beiden Behauptungen mu falsch
sein. Anders Einstein; er hlt in einmalig genialer Weise
unbedenklich das Unmgliche fr mglich. Das Licht brei-
tet sich sowohl im ther wie auf der im ther bewegten
Erde kugelfrmig aus. Die Lsung dieses schwierigen Pro-
blems hat allerdings nicht Einstein erfunden. Er fand sie
in den schon lange vorher von W. Voigt und von Lar-
mor aufgestellten Transformationsgleichungen, die Laue,
ein Schler Voigts, in jungen Jahren die Einsteinschen
Gleichungen" nannte. Wir wollen nicht unerwhnt lassen,
da die Prinzipien der Voigtschen Transformation schon
auf L a g r a n g e (t 1813), Chr. Dopp l e r (1842) und W.
W e b e r zurckgehen (J. Trumpp). Die Bezeichnung Lo-
rentztransformation" wurde 1906 von H. Po i nca re vor-
geschlagen. Aber auch die physikalische relativistische"
Ausdeutung dieser Formeln finden wir schon 1887 bei
Voigt und 1899 bei Poincare. Doch Voigt und die anderen
sahen klar die physikalische Irrealitt dieser mathematisch
so interessanten Entwicklungen.
Die entscheidende Wendung, die Fortlassung des ,Als
ob', brachte 1905 A. E i n s t e i n . Kraft einer vertieften
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-
Einsicht in das Wesen der Raum- und Zeitmessung..."
(Laue). Auf die vertiefte Einsicht" kommen wir zurck.
Hier wollen wir zunchst sehen, was die heute Lorentz-
transformation" genannten Gleichungen physikalisch be-
deuten. Das Licht breitet sich im ther als Kugelwelle
aus. Auf der Erde mu diese Kugel zum Wellenellipsoid
werden, zum Guillaumeschen Ellipsoid. Werden nun Ln-
gen und Zeiten nach der Lorentztransformation umgeformt,
so wird dieses Ellipsoid wieder zu einer Kugel verzerrt. Da-
mit ist das negative Ergebnis des Michelsonversuches er-
klrt. Die Lorentzkontraktion konnte nur das arithmetische
Mittel der Geschwindigkeit der einen Strahlenhlfte, die in
der Richtung des therwindes luft, gleich machen der Ge-
schwindigkeit der anderen Strahlenhlfte, die sich senk-
recht zum therwind bewegt. Die Lorentztransformation
dagegen macht alle vier Geschwindigkeiten einander gleich:
Die Geschwindigkeit des Lichtes mit dem therwind wird
gleich der Geschwindigkeit des Lichtes gegen den ther-
wind und zugleich auch gleich der Lichtgeschwindigkeit
senkrecht zum therwind. berdies sind alle diese drei
einander gleichgemachten Geschwindigkeiten dem Zahlwert
nach auch gleich der Lichtgeschwindigkeit im ther selbst.
Das Licht breitet sich also bei Anwendung der Umfor-
mung von Voigt sowohl im ther, wie auch auf der Erde
als Kugelwelle aus. Voigt sah in seinen Formeln eine in-
teressante mathematische Lsung eines physikalischen
Problems. Einstein dagegen erklrt diese fremde mathema-
tische Erfindung fr physikalische Wirklichkeit. Dies war
Einsteins einmalig geniale, weltumstrzende Leistung, wie
uns Laue, wenn auch sehr spt, besttigt.
Diesen khnen Schlu begrndet Einstein: Wenn sich
das Licht auf der Erde und zugleich auch im ther kugel-
frmig ausbreitet, dann wird es sich ohne Zweifel auch
auf anderen Sternen kugelfrmig ausbreiten. Die Lorentz-
transformation bewirkt die dazu ntigen Verzerrungen der
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Lngen und Zeiten. Einstein schliet also weiter, da sich
das Licht nicht nur auf der Erde, sondern berhaupt in
jedem beliebigen (unbeschleunigten) Bezugssystem als Wel-
lenkugel ausbreitet. Damit fllt aber jeder Anla weg, dem
Maxwellschen Weltthersystem irgendwelche besondere
Eigenschaften zuzuschreiben. Alle Bezugssysteme sind
gleichberechtigt, sofern sie sich nur mit gleichbleibender Ge-
schwindigkeit und geradlinig bewegen. Man kann natrlich
ein Bezugssystem, das keinerlei besondere Eigenschaften
aufweist, keinerlei besondere Wirkungen hervorruft, auch
nicht feststellen. Darauf folgt der Schlu, da es einen die
ganze Welt erfllenden ther, ein ruhendes, bevorzugtes
Maxwellsches Bezugssystem" nicht gibt. Wellther oder
Weltfeld lassen sich nicht feststellen, alle (unbeschleunig-
ten) Bezugssysteme sind gleichberechtigt. Der Weltther
wurde wieder einmal zu Grabe getragen.
Doch dieser Beweisgang Einsteins ist so denkwrdig,
da wir ihn hier noch einmal zusammenfassen wollen:
1. Es gibt einen ther (ein bevorzugtes Maxwellsches
Bezugssystem").
la. Die Lichtgeschwindigkeit in diesem ther ist gleich c.
Ib. Die Erde bewegt sich in diesem ther mit der Ge-
schwindigkeit v.
2. Die Lichtgeschwindigkeit auf der im ther bewegten
Erde ist nicht, wie nach Galilei erwartet, c + v, son-
dern wie im ther gleich c.
3. Wenn die Lichtgeschwindigkeit im ther und auf der
im ther bewegten Erde gleich c ist, dann mu sie
auch in allen anderen gegen den ther bewegten Sy-
stemen gleich c sein.
3a. Die Lichtgeschwindigkeit ist somit nicht nur im ther,
sondern auch auf der im ther bewegten Erde und
berhaupt in allen gleichfrmig (im ther) bewegten
Systemen gleich c. Die Lichtgeschwindigkeit ist ab-
solut" konstant. Dies ist Einsteins Postulat".
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Bis hierher wre es fr den Weisen genug. Doch Ein-
stein schliet weiter:
4. Der ther hat keinen Einflu auf die Lichtgeschwindig-
keit; er lt sich auch sonst in keiner Weise nachwei-
sen. Positivistischer Schlu: es gibt daher keinen ther.
Jetzt beginnen wir den Beweis noch einmal von vorne.
So weit hat Einstein freilich nicht gedacht. Er ist vielmehr
jeweils von der augenblicklichen Lsung des augenblick-
lichen Problems befriedigt.
Punkt 1 heit nicht mehr: Es gibt einen ther, sondern:
1. Es gibt keinen ther.
la. Die Lichtgeschwindigkeit im (nichtexistierenden)
ther ist gleich c.
Ib. Die Erde bewegt sich in diesem (nichtexistierenden)
ther mit der (nichtwirklichen) Geschwindigkeit v.
2. Die (wirkliche) Lichtgeschwindigkeit auf der im (nicht-
wirklichen) ther mit der (nichtwirklichen) Geschwin-
digkeit v bewegten Erde ist gleich c.
Und wie dieser Humbug so weiter geht.
Offensichtlich haben wir hier eine besondere Abart des
in der Mathematik gebruchlichen Beweisganges der re-
ductio ad absurdum". Man nimmt einen falschen Satz: Es
gibt einen ther", als richtig an, um dann durch den Nach-
weis, da diese Annahme zu Widersprchen fhrt, die
gesetzte Annahme selbst als falsch zu erweisen.
Anders Einstein und der Fachmann". Sie gehen von
einer falschen Annahme aus: Es gibt einen ther". Sie
kommen mit dieser falschen Annahme zu richtigen" Er-
gebnissen, zur relativistischen Erklrung des Michelson-
versuches. Und zum Schlu beweisen sie noch aus den
richtigen Ergebnissen die Falschheit ihrer Prmissen. Es
wre zuviel, vom Fachmann", dein in der Physik dilet-
tierenden Mathematiker" (W. Mller) auch noch Elemen-
tarkenntnisse in der Logik zu fordern. Dieser Beweisgang
wird als Kuriosum in die Geschichte der Wissenschaften
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eingehen. Doch handelt es sich hier keineswegs um ein
relativistisches Einzelstck. E. K a m m e r e r hat in seiner
Schrift: Die Beurteilung der Lichtgeschwindigkeit. Eine
Abrechnung mit der Relativittstheorie" eine ganze Reihe
hnlicher logischer Kostbarkeiten aufgedeckt.
Das Postulat der absoluten Konstanz der Lichtgeschwin-
digkeit ergibt sich also fr Einstein als Folgerung aus
der Feststellung, da die Lichtgeschwindigkeit im Welt-
ther und auf der im ther bewegten Erde nach allen
Seiten gleich gro ist. Der Schlu von diesen beiden Punk-
ten, von den Lichtgeschwindigkeiten im ther und auf der
Erde, auf die Lichtgeschwindigkeit in anderen Bezugssy-
stemen, mu, da er nicht logisch zwingend ist, als Postulat
gelten. Dieses Postulat ist bei Anwendung der Lorentztrans-
formation formal erfllt. In allen wie immer unbeschleunigt
bewegten Systemen wird eine elektromagnetische Welle
als Kugelwelle beobachtet und nicht als Wellenellipsoid,
wie es nach Maxwells Theorie sein sollte. Ob wir uns einem
Lichtsignal entgegen bewegen oder von ihm weg, oder ob
wir uns senkrecht zur Richtung des Lichtes bewegen, und
mit welcher Geschwindigkeit, das ist dem Einsteinschen
Postulat zufolge und bei Anwendung der Lorentztransfor-
mation vllig ohne Einflu auf die relative Geschwindig-
keit des Lichtes uns gegenber. In allen Fllen messen,
oder richtiger: errechnen wir die gleiche Lichtgeschwin-
digkeit von 300000 km in der Sekunde. Diese Geschwin-
digkeit ergibt das sogenannte Einsteinsche Addilionstheo-
rem", das 1900 von Po i n ca re abgeleitet wurde.
Die Folgerungen der Relativittstheorie
Untersuchen wir rational die Folgerungen, die sich aus
den Thesen der Relativittstheorie ergeben, so zeigt sich
vor allem die Notwendigkeit, die Theorie ihres magisch
wirkenden mathematischen Gewandes zu entkleiden und
weiter die unvorstellbar groe Lichtgeschwindigkeit in
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-
fabare Mae zu bertragen. Es ist uns natrlich durch-
aus verstndlich, da es vllig ohne Einflu auf die Licht-
geschwindigkeit ist, ob ich der Sonne entgegen gehe oder
von ihr weg. Damit trsten uns die Relativisten, da bei
normalen Geschwindigkeiten, im Alltag, in der Technik,
schlielich alles beim Alten bleibt. Die Relativittstheorie
bringt keinerlei Schwierigkeiten fr unser tgliches Leben.
Sie bringt aber unberwindliche Schwierigkeiten fr den
normalen, nichtrelativistischen Denkapparat. Was hier der
menschlichen Vernunft zugemutet wird, ist nicht zu ber-
bieten.
Die Relativittstheorie geht, wie wir gesehen haben, von
der absoluten Konstanz der Lichtgeschwindigkeit aus. Dieses
Postulat wird mathematisch durch die Anwendung der Lo-
rentztransformation erfllt. Die Lorentztransformation ist ein
mathematisches Gleichungssystem mit verschiedenen Va-
riablen, fr die man natrlich verschiedene Werte einsetzen
kann. Es folgt also keineswegs aus diesen Formeln, da
gerade die Lichtgeschwindigkeit absolut konstant ist. Es
ist vielmehr umgekehrt: Zur Befriedigung seines Postulats
hat Einstein die Formeln von Voigt mit der Lichtgeschwin-
digkeit c bernommen. Dadurch ergab sich die absolute
Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, wie auch immer man
die brigen Gren variiert.
Selbstverstndlich knnen wir an die Stelle der Licht-
geschwindigkeit c jede beliebige andere Geschwindigkeit
einsetzen; die Lorentztransformation verbietet dies nicht.
Durch eine solche Substitution wird jetzt diese andere Ge-
schwindigkeit ebenso konstant wie die Lichtgeschwindig-
keit in Einsteins Theorie. Dadurch haben wir die Mglich-
keit, die physikalischen Folgen der Lorentztransformation zu
berschauen, whrend in der Relativittstheorie unser Vor-
stellungsvermgen infolge der ungeheuren Geschwindigkeit
des Lichtes vllig versagt. Setzen wir also an die Stelle der
Lichtgeschwindigkeit von 300000 km in der Sekunde die
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Geschwindigkeit eines Schnellzuges von 90 km in der Stun-
de in die Formeln ein. Damit ist die Geschwindigkeit un-
seres Schnellzuges absolut konstant. Wir nehmen an, unser
Zug fhrt auf einer endlos langen geraden Strecke, wie das
eben in der Populr-Relativittstheorie so blich ist. Der
Lokfhrer achtet darauf, da die Tachonadel immer genau
auf 90 km zeigt. Unser Zug hat also relativ zu seiner Um-
gebung, sagen wir relativ zu den vorbereilenden Tele-
graphenstangen, die gleichbleibende Geschwindigkeit von
90 km in der Stunde. Dies hat noch nichts mit der Rela-
tivittstheorie zu tun. Das relativistische Denken beginnt
erst, wenn der Beobachter, der die Geschwindigkeit unse-
res Zuges mit, nicht mehr ruhig neben dem Geleise sitzt,
sondern sich auch bewegt. Am einfachsten ist das zu ver-
wirklichen, wenn der Beobachter auf dem zweiten Geleise
einen Triebwagen zur Verfgung hat, mit dem er beliebig
nach beiden Richtungen fahren kann.
Zunchst steht der Triebwagen mit dem Beobachter in
Ruhe auf dem Nebengeleise. Unser Schnellzug braust vor-
ber. Der Beobachter hat eine leichte Aufgabe. Die Schnell-
zugswagen sind gerade '25 Meter lang, so da er nur die
vorberfahrenden Wagen zhlen mu, mit der Stoppuhr
in der Hand. Er zhlt in 10 Sekunden 10 Wagen und er-
rechnet daraus die Geschwindigkeit unseres Zuges: in einer
Sekunde 25 Meter, in einer Stunde 90 Kilometer. Jetzt
mten wir fr die nchste Messung auf den nchsten
Schnellzug warten. Darum verlngern wir am besten unse-
ren Zug, da er gar kein Ende nimmt. Alle Wagen sind
genau 25 Meter lang und alle Wagen fahren natrlich mit
der gleichen Geschwindigkeit, nmlich 90 km in der Stunde.
Nun beginnt der relativistische Zauber. Der Triebwagen
setzt sich in Bewegung und fhrt in derselben Richtung
wie unser unbegrenzt langer Schnellzug. Der Beobachter
zhlt dabei immerfort, wie viele Wagen unseres Zuges in
jeweils 10 Sekunden an ihm vorber fahren. 10 Sekunden
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sind um, der Beobachter hat genau 10 Wagen gezhlt. Der
Triebwagen fhrt immer schneller, bis er schlielich halb
so schnell fhrt wie unser Schnellzug. Wieder zhlt unser
Beobachter in 10 Sekunden 10 vorberfahrende Wagen un-
seres Zuges. Noch schneller fhrt der Triebwagen neben
dem Zug, bis er eine Geschwindigkeit von 89,9 km in der
Stunde erreicht. Nur noch ganz wenig bleibt er hinter dem
Zug zurck. Der Beobachter macht eine Stichprobe: Er
zhlt wieder, wie bei allen frheren Messungen, genau 10
Wagen in 10 Sekunden. So sonderbar dies auch scheinen
mag, es ist relativistische Tatsache": Obwohl beide, der Zug
und der Triebwagen, mit nahezu gleicher Geschwindigkeit
fahren, so fahren doch in je 10 Sekunden je 10 Wagen
des Schnellzuges vor. Der Beobachter errechnet daraus
noch immer die gleiche Relativgeschwindigkeit fr unse-
ren Zug: 90 km in der Stunde. Jetzt noch ein kleiner Ruck,
auch der Triebwagen hat die Geschwindigkeit von 90 km
in der Stunde erreicht. Damit ist alles mit einem Schlag
anders. Zug und Triebwagen fahren gleich schnell. Der
Beobachter mu mit Staunen feststellen, da der Schnellzug
aus der vollen Geschwindigkeit, ohne langsamer zu wer-
den, pltzlich stehen geblieben ist. Seine Relativgeschwin-
digkeit ist gleich null. Schneller als 90 km kann weder
der Zug noch der Triebwagen fahren. Dafr sorgt die
Lorentztransformation.
Jetzt machen wir die Gegenprobe. Der Fhrer des Trieb-
wagens zieht einen Augenblick die Bremse. Die Geschwin-
digkeit sinkt um den Bruchteil eines Millimeters in der Se-
kunde, und schon rast der Zug wieder mit voller Geschwin-
digkeit an dem Beobachter vorber, 10 Wagen in 10 Se-
kunden. Der Triebwagen fhrt immer langsamer, bis er
schlielich wieder stillsteht, relativ zu den Telegraphen-
stangen. Whrend der ganzen Zeit zhlt der Beobachter
10 Wagen in 10 Sekunden. Jetzt fhrt der Triebwagen nach
der anderen Seite, dem Zug entgegen, immer schneller
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und schneller. Immer noch mit der Beobachter die glei-
che Geschwindigkeit fr unseren Zug, 10 Wagen in 10 Se-
kunden. Das ndert sich diesmal auch nicht, wenn der
Triebwagen wieder die Geschwindigkeit von 90 kin in der
Stunde erreicht. Nach der Galileischen Addition von Ge-
schwindigkeiten bewegen sich jetzt Triebwagen und Zug
mit der Relativgeschwindigkeit von 90kin + 90 km = 180 km
in der Stunde gegeneinander. Durch die Zauberformel von
Voigt wird die Geschwindigkeit unseres Schnellzuges ab-
solut konstant, 90 km in der Stunde, 10 Wagen in 10 Se-
kunden. Nach dem Einsteinschen" Additionstheorem der
Geschwindigkeiten ist 90 km/h + 90 km/h 90 km/h. Das Pa-
pier ertrgt auch diese relativistische Gleichung mit Geduld.
In der physikalischen Wirklichkeit ndert sich dadurch
allerdings berhaupt nichts.
Wir haben keinen vernnftigen Grund, irgendeine Ge-
schwindigkeit, sei es die unseres Zuges oder die des Lich-
tes, fr absolut konstant zu erklren. Formal, mathema-
tisch ist gegen die obigen Ausfhrungen nichts einzuwen-
den. Ob solche Rechenkunststcke irgend etwas mit der
Wirklichkeit der Natur zu tun haben, ist freilich eine an-
dere Frage. Was der Beobachter im Triebwagen errechnet,
erhlt man einfach, wenn man in das Einsteinsche" Additi-
onstheorem die Hchstgeschwindigkeit c einsetzt. Wie gro
immer die zweite Geschwindigkeit v sein mag, zu c ad-
diert oder von c subtrahiert ergibt sich immer wieder nur c.
Die Anwendung des Additionstheorems fhrt zu sehr in-
teressanten Ergebnissen im Vergleich zur normalen Addi-
tion von Geschwindigkeiten. Nehmen wir wieder an, da
die eine Geschwindigkeit gleich der Lichtgeschwindigkeit
c ist, die andere Geschwindigkeit relativ klein, etwa 1 km
in der Sekunde. Als Summe ergibt sich eine Relativge-
schwindigkeit von 300001 km in der Sekunde, relativistisch
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natrlich 300000km/sec. Nach der normalen Physik ist
es ohne Bedeutung, ob die addierten Geschwindigkeiten
gleich gro sind oder sehr verschieden. In der Relativitts-
theorie macht dies, besonders bei hohen Geschwindigkei-
ten, einen sehr groen Unterschied. 300000 km/sec+1 km/
sec ergeben 300000 km/sec, 150000 km/sec + 150000 km/sec
ergeben aber nur 240000 km in der Sekunde. Nach Galilei
ergeben