barth, gotthard - die geschichten des fachlehrers a. e. - wissen im werden - sonderband 1 (1987, 145...

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Barth hat die Märchen von Einstein nicht nur vom logischen Überlegen her vernichtet, sondern auch mathematisch.Eine nicht mehr aufzuhaltende Lawine rollt auf die weltweiten Medienkontrolleurre zu und wird auch dieses Papsttum mit seinen Ketzerverbrennungen vernichten.

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  • Gotthard Barth

    Die Geschichten des Fachlehrers

    Rationale Physik gegen magisch-paradoxen Unsinn

    Einstein widerlegt* 3. Auflage Nachdruck 1987

    Verlag WISSEN im Werden Sonderband 1

    A 2063 Zwingendorf sterreich Haus Bradley

    A.E.

  • Mit dem Versuch von A. Michelson (Potsdam 1881) begann das Unheil. Nach der Theorie des englischen mathe-

    malischen Physikers J. C. Maxwell breitet sich das Licht im

    Weltther von der Quelle weg als Kugelwelle aus. Auf der im

    ther bewegten Erde wrde dann die Kugelwelle zu einem

    Wellenellipsoid auseinander gezogen. Michelson wollte die Ge-

    schwindigkeit der Erde im ther messen. Das Ergebnis war

    enttuschend: Die Erde ruht im ther, auf der Erde breitet

    sich das Licht als Kugelwelle aus.

    Fr den Kristallfachmann Woldemar Voigt war dies ein all-

    tgliches Problem. In doppelbrechenden Kristallen ist die Licht-

    geschwindigkeit je nach Kristallachse verschieden. Voigt mute

    aus der Wellenkugel im ther ein Wellenellipsoid im Kristall

    errechnen. Beim Michelsonversuch war das Problem umgekehrt:

    Aus dem Wellenellipsoid nach Maxwells Theorie mute eine

    Wellenkugel gemacht werden, wie sie Michelson beobachtet

    hatte. Voigts rein formale Lsung (1887) brachte fr die physi-

    kalische Theorie nichts.

    Dann aber nahmen sich die mathematischen Physiker des Mi-

    chelsonversuches an. Zuerst kam die Lngenverkrzung von

    Lorentz und Fitzgerald: Alle Krper werden durch den ther-

    wind etwas zusammengedrckt. Es folgte die allgemeinere L-

    sung: Lngen und Zeiten, Raum und Zeit" werden so vern-

    dert, da die Lichtgeschwindigkeit absolut konstant wird (Ein-

    steins Postulat"): Lorentz, Larmor, Poincare.

    Aber alle diese Leute hatten doch gewisse Bedenken gegen

    ihre mathematischen Erfindungen. Die Aufgabe war nicht leicht.

    Und wenn Lorentz durchgekommen ist, geschah dies nur, in-

    dem er Hypothese auf Hypothese hufte." sagte Poincare 1904

    auf der Weltausstellung in St. Louis, Mo. (Tesla-Stadt).

    Doch dann kam der junge Fachlehrer Albert Einstein. Die

    Problematik des milungenen Michelsonversuches verstand er

    schon seiner Ausbildung nach r weder mathematisch, noch phy-

    sikalisch. Fr ihn war alles, was da die Rechner zusammenge-

    braut hatten, physikalische Wirklichkeit. Von den physikalischen

    1

  • Widersprchen, von den mathematisch-physikalischen Proble-

    men mit der Lorentzgruppe hatte er keine Ahnung. Noch heute

    transformieren die Mathematiker bedenkenlos hin und zurck.

    Da ein Mastab oder eine Uhr nicht wissen knnen, da sie

    zum zweiten Mal, also zurcktransformiert werden, strt die

    Gruppentheoretiker nicht. Fr Einstein war der logische Wider-

    spruch, das Paradoxe, Ausdruck hherer Geistigkeit.

    Niemals htte eine so vllig planlose Sammlung sich wider-

    sprechender Einflle Wissenschaft werden knnen, htte nicht

    der erste Nobelpreistrger fr Physik, der Maschinenbauingenieur

    W. C. Rntgen Einsteins naive Referate in den Annalen der

    Physik" abdrucken lassen. Ein paar gewissenlose Karrierema-

    cher bauten dann den ahnungslosen Fachlehrer zur Galionsfigur

    der mathematischen Physiker auf. Mit humorvollem Staunen, so

    nehme ich an, mute der junge Max Laue feststellen, da man

    den Herren Kollegen jeden Unsinn vorsetzen kann, wenn er nur

    ein wenig mathematisch verbrmt ist. Bald schlossen sich Laue

    und seinem Professor Max Plank andere an auf dem Weg zu

    schnellem Ruhm.

    Einstein selbst, in seiner Bescheidenheit, blieb im Hintergrund.

    Er war sich seiner mangelnden Kenntnisse wohl bewut. Zu-

    erst wunderte er sich ber das Interesse und die Hochscht-

    zung, die ihm von berhmten Mnnern entgegen gebracht wur-

    de. Dann glaubte er wirklich, er habe in Zusammenarbeit

    mit dem lieben Gott" alle Probleme der Physik gelst. Aber

    schon vor 1921 wute Einstein, da er nur eine Figur im Kampf

    der Mchtigen war. Mit 70 Jahren schrieb er an seinen Jugend-

    freund Solovine: Da ist kein einziger Begriff, von dem ich

    berzeugt wre, da er standhalten wird."

    Haus Bradley 08-06-87 Gotthard Barth

    2

  • V o r w o r t

    Du kannst jederzeit eine gewisse Anzahl von Menschen bluffen. Aber die ganze Welt fr alle Zeiten zu bluffen, glaube mir, das ist unmglich."

    BARNUM*)

    Im September 1954 schrieb ich den Antirelativus". Nach

    Krieg und Gefangenschaft hatte ich mein Physikstudium

    wieder aufgenommen. Durch Vorlesungen angeregt wandte

    ich mich, ungern, einem nheren Studium des Michel-

    sonversuches zu. Das gleiche Gefhl, das mich in meinen

    ersten Studienjahren beim sog. Carnotschen" Kreisproze

    erfat hatte, war auch hier bestimmend: Etwas ist nicht in

    Ordnung. Es war ein mhevolles Beginnen, nicht, die we-

    nigen Formeln der speziellen Relativittstheorie auswendig-

    zulernen, sondern zu erkennen, woher sie kamen, was da-

    hinterstand, irgendwo die logischen Fehler zu entdecken.

    Monatelang lie ich Lichtstrahlen in bewegten Systemen

    hin- und herlaufen, um doch irgendeine Methode zu fin-

    den, die klassische Gleichzeitigkeit nachzuweisen. So viele

    Vorlesungen ich auch hrte, so viel Literatur ich nach und

    nach vornahm, da eine ernsthafte Kritik der Relativitts-

    theorie besteht, blieb dem Physikstudenten verborgen. Diese

    Theorie ist endgltig und unwiderlegbar bewiesen.

    So war ich mit meinen Problemen allein. Ein Zeitungs-

    bericht ber einen von mir gehaltenen Vortrag brachte

    erste Zuschriften anderer Kritiker. Die erste Auflage des

    Antirelativus" hatte ich noch mit primitivsten Mitteln her-

    gestellt. Durch die Herausgabe der Zeitschrift WISSEN

    im Werden" sammelte sich dann mehr und mehr ein Kreis

    von Antirelativisten. Einen Teil der alten Garde, die noch

    aktiv am Einsteinrummel der Zwanzigerjahre teilgenom-

    men hatte, lernte ich persnlich kennen. Vor allem war

    *) Barnum, der Erfinder des Bluffs". Obigen Sprach stellt E. Gehrcke

    seiner Schrift Die Massensuggestion der Rel. Theorie" (1924) voran.

    3

  • es mir erfreulich, da ich Prof. Dr. Ernst Gehrcke, nach

    lngerem Briefwechsel, noch kurz vor seinem Tode in

    Birkenwerder bei Berlin besuchen konnte. Zu den alten

    kamen neue Gegner, die sich erst in jngerer Zeit mit

    der Relativittstheorie beschftigt hatten. Viele davon sind

    Mitarbeiter der Zeitschrift WISSEN im Werden" geworden.

    Das Besondere dieser Entwicklung liegt darin, da ich

    erst nach der Niederschrift meines Antirelativus" mit der

    seit Aufstellung der Relativittstheorie bestehenden Kritik

    bekannt wurde. Auch anderen erging es so: Was man

    mhevoll erarbeitet hat, findet man nachtrglich in frhe-

    ren Schriften hnlich, oder auch besser, bei Gehrcke, Le-

    nard, Stark, Dingler, Ziegler, W. Mller, Mohorovicic, .

    Kraus, Vogtherr, Palagyi, um nur einige Namen zu nen-

    nen. Gewi ist in den letzten Jahrzehnten die Physik nicht

    stehen geblieben. Aber gerade die Kritik der wichtigsten

    Absurditten der Relativittstheorie wurde bereits in den

    ersten Jahren bis etwa 1928 geleistet. Auch die heute mehr

    in den Vordergrund getretene korpuskulare Auffassung

    des Lichtes wird von Ritz und anderen schon in den frhe-

    sten Stadien des Relativittsslreites vertreten. Nur die

    dritte Auffassung des Lichtes: weder Welle noch Korpus-

    kel, der auch Gehrcke in gewissem Sinne zustrebte, wie

    er mir in Briefen schrieb, war naturgem damals noch

    nicht vertreten. Vor allem wurde auch in den letzten Jah-

    ren das Hauptgewicht der Beweise" fr Einsteins Theo-

    rie auf die sogenannte Einsteinsche" Massenformel ver-

    legt. In der Kritik der Relativittstheorie" von E. Gehrcke

    (1924) zum Beispiel wird dieser Punkt kaum errtert.

    So gebe ich denn in diesen neuen Auflagen des Anti-

    relativus" zumeist den alten Text, dem jeweils die Kritik

    meiner Vorgnger, soweit sie mir bekannt wurde, ange-

    schlossen wird. Mehrere Abschnitte sind zur Gnze neu.

    Ein Problem bleibt es, wieso eine solche absurde Erfin-

    dung, wie es Einsteins Theorie ist, derartige Beachtung

    4

  • erlangen und sich durch Jahrzehnte, aller Kritik zum Trotz,

    erhalten konnte. Geh r cke weist schon 1920 darauf hin.

    da E ins te in sein Werk mit groer Geschicklichkeit zu

    verteidigen wute und den Physikern ihre Bedenken mit

    mathematischen und philosophischen, den Mathematikern

    ihre Bedenken mit physikalischen und philosophischen,

    den Philosophen ihre Bedenken mit mathematischen und

    physikalischen Gegengrnden zerstreute: Jeder Fachmann

    beugte sich vor der Autoritt des Kollegen im anderen

    Fach, jeder glaubte das, was er nach anderen Fachautori-

    tten als fr bewiesen halten zu sollen vermeinte. Niemand

    wollte sich dem Vorwurf aussetzen, er verstnde nichts

    von der Sache." Und er verweist auf Andersens Mrchen

    von des Kaisers neuen Kleidern. Dazu kommt noch, da

    Einstein seine Erkenntnisse jeweils nach dem augenblick-

    lichen Stand der Kritik nderte, zum Beispiel hinsichtlich

    der Existenz des thers oder hinsichtlich des berhmten

    Uhrenparadoxons.

    Sicher trifft dies alles zu. Weit mehr bestimmend

    scheint mir jedoch die ganze Art unseres Erziehungssy-

    stems. Der Schler hat nur das Vorgetragene zu erlernen.

    Ein guter Lehrer ermglicht seinen Schlern auch ein Ver-

    stehen des Erlernten. Eine Kritik des Gelehrten ist jedoch

    vllig unerwnscht. Wie beim Staatsbrger, so auch bei

    den Studenten werden nur die Zufriedenen geloht. Eine

    rhmliche Ausnahme war mein hochverehrter Lehrer Pro-

    fessor Felix E h r e n h a f t , der Physik kritisch vortrug.

    Diese Einstellung ist verstndlich. Kein System, das sich

    fr gut hlt, wird sich selbst Revolutionre erziehen. Ein-

    steins Theorie war wenige Jahre, nach dem ersten Welt-

    krieg, Revolution. Nunmehr hlt sie seit ber 40 Jahren mit

    allen Mitteln des unrechtmig Emporgekommenen die

    usurpierte Macht fest. Die magisch-paradoxe Doginatik der

    modernen mathematischen Theorie kann keine rationale

    Diskussion gestatten. Wie zu Galileis Zeiten verfolgt die

    5

  • moderne Inquisition ihre Gegner. Da die anderen nicht

    minder absurden Themen, die Einstein-Plancksche Quan-

    telung der Energie, die Bohrschen Elektronensprnge, die

    statistische Akausalitt, nicht entfernt eine gleich heftige

    Kritik auf den Plan riefen, liegt wohl darin, da in diesen

    Geschftszweigen der modernen Theorie ein weitaus gerin-

    gerer Aufwand an aufreizender Propaganda geleistet wurde.

    Die Methode der relativistischen Beweisfhrung wurde

    schon von Gehrcke hinreichend charakterisiert. Gegen eine

    stndig nachgebende Wahrheit sind rationale Einwnde

    machtlos. Weit wichtiger war jedoch die Ausschaltung je-

    der Kritik durch eine hinterhltige Diffamierung der Geg-

    ner. Die erste Opposition der wissenschaftlichen Welt ge-

    gen die neuen Relativittstheorien hat man einfach gebro-

    chen, indem man sie als eine Folge des Antisemitismus

    dem breiten Publikum vorgestellt hat" (Mohorovicic 1962).

    Schon E i n s t e i n selbst bedient sich dieser so erfolgreichen

    Methode. In einem Interview der New York Tribune vom

    3. 4. 1921 heit es:

    Warum waren Mnner der Wissenschaft gegen Ihre

    Theorie, als Sie sie zuerst bekannt gaben?"

    Kein Mann der Wissenschaft", erwiderte er, indem er das

    letzte Wort nachdrcklich betonte, war gegen die Theorie".

    Aber es gab da einige Gegnerschaft."

    Ja", versetzte er ruhig, aber das war nur politisch,

    sogar die Phobiker, die meiner Theorie entgegen waren,

    taten dies aus politischen Grnden nach meiner Auf-

    fassung natrlich."

    Dieser Zusatz: Nach meiner Auffassung natrlich" ist

    typisch fr Einstein: natrlich nicht in Wahrheit, sondern

    nur nach meiner Auffassung. So bleibt seine Aussage fr

    alle Flle relativ richtig. Den Hhepunkt dieser ver-

    chtlichen Methode erreicht wohl ein deutscher Hochschul-

    professor, der zwei ehemaligen" Nobelpreistrgern vor-

    wirft, sie htten die Neuschpfungen der Relativittstheorie

    6

  • und der Quantentheorie aus stupider Senilitt" nicht

    verstanden. J. S t a rk war 5 Jahre lter als Einstein,

    Ph. Lena rd 17 Jahre.

    Jedermann hat also die Wahl, ob er die Relativitts-

    theorie aus politischen Grnden" oder infolge stupider

    Senilitt" fr falsch hlt. Jeder Kritiker Einsteins mu mit

    derartigen Qualifikationen rechnen. Aber nicht jedermann

    kann es sich leisten, ffentlich in dieser Weise beschimpft

    zu werden. So bleibt notwendig die Zahl der Kritiker

    bescheiden.

    Die Wahrheit einer Theorie wird nicht durch den Cha-

    rakter ihrer Anhnger bestimmt. Nicht allein. Eine Theorie,

    die zu derartigen Methoden greifen mu, ist selbst von

    ihrer Wahrheit nicht berzeugt. Man mu sich wundern,

    wie es Einstein gelang, der vielfltigen Kritik zu wider-

    stehen. Zunchst pat er seine augenblickliche Ansicht der

    augenblicklichen Kritik an. In einer Reihe grundlegender

    Fragen wechselt er immer wieder, zuweilen in wenigen

    Tagen, seine Meinung. Auf der anderen Seite versteht er

    es aber auch, sehr geschickt seinen Gegnern auszuwei-

    chen seinen politischen Gegnern natrlich, denn wissen-

    schaftliche Gegner hat es nach Einsteins Auffassung

    niemals gegeben. In Amerika, wohin Einstein mit dem Zio-

    nistenfhrer Dr. Weizmann gefahren war, um Geld fr

    die Errichtung einer jdischen Universitt in Jerusalem

    zu beschaffen, hatte Prof. R e u t e r d a h l , Prsident der In-

    genieure der St. Thomas Universitt, erklrt, Einstein sei der

    Barnum der Wissenschaft, seine Theorie sei eitel Humbug.

    Mit seiner mythischen Theorie halte er die ganze Welt zum

    Narren. Darauf meint Einstein, da solche Angriffe ihn sehr

    an seine deutsche Heimat gemahnten. Dieser Hinweis, da

    es sich hier um Antisemitismus, made in Germany, hand-

    le, verfehlte in dem nicht gerade Deutschland freundlichen

    Amerika der Nachkriegsjahre seine Wirkung nicht. So konn-

    te Einstein eine Diskussion mit Reuterdahl formell ablehnen.

    7

  • Nach Deutschland zurckgekehrt erklrte Einstein (Nieu-

    we Rotterdamsche Courant): Die bergroe Begeisterung

    fr mich in Amerika scheint echt amerikanisch zu sein

    und wenn ich es recht begreife, liegt es daran, da die

    Menschen sich dort so ungeheuer langweilen... Es gibt

    Stdte mit einer Million Einwohner trotzdem welche

    Armut, welche geistige Armut! . . . Sie tun alles, was en

    vogue und in der Mode ist, und haben sich nun zufllig

    auf die Einstein-Mode geworfen... Ich finde es komisch

    und zugleich interessant, dies Spiel zu beobachten. Ich

    glaube bestimmt, da es das Geheimnisvolle des Nichtbe-

    griffenen ist, das sie bezaubert. Man erzhlt ihnen von

    etwas Groem, das Einflu auf das ganze weitere Leben

    haben soll, und von einer Theorie, die nur von dem Auf-

    fassungsvermgen einer kleinen Gruppe Hochgelehrter be-

    wltigt werden kann, und es werden groe Namen genannt,

    die auch groe Entdeckungen gemacht haben, von denen

    die Masse nichts begreift. Es imponiert ihnen, es bekommt

    die Farben und die bezaubernde Macht des Mysterisen...,

    so wird man enthusiastisch und aufgeregt." Was wieder

    den Amerikanern nicht angenehm zu hren war. Doch

    Einstein bleibt objektiv: Da das sensationelle Interesse

    fr die Relativittstheorie, welches sich im groen Publi-

    kum zeigt, zum groen Teil auf einer Art Miverstndnis

    beruht, ist wohl sicher. Aber dies gilt nicht nur fr das

    amerikanische Publikum, sondern ebenso fr unser deut-

    sches, fgte Professor Einstein schmunzelnd nach einer

    Pause hinzu." (Vossische Ztg. 11. 7. 1921 u. a.)

    Ganz hnlich war es in Frankreich. Es laufen so viele

    Anekdtchen ber Einstein um. so da wir diesem Be-

    kannten auch einiges gern Vergessenes hinzufgen knnen.

    Diese Reise ist ein Muster geschickter Inszenierung. Im

    Juni 1921 ging ein Interview Einsteins durch die Welt-

    presse, in dem er erklrt: In England war ich offiziell

    von den Universitten London und Manchester eingeladen

    8

  • (auf der Rckreise aus Amerika). Ich erhielt dort unver-

    geliche Sympathiebezeugungen. Von Frankreich aus hat

    mich niemand gebeten, zu kommen..." Eine ausgebreitete

    Pressekampagne bereitete die Reise Einsteins vor. Die

    Schwierigkeit, da ein Deutscher nach Frankreich eingela-

    den werden soll, wird dadurch gelst, da Einstein ein

    Schweizer Gelehrter" wird, der Professor an der holln-

    dischen Universitt in Leiden ist, und den Rest der Zeit

    frei wie ein Pensionr" an der Akademie zu Berlin arbei-

    tet, deren erster Prsident der Franzose Maupertuis war".

    Noch am 23. Mrz 1922 rt Echo de Paris Einstein, die

    Reise wegen befrchteter Kundgebungen abzusagen. Darauf

    wird die Einladung von anderen Blttern umso dringlicher

    wiederholt. Einstein wird fr den 29. Mrz um 12,25 Uhr

    erwartet. Die Herren von der deutschen Gesandtschaft

    warteten vergeblich. In der Nacht um 28,30 Uhr kommt

    Einstein auf dem Nordbahnhof an. Seine Gnner, die Pro-

    fessoren Langevin und Nordmann hatten ihn von der Gren-

    ze an begleitet. Um aber auch zu dieser spten Stunde

    auf dem verlassenen Bahnhof den bsen Gegnern zu ent-

    gehen, steigt Einstein auf dem entgegengesetzten Gelei-

    se aus dem letzten Wagen des Zuges".

    Zu den Vortrgen sind nur geladene Gste zugelassen.

    Der Mathematiker und frhere Ministerprsident Painleve

    selbst, untersttzt von neun Polizisten, kontrolliert die Ein-

    trittskarten. Ein Vortrag in der Akademie der Wissenschaf-

    ten wird abgesagt, da ein Teil der Mitglieder bei Einsteins

    Eintreffen als Zeichen des Protestes den Saal verlassen

    wollte. Einstein gab durch seine Absage seinen franzsi-

    schen Kollegen zwar keine Aufklrung ber die Relativi-

    ttstheorie, aber eine gute Lektion im Takt" (L'Oeuvre).

    Bei der dritten Einstein-Konferenz griff der Schweizer

    Physiker E. G u i l l a u m e in die Diskussion ein. Durch das

    Guillaumesche Ellipsoid wollte er einen fundamentalen

    Irrtum in der Theorie Einsteins" aufzeigen. Auch Painleve

    9

  • hatte, auf anderem Weg, denselben Fehler entdeckt. Herr

    Guillaume hat beklagenswert abgeschnitten" (L'Oeuvre).

    Dazu schreibt R. H. de la Montagne: Bemerken wir, da

    L'Oeuvre unfhig sein wrde, auseinanderzusetzen und

    dieses Blatt versucht es auch nicht worin Herr Guillaume

    sich tuscht und worin Herr Einstein recht hat. Er wei

    nichts. Aber fr Einstein Partei ergreifen, das scheint ihm

    die Hhe der Eleganz." Einstein selbst griff in die Debat-

    te nicht ein. Er hrte bescheiden zu, wie Guillaume von

    Langevin abgekanzelt wurde. Einstein wute bereits da-

    mals, warum er schwieg. Doch genug davon. Die Diskus-

    sion um die Relativittstheorie bewegt sich auch heute

    noch, soweit es etwas wie Diskussion berhaupt gibt

    durchaus in den gleichen Bahnen.

    Wenn ein Forscher seine Karriere einer Theorie verdankt,

    die er schlielich als falsch erkennt, dann wre es ber-

    menschlich, wollte man von ihm verlangen, da er seinen

    Irrtum auch ffentlich einbekennt; man legt sich die Sache

    zurecht. Bei Einstein steht es wohl auer Zweifel, da er

    die Fragwrdigkeit seiner Thesen frhzeitig durchschaute.

    Einstein hat sich niemals mit dem Sinn physikalischer

    Behauptungen befat, sondern nur mit ihrer Richtigkeit",

    meint P .K . F e y e r a b e n d , ein Verehrer Einsteins (Fischer

    Lexikon Philosophie 1958). Diese Richtigkeit" bezieht sich

    nur auf die Frage des Augenblicks. Sollen wir diese so

    folgenreiche Methode moralisch beurteilen?

    Fr Einstein war, wie sich an vielen Beispielen zeigen

    lt, nicht nur die Zeit, sondern auch die Wahrheit rela-

    tiv. Die Zeitangaben sind nach der Relativittstheorie ab-

    hngig vom Ort. Schon 1913 schrieb Gehrcke: Der Stand-

    punkt der verschiedenen Autoren in den errterten Fragen

    ist nicht ganz einfach zu charakterisieren, weil mehrfach

    in den verschiedenen Abhandlungen ein und desselben

    Autors die verschiedenartigsten Standpunkte eingenommen

    werden. Es fehlt nicht viel, und das Relativittsprinzip

    10

  • greift noch auf das literarische Gebiet ber: es erhlt,

    ganz entsprechend dem in der Relativittstheorie blichen

    Verfahren, irgendeine von irgendeinem Autor zu irgend-

    irgendeiner Zeit gemachte Angabe... erst dann einen Sinn,

    wenn auch der Ort der Verffentlichung angegeben wird."

    Keine Wahrheit galt mehr fr sich. Diese Methode der

    in der Physik dilettierenden Mathematiker" beschreibt H.

    D i ng l e r (1931): Bewut konnte der Menge der Forscher

    der bereits stillschweigend eingetretene Zustand erst wer-

    den, als jemand eine Erklrung dadurch zu erreichen ver-

    suchte, indem er eine jener Voraussetzungen aller exak-

    ten Wissenschaften... aufgab, die bewut oder unbewut

    seit dem Entstehen der rationalen Wissenschaften bei den

    Griechen zu den unerschtterlichen Grundwahrheiten ge-

    hrt hatten. Der Mann, der dies zum ersten Male in sy-

    stematischer Weise getan hat, war wohl unstreitig Albert

    E i ns te i n . "

    Doch mssen wir festhalten, da Einstein die Entwick-

    lung seiner Theorie nicht allein bestimmt hat. Er wurde

    von der Strmung mit fortgerissen. Er verstand es nur,

    sein Boot geschickt durch alle Fhrnisse zu steuern. Dem

    berwiegenden Teil seiner Anhnger, darin zurck, ms-

    sen wir den vollen Einblick in die Untiefen der erlernten

    Theorie kaum zubilligen. Der ungeheure Aufwand fr den

    relativistischen Denksport, auf ein sinnvolles Problem an-

    gewandt, htte die Wissenschaft um ein gutes Stck fr-

    dern knnen.

    Der erste Erfolg meines Antirelativus" war minimal. Die

    Zeit nach dem letzten Krieg war keineswegs geistig frucht-

    bar. Man erfand zur Entschuldigung das Schlagwort von der

    verlorenen Generation. Es sollte nur alles wieder so gut

    werden, wie es vorher gewesen war. Ein an hchster Stel-

    le beamteter Hochschulprofessor erklrte mir: Was erwar-

    ten Sie sich schon davon? Wird eben eine Theorie durch

    eine andere ersetzt." Man war mit sich zufrieden.

    11

  • Ganz anders nach dem ersten Weltkrieg. Die revolutio-

    nren Anstze der Vorkriegsjahre wurden mit vollem Eifer

    aufgegriffen und in dem hektischen Getriebe der Nach-

    kriegsjahre emporgewirbelt: je verrckter, desto besser. Die

    physikalische Theorie folgt willig dieser Parole; sie ist nicht

    mehr rationale Wissenschaft, sondern science fiction, wis-

    senschaftliche Fabel. Schon Cotes , der Herausgeber der

    Mathematischen Principien" Newtons, schreibt: Diejeni-

    gen, welche ihre Spekulationen auf Hypothesen grnden,

    werden, wenn sie danach auch aufs strengste nach mechani-

    schen Gesetzen fortschreiten, eine Fabel, vielleicht eine ele-

    gante und schne, jedoch nur eine Fabel aufbauen." Den

    Anfang nahm diese Entwicklung bei Clark Maxwell.

    Im Sinne der alten Pythagorer wohnt der mathemati-

    schen Formel schon von Natur aus gttliche Wahrheit

    inne. Eine rationale Prfung der physikalischen Gege-

    benheiten, eine kritische Untersuchung des angewandten

    Rechnungsganges, eine vernnftige Beurteilung paradoxer

    Rechenergebnisse ist anmaende Einmischung von Dilet-

    tanten. Die allmchtigen Formeln, die der gebte Rechen-

    stift hervorzaubert, haben magische Gewalt, sie vern-

    dern das Gefge des Weltalls, Raum-Zeit, Masse und

    Energie. Der magisch wirkende, rational nicht durchdachte

    mathematische Algorithmus gengt; ein Verstndnis der

    errechneten Naturvorgnge zu fordern, wre barbarisch.

    Hier soll nicht nher auf die Bedeutung der Mathema-

    tik in der Physik eingegangen werden; ich habe diese Pro-

    blematik eingehend in meiner Rationalen Physik" behan-

    delt. Die Tendenz zum Magischen, die dem mathematischen

    Algorithmus innewohnt, hat schon E. Mach in seiner Me-

    chanik" gekennzeichnet. Diese Entwicklung beschrnkt sich

    nicht nur auf die Relativittstheorie. Die moderne Theorie

    insgesamt hat sich in diesen ausweglosen Mathematismus

    verrannt. Die paradoxen Ergebnisse, die Widersprche zur

    allgemeinen Naturgesetzlichkeit, die Widersprche zu jedem

    12

  • normalen menschlichen Denken berhaupt sollen durch

    den ewig wiederholten Hinweis auf die exakte Methode

    der Mathematik und auf die angebliche Beschrnkung auf

    Tatsachen" berdeckt werden. Die Folge ist mythisch-

    magische Willkrlichkeit. Es ist ganz offenkundig, da

    mit jener Wende wieder Prinzipien der Zugang in die Welt

    ermglicht wird, die der Cartesianismus und der Mecha-

    nizismus (als Versuche einer rationalen Naturerklrnng)

    aus ihr ein fr allemal entfernt sehen wollten, nmlich

    spirituellen Bewegern, feinen Geistern, dem .freien Willen'

    (nicht im Sinne Kants!): je mehr sich die Physik von der

    Naturphilosophie abschliet, je mehr sie sich auf ,reine

    Tatsachen' beschrnkt, desto grere Freiheit lt sie den

    Obskurantisten... Das ist... der Irrtum des Positivismus: er

    beseitigt nicht die Metaphysik. Er schwcht nur das gute

    und kritische Philosophieren und ermuntert die zgellose

    Spekulation, die nun auf ihrem Gebiet nicht mehr der ge-

    ringsten Einschrnkung unterliegt." So schreibt Feyer-

    abend an der schon angefhrten Stelle.

    Die Relativittstheorie ist von Mathematikern am

    Schreibtisch erfunden worden, die den Sinn fr die Natur

    vllig verloren haben oder niemals ernstlich mit der Na-

    tur in ihrer universellen Bedeutung in Berhrung gekom-

    men sind." schreibt Wilhelm M l l e r (SapperII. 1962). Und

    weiter: Die Rcksichtnahme auf die wahre Natur der

    Dinge hrt... in der Relativittstheorie vollkommen auf.

    Der mathematische Formalismus pfuscht geradezu ber

    alle Qualitten und Qualittsgrenzen skrupellos hinweg und

    verwandelt das wirkliche physikalische Problem in ein

    Scheinproblem, das mit physikalischen Fragen berhaupt

    nichts mehr zu schaffen hat." Wesentliche Voraussetzung

    fr diese Fehlentwicklung war die strenge Trennung der

    Wissenschaften in den Fakultten. Es ist erst durch diese

    Absperrungstaktik mglich geworden, da die Physiker, wie

    in einer Festung eingeschlossen und unkontrolliert von den

    13

  • anderen Fakultten, ihr dogmatisches Gebude aufrichten

    und eine eigene Formelsprache erfinden konnten, die durch

    ihre magische Fremdheit und ihre khnen Folgerungen

    imponierte." VV. Mller war zuletzt Professor fr theoreti-

    sche Physik an der Universitt in Mnchen.

    Wer sich nher fr die Kritik der Einsteinschen Theo-

    rien interessiert, sei auf die Literaturhinweise am Schlu

    des Buches verwiesen.

    Die historische Entwicklung

    Die Relativittstheorie entstand aus dem Problem der

    Lichtbewegung. Die Frage, was denn das Licht sei, wur-

    de schon im Altertum vielfltig errtert. ber das Sehen

    ist von E m p e d o k l e s ein Fragment berliefert: Denn

    durch die Erde schauen wir die Erde, durch Wasser das

    Wasser, ther durch den gttlichen ther, aber durch

    Feuer das vernichtende Feuer; die Liebe ferner durch un-

    sere Liebe und den Ha durch unseren vernichtenden Ha."

    Empedokles ist ein etwas eigenartiger Denker. Schon

    wenige Jahrzehnte spter bringt P l a ton in seinem Dialog

    Timaios eine ausfhrliche Darstellung der py thagor i-

    schen Lehre vom Sehen: Unter den Sinneswerkzeugen

    bildeten sie (die Gtter) zuerst die lichtvollen Augen, die

    sie aus folgendem Grunde hier befestigten. Soviel von dem

    Feuer die Eigenschaft des Brennens nicht besitzt, wohl aber

    die Erzeugung des milden Lichtes, davon bewirkten sie,

    da es der eigentmliche Krper jeden Tages wurde. Sie

    machten nmlich, da das in uns befindliche, diesem ver-

    wandte unvermischte Feuer durch die Augen hervorstr-

    me, und gltteten und verdichteten den ganzen Augapfel,

    vorzglich aber dessen Milte, damit er dem brigen, gre-

    ren Feuer durchaus den Durchgang wehre und nur dem

    reinen luternd ihn gestatte. Umgibt nun des Tages Helle

    das den Augen Entstrmende, dann vereinigt sich dem

    14

  • hnlichen das hervorstrmende hnliche und bildet in der

    geraden Richtung der Sehkraft aus Verwandtem da ein

    Ganzes, wo das von innen Herausdringende dem sich ent-

    gegenstellt, was von auen her mit ihm zusammentrifft."

    Licht von innen und Licht von auen bilden, wie die Werk-

    stcke des Handwerkers in Harmonie" zusammengefgt,

    ein sinnvolles Ganzes. Geblieben ist von dieser schnen

    Vorstellung die primitive Lehre von den Sehstrahlen, die

    die Dinge betasten.

    Neben der pythagorischen Harmonie finden wir in die-

    ser Formulierung auch den Einflu der S o p h i s t e n , deren

    Hauptstreben es war, alles in der Welt, Menschen und Din-

    ge, mit allem in Verbindung, in Relation zu bringen, zu re-

    lativieren". Diese Bewegung geht auf He r ak l e i t o s zurck.

    Doch sehr wesentlich ist auch der Einflu der Schule von

    Elea, die vergeblich versucht hatte, das absolute Eine, das

    unvernderliche Sein rational zu erfassen. Menschlichem

    Geist ist dies versagt. Der ehrwrdige Vater dieser Schule,

    P a rmen i d e s , blieb jedoch nicht resignierend bei dieser

    Feststellung stehen; nur der beschrnkte Geist erfreut

    sich am Paradoxen. In Piatons Dialog Parmenides zeigt

    der groe Meister selbst (freilich von Piatons absolutem

    Idealismus entstellt) in breiter Darstellung den Weg vom

    Einen zum Vielen, vom Sein zum Werden. Aus dem na-

    turwissenschaftlichen Interesse der pythagorischen Schule,

    dem Sein und Werden der Eleaten, dem Relationismus der

    Sophisten folgt jene Stelle ber das Sehen in dem spten

    Dialog Piatons Theaitetos. Hier vertritt Sokrates den Satz

    des P ro tagoras , des Hauptes der Sophisten: Der Mensch

    ist das Ma aller Dinge, der seienden, da sie sind, der nicht-

    seienden, da sie nicht sind." Dies auf die Sinneswahrneh-

    mungen angewandt erklrt Sokrates: Folgen wir nun dem

    eben vorgetragenen Satz, indem wir nichts an und fr sich

    als ein Eins seiend setzen, (sondern alles mit allem in Re-

    lation,) und es wird uns deutlich werden, da Schwarz

    15

  • und Wei und jede andere Farbe aus dem Zusammensten

    der Augen mit der zu ihr gehrigen Bewegung entstanden

    ist, und wovon wir jedesmal sagen, es sei Farbe, das wird

    weder das Anstoende sein noch das Angestoene, sondern

    etwas dazwischen fr jeden besonders Entstandenes."

    Das Sehen ist nicht im Auge, auch nicht in den Dingen,

    sondern zwischen den beiden, die Verbindung, die Relation,

    die Aktion, das Geschehen zwischen dem Lichthalten des

    Auges und dem Lichthaften des Dinges. Dieser Gedanke

    auf das Licht bertragen bietet den Ausweg aus dem un-

    fruchtbaren Dualismus der modernen Theorie: Das Licht ist

    weder ein Ding, ein Photon, noch die Eigenschaft oder Be-

    wegung eines Dinges: Schwingung eines thers oder Fel-

    des. Das Licht ist nicht Substanz, noch Eigenschaft einer

    Substanz. Das Licht ist ein Teil der physikalischen Rela-

    tion zwischen Lichtquelle und Lichtempfnger, das, was

    die Inder als Karma bezeichnen, die Aktion zwischen den

    wirkenden Krpern, zwischen leuchtendem und beleuch-

    tetem Krper; aber das Licht selbst ist kein Krper. Die-

    se Wirkung ist der Zeit nach abhngig von der rumlichen

    Entfernung der beiden aufeinander wirkenden Krper ge-

    m der Relation t = r/c, Zeit gleich Entfernung durch

    Lichtgeschwindigkeit. In der Betonung der physikalischen

    Bedeutung von Raum und Zeit liegt ohne Zweifel ein Ver-

    dienst der modernen Theorie. Einstein beachtete offen-

    sichtlich die Wirklichkeit von Raum und Zeit, aber er ber-

    sah die Wirklichkeit der Materie" (0. Luther 1966). Doch

    kehren wir zurck zur historischen Entwicklung.

    Im Sinne der modernen Physik trat die Frage nach der

    Lichtbewegung erst im 17. Jahrhundert in ein entschei-

    dendes Stadium. Es ist interessant zu sehen, wie die groen

    Physiker der Neuzeit die schon von den Griechen heraus-

    gearbeiteten Probleme wieder aufnahmen. Die Erfindung

    des Fernrohres in Holland und durch Galilei mit den fol-

    genden Entdeckungen am Himmel gab dem Studium der

    16

  • Lichterscheinungen einen gewaltigen Auftrieb. Zwei einander

    widerstrebende Richtungen hatten sich herausgebildet. Die

    eine Richtung vertrat die Anschauung, da von den Din-

    gen eine feine materielle Emanation ausgeht, die im Auge

    den Eindruck des Gesehenen hervorruft. Die andere Rich-

    tung versuchte das Sehen in Analogie zum Hren zu erkl-

    ren. Da sich der Schall als Schwingung in der Luft fort-

    pflanzt, hatte, nicht ohne Vorgnger, schon Vitruvius Pollio

    zu Beginn unserer Zeitrechnung gelehrt. Diese Situation

    gibt uns Isaac Ba r r ow , der Lehrer und Freund Newtons,

    in seinen Vorlesungen treffend wieder: Die Physiker strei-

    ten ber die Natur des Lichtes viel herum; die einen hal-

    ten das Licht fr eine gewisse krperliche Substanz, die

    anderen fr eine Eigenschaft oder Bewegung. Man streitet

    ber die Herkunft des Lichtes, darber, ob es durch ein

    Medium ununterbrochen durchgeht oder sich durch Impul-

    se verbreitet und sich dabei selbst vervielfacht... Es ist

    mir nicht gelungen, die verborgenen Eigenschaften des

    Lichtes zu verstehen, und die weisesten Philosophen haben

    nicht begriffen, durch welche Methoden sich das Licht ver-

    mehrt, was sein Wesen ist und wie es Kraft an den Tag

    legen kann. Beide Vorstellungen vom Licht stoen auf glei-

    che Schwierigkeiten. Darum neige ich der Meinung zu, da

    das Licht durch beide Bewegungsarten entstehen kann, so-

    wohl durch krperliche Ausstrmung, wie auch durch kr-

    perliche Impulse. Vielleicht ist es richtiger, gewisse Ttig-

    keiten dem einen, andere aber dem anderen zuzuschrei-

    ben." Eine sehr moderne dualistische Auffassung. Jedenfalls

    aber ist es ein Irrtum, wenn wir heute meinen, die Ema-

    nationstheorie habe das Licht grob-materiell erklrt, die

    Schwingungstheorie aber fein-therisch. Beide Theorien wa-

    ren durchaus im Geist der Mechanik und aus mechanischen

    Analogien entstanden. Sowohl die Lichtemanation wie auch

    der Lichtther waren materielle Krper, allerdings noch viel

    feiner als Luft, die man weder sehen noch wgen konnte.

    17

  • Fr beide Theorien hatte man gewisse Beweise. Fr die

    Emanationstheorie sprach vor allem die geradlinige Aus-

    breitung des Lichtes. Denn der Schall, der unzweifelhaft

    eine Wellenbewegung ist, breitet sich, ebenso wie Wasser-

    wellen, nach allen Seiten aus, auch um Ecken herum. Die

    Reflexion des Lichtes konnte man nach den mechanischen

    Gesetzen des elastischen Stoes erklren. Fr die Wellen-

    theorie sprachen etwa die Newtonschen Farbringe. Wenn

    man eine konvexe Linse auf eine ebene Glasflche legt,

    so entstehen konzentrische Farbringe, die Wasserwellen

    verblffend hnlich sehen. Aber die Analogie zu Schall-

    oder Wasserwellen war noch eine rein uerliche. Fast alle

    Erscheinungen, die wir heute als Beweise fr die Wellen-

    natur des Lichtes anfhren, waren den Physikern des 17.

    Jahrhunderts schon bekannt. G r i m a l d i und unabhngig

    von ihm Hooke hatten die Beugung des Lichtes an einer

    Kante beschrieben. In seiner Mikrographia (1665) gibt Hooke

    auch eine ausfhrliche Darstellung der Farben dnner Bltt-

    chen, die durch Interferenz entstehen. Nur die Berechnung

    der Doppelbrechung beim islndischen Kalkspat durch

    H u y g e n s auf Grund der Wellentheorie konnte man als

    direkten Beweis fr diese anfhren. Sonst hatte man nur

    qualitative Vergleiche in Hnden. Obwohl Newton bereits

    das Fortschreiten einer Welle in einem elastischen Medium

    mathematisch untersucht hatte, wurde doch erst hundert

    Jahre spter, durch Y o u n g und F resne l , die Bewegung

    des Lichtes, die Reflexion, Beugung und Interferenz ma-

    thematisch behandelt, so exakt als eben mglich.

    Die Behauptung, Newton sei der Erfinder der Emanati-

    onstheorie des Lichtes, hren wir immer wieder, so unsin-

    nig dies auch ist. Schon im Altertum hlt man das Licht

    fr eine materielle Ausstrmung. Ga l i l e i spricht von Licht-

    atomen. Newton selbst wurde zu der Annahme, da das

    Licht eine gewisse Substanz sei, vor allem durch seine

    Erkenntnis gedrngt, da die Farbigkeit eine Eigenschaft

    18

  • des Lichtes selbst ist und nicht durch irgendwelche St-

    rungen im Prisma oder in den Linsen entsteht. So nahm

    Ilooke an, da die Farben durch den Winkel zwischen Licht-

    welle und Ausbreitungsrichtung dieser Welle gegeben sei.

    Demgegenber sagt Newton in seiner Denkschrift an die

    Royal Society Neue Theorie des Lichtes und der Farben"

    (1672): Geradeso wie Lichtstrahlen sich nach Graden der

    Brechbarkeit unterscheiden, so unterscheiden sie sich in

    der Fhigkeit, diese oder jene besondere Farbe zu zeigen.

    Die Farben sind nicht, wie allgemein geglaubt wird, Mo-

    difikationen des Lichtes, sondern ursprngliche und ange-

    borene Eigenschaften. Einige Strahlen sind befhigt, die

    rote Farbe zu zeigen und keine andere, einige die gelbe

    und keine andere, einige die grne und keine andere usw.."

    Er schliet dann: Da wir nun den Grund der Farben nicht

    in den Krpern, sondern im Licht gefunden haben, so haben

    wir guten Grund, dieses als Substanz zu bezeichnen... Aber

    mehr absolut und eingehender zu bestimmen, was das Licht

    ist, auf welche Weise es gebrochen wird und auf welche

    Art, oder durch welche Aktion es in unserem Geist die

    Einbildung der Farben hervorbringt, das ist nicht so leicht.

    Und ich will nicht Vermutungen mit Gewiheit vermischen."

    Diese Substanzialitt des Lichtes Substanz" als Tr-

    ger von Eigenschaften verstanden war in der Folge Ge-

    genstand heftigster Angriffe von Newtons Zeitgenossen.

    Vor allem Hooke wandte sich scharf gegen ihn. Gegen die-

    se Kritik schlgt Newton, wie es schon Barrow tat, einen

    Kompromi vor: Es ist wahr, da ich aus meiner Theo-

    rie auf die Krperlichkeit des Lichtes schliee; aber ich

    tue dies ohne eine absolute Bestimmtheit und gebe es hch-

    stens als eine sehr plausible Folgerung meiner Doktrin um!

    nicht als eine fundamentale Annahme... Wenn wir anneh-

    men, da die Lichtquellen aus kleinen Krpern bestehen,

    die von der leuchtenden Substanz nach allen Seiten ausge-

    sandt werden, so mssen diese, wenn sie auf irgendwelche

    19

  • brechende oder reflektierende Oberflchen treffen, so not-

    wendig Schwingungen im ther erzeugen, wie ein Stein

    im Wasser, wenn er in dieses geworfen wird." Newton

    halte vor allein einen Einwand gegen Hooke: Wie er frei-

    lich die Wellentheorie in anderen Schwierigkeiten vertei-

    digen will, das wei ich nicht. Mir scheint seine funda-

    mentale Annahme selbst unmglich, nmlich da die Wel-

    len oder Schwingungen irgendeiner Flssigkeit in geraden

    Linien fortgepflanzt werden, ohne immerwhrend nach al-

    len Richtungen in das ruhende Medium, durch das sie be-

    grenzt werden, einzubiegen und sich darin auszubreiten.

    Ich mte mich sehr irren, wenn da nicht Experiment und

    Demonstration beide zum Gegenteil fhrten."

    Wir lesen immer wieder, die Autoritt Newtons habe die

    Entwicklung der Lichttheorie fr Jahrhunderte aufgehalten;

    es waren die Grnde, die er gegen die Wellentheorie anfh-

    ren konnte. Von allen seinen Zeitgenossen erkannte gerade

    Newton am klarsten die Vorzge der Wellenhypothese, vor

    allem den Zusammenhang zwischen Tiefe und Dicke" der

    Welle, zwischen der Wellenlnge, wie wir heute sagen und

    der Farbe des Lichtes. Der Begriff der Interferenz, da

    Licht zu Licht gefgt unter Umstnden, bei entsprechen-

    der Phasendifferenz, Dunkelheit ergibt, war sowohl den

    Anhngern der Wellentheorie wie auch Newton noch un-

    bekannt. Aber wieder war es Newton, der bei der Erkl-

    rung der partiellen Reflexion auf den Einflu der Schwin-

    gungsphasen hinwies: Um zu erklren, warum von den

    Strahlen, die auf dieselbe durchsichtige Oberflche fallen,

    immer einige zurckgeworfen, andere aber durchgelassen

    werden, nehmen wir an, da bei der Wechselwirkung zwi-

    schen ther und Licht der ther in den Krpern durch

    die Lichtstrahlen in Schwingung versetzt wird. Durch die-

    se Schwingungen wird der ther abwechselnd zusammen-

    gepret und ausgedehnt. Die Lichtstrahlen nun, die auf

    den komprimierten ther treffen, werden augenscheinlich

    20

  • zurckgeworfen, whrend die Strahlen, die auf den ver-

    dnnten Teil, auf das Intervall zwischen zwei Schwingun-

    gen treffen, durchgelassen werden.

    Denselben Gedanken finden wir bei den Farben dnner

    Blttchen: Jeder Lichtstrahl erlangt in seinem Durchgang

    durch eine brechende Flche eine gewisse Eigenschaft oder

    Disposition, welche im weiteren Verlauf des Strahles in

    gleichen Intervallen wiederkehrt und ihn bei jeder Wie-

    derkehr befhigt, durch die nchste brechende Flche leicht

    durchgelassen zu werden und zwischen jeder Wiederkehr

    leicht reflektiert zu werden... Ich untersuche hier nicht,

    worin dieses Verhalten besteht, ob in einer kreisfrmigen

    oder einer schwingenden Bewegung des Strahles oder des

    Mediums oder worin sonst." Auch den Gedanken der Po-

    larisation spricht Newton bei der Erklrung der Doppelbre-

    chung aus: Besitzen nicht die Lichtstrahlen verschiedene

    Seiten mit verschiedenen ursprnglichen Eigenschaften?"

    Die Beugung des Lichtes war fr Newton eine groe

    Schwierigkeit. Die erste seiner Fragen, mit welchen er sein

    groes Werk, die Optik", abschliet, lautet: Wirken die

    Krper nicht schon in einiger Entfernung auf das Licht ein,

    indem sie die Lichtstrahlen beugen? Und wird nicht diese

    Einwirkung unter sonst gleichen Umstnden umso strker

    sein, je geringer die Entfernung ist?" Diese Frage wurde

    durch die Ablenkung des Lichtes am Sonnenrand (nach

    Einstein: im Schwerefeld der Sonne) wieder hchst aktuell.

    Aber auch fr die Wellentheoretiker war die Beugung

    ein ungelstes Problem. Gerade H u y g e n s versuchte zu

    beweisen, da es nach der Wellentheorie keine Beugung

    geben knne. Erst durch die Arbeiten F resne l s (1788-

    1827) wurde die mechanische Theorie der Wellenausbrei-

    tung in einem elastischen Medium so weit ausgebaut, da

    sich Beugung und Interferenz als Folgen der Theorie er-

    gaben. Mit zwei schwach gegeneinander geneigten Spie-

    geln konnte er zeigen, da das Licht des einen Spiegels

    21

  • durch das Licht des anderen Spiegels streifenweise aus-

    gelscht wird. Diese Interferenzerscheinungen schienen

    nur durch die Wellentheorie erklrbar. Fresnel konnte

    vor allein auch mathematisch die Mglichkeit gerader und

    scharf begrenzter Wellenstrahlen nachweisen. Neben Fres-

    nel waren es insbesondere Y o u n g und F r aunho f e r ,

    die diese Entwicklung frderten. Die wellentheoretische

    Erklrung der Beugung und Interferenz, der geradlinigen

    Lichtausbreitung, der Polarisation brachte, so schien es,

    den endgltigen Sieg der Wellentheorie ber die Emissi-

    onstheorie. Die Anhnger der Emissionstheorie starben all-

    mhlich aus, wenn auch bis in die Mitte des 19. Jahrhun-

    derts namhafte Physiker wie z.B. B iot und L ap l a c e fr

    die Lichtemission eintraten. Biot wies auch nach, da die

    Interferenz kein zwingender Beweis fr die Wellentheo-

    rie des Lichtes ist.

    Einen vlligen Umschwung erfuhr die Lichttheorie durch

    James Clark Maxwe l l (1831 -1879), der Magnetismus,

    Elektrizitt und Licht in seiner elektromagnetischen Licht-

    theorie zu einer Einheit zusammenfate. Oers ted hatte

    1820 den ersten Zusammenhang zwischen Elektrizitt

    und Magnetismus beobachtet: Eine Kompanadel wird

    durch einen elektrischen Strom abgelenkt. Diese einfache

    Beobachtung wurde dann durch Fa r aday (1791-1867) in

    einer Reihe glnzender Experimente ausgebaut. Faraday

    ging dabei von der Vorstellung aus, da die elektrischen

    und magnetischen Wirkungen sich in Kraftlinien durch

    den Raum ausbreiten. Diese Nahwirkungstheorie und die

    Tatsache, da die Lichtgeschwindigkeit c der Umrechnungs-

    faktor zwischen elektrostatischen und elektromagnetischen

    Einheiten ist, wie W e b e r und K o h l r a u s c h schon expe-

    rimentell nachgewiesen hatten, waren fr Maxwell der An-

    sto, das Licht als eine elektromagnetische Erscheinung

    anzusehen. Mathematisch behandelte er die elektromagne-

    tischen Schwingungen als mechanische Schwingungen in

    22

  • einer inkompressiblen Flssigkeit, ganz im Sinne der da-

    maligen klassischen Mechanik.

    Nicht zu bersehen ist, neben den physikalischen Vor-

    aussetzungen, den Forschungen Fresnels und Faradays,

    der Fortschritt der mathematischen Technik. Erst die Vek-

    toranalysis und die Quaternionen Hamiltons lieferten den

    mathematischen Formalismus, der Maxwell die elegante

    Form seiner Gleichungen ermglichte, die wesentlich zum

    Sieg ber die Webersche Theorie beitrug. Damit war aber

    die physikalische Theorie auf ein totes Geleise geraten,

    da man nunmehr das Krftepaar Elektrizitt-Magnetismus

    uns als Alternative dem mechanischen Krftepaar Zug -

    Druck gegenberstellte. Dadurch war der Weg zu einer

    alle Energieformen gleichwertig umfassenden Theorie ver-

    baut. Der neuentdeckte mathematische Formalismus ge-

    stattete nur die Berechnung einer elektro-magnetischen

    Zweikrftewelt (Zug und Druck), dies allerdings in sehr

    bequemer und eleganter Form. Fr die technische Wirt-

    schaft ein unbezahlbarer Vorteil. Die Theorie aber endete

    notwendig bei einer physikalisch verstmmelten vierdi-

    mensionalen Raum-Zeitwelt.

    Ein wichtiger Fortschritt der neuen Theorie lag vor

    allem darin, da allmhlich an die Stelle des alten ela-

    stischen, feinmateriellen Weltthers, in dem sich mecha-

    nische Wellen fortpflanzen, ein Lichtther trat, der elek-

    tro-magnetische Schwingungen vollfhrt. Damit war eine

    der Hauptschwierigkeiten der Wellentheorie behoben. Der

    alte Fresnelsche ther sollte einerseits auerordentlich

    elastisch, anderseits uerst fein verteilt sein. Diese For-

    derungen widersprachen allen sonstigen Erfahrungen in

    der Mechanik, denn Krper sind umso elastischer, je dich-

    ter und fester sie sind. Dem neuen elektro-magnetischen

    Lichtther konnte man dagegen jede beliebige Fhigkeit

    zuschreiben, da es nichts Analoges in der Erfahrung gab.

    Die elektro-magnetischen Wellen waren zunchst Hypothese.

    23

  • Erst durch die genialen Versuche von Heinrich Her tz

    (1888) wurde die Maxwellsche Theorie, vor allem die Zu-

    sammengehrigkeit von Licht und elektromagnetischen

    Wellen, hervorragend besttigt. Hertz konnte elektromag-

    netische Wellen reflektieren, brechen, beugen und auch

    Polarisation nachweisen. Die Huygenssche Wellentheorie

    hatte in etwas abgenderter Form, aber dafr bedeutend

    erweitert, einen glnzenden Sieg errungen.

    Der Michelsonversuch

    Die geradezu souverne Beherrschung der elektromag-

    netischen Erscheinungen durch die Maxwellschen Gleichun-

    gen ergab naturgem die Mglichkeit, Fragen, die man

    bis dahin nur rein spekulativ errtern konnte, exakt zu

    untersuchen. Aber nicht allein die Theorie und die mathe-

    matische Technik wurde in den letzten zweihundert Jah-

    ren gewaltig entwickelt. Gewi hatten schon Galilei, Hooke,

    Newton messend experimentiert. Die Genauigkeit der Mes-

    sungen war jedoch durch die fortschreitende technische

    Vervollkommnung der Meinstrumente und durch neue

    Memethoden unvergleichlich erhht worden. Die Maxwell-

    sche Theorie gab den Ansto, auch die Frage der Lichtge-

    schwindigkeit wiederum genauestens zu berprfen. Schon

    der Araber Al Hasan im 11. Jahrhundert hatte vermutet,

    da das Licht eine gewisse Zeit bentigt, wenn es sich

    durch den Raum bewegt. Dies war aber nur Vermutung,

    so wie wir heute annehmen, da sich auch die Gravitati-

    on mit endlicher Geschwindigkeit durch den Raum fort-

    pflanzt. Man hatte versucht, die Lichtgeschwindigkeit durch

    Abdecken von Laternen und Zuruf festzustellen. Aber erst

    im Jahre 1675 konnte Olaf Roeme r aus den Durchgn-

    gen der Jupitermonde eine endliche Lichtgeschwindigkeit

    nachweisen und auch berechnen. 1728 folgte B rad l ey mit

    seiner Berechnung aus der astronomischen Aberration. Im

    24

  • 19. Jahrhundert wurde dann mehrfach, zuerst von Fo-

    caul t und von F i zeau , die Lichtgeschwindigkeit mit Hilfe

    sinnreicher Maschinen auf der Erde gemessen.

    Maxwe l l erkannte zuerst, da sich das Licht auf der

    Erde nicht nach allen Seiten gleich schnell ausbreiten kn-

    ne. Nach der Wellentheorie bewegt sich das Licht in einem

    Medium als fortschreitende Strung weiter. Ob wir dabei

    an den mechanisch-elastischen ther denken oder an den

    elektromagnetischen ther, wie er sich aus der Maxwell-

    schen Theorie nach und nach herausgebildet hat, ist fr

    unsere berlegungen ohne Belang. Jedenfalls knnen wir

    annehmen, da dieses Medium nach allen Seiten durchaus

    homogen ist. Daraus folgt notwendig, da irgendein Licht-

    impuls, der von einem Erregungszentrum ausgeht, sich

    als Strungswelle nach allen Seiten gleich schnell ausbrei-

    tet. Wir haben keinerlei Anla anzunehmen, da irgendeine

    Richtung bevorzugt sein soll, da sich das Licht etwa nach

    der einen Seite schneller, nach der anderen aber langsa-

    mer ausbreitet. Dies gilt jedoch nur dann, wenn das Erre-

    gungszentrum selbst im Medium ruht. Erzeugen wir in ru-

    hendem Wasser mit einem Stab Wellen, so entstehen kon-

    zentrische Wellenkreise. Der Stab befindet sich immer im

    Mittelpunkt dieser Kreise. Wiederholen wir aber denselben

    Versuch in einem ruhig flieenden Wasser, so wird die

    eine Seite der erzeugten Kreiswellen von der Strmung

    gegen das Erregungszentrum mitgenommen, der andere

    Teil wird von der Strmung vom Stab weggetragen. Die

    Wellenkreise werden zu Ellipsen verzerrt.

    Ganz die gleichen Verhltnisse haben wir beim Schall.

    Der Schall wird vom Wind mitgefhrt. Dadurch wird die

    Schallgeschwindigkeit gegen den Wind kleiner, mit dem

    Wind aber grer. Gegen den Wind legt der Schall in der

    Sekunde eine kleinere Strecke zurck, mit dem Wind aber

    eine grere Strecke als bei ruhender Luft. Aus dem

    Wellenkreis wird im bewegten Wasser eine Wellenellipse,

    25

  • aus der Wellenkugel beim Schall ein Wellenellipsoid. Das

    gleiche mu auch fr Wellen im Lichtther gelten.

    Jede Bewegung ist relativ. Dieselben Erscheinungen, die

    wir bei unserem Versuch in flieendem Wasser beobach-

    ten konnten, mssen wir auch dann erhalten, wenn wir

    statt des Wassers den Stock weiter bewegen. Dieser Fall

    ist nun, nach Maxwells Theorie, beim Licht auf unserer

    Erde gegeben. Die Erde ruht nicht im Schwingungsmedi-

    um des Lichts, im ther. Die Erde vollfhrt vielmehr eine

    auerordentlich komplizierte Bewegung. Zur tglichen Ro-

    tation um die eigene Achse kommt der jhrliche Kreislauf

    um die Sonne mit einer Geschwindigkeit von 30 km in der

    Sekunde. Die Sonne selbst bewegt sich mit allen Planeten

    mit einer Geschwindigkeit von 20 km in der Sekunde gegen

    das Sternbild des Herkules. Dazu kommt die Rotation des

    ganzen Milchstraensystems usw.. Es ist kein Ende der

    Bewegungen. Aber wie bewegt sich der Lichtther?

    Sicher scheint jedenfalls, da der Weltlher, der das

    ganze Weltall erfllt, nicht alle diese komplizierten Bewe-

    gungen unseres winzigen Planeten mitmachen kann. Es mu

    also, so schlo Maxwell mit gutem Recht, zwischen Licht-

    ther und Erde irgendeine relative Bewegung bestehen.

    Die Erde bewegt sich im Weltther. Anders ausgedrckt:

    Bei unserer Reise durch das Weltall blst unserem Pla-

    neten ein ordentlicher therwind um die Ohren. Dieser

    therwind, oder die Bewegung der Erde im ther mte

    sich aber nach der Wellentheorie feststellen lassen. Das

    Licht wird durch die Bewegung des Mediums mitgefhrt.

    Die Lichtgeschwindigkeit mte also gegen den therwind

    kleiner, mit dem therwind aber grer sein als senkrecht

    zur Richtung des therwindes. Betrachten wir wieder den

    Weltther als ruhend, die Erde aber als bewegt, so mte

    die Lichtgeschwindigkeit in der Richtung der Erdbewe-

    gung kleiner sein als gegen die Richtung der Erdbewegung.

    Im Verhltnis zu der ganz ungeheuren Geschwindigkeit

    26

  • des Lichtes von 300000 km in der Sekunde war natrlich

    ein Unterschied von plus oder minus 30 km/sec, wie er als

    Folge der Erdbewegung um die Sonne zu erwarten war,

    verschwindend klein. Die direkte Messung der Lichtge-

    schwindigkeit war nicht imstande, die erforderliche Ge-

    nauigkeit zu erreichen. Maxwell selbst erlebte die Ver-

    wirklichung seiner berlegungen nicht mehr.

    Zwei Jahre nach Maxwells Tod, im Jahre 1881, gelang

    es M iche l son in Potsdam eine geeignete Apparatur auf-

    zustellen. Albert Abraham Michelson (1852-1931), ein ganz

    hervorragender Experimentator, hatte sich schon frher mit

    der Messung der Lichtgeschwindigkeit befat. Er hatte dabei

    ein Verfahren von F i zeau weiterentwickelt, bei dem die

    Lichtgeschwindigkeit zwar nicht direkt gemessen wird, das

    aber Vernderungen der Geschwindigkeit uerst genau re-

    gistriert. Das Verfahren besteht darin, da ein Lichtstrahl

    durch einen halbdurchlssigen Spiegel in zwei Teile zer-

    legt wird. Die beiden Teile legen verschiedene Wege zu-

    rck und werden schlielich durch Spiegel und Linsen

    wieder vereinigt und auf einem Schirm aufgefangen. Auf

    dem Schirm entstehen Interferenzstreifen. Jede kleinste

    Vernderung im Lichtweg eines der beiden Strahlenteile

    bewirkt sofort eine Verschiebung dieser Interferenzstrei-

    fen. Natrlich verschieben sich auch die Interferenzstrei-

    fen, wenn auf einem der beiden Strahlenwege die Licht-

    geschwindigkeit verndert wird, etwa durch Einfgen von

    Glas oder Wasserschichten. In dieser Weise hatte schon

    1851 Fizeau die nderung der Lichtgeschwindigkeit in

    bewegtem Wasser untersucht.

    Die Michelsonsche Versuchsapparatur war durchaus ge-

    eignet, auch weit kleinere Unterschiede in der Lichtge-

    schwindigkeit festzustellen, als man sie auf der Erde in-

    folge des therwindes erwarten konnte. Da die Eigenart

    des Strahlenganges in der Michelsonschen Apparatur die

    folgende Entwicklung entscheidend mitbestimmt hat, wollen

    27

  • wir etwas nher darauf eingehen. Von einer Lichtquelle *

    fllt ein Lichtstrahl unter 45 auf einen halbdurchlssigen

    Spiegel HSp. Der eine Teil des Lichtstrahles wird senk-

    recht zu seiner Einfallsrichtung abgelenkt, der andere

    durchsetzt in gerader Linie den halbdurchlssigen Spiegel.

    Beide Strahlenteile werden durch die Spiegel Spl und Sp2

    in sich zurckgeworfen, so

    da sie wieder auf den halb-

    durchlssigen Spiegel treffen.

    Dort werden sie durch ein

    Linsensystem gesammelt. Da

    beide Lichtwege niemals voll-

    kommen gleich gemacht wer-

    den knnen, ergeben sich auf

    dem Beobachtungsschirm In-

    terferenzstreifen Jnterf. von bestimmten Abstand.

    Die ganze Versuchsapparatur bewegt sich der Vorstel-

    lung Maxwells entsprechend mit der Erde irgendwie durch

    den Weltther. Nehmen wir an, der eine Lichtstrahl laufe

    zufllig gerade in der Richtung des therwindes. Dann

    luft die zweite Strahlenhlfte senkrecht zum therwind.

    Nun drehen wir das ganze Spiegelsystem: Die beiden Strah-

    lenhlften vertauschen ihre Rollen. Die erste Strahlenhlfte

    luft jetzt senkrecht zum therwind, die zweite Hlfte in

    der Richtung des therwindes, bzw. in der Richtung der

    Erdbewegung im ther. Wie schon gesagt kann aber nach

    der Wellentheorie die Lichtgeschwindigkeit in der Richtung

    des therwindes nicht gleich sein der Geschwindigkeit

    senkrecht dazu. Am grten ist die Geschwindigkeit mit

    dem therwind, am kleinsten dem therwind entgegen,

    ganz wie beim Schall im Wind. Die Geschwindigkeit senk-

    recht zum therwind liegt dazwischen.

    Bei der Versuchsanordnung Michelsons wird jedoch, das

    ist zu beachten, nicht die Lichtgeschwindigkeit in der Be-

    wegungsrichtung des thers mit der Lichtgeschwindigkeit

    28

  • gegen diese Richtung verglichen. Vielmehr durchlaufen

    beide Strahlenteile ihre Bahn zweimal, hin und zurck.

    Beim Strahlenteil, der senkrecht zum therwind luft, ist

    die Lichtgeschwindigkeit auf beiden Wegteilen, sowohl hin

    wie zurck, gleich gro. Bei der anderen Strahlenhlfte,

    die in der Richtung des therwindes luft, sind die Ge-

    schwindigkeiten auf dem Hinweg und auf dem Rckweg ver-

    schieden. Die Berechnung ergibt, da die Mittelgeschwin-

    digkeit etwas grer ist als die Geschwindigkeit des Licht-

    strahles, der senkrecht zum therwind luft. Drehen wir

    also die Versuchsapparatur um 90, so vertauschen die bei-

    den Strahlenhlften ihre Geschwindigkeiten, und die im

    Fernrohr beobachteten Interferenzstreifen mten sich ver-

    schieben. Bei weiterer Drehung um 90u mte schlielich

    das ursprngliche Interferenzstreifenbild wieder erscheinen.

    Das Ergebnis des Versuches, den M i che l s on im Jahre

    1881 ausfhrte, war jedoch negativ. Eine Verschiebung der

    Interferenzstreifen konnte nicht beobachtet werden. Der

    gleiche Versuch wurde in der Folge immer wieder und von

    verschiedenen Physikern wiederholt. Das Ergebnis war

    nicht immer vollkommen negativ. Doch diese Abweichungen

    vom negativen Ergebnis wurden als Beobachtungsfehler

    oder Mngel der Versuchsapparatur erklrt.

    Die Lsungen des Michelsonschen Dilemmas

    Durch das negative Ergebnis des Michelsonversuches war

    die Physik in arge Schwierigkeiten geraten. Auf der einen

    Seite standen die wohlbegriindeten Erwartungen, wie sie

    sich aus der Wellentheorie des Lichtes zwingend ergaben.

    Auf der anderen Seite stand die Beobachtung der Natur

    im Michelsonversuch. Zunchst wurde naturgem das ne-

    gative Ergebnis des Michelsonversuches berhaupt ange-

    zweifelt. Durch Wiederholungen des Versuches wurden die-

    se Zweifel ausgeschaltet. Dann tauchte die Annahme auf,

    da der ther von der bewegten Erde milgenommen wird.

    29

  • Dadurch wrde also die Michelsonsche Versuchsapparatur

    in dem von der Erde mitgefhrten Lichtther ruhen. Diese

    Annahme sollte durch die Wiederholung des Versuches auf

    hohen Bergen berprft werden. Ein wenig berzeugen-

    der Beweis. Die Erdatmosphre macht viele Kilometer hoch

    die Erdrotation mit; warum sollte der ther auf einem

    Berg hinter der Erde zurckbleiben?

    Neben die physikalischen Erklrungsversuche traten bald

    theoretisch-formale Lsungen. Im Jahre 1892 hatte Fitz-

    gera l d die Hypothese aufgestellt, da alle materiellen

    Krper durch den therwind etwas zusammengedrckt,

    also verkrzt werden. H. A. Lo ren t z (1853-1928) bernahm

    diese Hypothese in seiner Elektronentheorie. Durch diese

    sogenannte Lorentzkontraktion wird beim Michelsonversuch

    der Weg des einen Lichtstrahls, der in der Richtung des

    therwindes luft, krzer, da der Abstand zwischen den

    beiden Spiegeln kleiner geworden ist. Drehen wir den Ap-

    parat um 90, so dehnt er sich in dieser Richtung wieder

    aus, der Abstand der beiden Spiegel wird wieder grer.

    Durch diese Verkrzung und Verlngerung der Spiegelab-

    slnde wird aber die entgegengesetzte Verlngerung und

    Verkrzung des Lichtweges, die sich nach der Wellen-

    theorie durch den therwind ergibt, ausgeglichen. Die Lo-

    rentzkontraktion drckt also alle materiellen Krper etwas

    zusammen, so da sie in der Richtung, in der sie sich im

    ther bewegen, etwas verkrzt werden. Senkrecht zu die-

    ser Richtung bleiben sie unverndert. Aus der Lorentz-

    kontraktion folgt notwendig das negative Ergebnis des

    Michelson Versuches.

    Man wirft der Hypothese von Fitzgerald und Lorentz

    vor, da sie nur ad hoc, nur zur Lsung des Michelson-

    schen Dilemmas erfunden wurde. Der Vorwurf ist unge-

    recht. Ein groer Teil aller Theorien wurde nur zur Er-

    klrung eines einzelnen Phnomens ersonnen. Da sich

    diese Hypothesen dann auch auf andere Naturerscheinungen

    30

  • anwenden lieen, ergab sich zumeist erst in der Folge. Ent-

    scheidend erscheint mir dagegen der Einwand, da sich die

    Lorentzkontraktion ihrer Natur nach nicht nachweisen lt.

    In der Tat, hier ist die Theorie berfordert. Hypothesen wer-

    den aufgestellt, um zu erklren, warum und auf welche Wei-

    se irgendeine Erscheinung zustande kommt. Die Lorentz-

    kontraktion soll aber begrnden, warum es etwas nicht gibt.

    Offensichtlich eine schwierige und vieldeutige Aufgabe.

    Schon 1908 hatte der Schweizer Physiker R i t z eine kor-

    puskular-ballistische Theorie des Lichtes entwickelt, die

    ebenfalls das negative Ergebnis des Michelsonversuches

    erklrt. Nach Ritz wird die Lichtgeschwindigkeit nicht durch

    den ther bestimmt, sondern durch die Lichtquelle, die

    die Lichtstrahlen aussendet. Aber auch die entgegenge-

    setzte Annahme, da die Lichtgeschwindigkeit nicht durch

    die Lichtquelle, sondern durch den Lichtempfnger be-

    stimmt wird, fhrt zum gleichen Ziel.

    Der Gedanke, da sich das Licht nicht von der Licht-

    quelle weg, sondern zum Lichtempfnger hin bewegt, ist

    nicht so unnatrlich. Zuerst nahm man an, da im Stein

    eine Kraft sitzt, die ihn zur Erde hin bewegt. Dann ver-

    trat man die Auffassung, da die Erde den Stein anzieht.

    Seit Newton wissen wir, da Stein und Erde sich gegen-

    seitig anziehen. Beim Licht wird es nicht anders sein. Die

    Gravitation ist auf den gemeinsamen Schwerpunkt der sich

    anziehenden Massen zu beziehen. Den Bezugspunkt fr

    die Lichtgeschwindigkeit haben wir noch nicht.

    Seit der ersten Ausfhrung des Michelsonversuches sind

    ber 85 Jahre vergangen. Die Relativittstheorie feierte

    ihr 60jhriges Jubilum. Die bedeutensten Theoretiker

    unserer Zeit haben sich mit diesen Problemen befat. Man

    mchte tatschlich den Versicherungen des Fachmanns"

    glauben, da dieses Gebiet vllig geklrt und abgeschlos-

    sen sei. Doch immer noch werden neue Erklrungsmg-

    lichkeiten des Michelsonversuches ersonnen und neue

    31

  • Widersinnigkeiten der relativistischen Fabel aufgedeckt.

    Das Ergebnis des Michelsonversuches kann keineswegs

    als klar und eindeutig bezeichnet werden.

    Doch wenden wir uns der epochemachenden Erfindung

    Einsteins zu. Fitzgerald und Lorentz vernderten zur Er-

    klrung des Michelsonversuches die Lngen. Ritz versuch-

    te die Lichtgeschwindigkeit zu ndern. Eine dritte Mg-

    lichkeit, die W. Vo ig t schon 1887 bekannt gemacht hatte,

    die Vernderung der Lngen und der Zeilen, wurde 18 Jah-

    re spter die berhmte Einsteinsche Relativittstheorie".

    Die Einsteinsche Relativittstheorie"

    Die Relativittstheorie Albert E i n s t e i n s (1879-1955)

    vom Jahre 1905 hat die Entwicklung der physikalischen

    Theorie bis in die Gegenwart entscheidend mitbestimmt

    weniger durch ihre Ergebnisse als vielmehr durch die

    eigenartigen Methoden, die Einstein damit in die Physik

    eingefhrt hatte. Es gibt eine Reihe von Darstellungen

    dieser Theorie; die erste und bekanntetste ist wohl die von

    L a u e . In gewissen Sinne typisch, sehr populr, aber nir-

    gends auf die eigentliche Problematik eingehend: Die

    Evolution der Physik" von Einstein-Infeld.

    Die verschiedenen Autoren gehen verschiedene Wege.

    Die lteren Darstellungen folgen durchwegs der historischen

    Entwicklung. Sie gehen vom negativen Ergebnis des Mi-

    chelsonversuches aus. Neuere Darstellungen, besonders in

    der theoretischen Physik, stellen das Einsteinsche Postu-

    lat von der absoluten Konstanz der Lichtgeschwindigkeit

    an die Spitze und entwickeln dann den Maxwellschen

    Elektromagnetismus so, da er diesem Postulat gengt.

    Es ist klar, da eine kritische Untersuchung nur dem histo-

    rischen Werdegang folgen kann. Nur so wird deutlich, was

    organisch gewachsen, was Zufall und was Absicht ist. Vor

    allein werden die Nahtstellen sichtbar, die oft nur allzu

    zielstrebigen Sprnge von einem Gedanken zum anderen.

    32

  • Der unmittelbare Anla zur Aufstellung der Relativitts-

    theorie wird verschieden angegeben. Wir hren, da Einstein

    das klassische Relativittsprinzip auf die Erscheinungen

    des Elektromagnetismus ausdehnen wollte. Diese Behaup-

    tung ist ganz offensichtig sinnlos. Natrlich dachte Galilei

    nur an eine mechanische Verschiebung materieller Krper.

    Aber auch vor Einstein konnte niemand vernnftigerwei-

    se erwarten, da es gelingen werde, mit Hilfe irgendwel-

    cher elektromagnetischer Erscheinungen eine absolute Be-

    wegung festzustellen. Selbst wenn es mglich wre, etwa

    durch Messung der Lichtgeschwindigkeit, eine Bewegung

    der Erde im Fresnelschen ther oder im Maxwellschen

    Feld festzustellen, htte man damit keineswegs eine abso-

    lute Bewegung gefunden. Die Feststellung einer solchen

    Bewegung (relativ zum ther) kann natrlich auch durch

    ein neues Einsteinsches Prinzip nicht ausgeschlossen wer-

    den. Hingegen lehrt schon das Galileisehe Prinzip, da

    wir eine solche Bewegung nicht als absolute Bewegung

    bezeichnen drften. In meiner Rationalen Physik" und

    auch in der Schrift Das Eine und das Werden, die Dia-

    lektik der alten Griechen" habe ich dies breit ausgefhrt.

    Das Relativittsprinzip ist keine Erfahrungstatsache, son-

    dern eine logische Erkenntnis a priori. Bewegung ist schon

    dem Begriff nach eine Relation, eine Beziehung zwischen

    zumindest zwei Dingen, wie etwa schnell, links oder oben.

    Es ist an sich sinnlos, von absolut schnell, absolut oben, ab-

    solut bewegt zu sprechen. Die Worte: schnell, oben, be-

    wegt knnen nur relativ, mit Beziehung auf ein anderes

    Etwas sinnvoll verstanden werden. Aus all dem folgt, da

    durch die Anwendung eines solchen Prinzips auf eine neue

    Erscheinung kein neues Prinzip entstehen kann. Ebensowe-

    nig wird dadurch das alte Prinzip irgendwie verndert oder

    erweitert. Hier bleibt also nichts von Einsteins genialer Tat.

    Tatschlich liegt der Ursprung der Relativittstheorie in

    dem Einsteinschen Postulat von der absoluten Konstanz

    33

  • der Lichtgeschwindigkeit. Dieses Postulat widerspricht so-

    wohl dem Galileischen wie auch einem Einsteinsehen Re-

    lativittsprinzip. Hier verzichtet Einsteins Theorie auf jede

    Relativitt und wird, jeder Erfahrung, jeder Vernunft zum

    Trotz, vllig absolut.

    Einstein geht, wie es zu dieser Zeit nicht anders sein

    konnte, von der Hypothese Maxwells aus, da sich das

    Licht im ther oder Weltfeld nach allen Seiten gleich

    schnell, also kugelfrmig ausbreitet. Zu dieser Hypothese

    kommt der Michelsonversuch, der beweist, da sich das

    Licht auch auf der im ther bewegten Erde nach allen Sei-

    ten gleich schnell, also ebenfalls kugelfrmig ausbreitet.

    Physikalisch, und schon rein logisch sind diese beiden

    Feststellungen unvereinbar. Als einzig vernnftiger Schlu

    folgt daraus: Eine der beiden Behauptungen mu falsch

    sein. Anders Einstein; er hlt in einmalig genialer Weise

    unbedenklich das Unmgliche fr mglich. Das Licht brei-

    tet sich sowohl im ther wie auf der im ther bewegten

    Erde kugelfrmig aus. Die Lsung dieses schwierigen Pro-

    blems hat allerdings nicht Einstein erfunden. Er fand sie

    in den schon lange vorher von W. Voigt und von Lar-

    mor aufgestellten Transformationsgleichungen, die Laue,

    ein Schler Voigts, in jungen Jahren die Einsteinschen

    Gleichungen" nannte. Wir wollen nicht unerwhnt lassen,

    da die Prinzipien der Voigtschen Transformation schon

    auf L a g r a n g e (t 1813), Chr. Dopp l e r (1842) und W.

    W e b e r zurckgehen (J. Trumpp). Die Bezeichnung Lo-

    rentztransformation" wurde 1906 von H. Po i nca re vor-

    geschlagen. Aber auch die physikalische relativistische"

    Ausdeutung dieser Formeln finden wir schon 1887 bei

    Voigt und 1899 bei Poincare. Doch Voigt und die anderen

    sahen klar die physikalische Irrealitt dieser mathematisch

    so interessanten Entwicklungen.

    Die entscheidende Wendung, die Fortlassung des ,Als

    ob', brachte 1905 A. E i n s t e i n . Kraft einer vertieften

    34

  • Einsicht in das Wesen der Raum- und Zeitmessung..."

    (Laue). Auf die vertiefte Einsicht" kommen wir zurck.

    Hier wollen wir zunchst sehen, was die heute Lorentz-

    transformation" genannten Gleichungen physikalisch be-

    deuten. Das Licht breitet sich im ther als Kugelwelle

    aus. Auf der Erde mu diese Kugel zum Wellenellipsoid

    werden, zum Guillaumeschen Ellipsoid. Werden nun Ln-

    gen und Zeiten nach der Lorentztransformation umgeformt,

    so wird dieses Ellipsoid wieder zu einer Kugel verzerrt. Da-

    mit ist das negative Ergebnis des Michelsonversuches er-

    klrt. Die Lorentzkontraktion konnte nur das arithmetische

    Mittel der Geschwindigkeit der einen Strahlenhlfte, die in

    der Richtung des therwindes luft, gleich machen der Ge-

    schwindigkeit der anderen Strahlenhlfte, die sich senk-

    recht zum therwind bewegt. Die Lorentztransformation

    dagegen macht alle vier Geschwindigkeiten einander gleich:

    Die Geschwindigkeit des Lichtes mit dem therwind wird

    gleich der Geschwindigkeit des Lichtes gegen den ther-

    wind und zugleich auch gleich der Lichtgeschwindigkeit

    senkrecht zum therwind. berdies sind alle diese drei

    einander gleichgemachten Geschwindigkeiten dem Zahlwert

    nach auch gleich der Lichtgeschwindigkeit im ther selbst.

    Das Licht breitet sich also bei Anwendung der Umfor-

    mung von Voigt sowohl im ther, wie auch auf der Erde

    als Kugelwelle aus. Voigt sah in seinen Formeln eine in-

    teressante mathematische Lsung eines physikalischen

    Problems. Einstein dagegen erklrt diese fremde mathema-

    tische Erfindung fr physikalische Wirklichkeit. Dies war

    Einsteins einmalig geniale, weltumstrzende Leistung, wie

    uns Laue, wenn auch sehr spt, besttigt.

    Diesen khnen Schlu begrndet Einstein: Wenn sich

    das Licht auf der Erde und zugleich auch im ther kugel-

    frmig ausbreitet, dann wird es sich ohne Zweifel auch

    auf anderen Sternen kugelfrmig ausbreiten. Die Lorentz-

    transformation bewirkt die dazu ntigen Verzerrungen der

    35

  • Lngen und Zeiten. Einstein schliet also weiter, da sich

    das Licht nicht nur auf der Erde, sondern berhaupt in

    jedem beliebigen (unbeschleunigten) Bezugssystem als Wel-

    lenkugel ausbreitet. Damit fllt aber jeder Anla weg, dem

    Maxwellschen Weltthersystem irgendwelche besondere

    Eigenschaften zuzuschreiben. Alle Bezugssysteme sind

    gleichberechtigt, sofern sie sich nur mit gleichbleibender Ge-

    schwindigkeit und geradlinig bewegen. Man kann natrlich

    ein Bezugssystem, das keinerlei besondere Eigenschaften

    aufweist, keinerlei besondere Wirkungen hervorruft, auch

    nicht feststellen. Darauf folgt der Schlu, da es einen die

    ganze Welt erfllenden ther, ein ruhendes, bevorzugtes

    Maxwellsches Bezugssystem" nicht gibt. Wellther oder

    Weltfeld lassen sich nicht feststellen, alle (unbeschleunig-

    ten) Bezugssysteme sind gleichberechtigt. Der Weltther

    wurde wieder einmal zu Grabe getragen.

    Doch dieser Beweisgang Einsteins ist so denkwrdig,

    da wir ihn hier noch einmal zusammenfassen wollen:

    1. Es gibt einen ther (ein bevorzugtes Maxwellsches

    Bezugssystem").

    la. Die Lichtgeschwindigkeit in diesem ther ist gleich c.

    Ib. Die Erde bewegt sich in diesem ther mit der Ge-

    schwindigkeit v.

    2. Die Lichtgeschwindigkeit auf der im ther bewegten

    Erde ist nicht, wie nach Galilei erwartet, c + v, son-

    dern wie im ther gleich c.

    3. Wenn die Lichtgeschwindigkeit im ther und auf der

    im ther bewegten Erde gleich c ist, dann mu sie

    auch in allen anderen gegen den ther bewegten Sy-

    stemen gleich c sein.

    3a. Die Lichtgeschwindigkeit ist somit nicht nur im ther,

    sondern auch auf der im ther bewegten Erde und

    berhaupt in allen gleichfrmig (im ther) bewegten

    Systemen gleich c. Die Lichtgeschwindigkeit ist ab-

    solut" konstant. Dies ist Einsteins Postulat".

    36

  • Bis hierher wre es fr den Weisen genug. Doch Ein-

    stein schliet weiter:

    4. Der ther hat keinen Einflu auf die Lichtgeschwindig-

    keit; er lt sich auch sonst in keiner Weise nachwei-

    sen. Positivistischer Schlu: es gibt daher keinen ther.

    Jetzt beginnen wir den Beweis noch einmal von vorne.

    So weit hat Einstein freilich nicht gedacht. Er ist vielmehr

    jeweils von der augenblicklichen Lsung des augenblick-

    lichen Problems befriedigt.

    Punkt 1 heit nicht mehr: Es gibt einen ther, sondern:

    1. Es gibt keinen ther.

    la. Die Lichtgeschwindigkeit im (nichtexistierenden)

    ther ist gleich c.

    Ib. Die Erde bewegt sich in diesem (nichtexistierenden)

    ther mit der (nichtwirklichen) Geschwindigkeit v.

    2. Die (wirkliche) Lichtgeschwindigkeit auf der im (nicht-

    wirklichen) ther mit der (nichtwirklichen) Geschwin-

    digkeit v bewegten Erde ist gleich c.

    Und wie dieser Humbug so weiter geht.

    Offensichtlich haben wir hier eine besondere Abart des

    in der Mathematik gebruchlichen Beweisganges der re-

    ductio ad absurdum". Man nimmt einen falschen Satz: Es

    gibt einen ther", als richtig an, um dann durch den Nach-

    weis, da diese Annahme zu Widersprchen fhrt, die

    gesetzte Annahme selbst als falsch zu erweisen.

    Anders Einstein und der Fachmann". Sie gehen von

    einer falschen Annahme aus: Es gibt einen ther". Sie

    kommen mit dieser falschen Annahme zu richtigen" Er-

    gebnissen, zur relativistischen Erklrung des Michelson-

    versuches. Und zum Schlu beweisen sie noch aus den

    richtigen Ergebnissen die Falschheit ihrer Prmissen. Es

    wre zuviel, vom Fachmann", dein in der Physik dilet-

    tierenden Mathematiker" (W. Mller) auch noch Elemen-

    tarkenntnisse in der Logik zu fordern. Dieser Beweisgang

    wird als Kuriosum in die Geschichte der Wissenschaften

    37

  • eingehen. Doch handelt es sich hier keineswegs um ein

    relativistisches Einzelstck. E. K a m m e r e r hat in seiner

    Schrift: Die Beurteilung der Lichtgeschwindigkeit. Eine

    Abrechnung mit der Relativittstheorie" eine ganze Reihe

    hnlicher logischer Kostbarkeiten aufgedeckt.

    Das Postulat der absoluten Konstanz der Lichtgeschwin-

    digkeit ergibt sich also fr Einstein als Folgerung aus

    der Feststellung, da die Lichtgeschwindigkeit im Welt-

    ther und auf der im ther bewegten Erde nach allen

    Seiten gleich gro ist. Der Schlu von diesen beiden Punk-

    ten, von den Lichtgeschwindigkeiten im ther und auf der

    Erde, auf die Lichtgeschwindigkeit in anderen Bezugssy-

    stemen, mu, da er nicht logisch zwingend ist, als Postulat

    gelten. Dieses Postulat ist bei Anwendung der Lorentztrans-

    formation formal erfllt. In allen wie immer unbeschleunigt

    bewegten Systemen wird eine elektromagnetische Welle

    als Kugelwelle beobachtet und nicht als Wellenellipsoid,

    wie es nach Maxwells Theorie sein sollte. Ob wir uns einem

    Lichtsignal entgegen bewegen oder von ihm weg, oder ob

    wir uns senkrecht zur Richtung des Lichtes bewegen, und

    mit welcher Geschwindigkeit, das ist dem Einsteinschen

    Postulat zufolge und bei Anwendung der Lorentztransfor-

    mation vllig ohne Einflu auf die relative Geschwindig-

    keit des Lichtes uns gegenber. In allen Fllen messen,

    oder richtiger: errechnen wir die gleiche Lichtgeschwin-

    digkeit von 300000 km in der Sekunde. Diese Geschwin-

    digkeit ergibt das sogenannte Einsteinsche Addilionstheo-

    rem", das 1900 von Po i n ca re abgeleitet wurde.

    Die Folgerungen der Relativittstheorie

    Untersuchen wir rational die Folgerungen, die sich aus

    den Thesen der Relativittstheorie ergeben, so zeigt sich

    vor allem die Notwendigkeit, die Theorie ihres magisch

    wirkenden mathematischen Gewandes zu entkleiden und

    weiter die unvorstellbar groe Lichtgeschwindigkeit in

    38

  • fabare Mae zu bertragen. Es ist uns natrlich durch-

    aus verstndlich, da es vllig ohne Einflu auf die Licht-

    geschwindigkeit ist, ob ich der Sonne entgegen gehe oder

    von ihr weg. Damit trsten uns die Relativisten, da bei

    normalen Geschwindigkeiten, im Alltag, in der Technik,

    schlielich alles beim Alten bleibt. Die Relativittstheorie

    bringt keinerlei Schwierigkeiten fr unser tgliches Leben.

    Sie bringt aber unberwindliche Schwierigkeiten fr den

    normalen, nichtrelativistischen Denkapparat. Was hier der

    menschlichen Vernunft zugemutet wird, ist nicht zu ber-

    bieten.

    Die Relativittstheorie geht, wie wir gesehen haben, von

    der absoluten Konstanz der Lichtgeschwindigkeit aus. Dieses

    Postulat wird mathematisch durch die Anwendung der Lo-

    rentztransformation erfllt. Die Lorentztransformation ist ein

    mathematisches Gleichungssystem mit verschiedenen Va-

    riablen, fr die man natrlich verschiedene Werte einsetzen

    kann. Es folgt also keineswegs aus diesen Formeln, da

    gerade die Lichtgeschwindigkeit absolut konstant ist. Es

    ist vielmehr umgekehrt: Zur Befriedigung seines Postulats

    hat Einstein die Formeln von Voigt mit der Lichtgeschwin-

    digkeit c bernommen. Dadurch ergab sich die absolute

    Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, wie auch immer man

    die brigen Gren variiert.

    Selbstverstndlich knnen wir an die Stelle der Licht-

    geschwindigkeit c jede beliebige andere Geschwindigkeit

    einsetzen; die Lorentztransformation verbietet dies nicht.

    Durch eine solche Substitution wird jetzt diese andere Ge-

    schwindigkeit ebenso konstant wie die Lichtgeschwindig-

    keit in Einsteins Theorie. Dadurch haben wir die Mglich-

    keit, die physikalischen Folgen der Lorentztransformation zu

    berschauen, whrend in der Relativittstheorie unser Vor-

    stellungsvermgen infolge der ungeheuren Geschwindigkeit

    des Lichtes vllig versagt. Setzen wir also an die Stelle der

    Lichtgeschwindigkeit von 300000 km in der Sekunde die

    39

  • Geschwindigkeit eines Schnellzuges von 90 km in der Stun-

    de in die Formeln ein. Damit ist die Geschwindigkeit un-

    seres Schnellzuges absolut konstant. Wir nehmen an, unser

    Zug fhrt auf einer endlos langen geraden Strecke, wie das

    eben in der Populr-Relativittstheorie so blich ist. Der

    Lokfhrer achtet darauf, da die Tachonadel immer genau

    auf 90 km zeigt. Unser Zug hat also relativ zu seiner Um-

    gebung, sagen wir relativ zu den vorbereilenden Tele-

    graphenstangen, die gleichbleibende Geschwindigkeit von

    90 km in der Stunde. Dies hat noch nichts mit der Rela-

    tivittstheorie zu tun. Das relativistische Denken beginnt

    erst, wenn der Beobachter, der die Geschwindigkeit unse-

    res Zuges mit, nicht mehr ruhig neben dem Geleise sitzt,

    sondern sich auch bewegt. Am einfachsten ist das zu ver-

    wirklichen, wenn der Beobachter auf dem zweiten Geleise

    einen Triebwagen zur Verfgung hat, mit dem er beliebig

    nach beiden Richtungen fahren kann.

    Zunchst steht der Triebwagen mit dem Beobachter in

    Ruhe auf dem Nebengeleise. Unser Schnellzug braust vor-

    ber. Der Beobachter hat eine leichte Aufgabe. Die Schnell-

    zugswagen sind gerade '25 Meter lang, so da er nur die

    vorberfahrenden Wagen zhlen mu, mit der Stoppuhr

    in der Hand. Er zhlt in 10 Sekunden 10 Wagen und er-

    rechnet daraus die Geschwindigkeit unseres Zuges: in einer

    Sekunde 25 Meter, in einer Stunde 90 Kilometer. Jetzt

    mten wir fr die nchste Messung auf den nchsten

    Schnellzug warten. Darum verlngern wir am besten unse-

    ren Zug, da er gar kein Ende nimmt. Alle Wagen sind

    genau 25 Meter lang und alle Wagen fahren natrlich mit

    der gleichen Geschwindigkeit, nmlich 90 km in der Stunde.

    Nun beginnt der relativistische Zauber. Der Triebwagen

    setzt sich in Bewegung und fhrt in derselben Richtung

    wie unser unbegrenzt langer Schnellzug. Der Beobachter

    zhlt dabei immerfort, wie viele Wagen unseres Zuges in

    jeweils 10 Sekunden an ihm vorber fahren. 10 Sekunden

    40

  • sind um, der Beobachter hat genau 10 Wagen gezhlt. Der

    Triebwagen fhrt immer schneller, bis er schlielich halb

    so schnell fhrt wie unser Schnellzug. Wieder zhlt unser

    Beobachter in 10 Sekunden 10 vorberfahrende Wagen un-

    seres Zuges. Noch schneller fhrt der Triebwagen neben

    dem Zug, bis er eine Geschwindigkeit von 89,9 km in der

    Stunde erreicht. Nur noch ganz wenig bleibt er hinter dem

    Zug zurck. Der Beobachter macht eine Stichprobe: Er

    zhlt wieder, wie bei allen frheren Messungen, genau 10

    Wagen in 10 Sekunden. So sonderbar dies auch scheinen

    mag, es ist relativistische Tatsache": Obwohl beide, der Zug

    und der Triebwagen, mit nahezu gleicher Geschwindigkeit

    fahren, so fahren doch in je 10 Sekunden je 10 Wagen

    des Schnellzuges vor. Der Beobachter errechnet daraus

    noch immer die gleiche Relativgeschwindigkeit fr unse-

    ren Zug: 90 km in der Stunde. Jetzt noch ein kleiner Ruck,

    auch der Triebwagen hat die Geschwindigkeit von 90 km

    in der Stunde erreicht. Damit ist alles mit einem Schlag

    anders. Zug und Triebwagen fahren gleich schnell. Der

    Beobachter mu mit Staunen feststellen, da der Schnellzug

    aus der vollen Geschwindigkeit, ohne langsamer zu wer-

    den, pltzlich stehen geblieben ist. Seine Relativgeschwin-

    digkeit ist gleich null. Schneller als 90 km kann weder

    der Zug noch der Triebwagen fahren. Dafr sorgt die

    Lorentztransformation.

    Jetzt machen wir die Gegenprobe. Der Fhrer des Trieb-

    wagens zieht einen Augenblick die Bremse. Die Geschwin-

    digkeit sinkt um den Bruchteil eines Millimeters in der Se-

    kunde, und schon rast der Zug wieder mit voller Geschwin-

    digkeit an dem Beobachter vorber, 10 Wagen in 10 Se-

    kunden. Der Triebwagen fhrt immer langsamer, bis er

    schlielich wieder stillsteht, relativ zu den Telegraphen-

    stangen. Whrend der ganzen Zeit zhlt der Beobachter

    10 Wagen in 10 Sekunden. Jetzt fhrt der Triebwagen nach

    der anderen Seite, dem Zug entgegen, immer schneller

    41

  • und schneller. Immer noch mit der Beobachter die glei-

    che Geschwindigkeit fr unseren Zug, 10 Wagen in 10 Se-

    kunden. Das ndert sich diesmal auch nicht, wenn der

    Triebwagen wieder die Geschwindigkeit von 90 kin in der

    Stunde erreicht. Nach der Galileischen Addition von Ge-

    schwindigkeiten bewegen sich jetzt Triebwagen und Zug

    mit der Relativgeschwindigkeit von 90kin + 90 km = 180 km

    in der Stunde gegeneinander. Durch die Zauberformel von

    Voigt wird die Geschwindigkeit unseres Schnellzuges ab-

    solut konstant, 90 km in der Stunde, 10 Wagen in 10 Se-

    kunden. Nach dem Einsteinschen" Additionstheorem der

    Geschwindigkeiten ist 90 km/h + 90 km/h 90 km/h. Das Pa-

    pier ertrgt auch diese relativistische Gleichung mit Geduld.

    In der physikalischen Wirklichkeit ndert sich dadurch

    allerdings berhaupt nichts.

    Wir haben keinen vernnftigen Grund, irgendeine Ge-

    schwindigkeit, sei es die unseres Zuges oder die des Lich-

    tes, fr absolut konstant zu erklren. Formal, mathema-

    tisch ist gegen die obigen Ausfhrungen nichts einzuwen-

    den. Ob solche Rechenkunststcke irgend etwas mit der

    Wirklichkeit der Natur zu tun haben, ist freilich eine an-

    dere Frage. Was der Beobachter im Triebwagen errechnet,

    erhlt man einfach, wenn man in das Einsteinsche" Additi-

    onstheorem die Hchstgeschwindigkeit c einsetzt. Wie gro

    immer die zweite Geschwindigkeit v sein mag, zu c ad-

    diert oder von c subtrahiert ergibt sich immer wieder nur c.

    Die Anwendung des Additionstheorems fhrt zu sehr in-

    teressanten Ergebnissen im Vergleich zur normalen Addi-

    tion von Geschwindigkeiten. Nehmen wir wieder an, da

    die eine Geschwindigkeit gleich der Lichtgeschwindigkeit

    c ist, die andere Geschwindigkeit relativ klein, etwa 1 km

    in der Sekunde. Als Summe ergibt sich eine Relativge-

    schwindigkeit von 300001 km in der Sekunde, relativistisch

    42

  • natrlich 300000km/sec. Nach der normalen Physik ist

    es ohne Bedeutung, ob die addierten Geschwindigkeiten

    gleich gro sind oder sehr verschieden. In der Relativitts-

    theorie macht dies, besonders bei hohen Geschwindigkei-

    ten, einen sehr groen Unterschied. 300000 km/sec+1 km/

    sec ergeben 300000 km/sec, 150000 km/sec + 150000 km/sec

    ergeben aber nur 240000 km in der Sekunde. Nach Galilei

    ergeben