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ExperienceERNI Erfahrungsberichte rund um Management-, Prozess- und Technologiethemen
REquIREMENTs ENgINEERINg
Begeistern mit Bildern
REquIREMENTs MaNagEMENT
Es darf auch einmal Excel sein
TEsTMaNagEMENT
Besser und günstiger testen
MIgRaTIoNEN
Schweigen ist Silber, Reden ist Gold
nR.53Juni 2012
Entwicklungsprojekte werden immer komplexer. In dieser Situation
sind es oft verblüffend einfache Tools, Methoden und Massnahmen,
mit denen sich die Komplexität beherrschen lässt. Die Erfahrungsberich-
te in diesem ERNI Experience zeigen dies eindrücklich auf.
Den Auftakt macht ein Artikel über gemeinsam von Hand gezeichne-
te Visualisierungen. Sie sind nicht nur klarer als Wortprotokolle und
Powerpoint-Folien, sondern motivieren zudem zur Mitarbeit.
Es folgt ein Text zur Visualisierung im Requirements Engineering.
Wir stellen zwei Beispiele vor, in denen auch mit Tools wie Excel
und Powerpoint bei der Erarbeitung der Anforderungen in
kurzer Zeit gute Resultate erzielt wurden.
Im Beitrag zum Testen werden Testaufwandschätzungen als einfaches
Mittel zur Effizienzsteigerung präsentiert. Zudem wird gezeigt, dass auch
das Nearshoring von Testaufgaben keinen grossen Initialaufwand
verursachen muss.
Der letzte Bericht widmet sich dem Thema Migrationen. Als einfache,
aber wirksame Massnahme zur Risikominimierung wird in diesem Bei-
trag die Auswahl von Projektmitarbeitenden mit ausgeprägten Kommu-
nikationsfähigkeiten vorgestellt.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Herzlich
Dominik Bischof
EINfach bEssER wERdEN
Dominik [email protected]
Business Area manager bei ERni Schweiz, Beratungstätigkeit: Project management, change management, Workshop-moderation
EINfach bEssER wERdEN
EDitoRiAl | inhAlt 2 | 3
REquiREmEntS EnGinEERinG
bEgEIsTERN MIT bIldERNGemeinsam erstellte Visualisierungen sorgen für Verständlichkeit
Von DAViD kuRmAn unD REto GuRini 4
REquiREmEntS mAnAGEmEnt
Es daRf auch EINMal ExcEl sEINmit businessnaher Visualisierung zu widerspruchsfreien und vollständigen Anforderungen
Von REmo mAthiS unD PAtRic lEnGAchER 10
tEStmAnAGEmEnt
bEssER uNd güNsTIgER TEsTENkleiner Aufwand, grosser nutzen: testaufwandschätzung und nearshoring
Von mARcEl StooP, StEfAn WEBER unD céDRic ESchER 16
miGRAtionEn
schwEIgEN IsT sIlbER, REdEN IsT goldDank Soft Skills kosten sparen und komplexe Projekte erfolgreich umsetzen
Von mARco Stöckli unD PAtRik luStEnBERGER 22
alle artikel online: www.erni-consultants.com/experience
REquiREmEntS EnGinEERinG 4 | 5
Von DAViD kuRmAn unD REto GuRini
«Das Ende der Powerpoint-Parade» wur-de vor einigen Monaten im Wirtschafts-teil der «Frankfurter Allgemeinen Zei-tung» verkündet. Ähnliche Beiträge gab es auch in anderen Zeitungen und in Radiosendungen. Die Alternative zu Powerpoint, die dort vorgestellt wurde, heisst Visual Facilitation. Gemeint sind damit von Hand gezeichnete Visualisie-rungen, die während Gesprächen, Sit-zungen oder auch Schulungen entste-hen und die Ergebnisse mit Hilfe von Bildern und Metaphern festhalten. Noch ist es zu früh, von einem eigentli-chen Trend zu sprechen. Doch die Me-thode findet mehr und mehr Anhänger. Dies mit gutem Grund, denn Visual Fa-cilitation bietet gleich mehrere Vorteile.
Erstens sind die Teilnehmenden wesent-lich aktiver als bei Powerpoint-Präsenta-tionen oder beim Festhalten der Ergeb-nisse in einem Protokoll. In der Regel greifen sie selbst aktiv in die Gestaltung der Visualisierung ein. Verwendet man ein Flip-Chart oder ein Plakat an der Wand, stehen sie auf und zeichnen selbst Elemente ein oder kleben Post-it-Zettel auf. Solche Aktivitäten entwi-ckeln eine Eigendynamik, der sich kaum ein Teilnehmer zu entziehen vermag. Dies führt letztlich zu qualitativ besse-ren Arbeitsergebnissen, weil alle Teil-nehmenden ihre Ideen einbringen.
Gleichzeitig sind die Resultate auch bes-ser in der Gruppe abgestützt.
Zweitens lassen sich komplexe Zusam-menhänge einfach aufzeigen und sind so für alle Beteiligten verständlich. Durch die visuelle Darstellung bleibt dabei stets der Gesamtzusammenhang im Blickfeld. Aufgrund des beschränkten Platzes ver-liert man sich nicht in Details. So sorgt die Methode dafür, dass Dinge auf den Punkt gebracht werden. Die Plakate werden des-wegen häufig nicht nur als visuelle Proto-kolle verwendet, die Arbeitsergebnisse festhalten, sondern dienen in Projekten immer wieder zur Orientierung.
Drittens ist die Verbindlichkeit der Plakate grösser als jene von Wortproto-kollen. Während solche Protokolle erst im Nachhinein entstehen und immer In-terpretationsspielraum bieten, ist das Plakat, das im Laufe einer Sitzung kom-plettiert wird, stets allen Teilnehmenden vor Augen. Da der Entwicklungsprozess transparent ist, ist auch stets klar, wie es zu einem Element oder einer Verbin-dung in der visuellen Darstellung kam. Dies lässt kaum Raum für unterschiedli-che Interpretationen.
Die Vorteile von Visual Facilitation kön-nen in ganz unterschiedlichen Situatio-nen genutzt werden, so für Workshops, Trainings, Coachings, aber auch in Ak-quisitionsgesprächen.
Wissen wird heute
oft mit Hilfe von
Powerpoint weitergegeben.
Arbeitsergebnisse werden
mit einem Protokoll er-
fasst. Aber in beiden Fällen
sind von Hand gezeichnete
Visualisierungen, die wäh-
rend einer Sitzung oder
eines Seminars entstehen,
oft geeigneter. Sie sind
verständlicher, verbindli-
cher und motivieren alle
Teilnehmenden zur aktiven
Mitarbeit.
bEgEIsTERN MIT bIldERNGemeinsam erstellte Visualisierungen sorgen für Verständlichkeit
REquiREmEntS EnGinEERinG 6 | 7
Die Alternative zu Powerpoint heisst Visual Facilitation.
Gemeint sind damit von Hand gezeichnete Visualisierungen,
die während Gesprächen, Sitzungen oder auch Schulungen
entstehen und die Ergebnisse mit Hilfe von Bildern und Meta-
phern festhalten. Noch ist es zu früh, von einem eigentlichen
Trend zu sprechen. Doch die Methode findet mehr und mehr
Anhänger. Dies mit gutem Grund: Erstens sind die Teilneh-
menden wesentlich aktiver als bei Powerpoint-Präsentationen,
zweitens lassen sich komplexe Zusammenhänge einfach auf-
zeigen und sind so für alle Beteiligten verständlich und drit-
tens ist die Verbindlichkeit der Plakate grösser als jene
von Wortprotokollen.
Abb. 1: Visualisiertes Projekt-Vorgehensmodell – Phase 1 für den know-how-transfer
Abb. 2: Projektvisualisierung: Einführung eines neuen Produktent-wicklungsprozesses (inkl. Publikationen und Prozesstrainings)
Die positive Aufnahme der Visualisierungen be-
ruht auf mehreren Gründen. Die methode führt
zur aktiven teilnahme zunächst skeptischer team-
mitglieder. mit Plakaten können darüber hinaus
Begriffe unter den Beteiligten geklärt werden. Die
Schnittstellen werden klar. Zudem sorgen visuelle
Darstellungen dafür, dass nichts vergessen wird.
nicht zuletzt stellen die Plakate aber auch einen
guten Einstiegspunkt für neue mitarbeitende dar.
Verbindlichkeit, Übersichtlichkeit und der aktive
Einbezug aller Personen machen Visual facilitation
auch zu einer erfolgversprechenden methode für
Akquisitionsgespräche.
REquiREmEntS EnGinEERinG 8 | 9
Beispiel 1VIsual facIlITaTIoN bEI dER ERaRbEITuNg EINER PRodukTPoRT-folIosTEuERuNg
Ein Unternehmen aus dem Finanzbereich will den Prozess zur Steuerung des Pro-duktportfolios neu konzipieren und mit einem neuen Tool unterstützen lassen. Wie der Prozess aussehen soll, ist zu Be-ginn nicht klar. In einer Serie von Work-shops sollen die offenen Fragen geklärt werden.
In den Workshops wird nach der Top-down Methode vorgegangen. Zuerst klä-ren die drei bis fünf Teilnehmenden das Umfeld des Prozesses inklusive Input und Output. Danach folgt die Identifikation der vier Grundtätigkeiten Projektaufnah-me, Projektführung, Projektabnahme und kontinuierlicher Verbesserungsprozess. Auf der nächsten Stufe werden dann ein-zelne Tätigkeiten näher beschrieben. Bei sämtlichen Workshops gestalten die Teil-nehmenden gemeinsam Plakate. Zwischen den Workshops werden auf deren Basis Reinzeichnungen erstellt. Daraus leitet man Roadmaps ab, die ebenfalls auf Plaka-ten dargestellt werden. Auf ihnen werden Fragen mit Post-it-Zetteln markiert und zwischen den Workshops geklärt.
Dass sich dieses Vorgehen bewährte, war im Unternehmen auf den ersten Blick zu sehen. Der Prozessverantwortliche hängte die Plakate hinter seinem Pult auf. Die po-sitive Aufnahme der Visualisierungen be-ruhte auf mehreren Gründen. Die Metho-de hatte wie gewünscht auch zur aktiven Teilnahme zunächst skeptischer Team-mitglieder geführt. Mit den Plakaten konnten darüber hinaus Begriffe unter den Beteiligten geklärt werden. Die Schnittstellen wurden klar. Zudem sorgte
die visuelle Darstellung dafür, dass nichts vergessen wurde. Nicht zuletzt stellen die Plakate aber auch einen guten Einstiegs-punkt für neue Mitarbeitende dar. Dies zum Beispiel für diejenigen, welche für die Evaluation des Tools zur Unterstüt-zung des Prozesses zuständig waren. Ver-bindlichkeit, Übersichtlichkeit und der aktive Einbezug aller Personen machen Visual Facilitation auch zu einer erfolgver-sprechenden Methode für Akquisitionsge-spräche.
Beispiel 2akquIsITIoN EINEs ENTwIckluNgs-PRojEkTs
Eine IT-Firma soll Unterstützung in einem Entwicklungsprojekt leisten. Der zustän-dige Kundenberater besucht den Interes-senten ohne vorgefertigte Präsentation. Gemeinsam erarbeitet man auf einem kleinen Plakat eine Übersicht über die zu erledigenden Arbeiten. Metaphern sorgen dabei für eine leichtere Verständigung. So zeichnet der Kundenberater ein Schiff ein und erläutert damit die verschiedenen Rollen, die sein Unternehmen im Projekt einnehmen kann. Es kann entweder bera-ten oder auch direkt mitarbeiten. Bezogen auf die Schiffsmetapher kann es entweder nur die Navigation übernehmen oder auch die Ruder und das Steuer.
Der Interessent nahm die Methode sehr positiv auf. Durch die gemeinsame Erar-beitung fühlte er sich verstanden. Gleich-zeitig konnte er das Plakat für die Kom-munikation mit dem Management ver-wenden.
So viele Vorteile die Methode auch bietet, sie stellt an die Mitarbeitenden, die sie verwenden wollen, zwei unverzichtbare
Anforderungen. Die wichtigere betrifft die analytischen Fähigkeiten. Die räumliche Darstellung auf Papier setzt voraus, dass die Mitarbeitenden Zusammenhänge und Abhängigkeiten auf Anhieb visuell richtig darstellen können.
Die zweite Voraussetzung betrifft die zeichnerischen Fähigkeiten. Je anspre-chender das Plakat aussieht, desto besser ist die Wirkung. Dies lässt sich zum einen durch die richtige Wahl von Metaphern und Symbolen erreichen. Eine Glühbirne für eine Idee oder eine Haifischflosse zwi-schen stilisierten Wellen als Darstellung für Risiken sind einleuchtende und op-tisch attraktive Symbole, die recht einfach zu zeichnen sind. Darüber hinaus lässt sich einiges trainieren, wie zum Beispiel der Einsatz von Farben. Doch letztlich wird ein Visual Facilitator immer auch ein gewisses Mass an zeichnerischem Talent mitbringen müssen.
ERni – innovation in Process and technology
REto GuRinireto.gurini@ swissengineeringinstitute.com
tätigkeit: leiter training, Bildungsmanagement, trainer und managemententwicklung
DAViD [email protected]
tätigkeit:training und coaching, Process improvement, Requirements Engineering
Von REmo mAthiS unD PAtRic lEnGAchER
Das Erarbeiten von Anforderungen ist eine wichtige Phase in der Softwareent-wicklung. Werden die Weichen hier falsch gestellt, entdeckt man die daraus resultierenden Fehler erst spät. Ver-schärft hat sich diese Situation noch durch das Outsourcing von Entwick-lungsaufgaben. Sind bei solchen Projek-ten die Anforderungen nicht wasser-dicht, sind Unstimmigkeiten und höhe-re Kosten vorprogrammiert.
Erfahrungen zeigen, dass man bei der Er-arbeitung der Anforderungen ein pragma-tisches Vorgehen wählen sollte, welches zur eigenen Organisation und zu den ver-fügbaren Ressourcen passt. Auf diese Wei-se lassen sich mit verblüffend einfachen Mitteln gute Resultate erzielen.
Beispiel 1ExcEl als Tool füR dIE ERaRbEI-TuNg VoN aNfoRdERuNgEN
Bei einem Industrieunternehmen steht die Beschaffung eines Tools zur Unterstüt-zung von Prozessen an. Als erster Schritt werden 25 Mitarbeitende in Sachen Re-
quirements Management geschult. Aus den Teilnehmenden des dreitägigen Kur-ses wird ein Kernteam mit acht Mitglie-dern aus verschiedenen Abteilungen ge-bildet. Sie sind am End-to-End-Prozess des entsprechenden Produkts beteiligt. Hinzu kommt ein externer Coach.
Da das Unternehmen nicht über erfahre-ne Interviewer verfügte, verwarf man das häufig gewählte Vorgehen, in einem ersten Schritt Anforderungen mit Hilfe von Interviews zu erheben. Stattdessen machte man sich die im Kernteam vor-handenen Kompetenzen gezielt zu Nut-ze. Ein Mitglied des Teams war ein Busi-ness Process Manager. Mit seiner Hilfe wurden in Workshops die für das neue Tool relevanten Prozesse modelliert.
Ein wichtiges Hilfsmittel bildeten Use Cases. Von ihnen ausgehend konnte man nicht nur die Interaktionen zwischen Be-nutzer und System festlegen, sondern auch die notwendigen Vorbedingungen sowie das Endergebnis. Prozesse und Use Cases wurden mit Excel visualisiert (siehe Abbildung 1). Aus den Use Cases konnten dann einfach die Anforderungen abgelei-tet werden. Damit waren die Grundlagen für die Toolevaluation geschaffen.
Visualisierung spielt eine zentrale Rolle bei der Erhebung von Anforderun-
gen. Denn durch sie bleiben die Ergebnisse für alle Stakeholder verständ-
lich. Dafür muss man keine komplizierten Prozessmanagementtools ver-
wenden. Mit einfachen Tools wie Excel und Powerpoint lassen sich bei der
Erhebung von Anforderungen in kurzer Zeit gute Resultate erzielen.
Es daRf auch EINMalExcEl sEINmit businessnaher Visualisierung zu widerspruchsfreien und vollständigen Anforderungen
REquiREmEntS mAnAGEmEnt 10 | 11
Erfahrungen zeigen, dass man bei der Erarbeitung der Anfor-
derungen ein pragmatisches Vorgehen wählen sollte, das zur
eigenen Organisation und zu den verfügbaren Ressourcen passt.
Auf diese Weise lassen sich mit verblüffend einfachen Mitteln
gute Resultate erzielen.
Exec measur.
fix Errorupd.
System
Validate Result
Validate Error
Restart System
normal use
System Error
Start Systemtest
Exec Systemtest
trans ResultReport Result
login Support
Show Result
SuP
oSR
SYSt
Em
Abb. 2: Beispiel einer Prozessübersicht im fehlerfall
A B c D E f G h i J k l m n o P q R S t
iD
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
Phas
e
Proz
ess
Verk
auf
Vk-in
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t
Plan
ung
kons
truk
tions
-Dis
El. E
ng.
mec
h. E
ng.
Eink
auf
Buch
haltu
ng
u V W X Y
Input / Interface
kundenanforderung
offertuntrelagen, ähnliche bestehende bauteile
Zeichnung,
source
Verkauf
El. Eng.
activity
Bestellung Beispielprodukt
El. Berechnung erstellen, falls in offertstadium noch nicht geschehen
Detailkonstruktion erstellen
Zeichnungen und massblatt erstellen
materialstamm anlegen
Stücklisten anlegen
Workflow starten zur Abklärung d. Preise (Schätzung)
Prozess beispiel
system
offertool
konstool
output / Interface
El. Berechnung
-liste zu
Abb. 1: Einfache Prozess- und use-case-modellierung in Excel
REquiREmEntS mAnAGEmEnt 12 | 13
In diesem Fall erwies sich Excel gleich aus mehreren Gründen als passendes Tool. Zunächst entstand eine verständliche, businessnahe Darstellung der Prozesse. Sie konnte zudem auch noch über mehre-re Seiten übersichtlich ausgedruckt wer-den. Des Weiteren klärten sich durch die gemeinsame Erarbeitung nach und nach der Scope und die Verwendung des ge-planten Tools. Schliesslich stand Excel al-len Teammitgliedern zur Verfügung und es fielen durch dessen Verwendung keine zusätzlichen Lizenzgebühren an. Aller-dings hat Excel Grenzen. Zusammenhän-ge zwischen Prozessen etwa können prak-
tisch nicht dargestellt werden. Das Pro-gramm eignet sich deswegen vor allem für das Erheben von Anforderungen in klei-neren Projekten wie jenen aus Beispiel 1.
Doch auch wenn es Komplexität zu be-wältigen gilt, muss nicht immer ein de-diziertes Projektmanagementtool zum Einsatz kommen. In solchen Fällen ist es vor allem wichtig, dass man durch eine geeignete Visualisierung den Überblick behält. Dabei muss diese Visualisierung für alle Stakeholder verständlich sein. Die notwendige businessnahe Visualisie-rung kann gut auch mit Powerpoint er-
stellt werden. Solche Darstellungen sind oft verständlicher als zum Beispiel kom-plexe Aktivitätsdiagramme.
Beispiel 2koNsolIdIERuNg VoN MEhREREN huNdERT aNfoRdERuNgEN
Ein Industrieunternehmen entwickelt ein komplexes Gerät. Man hat aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt und geht bei der Erarbeitung der Anfor-derungen besonders gründlich vor. Der internationale Produktmanager erhebt
Die beiden Beispiele zeigen, dass sich in bestimmten
Situationen im Requirements Engineering gute Ergebnisse
mit einfachen Tools erzielen lassen. Die Qualität der
Anforderungen hängt nicht vom verwendeten Werkzeug ab,
sondern davon, ob die Anforderungen für alle Stakeholder
verständlich sind.
touch input Show
Power Paper ResultPrint
Pc interf. Speaker
RfiD
key- board
Periphery
sToRagE
sofTwaRE
docuMENT
Scanner
Receive SendcoNNEcT
sysTEM
scREEN
Abb. 3: Übersicht mit dem eigentlichen System und einzelnen Schnittstellen
REquiREmEntS mAnAGEmEnt 14 | 15
Kundenanforderungen und leitet sie weiter. Gleichzeitig steuern verschiede-ne Abteilungen im Unternehmen ihre Anforderungen bei. Eine dritte Quelle sind die bereits erarbeiteten Anforde-rungen eines ähnlichen Geräts, wel-ches sich in der Entwicklung befindet. Auf diese Weise kommen über 400 An-forderungen zusammen. Nach dem Sammeln der Anforderungen aus den verschiedenen Quellen müssen diese in einem zweiten Schritt konsolidiert wer-den. Das Ziel ist eine vollständige und widerspruchsfreie Liste, die gleichzeitig keine überflüssigen Anforderungen enthält.
Möglich wurde die Konsolidierung durch eine businessnahe Visualisierung auf Prozessebene. Dazu wurden in ei-nem ersten Schritt die Prozesse erfasst, die das neue Gerät ermöglichen sollte. Die Grundlage bildeten Kundenanfor-derungen sowie Ergebnisse, die der in-ternationale Projektmanager gemein-sam mit dem Requirements Manager erarbeitet hatte. Die einzelnen Prozesse mit ihren Schritten wurden mit Power-point-Slides übersichtlich dargestellt. Dann wurden die Anforderungen auf diese Visualisierungen der Prozesse ab-gebildet (siehe Abbildung 2). Einige Anforderungen konnten auf die-se Weise nicht abgebildet werden. Sie betrafen Voraussetzungen wie zum Bei-spiel das Vorhandensein einer Strom-versorgung. Diese Anforderungen wur-den zusammengefasst und für das Er-stellen einer Systemübersicht genutzt. Die Systemübersicht wiederum wurde mit Hilfe von Powerpoint dargestellt, und die Anforderungen wurden den einzelnen Komponenten zugeordnet (siehe Abbildung 3).
In Workshops wurden dann die Anfor-derungen mit Hilfe der für alle ver-ständlichen Visualisierung bereinigt. Man identifizierte Redundanzen und Widersprüche. Die Zahl der Anforde-rungen sank deutlich, obwohl gleich-zeitig einige Lücken zu Tage traten wel-che somit noch geschlossen werden konnten.
Die beiden Beispiele zeigen, dass sich in bestimmten Situationen im Require-ments Engineering gute Ergebnisse mit einfachen Tools erzielen lassen. Die Qualität der Anforderungen hängt nicht vom verwendeten Werkzeug ab, sondern davon, ob die Anforderungen für alle Stakeholder verständlich sind. Diese Verständlichkeit ist unter Um-ständen mit Excel oder Powerpoint bes-ser herzustellen als mit manchem High-End-Produkt. Kommt hinzu, dass die Tools auch einfach verwendet wer-den können und keine zusätzlichen Kosten verursachen. Vor dem Einsatz eines spezifischen Tools kann es sich daher lohnen, einfachere Alternativen zu prüfen.
ERni – innovation in Process and technology
PAtRic [email protected]
Beratertätigkeit:Requirements Engineering, Project management
REmo [email protected]
Beratertätigkeit:Project management, Performance management, Workshop-moderation und coaching
Von mARcEl StooP, StEfAn WEBER
unD céDRic ESchER
Das Bewusstsein für die Bedeutung des Testens ist in den letzten Jahren gewach-sen. Dahinter steht ein simples ökonomi-sches Faktum. Fehler, die beim Testen ent-deckt werden, sind wesentlich günstiger zu beheben, als Fehler, die erst im produk-tiven Betrieb bemerkt werden. Hinzu kommt der Reputationsschaden, der durch fehlerhafte neue Produkte entsteht.
Andererseits ist es auch möglich, wenn man die Fehlerkosten und Testkosten be-trachtet, zu viel zu testen. Denn je mehr getestet wird, desto höher wird der Auf-wand pro weiterem gefundenen Fehler und damit steigen auch die Testkosten (siehe Abbildung 1). Mit einer fundierten Testaufwandschät-zung lässt sich beides (zu wenig und/oder zu viel Testen) vermeiden. Sie hat zum Ziel, die Test-Intensität (Testaufwand) ökonomisch sinnvoll wählen zu können, um damit die Summe von Testkosten und Fehlerkosten zu minimieren. Für die Schätzung steht eine ganze Reihe von Methoden zur Verfügung. Sie reichen von sehr aufwändigen Ansätzen wie Test-punktanalyse (TPA) und Funktionspunk-tanalyse (FPA) bis zu sehr einfachen Vor-gehensweisen. Zum Beispiel wird der Testaufwand häufig auf 40 Prozent des Entwicklungsaufwands geschätzt.
Die komplexeren Methoden erfordern relativ grossen Aufwand und bleiben dennoch letztlich subjektiv, denn auch diese Methoden machen Gebrauch von subjektiv erzeugten Umrechnungsfak-toren. Ein besser geeigneter Ansatz geht von bestehenden Erfahrungen aus und liefert aufgrund leicht ermittelbarer Ba-
sisgrössen und mit Hilfe einfacher, nachvollziehbarer Formeln eine realisti-sche Aufwandschätzung.
Voraussetzung für die Realitätsnähe ei-ner solchen Schätzung ist die Differen-zierung des Testens in die fünf Aufgaben Management, Vorbereitung, Design, Ausführung und Abschluss. Für jede die-ser Aufgaben wird der Aufwand zu-nächst einzeln abgeschätzt. Dabei wird auf Erfahrungswerte zurückgegriffen, die mit Indikatoren für die Grösse des Projektes multipliziert werden.
Beim Testdesign zum Beispiel lautet ent-sprechende Formel:
(Anzahl Testfälle pro Requirement x Anzahl Requirements) x Designzeit für einen einzelnen Testfall.
Die Anzahl Requirements stellt in diesem Fall den Indikator für die Grösse des Pro-jekts dar. Die beiden anderen Variablen beruhen auf Erfahrungen, die in zurück-liegenden Projekten gesammelt wurden.
Beginnt man erstmalig mit dieser Testaufwandschätzungsmethode, kann man die Erfahrungswerte von Testern mit langjähriger Praxis schätzen lassen. Die realen Werte können dann bei je-dem neuen Projekt erfasst werden. Da-mit wird die Schätzung von Projekt zu Projekt realitätsnäher.
Beim Beispiel Testdesign etwa müssen bei den Projekten jeweils die Anzahl kreierter Testfälle, die Gesamtzeit für die Entwicklung und Erfassung dieser Testfälle, die Zahl der Requirements, die den Testfällen zu Grunde liegen. Sammelt man diese Werte, erhält man schon nach wenigen Projekten mit Hil-
Mit der Komplexität neuer
Software steigt die Bedeu-
tung des Testens. Gleichzeitig
stehen Unternehmen un-
ter Zeit- und Kostendruck.
Testaufwandschätzungen und
Nearshoring sind sehr un-
terschiedliche Massnahmen,
die aber beide diesen Voraus-
setzungen Rechnung tragen.
Sie senken die Kosten und
verbessern gleichzeitig die
Qualität.
bEssER uNd güNsTIgER TEsTEN kleiner Aufwand, grosser nutzen: testaufwandschätzung und nearshoring
tEStmAnAGEmEnt 16 | 17
Ein besser geeigneter Ansatz geht von bestehen-
den Erfahrungen aus und liefert aufgrund leicht
ermittelbarer Basisgrössen und mit hilfe einfacher,
nachvollziehbarer formeln eine realistische Auf-
wandschätzung. Voraussetzung für die Realitäts-
nähe einer solchen Schätzung ist die Differenzie-
rung des testens in die fünf Aufgaben manage-
ment, Vorbereitung, Design, Ausführung und
Abschluss.
Abb. 1: Verhältnis zwischen test- und fehlerkosten
Das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag bei der Ein-
führung der Testaufwandschätzung ist attraktiv. Der Nutzen
steigt noch dazu mit jedem Projekt, dessen Daten erfasst
und für die Schätzung verwendet werden.
Ein solches attraktives Verhältnis kennzeichnet auch das
Nearshoring von Testaufgaben, so verschieden es sonst von
der Testaufwandschätzung sein mag. Für Einsparungen sor-
gen beim Nearshoring nicht nur die niedrigeren Löhne der
Tester in Osteuropa, sondern auch die Flexibilität der ausge-
lagerten Teams. Der Auftraggeber bezahlt nur für die geleis-
tete Arbeit und muss nicht selbst permanent Ressourcen
bereithalten. Bei Nachfragespitzen ist es zudem möglich zu
skalieren.
kosTEN
aufwaNdoPTIMuM
fehlerkosten
testkosten
selbst erfolgt dann mit Hilfe der For-meln in einem Excel-Sheet sogar auto-matisch. Die Vorteile, die diesem sehr begrenzten Aufwand gegenüberstehen, sind bedeutend: • DieSummevonTest-undFehlerkos-
ten kann optimiert werden.• DerAufwandfürdasTestenwirdfür
alle Stakeholder transparent.• InnerhalbeinesUnternehmenswird
über alle Projekte hinweg eine ein-heitliche Schätzungsmethode ver-wendet.
• Eswirdersichtlich,welcheTestquali-tät bei welchem Aufwand geliefert werden kann.
Das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag bei der Einführung der Testauf-wandschätzung ist attraktiv. Der Nutzen steigt noch dazu mit jedem Projekt, des-sen Daten erfasst und für die Schätzung verwendet werden.
Ein solches attraktives Verhältnis kenn-zeichnet auch das Nearshoring von Test-aufgaben, so verschieden es sonst von
fe der oben angeführten Formel eine realistische Abschätzung des Testdesig-naufwandes.
Beispiel 1 EINfühRuNg EINER TEsTaufwaNd-schäTzuNg
Ein Industrieunternehmen plant eine Me-thode für Testaufwandschätzungen einzu-führen. Es lässt einen umfassenden Vor-schlag erarbeiten, der auf der oben vorge-stellten Methode beruht. Die Einführung erfolgte schrittweise. Dabei wurden die systematisch zu erfassenden Daten in ei-nem projektübergreifenden Excel-Sheet festgehalten. Die Formeln wurden in das Formular eingesetzt, so dass die Schätzung quasi automatisch erfolgt.
Das Beispiel zeigt, dass die Einführung der erfahrungsbasierten Methode nur begrenzten Aufwand auslöst und dieser noch durch schrittweises Vorgehen auf einen längeren Zeitraum verteilt wer-den kann. Die eigentliche Schätzung
der Testaufwandschätzung sein mag. Für Einsparungen sorgen beim Ne-arshoring nicht nur die niedrigeren Löhne der Tester in Osteuropa, sondern auch die Flexibilität der ausgelagerten Teams. Der Auftraggeber bezahlt nur für die geleistete Arbeit und muss nicht selbst permanent Ressourcen bereithal-ten. Bei Nachfragespitzen ist es zudem möglich zu skalieren.
Diese Vorteile sind relativ leicht zu errei-chen. Die Einführung von Nearshoring kann rasch absolviert werden, wenn ein Unternehmen über einen gut funktio-nierenden Testprozess verfügt.
Beispiel 2übERgabE dEs TEsTENs aN EINEN NEaRshoRINg-PaRTNER
In einem Grossunternehmen aus der Fi-nanzbranche sollen Regressionstests und automatisierte Tests an einen Nearshoring-Partner übergeben werden. Das Unterneh-men verfügt über einen gut eingespielten
tEStmAnAGEmEnt 18 | 19
Das Beispiel zeigt, wie eingespielt die Übergabe
von testaufgaben an nearshoring-Partner ist und
wie wenig Aufwand sie verursacht. Diesem Auf-
wand stehen niedrigere kosten und eine bessere
Skalierbarkeit des testteams als nutzen gegen-
über. Daraus ergibt sich auch eine bessere quali-
tät, da selbst bei enger terminplanung genug
Ressourcen zum testen zur Verfügung stehen.
Die qualität wird gesteigert, weil ausgelagerte
testteams klare Eingangskriterien für ihre Arbeit
verwenden. Dies führt zu weniger missverständ-
nissen zwischen Entwicklern und testern, was das
Risiko von unentdeckten fehlern senkt.
tEStmAnAGEmEnt 20 | 21
ERni – innovation in Process and technology
tieren einen nachhaltigen, den Bedürf-nissen entsprechenden Service.
Das Beispiel zeigt, wie eingespielt die Übergabe von Testaufgaben an Near-shoring-Partner unterdessen ist und wie wenig Aufwand sie verursacht. Diesem Aufwand stehen niedrigere Kosten – um etwa 50 Prozent – und eine bessere Ska-lierbarkeit des Testteams als Nutzen ge-genüber. Daraus ergibt sich auch eine bessere Qualität, da selbst bei enger Ter-minplanung genug Ressourcen zum Tes-ten zur Verfügung stehen. Die Qualität wird darüber hinaus gesteigert, weil aus-gelagerte Testteams klare Eingangskrite-rien für ihre Arbeit verwenden. Dies führt zu weniger Missverständnissen zwischen Entwicklern und Testern, was das Risiko von unentdeckten Fehlern senkt.
Wie die Testaufwandschätzung stellt auch das Nearshoring eine Massnahme mit einem attraktiven Kosten-Nutzen-Profil dar. Beide Massnahmen zeigen, dass heute mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die den scheinbar pa-radoxen Anforderungen von besseren Tests und zu senkenden Kosten gleich-zeitig gerecht werden.
Testprozess. Sämtliche Beteiligte haben das gleiche Verständnis von Rollen und Prozessschritten. Allerdings ist der Prozess wenig formalisiert.
In der Startphase wird ein sehr erfahre-ner Seniortester mit dem Business- und dem Testteam des Grossunternehmens zusammengebracht. Der Nearshoring-Partner übernimmt die Organisation des Aufenthalts vor Ort beim Kunden. Das Grossunternehmen sorgt dafür, dass der Seniortester mit sämtlichen wichti-gen Beteiligten sprechen und so das Know-how optimal aufbauen bzw. über-geben kann. Teil dieses Know-how-Auf-baus ist auch die Integration des Senior-testers in das bestehende Testteam und seine Mitarbeit bei der Testdurchfüh-rung. Dank der guten Einbindung und der grossen Erfahrung des Seniortesters kann der Know-how-Aufbau vor Ort be-reits nach drei Wochen erfolgreich abge-schlossen werden.
Anschliessend baut der Nearshoring-Partner zusammen mit dem Seniortester in Osteuropa ein Testteam auf. Gleichzei-tig wird der Zugriff auf die Testinfrastruk-tur geregelt. Die Tester greifen mit Kun-denotebooks remote auf die Infrastruk-tur am Sitz des Kunden zu. Heute stehen insgesamt bis zu drei Tester bereit, so dass auch Nachfragespitzen abgefangen wer-den können. Die Kommunikation mit den Teams (verschiedene Entwick-lungsteams), den IT- und Entwicklungs-verantwortlichen sowie Vertretern aus dem Business des Grossunternehmens ist intensiv. Jede Woche finden virtuelle Sta-tusmeetings statt. Zudem wird praktisch täglich telefoniert. Zur Qualitätssiche-rung werden semesterweise Quali-tätschecks durchgeführt. Diese werden mit dem Kunden besprochen und garan-
céDRic [email protected]
Beratertätigkeit: Software Engineering, Project management, nearshoring
StEfAn [email protected]
Beratertätigkeit: Process improvement, Project management, test management und Workshop-moderation
mARcEl [email protected]
Beratertätigkeit: test Process improvement, testmanager, testdesigner, training
miGRAtionEn 22 | 23
Migrationsprojekte, die ein
Unternehmen fit für die
nächsten Jahre machen sol-
len, erfordern viel spezifisches
Wissen. Sollen die Projekte
erfolgreich sein, muss man
aber auch für einen fruchtba-
ren Austausch der Spezialis-
ten sorgen und dies über die
gesamte Projektdauer hinweg.
Mitarbeiter, die über die not-
wendigen Soft Skills verfügen,
um die Kommunikation der
Spezialisten in Gang zu set-
zen, gehören deswegen in das
Team von jedem komplexen
Projekt.
schwEIgEN IsT sIlbER, REdEN IsT gold Dank Soft Skills kosten sparen und komplexe Projekte erfolgreich umsetzen
Von mARco Stöckli
unD PAtRik luStEnBERGER
IT-Landschaften entwickeln sich laufend weiter. Nicht immer reichen einfache Updates, um die Systeme auf den neues-ten Stand zu bringen. Dann sind Migrati-onen unvermeidlich. Sie stellen prak-tisch immer eine Herausforderung dar, schliesslich soll das System im laufenden Betrieb wesentlich verändert werden. Zu-dem muss die gewählte Technologie zu-kunftsfähig sein, da sie die Basis für einen längeren Zeitraum bilden soll.
Deswegen werden in der Regel erfahrene Fachleute von aussen hinzugezogen. Da-bei ist von Bedeutung, dass nicht nur technische Spezialisten das Team verstär-ken, sondern auch Fachleute mit ausge-prägten Soft Skills. Zwar sind spezialisier-te Techniker für Migrationen unabding-bar. Sie verfügen über Erfahrung mit den Projekten und kennen die Best Practices. Um die Kompetenz von Spezialisten voll zu nutzen, muss allerdings der Austausch zwischen ihnen und der Business-Seite sichergestellt werden. Um diesen Aus-tausch anzuregen, braucht es Teammit-glieder mit ausgeprägten Projektmanage-mentfähigkeiten und Soft Skills. Wie gross der Nutzen sein kann, zeigt das fol-gende Beispiel. In diesem Fall war es der Requirements Engineer, der für den Aus-tausch verschiedener Beteiligter sorgte.
Beispiel 1ausTausch bEIM REquIREMENTs ENgINEERINg
In einem Unternehmen wird eine Inter-netlösung migriert. Nach einer groben Erfassung von möglichen Anforderun-gen bei den Business-Fachleuten veran-staltet der Requirements Engineer einen Workshop. Anwesend sind neben dem Produktverantwortlichen auch ver-schiedene IT-Fachleute. Die Entwickler bringen viele gute Ideen ein und geben Hinweise auf den Aufwand, den be-stimmte Anforderungen auslösen wür-den. Unter anderem diskutiert man ge-meinsam über verschiedene Ideen, um Produkte auf dem Bildschirm darzustel-len. Die ursprünglichen Anforderungen hätten dazu geführt, dass Websitebesu-cher viel hätten scrollen müssen, um alle Produkte zu sehen. Es sind schliess-lich Entwickler, die vorschlagen, statt-dessen mit Tabs zu arbeiten. Auf diese Weise können die Website-Besucher mit einem Klick zwischen den verschiede-nen Produkten wechseln. Der Vorschlag leuchtet dem Produktverantwortlichen ein und wird entsprechend umgesetzt. Zudem haben nun auch Mitarbeitende, die für Architektur, Design und Ent-wicklung zuständig sind, präzisere Vor-gaben und können deshalb besser ein-schätzen, was der Produktverantwortli-che will.
Der Austausch in der Phase des Requirements
Engineering führt nicht nur zu besseren lösun-
gen, sondern ermöglicht auch kosteneinsparun-
gen. Denn im Dialog lassen sich sinnvolle kom-
promisse zwischen leistungsfähigkeit und tech-
nischem Aufwand finden.
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Am Anfang von Projekten
ist die Hebelwirkung des
Austausches besonders
gross. Doch gerade bei
komplexen Vorhaben ist
es entscheidend, den Aus-
tausch über den ganzen
Projektverlauf aufrecht zu
erhalten. Solche Projekte
lassen sich nicht komplett
durchplanen. Es tauchen
immer Aufgabenfelder auf,
die sich nicht einfach abar-
beiten lassen, sondern im
engen Kontakt mit den
Stakeholdern erst einmal
geklärt werden müssen,
bevor sie technisch gelöst
werden können. In solchen
Situationen sind Mitarbei-
tende im Vorteil, die über
genügend Soft Skills verfü-
gen.
Typische schlüsselanfor-derungen im stellenprofil der kunden
Ergänzende kompetenzen (Persönlichkeit, Charakter, Netzwerk, Emotionen)
branchen- kompetenz
fach- kompetenz
system- kompetenz
Methoden- kompetenz
fähigkeit zur anpassung an
die umwelt
logische Intelligenz
Informations- erschliessung
und Problemlö-sung
selbst- kompetenz
soziale Interaktion beziehungs- orientierung
leistungs- orientierung
Teamfähigkeit
hoch
Vertrauen des kunden
Tests
gering
bedingt vorhanden
unit- tests
manuelle End-to-End-Regressionstests
Automatisierte Software-tests
user- Acceptance-tests
Abb. 1: kompetenz-Rad eines consultants
Abb. 2: Vertrauensförderung durch testing
Wer über eine gute Sozialkompetenz und einen
technischen Background verfügt, ist auch in der
lage, sich schnell in technische Spezialgebiete
einzuarbeiten. Rekrutiert man einen mitarbeiter
mit ausgeprägten Soft Skills, muss er deswegen
nicht immer auch technisches Spezialistenwissen
mitbringen. Sind Soft Skills vorhanden und mit it-
methodenkompetenz gepaart, lässt sich sogar
noch in späten Phasen eines migrationsprojekts
die Akzeptanz erhöhen.
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• TeamfähigkeitundBeziehungsorien-tierung,
• Begabung Informationen zu er-schliessen,
• grosseSelbstmotivation.
Wer über diese Fähigkeiten und einen technischen Background verfügt, ist auch in der Lage, sich schnell in techni-sche Spezialgebiete einzuarbeiten. Rek-rutiert man einem Mitarbeiter mit aus-geprägten Soft Skills muss er deswegen nicht immer auch technisches Spezialis-tenwissen mitbringen.
Beispiel 2akzEPTaNzsTEIgERuNg EINER MI-gRaTIoN bEI sysTEM- uNd abNah-METEsTs
In einem Unternehmen des Personen-transports wird ein System abgelöst, wo-bei hiermit. eine Basis für die nächsten zehn Jahre gelegt werden soll. Da das be-stehende System 1:1 abgelöst werden muss, wird das Projekt hauptsächlich von der Entwicklungsabteilung vorangetrie-ben. In der System- und Abnahmetest-phase wird dann das nötige Vertrauen bei der Fachabteilung und dem Management aufgebaut. Dazu werden externe Spezia-listen zugezogen, die nicht nur grosse Er-fahrung in Sachen Testen mitbringen, sondern auch die notwendigen Soft Skills.
Das Testing wird sauber und für die Stake-holder transparent geplant. Während des gesamten Testens werden sowohl die Fachabteilung aber auch die Entwickler eng einbezogen. Gearbeitet wird mit aus-gedehnten manuellen End-to-End-Re-gressionstests und mit explorativem Tes-ten (informellem Testentwurfsverfahren, bei dem der Tester den Entwurf der Tests aktiv
Der Austausch in der Phase des Requi-rements Engineering führt nicht nur zu besseren Lösungen, sondern ermög-licht auch Kosteneinsparungen. Denn im Dialog lassen sich sinnvolle Kom-promisse zwischen Leistungsfähigkeit und technischem Aufwand finden. Dies trifft insbesondere auf die soge-nannten nichtfunktionalen Anforde-rungen zu, wie zum Beispiel die Reakti-onszeit. Bei diesem Merkmal legen die Stakeholder häufig sehr ehrgeizige Zie-le fest. Meist soll die Antwortzeit des Systems unter einer Sekunde liegen. Solche Ziele sind zwar oft technisch machbar,doch der Aufwand ist meist unverhältnismässig hoch.
Am Anfang von Projekten ist die Hebel-wirkung des Austausches besonders gross. Doch gerade bei komplexen Vor-haben ist es entscheidend, den Aus-tausch über den ganzen Projektverlauf aufrecht zu erhalten. Solche Projekte lassen sich nicht komplett durchplanen. Es tauchen immer Aufgabenfelder auf, die sich nicht einfach abarbeiten lassen, sondern im engen Kontakt mit den Sta-keholdern erst einmal geklärt werden müssen, bevor sie technisch gelöst wer-den können. In solchen Situationen sind Mitarbeitende im Vorteil, die über genügend Soft Skills verfügen.
Deswegen ist es wichtig, dass im Team ne-ben den Fachspezialisten auch Mitarbei-ter tätig sind, welche die entsprechenden Talente mitbringen (siehe Abbildung 1).
Im Einzelnen sind dies: • dieBereitschaft,Verantwortungzu
übernehmen, • Problemlösungsorientierung,• AnpassungsfähigkeitandieStakehol-
der und an die Projektsituation,
in jeder Stellenausschreibung werden heute die Be-
reitschaft zum eigenverantwortlichen Arbeiten und
teamfähigkeit gefordert. Gerade bei komplexen, ri-
sikoreichen und intensiven Projekten wie migratio-
nen orientieren sich mitarbeitende aber häufig wie-
der an gewohnten Verhaltensmustern: Sie widmen
ihre ganze Energie den technischen herausforde-
rungen und verlieren dabei den kunden aus dem
Blickfeld. Dies birgt die Gefahr von missverständ-
nissen, und letztlich kann sogar ein Graben zwi-
schen einzelnen Abteilungen entstehen. mitarbei-
tende mit besonders ausgeprägten Soft Skills ver-
hindern solche Entwicklungen.
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steuert, indem er die Informationen, die er während des Testens erhält, zum Entwurf neuer, besserer Tests verwendet).
Durch den starken Einbezug der Fachab-teilung bei Regressions- und Akzeptanz-tests steigt das Vertrauen von Kunden und Management in die entwickelte Soft-ware und deren Qualität markant an (sie-he Abbildung 2). Das Teamwork mit der Entwicklungsabteilung ist darüber hinaus erfolgsentscheidend für das Entdecken schwerer Fehler und damit für die Sicher-stellung der Qualität.
Praxisbeispiele wie diese scheinen auf den ersten Blick lediglich Selbstverständlich-keiten wiederzugeben. In jeder Stellen-ausschreibung werden heute die Bereit-schaft zum eigenverantwortlichen Arbei-ten und Teamfähigkeit gefordert. Gerade bei komplexen, risikoreichen und intensi-ven Projekten wie Migrationen orientie-ren sich Mitarbeiter aber häufig wieder an gewohnten Verhaltensmustern: Sie wid-men ihre ganze Energie der technischen Herausforderungen und verlieren dabei Ihr Gegenüber aus der Business-Seite oder dem Kreis der Nutzer aus dem Blickfeld.
Dies birgt die Gefahr von Missverständ-nissen und letztlich kann sogar ein Gra-ben zwischen einzelnen Abteilungen ent-stehen. Mitarbeiter mit besonders ausge-prägten Soft Skills verhindern solche Entwicklungen nicht nur. Ihr Einsatz führt zu besseren Lösungen und kann grosse Sparpotenziale erschliessen. Sie ge-hören deswegen genauso zwingend ins Team für ein Migrationsprojekt wie die technischen Spezialisten.
ERni – innovation in Process and technology
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Beratertätigkeit: Project management, Requirements Engineering, Business Analysis
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