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Autismus-Spektrum-Störungen
Forschung und Praxis im Dialog
E. Duketis
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main www.kgu.de/zpsy/kinderpsychiatrie
Erscheinungsbilder
Fotos 4–6: Stefanie Hafner
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Tiefgreifende Entwicklungsstörungen nach ICD-10 Autismus...und was noch?
Frühkindlicher Autismus
Atypischer Autismus
Rett-Syndrom
Sonstige desintegrative Störung des Kindesalters
Überaktive Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypien Asperger-Syndrom
Sonstige / n.n.b. tiefgreifende Entwicklungsstörung
Triade der Beeinträchtigungen
• Qualitative Beeinträchtigung der sozialen Gegenseitigkeit
• Qualitative Beeinträchtigung der Kommunikation (und Sprache)
• Eingeschränkte Interessen und stereotype Verhaltensmuster
Abnorme Entwicklung vor dem 3. Lebensjahr
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Die Autismus-Triade Beeinträchtigung der sozialen Gegenseitigkeit I
• Mangel im nonverbalen Verhalten – eingeschränkter Blickkontakt & wenig gerichtete Mimik & Gestik – schwaches soziales Lächeln
• Mangel an geteilter Aufmerksamkeit oder Freude mit Anderen
– Kind lenkt Aufmerksamkeit Dritter nicht auf Dinge
– Wenig gemeinsame Interessen gesucht
• Mangelnde Fähigkeit, Kontakte zu Gleichaltrigen herzustellen
Die Autismus-Triade Beeinträchtigung der sozialen Gegenseitigkeit II
• Mangel an sozio-emotionaler Gegenseitigkeit – Keine oder unangemessene Annäherungsversuche – Unangemessene Reaktion auf Annäherungen Anderer – Mangelndes Einfühlungsvermögen – Fehlende Einschätzungsfähigkeit sozialer Signale
Drei Typen sozialer Defizite
Nach Wing & Gould
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Die Autismus-Triade Beeinträchtigung der Kommunikation (& Sprache)
• 1/3 der Kinder entwickeln keine od. nur eingeschränkte Sprache
• Bei eingeschränkter Sprache kaum Kompensation durch Gesten
• Stereotype und/oder eigentümliche sprachliche Äußerungen – Wortneubildungen (Neologismen) – Vertauschung der Personalpronomina – Verzögerte Echolalie (Worte nachsprechen)
• Bei unauffälliger Sprache, trotzdem Störung der Kommunikation – mangelnde Fähigkeit, eine Konversation zu beginnen oder
aufrechtzuerhalten – Monologisieren oder gestelzte Sprache
Die Autismus-Triade Eingeschränkte Interessen und stereotypes Verhalten
Stereotype Handlungen / Spezialinteressen • Zwanghaftes Festhalten an nicht-funktionalen
Handlungen • Haften an bestimmten Themen & Ritualen
Repetitive motorische Manierismen • Drehen der Finger vor den Augen,
Schaukeln, Auf- und Abhüpfen
Sensorische Interessen / Phänomene • Ungewöhnliches Interesse an sensorischen
Teilaspekten von Dingen (Struktur, Geräusch, Geschmack, Geruch)
• Sensorische Abnormalität (Über- oder Unterempfindlichkeit)
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Autismus-Spektrum- wo endet es?
Frühkindlicher Autismus
Low-functioning-Autismus
High-functioning-Autismus
Atypischer Autismus
sonst. TES
Asperger-Syndrom
Subklinische Varianten
Vergleich der Autismus-Spektrum-Störungen
Frühkindlicher Autismus Atypischer Autismus
Asperger-Syndrom
Alter bei Erstmanifestation < 3 Jahre < oder > 3 Jahre > 3 Jahre
Geschlechter-Verhältnis (m:w) 3:1 3:1 8:1
Symptomatik • Mangel sozialer Interaktion • Auffällige Kommunikation • Repetitive Verhaltensweisen • Kein symbolisches Spiel
Evtl. unvollständige Symptomatik
• Mangel sozialer Interaktion • Stereotype Interessen, Rituale
Sprache • Gestörte Sprachentwicklung • Echolalie • Vertauschen von Pronomina
• Normale Sprachentwicklung • Förmlicher Sprachstil • Auffällige Sprachmelodie
Intelligenz Meist beeinträchtigt Häufig geistige
Behinderung Nicht beeinträchtigt
Motorik Keine typischen Auffälligkeiten
• Ungeschicklichkeit • Koordinationsstörungen
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Autismus-Symptomatik
• Ausprägungsgrad/ Erscheinungsbild der Symptomatik variiert – zwischen den betroffenen Kindern – innerhalb eines Kindes im Verlauf der Entwicklung
• Symptomatik abhängig vom – Entwicklungsstand des Kindes – dessen kognitivem Niveau
(Kompensationsmöglichkeiten)
Autismus Entwicklung
Frankfurter Studie Alter bei ersten Sorgen
• Sorgen begannen ab 23. Monat (± 18) – 12% von Geburt an – 30% vor dem 1. Lebensjahr – 66% vor dem 2. Lebensjahr – 90% vor dem 3. Lebensjahr
• Durchschnittliches Zeitintervall zwischen ersten Sorgen und Erstvorstellung: 8 Monate
• Durchschnittliches Alter bei Diagnosestellung:
Autismus 6 Jahre Asperger 11 Jahre
Alter, an dem Eltern besorgt & Hilfe suchten (Monate)
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Symptome, die Autismus vorhersagen können Heimvideos (retrospektiv)
• Auswertung von Heimvideos (1. Geburtstag) nach sozialen und kommunikativen Auffälligkeiten
• Kontrollgruppe: gesunde, geistig behinderte Kinder • Merkmale, die Autisten von der Kontrollgruppe unterscheiden:
– Blickkontakt – Reaktion auf Namen – Zeigen von Gegenständen – Deuten
• Keine ausreichende Differenzierung zwischen den Gruppen für: – Repetitives Verhalten
Osterling & Dawson, 1994; Osterling et al., 2002
Welches Alter ist für ein Autismus-Screening sinnvoll?
• Symptome sind nach dem 24. Lebensmonat recht stabil
• Vor dem 24. Lebensmonat gute Spezifität, aber niedrige Sensitivität (falsch positive)
↓
• Screening nach dem 18. Lebensmonat sinnvoll • Diagnose kann im Alter von 24 Monaten gestellt werden
Gillberg et al., 1996; Moore & Goodson, 2003; Charmanet al., 2005, Sutera et al., 2007; Dietz et al., 2006; Willemsen-Swinkels et al., 2006
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Diagnostik von ASS
Effi Duketis • Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Johann Wolfgang Goethe Universität, Frankfurt/Main • 2005
„Goldstandard“ der Autismus-Diagnostik
Fragebogen zur Sozialen Kommunikation
FSK
Beobachtungsskala für Autistische Störungen
ADOS
Diagnostisches Interview für Autismus - revidiert
ADI-R
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Screening Der Fragebogen zur sozialen Kommunikation (FSK)
• aus dem ADI-R abgeleiteter Elternfragebogen • 40 binär skalierte Items zu sozialer Interaktion, Kommunikation
und stereotypem Verhalten • Ab 4 Jahren, Aktuell- und Lebenszeit-Fassung • Auswertung: Summe der positiv beantworteten Items (max. 39) • Bearbeitungszeit 15 Minuten
Bölte & Poustka, 2005
FSK Beispiel-Items
• Gab es jemals Dinge, de er/ sie in einer ganz besonderen Weise oder Abfolge machen zu müssen schien, oder gab es Rituale, die Sie für sie/ Ihn ausführen mussten?
• Hatte er/ sie jemals irgendwelche besondere Interessen, die anderen Menschen merkwürdig erschienen (z.B. an Verkehrsampeln, Wasserleitungen oder Fahrplänen)
• Hat er/ sie irgendeinen besonderen besten Freund?
• Lächelte sie/ er im Alter von 4–5 Jahren zurück, wenn jemand sie/ ihn anlächelte?
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Standardisierte Untersuchung I Diagnostische Beobachtungsskala (ADOS)
Diagnostische Beobachtungsskala für Autistische Störungen – Klinisch-statusdiagnostisches
Beobachtungsinstrument – Parallelinstrument zum ADI-R – Anwendbar ab 2. Lebensjahr – 4 verschiedene Durchführungsmodule,
je nach Alter und expressivem Sprachniveau (Dauer jeweils ½ –1 ½ Stdn.)
Rühl, Bölte, Feineis-Matthews, Poustka, 2004; Lord et al., 2001
Passende Module für Patienten
Alter
Expressives Sprachniveau
Aktivitäten/Aufgaben
Kind Erwachsener
stumm fließend
Spiel Interview
Modul 1 Modul 2 Modul 3 Modul 4 Vorsprachlich, einzelne Worte -kleine Kinder-
Sprechen in Sätzen -Kinder-
Fließende Sprache -Kinder- und Jugendliche-
Interview -Jugendliche und Erwachsene-
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Standardisierte Untersuchung II Diagnostisches Interview
Diagnostisches Interview für Autismus (ADI-R)
• Untersuchergeleitetes Interview (Dauer 2 bis 4 Stdn.)
• Durchführung mit einer Hauptbezugsperson des Kindes
• Direkte Umsetzung der diagnostischen Kriterien nach ICD-10 und DSM-IV
• Viele Fragen beziehen sich auf das Altersspektrum 4–5 Jahre (Alter, in dem die Autismussymptomatik in der Regel am stärksten ausgeprägt ist)
Bölte et al., 2005; Rutter et al., 2003
ADI-R Interviewteile
1. Hintergrundinformationen über Kind und Familie
2. Frühe Entwicklungsgeschichte und Erreichen von Meilensteinen
3. Spracherwerb und Verlust von Fähigkeiten
4. Kommunikation und Sprache
5. Soziale Entwicklung und Spielverhalten
6. Interessen und repetitives Verhalten
7. Komorbidität und isolierte Fertigkeiten
Autismustypische Verhaltensweisen
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Autismus-Diagnostik Was bleibt zu tun?
• Trotz steigenden Bewusstseins für Autismus immer noch späte Diagnosestellung
• Wichtig: Einführung von Autismus-Screening in pädiatrische Versorgung
• Diverse Screening-Verfahren als Elternfragebögen verfügbar (Früherkennung: M-CHAT, sonst: FSK)
• Standardisierte Autismus-Diagnostik als Goldstandard für geschulte Fachkräfte (ADI-R, ADOS- als Parallelinstrumente)
Häufigkeit
Gibt es eine Epidemie von Autismus?
Effi Duketis • Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Johann Wolfgang Goethe Universität, Frankfurt/Main • 2005
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Häufigkeit von Autismus von 1965 bis heute
Fombonne, 2005
Gibt es eine Epidemie von Autismus?
1966 4–5 : 10 000 Geburten 1979 Anteil geistiger Behinderung in dieser Stichprobe: ca. 3/4 Seit 2000 35–60 : 10 000 Geburten (0,3–0,6 %); bis 1 %!!! Anteil geistiger Behinderung 25–55 %
Lotter, 1966, Wing & Gould, 1979, Baird et al., 2000, 2006, Chakrabarti & Fombonne, 2001, 2005
Wahrscheinlich keine echte Zunahme der Häufigkeit von Autismus! - Änderung der diagnostischen Kriterien in letzten 40 Jahren - Zunahme des Bewusstseins für Autismus
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Effi Duketis • Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Johann Wolfgang Goethe Universität, Frankfurt/Main • 2005
GENETIK NEUROPSYCHOLOGIE NEUROBIOLOGIE
Ursachen
Effi Duketis • Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Johann Wolfgang Goethe Universität, Frankfurt/Main • 2005
GENETIK NEUROPSYCHOLOGIE NEUROBIOLOGIE
Ursachen
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Genetik
1. Verhaltensgenetik • Zwillingsuntersuchungen • Familienuntersuchungen
2. Molekulargenetik • Genomuntersuchungen
Verhaltensgenetik I Zwillings- und Familienuntersuchungen
Konkordanzraten für Autismus (1977–1995):
Eineiige Zwillinge 36–91 %
Zweieiige Zwillinge 0–5%
Andere Geschwister 3–7%
Verwandte 2. Grades 0%
• Heritabilität: 91–93%
• Neue Zahlen: Risiko für Geschwister eines autistischen Kindes auch an Autismus zu erkranken: 2–10%
• 50fach erhöhtes Risiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung Folstein & Rutter, 1977, Steffenbug et al., 1989, Bolton et al., 1995
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Verhaltensgenetik II Erscheinungsformen von Autismus
• Unter eineiigen Zwillingen finden sich verschiedene Diagnosen aus dem Autismus-Spektrum
• Unter klinisch gesunden Geschwistern finden sich auch soziale Defizite
Eineiige Zwillinge Zweieiige Zwillinge
Bailey et al., 1995
Molekulargenetik I Untersuchungen des Erbguts
Bisher wichtigste Genabschnitte laut IMGSAC auf Chromosomen: 2q, 7q, 16p, 17q
Letzte wichtige Identifikation zweier Genabschnitte auf Chromosom: 11p
IMGSAC 2001, Autism Project Consortium, 2007
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Molekulargenetik II Gendefekte – und was dann?
• Identifikation fehlerhafter Genabschnitte auf Chromosom 11 (Neurexin-Gene)
• Dort Kodierung für das Eiweiß Neurexin
• Neurexin an Synaptogenese beteiligt (Glutamat-Neuronen)
Autism Genome Project, 2007
Gestörte Synaptogenese als mögliche Ursache für Hirnentwicklungsstörung
Effi Duketis • Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Johann Wolfgang Goethe Universität, Frankfurt/Main • 2005
GENETIK NEUROPSYCHOLOGIE NEUROBIOLOGIE
Ursachen
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Neuropsychologie
Neuropsychologische Theorien zur Erklärung des Autismus
1. Theorie der exekutiven Dysfunktion 2. Theorie der schwachen, zentralen Kohärenz 3. Theorie der gestörten Theory of Mind
Neuropsychologie Exekutive Dysfunktion
Exekutive Funktionen = Fähigkeiten zur Planung, Vorausschau, Flexibilität und Strategie • Unter autistischen Kindern finden sich Defizite im zielorientierten
Handeln und Planen und der Flexibilität
→ Repetititve Verhaltensweisen, Veränderungsangst, eingeschränkte Interessen
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Neuropsychologie Schwache, zentrale Kohärenz
Zentrale Kohärenz = Drang des Menschen, Dinge kontextgebunden wahrzunehmen • bei Autismus eher segmentierte Wahrnehmung • Details können kontextfrei verarbeitet und erinnert werden • Vermag Schwächen und Stärken beim Autismus zu erklären
→ Unfähigkeit zur Abstraktion, Detailwissen, Savant-Fähigkeiten
Schwache, zentrale Kohärenz Eine Erklärung für Savant-Fähigkeiten?
Expedition ins Gehirn, ARTE, 2006
www.stephenwiltshire.co.uk/
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Neuropsychologie Verfahren zur Erfassung der schwachen, zentrale Kohärenz
Neuropsychologie Theory-of-Mind-Defizite
Theory of Mind = Sammelbegriff für mentale Fähigkeiten, die für erfolgreichen
Ablauf sozialer Interaktionen notwendig sind = Eigenes und fremdes Verhalten erkennen und verstehen • Beim Autismus zeigen sich Defizite im Interpretieren von
Emotionen und Verhalten („mindblindness“)
→ Mangelnde Empathiefähigkeit, unangemessenes Kontaktverhalten
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Gefühlsblindheit messen Tests zur Emotionserkennung
FEFA Frankfurter Test zum Erkennen von fazialem Affekt
FEFA Augen Reading the mind in the eye
Bölte et al., 2002; Baron-Cohen et al., 1997 Bölte et al., 2002
Systematisieren von Empathie? Studien zur Effektivität des ToM-Trainings
Fragen: • Kann man Emotionserkennung trainieren?
– Auf der kognitiven Ebene – Auf der hirnfunktionellen Ebene
• Generalisierbarkeit?
Beispielstudien: • Golan & Baron-Cohen, 2006: The Interactive Guide to Emotions • Bölte et al., 2006: Facial affect recognition training in autism
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Effizienz des ToM-Trainings? The Interactive Guide to Emotions
• Die mit Software trainierte Gruppe zeigt bessere Leistungen als die Kontrollgruppe (u.a. mit sozialem Kompetenz Training)
• Aber: Keine besseren Leistungen bei Aufgaben außerhalb der Trainingsmaterialien
Golan & Baron-Cohen, 2006
→ Generalisierungsproblem!!
Bedeutung neuropsychologischen Stils für Therapie
Defizite berücksichtigen: • Veränderungsängste begrenzen Flexibilität • Aufmerksamkeitsprobleme begrenzen Kapazität • Schwache, zentrale Kohärenz begrenzt Abstraktionsfähigkeit/
Generalisierungsfähigkeit • Defizite der Interaktionsfertigkeit (zwischen Therapeut und Betroffenem)
begrenzen häufig Erfolg → Hoch strukturierte Abläufe mit vielen Wiederholungen sinnvoll
Ressourcen nutzen: • SZK begünstigt Fähigkeiten zu Systematisieren &
Gedächtnisleistungen • Erkennen von Details & visuelles Erfassen • Vorliebe für technische Geräte
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Effi Duketis • Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Johann Wolfgang Goethe Universität, Frankfurt/Main • 2005
GENETIK NEUROPSYCHOLOGIE NEUROBIOLOGIE
Ursachen
Neurobiologie Das Gehirn und Autismus
1. Hirnfunktionsstörung in fusiformer Gesichtsregion
2. Theorie der schwachen Konnektivität
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Funktionelle Bildgebung Theory-of-Mind-Defizite und Hirnfunktion
• Mangelnde Aktivierung von „Gesichtsregionen“
Hubl et al., 2003, Schultz et al., 2003
Messungen von Hirnaktivität beim Betrachten von Gesichtern:
Schultz et al., 2003
• Kompensatorische Aktivierung sachbezogener Regionen
Hirnstruktur und Hirnfunktion Gestörte „Verschaltung“ von Nerven?
• Sprunghafte Zunahme des Kopfumfangs zwischen 12. und 24. Lebensmonat
• Autistische Symptomatik auch erst ab 12. Lebensmonat • Funktionelle Bildgebung (fMRT und PET) zeigen:
weit entfernt gelegene Hirnareale arbeiten nicht gut zusammen • Kompensatorisch Verbesserung lokaler Verarbeitungsprozesse
→ Zusammenhang zwischen unmoduliertem Hirnwachstum, gestörter Nervenverschaltung und autistischer Symptomatik?
→ Schwache, zentrale Kohärenz auf Neuronenebene?
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Eine mögliche Ursachenkette
Abweichungen der Neurochemie (Neurexin-Mangel)
Klinische Symptomatik
Autismus
Gestörte Nervenverschaltung (schwache,
funktionale Konnektivität)
Abweichende Informations- verarbeitung
Umweltfaktoren
Gendefekt
Theory-of-Mind- Defizite
Schwache zentrale Kohärenz
Exekutive Dysfunktion
Unmoduliertes Hirnwachstum
Zusammenfassung
• Autismus zählt nicht mehr zu seltenen Störungen
• Symptomschwere variiert je nach Kompensationsmöglichkeiten
• Ausführliche und frühe Diagnostik entscheidend
• Symptome beruhen auf abweichender Informationsverarbeitung – Emotionale Inhalte werden im Gehirn wie Objekte behandelt – Das Gehirn bevorzugt segmentierte statt ganzheitliche
Wahrnehmung – Planungsfähigkeit und mentale Flexibilität sind gestört
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Zusammenfassung II
• Genetische Abweichungen könnten eine Fehlsteuerung der Verschaltung von Nervenzellen in der frühesten Entwicklung bedingen
Therapeutische Ausrichtung: • Training von kommunikativen und sozialen Kompetenzen im
Einzel- und im Gruppenkontext • Interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Therapeuten, Eltern,
Kindergarten und Schule (+ evtl. Schulbegleiter) zur Optimierung der Generalisierungsfertigkeiten des Kindes
Vielen Dank!
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main www.kgu.de/zpsy/kinderpsychiatrie