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Prof. Dr. Beat Fux Professur für Soziologie, ETH Soziologisches Institut, Universität Zürich Einführung in die Soziologie II: Die Sozialstruktur moderner Gesellschaften

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  • Prof. Dr. Beat Fux

    Professur für Soziologie, ETHSoziologisches Institut, Universität Zürich

    Einführung in die Soziologie II:Die Sozialstruktur moderner

    Gesellschaften

  • Programm der Lehrveranstaltung1 17. Feb. 2009 Was heisst Sozialstruktur (Einführung)2 24. Feb. 2009 Zur Entwicklung der Sozialstruktur3 3. März 2009 Bevölkerung und Demographie4 10. März 2009 Generationen5 17. März 2009 Familien und Haushaltstrukturen6 24. März 2009 Bildung (z.B. PISA)7 31. März 2009 Arbeit8 7. April 2009 Arbeit (Fortsetzung)9 21. April 2009 Einkommen, Wohlstand, Armut

    10 28. April 2009 Ausländer und Integration11 5. Mai 2009 Technik12 12. Mai 2009 Umwelt13 18. Mai 2009 Die Schweiz im heutigen Europa14 26. Mai 2009 Test

    2Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • Armut hat viele Gesichter

    Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)3

  • Armut in globaler Perspektive

    UNDP Flash

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  • Problem der GerechtigkeitJohn Rawls (1921-2002)

    Eine Theorie der Gerechtigkeit (1975)Ziel:„Fairer“ Gesellschaftsvertragd.h. Vertrag, dem alle Individuen aus freien Stücken zustimmen und dabei auf den eigenen Vorteil bedacht sind.

    Eine Gesellschaft, die durch eine wechselseitige Kooperation ausgezeichnet ist, die keinen Beteiligten vom Ansatz her benachteiligt.

    Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)5

  • Rawls MethodeDie Grundsätze für eine faire gesellschaftliche Kooperation werden in einem gedachten, hypothetischen Urzustand festgelegt.

    Im Urzustand werden Prinzipien und Regeln festgelegt, auf die sich ausschliesslich rational bestimmte und unter den Bedingungen von Freiheit und Gleichheit stehende Individuen einigen würden.

    Der Urzustand als methodisches Konstrukt repräsentiert eine prinzipielle Entscheidungssituation, also einen Ort, an dem die Grundstruktur der Gesellschaft festgelegt wird und wo die Entscheidungen frei von vorgeordneten externen Bestimmungen (Schleier des Nichtwissens) erfolgen.

    Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)6

  • Zwei Grundsätze der Gerechtigkeit aus Vernunftgründen

    1) Prinzip der unveräusserlichen Freiheit:„Jedermann soll gleiches Recht auf das umfangreichste System gleicher Grundgüter (Freiheit/ Freizügigkeit, Lebenschan-cen, Berufswahl, Einkommen, Selbstachtung) haben, dass mit dem gleichen System für alle anderen verträglich ist.“

    2) Differenzprinzip:„Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten sind so zu gestalten, dass

    zu erwarten ist, dass sie zu jedermanns Vorteil dienen

    sie mit Positionen und Ämtern verbunden sind, die jedem offen stehen“

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  • VorrangregelnErste Vorrangregel (Vorrang der Freiheit)

    Die Grundfreiheiten können nur um der Freiheit willen einge-schränkt werden, und zwar in folgenden Fällen:(a) eine weniger umfangreiche Freiheit muss das Gesamtsystem der Frei-

    heiten für alle stärken;(b) eine geringere als gleiche Freiheit muss für die davon Betroffenen

    annehmbar sein.

    Zweite Vorrangregel (Vorrang der Gerechtigkeit vor Lei-stungsfähigkeit und Lebensstandard)Die faire Chancengleichheit ist dem Unterschiedsprinzip vor-geordnet, und zwar in folgenden Fällen:(a) eine Chancen-Ungleichheit muss die Chancen der Benachteiligten ver-

    bessern;(b) eine besonders hohe Sparrate muss insgesamt die Last der von ihr

    Betroffenen mildern.

    Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)8

  • Gerechtigkeit als komplexer Zusammenhang von …

    Freiheit:im Sinne der Grundfreiheiten und der rationalen Selbstbestimmung

    Gleichheit:im Sinne des gleichen Rechts auf die Freiheiten

    Differenz:im Sinne des fairen Wettbewerbs um reale Ämter und Positionen

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  • Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)10

    Quelle: Datenbasis: Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998 des StBA.

  • Einkommen

    11Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • Einkommensungleichheit

    12Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • Lorenzkurve, Gini-Index

    13Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • Einkommensungleichheit in der Schweiz

    14Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • Einkommensverteilung im Vergleich

    15Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • Armut: Begriffe

    16Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • Ressourcenansatz

    17Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • 18Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • ArmutsindikatorenIntegriert Einkommen, konkrete Lebenslage und zeitliche Dauer der ArmutZiel: verlässliche Aussagen über soziale Struktur eines Landes zu machenZur Ermittlung von Armut sind folgende Variablen von Belang:

    Klassenposition,Haushaltstyp,Nationalität,Bildungsniveau,Haushaltsveränderungen,Arbeitsmarktbeteiligung

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  • Rel. Armutsquoten

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  • Einkommensverteilung der Steuerpflichti-gen nach Familiensituation und Alter

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  • Verteilung des Bruttovermögens und des Reinvermögens nach Altersklasse

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  • Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)23

    Quelle: Philippe Wanner: Die wirtschaftliche Situation von Erwerbstätigen undPersonen im Ruhestand, 2008

  • Lohnunterschiede: Median des mtl. Vollzeit-Bruttolohnes, nach Bildungsstufe 1996 und 2000

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  • Vollzeit-Bruttolohns, n. Kaderstufe 1996 u. 2000

    25Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • Vollzeit-Bruttolohns, nach Branche 2000

    26Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • Bruttolohn nach Geschlecht bei gleicher Bildungsstufe und Kaderfunktion, 2002

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  • Armutsquoten im Vergleich

    28Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

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    Entwicklung von Armutsquoten

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  • 32Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • 33Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • 34Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • 35Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

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  • 37Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • Working poor: Armut trotz Arbeit

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  • Definition

    39Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • Working poor

    40Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

    Quelle: Sozialbericht 2004

  • Anteil der Working poor am Total d. Armen

    41Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

    Quelle: Sozialbericht 2004

  • Working poor nach div. Merkmalen

    42Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

    Quelle: Sozialbericht 2004

  • 43Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • 44Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)

  • Neue Klassengesellschaft

    Debatten über „neue Klassengesellschaft“ seit einigen JahrenDie Schere zwischen Einkommen aus selbstständiger und aus abhän-giger Arbeit vergrösserte sichZonen neuer Armut durch dauerhafte Erwerbslosigkeit und verfestigte Sozialhilfebedürftigkeitjetzt auch soziale Unterschiede in Lebensstil und Konsum soziale Segregation des Wohnens nahm zusoziale Unterschiede in Mediennutzung2 Dimensionen: 1. reale Entwicklung von sozialen Strukturen2. Wahrnehmung, Analyse Politisierung dieser ProzesseDie Schwelle Ungleichheit, insbesondere materielle, als ungerecht zu empfinden, ist niedrig

    Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)45

  • Neue Spannungslinien, neue Gerechtigkeit?

    neue Spannungslinienman denkt zuerst an Ungleichheit der Geschlechterneu“= Schweiz hat Rückstand gegenüber anderen westlichenNationen (z.B. Frau in Führungsposition)Konflikt der Generationen: jede Gesellschaft hat einen Gene-rationenvertragBildungs- und Aufstiegschancen haben sich verringertwird nicht als ungerecht empfunden ( noch im privaten Bereich)Differenz zwischen Eltern und Kinderlosen: = ungleiche Lebenschancen ( Eltern übernehmen private und gesellschaftliche Verantwortung der neuen Generation)Spannung zwischen Einheimischen und Zugewanderten

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  • Bildungsungleichheit

    Zentrale Errungenschaften moderner Gesellschaften = erworbene Eigenschaften( insbesondere Bildungsqualifikation )meritokratische Triade ( Reinhard Kreckel ):legitime Einflüsse= Einflüsse, die zwischen Qualifikationen undberuflichen Stellungen und von dort auf Einkommen wirken illegitime Einflüsse: beruhen auf kategorialen Zugehörigkeiten (Geschlecht) und darauf aufbauenden Prozessen der sozialen SchliessungAngleichung der Bildungschancen der GeschlechterDie Bildungschancen haben sich über alle beruflichen Positionen zumindest unter den Deutschen erhöhtEs gibt immer noch einen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungsabschluss

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  • Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)48

  • Underclass

    Bedingungen zur Zuordnung zur „underclass“ erfüllt, wenn:1. erzieltes Einkommen während letzten 5 Jahren

    unter 60% des Durchschnittseinkommens2. für folgende 5 Jahre keine Verbesserung im

    Haushalt erkennbar ist3. keine Vermögenswerte vorhanden sind4. zusätzliche personen- oder verhaltensbezogene

    Diskriminierungen

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  • Exklusion

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  • Castels Drei-Zonen-Theorie

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  • Castel: (Des-)Integrationspotenziale von Erwerbsarbeit - eine Typologie:

    Zone der Integration1) Gesicherte Integration ("Die Gesicherten") 2) Atypische Integration ("Die Unkonventionellen", bzw "Selbstmanager") 3) Unsichere Integration ("Die Verunsicherten") 4) Gefährdete Integration ("Die Abstiegsbedrohten") Zone der Prekarität5) Prekäre Beschäftigung als Chance / temporäre Integration ("Die Hoffenden") 6) Prekäre Beschäftigung als dauerhaftes Arrangement ("Die Realistischen") 7) Entschärfte Prekarität ("Die Zufriedenen") Zone der Vulnerabilität8) Überwindbare Ausgrenzung ("Die Veränderungswillingen") 9) Kontrollierte Ausgrenzung / inszenierte Integration ("Die Abgehängten")

    Fux: Einführung in die Soziologie II: Sozialstruktur moderner Gesellschaften (ETH FS2009)52

    Einführung in die Soziologie II: �Die Sozialstruktur moderner GesellschaftenProgramm der LehrveranstaltungArmut hat viele GesichterArmut in globaler PerspektiveProblem der GerechtigkeitRawls MethodeZwei Grundsätze der Gerechtigkeit aus VernunftgründenVorrangregelnGerechtigkeit als komplexer Zusammenhang von …Foliennummer 10EinkommenEinkommensungleichheitLorenzkurve, Gini-IndexEinkommensungleichheit in der SchweizEinkommensverteilung im VergleichArmut: BegriffeRessourcenansatzFoliennummer 18ArmutsindikatorenRel. ArmutsquotenEinkommensverteilung der Steuerpflichti-gen nach Familiensituation und Alter Verteilung des Bruttovermögens und des Reinvermögens nach Altersklasse Foliennummer 23Lohnunterschiede: Median des mtl. Vollzeit-Bruttolohnes, nach Bildungsstufe 1996 und 2000 Vollzeit-Bruttolohns, n. Kaderstufe 1996 u. 2000Vollzeit-Bruttolohns, nach Branche 2000Bruttolohn nach Geschlecht bei gleicher Bildungsstufe und Kaderfunktion, 2002 Armutsquoten im VergleichFoliennummer 29Entwicklung von ArmutsquotenFoliennummer 31Foliennummer 32Foliennummer 33Foliennummer 34Foliennummer 35Foliennummer 36Foliennummer 37Working poor: Armut trotz ArbeitDefinitionWorking poorAnteil der Working poor am Total d. ArmenWorking poor nach div. MerkmalenFoliennummer 43Foliennummer 44Neue KlassengesellschaftNeue Spannungslinien, neue Gerechtigkeit?BildungsungleichheitFoliennummer 48UnderclassExklusionCastels Drei-Zonen-TheorieCastel: (Des-)Integrationspotenziale von Erwerbsarbeit - eine Typologie: