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Endbericht Die wirtschaftliche Bedeutung der Recycling- und Entsorgungsbranche in Deutschland Stand, Hemmnisse, Herausforderungen Zusammenfassung der Studie Im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie GIB – Gesellschaft für Innovationsforschung und Beratung mbH, Berlin in Kooperation mit ARGUS – Statistik und Informationssysteme in Umwelt und Gesundheit GmbH

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Endbericht

Die wirtschaftliche Bedeutung der

Recycling- und Entsorgungsbranche

in Deutschland

Stand, Hemmnisse, Herausforderungen

Zusammenfassung der Studie

Im Auftrag des

Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

GIB – Gesellschaft für Innovationsforschung und Beratung mbH,

Berlin

in Kooperation mit

ARGUS – Statistik und Informationssysteme

in Umwelt und Gesundheit GmbH

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Berlin, den 24. März 2009

GIB – Gesellschaft für Innovationsforschung

und Beratung mbH

Prof. Dr. Carsten Becker Dr. Tim Grebe Dr. Matthias Kirbach

In Zusammenarbeit mit

ARGUS – Statistik und Informationssysteme in

Umwelt und Gesundheit GmbH

Dr.-Ing. Bertram Zwisele Dipl.-Ing. Alexander Baath Dipl.-Ing. Antje Meister Cand.-Ing. Sven Kränkel

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1 Auftrag Die Recycling- und Entsorgungsbranche in Deutschland hat sich in der Ver-gangenheit von der reinen Entsorgung hin zur sinnvollen Nutzung aller noch brauchbaren Sekundärrohstoffe gewandelt.

Trotz eines allgemein bestehenden Konsenses über die hohe ökologische und ökonomische Bedeutung der Recycling- und Entsorgungswirtschaft war es bislang nicht möglich, ein genaues Bild dieser Branche zu zeichnen. Bis vor wenigen Jahren wurde die Branche nicht als ein eigenständiger Wirt-schaftsbereich gesehen, sondern mehreren anderen Kategorien, z. B. dem Verarbeitenden Gewerbe oder dem Handel, zugerechnet.

Vor diesem Hintergrund und einer daraus resultierenden unzureichenden Informationsbasis hinsichtlich der Beschäftigten- und Umsatzzahlen in der Recycling- und Entsorgungsbranche hat das BMWi diese Forschungsstudie in Auftrag gegeben. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, aktuelle Informati-onen in Form einer Bestandsaufnahme zur wirtschaftlichen Bedeutung und zum Stand der Recycling- und Entsorgungsbranche bereitzustellen. Zudem sollen rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen und deren Einfluss auf die nationale Recycling- und Entsorgungswirtschaft untersucht werden.

2 Untersuchungsgegenstand und Methodik

Der Studie liegen folgende Schritte und Annahmen zu Grunde:

2.1 Abgrenzung

Die Differenzierung nach Primär- und Sekundärsektor ermöglicht eine klare Abgrenzung der Recycling- und Entsorgungsbranche. Für die Beschreibung der Recycling- und Entsorgungswirtschaft und der zu betrachtenden Wert-schöpfungsstufen und Stoffströme wurde der Tätigkeitsbereich der Recycling- und Entsorgungsbranche zunächst eingegrenzt. Die folgende Abbildung 1 gibt einen Überblick. Dem Sekundärsektor werden demnach alle Tätigkeiten zugeordnet, die der Produktion oder dem gewerblichen und privaten End-verbrauch nachgeschaltet bzw. der Produktion von Rohstoffen und Halbzeu-gen vorgeschaltet sind.

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Quelle: eigene Darstellung GIB / Argus 2008

Rohstoff-gewinnung /-herstellung

Halbzeug-herstellung

Produktherstellung

Sammlung & TransportWiederverwendung

(reuse)

energetischeVerwertung

Ablagerung

stoffliche Verwertung(Recycling)

Sekundärroh-/Sekundärbrennstoff

Energie-,und Stoff-Input

Energie-,und Stoff-Emission-en

Konsumption

A b f a l l

A b f a l l

zurBeseitigung

A b f a l lzur

Verwertung

Pri

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Energie

energetischeBeseitigung

Vorbehandlung, Sortierung

Abbildung 1: Abgrenzung der Entsorgungs- und Recyclingbranche anhand der Beschreibung

der Materialkreisläufe

Im Rahmen dieser Studie umfasst die Recycling- und Entsorgungsbran-

che1 daher alle Leistungen, die die Wertschöpfungsstufen Abfallsammlung inkl. Transport und Umschlag, Abfallsortierung, Aufbereitung bzw. Behand-lung von Abfällen, Handeln/Makeln, die Zuführung von Abfällen zu einer Wie-derverwendung, einer stofflichen oder einer energetischen Verwertung sowie die Deponierung beinhalten. Berücksichtigt werden alle Materialien bzw. Stof-fe, die dem Geltungsbereich und dem Abfallbegriff des Kreislaufwirtschafts-/ und Abfallgesetztes (§ 2 und 3 des KrW-/ AbfG) unterliegen.2

2.2 Methodik

Eine erste Bestandsaufnahme der Recycling- und Entsorgungsbranche er-folgte im Rahmen dieser Studie anhand sekundärstatistischer Quellen, wie

1 Für eine ausführliche Betrachtung der Abgrenzungsproblematik vgl. Kapitel 2.1 im Haupt-

bericht. 2 Tierkörperabfälle, radioaktive Abfälle, Abfälle des Bergbaus, bestimmte gasförmige Abfälle,

Abwässer, die in Gewässer oder Abwasseranlagen eingeleitet werden, oder Kampfmittel wurden im Rahmen dieser Studie nicht betrachtet. Der Bereich der Wissenschaft und For-schung außerhalb der Recycling- und Entsorgungsbetriebe war ebenfalls nicht Gegenstand der Analyse.

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den Daten des Statistischen Bundesamtes, der Umsatzsteuerstatistik und der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Diese Daten geben einen ersten Branchenüberblick, der sich strukturell an der Klassifikation der Wirtschafts-zweige (WZ 2003)3 orientiert. Hierzu zählen u. a. Angaben zum Branchenum-satz, zur Zahl der Unternehmen sowie der Beschäftigtenzahlen.

Das Ziel der Studie, detaillierte Informationen zur Verteilung von Umsatz und Beschäftigung auf einzelne Wertschöpfungsstufen und Stoffströme zu gewin-nen, konnte jedoch mit sekundärstatistischen Quellen nicht erreicht werden. Zudem umfassen die Daten des Statistischen Bundesamtes nur Unterneh-men, deren Hauptzweck im Wirtschaftszweig Recycling und Entsorgung liegt. In einigen Erhebungen werden zudem nur Unternehmen mit einer Beschäftig-tenzahl von mindestens 20 Mitarbeitern oder Unternehmen mit einem Jah-resumsatz von mindestens 17.500 EUR4 berücksichtigt. Um diesem Defizit zu begegnen und eine geeignete Bestandsaufnahme der Recycling- und Entsor-gungswirtschaft vorzunehmen, wurde im Rahmen dieser Studie ein mengen-spezifischer Ansatz entwickelt und verwendet. Dieser ist in der Lage, auf Ba-sis von Stoffmengen unter Verwendung mengenspezifischer Kennzahlen Umsatz- und Beschäftigtenzahlen der Branche und ihrer Teilbereiche abzu-schätzen. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass eine Schätzung der Anteile einzelner Stoffströme auch bei Unternehmen möglich wird, die in mehreren Stoffbereichen tätig sind.

Für diese Bestandsaufnahme wurden relevante5 Stoffströme der Recycling- und Entsorgungsbranche identifiziert und die jeweiligen Stoffmengen erfasst. Separat berücksichtigt wurden Siedlungsabfälle, Gefährliche Abfälle, Bau- und Abbruchabfälle, Altglas, Altpapier, Altmetalle, Altkunststoffe, Kompostier-bare Abfälle, Abfälle aus Produktion und Gewerbe und Sonstige Abfälle. Die Daten wurden sekundärstatistischen Quellen des Statistischen Bundesamtes sowie Verbandsstatistiken entnommen. Im Rahmen einer Primärerhebung6 bei ca. 2.500 (brutto) Unternehmen der Recycling- und Entsorgungsbranche7 sowie durch Gespräche mit ausgewählten Experten wurden spezifische Pro-

3 Vgl. hierzu die Kapitel 2.2 und 5.1 des Hauptberichts. 4 Vgl. hierzu Umsatzsteuerstatistik, in der alle umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen erfasst

sind, die im Berichtsjahr Umsatzsteuer-Voranmeldungen getätigt haben und deren steuer-barer Umsatz über einem Grenzwert liegt. Seit 2003 sind dies 17.500 €.

5 Vgl. hierzu die Kapitel 2.2 und 5.2 des Hauptberichts. 6 Eine detaillierte Beschreibung der Datenbasis ist in Kapitel 3.2 des Hauptberichts zu finden. 7 Für die Unternehmensbefragung stand ein Datensatz mit ca. 6.000 Unternehmen der Re-

cycling- und Entsorgungsbranche zur Verfügung. Aus dem Datenbestand wurden alle Un-ternehmen berücksichtigt, die den WZ-Klassen 37, 51.57 sowie 90 zuzurechnen sind. Aus diesem Datensatz wurde eine Zufallsstichprobe gezogen.

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duktivitätskennziffern differenziert nach Stoffströmen und Wertschöpfungsstu-fen ermittelt, wie z. B. die umgesetzte Menge je Beschäftigtem sowie der Umsatz je Beschäftigtem. Auf Basis der Stoffmengen konnten daher Kennda-ten, wie etwa Umsatz- und Beschäftigtenzahlen, getrennt nach Stoffströmen und Wertschöpfungsstufen, geschätzt werden.8

Im Rahmen der Unternehmensbefragung wurden die Unternehmen der Re-cycling- und Entsorgungsbranche weiterhin zu aktuellen und zukünftigen Entwicklungen im Recycling- und Entsorgungsmarkt befragt. Nach Auswer-tung und Analyse aller Befragungen und Untersuchungen wurden die Ergeb-nisse im Rahmen eines Workshops vorgestellt und diskutiert.

2.3 Nichtberücksichtigung der Finanzmarktkrise

Die Studie berücksichtigt die bis einschließlich August 2008 verfügbaren Da-ten. Der mengenspezifische Ansatz basiert auf den Abfallmengen der im Rahmen dieser Studie betrachteten Stoffströme, die bis Ende August 2008 beim Statistischen Bundesamt vorlagen. Alle Angaben der Studie zu Be-

schäftigten und Umsätzen beziehen sich daher auf das Jahr 2006. Das Jahr 2006 wurde als Bezugs- oder Referenzjahr für die Studie festgelegt.

Die Auswirkungen der weltweiten Verwerfungen auf den Finanz- und Roh-stoffmärkten konnten in den Wertungen und Prognosen dieser Studie daher nicht berücksichtigt werden.

3 Zusammenfassung der Ergebnisse zur wirtschaftli-

chen Bedeutung

Teilkapitel 3.1 gibt zunächst einen Überblick zur wirtschaftlichen Bedeutung der einzelnen Stoffströme.9 Eine Zusammenfassung der Ergebnisse sowie ein Vergleich der Recycling- und Entsorgungsbranche zu anderen Schlüssel-branchen in Deutschland erfolgt in Teilkapitel 3.2.

8 Für eine detaillierte Beschreibung des mengenspezifischen Ansatzes siehe Kapitel 3.3 des

Hauptberichts. 9 Für eine ausführliche Betrachtung der einzelnen Stoffströme siehe Kapitel 5.2 im Hauptbe-

richt.

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3.1 Stoffstrombetrachtungen

Siedlungsabfälle

Siedlungsabfälle umfassen verschiedene Abfallarten. Gemäß der Definition der TA Siedlungsabfall (TA Si) werden folgende Abfallarten aufgezählt: Hausmüll, Sperrmüll, hausmüllähnliche Gewerbeabfälle, Garten- und Parkab-fälle, Marktabfälle, Straßenkehricht, Bauabfälle, Klärschlamm, Fäkalien, Fä-kalschlamm, Rückstände aus Abwasseranlagen und Wasserreinigungs-schlämme. Bei den in Haushaltungen und Gewerben getrennt von Restmüll erfassten Wertstoffen handelt es sich ebenfalls um Siedlungsabfälle.10

Das Gesamtaufkommen der Siedlungsabfälle (ohne getrennt erfasste Wert-stoffe) hat sich von 2002 bis 2006 rückläufig entwickelt und betrug im Jahr 2006 etwa 21,3 Mio. Tonnen. Der größte Anteil entfällt auf den Bereich des Hausmülls mit ca. 14,3 Mio. Tonnen. Zweitgrößter Posten sind die hausmüll-ähnlichen Gewerbeabfälle mit ca. 3,8 Mio. Tonnen. Der Anteil des Sperrmülls betrug 2,2 Mio. Tonnen. Den Rest umfassen die übrigen Abfallarten Garten- und Parkabfälle, Marktabfälle sowie Straßenreinigung. Den stärksten Rück-gang verzeichnete der Hausmüll mit ca. 2,8 Mio. Tonnen. Mittel- bis langfristig ist nur noch mit einem geringfügigen Rückgang der Siedlungsabfallmengen zu rechnen.

Unter Verwendung des stoffmengenspezifischen Ansatzes wurden für den Stoffbereich Siedlungsabfälle ca. 26.500 Beschäftigte mit einem Umsatz von knapp 4,5 Mrd. EUR geschätzt. Besonders beschäftigungsintensiv ist die Wertschöpfungsstufe Sammlung & Transport, in der 85 % der Beschäftigten tätig sind.

Gefährliche Abfälle

Gefährliche Abfälle sind Abfälle, von denen in besonderem Maße gesund-heits-, luft- und wassergefährdende Umweltwirkungen ausgehen können. An die Entsorgung und Überwachung gefährlicher Abfälle werden besondere Anforderungen gestellt. Es gelten Nachweispflichten der Entsorger, Besitzer, Einsammler, Beförderer und Entsorger untereinander und gegenüber der zuständigen Behörde. Auf Grundlage des europäischen Abfallverzeichnisses

10 Die getrennt erfassten Wertstoffe werden im Rahmen dieser Studie den eigenständigen

Stoffströmen Altglas, Altpapier, Altkunststoffe, Altmetalle, kompostierbare Abfälle sowie Ab-fälle aus Produktion und Gewerbe zugeordnet. Überschneidungen zwischen den Sied-lungsabfällen und den getrennt erfassten Wertstoffen können nicht gänzlich ausgeschlos-sen werden.

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(EAV) 2000/532/EC regelt die Abfallverzeichnisverordnung, wann Abfälle als gefährlich eingestuft werden.

Im Jahr 2006 wurden insgesamt 18,5 Mio. Tonnen Gefährliche Abfälle ent-sorgt, davon waren ca. 6,8 Mio. Tonnen Gefährliche Bau- und Abbruchabfäl-le, zu denen auch kontaminierte Böden und Steine gehören. Ca. 3 Mio. Tonnen Gefährliche Abfälle stammten aus Abfallbehandlungsanlagen, öffentlichen Abwasserbehandlungsanlagen sowie der Aufbereitung von Was-ser. Zu den Sonderabfallarten zählen u. a. Batterien, Altöle, Altreifen, Altche-mikalien, Farb- und Lösemittelrückstände und Metallschlämme. Das Auf-kommen an Gefährlichen Abfällen hat in den letzten Jahren leicht abgenom-men. Es werden deutlich mehr Gefährliche Abfälle importiert als exportiert, was auf die Attraktivität des Standortes Deutschland bei der umweltgerechten Behandlung dieser Abfälle hindeutet.

Unter Verwendung des stoffspezifischen Ansatzes wird für den Stoffstrom „Gefährliche Abfälle“ eine Beschäftigtenzahl von ca. 23.600 geschätzt, der Umsatz beträgt ca. 5,4 Mrd. EUR. Besonders beschäftigungsintensiv ist die Wertschöpfungsstufe Sammlung & Transport, in der gut 56 % der Beschäftig-ten dieses Stoffbereichs tätig sind, der Umsatzanteil beträgt hingegen nur 41 %.

Bau- und Abbruchabfälle

Der Stoffstrom Bau- und Abbruchabfälle ist mit einem Anteil von 58 % des Gesamtabfallaufkommens in 2006 der mengenmäßig bedeutsamste Stoff-strom der Recycling- und Entsorgungsbranche. Hauptbestandteile sind mine-ralische Stoffe und Erzeugnisse wie Steine, Erden, Ziegel, Beton und Metalle. Insgesamt wurden im Bezugsjahr 2006 ca. 182 Mio. Tonnen Bauabfälle (da-von 19,5 Mio. Tonnen zur Beseitigung) erfasst, wovon ca. 163 Mio. Tonnen über eine Getrennterfassung oder über Aufbereitungsverfahren recycelt und in der deutschen Primärproduktion eingesetzt wurden. Dies entspricht einem Anteil an der erfassten Bauabfallmenge von 89 %. Die vergangenen Jahre sind durch eine Abnahme von Bau- und Abbruchabfällen gekennzeichnet.

Unter Verwendung des mengenspezifischen Ansatzes wurde für den Stoff-strom Bau- und Abbruchabfälle eine Beschäftigtenzahl von ca. 37.200 und ein Umsatz von ca. 11,1 Mrd. EUR geschätzt. Die beschäftigungsintensivste Wertschöpfungsstufe stellt der Bereich Sammlung und Transport mit 65 % der Beschäftigten dar. Die umsatzproduktivsten Wertschöpfungsstufen stellen die Stufen „Verwertung“ und „Beseitigung“ dar.

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Altglas

Unter Altglas wird zum einen Glas verstanden, das bei der Herstellung, Ver-arbeitung und Verwendung als Abfall anfällt, bevor es zum Verbraucher ge-langt (Pre-Consumer-Bereich). Hierzu zählt Produktionsausschuss aus der Glasherstellung, Verschnitt bei der Glasverarbeitung sowie Bruchglas in der Getränkeabfüllung. Zum anderen fällt Glas nach dem Gebrauch als Altglas in Form von gebrauchten Glasverpackungen, alten Fensterscheiben und Wind-schutzscheiben von Altautos an (Post-Consumer-Bereich). Die wichtigsten Glaserzeugnisse sind Behälterglas, Flachglas, Mineralfasern sowie Gebrauchs- und Spezialglas.

Für das Altglasaufkommen liegen belastbare Zahlen nur für den Bereich Be-hälterglas vor. Im Jahr 2006 betrug das Abfallaufkommen von Behälterglas 2,5 Mio. Tonnen, davon aus Haushalten 1,9 Mio. Tonnen und aus Gewerben 0,6 Mio. Tonnen. Von der erfassten Behälterglasmenge konnten 2,4 Mio. Tonnen zur Verwertung in der Behälterglasindustrie eingesetzt wer-den. Dies entspricht einer Verwertungsquote von 94 %, was im internationa-len Vergleich ein Spitzenwert ist.

Für den Stoffbereich Altglas wurden 1.800 Beschäftigte mit einem Gesamt-umsatz von 339 Mio. EUR geschätzt. Den arbeitskräfteintensivsten Bereich stellt die Wertschöpfungsstufe Sammlung und Transport dar, in der 68 % der Beschäftigten tätig sind. An zweiter Stelle steht die Sortierung und Aufberei-tung mit knapp 25 % der Beschäftigten. 54 % des Gesamtumsatzes werden in der Wertschöpfungsstufe Sammlung & Transport erzielt, während auf Sor-tierung & Aufbereitung 28 % des Umsatzes entfallen.

Altpapier

Altpapier ist nach DIN 6730 der Oberbegriff für Papier, Pappe und Kartona-gen (PPK), die außerhalb ihres Fabrikationsprozesses nach der Verarbeitung oder dem Gebrauch erfassbar anfallen. Deutschland verfügt heute über ein gut funktionierendes und gut ausgebautes Getrennterfassungssystem für Altpapier. In 2006 wurden ca. 15,5 Mio. Tonnen Altpapier über eine Getrennt-sammlung erfasst und in der deutschen Primärproduktion eingesetzt. Dies entspricht einem Anteil an der In-Verkehr gebrachten Papiermenge von ca. 72 %. Seit 2007 ist Deutschland Nettoimporteur für Altpapier. Nach Einschät-zung von Unternehmen, die im Bereich Papierrecycling und Verwertung tätig sind, wird sich das inländische Aufkommen an Recyclingmaterial in den kommenden Jahren kaum steigern lassen.

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Für den Stoffstrom Altpapier wurde unter Verwendung des mengenspezifi-schen Ansatzes eine Beschäftigtenzahl von 10.800 bei einem Umsatz von etwa 2,4 Mrd. EUR geschätzt. Besonders arbeitskräfteintensiv ist die Wert-schöpfungsstufe Sammlung & Transport, in der mit etwa 72 % der überwie-gende Teil der Beschäftigten tätig ist und die über die Hälfte des Umsatzes mit knapp 1,3 Mrd. EUR erwirtschaftet.

Altkunststoffe

Kunststoffabfälle fallen als Produktionsabfälle, d. h. bei der Erzeugung der Kunststoffrohmassen und der Verarbeitung zu Halb- und Fertigerzeugnissen und als Post-Consumer-Abfälle, d. h. nach der Nutzung der Produkte, an. Die Verwertung von Kunststoffen ist durch das Inkrafttreten der Verpackungsver-ordnung 1991 und den damit verbundenen Rücknahmepflichten und Verwer-tungsquoten wirtschaftlich interessant geworden. Durch die gesetzlichen Re-gelungen und vorgeschriebenen Verwertungsquoten hat sich die Recycling-technik stark weiterentwickelt. Deutschland verfügt heute über ein gut funkti-onierendes und gut ausgebautes Getrennterfassungssystem für Altkunststof-fe.

Der mit 3,45 Mio. Tonnen überwiegende Anteil der Gesamtabfallmenge (4,4 Mio. Tonnen) von Altkunststoffen stammt aus dem Post-Consumer-Bereich, 0,97 Mio. Tonnen waren Produktions- und Verarbeitungsabfälle. Gesammelte Verkaufsverpackungen dominieren mit 57,5 % den Kunststoff-abfallstrom der Post-Consumer-Abfälle. 4,5 % der Post-Consumer-Abfälle stammten 2005 aus Fahrzeugen, das sind etwa 155 Tsd. Tonnen. Die Kunst-stoffmengen aus Elektronikschrott werden mit ca. 200 Tsd. Tonnen Kunststoff beziffert. Der starke Anstieg des Kunststoffabfallaufkommens um 1,2 Mio. Tonnen in den Jahren 1997 bis 2005 ist auf den Post-Consumer-Bereich zurückzuführen. Das Aufkommen in der Produktion und Verarbeitung ist hingegen weitgehend konstant geblieben. Nennenswerte Potenziale wer-den noch im Bereich der Bauabfälle und in der Steigerung der Getrennterfas-sung von Altkunststoffen im Siedlungsabfall gesehen. Derzeit werden noch immer ca. 50 % der in Haushalten anfallenden Altkunststoffe nicht getrennt erfasst.

Von den 4,4 Mio. Tonnen wurden 2005 37 % einer werkstofflichen, 37 % ei-ner energetischen und 8 % einer rohstofflichen Verwertung zugeführt. Weite-re 8 % der Kunststoffabfälle wurden zwischengelagert und 10 % beseitigt. Bedingt durch das Inkrafttreten des Deponierungsverbotes für unbehandelte Abfälle sind die beseitigten Mengen stark gesunken. Die Verwertungsquote bezogen auf die getrennt erfassten Altkunststoffe betrug 2005 94 %, im euro-

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päischen Vergleich ein Spitzenwert. Die Sammlung, Aufbereitung und Ver-wertung der Kunststoffleichtverpackungen ist überwiegend in der Hand der großen Entsorgungsunternehmen.

Für den Stoffstrom Altkunststoffe wurden insgesamt knapp 6.000 Beschäftig-te geschätzt, der Umsatz auf ca. 1,35 Mrd. Euro. Der Großteil der Beschäftig-ten (ca. 55%) ist im Bereich Sammlung und Transport tätig. Insbesondere die Sammelsysteme für den Bereich Verpackungen aus dem privaten Sektor er-fordern einen hohen personellen Aufwand. Dem Bereich Sortie-rung/Aufbereitung sind 26 % der Beschäftigten zugeordnet, auf den Bereich Verwertung/Beseitigung entfallen 19 % der Beschäftigten. Die Verwertungs-verfahren erfordern damit einen ähnlich hohen personellen Aufwand wie die Sortierungs- und Aufbereitungsverfahren.

Altmetalle: Eisen & Stahl und Nichteisenmetalle

Unter dem Begriff Altmetalle werden die mengenmäßig relevanten Metalle Eisen und Stahl, Aluminium, Kupfer, Blei und Zink zusammengefasst, die im Fokus der Betrachtung stehen. Aus Sicht der Recycling- und Entsorgungs-wirtschaft ist vor allem die Herstellung von Stahl und NE-Metallen von Bedeu-tung. Fe- und NE-Schrotte sind die einzigen Rohstoffe für die Herstellung von Rohstahl und bei der Verhüttung von NE-Metallen, die im Inland zur Verfü-gung stehen. Sie gehören zu den Abfällen, die mit einem positiven Marktwert belegt sind. Notwendige aufwändige Aufbereitungsverfahren können dabei finanziell lohnend sein.

Der Gesamtschrottseinsatz belief sich im Bezugsjahr 2006 auf 21,2 Mio. Ton-nen. Die bedeutendsten Quellen für die Rekrutierung von Schrott sind die metallverarbeitenden Betriebe, bei denen Neuschrotte in Höhe von ca. 7,4 Mio. Tonnen anfallen, die Bauwirtschaft, die Automobilindustrie, der Ma-schinenbau, die Elektroindustrie sowie im Bereich der NE-Metalle die Batte-rien, Altkabel, Unterhaltungselektronik etc.

Für den Stoffstrom Fe-Altmetalle wurden ca. 12.700 Beschäftigte mit einem Umsatz von 4,8 Mrd. EUR ermittelt. Am arbeitskräfteintensivsten ist die Wert-schöpfungsstufe Sammlung & Transport, in der mit 74 % der überwiegende Teil der Beschäftigten tätig ist. Auf die Sortierung & Aufbereitung entfallen 21 % der Beschäftigten. Gut 58 % des Umsatzes wurde mit 2,8 Mrd. EUR in der Wertschöpfungsstufe Sammlung & Transport erwirtschaftet. Auf die Wert-schöpfungsstufe Sortierung & Aufbereitung entfielen 33 % des Umsatzes.

Für den Stoffstrom NE-Altmetalle wurden nach dieser Berechnung ca. 2.150 Beschäftigte mit einem Umsatz von ca. 0,75 Mrd. EUR geschätzt. Am ar-

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beitskräfteintensivsten ist hier die Wertschöpfungsstufe Sammlung & Trans-port, in der mit etwa 86 % der überwiegende Teil der Beschäftigten tätig ist. Auf die Sortierung & Aufbereitung entfallen knapp 10 % der Beschäftigten. Etwa 74 % des Umsatzes wurden mit 554 Mio. EUR in der Wertschöpfungs-stufe Sammlung & Transport erwirtschaftet. Auf die Wertschöpfungsstufe Sor-tierung & Aufbereitung entfielen 20 % des Umsatzes.

Kompostierbare Abfälle

Biologisch abbaubare Abfälle werden in Deutschland seit den 1980er Jahren getrennt gesammelt und ggf. anschließend kompostiert oder vergärt. Bei bio-logisch abbaubaren Abfällen ist zu differenzieren zwischen dem Bioabfall aus Haushalten, biologisch abbaubaren Abfällen aus Park- und Grünflächen so-wie aus sonstigen Quellen. Zu den biologisch abbaubaren Abfällen aus sons-tigen Quellen gehören neben den Küchen- und Kantinenabfällen auch Rück-stände aus der Lebensmittelverarbeitung und der Landwirtschaft sowie Klär-schlamm als Produkt der Abwasserreinigung.

Im Jahr 2006 wurden 7,9 Mio. Tonnen biologisch abbaubare Abfälle getrennt in Haushalten, in Grün- und Parkanlagen und als biologisch abbaubare Abfäl-le aus Kantinen und Küchen gesammelt und an Behandlungsanlagen ange-liefert. Der Anteil aus der häuslichen Sammlung (Biotonne) bewegt sich mit 3,7 Mio. Tonnen in einer ähnlichen Größenordnung wie die biologisch abbau-baren Garten- und Parkabfälle. Aus dem Ausland stammen rund 2 % der Sammelmenge mit 16 Tsd. Tonnen.

Für den Stoffstrom Kompostierbare Abfälle wurden ca. 7.200 Beschäftigte mit einem Umsatz von etwa 1,2 Mrd. EUR geschätzt. Die Wertschöpfungsstufe Sammlung/Transport steht mit ca. 5.300 Beschäftigten (73 %) deutlich an erster Stelle. Der Umsatzanteil beträgt 69 %. An zweiter Stelle steht Sortie-rung & Aufbereitung mit einem Umsatzanteil von 27%.

Sonstige Abfälle

Unter dem Stoffstrom „Sonstige Altstoffe“ wurden im Rahmen dieser Studie Alttextilien und Altholz behandelt. Altholz stammt zumeist aus den Bereichen Verpackungen, Bau- und Abbruchmaßnahmen, Möbel und der industriellen Produktion. Zu den Alttextilen gehören Altkleider sowie technische (Fahrzeug, Bau etc.) und häusliche (Teppiche etc.) Textilien. Im Bezugsjahr 2006 wurden ca. 1,8 Mio. Tonnen Sonstige Abfälle über eine Getrenntsammlung erfasst und einer Verwertung zugeführt.

Für den Stoffstrom Sonstige Altstoffe wurden ca. 1.600 Beschäftigte mit ei-nem Umsatz von 275 Mio. EUR ermittelt. Die Wertschöpfungsstufe Samm-

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lung/Transport steht dabei mit 54 % der Beschäftigten bei einem Umsatz von 159 Mio. EUR an erster Stelle.

Abfälle aus Produktion und Gewerbe

Abfälle aus Produktion und Gewerbe umfassen alle Abfälle, die nicht unter Siedlungsabfälle, Bau- und Abbruchabfälle und Bergematerial aus dem Berg-bau fallen oder als getrennt gesammelte Wertstoffe gelten.11 Im Jahr 2006 fielen im Bereich Produktion und Gewerbe etwa 56 Mio. Tonnen Abfälle an. Dieser Bereich stellt nach den Bau- und Abbruchabfällen den zweitgrößten Posten der zehn in dieser Studie behandelten Stoffströme dar. Das Abfallauf-kommen von Abfällen aus Produktion und Gewerbe hat sich in den vergan-genen Jahren deutlich vergrößert. Mittel- bis langfristig ist mit einem weiteren Ansteigen des Abfallaufkommens zu rechnen.

Für den Stoffstrom Abfälle aus Produktion und Gewerbe wurden ca. 28.000 Beschäftigte und ein Umsatz von ca. 5,3 Mrd. EUR geschätzt. Auch hier ist die Wertschöpfungsstufe Sammlung/Transport mit ca. 19.300 Be-schäftigten (69 %) die bedeutendste Wertschöpfungsstufe mit einem erwirt-schafteten Umsatz von 2,99 Mrd. EUR (56 %).

3.2 Zusammenfassende Betrachtung und Vergleich

Das Abfallaufkommen der Recycling- und Entsorgungsbranche für die als relevant eingestuften Stoffströme (basierend auf den Angaben des Statisti-schen Bundesamtes im Jahr 2006) betrug ca. 305 Mio. Tonnen, das in Aufbe-reitungs-, Verwertungs- oder Beseitigungsanlagen verbracht wurde. Entspre-chend dem mengenspezifischen Ansatz stellen die Bau- und Abbruchabfälle mit 60 % den größten Anteil der erfassten Abfallmengen dar. An zweiter Stel-le stehen die Abfälle aus Produktion und Gewerbe mit 11 %, gefolgt von Sied-lungsabfällen und Gefährlichen Abfällen mit je ca. 6 %.

Auf Basis des stoffstromspezifischen Ansatzes wurde für die Recycling- und Entsorgungsbranche eine Beschäftigtenzahl von ca. 157.500 geschätzt, der Branchenumsatz wird nach dieser Methode auf ca. 37,5 Mrd. EUR geschätzt. Der durchschnittliche Umsatz pro Beschäftigten beträgt 238.000 EUR.12

11 Mit dem Begriff Abfälle aus Produktion und Gewerbe werden in dieser Studie diejenigen

Abfälle bezeichnet, die keine Siedlungsabfälle, Gefährliche Abfälle, Bau- und Abbruchabfäl-le, oder getrennt gesammelte Wertstoffe (Altpapier, Altglas, Altkunststoffe, Altmetalle, sons-tige Altstoffe, kompostierbare Abfälle) im Sinne dieser Studie sind.

12 Im Rahmen der volkswirtschaftlichen Analyse wird in der Regel die Bruttowertschöpfung als Indikator verwendet. Mit dem in dieser Studie verwendeten mengenspezifischen Ansatz

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Die in dieser Studie abgeschätzten Beschäftigtenzahlen unterscheiden sich zum Teil deutlich von den Ergebnissen anderer Untersuchungen: Gemäß der Angaben13 des Statistischen Bundesamtes beschäftigte die Recycling- und Entsorgungsbranche im Jahr 2006 knapp 113.000 Menschen und erwirtschaf-tete einen Jahresumsatz von etwa 38,7 Mrd. EUR. Der BDE gibt die Anzahl der Beschäftigten der Recycling- und Entsorgungsbranche inklusive der Was-serwirtschaft für das Jahr 2003 mit ca. 260.000 an, die Umsätze werden auf 14,6 Mrd. EUR geschätzt. Eine weitere Schätzung des Bundesumweltministe-riums gibt einen Wert von 200.000 Beschäftigten an. Bezüglich der Umsatz-kennzahl gibt das BMU eine Größe von ca. 50 Mrd. EUR an.

Die Abweichung der durch Destatis geschätzten Beschäftigtenanzahl dürfte insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass nur Unternehmen und damit auch Beschäftigte erfasst werden, die Recycling oder Entsorgung als über-wiegende Tätigkeit bei der statistischen Erfassung angegeben haben. Die Abweichung von Umsatz und Beschäftigten durch das BMU dürfte auf die Einbeziehung von Forschung, beratenden Ingenieuren sowie eine andere Abgrenzung zwischen Recycling und Primärproduktion zurückzuführen sein. Die Abweichungen zu den Erhebungen des BDE dürften neben den bereits genannten Gründen auch auf die Einbeziehung der Wasserwirtschaft in die Statistiken des BDE zurückzuführen sein.

Hinsichtlich der ermittelten Ergebnisse ergibt sich für die erfasste Stoffmen-gen, die Beschäftigten- und Umsatzzahlen der Recycling- und Entsorgungs-branche – differenziert nach Stoffströmen und Wertschöpfungsstufen – ein Bild, das die folgende Tabelle 1 zusammenfasst.14

konnten jedoch nur die Umsätze geschätzt werden. Beim Vergleich zu Daten des Statisti-schen Bundesamtes werden daher die Umsatzzahlen verwendet. Es ist jedoch zu beach-ten, dass die Umsatzzahlen lediglich eine Momentaufnahme darstellen können, da sie stark von den Rohstoffpreisen abhängig und daher starken Schwankungen unterworfen sind.

13 Für eine ausführliche Betrachtung siehe Kapitel 5.1 im Hauptbericht. 14 Lesehilfe für die Tabelle: Im Jahr 2006 waren im Stoffbereich „Siedlungsabfall“ auf der

Wertschöpfungsstufe „Sammlung, Umschlag & Transport“ 22.416 Personen beschäftigt, im Bereich „Sortierung und Aufbereitung“ 2.276 und in den Bereichen Verwertung und Beseiti-gung 478 bzw. 1.310 Beschäftigte. Beschäftigtenangaben für den Bereich Handel/ Makeln liegen für diesen Stoffstrom nicht vor. Insgesamt waren 26.480 Personen im Stoffbereich Siedlungsabfälle beschäftigt, die einen Umsatz von 4,4 Mrd. EUR erwirtschafteten. Dies entspricht einer Umsatzproduktivität von 168.278 EUR pro Beschäftigten.

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Gesellsch

aft für In

no

vation

sforsch

un

g

u

nd

Beratu

ng

mb

H

13

Umsatz je Beschäf- tigter b)

(in €)

168.278

230.322

299.373

189.280

224.053

224.983

380.573

351.566

163.596

168.196

190.206

238.015

Umsatz b)

(in Mio. €)

4.456

5.425

11.131

339

2.420

1.349

4.831

752

1.181

275

5.325

37.484

∑∑∑∑

26.480

23.554

37.181

1.791

10.801

5.996

12.694

2.139

7.219

1.635

27.996

157.486

Beseitigung b)

1.310

1.255

975

29

166

31

109

18

9

50

887

4.842

Verwertung b)

478

3.431

5.423

29

371

1.096

53

30

158

30

1.361

12.459

Handel/ Makeln b)

69

493

494

27

1.083

Sortierung & Aufbereitung b)

2.276

5.633

6.489

446

2.020

1.529

2.625

218

1.763

670

6.480

30.149

Beschäftigte

Sammlung, Umschlag & Transport b)

22.416

13.235

24.293

1.218

7.750

3.340

9.413

1.846

5.289

885

19.268

108.954

Erfasste Stoff-

mengen a)

(in Tsd. Tonnen)

21.295

18.529

182.200

3.046

15.500

2.505

16.473

1.846

7.934

1.770

33.719

304.817

Stoffströme

Siedlungsabfälle

Gefährliche Abfälle

Bau- und Abbruchab-fälle

Altglas

Altpapier

Altkunststoffe

Altmetalle: Eisen & Stahl

Altmetalle: NE-Metalle

Kompostierbare Ab-fälle

Sonst. Altstoffe

Abfälle aus Produktion & Gewer-be

∑∑∑∑

Quelle: a) Basis der Mengenangaben sind Verbandsangaben und Destatis (siehe Hauptbericht); eigene Anpassungen waren aufgrund der Stoffstromeinteilung erforderlich b) eigene Berechnungen

Tabelle 1:

Erm

ittelte Beschäftigten- u

nd Um

satzzahlen g

emäß

stoffmengenspe

zifi-schem

Ansatz im

Jahr 2006

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Differenziert nach Wertschöpfungsstufen zeigt sich, dass die Wertschöp-fungsstufen „Sammlung, Umschlag & Transport“ sowie „Sortierung und Auf-bereitung“ die beschäftigungsintensivsten Wertschöpfungsstufen darstellen. Auf ersterer sind ca. 109.000 Personen beschäftigt, dies entspricht einem Anteil von 69 % an der Gesamtbeschäftigtenzahl. Auf der zweiten Wertschöp-fungsstufe sind ca. 30.150 Personen beschäftigt. Dies entspricht einem Anteil von 19%. Die restlichen Anteile verteilen sich auf die Stufen „Verwertung“, „Handel/ Makeln“ sowie „Beseitigung“.

Die Differenzierung nach Stoffströmen zeigt, dass Stoffbereiche wie Bau- und Abbruchabfälle mit geschätzten 37.200 Beschäftigten (24 % der Gesamtbe-schäftigtenzahl), Abfälle aus Produktion und Gewerbe mit 28.000 (18 %) so-wie Siedlungsabfälle mit 26.500 (17 %) dominieren. Nach Umsatz ergeben sich Anteile für die Bau- und Abbruchabfälle von 30 %, für die Abfälle aus Produktion und Gewerbe 14 % und die Siedlungsabfälle 12 %.

Die folgende Tabelle 2 vergleicht die Recycling- und Entsorgungsbranche mit ausgewählten anderen Wirtschaftszweigen – insbesondere solchen, mit de-nen sie wirtschaftlich eng verbunden ist. Die Recycling- und Entsorgungswirt-schaft ist mit einem Anteil von 0,8 % am gesamten durch deutsche Unter-nehmen erwirtschaften Umsatz im Vergleich zu anderen Rohstoff verarbei-tenden bzw. Rohstoff herstellenden Branchen eine bedeutende Teilbranche. Dies gilt auch für die erreichte Beschäftigungswirkung. Die wirtschaftliche Bedeutung der Recycling- und Entsorgungsbranche ist z. B. mit der Stahler-zeugung vergleichbar, wenn der Umsatz als Vergleichswert verwendet wird. Wird hingegen die Beschäftigtenzahl als Vergleichswert verwendet, so über-trifft die Recycling- und Entsorgungsbranche die Bedeutung der Stahlerzeu-gung deutlich. Im Vergleich zur Gesamtheit aller Wirtschaftszweige weist die Recycling- und Entsorgungsbranche einen hohen Wert für den Umsatz pro Mitarbeiter auf, im Vergleich zu ähnlich gelagerten Branchen liegt ihr Wert im mittleren Bereich.

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Umsatz Erwerbstätige Umsatz pro Erwerbstätigen WZ 2003

in Mrd. € in Tsd. Personen in €

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

311 825,32 37.5005

Verarbeitendes Gewerbe 1.748,31 7.4373 235.0005

Baugewerbe 196,71 2.176,82 90.0005

Textilgewerbe 17,01 1102 154.0005

Papierherstellung 134 464 282.0005

Glaserzeugung 84 514 157.0005

Herstellung von Gummi und Kunststoffen

71,71 3932 182.0005

Herstellung von Metallerzeugnissen

111,41 8373 133.0005

Erzeugung von Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen

34,64 754 461.3335

Recycling- und Entsor-

gungswirtschaft 37,5

5 157,5

5 238.015

5

Summe aller

Wirtschaftszweige 4.930

1 39.088

3 126.000

5

1 Quelle: Finanzen und Steuern, Umsatzsteuer, Fachserie 14, Reihe 8, Destatis 2008 2 Quelle: Angaben für 2006, Destatis 2008, eigene Berechnungen

3 Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechung, Fachserie 18, Reihe 1.4, Destatis 2007 4 Quelle: Angaben für 2006, Fachserie 4, Reihe 4.2.1, Destatis 2008

5 eigene Berechnungen

Tabelle 2: Umsatz- und Erwerbstätigenzahlen für ausgewählte Wirtschaftsbereiche

Möglichkeiten einer verbesserten Datenerfassung Für die in dieser Studie durchgeführte Bestandsaufnahme zur wirtschaftlichen Bedeutung wurde ein mengenspezifischer Ansatz verwendet, der in der Lage ist, auf Basis von Stoffmengen und unter Verwendung mengenspezifischer Kennzahlen die Umsatz- und Beschäftigtenzahlen der Branche bzw. ihrer Teilbereiche abzuschätzen. Im Rahmen einer Unternehmensbefragung sowie durch Gespräche mit ausgewählten Experten wurden spezifische Produktivi-tätskennziffern differenziert nach Stoffströmen und Wertschöpfungsstufen ermittelt, wie z. B. die umgesetzte Menge je Beschäftigtem sowie der Umsatz je Beschäftigtem. Auf Basis der Stoffmengen konnten daher Kenndaten, wie

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etwa Umsatz- und Beschäftigtenzahlen, getrennt nach Stoffströmen und Wertschöpfungsstufen, geschätzt werden.

Die im Rahmen dieser Studie beschriebenen Einflussfaktoren und Entwick-lungen auf den Recycling- und Entsorgungsmärkten wirken sehr unterschied-lich auf die jeweiligen Wertschöpfungsstufen und Stoffbereiche. Es hat sich gezeigt, dass diese Wirkungen nur durch eine differenzierte Betrachtung nach Wertschöpfungsstufen und Stoffströmen zu untersuchen sind. Zukünftige Entwicklungen, Probleme, Hemmnisse und Lösungsansätze können nur durch eine regelmäßige Betrachtung in der geforderten Detaillierungstiefe herausgearbeitet werden.

Hierfür müssen geeignete Daten in der notwendigen Qualität und Detaillie-rungstiefe zur Verfügung stehen. Detailliertes, regelmäßig aktualisiertes und belastbares Datenmaterial zur Beschreibung der wirtschaftlichen Bedeutung der Recycling- und Entsorgungsbranche ist derzeit über öffentliche Statistiken strukturbedingt weder beim Statistischen Bundesamt noch bei den Fachver-bänden in ausreichender Qualität verfügbar. Unternehmen, die Recycling- und Entsorgungsdienstleistungen erbringen, verteilen sich über mehrere Wirt-schaftszweige bzw. ordnen sich diesen Wirtschaftszweigen aufgrund ihres Haupttätigkeitsbereiches zu. Zudem waren Daten nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 oft nur auf hoher Aggregationsebene (z. B. WZ 90 aber nicht WZ 90.01 oder WZ 90.02 oder WZ 37.20 aber nicht WZ 37.20.1, WZ 37.20.2 etc.) verfügbar.

Die seit 2008 geltende Neuordnung der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008) fasst die Bereiche Entsorgung (90) und Recycling (37) zu einer Klasse (38: Sammlung, Behandlung und Beseitigung von Abfällen; Rückge-winnung) zusammen. Der Handel mit Altstoffen bleibt weiterhin in einer sepa-raten Wirtschaftszweigklasse (46.77 nach WZ 2008). Die Neuordnung nach WZ 2008 wird zukünftig eine verbesserte Betrachtung nach Wertschöpfungs-stufen (38.1: Sammlung, 38.2: Behandlung/ Beseitigung und 38.3: Rückge-winnung) und eine Unterscheidung nach gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen (z. B. 38.11: Sammlung nicht gefährlicher Abfälle und 38.12. Samm-lung gefährlicher Abfälle) ermöglichen. Die Abgrenzung zwischen Behand-lung/ Beseitigung und Rückgewinnung wird für die befragten Unternehmen aufgrund von Überschneidungen bei Vorbehandlungs- und Verwertungsmaß-nahmen nicht einfach sein.

Eine stoffstromspezifische Differenzierung der Abfallentsorgung wird durch die Neuordnung der Wirtschaftsklassifikation auch weiterhin nicht erreicht. Vom Ansatz her fällt die WZ 2008 in dieser Frage noch hinter die WZ 2003 zurück, in der die Recyclingaktivitäten zumindest nach Eisenmetallen, NE-

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Metallen, textilen Altmaterialien, Altpapier, Altglas, Altkunststoffe und sonstige Altmaterialien eingeteilt waren. Aufgrund der herausgearbeiteten Unterneh-mensstrukturen (mehrere Wertschöpfungsstufen und Stoffströme werden durch ein Unternehmen abgedeckt) wird eine Erhebung zu Umsatz und Be-schäftigten nach Wertschöpfungsstufen und Stoffströmen auf Unternehmens-ebene nicht zielführend sein.

Es wird daher empfohlen, die Unternehmen in Abständen von beispielsweise drei Jahren bezüglich Umsatz und Beschäftigung differenziert nach Wert-schöpfungsstufen und Stoffströmen zu befragen. Unternehmen mit breitem Tätigkeitsspektrum müssten dann Umsatz und Beschäftigte differenziert nach Stoffstrom berichten. Die WZ-Klassen 38.1, 38.2 und 38.3 könnten durch eine entsprechende Erweiterung 38.11.01 für Metalle, 38.11.02 für Altpapier usw. spezifiziert werden.

4 Markt- und Unternehmenssituation

Neben der Schätzung der wirtschaftlichen Bedeutung der Branche wurde in Expertengesprächen und im Rahmen der Unternehmensbefragung die Situa-tion der Unternehmen der Branche erfragt und diskutiert. Hinsichtlich des Marktumfelds sowie der Situation der Unternehmen konnten die folgenden Ergebnisse gewonnen werden:15

Marktumfeld

Die Analyse der Stoffströme als auch die Unternehmensbefragung verdeutli-chen, dass die Recycling- und Entsorgungsbranche sehr stark durch ge-

setzliche Regelungen und Verordnungen betroffen ist. Dies trifft auf alle Stoffbereiche und Wertschöpfungsstufen zu. Im Vergleich zu den Regelungen anderer europäischer Länder ist die Abfallgesetzgebung in Deutschland be-sonders konsequent, etwa was zu erfüllende Verwertungsquoten betrifft. Häu-fig wurden von der EU vorgegebene Quoten übererfüllt und früher in nationa-les Recht umgesetzt als in anderen europäischen Ländern.

In einigen Teilbereichen haben die Regulierungsansätze nicht nur zu erfül-lende Quoten und Umweltstandards zum Gegenstand, sondern greifen auch in die Organisationsstruktur der Märkte ein. Zum Teil führt dies zu uner-wünschten Marktstrukturen: Im Bereich der Verpackungsentsorgung ent-stand mit der DSD AG als einzigem flächendeckenden Rücknahmesystem

15 Für eine ausführliche Betrachtung der Markt- und Unternehmenssituation siehe Kapitel 6 im

Hauptbericht.

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eine monopolartige Struktur. Erst mit den seit 1998 erfolgten Novellierungen der Verpackungsverordnung sowie den Entscheidungen der europäischen und nationalen Kartellbehörden konnten in diesem Bereich die Rahmenbe-dingungen für das Entstehen wettbewerblicher Strukturen verbessert werden. Durch die Regeln zur Mitbenutzung der Sammelsysteme der DSD AG für Verkaufsverpackungen durch potenzielle Mitbewerber wurde eine wesentli-che Voraussetzung für die Etablierung weiterer dualer Systeme geschaffen. Gleichzeitig wurde die Ausschreibungspraxis für die Sammlung und Verwer-tung von Verpackungsabfällen geändert, was ebenfalls zu einem zunehmen-den Wettbewerb auf dieser Ebene führte. Die Neuerungen haben die proble-matischen Marktentwicklungen offenbar teilweise korrigieren und den Markt insbesondere für mittelständische Unternehmen öffnen können. Auf der ande-ren Seite ist zu vermuten, dass diese Regelungen auch neue Problemberei-che für die Unternehmen mit sich bringen, etwa eine zurückgehende Investiti-onssicherheit aufgrund häufigerer Neuausschreibungen.16 In einigen Teilbe-reichen sind nach wie vor Regelungen zu finden, die mittelständischen Unter-nehmen die Marktteilnahme erschweren. Dies trifft auf den Entsorgungsmarkt für Elektro- und Elektronikaltgeräte zu, wo aufgrund der Anforderung einer flächendeckenden Entsorgung große Anbieter einen Wettbewerbsvorteil ha-ben.17 Festzuhalten bleibt jedoch, dass die Marktrahmenbedingungen in wei-ten Teilen der Recycling- und Entsorgungsbranche einen funktionierenden Wettbewerb innerhalb eines bestehenden Ordnungsrahmens ermöglichen.18

Die Ergebnisse der Unternehmensbefragung legen nahe, dass der deutsche Recycling- und Entsorgungsmarkt, besonders bei den kleinen Unternehmen, noch sehr regional geprägt ist. Nur wenige der befragten Unternehmen be-ziehen Abfälle oder Stoffe zur Verwertung aus dem Ausland oder liefern dort-hin. In den letzten Jahren ist jedoch nach Ansicht einiger Experten und Ver-bände die Tendenz zu einer verstärkten Internationalisierung des Marktes zu erkennen. Auch kleine und mittlere deutsche Unternehmen treten in inter-nationale Märkte ein. Daneben treten verstärkt ausländische Wettbewerber und vor allem Großunternehmen auf den nationalen Markt. Die Folge ist ein zunehmender Wettbewerb im Markt oder um den Markt.

Im Gegensatz zum hohen Potenzial internationaler Märkte sehen die befrag-ten Unternehmen unter den gegenwärtigen gesetzlichen Rahmenbedingun-

16 Vgl. hierzu Kapitel 5.2.6 im Hauptbericht. 17 Vgl. hierzu Kapitel 5.2.7 im Hauptbericht. 18 Dieser Ordnungsrahmen ist im internationalen Vergleich deutlich wettbewerbsorientierter.

Dies wurde mittels ausgewählter Länderstudien aufgezeigt, die im Kapitel 7 des Hauptbe-richts zu finden sind.

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gen nur ein begrenztes Marktwachstum im Inland.19 Dies ist insbesondere darin begründet, dass die anfallende Menge an Abfällen in den letzten Jahren nur wenig stieg bzw. sogar in einigen Stoffbereichen leicht rückläufig war. Darüber hinaus erscheinen Verwertungsquoten in einigen Bereichen kaum noch steigerungsfähig. Die Erfassungs- und Verarbeitungsmengen zahlrei-cher Stoffbereiche stagnieren. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass auch im Inland durchaus noch Potenziale bestehen, wenn entsprechende Rahmenbe-dingungen geschaffen werden. Beispiele hierfür sind die Bereiche Bioabfälle, Kunststoffe in Siedlungs- und Bauabfällen, seltene Metalle sowie Bau- und Abbruchabfälle. Auch über eine Förderung des Einsatzes von Recycling-Baustoffen im Betonbau könnten weitere Anreize zur Entwicklung der Poten-ziale geschaffen werden. Im Bereich der Elektro- und Elektronikaltgeräte ist eine höhere Erfassungsmenge pro Kopf der Bevölkerung denkbar, z. B. durch eine haushaltsnahe Erfassung im Rahmen der „Gelben Tonne Plus“. Im Be-reich der Altautomobile erscheint eine verstärkte Anreizsetzung ebenfalls möglich, die den Verkauf alter Fahrzeuge ins Ausland zugunsten einer stärke-ren inländischen Verwertung ermöglicht.

Festzuhalten ist, dass die Preise für Sekundärrohstoffe sich an den Preisen für Primärrohstoffe orientieren. Die stoffspezifischen Betrachtungen zeigen, dass seit zwei bis drei Jahren steigende Preise für Sekundärrohstoffe aller Stoffbereiche festzustellen sind.20 Dies hat im Zeitraum der Untersuchung dazu geführt, dass in einigen Bereichen ein Wettbewerb um Abfälle stattfin-det, z. B. im Bereich Altpapier. Das anhaltend hohe Preisniveau geht einher mit einer hohen Volatilität der Sekundärrohstoffpreise, die die Recycling- und Entsorgungsbranche nachhaltig beeinflussen und langfristige Investitionen zum Teil erschweren.

Unternehmenssituation

Für die klassischen Wertstoffe Altpapier, Altglas und Altmetalle existieren in Deutschland etablierte Erfassungssysteme, die das bestehende Potenzi-

al gut nutzen.21 Insbesondere für Metalle werden die Recyclingaktivitäten durch Verkaufserlöse des Sekundärmaterials getrieben. Für Altkunststoffe und Kompostierbare Abfälle haben die Unternehmen ebenfalls Getrennter-fassungssysteme und Aufbereitungskapazitäten in großem Umfang geschaf-fen. Für die Sortierung von Leichtverpackungen existiert bundesweit ein flä-

19 Vgl. hierzu Kapitel 6 im Hauptbericht. 20 Derzeit sind die Preise stark rückläufig. Die aktuellen Auswirkungen der Finanz- und Wirt-

schaftskrise sind im Rahmen dieser Studie nicht berücksichtigt. 21 Vgl. hierzu Kapitel 5.2.5 im Hauptbericht.

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chendeckendes System. Durch deutliche Verbesserungen im Bereich opti-scher Stofferkennung und mechanischer Abtrennung sind diese Anlagen größtenteils automatisiert. Für gemischt anfallende Stoffströme wie Sied-lungsabfälle, Gefährliche Abfälle, Bau- und Abbruchabfälle sowie Abfälle aus Produktion und Gewerbe wurde durch die Anforderungen der Ablagerungs-verordnung der technische Standard in den Unternehmen, insbesondere im Bereich der Vorbehandlungsanlagen, erheblich verbessert. Im Bereich der Gefährlichen Abfälle ist zu vermuten, dass der gute technologische Stand mit dafür verantwortlich ist, dass die nach Deutschland importierten Mengen ge-fährlicher Abfälle die exportierten Mengen deutlich übersteigen, der Standort also für Entsorgungsdienstleistungen in diesem Bereich offenbar sehr attrak-tiv ist.

Mittels der Unternehmensbefragung konnte zudem festgestellt werden, dass insbesondere bei Kleinstunternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten im größeren Umfang freie Kapazitäten bestehen. Auch zwischen den Stoffströmen be-stehen Unterschiede. So weisen Unternehmen, die in den Stoffbereichen kompostierbare Abfälle und Altmetalle tätig sind, höhere Auslastungsgrade auf als in den anderen Stoffbereichen. Geringe Kapazitätsauslastungen wei-sen Unternehmen auf, die im Stoffbereich Abfälle aus Produktion und Gewer-be tätig sind. Bei Differenzierung der Wertschöpfungsstufen zeigen sich freie Kapazitäten vor allem im Bereich Sortierung und Aufbereitung.

Es ist zu erwarten, dass dies zu einer weiterhin hohen Wettbewerbsintensi-

tät führt und insgesamt zu einem weiter bestehenden hohen Kostendruck, etwa bei Ausschreibungen. Es ist zu vermuten, dass die hohe Wettbewerbs-intensität und der damit verbundene Margendruck auch zu dem in der Unter-nehmensbefragung festgestellten, zögerlichen Investitionsverhalten führen.

Die bereits einsetzende Konsolidierung und Konzentration in der Recyc-ling- und Entsorgungswirtschaft wird sich nach Ergebnissen der Unterneh-mensbefragung auch in Zukunft fortsetzen. Die Betrachtung der Branche nach den Wirtschaftszweigen zeigt ebenfalls, dass sich die Anzahl der am Markt agierenden Unternehmen der Recycling- und Entsorgungsbranche in den letzen Jahren leicht rückläufig entwickelt, die Zahl der Beschäftigten so-wie die Umsatzzahlen dagegen steigen. Dies deutet auf eine Konsolidierung in der Branche hin. Bestätigt wurde dies durch das starke Wachsen großer Unternehmen, die einen Großteil des Marktes beherrschen. Wie die Unter-nehmensbefragung zeigt, sind dabei seit einigen Jahren vor allem vertikale Integrationstendenzen festzustellen.

Die in den vergangenen Jahren gestiegenen Preise für Primärrohstoffe führ-ten zu steigenden Energie- und Transportkosten. Wie die Unternehmens-

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befragung zeigt, sehen die Unternehmen der Recycling- und Entsorgungs-branche diese Kosten als nachteilig für die Unternehmensentwicklung an. Besonders betroffen sind hier Unternehmen, die auf der ersten Wertschöp-fungsstufe – Sammlung und Transport – tätig sind, insbesondere Kleinstun-ternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten. Bei diesen Unternehmen handelt es sich häufig um kleine und mittelständische Unternehmen, die die Kostener-höhungen nur begrenzt an ihre jeweiligen Auftraggeber weitergeben können.

5 Schlussfolgerungen

Das Ziel der Studie war es, eine nach Stoffströmen und Wertschöpfungsstu-fen differenzierte Bestandsaufnahme der Recycling- und Entsorgungswirt-schaft vorzunehmen, die auf Basis der durch die Wirtschaftsstatistik erhobe-nen Daten nicht oder nur unvollständig möglich war. Für jeden Stoffstrom und jede Wertschöpfungsstufe wurden die erzielten Umsätze sowie die Anzahl der Beschäftigten geschätzt. Es zeigte sich, dass die Recycling- und Entsor-gungswirtschaft mit ca. 157.500 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von ca. 37,5 Mrd. € eine Branche mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist.

Bezüglich der Markt- und Unternehmenssituation ist festzuhalten, dass im Recycling- und Entsorgungsmarkt trotz der weitgehenden Regulierung für nahezu alle hier untersuchten Stoffbereiche entweder ein funktionierender Wettbewerb im Markt oder ein funktionierender Wettbewerb um den Markt zu verzeichnen ist.22 Hier sind in den letzten Jahren Verbesserungen zu ver-zeichnen, etwa durch das Verbot von Preisabsprachen im Glasrecycling oder durch Neuregelungen der Ausschreibungspraxis im Dualen System, was den Marktzugang kleiner und mittelständischer Unternehmen in den Bereichen Sammlung und Sortierung erleichtert hat. Langfristige Wirkungen dieser Neu-erungen können noch nicht abgeleitet werden, erste Ergebnisse deuten aber auf eine insgesamt steigende Wettbewerbsintensität hin. Aussagen, wie sich dies auf die Qualität auswirken wird, können derzeit ebenfalls nicht gemacht werden.

Die Folgen der novellierten Ausschreibungspraxis, insbesondere im Bereich des Verpackungsrecyclings, bleiben abzuwarten. Es zeichnet sich ein Ziel-konflikt ab zwischen Maßnahmen zur Steigerung des Wettbewerbs einerseits

22 Für den Stoffbereich Siedlungsabfälle ist einschränkend anzumerken, dass die Entsorgung

von Restmüll bei privaten Haushalten derzeit größtenteils noch nicht wettbewerblich orga-nisiert ist. Dennoch besteht auch für die Kommunen ein Anreiz, die Entsorgung so kosten-günstig wie möglich zu organisieren, wodurch zumindest teilweise eine Konkurrenz zwi-schen verschiedenen Entsorgern entstehen kann.

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sowie erforderlicher Investitionssicherheit andererseits: Die zeitlich befristete Auftragsvergabe im Rahmen der novellierten Ausschreibungspraxis auf höchstens 3 Jahre dürfte die Investitionsneigung in aufwändige, stationäre Anlagen begrenzen.

In den Bereichen der Aufbereitung, Verwertung und Beseitigung haben hohe technische Anforderungen und Skaleneffekte zu Konzentrationstendenzen, horizontal wie vertikal, geführt. Diese sind vor allem aufgrund der technischen Weiterentwicklung und den sich daraus ergebenden Vorteilen industrieller Großanlagen entstanden und sind insofern nicht als kritisch zu bewerten, da sie die Nutzung von Skaleneffekten erst ermöglichen. Kritisch zu beobachten ist jedoch, inwieweit horizontale und vor allem vertikale Integration zu einer Schließung der Märkte führt, da nur noch einige wenige Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette abbilden können.

Es bleibt festzuhalten, dass die Marktsituation für kleine und mittlere Unter-nehmen als herausfordernd einzustufen ist: zunehmender Wettbewerb durch ausländische Wettbewerber, begrenztes Marktvolumen unter den gegebenen Rahmenbedingungen sowie hohe Kosten für neue und moderne Anlagen, die den hohen gesetzlichen Anforderungen entsprechen. In gewissem Umfang könnte ggf. die Kooperation mittelständischer Unternehmen die Wettbewerbs-fähigkeit und die Erfolgschancen bei der Teilnahme an Ausschreibungen er-höhen.