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Endoskopische Brennraumdiagnostik im seriennahen Ottomotor durch Chemilumineszenz und laserinduzierte Fluoreszenz
Von der Fakultät für Ingenieurwissenschaften, Abteilung Maschinenbau und Verfahrenstechnik der
Universität Duisburg-Essen
zur Erlangung des akademischen Grades
eines
Doktors der Ingenieurwissenschaften
Dr.-Ing.
genehmigte Dissertation
von
Martin Rafael Goschütz aus
Aachen, Nordrhein-Westfalen
Gutachter: Prof. Dr. Sebastian A. Kaiser Prof. Dr. Frank Beyrau
Tag der mündlichen Prüfung: 06. September 2018
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Vorwort
Seite I von XIV
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter
am Institut für Verbrennung und Gasdynamik – Reaktive Fluide der Universität Duisburg-
Essen. An dieser Stelle möchte ich meinen besonderen Dank den Personen entgegenbringen,
die maßgeblich zur Realisierung der Arbeit beigetragen und mich über die gesamte Zeit
unterstützt haben:
Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Sebastian A. Kaiser für die stets
gute Betreuung dieser Arbeit, dem wertvollen wissenschaftlichen Gedankenaustausch und den
zahlreichen Impulsen zur Ausrichtung meiner Forschungsschwerpunkte. Die gemeinsame
Arbeit, die in einer angenehmen freundschaftlichen Atmosphäre erfolgte, war für mich
äußerst lehrreich und persönlich bereichernd.
Im gleichen Zuge möchte ich Herrn Prof. Dr. Christof Schulz als Leiter des Instituts für die
Bereitstellung der Infrastruktur und Messtechnik danken, ohne die eine Umsetzung der
Forschungsaufgaben nicht möglich wäre. Darüber hinaus danke ich für das kontinuierliche
Interesse an meiner Arbeit, der damit einhergehenden Ermutigung und Motivation sowie für
die zahlreichen wertvollen Ratschläge.
Ebenfalls und nicht weniger minder möchte ich mich bei meinen Kollegen und Kolleginnen
am Institut für die fachlichen Diskussionen sowie die Hilfsbereitschaft bei praktischen
Problemen am Prüfstand bedanken. Mein Dank geht in erster Linie an Martin Schild, auch für
die gute Zusammenarbeit bei mehreren Messkampagnen, Christian Meffert, Dennis Bensing,
Philipp Barth, Sebastian Wiemann, Daniel Fuhrmann, Patrick Kranz, Erdal Akyildiz, Jan
Menser und Thorsten Benzler. Für die kompetente Unterstützung bei vielen technischen
Fragestellungen bedanke ich mich bei Natascha Schlösser, Beate Endres, Birgit Nelius, Jörg
Albrecht, Ludger Jerig und Dieter Hermanns. Darüber hinaus haben die Studenten Tobias
Guth, Christian Muders, Simon Hähnsen, Sameera Fernando, Hassan Said und Muhammad
Ali Shahbaz mit der Anfertigung ihrer Abschlussarbeiten einen wertvollen Beitrag zum
Gelingen meiner Arbeit beigetragen, wofür ich auch ihnen danken möchte.
Mein ganz herzlicher Dank ist an meine Familie gerichtet, an meine Eltern und Stiefeltern, die
mich während meiner Studium- und Promotionszeit fortwährend unterstützt und stets
motiviert haben. Ganz besonders danke ich vor allem meiner Frau Britta und meinen Kindern
Hanna und Jonas für den Rückhalt, das Verständnis und die starke Motivation.
Essen, im April 2018
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Vorwort
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Kurzfassung
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Kurzfassung
In Rahmen dieser Arbeit wird ein UV-Endoskopsystem zur minimalinvasiven optischen
Brennraumdiagnostik durch Chemilumineszenz und laserinduzierte Fluoreszenz (LIF) in
einem seriennahen Fahrzeug-Ottomotor eingesetzt.
Der erste Teil der Abhandlung beschreibt die Detektion der Entflammung und der frühen
Flammenausbreitung über die Chemilumineszenz in der Reaktionszone mit verschiedenen
Kamera- und Abbildungssystemen. Durch das morphologische Bildverarbeitungsverfahren
der Segmentierung wird die projizierte Flammenfläche in jedem Bild ermittelt. Diese
Messgröße korreliert ab 10°KW nach Zündung sehr gut mit dem Zylinderinnendruck und
liefert bereits Informationen über den Brennverlauf bevor die Druckindizierung es kann. Die
Qualität der Korrelation zwischen druckbasierten und optischen Daten ist vergleichbar mit
Literaturdaten aus einem optisch großflächig zugänglichen Motor.
Im zweiten Teil liegt der Fokus auf endoskopischen LIF-Messungen. Dazu wird dem nicht-
fluoreszierenden Modellkraftstoff ein „Tracer“ zugefügt, der bei Laseranregung Fluoreszenz
emittiert, die mit dem UV-sensitiven Endoskopsystem erfasst wird. Der unter motorischen
Bedingungen signalstärkste Tracer für bildgebende LIF-Messungen in der Gasphase wird im
Vorfeld durch Versuche und photometrische Modellierung der Signalkette ermittelt. Dabei
zeigt Anisol (Methoxybenzol) die höchste Signalintensität und wird aufgrund dessen für die
endoskopischen LIF-Messungen verwendet.
Die Visualisierung der Flammenausbreitung erfolgt simultan mit zwei Kameras, einerseits
durch Detektion der OH*-Chemilumineszenz und andererseits durch Anisol-LIF anhand des
Abbrands der signalerzeugenden Tracer-Moleküle. Hierbei ist die mittels Chemilumineszenz-
Messung bestimmte projizierte Flammenfläche stets größer als die LIF-Flammenfläche. Das
Verhältnis der Flächen aus den beiden Methoden gibt Aufschluss, ob sich die Flamme auf das
Detektionsendoskop zu oder von diesem weg ausbreitet.
Durch zwei-Farben-LIF-Thermometrie wird das Temperaturfeld in der zentralen
Brennraumebene untersucht. Das Messverfahren nutzt die temperaturabhängige
Rotverschiebung der Anisol-Fluoreszenz über Detektion in zwei verschiedenen spektralen
Banden. Die Temperaturbestimmung erfolgt anhand einer Modellierung des pixelweise
bestimmten Signalverhältnisses auf Grundlage der photophysikalischen Daten von Anisol und
der o.g. photometrischen Modellierung der Signalkette. Damit werden der räumlich gemittelte
Temperaturverlauf über den Kompressionstakt sowie Temperaturfelder im Einzelschuss
ermittelt. Während die Absoluttemperatur unterschätzt erscheint, sind die endoskopischen
Einzelschuss-Temperaturmessungen ein Novum, das mit dem bislang verwendeten Tracer
Toluol nicht möglich war.
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Kurzfassung
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Abstract
Seite V von XIV
Abstract
In this work, a large-aperture UV endoscope is used for minimally-intrusive optical
diagnostics via chemiluminescence and laser-induced fluorescence (LIF) in the combustion
chamber of a nearly unmodified production SI-engine.
The first part of the thesis describes the detection of ignition and early flame propagation via
chemiluminescence from the reaction zone with various camera and imaging systems. In
morphological image processing, the projected flame area is determined by segmentation.
After 10° CA after ignition, the flame area correlates well with the cylinder pressure, but it
also provides information about the combustion process at earlier crank angles, when
pressure-trace analysis cannot be used yet. Optical and pressure-derived data correlate about
as well as they do in studies in the literature that were performed in a fully optically accessible
engine.
The second part focuses on endoscopic LIF measurements. For this purpose, a “tracer” is
added to a non-fluorescing surrogate fuel. The tracer’s fluorescence upon laser excitation is
detected by the UV endoscope system. From experiments and photometric modelling of the
signal detection train, the tracer is determined that fluoresces brightest in scalar imaging in the
gas phase under engine-relevant conditions. Anisole (methoxybenzene) provides the highest
signal and is therefore used for the endoscopic LIF measurements.
Visualization of flame propagation is performed simultaneously with two cameras, one
detecting OH* chemiluminescence and the other anisole LIF. With anisole LIF, the lack of
signal from the tracer indicates the burnt area. The projected flame area determined from
chemiluminescence is found to be always larger than the LIF-based flame area, while the ratio
of the areas from the two methods indicates if the flame is burning towards or away from the
detection endoscope.
Two-color LIF thermometry is used to determine the temperature field in the center plane of
the combustion chamber. This diagnostic exploits the temperature-dependent red-shift of
anisole’s fluorescence spectrum by simultaneous LIF imaging in two different spectral bands.
The local temperature is then determined from the pixel-wise signal ratio based on the known
photophysical data of anisole and the aforementioned photometric model of the detection
train. The spatially averaged temperature evolution over the compression stroke and single-
shot temperature fields are determined. While the absolute temperature appears
underestimated, single-shot endoscopic temperature imaging is a novelty that had not been
possible with the tracer toluene, used previously in the literature.
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Abstract
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Inhaltsverzeichnis
Seite VII von XIV
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ...................................................................................................................................... I
Kurzfassung ........................................................................................................................... III
Abstract .................................................................................................................................... V
Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................. VII
Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................................... XI
1 Einleitung ..................................................................................................................... - 1 -
2 Grundlagen .................................................................................................................. - 5 -
2.1 Optische Zugänge zum Brennraum ........................................................................ - 5 -
2.1.1 Optische Motoren ............................................................................................ - 6 -
2.1.2 Lichtleiterbasierte Messsonden ....................................................................... - 7 -
2.1.3 Endoskope ....................................................................................................... - 9 -
2.2 Lichtquellen und Detektoren ................................................................................ - 12 -
2.2.1 Kamera .......................................................................................................... - 12 -
2.2.2 Bildverstärker ................................................................................................ - 13 -
2.3 Nd:YAG-Laser ..................................................................................................... - 14 -
2.4 Optische Messverfahren ....................................................................................... - 15 -
2.5 Flammendiagnostik .............................................................................................. - 17 -
2.5.1 Verbrennung im Ottomotor ........................................................................... - 17 -
2.5.2 Chemilumineszenz ........................................................................................ - 20 -
2.5.3 Flammenvisualisierung ................................................................................. - 22 -
2.6 Temperaturmessung .............................................................................................. - 28 -
2.6.1 Laserinduzierte Fluoreszenz .......................................................................... - 28 -
2.6.2 Anisol-Fluoreszenz ........................................................................................ - 31 -
2.6.3 Zwei-Farben-LIF-Thermometrie ................................................................... - 35 -
2.7 Druckbasierte Verbrennungsdiagnostik ............................................................... - 37 -
2.7.1 Druckindizierung ........................................................................................... - 38 -
2.7.2 Druckverlaufsanalyse .................................................................................... - 41 -
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Inhaltsverzeichnis
Seite VIII von XIV
3 Endoskopisch zugänglicher Motor und Prüfstandsperipherie ............................. - 44 -
3.1 Grundmotor .......................................................................................................... - 44 -
3.2 Endoskopische Zugänge ....................................................................................... - 48 -
3.3 Druckindizierung und Temperaturerfassung ........................................................ - 49 -
3.4 Kraftstoffversorgung ............................................................................................ - 51 -
4 Endoskopsysteme ...................................................................................................... - 52 -
4.1 UV-Endoskop ....................................................................................................... - 52 -
4.2 Laser-Beleuchtungsendoskop ............................................................................... - 56 -
5 Endoskopische Flammenvisualisierung mittels Chemilumineszenz ..................... - 57 -
5.1 „1-Kamera“-Messung ........................................................................................... - 61 -
5.1.1 Messung ........................................................................................................ - 61 -
5.1.2 Auswertung und Ergebnisse .......................................................................... - 64 -
5.2 „2-Kamera“-Messung ........................................................................................... - 68 -
5.2.1 Messung ........................................................................................................ - 68 -
5.2.2 Auswertung und Ergebnisse .......................................................................... - 69 -
5.3 „Bildverstärkte und nicht-bildverstärkte Hochgeschwindigkeits“-Messung ....... - 79 -
5.3.1 Messung ........................................................................................................ - 79 -
5.3.2 Auswertung und Ergebnisse .......................................................................... - 82 -
6 Vergleich ausgewählter Tracer für Gasphasen-LIF .............................................. - 86 -
6.1 Experimentelle LIF-Signalintensität ..................................................................... - 86 -
6.2 Theoretische LIF-Signalintensität ........................................................................ - 91 -
6.3 Extrapolation für motorische Bedingungen .......................................................... - 94 -
7 Simultane endoskopische Messung von Anisol-LIF und UV-Chemilumineszenz - 96 -
7.1 Einfluss der Detektionsgeometrie ......................................................................... - 96 -
7.2 Experimenteller Aufbau ....................................................................................... - 99 -
7.3 Morphologische Bildbearbeitung ....................................................................... - 102 -
7.4 Ergebnisse ........................................................................................................... - 106 -
8 Endoskopische Zwei-Farben Anisol-LIF .............................................................. - 112 -
8.1 Experiment .......................................................................................................... - 112 -
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Inhaltsverzeichnis
Seite IX von XIV
8.2 Vergleich von Toluol und Anisol ....................................................................... - 114 -
8.3 Signalmodell und Kalibrierung .......................................................................... - 117 -
8.4 Temperaturmessung ............................................................................................ - 122 -
9 Zusammenfassung und Ausblick ........................................................................... - 131 -
Literaturverzeichnis ........................................................................................................ - 138 -
Publikationen ................................................................................................................... - 149 -
Betreute Abschlussarbeiten ............................................................................................ - 151 -
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Inhaltsverzeichnis
Seite X von XIV
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Abkürzungsverzeichnis
Seite XI von XIV
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzung Bedeutung
AGR Abgasrückführung
APS Aktiver Pixelsensor
AV Auslassventil
BP Bandpassfilter
C2* C2 im angeregten Zustand
CCD Charge-coupled device
CH* CH im angeregten Zustand
CH2O* CH2O im angeregten Zustand
CO2* CO2 im angeregten Zustand
DME Digitale Motor Elektronik
DOE Diffraktives optisches Element
EPA Environmental Protection Agency
EV Einlassventil
HCCI Homogeneous charge compression ignition
HCO Formyl-Radikal
HS-IRO Hochgeschwindigkeitsbildverstärker (engl.: highspeed intensifier relais optic)
IC Innere Energieumwandlung (engl.: internal conversion)
ICCD Intensified charge-coupled device
IR Infrarot
IRO Intensifier relais optic
ISC Intersystem crossing (engl.: intersystem crossing)
KW Kurbelwinkel
LIF Laserinduzierte Fluoreszenz
LP Langpassfilter
LTC Low temperature combustion
M Stoßpartner
MPFI Multi-Point-Fuel-Injection
Nldif Nichtlinearer Diffusionsfilter
OH* OH im angeregten Zustand
OT Oberer Totpunkt
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Abkürzungsverzeichnis
Seite XII von XIV
PCCI Premixed charge compression ignition
PF Projizierte Flamme
PFF Projizierte Flammenfläche
PFFSP Projizierter Flammenflächenschwerpunkt
PFG Projizierte Flammengeschwindigkeit
PIV Particle image velocimetry
PLIF Planar laserinduzierte Fluoreszenz
S Singulett
ST Strahlteiler
T Triplett
UV Ultraviolettstrahlung
VR Vibronische Relaxation (engl.: vibrational relaxation)
ZZP Zündzeitpunkt
Symbole Einheit Bedeutung
°KW Kurbelwinkel
- Brennstoffverhältnis
A m2 Wärmeübertragende Brennraumfläche
cm m/s Mittlere Kolbengeschwindigkeit
cu m/s Drallgeschwindigkeit
cv J/kg K Spez. isochore Wärmkapazität
d m Durchmesser
EPhoton J Energie eines Photons
f Hz Frequenz
h J s Plancksches Wirkungsquantum
hg J/kg Enthalpiestrom
ILaser W Laserintensität
ILIF W Intensität der laserinduzierten Fluoreszenz
IOH* W OH*-Emissionsintensität
k - Isentropenexponent
kfl 1/s Spontane Emission
kq˜ m3/s Stoßratenkoeffizient
kSV m3 Stern-Volmer-Koeffizient
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Abkürzungsverzeichnis
Seite XIII von XIV
ktot 1/s Intramolekularer Deaktivierungsprozess
lF m Laminare Flammendicke
n - Polytropenexponent
n 1/m3 Teilchenanzahldichte
n 1/min Drehzahl
nO2 1/m3 Sauerstoffanzahldichte
p bar Druck
pmi bar Indizierter Mitteldruck
pO2 mbar Sauerstoffpartialdruck
q W/cm² Wärmefreisetzungsrate pro Flammenflächen
R J/mol K Gaskonstante
T K Temperatur
sL m/s Laminare Brenngeschwindigkeit
Ti - Schwellwert
TW K Mittlere Brennraumwandtemperatur
Uc J Chemisch gebundene Energie
Ug J Gesamte innere Energie
Ut J Thermische Energie
v Hz Lichtfrequenz
V m3 Volumen
VH m3 Hubvolumen
W J Arbeit
xB °KW Brennstoffumsatzpunkt
v´ m/s Geschwindigkeitsvarianz
α W/m2 k Wärmeübergangskoeffizient
α pmax °KW Lage des Spitzendrucks
η - Quanteneffizienz (Detektion)
η m Kolmogorov-Länge
λ - Verbrennungsluftverhältnis
λ nm Wellenlänge
σabs m2 Absorptionsquerschnitt
σpmi bar Streubreite des indizierten Mitteldrucks
τfl s Fluoreszenzslebensdauer
ϕ - Fluoreszenzquanteneffizienz
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Abkürzungsverzeichnis
Seite XIV von XIV
ω rad/s Winkelgeschwindigkeit
Ω sr
Sammelwinkel
[m²/s] Kinematische Viskosität
k [s] Kleinste turbulente Zeitskala (Kolmogorov-Zeit)
l [s] Zeitskala für Ausbreitung der laminaren Flamme
R [s] Zeitskala einer chemischen Reaktion
𝜅 - Isentropenexponent
𝜉 - Mischungsbruch
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Einleitung
- 1 -
1 Einleitung
Moderne Verbrennungsmotoren sind im Laufe der über 100-jährigen Geschichte zu
komplexen Aggregaten entwickelt worden, die mit hoher Leistungsdichte und großer
Zuverlässigkeit das Fundament unserer Mobilität bilden. Jedoch wird die Freiheit des
Individualverkehrs sowie die Möglichkeit des kostengünstigen globalen Gütertransports mit
einer erheblichen Belastung der Umwelt durch Schadstoffemissionen erkauft. Im Jahr 2014
betrug der Anteil des Verkehrssektors am weltweiten Ausstoßes von Treibhausgasen nach
Angaben der Environmental Protection Agency (EPA) 18 Prozent. Aufgrund der
zunehmenden Motorisierung in Schwellenländern und dem anhaltenden Wachstum des
globalen Handels ist, einhergehend mit der Erhöhung der Verkehrsleistung, mit einem
weiteren Anstieg des Emissionsausstoßes zu rechnen. Um dieser Entwicklung entgegen zu
wirken, wird politisch die Elektrifizierung des Individualverkehrs, insbesondere im urbanen
Bereich, forciert. Nichtsdestotrotz stellt der Verbrennungsmotor den dominierenden Anteil
gegenwärtiger Antriebe und wird im Personenkraftfahrzeug und speziell im Nutzfahrzeug
noch lange substanziell vertreten sein. Aus diesem Grund ist die kontinuierliche Reduktion
umweltbelastender Emissionen durch die Entwicklung neuer Brennverfahren und
Technologien zur Abgasnachbehandlung notwendig. Maßgeblichen Impuls für die
Forschungs- und Entwicklungsarbeit in der Automobilindustrie stellt die sukzessive
Verschärfung der Emissionsgrenzwerte, derzeit Euro 6 für Personenkraftwagen und EURO VI
für schwere Nutzfahrzeuge, und die Reglementierung der CO2-Emissionen und des
Kraftstoffverbrauchs von schweren Nutzfahrzeuge gemäß (EU) 2017/2400 dar.
In der Entwicklung von Brennverfahren für Verbrennungsmotoren oder für die
Weiterentwicklung bestehender Konzepte sind detaillierte Kenntnisse innermotorischer
Vorgänge unerlässlich [1-3]. Gegenwärtig ist die Druckindizierung, eine
kurbelwinkelaufgelöste Messung des Zylinderinnendrucks, wichtigstes Hilfsmittel zur
Bewertung des thermodynamischen Prozesses. Indizierte Druckverläufe stellen wesentliche
Eingangsparameter von Motorsimulationen und dienen als Zielgröße bei der Motor-
applikation. Bedingt durch die inhärente Eigenschaft der Sensorik werden jedoch keine
räumlich aufgelösten Informationen gewonnen. Dementgegen bieten optische Verfahren die
Möglichkeit der zwei- oder dreidimensionalen, quantitativen Messung einzelner
physikalischer oder chemischer Größen. Durch die detaillierte Untersuchung verschiedener
innermotorischer Prozesse, wie beispielsweise dem Ladungswechsel, der Gemischbildung
oder der Flammenausbreitung, können optische Messverfahren zum besseren Verständnis der
motorischen Verbrennung beitragen. Zur bildgebenden Brennraumdiagnostik werden in
Forschungseinrichtungen und Entwicklungsabteilungen sogenannte optische Motoren,
Messsonden oder Endoskope verwendet. Die unterschiedlichen Möglichkeiten des optischen
Zugangs zum Brennraum stehen dabei im Zielkonflikt zwischen der Größe des Zugangs und
der erforderlichen Modifikation des Basisaggregates. Hierbei weisen optische Motoren den
bestmöglichen optischen Zugang zum Brennraum auf, erfordern jedoch zeitgleich die größte
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Einleitung
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konstruktive Anpassung des Basismotors, die zu einer Veränderung der thermodynamischen
Eigenschaften und maßgeblichen Limitierung im Betriebskennfeld führt. Dagegen bieten
Endoskope eine Möglichkeit des minimalinvasiven optischen Zugangs zum Brennraum, ohne
die Thermodynamik des Motors signifikant zu beeinflussen. Endoskope können in
seriennahen Motoren appliziert und teils ohne Einschränkung im gesamten Betriebskennfeld
eingesetzt werden.
In der vorliegenden Arbeit wird ein UV-Endoskopsystem eingesetzt, dessen Auslegung am
Institut für Technische Optik (ITO) in Stuttgart [4] und deren motorische Erprobung am
Institut für Verbrennung und Gasdynamik (IVG) [5, 6] erfolgte. Das Endoskopsystem ist als
zweistufiges Abbildungssystem mit einem Zwischenbild konzipiert und besteht aus einem im
Zylinderkopf des Motors montierten Front-Endoskop sowie einer vor der Kamera
positionierten Relay-Optik, die ein diffraktives und ein refraktives Element beinhaltet. Das
robuste Front-Endoskop ist unmittelbar den mechanischen und thermischen Belastungen des
Verbrennungsmotors ausgesetzt und dient zur Projektion der Brennraumebene auf die Relay-
Optik. Die erste Abbildungsstufe mit nur drei sphärischen Linsen ist für eine hohe Lichtstärke
ausgelegt worden und korrigiert nur Aberrationen, die maßgeblich von der Feldposition
abhängig sind. Dementgegen werden Abbildungsfehler, die in erster Linie eine Funktion der
Apertur sind, erst in der zweiten Abbildungsstufe innerhalb definierter spektraler Bereiche
korrigiert. Beide Elemente des zweistufigen Abbildungssystems, das Front-Endoskop und das
diffraktive-refraktive Element, bestehen für eine hohe Transmissivität im ultravioletten
Bereich aus Quarzglas.
Im Rahmen der vorliegenden Abhandlung wird das UV-Endoskopsystem zur Visualisierung
einzelner Aspekte des Verbrennungsprozesses sowie zur quantitativen Bestimmung der
Temperaturverteilung in der zentralen Brennraumebene eines Ottomotors eingesetzt. Die
Visualisierung der Flammenkernbildung und frühen Flammenausbreitung über die UV-
Chemilumineszenz in der Reaktionszone wird nachfolgend als passive Messtechnik
bezeichnet, die Visualisierung der Flamme durch laserinduzierte Fluoreszenz (LIF) anhand
des Abbrands signalerzeugender Tracer-Moleküle und die Temperaturbestimmung mittels
Zwei-Farben-LIF-Thermometrie als aktive Messtechnik. Zielsetzung bei der Durchführung
der Messungen ist der Übertrag messtechnischer Möglichkeiten aus optischen Motoren auf
die minimalinvasive Endoskopie im Vollmotor und die Weiterentwicklung bestehender
endoskopischer Messmethodik.
Im ersten Teil der Arbeit liegt der Fokus mit der Visualisierung einzelner Teilbereiche des
Verbrennungsprozesses durch die Chemilumineszenz in der Reaktionszone auf der passiven
Brennraumdiagnostik. Dabei kann der Verbrennungsprozess in Ottomotoren im Wesentlichen
in folgende vier Abschnitte unterteilt werden [7]: Zündfunke (und Flammeninitiierung),
initiale Flammenkernentwicklung, turbulente Flammenausbreitung und Flammenlöschung. In
Kapitel 5 wird die bildgebenden Detektion der initialen Flammenkernentwicklung und
turbulenten Flammenausbreitung mit verschiedenen Kamerasystemen und Konfigurationen
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Einleitung
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der Messtechnik beschrieben. Zur quantitativen Auswertung finden unterschiedliche
morphologische Verfahren der Segmentierung Anwendung, um die projizierte Flammenfläche
in jeder Aufnahme zu ermitteln. Die Korrelation dieser optischen Messgröße mit dem
Zylinderinnendruck und weitere Informationen über den Brennverlauf, welche die Detektion
der projizierten Flammenfläche bietet, werden ausführlich beschrieben. Als Referenz für die
endoskopischen Messungen dienen Arbeiten von Aleiferis et al. in einem optisch großflächig
zugänglichen Motor [7-11].
Im Vorfeld der Anwendung laserbasierter Messverfahren wird ein systematischer Vergleich
ausgewählter Tracer für bildgebende LIF-Messungen in der Gasphase durchgeführt, um den
signalstärksten Tracer unter motorrelevanten Drücken und Temperaturen zu bestimmen. Der
Vergleich erfolgt sowohl theoretisch anhand der photometrischen Modellierung der
Signalkette sowie durch Versuche in einer atmosphärischen Messzelle und wird in Kapitel 6
vorgestellt. Der aus diesem Quervergleich resultierende signalstärkste Tracer ist Anisol
(Methoxybenzol), das im Anschluss für endoskopische LIF-Messungen eingesetzt wird.
Im zweiten Teil der Arbeit, mit Fokus auf der aktiven Brennraumdiagnostik, werden die
Visualisierung der Flamme anhand des Abbrands signalerzeugender Tracer-Moleküle in
Kapitel 7 und die Zwei-Farben-LIF-Thermometrie zur nicht-invasiven Bestimmung der
Temperatur in Kapitel 8 beschrieben. Die laserbasierte Visualisierung der Flamme erfolgt zur
Gegenüberstellung der inhärenten Eigenschaften aktiver und passiver Messtechniken in einem
„2-Kamera“-Messaufbau synchron mit der Detektion der Chemilumineszenz. Das LIF-
Messverfahren bildet eine dreidimensionale Flammenstruktur aufgrund des Lichtschnitts in
einer zweidimensionalen Ebene ab, im Gegensatz zur Detektion der Chemilumineszenz,
welche die dreidimensionale Flammenstruktur auf eine Bildebene projiziert. Diese Projektion
entspricht der Integration des Signals entlang der Sichtlinie, wodurch die maximale
Grenzlinie des entflammten Bereichs abgebildet wird. Die Unterschiede beider
Messtechniken zur Flammenvisualisierungen und die Korrelation der jeweils segmentierten
Flammenflächen mit den zugehörigen Druckverläufen werden in Kapitel 7 detailliert
ausgearbeitet.
Den zweiten Schwerpunkt der aktiven Brennraumdiagnostik bildet die Zwei-Farben-LIF-
Thermometrie zur Untersuchung des Temperaturfeldes in der zentralen Brennraumebene.
Ergänzend werden im gleichen Versuchsaufbau die LIF-Signalintensitäten der Tracer Anisol
und Toluol in aufeinanderfolgenden Messungen unter realen Motorbedingungen verglichen,
um die Ergebnisse des systematischen Quervergleichs aus Kapitel 6 zu validieren.
Das Messverfahren der Zwei-Farben-LIF-Thermometrie basiert auf der
Temperaturabhängigkeit der Anisol-Fluoreszenz, deren Emissionsspektrum sich mit
steigender Temperatur in den langwelligen Bereich verschiebt. Durch eine spektral separierte
Detektion der Fluoreszenz mit zwei synchronen Kameras wird über das Signalverhältnis
beider Detektionskanäle der Grad der Verschiebung auf Pixelbasis ermittelt. Die
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Einleitung
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Temperaturbestimmung erfolgt anhand einer Modellierung des pixelweise bestimmten
Signalverhältnisses auf Grundlage der photophysikalischen Daten des Tracers Anisol und der
Quanteneffizienz der Detektion. Dabei berücksichtigt das theoretische Signalmodell den
Einfluss des Sauerstoffpartialdrucks, da die Anisol-Fluoreszenz in Gegenwart von Sauerstoff
rotverschoben wird. Der Abgleich des Signalmodells erfolgt durch Kalibrationsmessungen im
stehenden Motor. Als Ergebnis werden der räumlich gemittelte Temperaturverlauf über den
Kompressionstakt und verschiedene Temperaturfelder im Einzelschuss für ausgewählte
Kurbelwinkel vorgestellt.
Abschließend wird der Inhalt der Arbeit zusammengefasst, die wesentlichen Erkenntnisse
herausgestellt und ein Ausblick für weiterführende Arbeiten gegeben.
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Grundlagen
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2 Grundlagen
Für die Weiterentwicklung von Brennverfahren in Verbrennungskraftmaschinen oder die
Entwicklung neuer Konzepte, wie HCCI (Homogeneous charge compression ignition), PCCI
(Premixed charge compression ignition) oder LTC (Low temperature combustion), sind
detaillierte Kenntnisse der innermotorischen Vorgänge notwendig. Ein in der
Motorenforschung etabliertes Werkzeug ist die Druckindizierung, eine
kurbelwinkelaufgelöste Messung der Ein- und Auslassdrücke sowie des Zylinderinnendrucks.
Der Verlauf der Drucksignale gibt wesentliche Rückschlüsse über den Verbrennungsprozess
und kann als Eingangsparameter für die Berechnung des Brennverlaufs und der Indizier-
Kennwerte dienen.
Für ein grundlegendes Verständnis vieler physikalischer und chemischer Teilaspekte des
Verbrennungsablaufes werden in der Forschung und Entwicklung bildgebende Messverfahren
eingesetzt, die zwei- oder dreidimensionale Informationen über innermotorische Prozesse
liefern. Diese Messverfahren benötigen einen optischen Zugang zum Brennraum.
2.1 Optische Zugänge zum Brennraum
Die Ausführung optischer Zugänge zum Brennraum steht im Zielkonflikt zwischen der Größe
des optischen Zugangs und der notwendigen Modifikation eines Versuchsaggregates,
einhergehend mit der Beeinflussung des Betriebsverhaltens [12]. In Abhängigkeit von der
jeweiligen Zielstellung werden deshalb unterschiedliche Konzepte in der Ausführung
optischer Zugänge verfolgt. Zur Untersuchung neuer Brennverfahren in hochaufgeladenen
Motoren bieten Messsonden oder Messzündkerzen einen minimalinvasiven Zugang zum
Brennraum nicht modifizierter Motoren an. Mit einem konstruktiv größeren Aufwand stellen
Endoskope einen weiteren Weg minimalinvasiven Zugangs zum Brennraum bereit. Das
Sichtfeld sowie die Einsatzmöglichkeiten laseroptischer Messverfahren sind für Endoskope
deutlich größer im Vergleich zu Messsonden. Für die Entwicklung und Optimierung neuer
laseroptischer Messverfahren bieten optische Motoren den besten Zugang zum Brennraum
und den detailliertesten Aufschluss über innermotorische Vorgänge, erfordern jedoch den
größten konstruktiven Aufwand und führen in der Regel zu einer Veränderung der
thermodynamischen Eigenschaften des Basismotors. Optische Motoren unterliegen auch der
größten Limitation in Drehzahl und Last. In diesem Zusammenhang steht das Bestreben
minimalinvasive endoskopische Messtechnik in ihrer optischen Güte zu verbessern, um
weitere Messverfahren, die bereits in optischen Motoren zum Stand der Technik zählen, für
den endoskopischen Einsatz zu erschließen.
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Grundlagen
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2.1.1 Optische Motoren
Die konstruktive Ausführung optischer Motoren kann in vielfältiger Weise erfolgen,
entsprechend der Zielvorgabe motorischer Leistungsparameter und Größe des optischen
Zugangs. Häufige Realisierungsformen sind optische Zugänge durch Fenster im
Abstandshalter zwischen Grundmotor und Zylinderkopf oder durch Glasringe, zusätzlich zum
Sichtzugang durch ein Kolbenglasfenster. Die erste dokumentierte Visualisierung einer
Flamme in einem Motor mit Glasfenster erfolgte 1931 bei General Motors Research
Laboratories in Detroit [13]. Hierfür wurde ein längliches Quarzfenster von 12,7 cm x
0,952 cm in einem Einzylinder-Forschungsmotor eingelassen, das einen Sichtzugang zum
Brennraum und auf das Einlassventil gestattet. Einen detaillierten Überblick realisierter
optischer Motoren bietet die Quelle [14].
Ein Motor mit einen Glasring und ein Kolbenfenster bietet einen sehr guten optischen
Zugang, weist in der Regel aber deutliche Einschränkungen in Drehzahl und Last auf. Des
Weiteren können der Wandwärmeübergang des Brennraums und das Verdichtungsverhältnis
wesentlich vom Vollmetallmotor abweichen. Die etablierte Bauweise optischer Motoren
verwendet eine Kolbenverlängerung mit einer Längsnut, die nach dem Erfinder auch als
Bowditch-Kolben bezeichnet wird [15]. Diese konstruktive Ausführung ermöglicht über einen
45°-Spiegel einen Sichtzugang durch ein Kolbenglas zum Brennraum. Das Fenster kann
wahlweise für höhere Spitzendrücke aus Saphir oder für bessere Transmissivität im UV-
Bereich aus Quarz gefertigt sein. Horizontal erfolgt der optische Zugang zum Brennraum über
einen Zwischenring mit Fenstern oder einen Vollglasring. Das Aufbauprinzip ist schematisch
in Abbildung 1 dargestellt.
Abbildung 1: Schematischer Aufbau eines optischen Motors [16]
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Grundlagen
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Das optische Sichtfeld, maßgeblich durch Anzahl und Größe der optischen Zugänge
bestimmt, steht im Zielkonflikt mit der Beeinflussung des Betriebsverhaltens des
Verbrennungsmotors. Die Abhängigkeit ist in Abbildung 2 dargestellt.
Abbildung 2 Zielkonflikt bei optisch zugänglichen Motoren zwischen der Beeinflussung des
Betriebsverhaltens und der Größe des optischen Sichtfeldes [17]
In Abhängigkeit von der Priorisierung sind optische Motoren auch für große Hubvolumen
realisierbar [18], geeignet für hohen Spitzendruck [19] oder durch den Ausgleich der
Massenkräfte erster und zweiter Ordnung für besonders hohe Drehzahlen ausgelegt [20].
2.1.2 Lichtleiterbasierte Messsonden
Lichtleiterbasierte Messsonden sind für den Einsatz in Serienmotoren konzipiert und können
ohne Modifikation des Versuchsaggregates als integrierte Zündkerzensonde für
Ottoanwendungen oder als Glühkerzenadapter für Dieselanwendungen eingesetzt werden.
Beide Ausführungen ermöglichen eine kurbelwinkel- und zyklusaufgelöste Untersuchung
innermotorischer Prozesse in Echtzeit.
In Abbildung 3 sind verschiedene Ausführungen lichtleiterbasierter Messsonden dargestellt.
a) Absorptionsmesssonde zur Konzentrationsmessung [21]
b) Flächensensor zur Klopfortbestimmung [22]
c) Mehrkanal-Lichtleiter-Zündkerzensensor [6]
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Grundlagen
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Abbildung 3: Lichtleiterbasierte Zündkerzensensoren [6, 21, 22]
Die optische Brennraumindizierung kann hierbei in aktive und passive Messtechniken
unterteilt werden.
Passive Messsysteme werden bei ottomotorischem Einsatz vorwiegend zur Visualisierung der
Flammenkernbildung und des Flammenfortschrittes über die Chemilumineszenz, einer
Lichtemission der bei der Verbrennung entstehenden Radikale OH*, CH* und C2*, verwendet
[23-25]. Mit Flächensensoren erfolgt die Flammenmusterbestimmung anhand der
Signalintensität und ermöglicht die Lokalisierung von Flammenanomalien sowie
Klopferscheinungen [22, 26, 27]. Eine Erfassung der Signale im Brennraum durch drei
geometrisch angeordnete Messsonden lässt eine tomografische Flammenanalyse zu [28-30].
Eine Sonderform passiver lichtleiterbasierter, optischer Indizierung stellen mikro-optische
Sensoren dar, die in der Zylinderkopfdichtung oder Laufbuchse integriert, zur tomografischen
Detektion der Flammenentwicklung innerhalb einer Ebene dienen [31]. Themenschwerpunkte
bei der Untersuchung dieselmotorischer Verbrennung mit passiven Messsonden ist die
Visualisierung der thermischen Rußstrahlung zur Bestimmung von Rußkonzentration und der
Temperatur [26].
Mit aktiven Messsystemen können weitere Größen, wie die Gemischbildung, der
Restgasgehalt sowie die Gemischtemperatur sowohl lokal an der Zünd- oder Glühkerze oder
räumlich gemittelt über den Zylinderquerschnitt mittels Absorptionsmessungen bestimmt
werden [32]. Anhand der unterschiedlichen Absorptionsverhaltens einzelner Gaskomponenten
werden deren Bestandteile selektiv nachgewiesen. Beispielsweise erfolgt der
Kraftstoffnachweis anhand der IR-Absorption von Kohlenwasserstoffen [33],
Kohlenstoffdioxid wird über eine charakteristische Absorptionsbande detektiert [34-36] und
die Restgaskonzentration anhand des Wasseranteils berechnet [37-39]. Aus diesen Parametern
lassen sich weitere Größen, wie das Verbrennungsluftverhältnis λ oder die zyklusaufgelöste
AGR-Rate, ableiten. Ein weiteres Einsatzfeld lichtleiterbasierter Messsonden sind lokale
laserinduzierte Fluoreszenzmessungen im UV-Bereich, wie die Zwei-Farben-LIF-
Temperaturmessung [6] oder die Kraftstoffkonzentrationsmessung [21, 40].
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Grundlagen
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2.1.3 Endoskope
Die Applikation von Endoskopen in der Verbrennungsdiagnostik ist der Versuch, die
messtechnischen Möglichkeiten optischer Motoren ohne Beeinflussung der motorischen
Betriebsbedingung und ohne jegliche Limitation im Betriebskennfeld in seriennahen
Verbrennungsaggregaten anzuwenden. Hierbei erfordert die konstruktive Adaption des
Beobachtungsendoskops und gegebenenfalls des Beleuchtungsendoskops eine frühzeitige
Festlegung der geometrischen Anordnung, des Dichtkonzeptes zum Brennraum sowie der
Anbindung zur Kamera. Dies kann zu einer Einschränkung anwendbarer Messtechniken
führen.
Aufgrund der ursprünglichen Auslegung von Endoskopen für die minimalinvasive
Untersuchung im medizinischen Bereich, der zerstörungsfreien Inspektion und
Qualitätssicherung technischer Apparaturen wie Fluggasturbinen oder der Kontrolle von
Anlagenkomponenten sind die meisten Ausführungen für Anwendungen im sichtbaren
Bereich ausgelegt und verfügen über eine verhältnismäßig geringe Lichtstärke. Ein häufiger
Vertreter dieser Bauweise ist das in Abbildung 4 dargestellte Endoskop des Herstellers Karl
Storz, vermarktet von der AVL unter der Bezeichnung „Visiocope“. Bedingt durch die
geringe Lichtstärke, die bei einer Brennweite von 21 mm in Abhängigkeit des verwendeten
Linsendurchmessers unterhalb von f/3,5 oder f/7,0 liegt, wird dieses Endoskop im
Verbrennungsmotor insbesondere bei hellen Ereignissen angewendet, wie dem
Rußeigenleuchten im Dieselmotor [41, 42].
Abbildung 4: VISIOSCOPE des Herstellers Karl Storz [43]
Mittels der endoskopischen Visualisierung der Flamme wird die Rußbildung in [44, 45]
untersucht und mit einer zur Rußkonzentration proportionalen Größe (KL-Faktor)
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Grundlagen
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quantifiziert. Aus der spektralen Intensitätsverteilung kann durch die spektral geteilte
Detektion mit dem RGB-Detektor einer Hochgeschwindigkeitskamera [46, 47] oder durch die
kurbelwinkelaufgelöste Detektion mit einem Zweifarben-Messsystem [48, 49] die
Rußpartikeltemperatur ermittelt werden. Mit der in Abbildung 4 dargestellten ungekühlten
Endoskop-Ausführung mit integriertem Lichtleiter oder in der Kombination eines
Detektionsendoskops mit einem Beleuchtungsendoskop, das in der Regel über Lichtleiter mit
einer intensiven Leuchtquelle verbunden ist, wird in [50-53] ein Spray mit
Hochgeschwindigkeitsaufnahmen der Mie-Streuung charakterisiert. Die endoskopische
Sprayvisualisierung wird mitunter auch als Validierungsgrundlage von Simulationen
verwendet [54].
Starre Beleuchtungsendoskope mit Quarzlinsen ermöglichen das Einkoppeln von Lasern, die,
zu einem Lichtschnitt geformt, ganze Ebenen im Brennraum ausleuchten. Durch die
unmittelbar aufeinander folgende Aufnahme von der Strömung zugesetzter Partikel, die durch
einen Laser-Doppelpuls beleuchtet werden, kann die Geschwindigkeit des Strömungsfeldes
im Brennraum innerhalb einer Ebene bestimmt werden [55]. Das in Abbildung 5 dargestellte
Endoskop wurde für „Particle Image Velocimetry“ (PIV) durch Entnahme der integrierten
Lichtleiter und Vergrößerung der Linsenapertur um den Faktor 1,7 in der Lichtstärke erhöht,
um eine bessere Detektion der Partikel zu ermöglicht [56].
Abbildung 5: Optimiertes Endoskop für PIV-Messungen
Mit der Zielsetzung, laserinduzierte Fluoreszenz-Messsungen minimalinvasiv auszuführen,
werden Endoskope im Bereich der ultravioletten Wellenlängen optimiert. Einen Ansatz bietet
die Arbeit von Kallmeyer, der in Zusammenarbeit mit der Firma LaVision ein Endoskop für
spektroskopische Untersuchungen im UV-Bereich entwickelte [57]. Dieses Endoskop sieht
keine Korrektur der chromatischen Aberration vor. Um den daraus resultierenden
Abbildungsfehler zu limitieren, ist am Endoskop eine Filterhalterung zur Begrenzung des
spektralen Durchsatzes mittels schmalbandiger Filter vorgesehen. Die Lichtstärke des UV-
Endoskops mit einem Außendurchmesser von 8 mm liegt bei f/20 für Wellenlängen bis
370 nm. Das Endoskop wurde zur LIF-Detektion von Realkraftstoff eingesetzt, um die
Gemischbildung zu analysieren.
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Grundlagen
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Eine weitere Möglichkeit endoskopischer Aufnahmen im UV-Bereich bietet das PMT-UV-
CAM System der Firma SMETEC, entwickelt zur Hochgeschwindigkeitsvisualisierung des
Verbrennungsprozesses mit bis zu 200 kHz. Die auf das Lichtleiterendoskop abgestimmte
Detektion besteht aus einer Vielzahl an Photomultipliern, ausgelegt für den UV-Bereich
sowie für Teile des sichtbaren Spektrums [58]. Das System wurde zur Optimierung des
Verbrennungsprozesses in einem Serienmotor eingesetzt [59]. In Kombination mit einer
lichtleiterbasierten Beleuchtungseinheit bietet sich das System auch zur Visualisierung der
Einspritzung an [60].
Das in dieser Arbeit verwendete UV-Endoskopsystem, dargestellt in Abbildung 6, wurde im
Rahmen einer Kooperation u.a. der Universität Duisburg-Essen, dem Institut für Technische
Optik in Stuttgart und der Firma LaVision entwickelt [4].
Abbildung 6: UV-Endoskopsystem [4]
Das Endoskopsystem ist zweiteilig aufgebaut und besteht aus einem im Zylinderkopf
verbauten Front-Endoskop und einem „hybriden“ diffraktiven-refraktiven Element, der Relay-
Optik, die zur Projektion auf den Kameradetektor dient. Alle Elemente sind aus Quarzglas
gefertigt und UV-transparent. Das Front-Endoskop, das durch ein in einer Titanhülse
eingerolltem Saphirfenster vom Brennraum separiert wird, enthält drei sphärische Linsen, die
chromatische Aberration zulassen. Die Abbildung des Objektes auf den Detektor erfolgt über
ein diffraktives-refraktives Element, das im gleichen Zuge die zuvor akkumulierte
chromatische Aberration in einem definierten spektralen Bereich korrigiert. Im direkten
Vergleich mit dem kommerziellen UV-Endoskop des Herstellers Karl Storz weist das UV-
Endoskopsystem die 7-fache Sammeleffizienz auf und in Gegenüberstellung zu einem Nikon
UV-Objektiv (105 mm, f/4.5) die 1,3-fache Sammeleffizienz [6, 61]. Das UV-
Endoskopsystem wurde bereits zur Hochgeschwindigkeitsvisualisierung einer klopfenden
Verbrennung über Detektion der Chemilumineszenz in einem aufgeladenen VW-
Forschungsmotor [62] und zur Bestimmung des Temperaturfeldes im Brennraum mittel
Toluol-LIF-Thermometrie [5] eingesetzt.
Eine detaillierte Erklärung des UV-Endoskopsystems und des zugehörigen
Beleuchtungsendoskops, deren Einsatzmöglichkeiten und der notwendigen Nachbearbeitung
der Daten erfolgt in den nachfolgenden Kapiteln.
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Grundlagen
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2.2 Lichtquellen und Detektoren
2.2.1 Kamera
Zur Detektion von Strahlungsemissionen werden im Rahmen dieser Arbeit lichtempfindliche
Kamerasysteme mit CCD-Sensoren (charge-coupled device) [63] oder CMOS-Sensoren
(complementary metal-oxide-semiconductor) [64] verwendet. Beide Sensorausführungen
nutzen den photoelektrischen Effekt, um einfallende Photonen in eine elektrische Ladung zu
wandeln, unterscheiden sich jedoch im Ausleseprinzip der Ladungseinheiten.
CCD-Sensoren
CCD-Bildsensoren bestehen aus einer rechteckigen oder quadratischen Anordnung von
lichtempfindlichen Halbleiterelementen, die einzelnen Pixeln entsprechen. Die Grundlage der
Fotodetektoren bildet eine MIS-Struktur (engl.: metal insulator semiconductor), die sich aus
einem dotierten Halbleiter, einer Isolierschicht und transparenten elektrischen Leitern
(Elektroden) zusammensetzt. Aufgrund der häufigen Verwendung eines Oxids
(Siliciumdioxid) als Isolator wird diese Anordnung auch als MOS-Struktur (engl.: metal-
oxide-semiconductor) genannt. Eine Prinzipskizze eines Interline Transfer CCD-Sensors ist in
Abbildung 7 gegeben.
Abbildung 7: Prinzipskizze eines Interline Transfer CCD-Sensors [65]
Durch einfallende Photonen auf den CCD-Sensor werden Elektronen im Halbleitermaterial
freigesetzt und die Ladung in den MOS-Kondensatoren gespeichert. Die akkumulierte
Ladungsmenge ist dabei proportional zur Intensität des Lichts und zur Belichtungszeit. Der
Auslesevorgang erfolgt zeilenweise durch die Verschiebung der Ladung jedes einzelnen
Pixels in ein vertikales Schieberegister. Im vertikalen Schieberegister werden die Ladungen
durch Taktung der anliegenden Elektrodenspannung einzeln zum horizontalen Schieberegister
(Transferregister) überführt und anschließend in einem zentralen Ausleseregister in eine
elektrische Spannung gewandelt. Durch den Zusammenschluss der Ladung mehrerer Pixel in
einem Auslesevorgang, dem sogenannten Binning, kann das Signal-Rausch-Verhältnis bei
zeitgleicher Reduktion der Auflösung verbessert werden. Der Auslesevorgang des CCD-
Sensors erfolgt seriell, im Gegensatz zur parallelen Beleuchtung aller Pixel.
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Grundlagen
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CMOS-Sensoren
CMOS-Bildsensoren bestehen aus einer zweidimensionalen Anordnung von
lichtempfindlichen Halbleiterelementen. Im Gegensatz zum CCD-Sensor verfügt jeder Pixel
oder die Pixel einer Zeile über einen eigenen Ausleseverstärker. In Abhängigkeit der
Ansteuermöglichkeit der einzelnen Pixel werden CMOS-Sensoren in Active-Pixel-Sensor
(APS) und Passiv-Pixel-Sensor (PPS) unterschieden. Der APS-Sensor enthält für jeden Pixel
eine Verstärkerschaltung zum Auslesen des Signals und wird zeitgleich über alle
Bildelemente belichtet (Global Shutter). Durch die Ansteuerung nur eines Teilbereichs des
APS-Sensors ist eine Steigerung der Bildwiederholrate möglich. In der PPS-Sensorarchitektur
teilen sich die Pixel einer Zeile den Ausleseverstärker, sodass die Belichtung und der
anschließende Auslesevorgang zeilenweise erfolgen. Bei Aufnahmen bewegter Objekte ruft
das sukzessive Auslesen aufeinander folgender Zeilen den Rolling-Shutter-Effekt hervor,
wodurch einzelne Bildpunkte einen Lagefehler aufweisen.
In Gegenüberstellung beider Bauformen weist die CCD-Sensorarchitektur, aufgrund der
Verwendung eines zentralen Ausleseregisters, ein besseres Signal-Rausch-Verhältnis auf.
Nachteilig ist das Übersprechverhalten von Pixeln bei maximaler Ladungsaufnahme in
umliegende Bereiche, das sogenannte Blooming. Die CMOS-Sensorarchitektur hat einen
schlechteren Füllfaktor, gleichzusetzen mit einer geringeren Lichtempfindlichkeit, und weist
mehr Bildartefakte durch die limitierte Fertigungsgenauigkeit der Ausleseregister auf (Fixed-
Pattern-Noise). Vorteil des CMOS-Sensors ist eineschnelle Bildwiederholrate in Verbindung
mit hoher Auflösung.
2.2.2 Bildverstärker
Der Bildverstärker dient primär zur analogen Signalverstärkung vor dem Bildsensor und wird
zur Detektion signalschwacher Ereignisse im Abbildungssystem zwischen dem Objekt und
der Kamera eingebracht, dargestellt in Abbildung 8. Das optoelektronische Bauteil besteht aus
einer Photokathode (Kathode), einer Mikrokanalplatte sowie einem Phosphorschirm (Anode).
Das Objekt wird über die Abbildungsoptik, im einfachsten Fall einer Linse, auf eine
Photokathode projiziert, die unter Ausnutzung des äußeren photoelektrischen Effektes
auftreffenden Photonen in freie Elektronen umsetzt. Diese werden durch ein elektrisches Feld
beschleunigt, in einer Mikrokanalplatte (Sekundärelektronenvervielfacher) beim Wandstoß
durch Auslösen von Sekundärelektronen vervielfacht und von einem Phosphorschirm
absorbiert. Eine Abbildungsoptik projiziert die vom Phosphorschirm emittierte Lichtemission
auf den Sensor der Kamera. Typische Abklingzeiten des Phosphorschirms liegen in
Abhängigkeit vom Material im Bereich von wenigen Nano- bis Millisekunden [66, 67]. Durch
die elektronische Regelung des Bildverstärkers sind kürzere Belichtungszeiten im Vergleich
zu mechanischen Verschlüssen realisierbar, jedoch führt die Verwendung eines Bild-
verstärkers meist zu einer Verschlechterung der optischen Auflösung des Detektionssystems.
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Grundlagen
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Neben der Signalverstärkung kann ein Bildverstärker auch als Bildwandler fungieren,
insofern die spektrale Sensitivität der Photokathode vom Detektionsbereich des
Kamerasensors abweicht, und Aufnahmen im UV-Bereich ermöglichen.
Abbildung 8: Prinzipskizze eines Bildverstärkers [66]
2.3 Nd:YAG-Laser
Der Nd:YAG-Laser ist ein in der Forschung häufig verwendeter Festkörperlaser, der als
aktives Medium einen Neodym-dotierter Yttrium-Aluminium-Granat-Kristall (Nd:YAG)
verwendet [68]. Im gepulsten Betrieb wird die Anregung der Neodym-Ionen meist bei einer
Wellenlänge von 808 nm und einer Pulsrate von wenigen Hz bis in den kHz-Bereich bei
Hochgeschwindigkeitsanwendungen mit Xenon-Blitzlampen realisiert. Die stimulierte
Strahlungsemission erfolgt in der fundamentalen Emissionswellenlänge bei λ = 1064 nm.
Kürzere Wellenlängen können durch eine Frequenzverdopplung (λ = 532 nm) oder -
vervierfachung (λ = 266 nm) mittels nichtlinearer optischer Kristalle hinter dem
Laserresonator erzeugt werden. Die mit einem Nd:YAG-Laser erzielbare Pulsenergie hängt
neben der konstruktiven Ausführung von der Repetierrate des Lasers sowie der
Emissionswellenlänge ab.
https://de.wikipedia.org/wiki/Neodymhttps://de.wikipedia.org/wiki/Yttriumhttps://de.wikipedia.org/wiki/Aluminiumhttps://de.wikipedia.org/wiki/Granatgruppe
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Grundlagen
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2.4 Optische Messverfahren
Optische Messverfahren ermöglichen, anhand der Detektion von Licht, Rückschlüsse auf
physikalische Größen zu ziehen. Die zwischen elektromagnetischer Strahlung und Materie
zugrundeliegende Interaktion kann wie folgt unterteilt werden [69, 70]:
Eigenleuchten (Emission)
Eigenleuchten ist eine Emission elektromagnetischer Strahlung, hervorgerufen durch
chemische Reaktionen (Chemilumineszenz) oder aufgrund des thermischen Energieniveaus
(Schwarzkörperstrahlung).
Chemilumineszenz bezeichnet in der Verbrennungsdiagnostik die Lichtemission die sich
direkt oder indirekt aus Reaktionen in der Verbrennungszone ergibt, z.B. von Radikalen wie
OH*, CH* oder C2* oder manchen Elementarreaktionen zu CO und CO2. Die Emission ist im
ultravioletten und im sichtbaren Spektralbereich.
Schwarzkörperstrahlung ist eine Emission elektromagnetischer Strahlung, deren spektrale
Verteilung sowie Intensität einzig von der Temperatur des Körpers abhängt und mit dem
Strahlungsgesetz von Max Planck beschrieben werden kann. In der Verbrennung kann
insbesondere die Lichtemission von Ruß im gelb-roten bis infraroten Spektralbereich dadurch
gut beschrieben werden.
Abschwächung
Abschwächung bezeichnet die Abnahme der Lichtintensität beim Durchdringen eines
Messraums mit absorbierender Materie. Der Verlauf der Intensitätsabnahme über die
Weglänge steht in Abhängigkeit zur Absorptionseigenschaft des Stoffes sowie dessen
Konzentration und wird über das Lambert-Beersche Gesetz beschrieben. In der
Absorptionsmesstechnik wird die gesamtspektrale Absorption zur Bestimmung der
Konzentration oder Schichtdicke einzelner Stoffe genutzt. Die Absorptionsspektroskopie ist
eine weiterentwickelte Form der Absorptionsmesstechnik, die eine Konzentrations-
bestimmung verschiedener Stoffe innerhalb eines Messvolumens und Informationen zur
Temperatur sowie Dichte liefern. Zur spektral selektiven Absorption werden entweder
durchstimmbare Lichtquellen mit breitbandiger Detektion oder breitbandige Lichtquellen in
Kombination mit einer spektral aufgelösten Detektion verwendet [39].
Elastische Streuung
Ein elastischer Streuprozess liegt an einem Objekt vor, wenn die einfallende
elektromagnetische Strahlung die gleiche Frequenz f wie die emittierte Strahlung aufweist und
dabei die aufgenommene Energie gänzlich abgestrahlt wird. Die elastische Streuung wird als
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Grundlagen
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Mie-Streuprozess bezeichnet, wenn die Wellenlänge λ der einfallenden Strahlung dem
Durchmesser d des Objektes entspricht. Mittels der Mie-Theorie ist eine Berechnung des
gestreuten elektromagnetischen Feldes möglich. Dies wird in der Partikelmesstechnik unter
Annahme einer kugelförmigen Objektgeometrie zur Bestimmung der
Partikelgrößenverteilung genutzt. Bei deutlich kleinerem Durchmesser d im Vergleich zur
Wellenlänge λ wird der Streuprozess als Rayleigh-Streuung bezeichnet. Die Intensität der
gestreuten Strahlung ist proportional zur vierten Potenz der Frequenz f.
Inelastische Streuung
Eine inelastische Streuung an Materie liegt vor, wenn die einfallende elektromagnetische
Strahlung nicht die gleiche Frequenz f wie die emittierte Strahlung aufweist und der
Streuprozess für Photonenenergien außerhalb atomarer Resonanz erfolgt. Eine Form der
inelastischen Energieübertragung ist die Raman-Streuung, bei der durch Änderung der
Rotations- und Schwingungszustände der streuenden Moleküle eine charakteristische
Verschiebung der Anregungswellenlänge zu Emissionen höherer oder niedrigerer Frequenz
führt. Emissionen mit geringerer Energie als die einfallende elektromagnetische Strahlung
(rot-verschoben) werden als Stokes-Raman-Streuung und höherenergetischen Emissionen
(blau-verschoben) als Anti-Stokes-Raman-Streuung bezeichnet. Der Anteil des inelastisch
gestreuten Lichtes ist um eine Größenordnung von 103 bis 104 geringer, als der Anteil
elastischer Wechselwirkung zwischen Licht und Materie.
Lumineszenz
Lumineszenz bezeichnet eine Leuchterscheinung, die von Molekülen oder Atomen bei der
Relaxation aus einem energetisch angeregten Zustand ausgestrahlt wird. Diese Form der
Leuchterscheinung tritt auf, wenn die Anregung durch elektromagnetische Strahlung resonant
zum atomaren Übergang ist. Der Ausgleich des Energieeintrags einfallender Photonen erfolgt
dabei durch eine in Bezug auf die Anregungswellenlänge hauptsächlich rot-verschobene
Emission. Die spektrale Verteilung und Intensität der Emission ist abhängig vom angeregten
Molekül beziehungsweise Atom, der Anregungswellenlänge, dem thermodynamischen
Zustand sowie den Umgebungsbedingungen. Bei der Lumineszenz wird zwischen der
Fluoreszenz und Phosphoreszenz unterschieden, abhängig ob es sich um eine kurzzeitige
Emission handelt, die direkt in den Grundzustand führt, oder um eine in der Regel länger
anhaltende Emission, die aus dem metastabilen Zustand erfolgt.
Für die vorliegende Arbeit sind ausschließlich die Detektion der Chemilumineszenz und die
laserinduzierte Fluoreszenz von Relevanz und werden nachfolgend detailliert beschrieben.
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Grundlagen
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2.5 Flammendiagnostik
2.5.1 Verbrennung im Ottomotor
Verbrennungsmotoren wandeln die im Kraftstoff chemisch gebundene Energie über die
innere Verbrennung in mechanische Arbeit um. Eine Einteilung des motorischen Prozesses
kann über unterschiedliche Kategorien vorgenommen werden, beispielsweise anhand des
Kraftstoffs, der Art der Gemischbildung sowie der Zündung (Selbstzündung, Fremdzündung).
Der Prozess ist ausschlaggebend für den Flammentyp der motorischen Verbrennung. Eine
Unterteilung des Flammentyps erfolgt in vorgemischte und nicht-vorgemischte Flammen,
entsprechend der Vermischung von Kraftstoff und Verbrennungsluft. Bei homogen
durchmischtem Kraftstoff-Luft-Gemisch liegt eine vorgemischte Flamme und bei zeitgleich
ablaufender Mischung und Verbrennung eine nicht-vorgemischte Flamme vor. Weiteres
Differenzierungsmerkmal des Flammentyps stellte die Art der Strömung, die zwischen
laminar oder turbulent unterschieden wird. Der Zusammenhang zwischen dem motorischen
Prozess und dem der Verbrennung zugrundeliegenden Flammentyps ist in Abbildung 9
aufgeführt [2].
Abbildung 9: Flammentypen eingeteilt nach motorischem Prozess [2]
In einen Ottomotor mit Saugrohreinspritzung erfolgt die Verbrennung in Form einer
turbulenten Vormischflamme. Im Borghi-Peters-Diagramm sind für die vorgemischte
turbulente Verbrennung in Abhängigkeit der Interaktion zwischen Turbulenz und Flamme
einzelne Gebiete anhand dimensionsloser Kennzahlen identifiziert, in denen die Bildung
unterschiedlicher Flammentypen erfolgt (Abbildung 10). Die Flammentypen für den
motorisch relevanten Bereich sind schematisch neben den im Borghi-Peters-Diagramm
klassifizierten Verbrennungsbereichen aufgeführt.
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Grundlagen
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Abbildung 10: Borghi-Peters-Diagramm [71, 72]
Unterschiedliche Bereiche werden im Borghi-Peters-Diagramm mittels der dimensionslosen
Reynolds-, Karlovitz- und Damköhler-Kennzahlen beschrieben [72].
Die Reynolds-Zahl Re ist zur Beurteilung einer turbulenten Strömung als Verhältnis der
Geschwindigkeitsvarianz v´ und dem integralen Längenmaß l zur laminaren
Brenngeschwindigkeit sL und der laminaren Flammendicke lF definiert (Formel 1).
𝑅𝑒 = 𝑣´ ∙ 𝑙
𝑠𝐿 ∙ 𝑙𝐹 (1)
v´ [m/s] Varianz der Geschwindigkeit
l [m] Charakteristische Länge
sL [m/s] Laminare Brenngeschwindigkeit
lF [m] Laminare Flammendicke
Die Karlovitz-Kennzahl Ka ist als das Verhältnis der laminaren Flammen-Zeitskala l zur
kleinsten turbulenten Zeitskala k (Kolmogorov-Zeit) definiert. Als Zeitskala für die
Ausbreitung der laminaren Flamme l ist die Dauer festgelegt, die eine Flammenausbreitung
mit laminarer Flammengeschwindigkeit sL benötigt, um eine Strecke zurückzulegen, die der
laminaren Flammenfrontdicke lL entspricht. Sie lässt sich auch über die Flammendicke lF und
die Kolmogorov-Länge η ausdrücken (Formel 2).
𝐾𝑎 = 𝜏𝑙𝜏𝑘
= 𝑙𝐹
2
𝜂2 (2)
l [s] laminaren Flammen-Zeitskala
k [s] Kleinste turbulente Zeitskala
(Kolmogorov-Zeit)
lF [m] Laminare Flammendicke
η [m] Kolmogorov-Länge
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Grundlagen
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Neben der Karlovitz-Kennzahl Ka auf der Grundlage der laminaren Flammendicke lF wird
eine Karlovitz-Kennzahl Kaδ über das Verhältnis der Dicke der inneren Schicht zur
Kolmogorov-Länge η eingeführt (Formel 3).
𝐾𝑎𝛿 = 𝑙𝛿
2
𝜂2 (3)
δ [m] Dicke der inneren Schicht
η [m] Kolmogorov-Länge
Als turbulente Damköhler-Kennzahlen Da ist das Verhältnis der makroskopischen Zeitskala
einer turbulenten Strömung 0 und der laminaren Flammen-Zeitskala l definiert (Formel 4).
𝐷𝑎 = 𝜏0𝜏𝑅
(4)
0 [s] Makroskopische Zeitskala einer
turbulenten Strömung
l [s] laminaren Flammen-Zeitskala
Im Borghi-Peters-Diagramm identifizierten Gebiete, die für die motorische Verbrennung von
Bedeutung sind, werden nachfolgend für eine feste Turbulenz-Makrolänge lt/lF von 100
beschrieben. Innerhalb des Bereichs mit niedriger Turbulenzintensität v´/sl von 0,1 bis 1,0 ist
die Brenngeschwindigkeit größer als die Turbulenzintensität und die Flammenausbreitung
wird nur unwesentlich durch die turbulente Schwankung beeinflusst wird, sodass sich eine
gewellte Flamme ausbildet. Mit Erhöhung der Turbulenzintensität schieben große turbulente
Wirbel die Flammenfront vor- und zurück und die Flammenfront breitet sich mit turbulenter
Brenngeschwindigkeit aus. In diesem Gebiet bildet die Flamme eine gefaltete Struktur aus.
Bei einer weiteren Erhöhung der Turbulenzintensität, oberhalb der durch Ka = 1 gegebenen
Linie, ist die Flammendicke größer als die Kolmogorov-Länge, sodass die kleinsten
turbulenten Wirbel von der Größe η in die Flammenstruktur eindringen können. Dieses Gebiet
wird als dünne Reaktionszone bezeichnet.
In der Literatur sind Werte für die laminare Flammengeschwindigkeit von Iso-Oktan von 0,3
bis 1,0 m/s und für die turbulente Flammengeschwindigkeit bei ausgeprägter Tumble-
Ladungsbewegung von bis zu 30 m/s angegeben [3].
Neben der räumlichen Ausprägung der Flammenstruktur kann der zeitliche Ablauf des
Verbrennungsprozesses einer turbulenter Vormischflammen nach [2, 7, 73, 74] beschrieben
werden. Die zeitliche Entwicklung der Verbrennung lässt sich in vier Abschnitte unterteilen:
1. Zündfunke (Flammeninitiierung)
2. Initiale Flammenkernentwicklung
3. Turbulente Flammenausbreitung
4. Flammenverlöschung
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Grundlagen
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Insbesondere die ersten drei Abschnitte beeinflussen die zyklischen Schwankungen im
Ottomotor.
Die Flammeninitiierung durch den Zündfunken lässt sich in drei Phasen, den
Funkendurchbruch, die Bogenentladung und die Glimmentladung, unterteilen. Beeinflusst
wird die Zündphase maßgeblich durch die Spannungs- und Stromprofile, der
Zündkerzengeometrie und Orientierung, dem Strömungsfeld in unmittelbarer
Zündkerzennähe sowie die Beschaffenheit des Ladungsgemisches. Eine detaillierte
Untersuchung der Einflussfaktoren erfolgte in [7, 73, 75, 76].
Als initiale Flammenkernentwicklung wird der Verzug zwischen Funkendurchbruch und
selbständiger Ausbreitung einer Flamme bezeichnet. In [77] ist diese Phase mit einem
Brennstoffmassenumsatz von 1% bis 2% und in [78, 79] mit 0,2 % definiert. Die
Größenordnung des ausgebildeten Flammenkerns liegt bei ca. 10 mm. Zeitlich nimmt diese
Phase der Verbrennung ca. 30 % der gesamten Verbrennungsdauer in Anspruch [77].
In der Phase der turbulenten Flammenausbreitung verbrennt der größte Anteil der
Zylinderladung. Die Phase beginnt mit der stabilisierten turbulenten Flammenausbreitung und
endet, sobald die gesamte Zylinderladung von der Flammenfront eingeschlossen ist.
Allgemein definiert wird diese Phase über einen Brennstoffmassenumsatz von 10 % bis
90 % [74].
2.5.2 Chemilumineszenz
Bei der Verbrennung verschiedener Kohlenwasserstoffverbindungen und von Wasserstoff
wird eine Eigenstrahlung der Flamme emittiert, eine Emission von Photonen bei der
Deaktivierung kurzlebiger Radikale. Diese Zwischenprodukte der chemischen Reaktion, wie
OH*, CH* oder CO2*, leuchten in charakteristischen Emissionsbanden im ultravioletten
sowie sichtbaren Spektralbereich und liefern Informationen über Bedingungen unmittelbar in
der Reaktionszone.
In Kohlenwasserstoffgemischen wird als dominierender Bildungspfad von OH*, dem
signalstärksten Radikal, die Reaktion von Kohlenwasserstoffverbindungen mit
Sauerstoffmolekülen erachtet, die zur Freisetzung von Kohlenmonoxid-Molekülen und OH*-
Radikalen in der Reaktionszone führen (Formel 5) [80]:
𝐶𝐻 + 𝑂2 = 𝐶𝑂 + 𝑂𝐻∗ (5)
Dieser Entstehungsprozess gilt als nur geringfügig temperatursensitiv [81] und trägt bei
niedrigen Drücken zur Bildung von 90 % der OH*-Radikale bei [82].
Eine weitere in der Literatur dokumentierte Bildungsreaktion von OH* bei der Verbrennung
von Kohlenwasserstoffverbindungen erfolgt über das Formyl-Radikal HCO, wird aber nicht
als dominierender Entstehungspfad befunden (Formel 6) [83]:
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Grundlagen
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𝐻𝐶𝑂 + 𝑂 = 𝐶𝑂 + 𝑂𝐻∗ (6)
Bei der Verbrennung von Wasserstoffgemischen führt hauptsächlich die Reaktion von
Wasserstoffatomen H und Sauerstoffatomen O mit Beteiligung von Stoßpartnern M zur
Bildung von OH*-Radikalen, vorwiegend in der primären Reaktionszone sowie teilweise bei
den Produktgasen. Der Bildungspfad ist stark druckabhängig und trägt zu 50 % der OH*-
Formierung bei ca. 15 bar bei [82]. Die Reaktionsgleichung ist in Formel 7 beschrieben:
𝐻 + 𝑂 + 𝑀 = 𝑀 + 𝑂𝐻∗ (7)
Der Abbau des OH*-Radikals erfolgt im Wesentlichen über die Emission eines Photons mit
der Energie EPhoton, die sich aus dem Produkt des planckschen Wirkungsquantum h und der
Lichtfrequenz v ergibt (Formel 8):
𝑂𝐻∗ = 𝑂𝐻 + ℎ𝑣 (8)
Einen weiteren Deaktivierungspfad für OH* bietet die Kollision mit einem neutralen
Stoßpartner (Formel 9):
𝑂𝐻∗ + 𝑀 = 𝑂𝐻 + 𝑀 (9)
Die Intensität der OH*-Chemilumineszenz ist abhängig von Druck, Temperatur und dem
Brennstoffverhältnis des Gemisches vor der Verbrennung.
In Abbildung 11 (links) ist die OH*-Emissionsintensität IOH* einer Methan-Luft-Flamme für
Umgebungsbedingungen sowie erhöhte Temperatur und erhöhten Druck (Sekundärachse)
über das Brennstoffverhältnis abgetragen. Die Intensität IOH* ist dabei auf die
Wärmefreisetzungsrate pro Flammenfläche normiert, q [W/cm²]. Das normierte OH*-Signal
nimmt stetig mit zunehmendem Brennstoffverhältnis zu und wird durch höhere
Temperaturen verstärkt, jedoch mit zunehmendem Druck stark abgeschwächt [82].
Abbildung 11: OH*-Chemilumineszenz bei verschiedenen Drücken und Temperaturen [82]:
a) Variation des Kraftstoff-Luft Äquivalenzverhältnisses
b) Variation der Abgasrückführungsrate (OH*: stetige Line, CH*: Line mit
Markierung)
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Grundlagen
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Die normierte Emissionsintensität des OH*-Radikals zeigt keine signifikante Abhängigkeit
vom Restgasgehalt, im Gegensatz zur CH*-Emission (Sekundärachse), dargestellt in
Abbildung 11 (rechts). Das unterschiedliche Emissionsverhalten einzelner Radikale bei
variierendem Brennstoffverhältnis und Restgasgehalt liefert mittels spektral separierter
bildgebender Detektion der einzelnen Emissionsbande zeitlich und räumlich aufgelöste
Informationen über das Verbrennungsluftverhältnisses in der Reaktionszone [82]. Darüber
hinaus kann durch die Detektion der Chemilumineszenz einzelner Radikale, die
Flammenposition, deren Struktur und Ausbreitung bestimmt werden. Die Chemilumineszenz
dient dabei auch als Indikator der Wärmefreisetzung [84].
Das Emissionsspektrum einer Methan-Flamme ist für das Brennstoffverhältnis = 1 in
Abbildung 12 dargestellt. Der Emissionspeak des OH*-Radikals liegt bei 308 nm, des CH*-
Radikals bei 431 nm.
Abbildung 12: Emissionsspektrum einer CH4-Flamme [85]
2.5.3 Flammenvisualisierung
Bildgebende Messtechnik ermöglicht eine nicht-invasive räumlich und zeitlich aufgelöste
Erfassung einzelner Aspekte des Verbrennungsprozesses. Mit passiver Messtechnik, wie der
Detektion der initialen Flammenkernentwicklung und turbulenten Flammenausbreitung
mittels Chemilumineszenz-Messungen, können Erkenntnisse über die Brennstoffumsatzrate
gewonnen werden, bevor die Druckindizierung diese Informationen liefert [7-11]. Zusätzlich
bietet die Detektion des Zündfunkens Informationen über das Strömungsfeld unmittelbar an
der Zündkerze [75, 76]. Aktive laserbasierte Messverfahren eröffnen eine Bandbreite
messtechnischer Möglichkeiten, sind jedoch räumlich in der Regel auf die Ebene eines
Lichtschnittes beschränkt. Im Folgenden wird der Stand der Technik in der Visualisierung der
ottomotorischen Verbrennung in optischen Motoren und mittels endoskopischer Zugänge zur
Bewertung des Brennvorganges, anhand ausgewählter Literatur, beschrieben.
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Grundlagen
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Die Entwicklung von Magermischkonzepten im fremdgezündeten Verbrennungsmotor, zur
Reduktion der Emissionen und des Kraftstoffverbrauchs, ist limitiert durch zyklische
Schwankungen in der Flammeninitiierung. Aleiferis untersuchte im optischen Motor die
Flammenkernbildung sowie frühe Flammenentwicklung in [7, 8, 10, 11]. Zyklische
Variationen in der Verbrennung wurden durch eine Variation verschiedener
Einflussparameter, wie die Energie der Zündung, die Ausrichtung der Zündkerze oder das
Verbrennungsluftverhältnis, in Kombination mit einer bildverstärkten
Doppelbildvisualisierung der Flammenentwicklung, analysiert. In einer weiteren
Untersuchung zur lokalen und globalen Bestimmung des Verbrennungsluftverhältnisses
wurde zusätzlich zur Doppelbildvisualisierung der Flamme das OH*/CH*-Verhältnis in der
unmittelbaren Nähe zur Zündkerze über eine Cassegrain-Optik erfasst [8]. In [11] untersuchte
Aleiferis den Zusammenhang zwischen der Flammengröße, der Ausbreitungsgeschwindigkeit
und der Flammenschwerpunktlage in Bezug auf motorische Parametern. In Abbildung 13 a ist
die gesamtspektrale Flammenvisualisierung für eine Magermischverbrennung mit einem
Kurbelwinkelversatz von 5°KW abgebildet. Der Zusammenhang zwischen dem
Brennstoffumsatzpunkt xB = 5% und der Flammenwachstumsgeschwindigkeit ist in
Abbildung 13 b dargestellt.
Abbildung 13: Frühe Flammenausbreitung bei Magermischbetrieb [11]:
a) Sichtzugang durch die Kolbenkrone (Visualisierung bei 20°KW n. ZZP)
b) Sichtzugang durch den Glasring (Visualisierung bei 25°KW n. ZZP)
c) Zusammenhang zwischen Brennstoffumsatzrate und Flammengeschwindigkeit
Eine simultane Untersuchung der Flammenausbreitung mit passiver und aktiver Messtechnik
erfolgte mittels Chemilumineszenz-Detektion und OH-LIF-Messung für Benzin und
Wasserstoffbetrieb in [9], für Dieselanwendungen in [86]. Der Einfluss verschiedener
Kraftstoffe auf die Flammenentwicklung wurde in einem direkt einspritzenden Motor für
Benzin, Methan, Iso-Oktan, Ethanol und Butanol mittels Chemilumineszenz-Detektion im
sichtbaren Bereich in [10] untersucht.
Eine Gegenüberstellung von Flammenvisualisierungen in unterschiedlichen Spektralbereichen
erfolgte in [87] mit einer bildverstärkten Hochgeschwindigkeitsaufnahme von homogener
Kompressionszündung und Klopfereignissen durch Detektion des gesamten Spektrums, der
OH*- und CH2O*-Chemilumineszenz. Die CH2O*-Front ist im Vergleich zur OH*-Front
schmaler ausgeprägt.
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Grundlagen
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Zwei weitere Möglichkeiten der Visualisierung früher Flammenbildung verfolgten Dahms in
[75, 76] mittels Mie-Streulichtvisualisierung und der Detektion natriumverstärkten
Flammeneigenleuchtens, dargestellt in Abbildung 14.
Abbildung 14: Visualisierung der Flammeninitiierung und der frühen Flammenkernbildung:
a) Mie-Streulichtvisualisierung [75]
b) Natriumverstärktes Flammeneigenleuchten [76]
Anhand der elastischen Streuung von Laserlicht an Silikonpartikeln (~1 µm) wurde die Mie-
Streulichtvisualisierung in Abbildung 14 a zur Auflösung der stark verwundenen frühen
Flammenfront realisiert. Die Anregung erfolgte mit einem zweidimensionalen Lichtschnitt
(d < 1 mm) eines Kupferdampflasers mit einer Repetierrate von 12 oder 24 kHz. Detektiert
wurde die elastischen Streuung durch einen schmalbandigen Bandpassfilter (510 nm) mit
einer Hochgeschwindigkeitskamera (Phantom 7.1). In Bereichen der Flammenausbreitung
liegt kein Signal vor, weil die streuenden Partikel verdampft oder verbrannt sind. Zur besseren
Visualisierung der Flamme und des Zündfunkens, dargestellt in Abbildung 14 b, wurde dem
Kraftstoff ein Additiv mit Natrium beigefügt, welches das Eigenleuchten des Zündfunkens,
der Flammenkernbildung und der vorgemischten Flamme verstärkt. Die Detektion erfolgte
simultan mit zwei Hochgeschwindigkeitskameras durch den Glasring und den Glaskolben.
Dabei wurde die Natrium-Emission mit einem Interferenzfilter (590 ± 10 nm) von der
breitbandigen Emission des Zündfunkens und der Schwarzkörperstrahlung des Rußes
separiert.
Eine weitere Möglichkeit zur Abbildung der Flammenstruktur über den Abbrand
signalerzeugender Partikel oder Moleküle verfolgte Attar in [88] mit PLIF-Messungen in
einem optischen Motor. Das ursprünglich für die Zwei-Farben-LIF-Methode ausgelegte
Messsystem zur räumlich aufgelösten Temperaturbestimmung basierte auf der Anregung des
Tracers 3-Pentanon mittels zweier Wellenlängen, 308 nm aus einem Xenon-Chlorid-Excimer-
Laser und 277 nm aus einem Krypton-Fluorid-Laser. Mit einer bildverstärkten CCD-Kamera,
gekoppelt mit einem UV-Objektiv 105 mm f/4.5 und einem WG360-Filter, wurde die
Fluoreszenz mit Doppelbildern erfasst. Zur gleichmäßigen Verteilung des Tracers wurde Iso-
Oktan und 3-Pentanon sowohl ins Saugrohr als auch direkt in den Brennraum eingespritzt.
Der Abbrand der Tracer-Moleküle reduzierte das homogene Fluoreszenzsignal in der
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Messebene, wodurch die gefaltete Flammenstruktur, dargestellt in Abbildung 15 a, visualisiert
wurde. Das Ergebnis der segmentierten Fläche zeigt für beide Wellenlängen Abbildung 15 b.
Abbildung 15: Visualisierung der Flammenstruktur durch negative PLIF [88]:
a) 3-Pentanon negativ PLIF mit λ = 308 nm und λ = 277 nm
b) Flammengrenzline nach Binarisierung
Eine Applikation von lichtleiterbasierten Endoskopen in einem BMW Rotax F-650
Serienmotor wird in einer Arbeit von Han et al. in [29] beschrieben. Die
Hochgeschwindigkeitsvisualisierung der Flamme wurde simultan mit drei bildverstärkten
Kameras, angebunden über optische Fasern an die Endoskope, ausgeführt. Das Sichtfeld der
einzelnen luftgekühlten Endoskope ist in Abbildung 16 a und das auf die einzelnen Kameras
projizierte Signal nach Hintergrund- und Faserdurchsatzkorrektur in Abbildung 16 b
dargestellt.
Abbildung 16: Dreidimensionale Hochgeschwindigkeitsvisualisierung der Verbrennung:
a) Sichtfeld der einzelnen Faserendoskope
b) Simultane Flammendetektion
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Grundlagen
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Eine trigonale Anordnung der Endoskope im Zylinderkopf ermöglichte eine tomografische
Flammenanalyse. Anhand der Verrechnung der projizierten Flammenfläche und der
geometrischen Anordnung der Detektionsoptik wurde ein dreidimensionales Modell zur
Beschreibung des Flammenvolumens und der Flammenschwerpunktlage über den
Kurbelwinkel erstellt.
Erste Messungen mit diesem UV-Endoskopsystem wurden bereits vor dieser Arbeit
durchgeführt [5]. Dabei wurde das UV-Endoskop in Kombination mit einer bildverstärkten
CCD-Kamera und einem Bandpassfilter BP 312 ± 17,5 nm zur Visualisierung der
Verbrennung über die OH*Chemilumineszenz in einem seriennahem BMW-Motor eingesetzt.
Die in Abbildung 17 dargestellten Aufnahmen sind Einzelzyklusaufnahmen
aufeinanderfolgender Arbeitsspiele. Aufbauend auf diesen Vorarbeiten wird hier die
Abbildungsgüte der kurbelwinkelsynchronen Flammendetektion maßgeblich verbessert und
durch eine systematische Untersuchung der Flammenausbreitung, anhand morphologische
Bildanalysen, erweitert.
Abbildung 17: Endoskopische Visualisierung von OH*Chemilumineszenz der Flammenentwicklung in
einem seriennahmen Verbrennungsmotor [5]
In einer weiteren Arbeit wurde die OH*-Chemilumineszenz endoskopisch zur Visualisierung
von Klopfereignissen und irregulärer Verbrennungszyklen mit einer Hochgeschwindigkeits-
kamera detektiert [62]. Die Messung erfolgte in einem seriennahen, aufgeladenen
Vierzylindermotor der Volkswagen AG, mit erhöhtem Verdichtungsverhältnis und Kraftstoff
der Oktanzahl 90. In Abbildung 18 ist die Entwicklung einer regulären Flamme (a) in
Gegenüberstellung zum Klopfereignis (b) dargestellt.
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Abbildung 18: Hochgeschwindigkeitsaufnahmen der OH*Chemilumineszenz [62]:
a) Reguläre Verbrennung
b) Klopfende Verbrennung
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Grundlagen
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2.6 Temperaturmessung
2.6.1 Laserinduzierte Fluoreszenz
Laserinduzierte Fluoreszenz ist ein aktives Messverfahren das auf der Anregung eines
Moleküls oder Atoms durch den Energieeintrag eines Laserpulses in einen höheren
elektronischen Zustand basiert. Die anschließende Relaxation der eingetragenen Energie
erfolgt teilweise über eine spontane Emission eines Photons, der sogenannten Fluoreszenz.
Eine detaillierte Erklärung der laserinduzierten Fluoreszenz erfolgt anhand der Quelle [69].
Anhand des Jabłonski-Diagramms, dargestellt in Abbildung 19, lässt sich die Anregung von
Molekülen in energetisch höher liegende Zustände sowie die Relaxation in den Grundzustand
über strahlender Prozesse, wie der Fluoreszenz oder Phosphoreszenz, oder nicht-strahlende
Prozesse beschreiben. Strahlende Prozesse, die Absorption oder Emission von Photonen, sind
durch eine gerade Linie im Diagramm gekennzeichnet, nicht-strahlende Prozesse durch eine
geschwungene Linie. Ein Energieübertrag ohne Veränderung der Gesamtenergie wird durch
horizontale Energiekonversationspfade dargestellt, eine Änderung des Energieniveaus
vertikal. Der Effekt der Energieübertragung auf andere Moleküle, die sogenannte
Fluoreszenzverlöschung (engl. Quenching), ist im Jabłonski-Diagramm nicht berücksichtigt.
Abbildung 19: Photophysikalische Energietransferprozesse zur Deaktivierung angeregter organischer
Moleküle (Jabłonski-Diagramm) [69]
Durch die Anregung eines Moleküls mit elektromagnetischen Wellen, bei kleinen Molekülen
in der Regel im UV-Bereich, werden Elektronen durch Absorption der Energie aus dem
Grundzustand S0 auf ein energetisch höheres Energieniveau angeregt. Die einzelnen
Energieniveaus des Moleküls werden durch die Rotation- und Schwingungsniveaus
vorgegeben. Entsprechend des Zustandes erfolgt die Bezeichnung der Spinmultiplizität 2S+1
bei einem Gesamtspin von S = 0 als „Singulett“ und bei einem Gesamtspin von S = 1 als
„Triplett“. Das Anregungsniveau wird durch Indizes gekennzeichnet.
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Grundlagen
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Deaktiviert werden angeregte Moleküle auf verschiedenen Wegen über chemische und
physikalische Prozesse. Zu den chemischen Energiekonversionen zählen die Dissoziation und
photoinduzierte Reaktionen. Physikalische Wege der Deaktivierung stellen die nicht-
strahlenden Prozesse, die strahlenden Prozesse und die Fluoreszenzverlöschung (Quenching)
dar. Die nicht-strahlende Deaktivierung, bezeichnet als vibronische Relaxation (engl.:
vibrational relaxation, VR), erfolgt über den Energieübertrag an umliegende Moleküle
(Trägergas) durch Anregung derer Rotations- und Schwingungszustände. Weitere Formen des
nicht-strahlenden Energieübertrags stellen die innere Energieumwandlung (engl.: internal
conversion, IC) und das Intersystem Crossing (engl.: intersystem crossing, ISC) dar. Zur
inneren Energieumwandlung zählt der Energieübertrag zwischen einem angeregten Zustand in
einen tieferliegenden elektronischen Zustand gleicher Multiplizität, zum Beispiel S1 → S0,
während das Intersystem Crossing den Energieübertrag in einen Zustand veränderter
Multiplizität darstellt, zum Beispiel S1 → T1.
Die strahlende Relaxation eines Moleküls aus dem angeregten Zustand in den Grundzustand
wird als Lumineszenz bezeichnet. Differenziert wird bei der Lumineszenz zwischen der
Fluoreszenz, einem kurzlebigen Prozess innerhalb von 100 ns, sowie der Phosphoreszenz,
einem langlebigen Vorgang innerhalb von Millisekunden bis Sekunden. Fluoreszenz ist eine
spontane Emission von Licht infolge der Relaxation vom energetisch angeregten Zustand S1
in den Grundzustand S0 unter Beibehalt der Multiplizität des Spins, ein „spinerlaubter“
Übergang. Phosphoreszenz ist ein wesentlich längerer Prozess, da ein „spinverbotener“
Übergang aus dem Triplett T1 in den Singulett-Grundzustand S0 erfolgt, mit Änderung der
Multiplizität des Spins. In der Regel sind die Fluoreszenz und die Phosphoreszenz energetisch
niedriger als deren vorherige Anregung.
Messtechnisch kann das Fluoreszenzsignal bei genauer Kenntnis der photophysikalischen
Eigenschaften der angeregten Spezies zur Quantifizierung von Zustandsgrößen im Messraum
verwendet werden. Eine Beschreibung der detektierten Fluoreszenzintensität erfolgt dabei
über folgende Gleichung (Formel 10):
𝐼LIF = 𝐼Laser ∙ 𝛺 ∙ 𝜂 ∙ 𝑛 ∙ 𝜎𝑎𝑏𝑠(𝜆, 𝑇) ∙ 𝜙(𝜆, 𝑇, 𝑝, 𝑝o2) (10)
ILaser Laserintensität
Ω Sammelwinkel
η Quanteneffizienz (Detektion)
n Teilchenanzahldichte
σabs Absorptionsquerschnitt
ϕ Fluoreszenzquanteneffizienz
Die Intensität ILIF der Fluoreszenz ist eine Funktion der Intensität ILaser, des
Sammelwinkels Ω, der Quanteneffizienz η der Detektion, der Teilchenanzahldichte n, des
Absorptionsquerschnittes σ sowie der Fluoreszenzquanteneffizienz ϕ. Bei schwacher
Anregung steigt die LIF-Intensität linear mit der Laserintensität ILaser, mit höhere
Laserintensität nimmt der Zuwachs des LIF-Signals mit steigender Laserleistung ab, bis hin
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Grundlagen
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zur Sättigung, bei der das Signal mit hoher Laserleistung nicht weiter steigt. Der
Sammelwinkel Ω und die Quanteneffizienz η sind in der