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Prof. Dr.-Ing. Conrad Boley
Erddrucktheorie
Geotechnik I
Vorlesung 10, 01.12.2017,
Vorlesung 11, 08.12.2017
2 Erddrucktheorie
Inhalt
1. Einführung
2. Abhängigkeit des Erddrucks von der Verformung
3. Einfluss der Wandreibung
4. Methoden zur Ermittlung des Erddrucks
4.1 Kinematische Methode nach Coulomb (Linienbruch)
4.2 Statische Methode nach Rankine (Flächen- oder Zonenbruch)
4.3 Erweiterung der Methoden von Coulomb und Rankine
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
5.1 Aktiver Erddruck – ebener Fall
5.2 Erdruhedruck
5.3 Passiver Erddruck – ebener Fall
6. Literatur
3 Erddrucktheorie
1. Einführung
Bisher:
Nur vertikale Spannungen im Boden infolge Eigengewicht und Auflasten
betrachtet
→ Es treten auch Spannungen senkrecht zur Lastrichtung auf:
Horizontalspannungen infolge behinderter Querdehnung
Erddruckkraft (bzw. Erddruckspannung)
Kraft, die zwischen
Bauwerk und Erdreich wirkt
Die Größe der Kraft ist von der
Bewegung des Bauwerks
abhängig
E … Erddruckkraft (Resultierende des Erddrucks)
e … Erddruckspannung des angrenzenden Bodens auf Bauwerkswand
4 Erddrucktheorie
1. Einführung
Hintergrund:
die Partikel in Lockergesteinen verfügen nur über schwache Kohäsionskräfte
die inneren Kräfte werden durch Druck- und Schubkräfte in den
Kontaktpunkten übertragen
→
→
Stützkräfte E erforderlich für
Erhaltung des Gleichgewichts
Gedankenmodell:
Bei geringfügigem Nachgeben der Stützung:
→ Rotation oder Gleitung
→ Kontaktreibung und Strukturwiderstand
→ Expansion des Materials und Reduzierung
der Stützkraft
5 Erddrucktheorie
vertikale Spannung infolge Eigengewicht: zz 1
Wegen Symmetrie gilt: 32 yx
Wenn keine seitliche Deformationen möglich:
(einaxialer Deformationszustand)
032 yx
Dann ist der Quotient aus Horizontalspannung
und Vertikalspannung eine Konstante: 0K
z
x
Erdruhedruck
1. Einführung
6 Erddrucktheorie
Meist steht jedoch die Querdehnzahl nicht zur Verfügung
aber: Zusammenhang zwischen Reibungswinkel und Erdruhedruckbeiwert nachweislich
→ Empirische Beschreibung der Beziehung nach JAKY:
sin10 K
(für Wandreibungswinkel δ0 = Geländeneigung β =
Wandneigungswinkel α = 0)
Auf eine unverschiebliche Wand (Bauwerk) im Erdreich wirkt der Erddruck als Erdruhedruck
→ Erdruhedruckbeiwert K0
10K
1. Einführung
7 Erddrucktheorie
Wandbewegung s
2. Abhängigkeit des Erddrucks von der Verformung
Boden
parallele Wandbewegung s
Boden
Wandbewegung s=0
Erdruhedruckkraft E0
Boden
Wandbewegung s
Aktive Erddruckkraft Ea
Boden
Passive Erddruckkraft Ep
dichte Lagerung
lockere Lagerung
(DIN 4085, Bild 1)
8 Erddrucktheorie
2. Abhängigkeit des Erddrucks von der Verformung
Der auf eine Wand wirkende Erddruck bewegt sich von der Größenordnung zwischen
zwei Grenzfällen:
Aktiver Erddruck
→ Minimalwert des Erddrucks
→ Die Wand bewegt sich vom Erdreich weg
und lässt somit eine Entspannung des
Bodens zu
→ Aktionskraft
Passiver Erddruck
→ Maximalwert des Erddrucks
→ der Boden wird durch die Bewegung der
Wand zum Erdreich hin zusammengedrückt
→ Reaktionskraft
Boden
Wandbewegung s
Wandbewegung s
Boden
Von Erdruhedruck kann bei einem ungestörten Bodenkörper ausgegangen werden, bei
dem zwischen den Bodenteilchen keine Relativbewegungen stattfinden: z.B. bei einer
unverschieblichen Wand
9 Erddrucktheorie
2. Abhängigkeit des Erddrucks von der Verformung
Anhaltswerte für die zur
Erzeugung der aktiven
Erddruckkraft erforderlichen
Wandbewegungen sa
(DIN 4085, Tabelle C.1)
10 Erddrucktheorie
2. Abhängigkeit des Erddrucks von der Verformung
Anhaltswerte für die zur Erzeugung der
passiven Erddruckkraft (Erdwiderstand)
erforderlichen Wandbewegungen sp
(DIN 4085, Tabelle D.1)
11 Erddrucktheorie
2. Abhängigkeit des Erddrucks von der Verformung
Zwischenwerte des Erddrucks
Als Zwischenwerte des Erddrucks werden alle Werte des Erddrucks verstanden, die nicht
den Sonderfällen aktiver Erddruck, Erdruhedruck oder passiver Erddruck entsprechen.
Bei nicht ausreichender Wandbewegung …
… im aktiven Fall
→ erhöhter aktiver Erddruck e‘a: Erddruck ist größer als der aktive Erddruck,
aber kleiner als der Erdruhedruck
… im passiven Fall
→ verminderter passiver Erddruck e‘p: Erddruck ist kleiner als der passive
Erddruck, aber größer als der Erdruhedruck
12 Erddrucktheorie
3. Einfluss der Wandreibung
Die Erddruckkraft Ea bzw. Ep steht in der Regel nicht senkrecht auf der Stützwand,
sondern schließt mit der Wandnormalen den Erdruckneigungswinkel δa bzw. δp ein.
Der Erddruckneigungswinkel hängt ab von:
→ dem charakteristischen Wandreibungswinkel δk
→ der Relativbewegung zwischen Wand und Boden
→ der Wahl der Gleitflächenform
→ Mobilisierungsgrad von Ea bzw. Ep
13 Erddrucktheorie
Das Vorzeichen des Erddruckneigungswinkels richtet sich nach der Relativverschiebung
zwischen Wand und Boden:
Boden bewegt sich relativ zur Wand nach unten (Boden „hängt“ sich an die Wand)
→ Positiver Wandreibungswinkel
Wand bewegt sich relativ zum Boden nach unten (Wand „hängt“ sich an den Boden )
→ Negativer Wandreibungswinkel
3. Einfluss der Wandreibung
Der Erddruckneigungswinkel ist abhängig von der Wandbewegung (hier aktiver Erddruck)
14 Erddrucktheorie
3. Einfluss der Wandreibung
Der charakteristische Wandreibungswinkel δk ist ein Maß für die physikalisch größtmögliche
Reibung zwischen Wand und dem anstehenden Boden. Er ist im wesentlichen abhängig von:
→ der Scherfestigkeit des Bodens
→ der Oberflächenrauhigkeit der Wand
15 Erddrucktheorie
Maximal ansetzbare Wandreibungswinkel nach EAB:
Oberfläche Verbauart Gekrümmte Gleitflächen Ebene Gleitflächen
verzahnt Bohrpfahlwände,
Spundwände IdkI = φ‘k
nach DIN 4085 IdkI = φ‘k
nach EAB IdkI ≤ 2/3∙φ‘k
rau Trägerbohlwand
Stahl, Beton, Holz 27,5° ≥IdkI ≤ φ‘k – 2,5° IdkI ≤ 2/3∙φ‘k
weniger rau
Schlitzwand,
Spundwand mit Spülhilfe
(EAU, E 203) IdkI ≤ 1/2∙φ‘k IdkI ≤ 1/2∙φ‘k
glatt schmierige
Bodeneigenschaften IdkI = 0 IdkI = 0
Bemerkung: Ebene Gleitflächen dürfen beim passiven Erddruck nur bis zu einem
Reibungswinkel von angesetzt werden 35k
φ‘k … Reibungswinkel des Bodens
3. Einfluss der Wandreibung
16 Erddrucktheorie
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
Sind die Wandbewegungen ausreichend groß, stellt sich in der Regel der Grenzzustand der
Tragfähigkeit ein → Erreichen von Ea bzw. Ep
Dabei sind die inneren Reaktionskräfte erschöpft und bei weiterem Bewegen der Stützung ist
mit dem Versagen des Haufwerks zu rechnen
Das Versagen kann auf zweierlei Weise beschrieben werden:
1. Linienbruch
Wenn keine kinematischen Zwangsbedingungen dem entgegenstehen, entwickelt
sich im Inneren des Bodens bis zur freien Oberfläche eine dünne Bruchfuge und ein
quasi monolithischer Bruchkörper gleitet auf dem Restkörper ab
2. Flächen- oder Zonenbruch
Es entsteht ein in sich vollständig plastifizierter Bruchkörper
17 Erddrucktheorie
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
4.1 Kinematische Methode nach Coulomb (Linienbruch)
Linienbruch: → Abgleiten eines starren Bruchkörpers auf einer Gleitfläche (mathematisch
einfach zu handhabender Bruchkörper)
→ in der Gleitfläche ist der Grenzzustand nach Mohr-Coulomb erreicht
Es wird bei dieser Methode die Erddruckkraft (Erddruckspannungsintegral) bestimmt, d.h.
dass die Gleichgewichtsbedingungen nicht an jedem Volumenelement, sondern im Mittel über
das Gesamtvolumen erfüllt werden.
18 Erddrucktheorie
→ Es wird der Gleitflächenneigungswinkel gesucht, bei dem die
Erddruckresultierende E‘a das Maximum Ea (die aktive
Erddruckkraft) erreicht
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
Ablauf bei aktivem Erddruck:
→ möglichen Gleitkeil mit Neigung
freischneiden
→ angreifende Kräfte ermitteln
→ Aus Gleichgewicht ergibt sich die
Erddruckresultierende
tan
tan
2
2
hEa
→ Ableitung bilden und zu Null setzen ergibt den
Gleitflächenwinkel des aktiven Erddrucks
245
a
a
(hier Erddruckneigungswinkel δa = 0, Wandneigungswinkel
α = 0, Geländeneigungswinkel β = 0)
19 Erddrucktheorie
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
→ es ergibt sich damit die Resultierende des aktiven Erddrucks zu
245tan
2
1 22 hEa
→ und der Erddruckbeiwert Ka für das betrachtete Beispiel zu
245tan2
aK
Abgesehen von Ausnahmen, reicht der Gleitkeil als Bruchmechanismus für den Fall des
aktiven Erddrucks aus.
Erweiterung der Gleichungen von Müller-Breslau für andere Neigungen der Wand, der
Geländeoberfläche und der Erddruckresultierenden und Herleitung der heute in der Praxis
üblichen Formeln zur Berechnung des aktiven Erddrucks.
20 Erddrucktheorie
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
Der aktive Erddruck ist je nach Randbedingungen auch mit gekrümmten Gleichflächen zu
berechnen.
Bei der Berechnung mit der kinematischen Methode und gekrümmten Gleitflächen wird meist
von Kreisen oder logarithmischen Spiralen ausgegangen.
(Dies wird hier jedoch nicht weiter vertieft)
21 Erddrucktheorie
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
Ablauf bei passiven Erddruck:
→ analog zum aktiven Erddruck wird die Resultierende des passiven Erddrucks mit einem
Gleitkeil ermittelt
→ Wand wird gegen das Erdreich geschoben, somit Umkehrung der Bewegungsrichtung
→ Umkehrung der Richtung der Reibungskraft
tan
tan
2
2
hEp
22 Erddrucktheorie
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
→ Es wird der Gleitflächenneigungswinkel gesucht, bei dem die Erddruckresultierende
E‘p ein Minimum, Ep (die passive Erddruckkraft), erreicht
→ aus erhält man 2
45
p0
d
Ed p
→ es ergibt sich damit die Resultierende des passiven Erddrucks zu
245tan
2
1 22 hEp
→ und der Erddruckbeiwert Kp für das betrachtete Beispiel zu
245tan2
pK
→ Betrachtung des Gleitkeils auch für geneigte Wände, geneigte Geländeoberfläche und
geneigte Erddruckresultierende möglich
23 Erddrucktheorie
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
Anders als beim aktiven Erddruck können sich insbesondere bei hohen Reibungswinkeln
und Erddruckneigungswinkeln ( im Bereich ) aus der Betrachtung am Gleitkeil
unrealistisch hohe Kp-Werte ergeben, so dass gekrümmte Gleitflächen maßgebend werden.
d p
→ bei Translation der Wand näherungsweise Bestimmung des passiven Erddrucks durch
Mehrkörpermechanismus mit ebenen Gleitflächen
24 Erddrucktheorie
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
→ bei Drehung der Wand um den Kopfpunkt oder anderen hochgelegenen Punkt werden
gekrümmte Gleitflächen maßgebend
25 Erddrucktheorie
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
4.2 Statische Methode nach Rankine (Flächen- oder Zonenbruch)
Der Ansatz von Rankine beruht auf der Annahme des Erreichens der Bruchbedingung in
einem größeren Bereich.
(Die Lösung von Coulomb geht vom Erreichen der Bruchbedingung nur in der dünnen
Gleitfuge aus)
26 Erddrucktheorie
4. Methoden zur Ermittlung des Erddrucks
Voraussetzung: → Erddruckneigungswinkel δa bzw. p = 0
→ Wandneigungswinkel α = 0
→ Geländeneigungswinkel β = 0
→ Kohäsion c = 0
→ mit der Tiefe geradlinig zunehmende Verteilung des Erddrucks
Rankine‘scher Sonderfall
Annahmen: → Boden ist homogen und hat die Wichte γ
→ Boden wird derart verformt, dass überall im betrachteten Gebiet die
Mohr-Coulomb‘sche Grenzbedingung erreicht wird und die
Hauptspannungen überall die gleiche Richtung haben
die Spannungen σz (Vertikalspannung), σx (Horizontalspannung)
sind gleichzeitig die Hauptspannungen σ1, σ3
27 Erddrucktheorie
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
2
31 a
a p
2
31 a
xpxa
Im gesamten Boden
hinter der Wand wird
der Grenzzustand
erreicht
x
28 Erddrucktheorie
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
2
2sin31
31
a
a
245tan
sin1
sin1 2
1
3
a
Ziel der Berechnung ist die Ermittlung des Verhältnisses zwischen σ1 und σ3 bzw. σz und σx
für den aktiven und passiven Grenzzustand
→ Ermittlung des aktiven und passiven Erddruckbeiwerts Ka, Kp
aktiv
245tan2
aK
aa K 13
zaa Ke
aus Dreiecksbeziehung
umstellen
aa KhE 2
2
1
29 Erddrucktheorie
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
2
2sin13
13
p
p
245tan
sin1
sin1 2
1
3
p
passiv
245tan2
pK
pp K 13
zpp Ke
aus Dreiecksbeziehung
umstellen
pa KhE 2
2
1
30 Erddrucktheorie
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
Im Gegensatz zur kinematischen Methode, die nur die Resultierende des Erddrucks liefert,
erhält man aber bei der statischen Methode auch die Erddruckverteilung.
Bei der Lösung nach Rankine können Erddruckneigungswinkel nicht berücksichtigt werden.
Die Lösung nach Rankine ist eine andere Herangehensweise, jedoch nicht allgemein
anwendbar und auch nicht so realistisch wie die von Coulomb.
31 Erddrucktheorie
Berücksichtigung von Wandneigung, Geländeneigung, Erddruckneigung und Kohäsion
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
4.3 Erweiterung der Methoden von Coulomb und Rankine
Geländeneigungswinkel β
Erddruckneigungswinkel δa
Ea
Wandneigungswinkel α
32 Erddrucktheorie
4. Methoden zur Ermittlung des Erddruck
Berücksichtigung
von Coulomb Rankine
α, δ, β
α, β: Berücksichtigung bei
Ermittlung von G für Krafteck
δ: Veränderung der
Wirkungslinie der Erddruckkraft
nicht möglich
c Kohäsionskraft als Kraft im
Krafteck berücksichtigen,
Richtung entlang Gleitfläche
Verschiebung der
Bruchgerade
Erweiterte Formeln
am Gleitkeil von
Müller-Breslau
Erweiterungen durch
Caquot/ Kerisel,
Sokolowski/ Pregl
(Untersuchung gekrümmter
Gleitflächen)
33 Erddrucktheorie
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
Es wird der Erddruck infolge Eigengewicht, Kohäsion und Auflasten betrachtet:
Eag bzw Epg
Eap bzw Epp
Eac bzw Epc
…Erddruckkraft infolge Bodeneigengewicht
…Erddruckkraft infolge Auflasten
…Erddruckkraft infolge Kohäsion
Somit lässt sich die Resultierende Ea bzw. Ep des Gesamterddrucks aus den einzelnen
Anteilen berechnen:
Diese additive Zerlegung in einzelne Anteile hat sich in der Praxis durchgesetzt, ist jedoch
nicht allgemein zutreffend.
acapaga EEEE
pcpppgp EEEE
34 Erddrucktheorie
Für praktische Anwendungen ist es zweckmäßig den Erddruck mit der Neigung δa bzw. δp in
einen Horizontal- und einen Vertikalanteil mit dem Index h bzw. v aufzuteilen.
Für den Fall einer vertikalen Wand mit α = 0 gilt:
)tan( aahav EE d
aahav EE dtan
Bei geneigter Wand mit α ≠ 0 gilt:
Weiterer Index zur Unterscheidung zwischen charakteristischen Werten und
Bemessungswerten:
eagh,k bzw. epgh,k charakteristischer Wert der Horizontakomponente des aktiven
Erddrucks aus Bodeneigengewicht
eagh,d bzw. epgh,d Bemessungswert der Horizontakomponente des aktiven Erddrucks
aus Bodeneigengewicht
(bei passiven Erddruck analog)
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
35 Erddrucktheorie
Bei der Berechnung der Erddruckkraft aus Eigengewicht des Bodens ist zunächst von einer
geradlinigen Zunahme des Erddrucks mit der Tiefe auszugehen.
→ ggf. ist anschließend der Erddruck entsprechend der Wandbewegung umzulagern
(Vorlesung Geotechnik 2)
Vorzeichenregeln:
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
36 Erddrucktheorie
5.1 Aktiver Erddruck – ebener Fall
Der Erddruck eag(z) aus Bodeneigengewicht
nimmt mit zunehmender Tiefe z linear zu.
Die Horizontal- und die Vertikalkomponente
ergeben sich zu
𝑒agh(z) = 𝑒ag(z)⋅ cos(α+δa)
𝑒agv(z) = 𝑒agh(z)⋅tan(α+δa)
Die horizontalen Erddruckanteile aus Bodeneigengewicht
𝑒agh(𝑧) = ⋅𝑧⋅𝐾agh
Erddruck aus Bodeneigengewicht
b
z h
, , c 0
Eagh
h/3
eagh(z)
Eagv da a + da 90°
eagh(z)
eagv(z) eag(z)
horizontale Komponente der aktiven Erddruckkraft aghagh
agh Khhhze
E
2
2
1
2
)(
vertikale Komponente der aktiven Erddruckkraft )tan( aaghagv EE d
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
37 Erddrucktheorie
5.1 Aktiver Erddruck – ebener Fall
Erddruck aus Bodeneigengewicht
Der Erddruckbeiwert für die Horizontalkomponente
des Erddrucks aus Bodeneigengewicht berechnet
sich aus
b
z h
, , c 0
Eagh
h/3
eagh(z)
Eagv da a + da 90°
eagh(z)
eagv(z) eag(z)
Der Gleitflächenwinkel für den aktiven Erddruck aus Bodeneigengewicht ergibt sich aus
Im Sonderfall α = β = δa = 0 ist
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
38 Erddrucktheorie
5.1 Aktiver Erddruck – ebener Fall
Erddruck aus Bodeneigengewicht bei nicht ebener Wand
Bei nicht ebener Wand darf die Näherung nach dem folgenden Bild angewendet werden.
Dabei darf für die unterschiedlich geneigten Wandabschnitte der Erddruckbeiwert
entsprechend der jeweiligen Wandneigung angesetzt werden.
Die Erddruckkraft entspricht
jeweils dem Inhalt der
schraffierten Fläche
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
39 Erddrucktheorie
5.1 Aktiver Erddruck – ebener Fall
Bei nicht ebener Geländeoberfläche darf nach dem folgenden Bild vorgegangen werden
Die Erddruckkraft entspricht
jeweils dem Inhalt der
schraffierten Fläche
Erddruck aus Bodeneigengewicht bei nicht ebener Geländeoberfläche
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
40 Erddrucktheorie
5.1 Aktiver Erddruck – ebener Fall
Erddruck aus Bodeneigengewicht auf Winkelstützwände
Bei Winkelstützwänden darf der aktive Erddruck für die äußere Bemessung im Schnitt ECD
angesetzt werden mit der Näherung δa = β für den Erddruckneigungswinkel. Bei kurzer
Schenkellänge BC liegt diese Vorgehensweise auf der sicheren Seite.
Das Eigengewicht der Bodenkörper AECB
soll bei der Bemessung berücksichtigt
werden.
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
41 Erddrucktheorie
5.1 Aktiver Erddruck – ebener Fall
Erddruck aus Bodeneigengewicht auf Winkelstützwände
Bei kurzer Schenkellänge FC darf
alternativ der Erddruck an Fläche ABCD
ansetzen und Eigenlast des Erdkörpers
BCF als der Eigenlast der Wand
zugehörig zu berücksichtigen.
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
42 Erddrucktheorie
5.1 Aktiver Erddruck – ebener Fall
Erddruck aus Bodeneigengewicht bei geschichtetem Boden
Wenn die Schichtung des Bodens nicht oberflächenparallel ist, darf das Vorgehen dennoch
als Näherung angewendet werden. Die Erddruckbeiwerte der unteren Schichten sind dabei
ebenfalls mit dem Neigungswinkel β der Oberfläche zu berechnen.
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
43 Erddrucktheorie
5.1 Aktiver Erddruck – ebener Fall
Erddruck aus Bodeneigengewicht bei geschichtetem Boden
Beispielhafter Erddruckverlauf bei geschichtetem Boden
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
44 Erddrucktheorie
Die bisher dargestellten Erddruckverteilungen (dreieckförmiger Verlauf) gelten bei einer
Drehung der Wand um den Wandfuß.
Für andere Wandverformungen ist der Erddruck flächengleich umzulagern (Tabelle C.1).
Wa
nd
be
we
gu
ng
Ve
rein
fach
te
Erd
dru
ckve
rte
ilung
5.1 Aktiver Erddruck – ebener Fall
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
45 Erddrucktheorie
5.1 Aktiver Erddruck – ebener Fall
Erddruck aus großflächigen Gleichlasten
b
z h
pv
, , c0
Eagh
h/3
eagh(z)
Eagv
Eaph
h/2
Eapv
eaph
eaph
eagh(z)
Der Erddruckbeiwert aus großflächigen Gleichlasten:
Horizontaler Erddruck infolge der Oberflächenlast: 𝑒aph= 𝑝v ⋅ 𝐾aph
aphvaph KhpE
Horizontalkomponente der Erddruckkraft
aaphapv EE d tan
Vertikalkomponente der Erddruckkraft:
Bei vertikaler Wand ergibt sich
unabhängig vom
Böschungsneigungswinkel β
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
46 Erddrucktheorie
5.1 Aktiver Erddruck – ebener Fall
Erddruck aus Kohäsion
b
z h
pv
, , c ≠ 0 each
eaph
eagh(z)
𝑒ach = −𝑐 ⋅ 𝐾ach
Horizontaler Erddruck aus Kohäsion:
Für den Anteil aus Kohäsion ergibt sich:
Im Sonderfall α = β = δa = 0 ist
achach KhcE Horizontalkomponente der Erddruckkraft:
Wird im oberen Wandbereich der resultierende Erddruck infolge Kohäsionseinfluss zu gering,
ist in der Regel der Mindesterddruck zu berücksichtigen (Geotechnik 2)
Ggf. ist der Erddruck aus Kohäsion in eine sinnvolle Erddruckumlagerung einzubeziehen
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
47 Erddrucktheorie
5.2 Erdruhedruck
Kann eine Wand keine Bewegung ausführen, dann bleibt auch das Erdreich „in Ruhe“. Es
können sich somit keine Gleitflächen ausbilden oder Scherkräfte aktiviert werden. Die
Kohäsion wird nicht in Ansatz gebracht.
Erdruhedruckbeiwert bei unvorbelastetem Boden:
𝐾0g= 𝐾0gh = 1 − sin𝜑 (5.2.1)
Erdruhedruckbeiwert bei überkonsolidiertem Boden:
𝜎v′ die maximale frühere und 𝜎z′ die aktuelle effektive Vertikalspannung. Zu beachten ist,
dass der Erdruhedruck den passiven Erddruck nicht übersteigen kann.
Erdruhedruck infolge Eigenlast des Bodens bei waagerechtem Gelände
Horizontalkomponente des Erddrucks: ghgh Kze 00
Horizontalkomponente der Erddruckkraft: 2
02
0gh
gh
KhE
h
e0gh
E0gh
h/3
Für = 0
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
48 Erddrucktheorie
5.2 Erdruhedruck
Bei geneigter Wand 0 setzt sich der auf die geneigte Wand wirkende resultierende
Erdruhedruck e0 zusammen aus einer Normalkomponente e0,n und einer Schubkomponente
e0,t, und mit
Für α > 0 wirkt e0,t auf die Wand nach unten (δ0 > 0);
Für α < 0 wirkt e0,t auf die Wand nach oben (δ0 < 0);
Der Erddruckneigungswinkel ist aus dem Verhältnis von
e0,t und e0,n zu bestimmen:
Erdruhedruck infolge Eigenlast des Bodens bei waagerechtem Gelände
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
49 Erddrucktheorie
5.2 Erdruhedruck
Erdruhedruck infolge Eigenlast des Bodens bei geneigtem Gelände
Bei geneigtem Gelände mit einem Neigungswinkel β für 0 ≤ |𝛽| ≤ 𝜑 darf die Kraftrichtung
parallel zur Geländeoberfläche angenommen werden.
Für den Grenzfall β = φ gilt für eine vertikale Wand (α = 0):
𝐾0gh,β=φ = cos2𝜑 (5.2.2)
Bei 0 < β < φ darf näherungsweise zwischen den Gleichungen (5.2.1) und (5.2.2) linear
interpoliert werden.
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
50 Erddrucktheorie
5.2 Erdruhedruck
Erdruhedruck infolge von großflächigen Gleitlasten
pv
h
0
b
e0gh
E0gh
h/3
e0ph
E0ph
h/2
Für = 0:
Horizontalkomponente des Erddrucks infolge pv
bcos/00 phvph Kpe
Erddruckbeiwert: ghph KK 00
Die Horizontalkomponente der Erddruckkraft:
bcos/00 phvph KhpE
gleichmäßig über die Geländeoberfläche verteilten senkrechten Flächenlast pv
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
51 Erddrucktheorie
5.3 Passiver Erddruck – ebener Fall
Erddruckberechnungen sind nur Näherungen!
Speziell beim passiven Erddruck unterliegen die Größe und Verteilung je nach Modell und
Wandbewegungsart weiten Grenzen.
Die Abhängigkeit der Erddruckgröße von der Verformung wird als Mobilisierung bezeichnet.
Die Horizontalkomponente des passiven Erddrucks lässt sich analog zum aktiven Fall in
folgender Form darstellen:
0,0,0, pchpphvpgh KcKpKz
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
pchpphpghph eeee
52 Erddrucktheorie
Nur für den Sonderfall α = β = δp = 0 ist es nach 4085:2017-08 zulässig mit ebenen
Gleitflächen zu arbeiten.
Es ergibt sich dabei:
245tan
sin1
sin1 20,0,
pgpgh KK
245p
Ebene Gleitflächen
Bei Abweichung vom Sonderfall sind diese Gleitflächen zu verwenden, da sonst die
Berechnung zu große Erddrücke liefert.
Gekrümmte oder aus ebenen Abschnitten zusammengesetzte Gleitflächen
5.3 Passiver Erddruck – ebener Fall
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
0,0,0, pghpppph KKK
cot)1(2 0,0,0,0, pghpghpcpch KKKK
Gleitflächenneigung:
53 Erddrucktheorie
Gekrümmte oder aus ebenen Abschnitten zusammengesetzte Gleitflächen
5.3 Passiver Erddruck – ebener Fall
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
54 Erddrucktheorie
Gekrümmte Gleitfläche aus Anhang D.3 der DIN 4085:2017-08 nach Pregl auf dessen
Grundlage die Erddruckbeiwerte bestimmt wurden
5.3 Passiver Erddruck – ebener Fall
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
55 Erddrucktheorie
In der Regel steht Erddruckbeiwert Kagh mit gekrümmten Gleitflächen für den Anteil aus
Bodeneigengewicht zur Verfügung. Die Anteile aus großflächigen Gleichlasten und aus
Kohäsion dürfen näherungsweise ermittelt werden aus:
Gekrümmte oder aus ebenen Abschnitten zusammengesetzte Gleitflächen
5.3 Passiver Erddruck – ebener Fall
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
pghpph KK und pghpch KK 2
Nach Pregl können für parallele Wandbewegung die Erddruckbeiwerte
für Bodeneigengewicht: pgpgpgpgppgh tgiKK 0,)cos( d
für großflächige Gleichlasten: ppppppppppph tgiKK 0,)cos( d
für Kohäsion: pcpcpcpcppch tgiKK 0,)cos( d
56 Erddrucktheorie
Gekrümmte oder aus ebenen Abschnitten zusammengesetzte Gleitflächen
5.3 Passiver Erddruck – ebener Fall
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
Die Beiwerte ip, gp, tp zur Berücksichtigung von dp 0, b 0 und 0 können aus Tabellen
entnehmen
57 Erddrucktheorie
pghpgh Kzze )(
Horizontalkomponente des passiven Erddrucks bei paralleler Wandbewegung
(Bewegungsart b, Tabelle D.1)
→ die Größe des Erddruckbeiwerts Kpgh ist stark vom gewählten Erddruckneigungswinkel
und dem zugerundegelegten Berechnungsmodell abhängig
→ Erddruckbeiwert ablesen aus Tabellen oder Diagrammen da meist keine geschlossene
Formel vorhanden
Horizontale Komponente der passiven Erddruckkraft 2
2pghb
pgh
KhE
5.3 Passiver Erddruck – ebener Fall
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
58 Erddrucktheorie
Horizontale Erddruckkomponente der passiven Erddruckkraft auf eine Wand bei
→ Bewegungsart a): bei Drehung der Wand um ihren Fuß ( = b = 0):
bpgh
apgh
bpgh EEE
3
2
2
1
→ Bewegungsart c): bei Drehung der Wand um ihren Kopf ( = b = 0):
bpgh
cpgh EE
3
2
5.3 Passiver Erddruck – ebener Fall
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
59 Erddrucktheorie
Vergleich der Kpgh-Werte
Vergleich der Kpgh-Werte in Abhängigkeit vom
Erddruckneigungswinkel δp,
berechnet mit ebenen Gleitflächen und mit gekrümmten
Gleitflächen nach Pregl/ Sokolowski für senkrechte Wand
(α = 0) und waagerechte Geländeoberfläche (β = 0);
a) φ = 30°, b) φ = 35°, c) φ = 40°
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
60 Erddrucktheorie
Vergleich der Kpgh-Werte
Vergleich Kpgh für α = 0, β = 0, φ = 35°
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
61 Erddrucktheorie
DIN 4085:2011-05 ↔ EAB (4. Auflage)
Nach EAB dürfen ebene Gleitflächen bei horizontaler Geländeoberfläche (β = 0)
verwendet werden, wenn der Reibungswinkel φ ≤ 35° und der Erddruckneigungswinkel
von δp = - φ (z.B. bei Spundwänden) auf δp = - ⅔φ herabgesetzt wird
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
62 Erddrucktheorie
Erddruckbeiwerte Kpgh für gekrümmte Gleitflächen für = b = 0 können aus folgender Tafel
entnehmen:
5.3 Passiver Erddruck – ebener Fall
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
63 Erddrucktheorie
Erddruckbeiwerte Kpph für gekrümmte Gleitflächen für = b = 0 können aus folgender Tafel
entnehmen:
5.3 Passiver Erddruck – ebener Fall
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
64 Erddrucktheorie
Erddruckbeiwerte Kpch für gekrümmte Gleitflächen für = b = 0 können aus folgender Tafel
entnehmen:
5.3 Passiver Erddruck – ebener Fall
5. Berechnung des Erddrucks nach DIN 4085: 2017-08
65 Erddrucktheorie
Zugrundeliegende Normen und Regelwerke:
DIN 4085 [2017-08]: Baugrund – Berechnung des Erddrucks
EAB [2006]: Empfehlungen des Arbeitskreises „Baugruben“, 4. Auflage, Ernst &
Sohn, Berlin
6. Literatur
Verwendete Literatur:
A. Hettler [2008]: Erddruck, G rundbautaschenbuch, 7. Auflage, Teil 1, Kap. 1.6,
Ernst & Sohn, Berlin