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Lebenswelten entdecken Religions- und kultursensibel arbeiten in der Jugendhilfe
3 Glaube als Ressource VorwortvonProf.Dr.AlexanderRedlich
5 Danksagung
6 Einleitung: Raum für den Dialog
11 Forschungsprojekt: Religions- und Kultur- sensibilität in der Alltagspädagogik
15 Prof.Dr.MartinLechner:InReligiositätsindKulturundLebenslagenverwoben
17 Sinnfragen: Religiosität bei Jugendlichen25 Prof.Dr.MatthiasNauerth:
SozialeArbeitbrauchtReligionssensibilität
27 Professionelle Hinwendung: Religions- und kultursensibel arbeiten
33 Dr.DörtheVieregge:EinAnsatzgegendenÖkonomisierungsdruck
35 Praxis: Medien, Orte und Rituale43 Dr.SibylleFriedrich:DerRessourcenblick
aufsichselbstistersteinmalfremd
45 Unterstützung: Diversitätskultur in der Institution
49 PastorDr.FriedemannGreen:Religions-sensibilitätisteineFragederHaltung
51 Fazit und Ausblick: Der persönliche Glaube in Lebenswelten
53 KatjaRöschmann:DieseSensibilitätwirdfürgutesZusammenlebenimmerwichtiger
54 Literatur55 Impressum
Inhalt
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Glaube als Ressource
LiebeLeserinnenundLeser!
EsgibtinderSozialenArbeiteineRessource,dieunabhängig ist von der Einkommenssituationund vom Bildungsgrad eines Menschen. Das istderGlaube.Erkannstarksein,selbstwennsicheinMenschineinerprekärenSituationbefindet.
Es handelt sich also um eine Ressource, dieuns bei jedem Menschen begegnen kann. Manbraucht dafür kein Geld, keine Wohnung, nichteinmal einen anderen Menschen. Glaube isteinebedingungsloseRessource,dienichteinge-schränkt wird durch eine bestimmte SchwächeleistungsmäßigmitzuhaltenmitanderenTeilenderBevölkerung.
DieseRessourcehabenwir inderressourcen-orientierten Arbeit lange Zeit übersehen. Undich muss über mich selbst sagen, ich habe dasirgendwieverdrängt.IchhabemitsovielenKin-derngearbeitetohneeinWortüberReligion.Wirwarenüberzeugt,dasseiPrivatsacheundbefass-tenunsnichtdamit.Dochwirhabenmanchmalhänderingend nach Ressourcen gesucht, bei ei-
nemKindoder ineinerFamilie!DenndieKlien-ten,mitdenenwirzutunhaben,sindoftarmanRessourcen. Dass sie möglicherweise Kraft undOrientierungauseinemwieauchimmergestal-tetenGlaubenziehen,bliebunsverborgen.
LetztendlichkamichüberdieArbeitmitFami-lienausanderenReligionenaufdenGlaubenalsRessource, weil nicht zu übersehen war, welcheKrafterbeivielenvonihnenentfaltete.
DieReligiositäthatverschiedeneAspekte,diekomplexer sind als beispielsweise die Mitglied-schaft in einem Fußballklub. Religion hat eineSinn-Ebene,dieüberdasLebenimHierundJetztundindersozialenGruppehinausgeht,alsoeingeistiges Potenzial, das andere Basisressourcennichthaben.ZugleichfordertGlaubedemMen-schen mehr ab, weil dieses Höhere, an das ge-glaubtwird,nichtsichtbarist.WenndieserZwei-felbearbeitetwird,machterdieRessourcenochstärker.
Einen richtigen und einen falschen Glauben,dengibtesdabeiersteinmalnicht.Das istwiebeimFußball.Fußballgutzufindenundmitden
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Fanszubrüllen,dasistalleswunderbar.Aberesgibt auch Hooligans, die versuchen, andere zuinstrumentalisieren.Wirmüssendeshalbwiebeijeder Ressource schauen, wo Gefährdungsele-mentesind.Undwirwissen,dasseineschwacheIdentitätsausbildungempfänglichmachtfür In-strumentalisierung. Deshalb plädiere ich dafür,dasswirunsaufdenpersönlichenKontaktalsEr-zieherinnenundErzieherkonzentrieren,dasswirnachfragenunddranbleiben!
DasProjektzurreligions-undkultursensiblenPädagogik, in dessen wissenschaftlichen Beiratich mitwirken durfte, hat mich dazu gebracht,
Prof. (i. R.) Dr. Alexander RedlichInstitutfürPsychologie,UniversitätHamburg
michnochintensivermitdemThemaGlaubealsRessourcezubeschäftigen. Ichbegrüßees,dassdiese Ressource im Rauhen Haus intensiv er-forschtundindieArbeiteinbezogenwird.EsisteinguterZeitpunktdafür!IndiesemSinnewün-scheichallenLeserndieserBroschüreeineanre-gendeLektüre!
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Danksagung
Das Projekt zur Religions- und Kultursensibi-lität in der Pädagogik im Stiftungsbereich Kin-der-undJugendhilfedesRauhenHauseswarnurmöglichdurchdieUnterstützungundMitarbeitvielerMenschen,dieausverschiedenenRichtun-genaufunserThemaschauten.
Besonders wichtig war für uns der fachlicheAustauschimwissenschaftlichenBeirat.Ihmge-hörtenan:Dr.FriedemannGreen,VorsteherdesRauhen Hauses; Christian Lenz, Schulleiter amKurt-Körber-Gymnasium in Billstedt; ProfessorDr. Matthias Nauerth, Evangelische HochschulefürSozialeArbeitundDiakoniedesRauhenHau-ses;Professor(i.R.)Dr.AlexanderRedlich,Institutfür Psychologie, Universität Hamburg und Pro-fessorDr.WolframWeißevonderAkademiederWeltreligionenderUniversitätHamburg.
Eigens hervorheben möchten wir an dieserStelle die Zusammenarbeit mit Dr. Dörthe Vie-regge,dieunserProjektwissenschaftlichbeglei-tethat.Siearbeitetehochengagiertundbrachte
Erfahrungen aus der praktischen Arbeit immerwieder mit der wissenschaftlichen Perspektivezusammen.DamithatsieunserProjektentschei-dendvorangebracht.
DieJugendlichenundetlicheKolleginnenundKollegen,diesichvonunsbefragenließen,habendamit das Projekt überhaupt erst ermöglicht.Ihre Offenheit, ihre Gedanken und Rückfragenhaben unser Projektteam stets von Neuem ins-piriert.
Einigevon ihnenhabenaußerdembeieinemkleinenFotoprojektmitgewirkt,darausentstanddieBebilderungdieserBroschüre.
IhnenallenvielenDank!
Michael TüllmannProjektleiterreligions-undkultursensiblePädagogik,StiftungsbereichsleiterKinder-undJugendhilfe,DasRauheHaus
Sylke KösterkeProjektreferentinreligions-undkultursensiblePädagogik,SozialpädagogininderKinder-undJugendhilfe,DasRauheHaus
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Hannah (16): Wenn ich Dinge tue, die mir Spaß machen, dann vergesse ich meine Sorgen.
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Einleitung: Raum für den Dialog
„Das hat mich noch nie jemand gefragt“, soreagiertenvielederJugendlichen,mitdenenwirüber ihre Glaubensvorstellungen sprachen. Wirwolltenwissen,wasihnenHaltundTrostgibtinihrer oft äußerst schwierigen Lebenssituation.Wirspürten,dasssieesgutfanden,mitunsüberdieseFragenzusprechen.
Diese Gespräche sind das Herzstück des For-schungsprojektes „Religions- und Kultursensi-bilität“, das wir gemeinsam mit der AkademiederWeltreligionen inderZeitvon2012bis2014durchführten. Es bildet einen Schwerpunkt derressourcenorientierten Pädagogik des RauhenHauses.WirhabendasProjektmiteinemkleinenTeaminnerhalbdesStiftungsbereichsJugendhil-feundmiteinemwissenschaftlichenBeiratrea-lisiert.
Wir wollten herausfinden, ob und wie dasSprechenüberdiegroßenFragendesLebensunddie individuellen Antworten darauf in der All-tagspädagogik bisher Berücksichtigung finden.Undwirwolltenerfahren,welcheVoraussetzun-gen und Methoden dabei helfen. Wie gelingen
Gespräche über dieVorstellungen der Jugendli-chen,wievageundunfertigauchimmer,obsienunaneinenGottglaubenodernichtoderobsiegeradeamSinndesLebenszweifeln?Gespräche,in denen all dies willkommen ist? Wir wolltenherausfinden,wieJugendlicheihrenGlaubenalsRessource der Lebensgestaltung in einer multi-kulturellenundsäkularisiertenGesellschaftarti-kulieren.
WiekönnenwirmitdiesemWissendieAlltags-pädagogikweiterentwickeln?Wiekönnenwiresin den Blick nehmen innerhalb der lebenswelt-orientierten pädagogischen Arbeit? Währenddes Projekts wurde das Thema aufgrund aktu-ellerEreignisseimmerbrisanter.BeimStichwort„Religion“ denken wir leider inzwischen schnellan fundamentalistische Gruppen und kriegeri-sche Konflikte. Darüber sollten wir die positiveKraftnichtvergessen,dieeinereligiöseHaltungauchvermittelnkann.ReligionkannHaltgebenundFriedenstiften.
Die Grundidee unseres Konzeptes besteht inderVerbindungeinesfüralltäglicheErfahrungen
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weitgeöffnetenReligionsbegriffsmitdenTradi-tionen einer lebensweltorientierten Praxis derJugendhilfe. DieseVerknüpfung ist wichtig undanderZeit!IndenspätensiebzigerundachtzigerJahren,alssichinderPädagogikdieTheoriederLebensweltorientierung zu verbreiten begann,warsieeinederAntwortenaufdieHeimrevolte.DabeientflohenJugendlicheausHeimen,inde-nen sie verschiedenen Repressalien ausgesetztwaren,undwurdeninStudenten-Wohngemein-schaften aufgenommen. Damals konnte mansich nicht vorstellen, welchen Stellenwert dasThema Religion in einer modernen Gesellschafteinnehmenwird.
NunsindabergeradeHeranwachsendebeson-dersoffenfürdiegrundsätzlichenFragendesLe-bens,fürFragennachdemWoherundWohin.DieBeschäftigung damit gehört zu ihrer Entwick-lung im Jugendalter. Das heißt, wir haben dieJugendlichen mit diesem Findungsprozess, derwährend des Heranwachsens auch nach Trans-zendenzfragt,alleingelassen.
Jetzt kommt das Thema in mehrfacher Hin-sichtzurück.DieJugendlichenwachsenineinerweitgehend säkularen und zugleich multikultu-rellensowiemultireligiösenGesellschaftauf.Siemüssensichdarinverorten.EsisteineHerausfor-derung,indieserkomplexenSituationeinenpo-
sitivenGlaubenauszubildenunddenVerkündernallzueinfacher,fundamentalistischerAntwortenzuwiderstehen.
Wie können wir Jugendliche in ihrer Orien-tierungsphase unterstützen? Welche Chancenliegen für die Jugendhilfe darin, religions- undkultursensibelzuarbeiten?WiekönnenPädago-ginnenundPädagogendaslernen?
Der religions- und kultursensible Ansatz for-dert eine grundsätzlich positive Haltung zumMenschen – wie die ressourcenorientierte Pä-dagogik insgesamt. Es ist eine Haltung, die inder Reflexion über das eigene berufliche Tunwächst.FürunserProjektbefragtenwirdeshalbauch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. IhreErfahrungen und Anregungen waren für unsebensowichtig,wiedieBefragungderJugend-lichen.
DieErgebnisseunseresProjektshabenmittler-weileimRauhenHauseinenTeamentwicklungs-prozessaufdenWeggebracht,innerhalbdessensichalleMitarbeiterinnenundMitarbeiternachundnachmitdemAnsatzderreligions-undkul-tursensiblen Pädagogik beschäftigen werden.AuchindersozialpädagogischenAusbildunganderHochschuledesRauhenHauseshatdiereligi-öse und kulturelle Sensibilität inzwischen ihrenfesten Platz und wird außerdem zukünftig bei
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der Personalauswahl des Rauhen Hauses eineRollespielen.
Wir sehen die Aufgabe einer religions- undkultursensiblen Jugendhilfe darin, den positi-venLebensglaubenderJugendlichenzustärken:durch Existenzsicherung, Stärkung der Selbst-wirksamkeit, der guten Gemeinschaft und dasGespräch über den individuellen Glauben. Aufdieser Grundlage kann jeder Jugendliche in Ab-hängigkeit von seiner Kultur seinen Glaubenentwickeln. Ein Glaube, der ihm entspricht undihmhilft,seineunbedingtenAnliegenzuformu-lieren.EineGrundhaltung,die ihnbefähigt,sichsozial anderen Menschen gegenüber zu verhal-ten.AufgabederJugendhilfeistesnicht,Jugend-lichekonfessionellzubindenoderzuunterrich-ten.Siekannaberdavonausgehen,„dasseskein
menschlichesWesen ohne ein unbedingtes An-liegenunddaherohneGlaubenundohneLiebegibt“(Tillich,1962).
Mit dieser Broschüre, der ein wissenschaftli-ches Werk folgen wird, geben wir einen erstenÜberblick über die Ergebnisse des Forschungs-projekts.Wirberichtenauch,welcheAnsätzewirinderPraxisderJugendhilfeimRauhenHauszurUmsetzung dieser Ergebnisse gefunden haben.Welche Medien, welche kreativen Methodeneignensichfürdiereligions-undkultursensiblePraxis?
Da eine Broschüre nur begrenzt Raum zurVerfügung stellt, informieren wir Sie über wei-tere Details und zukünftige Entwicklungenin unserem Projekt unter folgender Adresse:
www.religions-kultursensibel.de
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Nike (18): Ich fühle mich irgendwie frei, wenn ich Musik mache.
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Ziel unserer qualitativ-empirischen Unter-suchung war es, Aufschluss über die subjektiveBedeutungunddieindividuelleStrukturvonRe-ligiositätbeiJugendlichenzugewinnen.Wirun-tersuchten dies bei Jugendlichen, die aufgrundvon existenziellen Krisen in Einrichtungen derJugendhilfedesRauhenHausesbetreutwerden.Wirwolltenaußerdembesserverstehen,welchesubjektive Bedeutung und individuelle StrukturReligiosität oder Spiritualität bei Mitarbeite-rinnen und Mitarbeitern haben und wie wir siedafür gewinnen können, ihre Einstellungen zurReligion zum Bestandteil ihres pädagogischenHandelnszumachen.
Dr.DörtheViereggevonderHamburgerAka-demiederWeltreligionenentwickelteeinenIn-terview-Leitfaden,vgl.Kap.4.MehrerePädago-gensetztenihnzunächstmitJugendlichenein.Das sich mithilfe des Leitfadens entwickelndeGesprächistkeinAbfragenreligiöseroderkon-fessioneller Bekenntnisse, sondern fragt nachindividuellenVorstellungen.Voraussetzung fürdie Gespräche mit den Jugendlichen war, dass
wir im übertragenen Sinne einen besonderenRaumfürdie Interviewsgeschaffenhaben.DieJugendlichensolltenalsExpertenineigenerSa-che sprechen. Sie wurden um dieses Interviewgebeten, und es wurde ihnen erläutert, dasssie damit einen Beitrag zurWeiterentwicklungunserer Jugendhilfe leisten. Die Jugendlichenbewerteten die Interview-Situation positiv. Sieerlebten,wiePädagogensichihrerLebenswirk-lichkeit annäherten und es nicht darum ging,welche ihrer Verhaltensweisen sie möglichstvermeidensollten.
Wir versuchten, so offen wie möglich zu fra-gen.DiesbewahrteunsvoreinerfalschenFestle-gungaufBilder,diewirunsselbstvondenReligi-onenundKonfessionenmachen.SiestimmeninderRegelnichtmitdemindividuellenreligiösenEmpfindenderJugendlichenüberein.
Was hilft den Jugendlichen, die eigene Exis-tenz zu bewältigen und immer wieder unterneuen Herausforderungen Ja zum Leben zu sa-gen?WirerforschtendieseVorstellungenmithil-feeinesweitgefasstenundmehrdimensionalen
Forschungsprojekt: Religions- und Kultur- sensibilität in der Alltagspädagogik
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Religionsbegriffs,wieervonLechnerundGabriel(2009)imRahmeneinesForschungsprojektszurreligionssensiblen Erziehung in der Jugendhilfeentwickeltwurde(Abb.1).
Lebens- oder ExistenzglaubeWirhaben35Jugendlicheinterviewt.BeiderAus-wertungwurdedeutlich,wiewichtigesist,ihrenGlaubensvorstellungeninderJugendhilfeeinenangemessenen Platz einzuräumen. Grund hier-füristdasInteresseJugendlicherandenFragen,wer sie sind und wer sie später sein wollen. IndenAntwortenschwingtimmermit,anwassieglauben und woran sie sich orientieren. DieserGlaube,demwirbeidenJugendlichenbegegne-ten, schließtnichtunbedingteinenGlaubenanetwas Höheres, an eine Transzendenz ein. Hiergehteswenigerumeinenkonfessionellgepräg-tenGlauben.
WirsprechenvoneinemExistenz-oderLebens-glauben,weilerMutmacht,demLebentrotzer-fahrener Krisen und einer ungewissen ZukunftPositivesabzugewinnen.Hinzukommt,dasswireiner möglichen Überforderung zuvorkommenkönnen,diegeradebeiJugendlichenmitKrisen-erfahrungeninderPhasederIdentitätsentwick-lungentstehenkann,wennsiemitihrenFragennachdemLebenssinnalleingelassenwerden.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brau-chendafürvielEmpathie.EinerderJugendlichenformulierte als Erwartung an die Betreuer, siesollten sich„in die Jugendlichen reinversetzen“.Erspürte,welcheHerausforderungdasfürseineInterviewerdarstellt:„Dasist,glaubeich,nichtsoleicht.“(vgl.Kap.4).
Alltagskultur, Lebenswelt und ReligiositätUnsereGesprächezeigten:Die individuelleReli-giosität ist unter den jeweiligen biografischenund kulturellen Einflüssen gewachsen und im-mer mit der Gesamtentwicklung eines Men-
Konfessionsglaube
Transzendenzglaube
Existenzglaube
Abb. 1: Der Religionsbegriff des Forschungsprojektes (nach Lechner/Gabriel 2009)
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schen verwoben. Sie kann einen unbedingtenSinnvermitteln.SiekannVertrauenschaffenunddamitheilsamaufdieAngstvoreinerungewis-senZukunftwirken.SiekannaberauchVerwor-renesundDogmatischesausdrücken,wasindieIrreführtunddasZusammenlebenbelastet.
Religion hängt dabei eng mit Kultur zusam-men. Viele kulturelle Phänomene haben einenreligiösen Hintergrund. In unserem Zusammen-hangbetrachtenwirKulturnichtnur ingroßengesellschaftlichen Kontexten, sondern sind vorallemanderindividuellenlebensweltlichenKul-turinteressiert,diediejungenMenschen,denenwirinunsererArbeitbegegnen,inihrenFamilienundSozialräumenprägt.
ZurAlltagskulturgehörtallesvonTischmanie-ren bis hin zu Auffassungen von Freundschaftoder davon, was eine Familie ist oder sein soll-te. Hier begegnen wir einer großen Vielfalt anVorstellungen. Einerseits durch Jugendliche ausverschiedenen Herkunftsländern, aber auch beiJugendlichen mit deutschem Hintergrund ausganzunterschiedlichenTeilenderGesellschaft.
OfterlebenwirbeidenJugendlichenanderer-seitseinegrundsätzlicheOrientierungslosigkeit.Elternzeigensichüberfordert,Kinderleidenun-terkulturellerLeereundemotionalerVernachläs-sigung in den Herkunftsfamilien. Rund 60 Pro-
•GrunderfahrungenmenschlicherExistenz:Geschöpflichkeit–leibhaft-geschichtlicheFreiheit–Interkommunikation–Zukünftigkeit–Scheitern–„LetztesWoraufhin“desLebens
•Religionals„ErfahrungderallesbestimmendenWirklichkeit“(Th.Ruster),als„Ergriffenseinvondem,wasunbedingtangeht“(P.Tillich),als„Lebens-deutungimUnbedingtheitshorizont“(U.Barth)
•ReligiöseErziehungalsallgemeinmenschlicheErziehung
Existenzglaube
•IndividuelleErfahrungundreflektierteBejahungeinertranszendenten,unüberbietbarenWirklich-keit:auchGottgenannt
•Religionals„erlebnishafteBegegnungmitdemHeiligenundantwortendesHandelndesvomHei-ligenbestimmtenMenschen“(G.Mensching),als„ZusagezuGott,dieunsHoffnungundVertrauengibt“(J.Ratzinger)
Transzendenzglaube
•BekenntnisundZugehörigkeitzueinerKirchebzw.religiösenGemeinschaftmitihrerdogmatischen,symbolisch-rituellen,ethischen,gemeinschaftlichenundpraktischenDimension
•Religionals„gemeinschaftlicheAntwortaufTranszendenzerfahrungen,diesichinRitusundEthikGestaltgibt“
•ReligiöseSozialisationalsProzessdesHinein-wachsensineinereligiösebzw.kirchlicheBekennt-nisgemeinschaft(Konfession)
Konfessionsglaube
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zent der von uns betreuten Jugendlichen stam-menaus„erschöpftenFamilien“.
Wir analysierten gemeinsam mit der Akade-miederWeltreligionendiereligiösenVorstellun-gen vor dem Hintergrund der Lebenslagen derJugendlichenundorientiertanihrerLebenswelt.
Mitdenreligiös-kulturellmitgeprägtenindivi-duellen Glaubensvorstellungen sensibel umzu-gehen, also für die verschiedenen Bedeutungs-ebenen „empfänglich“ zu sein, führt zu einerPädagogik, die pluralitätsfähig, sozialräumlich,lebensweltlichundpersonalausgerichtetist.
Die religions- und kultursensible PädagogiklässtsichveranschaulichendurcheinViersäulen-modell(Abb.2)inAnlehnunganLechner/Gabriel(2009).
Wir verbinden bei unserem Ansatz einen fürexistenzielle Glaubensfragen geöffneten Reli-gionsbegriff mit dem Konzept der Lebenswelt-orientierung. Dies ermöglicht Erkenntnis undAkzeptanzvonVielfaltinpersönlichenGlaubens-fragen. So verstandene Religion stärkt den Le-bensglauben als Kraftquelle selbst dann, wenneinjungerMenschinseinerLebensweltexisten-zielle Krisen und Brüche erfahren hat. Eine Ab-wertunggegenüberAndersgläubigenistdiesemauf Emanzipation und sozialen Frieden ausge-richtetenKonzeptfremd.
Religions- und kultursensible
PädagogikPl
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Pluralitätsfähig: SiewillderReligiositätderinbiogra-fischerundreligiös-konfessionellerHinsichtunter-schiedlichenJugendlichengerechtwerden.
Sozialräumlich: SiefokussiertdiereligiösenRessour-cendesSozialraumsalsAneignungspotenzialfürJugendliche.SieschärftdenBlickaufdenEinflussvonPeergroupsundFamilienkulturensowiefürdieauchinreligiöserHinsichtanregendeGestaltungdesWohn-undLebensortesJugendhilfeeinrichtung.
Lebensweltlich: SiegehtnichtvonkonfessionellenInteressenaus,sondernvondenalltäglichenLe-bensthemenJugendlicherundihremRingenumeineLebensbewältigungunterschwierigenbiografischenBedingungen.ReligiöseErziehungundreligionssen-siblePädagogikwilldieseLebensbewältigungmitihrenMöglichkeitenunterstützen,indemsieReligionalsRessourcenutzt.
Personal: SiebautaufPersonen,dieineinemtrag-fähigenpädagogischenBezugzujungenMenschenstehenundaufdieserGrundlagemitdenJugend-lichenüberSinnundGlaubensfrageninsGesprächkommenkönnen.
Abb. 2: Die Religions- und kultursensible Pädagogik basiert auf vier Säulen (nach Lechner/Gabriel 2009)
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Religionkommtwortgeschichtlichvermutlichvonlateinisch‚religare‘,wassovielheißtwie„etwasan-oderzurückbinden“.Religiosität bindet an eine höhe-re Instanz, seiesGottodereinWeltbild,einpersonalerGottodereinetranszendenteGröße.DIEReligiongibtesnicht,sonderneineVielfaltvonReligionen,deshalbmüssenwirimmerimPluralvonihnensprechen.
Die Religionen hatten lange Zeit keinen Platz in der Pädagogik. DasThemawurdeversteckt.Dochwersotut,alsgäbeesReligionennicht,blendeteinenTeilderWirklichkeitaus.DiesubjektiveSeitederReligionenistReligiosität.Wennwirsagen,einMenschseireligi-ös,dannmeinenwirdamit,erpflegteineBeziehungzuGott,zuAllah,zueinerTranszendenz.EineBezie-hungzumTiefengrundseinesLebens,zumletztenWoraufhinseinesLebens.
Religionssensibelzuarbeitenbedeutet,wahrzuneh-men,dassesReligionenundreligiöseVertretergibtundBücherundZeichen.Esbedeutet,aufmerksamzuseindafürunddiesenLebensbereichnichtauszuklam-mern.UndumgekehrtauchsensibelzuseinfürdieReligiositätderJugendlichen.Wir gehen davon aus, dass jeder junge Mensch etwas glaubt. AuchwennervielleichtinkeinerReligionsgemeinschafteingebun-denist,haterdochLebenssehnsüchteundOrientie-rungen–daswürdeichauchalsLebensglaubenoderExistenzglaubenbezeichnen.
Dieerstepädagogische Aufgabe ist es also, diese Religiosität wahrzunehmenunddemjungenMen-schenrespektvollzubegegnen.Wirversuchenzuerkunden,welcheLebensträume,welcheHoffnungen,welchenGlaubenerhatundwaserglaubt.DasistderersteSchritt.
EinesolchepädagogischeArbeitwirddamitzumLernort des Glaubens–auchfürdiePädagogen!SiebildenihrereligiöseSensibilitätweiteraus.Siebrau-chenFortbildungenzumreligionssensiblenArbeitenundauchEinladungenzurSelbstreflexion:Wasglaubeichselbst?WasistmirinmeinemLebenwichtig,wasmotiviertmichfürmeineArbeit,welcheBeziehunghabeichzurKirche?
BeimProjektdesRauhenHausesfindeichdieVerbin-dung von Religion und Kultur besonders eindrucks-voll. ReligiositätistjanichtnuretwasIndividuelles,sondernsieistmitderKulturunddenLebenslagenverwoben.DeshalbistesfürunsPädagoginnenundPädagogenungemeinwichtig,beidesabhängigvon-einanderzubetrachten.
In Religiosität sind Kultur und Lebenslagen verwoben
Prof. Dr. Martin Lechner Philosophisch-TheologischeHochschulederSalesi-anerDonBoscos,Benediktbeuren,TheologischeFakultät,Institutfürprakt.TheologiemitSchwer-punktJugendpastoral,LehrstuhlfürJugendpastoralundReligionspädagogiki.V.
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Angelina (20): Mein Sohn und mein Freund geben mir Kraft. Für die beiden will ich stark sein.
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Sinnfragen: Religiosität bei Jugendlichen
In der Phase des Heranwachsens geht es fürdiejungenMenschenvorallemdarum,sicheineeigene Lebenswelt zu gestalten. Wie will mansein, und wie den Herausforderungen des Le-bensbegegnen?DiePubertätsetztfürdieseGe-staltungsaufgabe Energie frei, vor allem für dieerstenAblösungsschrittevondenElternunddieRollenfindunginPeergroups.
InderBefragungäußernsichdieJugendlichenvor allem in drei Mustern. Für die erste Gruppebesteht ihr„Sinn“ darin, das Leben zu meisternund dabei möglichst glücklich zu sein. Für diezweite,deutlichkleinereGruppegehtesumge-lingendes Leben durch das Befolgen religiöserGebote.DiedritteGruppesiehtdenSinn inderSorge für andere Menschen, beispielsweise fürdieeigenenKinder.
Fast alle Jugendlichen sehen eine grundsätz-liche Sinnhaftigkeit oder einen positiven SinndeseigenenLebens.TeilweiseistdieserstarkaufdieZukunftausgerichtet.MagdasLebenaktuelleherschwierigundzumTeilvielleichtauchsinn-loserscheinen,hoffensieaufeinenSinndeseige-
nenLebensinderZukunft.AngesichtsdervielenUngewissheiten sind die jungen Lebensweltennoch nicht verfestigt. Werden die JugendlichenzusätzlichmitBrücheninihrennochvondenFa-miliengeprägtenLebensweltenkonfrontiert,wiediesbeiallenBefragtenderFallist,kannmanvoneinerZukunftsgestaltungunterschwierigenVor-aussetzungensprechen.DieJugendlichenselbstsehendieBrüchealsAuslöservonnegativenEnt-wicklungeninihremLeben.
Religiöse Erfahrungen in der Kindheit können Jugendlichen helfenDie Befragung zeigte, wie unterschiedlich undwichtigdieErfahrungenausderZeitvorderLe-benskrise,vordemBruchsind.Gabesbereitsinder Kindheit Gelegenheit, mit Religiösem ver-traut zu werden, über die Eltern oder andere?KonntesicheinFundamentfürdenLebensglau-benbilden,dasnacheinerKrisewiederfreigelegtwerdenkann?
TrennungderEltern,TodvonFamilienangehö-rigen, schwere psychische Erkrankungen sowie
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Drogen- und Alkoholsucht eines Elternteils bishinzuGewalt-undMissbrauchserfahrungenzer-störendenKinderglauben,woervorhandenwar.Grund hierfür ist die Erfahrung, dass kein GottdieseKatastrophenverhinderte.
Dennoch bleiben Spuren des Kinderglaubenszurück und ermöglichen spätere neue religiöseErfahrungen. Diese können eine wichtige Rollebei der Bewältigung der Entwicklungsaufgabendes Jugendalters spielen: Es zeigte sich, dass inderKrisegrundsätzlichkeineneuenGlaubenser-fahrungen gemacht wurden. Vielmehr konntenJugendlichespäternuraufdenjenigenGlaubenzurückgreifenundihnweiterentwickeln,densievordieserKriseerwarben.GeradeandieserStel-lebeobachtetenwirstarkeUnterschiede,auchinAbhängigkeitvonderkulturellenZugehörigkeit.
Dieszeigtsich inderZusammenstellungver-schiedener Glaubensaussagen der interviewtenJugendlichen.
Sehnsucht nach einem „heilen Leben“VordemHintergrundderKrisenerfahrungenderJugendlichen in den Hilfen zur Erziehung ist esunser zentrales Anliegen, ihre Resilienz zu stär-ken. Wir untersuchten also diesen Zusammen-hang in den Interviews und verglichen unsereErgebnissemitdenenandererStudien.
Glaube und Zweifel Aussagen der befragten Jugendlichen (2012–2014)
„IchglaubeandasWirkliche.“
„Ichglaubeeigentlichnuranmichselbst,weil,mansagtjaimmer,Gotthilftuns,abermanhilftsichei-gentlichselber.“
„Ichweißnicht,weilichsehe,vieleLeute,dieirgend-wiegläubigsindoderso,unddietrotzdemnichtzufriedeninihremLebensind.Dasisteinfachso,ichkannnichtanetwasglauben,wasichnichtsehenundnichtfühlenkann.“
DerDolmetscherübersetzt:„…erkenntviele,dietrinkenundsündigenundallestun,wasimGrundeeinMoslemnichttundürfte,eraberimVergleichdazuweiß,wennersündigt.“
„AlsoichglaubmittlerweilewiederanGott.“
„Also,ichhabaucheheraufgehörtdaranzuglauben,alsesmirsoschlechtging.“
„…dadachteich,Gotthatmirehrlichgeholfen.“
„WirhattensoeinekleineBibeldabeiunddannhatmeineFreundinwasdrausvorgelesenunddannhatteichauchdasGefühl,alsodann,dasklingtjetztbescheuert,aberichhattefürmichirgendwiesoeineGotteserscheinung.“
DerDolmetscherübersetzt:„...dassGottihmsehrgeholfenhat,siebenLänder,siebenGrenzenzuüber-querenalleinundinjungenJahren.OhnedieHilfevonGotthätteerdasnichtgeschafft.“
„…ichbinhundertProzentsicher,dassGottunsge-holfenhat.“
„…dieElternmüssenjaauchanihrKindglauben,sonstwirddasnichts,nuranGottglaubenreichtnochnicht.“
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Das erlittene Auseinanderfallen der bisheri-genLebensweltzuverarbeitenunddieSinn-undGlaubensfragen neu zu stellen: Dies gelingt,wenn überhaupt, fast ausschließlich in vertrau-ten Beziehungen. Antworten auf diese Fragenwerdennichtvonaußenübernommen,sonderndie Jugendlichen eignen sie sich nur selbst an,und nur wenn hierfür die Voraussetzungen ge-schaffen werden. Sie wünschen sich die „Hei-lung“ des erlittenen Bruchs in ihrer Biografie:SiewünschensichgelingendeBeziehungenundmöchteneinenOrtfinden,andemsiezurRuhekommen.Sie träumendavon,wenigerStresszuerleben und etwas leisten zu können in Schuleund Praktikum. Sie möchten Kontakt zur Her-kunftsfamiliepflegenodererneuernundspäterselbsteineFamiliegründen.
Zwischen Zukunftshoffnung und ResignationViele von ihnen zeigen sich kämpferisch, stellteDr.DörtheViereggefest,diedie Interviewsaus-wertete: „Die Jugendlichen finden es wichtig,immernachvornezuschauen,nichtaufzugeben,weiterzumachen,auchwennsiesichamBodenglauben.“Sieseienüberzeugt,esseiwichtig,sichdemLebenundseinenHerausforderungenohneAngst zu stellen.„Bei anderen Jugendlichen er-lebten wir dagegen eine eher verharrende, bi-
lanzierendeoderaufdengegenwärtigenAugen-blickgerichteteTendenz.“Siesprachensichdafüraus,dasLebenhinzunehmen,wieesistunddenvielenlebensweltlichenSchwierigkeitennichtzuvielBeachtungzuschenken.Siewolltensichin-mittenallderSchwierigkeitendennochentspan-nenunddie„Dingeaufsichzukommenlassen“,fasstdieWissenschaftlerinzusammen.
Woran die Jugendlichen glauben Wenige der Jugendlichen geben eindeutig an,„an Gott zu glauben“, mehrere glauben, dassGottirgendwieexistiert,hinterallemsteckt.Da-mitspieltalsonebendemLebens-oderExistenz-glaubenauchderTranszendenzglaubenindieserGruppeeinemehroderwenigergroßeRolle.
EinigeJugendlichewollenineineralsexisten-ziell bedrohlich wahrgenommenen Situation,die meist in einem zumindest indirekten Zu-sammenhangmitdemerfahrenenBruchstand,einrettendesHandelnundEingreifenGotteser-fahrenhaben.DieskannzueinerStärkungihresGlaubensführen.
Konfessioneller Glaube begegnete uns nurbei wenigen Jugendlichen. Dr. Dörthe Viereggestelltedarüberhinausfest:„Grundsätzlichmes-sendieJugendlichendemGlaubeneinegrößereWichtigkeitzualsdemAusübeneinerbestimm-
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tenformalenreligiösenPraxis,diealslangweiligempfundenwirdoderderenPflichtcharakterab-schreckendwirkt.“
Wechselwirkung der RessourcenDie Interview-Ergebnisse und die Erfahrungenin der Gesprächssituation dienten uns als Basisfür unser Konzept einer religions- und kultur-sensiblenressourcenorientiertenArbeitmitdenJugendlichen. Hierfür war es außerdem wich-tig,diebeianderenStudienherausgearbeitetenWechselwirkungen verschiedener Ressourcenhinzuzuziehenundzuübertragen(Abb.3).
Nach dem Bruch in ihrer Lebenswelt helfenden Jugendlichen positive Erfahrungen der Zu-gehörigkeit zu einer Gemeinschaft und derSelbstwirksamkeit. Durch positive Erlebnissein diesen Bereichen kann ihr Lebensglaube ge-stärkt werden. Dann kann es gelingen, die Ab-wärtsspiralen aufzuhalten, die oft den erfahre-nenBrüchenfolgen.
Krisen können den Glauben beschädigenDer von den Jugendlichen beschriebene Glau-be wird jedoch jedes Mal beschädigt, wenn siesich wie bei den bereits erlebten Brüchen ihrerLebensweltvonGott,einerhöherenMachtoderEnergie sowie von Freunden und Familienmit-
gliedernalleingelassenfühlen.DaherstellensiedieSelbstwirksamkeitindenVordergrund,dasiefest an die Möglichkeiten glauben, die das Le-benihnennochzubietenhat.Gleichdanachbe-tonen sie die Relevanz von Freundschaften undFamilie. Der Lebensglaube interagiert also mitdiesen weiteren Resilienzfaktoren. Und er stehtdamitunterErfolgsdruck,wennerdie individu-elleLebensweltnichttranszendiert:WennichinmeinerindividuellenNotnicht( jeweils)errettetwerde, hält dieser Glaube nicht sein „Verspre-chen“.Esistwichtig,inGesprächendietranszen-denten Anteile zu stärken, die unabhängig von
Abb. 3: Wechselwirkung der Ressourcen fördert Resilienz (nach Tüllmann/Kösterke 2014)
Selbst- wirksamkeit
Positiver Lebensglaube
Gemeinschaft
Resilienz
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ErfolgenundderErreichungvonZielensind.NursokannderGlaubeerhaltenbleibenundentlas-tetdieübrigenResilienzfaktorenSelbstwirksam-keit und Gemeinschaft vor Überforderungen.Andernfalls kann die Überforderung zu Mutlo-sigkeit bis hin zur Selbstaufgabe führen. Es istalsowichtig,dassderLebensglaubesichweiter-entwickelnkannunddieindividuelleLebenswelttranszendiert.
Dieskanngelingen,wennderJugendlicheZu-sprucherfährtundsichalsMenschsowieerist,trotzallerMisserfolgeangenommenundineinergutenSchöpfunggeborgenfühlt.
Individueller Lebensglaube fördert ResilienzEsbestehtgenerelldasRisikoderÜberforderung,wenn Jugendliche mit Krisenerfahrungen mitihrenFragennachLebenssinn,TodundDaseins-berechtigungalleingelassenwerden.DieskannzupsychosozialenAuffälligkeitenführen.Dasbe-deutetinderKonsequenz:Eltern,LehrerundBe-treuer,diedieseThemenausschließlichanderenüberlassen, nehmen damit das Risiko negativerEntwicklungeninKauf.
DerLebens-oderExistenzglaubeziehtsichwieeinroterFadendurchunsereInterviews,fastbeijedemJugendlichenwarerspürbar.SogelangtenwirbeiunsererForschungzudemErgebnis:Der
persönliche Existenzglaube ist die zentrale Res-sourcederLebensweltgestaltung.
Die positive Wirkung des individuellen Glau-bens auf das persönliche Wohlergehen hängtmitGlaubenshaltungenzusammen.Siedrückenin individuellerWeise aus, dass dieWelt in derHandeinerschöpferischenKraft ist,vonderdie
Aussagen resilienter Menschen
Ich habe: „IchhabeMenschen,diemichgernhabenundMenschen,diemirhelfen.“
Ich bin: „IchbineineliebenswertePersonundbinrespektvollmirundanderengegenüber.“
Ich kann: „IchkannWegefinden,Problemezulösenundmichselbstzusteuern.“
NachGrotberg,in:Daniel/Wassell2002
Ich glaube: „IchbininderWeltaufgehobenundgetragenvoneinerschöpferischenKraft,diemichbewahrt,tröstetundentlastet.“
Tüllmann/Kösterke
Welt und jeder einzelne Mensch angenommenist, bewahrt, getröstet und entlastet, aber auchbisandieGrenzedesZumutbarenherausgefor-dertwird.
Dieses „Unterstützen bei der Selbstaneig-nung“ sehen wir als eine Aufgabe, die in derJugendhilfe nur durch eine Pädagogik geleis-
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tet werden kann, die auch den Lebensglaubenstärkt.DieserLebensglaubekanndannzumRe-silienzfaktor werden, der die Selbstwirksamkeitstärkt und sie zugleich überschreitet. So wirddieSelbstwirksamkeitdavorbewahrt,überlastetundüberfordertzuwerden.
Aussteigen aus der AbwärtsspiraleAlle befragten Jugendlichen machten Erfah-rungen mit Brüchen in ihren Lebenswelten. Siemusstenfeststellen,dassmitdieserexistenziell
gefährdendenErfahrungeinsozialerAbstiegver-bunden war. Solche Abwärtsspiralen entstehen,wenndieeigeneWeltzusammenbrichtunddieAnsprüchederUmweltgleichzeitigunverändertbleiben(Abb.4).DieJugendlichenmachtendieseErfahrungenvonMisserfolgenundScheiternvoralleminderSchule.SiewareninihrerbesonderenSituationnicht inderLage,denschulischenAn-forderungenzuentsprechen.Auchwurdeihnennicht ausreichend Raum und Zeit eingeräumt,umzurRuhezukommenundStressabzubauen.
Abwärtsentwicklung
DestabilisierungoderAuseinanderbrechenderFamilie
Gewalterfahrung
Schulversagen
Schulstress
Schulverweigerung
AbdrifteninParallelwelten
DrogenundAlkoholkonsum
Kriminalität
Schicksalsergebenheit Abwehrreaktionen
Nicht erfüllte Bedürfnisse
BehütetesAufwachsen
ZusammenhaltinderFamilie,KontaktzuFamilienmitgliedern
Erfolgserlebnisse
MoratoriumfürKrisenbewältigung
Normalität
ZugehörigkeitzuunterstützendenSystemen
HilfefüreinstressfreieresLeben
Abb. 4: Mit der Krise droht das Abrutschen in die Abwärtsspirale (nach Tüllmann/Kösterke 2014).
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Siebrauchenbeides,umsichihrerSituationge-wahrzuwerden,möglichstbesonnendienächs-tenSchritteinihremLebenzuplanen,sichihrerStärkenbewusstzuwerdenundihreNetzwerkezunutzen.
Die zentrale Leistung zum Ausstieg aus derAbwärtsspirale erbringen Pädagogen ganz zuBeginn einer Betreuung, wenn der JugendlichenochaneinerAbwehrhaltungfesthält,seineDe-struktivitätnachaußenträgtoderdepressivundnichtmotivierbarwirkt.
EineMitarbeiterinbeschreibtdasso:„InZeitenscheinbarenStillstands istnichtnurGeduldge-fragt.Standhaftigkeitgilteszubeweisen,wennFreundlichkeitscheitert,ZornundDestruktivitätdieKommunikationbelasten,Hilfeplänemisslin-gen,psychischeKrisenHoffnungbeeinträchtigenundAnsatzpunktefürNeuanfängenochnichtinSichtsind.“
SozialarbeiterinnenundSozialarbeiterberaten,verhandeln, greifen ein zum Schutz und zur Ge-fahrenabwendung.SievertretendenKlientenge-genüberInstitutionen,beschaffenLeistungen,ko-operierenmittherapeutischenEinrichtungenundstehenzurVerfügung,ohnedassunmittelbareineVeränderungangestrebtwird.MitdiesenLeistun-gensichernSozialarbeiterExistenzenundverhin-dernsodasweitereAbdrifteninAbwärtsspiralen.
GelingtdieStabilisierungderLebenswelten,steigtdieWahrscheinlichkeit,dassKlientenihrenGlau-benandieZukunftbewahren,Selbstwirksamkeitin ihnen wichtigen Lebensfeldern erproben undstabilisierendeNetzwerkeaufbauen.
Glaube kann helfen bei der Bewältigung des AlltagsGlaubeisteineRessource–wennernichtfremd-bestimmtist.Nurwennerfreiundeigenständigangeeignet ist und sich entwickeln darf, passter zum Konzept der Lebensweltorientierung,das emanzipatorisch ausgerichtet ist. Denn diezurLebensweltorientierunggehörendekritischeAlltagstheorie will genau dies. Sie will die indi-viduellen Ressourcen in der AlltagsbewältigungwahrnehmenundFremdbestimmungentgegen-wirken. Auf dieseWeise will sie einen positivenImpulsausdenGegensätzenundWidersprüchenerzeugenundsomitzueinemimmermehr„ge-lingenden Alltag“ beitragen. Diesem hohen An-spruchentsprichteinpositiverGlauben,densichderjungeMenschselbstangeeignethat.
Dennoch ist es vor dem Hintergrund der soverstandenen Lebensweltorientierung wichtig,sensibelauchaufsolcheeventuellvorhandenenreligiösenNormenundRitualezureagieren,diebezogenaufunseremanzipatorischesVerständ-
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niseherbehinderndaufdieEntwicklungwirken.Die Soziale Arbeit in unterschiedlichen, uns oftfremden Lebenswelten fordert diese besondereSensibilitätgeradezuheraus.DieAbwägungzwi-schen der individuellen Emanzipation und derZugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, die auchAnpassung fordert, kann im individuellen FallzueinergroßenHerausforderungimDialogmitdemJugendlichenwerden.
Diessolltejedochnichtdazuführen,dassvonvorneherein auf die Thematisierung von Glau-bensfragen verzichtet wird. Pädagoginnen undPädagogen, die sich auf einen möglicherweiseschwierigen,herausforderndenDialogeinlassen,können sich im fachlichen Austausch im Team,mitKolleginnenundKollegen,imCoachingundinnerhalb ihrer Organisation Unterstützung da-fürholen,vgl.dazuKap.5.
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SeitungefährAnfangderneunzigerJahreistdieLe-bensweltorientierungsoetwaswieeinParadigmainderSozialenArbeit.Siebeansprucht,dieWirklichkeits-vorstellungendesMenschen,seineWerteundNor-men,seinenAlltag,zumAusgangspunktderSozialenArbeitzumachen.ImLebensweltbegriffistReligionnaturgemäßenthalten,denndieWirklichkeitsvorstel-lungenvonMenschen,ihreNormenundWertebein-haltenauchoftallerleiReligiosität,seiesnunbewusstoderunbewusst.
AufgrundeinerrelativgroßenDistanzundgroßenVorbehaltengegenüberReligionundKircheistdieserreligiöse Gehalt von Lebensweltenjedochbisheroftnichtbetrachtetworden.Dasseheichkritisch.
WirsprechenhiernichtüberreligiöseGeschmacks-fragen,dieeigenenÜberzeugungenoderreligiösenPrägungen,sondernesgehtumPrinzipielles.Dennunabhängigdavon,obpädagogischeFachkräfteselbsteinreligiösesBekenntnishaben,obsieReligiontollfindenoderkritischsehen,istReligionssensibilitäteinewichtigeKompetenz,istTeilihrerprofessionellenHandlungsfähigkeit! HierwerbeichfüreinUmden-ken.EineSozialeArbeit,dieanderLebensweltorien-tiertseinwill,mussreligionssensibelsein!
Lebensweltorientiertzuarbeitenbedeutet,dieVor-stellungeneinesanderenMenschenzurekonstruie-ren,zuverstehenundzuschauen,wiedieseLebens-weltbeschaffenist,umsiezumAusgangspunktvonHilfemachenzukönnen.
UnddasinddannnatürlichauchUnterscheidungennötig.InwiefernistdennhierauffindbareReligiositätstabilisierend,eineQuellevonKraftundFreude?OderabereineBarriere,AusdruckverzerrtenBewusstseinsundUrsachepersönlichenLeidens?Esbrauchtauchbildungs- und methodenbasierte Religionssensibili-tät, umdiesunterscheidenzukönnen.
DasimRauhenHausjetztinEntwicklungbefindlicheKonzepteinerreligionssensiblenPädagogikistetwasNeues,weilesdiesenAspektindenFokusrücktundmiteinemoffenen Religionsbegriff arbeitet.
Soziale Arbeit braucht Religionssensibilität
Prof. Dr. Matthias Nauerth DasRauheHaus,EvangelischeHochschulefürSozialeArbeit&Diakonie,Lehrgebiet„SoziologischeGrundlagenderSozialenArbeit“und„Handlungs-theorien“
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Marie (16): Auf unserem Stein sitzen wir jeden Tag und reden über alles Mögliche, wie Freundinnen das tun.
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Professionelle Hinwendung: Religions- und kultursensibel arbeiten
Die Theorie der Lebenswelt und die ressour-cenorientierteMethodesindallgemeinbekanntund vertraut in der Sozialen Arbeit. Genau hiersetztdasProjektzurreligions-undkultursensib-lenPädagogikan,indemesdieRessource„Glau-be“indenFokusnimmtunddiesmiteinemof-fenenReligionsbegrifftut.Wasvielleichtaufdenersten Blick wie eine Ergänzung der bekanntenund allgemein akzeptierten Arbeitsweise er-scheint, entpuppt sich im weiteren als Anlass,Vorgehensweise und Strukturen in der Jugend-hilfenocheinmalneuzudenken.
Denn es gilt, so etwas wie die Begeisterungeines Schatzsuchers zu kultivieren. Sich wie einForscher auf unbekanntemTerrain zu bewegen:vorsichtig,alleSinnehellwach.Dashilft,dierich-tigenFragenzustellen.WirsindnachdemSich-ten der Literatur und den Erfahrungen in unse-remProjektüberzeugt,dassdieses„zumGegen-überwerdenfürGrundsätzliches“einwichtigerundunverzichtbarerBestandteilderressourcen-orientiertenArbeitist.KolleginnenundKollegenaus dem Rauhen Haus bestätigen uns dies mit
ihrer Praxis. Einige arbeiten schon länger reli-gions- und kultursensibel. Zum Teil verwendensiediesenBegriffnichtfürsich.Siearbeitenauseiner den Jugendlichen zugewandten und denDialog über Lebensfragen suchenden Haltungder professionellen Hinwendung. Nicht zuletztwaren sie es, die uns darin bestärkt haben, dasThemaaufdieAgendazusetzen.
Wiekanndasgehen?SofragensichvieleKolle-ginnenundKollegen.UndihnenerscheinteswieeinezusätzlicheAnforderungangesichtssichins-gesamt weiter verdichtender ArbeitsstrukturenundsicherhöhendenErfolgsdrucks.
Das ist nicht die Intention unseres Projekts.Vielmehrhoffenwir,dassesmöglichstvielenLe-serinnen und Lesern dieser Broschüre so gehenmöge, wie den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern,diesichbereitshierimHausmitihrenTeamsmitdemThemabeschäftigen.Wirhabengehörtund auch selbst erlebt, wie die Beschäftigungmit dem religiös- und kultursensiblen Arbeitendazuführt,nocheinmalgrundsätzlichdieeigeneberufliche Tätigkeit zu reflektieren. Warum tue
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ich diese Arbeit? Mit welchem Menschenbild?Für wen? Was macht mich dabei glücklich undzufrieden? Was gibt mir Halt, wenn die Arbeitgerade sehr belastend ist? Wo habe ich meineGrenzen,waskannichnichttolerieren?Wirhör-tenvonvielennachdiesemReflektierenimTeam,dasssiesichdavongestärktfühltenundesihnenleichterfiel,auchihreeigenenGrenzenimBlickzubehalten.
Durch diese Reflexion wächst zugleich dieOffenheit für einen Dialog auf Augenhöhe mit
•ReligiöseundkulturellePhänomenewerdeninindividuellenLebensweltenwahrgenommenundaus-gehendvondieserLogikthematisiert.
•GemeinsammitJugendlichenwirdherausgefunden,wassieträgtundtröstet,wennihreSelbstwirksamkeitundihreNetzwerkeanGrenzenstoßen.
•EinFundusvonMedienhilftdieReflexionenüberdeneigenenGlauben,denSinndesLebensunddieeigeneKulturinteressantzugestalten.
•NebennotwendigenAnforderungenwirddenJugend-lichenauchRaumgegeben,zurRuhezukommen.SokönnensiesichihrerSituationgewahrwerden,eigeneVorstellungenentwickelnundausprobieren,wiedieseihnenhelfen,ihrLebenzubejahenundzugestalten.
•AuchPädagoginnenundPädagogenwirdRaumgegeben,Sinn-undGlaubensfragenindenTeamszuerörtern.SoentstehtVerständnisuntereinanderundgemeinsameStandpunktebildensichaus.
•PädagoginnenundPädagogengehenmitderNeugiereinesForschersaufAugenhöheindieDiskussionmitdenJugendlichenüberSinn-undGlaubensfragen.
•FremdeReligionenundKulturenwerdenalsChancegenutzt,NeueskennenzulernenundeigeneAuffassun-genzureflektieren.
•OffeneFragenundProbleme,diesichaufbestimmteReligionenbeziehen,werdengemeinsammitVertrete-rinnenundVertreterndieserReligionenerörtert.
•DasInteressederPädagoginnenundPädagogenandenSinn-undGlaubensfragenderJugendlichenför-dertdieSelbsterkenntnisderJugendlichen.
•DielebensweltorientierteWahrnehmungbewahrtdiereligions-undkultursensiblepädagogischeArbeitvormissionarischemEiferundentlastetvonunerreich-barenZielen.
Religions- und kultursensible Pädagogik braucht Lebensweltorientierung – und umgekehrt
den Jugendlichen. Diese Augenhöhe ist unver-zichtbar, weil Jugendliche sehr sensibel auf Be-vormundung reagieren und weil sieWert legenauf authentische Antworten. Die Augenhöheentstehtalleindadurch,dassbeidiesenThemenalleSuchendesind,dieJugendlichenunddiePä-dagogenauch–undkeinerfürsichdieWahrheitbeanspruchenkann.HiersehenwirunsineinergroßenVerantwortung.WirkönnenundmüssenJugendlichenzurSeitestehenindieserOrientie-rung.DennJugendliche,dienichtindiesenDialo-
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genOrientierungerfahren,sindeherzugänglichfüreinfacheWahrheiten,dieimschlimmstenFallfundamentalistisch und extremistisch daher-kommen.NuraufAugenhöhesindPartizipationund Teilhabe wirklich möglich. Die in unseremProjektinterviewtenJugendlichenäußertensichzu ihren Lebensglauben. Dies ist geradezu eineEinladung,ressourcenorientiertmitihnenzuar-beiten!Derreligions-undkultursensibleAnsatzbenötigt dafür eine Haltung, die wir als profes-sionelle Hinwendung bezeichnen. Diese profes-sionelle Hinwendung hilft besser zu verstehen,warum etwas für einen jungen Menschen SinnstiftetundihminschwerenZeitenKraftgibtundträgt. Die Jugendlichen wünschen sich genaudiesesEinfühlungsvermögen(Abb.5).
Schlüsselfragen„Wennwirnichtreligions-undkultursensibelar-beitenwürden,könntenwirgleichzuHauseblei-ben“, erklären uns Kollegen, die in einerWohn-gruppe auch einige minderjährige Flüchtlingebetreuen.„IchbrauchediesenBlick für religiöseund kulturelleThemen, damit die Jugendlichenmichüberhauptakzeptierenundbereitsind,mitmiroffenzusprechen“,berichteteinPädagoge.Er flüchtete selbst als Kind mit seiner Familienach Deutschland und arbeitet heute in einer
WohngruppefürunbegleiteteFlüchtlinge.Aucher sieht religiöse und kulturelle Sensibilität alsVoraussetzungfürgelingendeArbeitmitJugend-lichen,„weilihrekulturelleHerkunftundihrere-ligiösenWurzelnfürdieFlüchtlingeoftdasEinzi-gesind,dasihnenbleibt“.AngesichtsderAnpas-sung, die ihnen abverlangt wird, Anpassung andieNormenundWertederhiesigenGesellschaft,gerät beides leicht unter Druck. Wenn die jun-
Bearbeiten
Risikoassessment
Kinderschutz
Leistungsauswahl
Ressourcen-erhebung
VereinbarungenmitAngehörigen
Netzwerk-stabilisierung
Sozialraum-aktivierung
Resilienzfaktoren
Ziele
Erleben
Ressourcen
Risiken
Alltagstheorien
Existenzglaube
Selbst-undFremd-einschätzung
Krisen
Biografien
„BühnenundRegisseure“
SozialeKontakte
Emotionen
Armut
BehinderungundKrankheit
Abb. 5: Pädagogische Arbeit in oszillierenden Bewegungen zwischen Lebenswelt der Klienten und den Möglichkeiten der Jugendhilfe (Tüllmann 2010)
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genFlüchtlingenachderAkutversorgungineineWohngruppeziehen,kommenzudemhäufigdiewährend der Flucht oder davor erlittenen Trau-matawiederhoch.„DasisteinesehrkritischeSi-tuation.Undgenaudannistessehrwichtig,dassich ihnen vermittle ‚ich sehe Dich mit DeinemGlaubenundrespektiereihn–sogardann,wennichDeineÜberzeugungennichtteile‘.“Erplädiertdafür,GlaubengrundsätzlichalsRessourcezuse-hen. Damit entsteht eine Gesprächsebene undVertrauen.„Wenn der Jugendliche dann in eineradikaleRichtungtendiert,kannichdarübermitihmreden.WoeinguterKontaktundeineGrund-lage für das Gespräch existieren, haben wir dieChance, eine Radikalisierung abzuwenden.“ IneineranderenWohngruppegabestatsächlichei-nenJugendlichen,dersichdenDschihadistenzu-wandte.„Wirhabendasbemerkt.Alswirselbstnichtmehrweiterkamen,habenwireinenImamhinzugebeten“, berichtet die zuständige Team-leiterin.NachdemTeamcoachingzumThemare-ligiöseundkulturelleSensibilitätwaresfürdasTeamvielleichterzuentscheiden,wannHilfevonaußennötigist.
Krise als WendepunktObsieausihrerHeimatgeflohensindodernachdem Zerbrechen ihrer Familien aus Hamburg in
die Wohngruppe kommen: Es ist den Jugendli-chennachihrenErfahrungenmitBrücheninih-renLebensweltenwichtig,wiederMutzufassenund auf eine positive Zukunft zu hoffen. Ihnendazu Gesprächsangebote zu machen, ist sogarumso dringender, je schwieriger und belasteterdieLebenslagensind.
Geradedann,sozeigtesichbeivergleichbarenAnsätzeninanderenStudien,aberebenauchinder Praxis unserer Jugendhilfeeinrichtungen, istes hilfreich auf Grenzerfahrungen,Wendepunk-te,„turningpoints“inderBiografieeinzugehen.Oft genug muss man geduldig auf sie warten,weileseinIrrglaubeist,siekünstlicharrangierenzukönnen.
Australische Kollegen berichten über bemer-kenswerte Erfolge bei gewalttätigen Mädchen.Esgelang,vielevonihnen–nachetlichenande-ren erfolglosen Versuchen – doch noch aus derAbwärtsspiraleherauszuholen.AuchinHamburgsammeln Kollegen von uns ermutigende Erfah-rungen.GemeinsamistdiesenPädagogen,dasssie von einer einseitigen Konzentration auf dasherausfordernde Verhalten absehen. Sie tragenandieJugendlichendieFragenachdemSinndeszukünftigenLebensheran.DochdieErfahrungenvon Brüchen in ihren Lebenswelten halten dieJugendlichenzunächstfestinihrenAbwehrreak-
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tionen. Ohne Selbstaufgabe kämen sie da nichtherausundwäreaucheineAnpassungangesell-schaftlichgeforderteNormennichtmöglich.DieFrage nach dem Sinn konnten sie nicht einfachbeantworten.DiePädagogenbegabensichalsogemeinsam mit den Jugendlichen auf die Sinn-suche, um von da aus dann Ziele ansteuern zukönnen,wiebescheidenauchimmer.
Unvoreingenommene AnnäherungWenn Jugendliche spüren, dass jemand sich ih-nenunvoreingenommennähertundsichfürsiealsPersoninteressiert,nichtnurfürihreDefiziteundihrFehlverhalten,dannöffnensichvielevonihnen.Wünsche und Zukunftspläne werden be-nannt.
SoberichtetunszumBeispieleinMitarbeiterausdemRegionalbüroAltonavoneinemJugend-lichen. Dieser drohte mit Drogenkonsum undZerstörungswuteineWohngruppezusprengen.MehrereMaleempfingerdenBetreueraufdemBett liegend, antwortete nicht auf Fragen undließihnauflaufen.IrgendwannplatztedemSozi-alpädagogenderKragen,eräußertedeutlichsei-nenUnmut,brachteaberindiesemersten,eherlautenGesprächdirekteineSchlüsselfrageunter:„WaswillstDueigentlichmitDeinemLebenan-fangen?“ Und erfuhr so, dass sich der Schulab-
brecher wünschte, seinen Hauptschulabschlussnachzumachen. Der Sozialpädagoge machtesich daran, ihm dies zu ermöglichen. An regel-mäßigenSchulbesuchwarnichtzudenken,abermithilfevonREBUSkonntederJugendlicheweit-gehendselbstständigfürdiePrüfunglernen,dieerdannauchbestand.DerDrogenkonsumgingzurück,dieZerstörungswutließnach,erkonnteschließlichineineeigeneWohnungundinArbeitvermitteltwerden.
„IchgeheoffenaufdieJugendlichenzu.Ichbinehrlich,auchwennichsauerbin.Ichwillwissen,wasderJugendlichewirklichwill.EsistmeinAn-gebot an ihn, dass wir das gemeinsam heraus-finden.Aberder Jugendlicheentscheidetselbst,obermeinAngebotannimmt“,soderPädagoge.Viele der von ihm betreuten Jugendlichen sindaufgrundvonDrogenkonsumoderStraftatenindieEinrichtunggekommen.
Religiöszeigtesichihmbishernureineinziger,einmuslimischerJugendlicher.DerPädagogebe-suchte ihn in Untersuchungshaft, nachdem derJungeeinenKassiererbeieinemRaubüberfallmitMesserstichenverletzthatte.„ErsaßdaimKnast,um ihn herum die harten Jungs. Er weinte undweinte.Erwarvölligfassungslos.Ersagte,erbetezuAllah,dasserdieTatungeschehenmache.“ErhabeeinpositivesMenschenbild,sagtderPäda-
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gogevonsich.BeidenJugendlichensucheerje-weils das Potenzial und mache ihnen dazu An-gebote.„VonsichselbstsagendieJugendlichen:‚Ichbinhaltso.’Dafür,dassder‚Schalter‘umge-legtwird,dassihrLebenineinebessereRichtunggehenkann,dafürmussihnenjemandzurSeitestehen,dasbekommensiealleinnichtmehrhin.“Die Jugendlichen hätten in ihren Lebensweltenniemanden, der ihnen diese andere Perspektiveaufzeichnen könne, erläutert der Pädagoge, dergenau dies als seine Aufgabe begreift. Der ju-gendliche Messerstecher ist haftverschont undgehtwiederregelmäßigzurSchule.
Herausspüren, was fehltManchmal ist es eher ein nonverbales Kommu-nizieren, ein Herausspüren dessen, was fehlt.EineminderjährigeMutterineinerMutter-Kind-Einrichtung ist plötzlich äußerst reizbar undaggressiv gegen die Mitbewohnerinnen. IhrerBetreuerin fällt das auf, sie fragt sich, was die
Ursache sein könnte und ahnt schließlich, dassdiesmitdemRamadanzutunhabenkönnte.DieMutter istpraktizierendeMuslimin.Siestillt ihrBaby und gerade hat die Fastenzeit begonnen.Im Gespräch stellt sich heraus, dass die Muttertatsächlichstrengfastetundvölligerschöpftist.SiehatniemandeninihrerNähe,derihrdieAus-nahmeregeln für stillende Mütter nahebringt.Gemeinsam recherchieren sie diese Frage underfahren,dassMütterdasFastenspäternachho-lenkönnen.
Eine Teamleiterin beobachtet bei einem Ju-gendlichen ein starkes Bedürfnis nach Zuwen-dung. Sie versucht deshalb, Menschen, die ineinemengenemotionalenVerhältniszudenJu-gendlichen stehen, in die Betreuung mit einzu-beziehen.SokommtschließlicheinVaterimmer,wennerSpätschichthat, indieWohngruppe.ErwecktseinenSohnundfrühstücktmit ihm.DieBeziehung zwischen den beiden, die zu verfla-chendrohte,wirddadurchgestärkt.
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DieAuswertungderBefragungenderJugendlichenundderMitarbeitendenkannichsozusammenfas-sen:Pädagogenerleben,wennsieineineHaltung der professionellen Hinwendunggehen,dassdannofteinepositiveArbeitsbeziehungzudenJugendlichenentsteht.
WenndiePädagogensichzurücknehmen,Fragenstel-lenundzuhörenohnezuwerten,erzählendieJugend-lichenvonihrerLebenswelt.UndwennReligiositätdazugehört,dannkommtsiealsTeilihrerLebensweltebenfallszurSprache.DiesesVertrautwerden mit der LebensweltbildetdanneineguteBasisfürdielebens-welt-undressourcenorientiertepädagogischeArbeit.
Diereligiöse PluralisierunginDeutschlandistdabeieineechteHerausforderung:IhrimRahmenderle-bensweltorientiertenSozialenArbeitRaumzugebenisteinewichtigeAufgabe,dienochkonzeptionellwei-terbearbeitetwerdenmuss.WannkannmitReligiosi-tätalsRessourcegearbeitetwerden,wannsolltemandiesliebernichttun?UndwiearbeitetmandannmitdieserRessource?DieMitarbeitendenselbstäußerndenWunsch,mehrWissenzuerwerben,damitsiesichkompetenterfühlenindiesemBereich.
DerArbeitsalltaginderJugendhilfewirdabervonihnenganzandersbeschrieben.DieArbeitunterdemDruckderÖkonomisierungwirdzunehmendalsunbe-friedigenderlebt.Somitistderreligions-undkultur-sensibleAnsatzaucheineGegenbewegung.
Befriedigendwirderlebt,wenndiePädagoginnenundPädagogenmitdenJugendlichenin einer positiven Resonanzsind,wennplötzlicheinKontaktentsteht.DasistkeinepädagogischforcierteHinwendung,diesichanvorgegebenenKriterienorientiert.DasistBeziehung.Somithoffeich,dassdieForschungsergeb-nisseausdemProjektauchvonderPolitikwahrge-nommenwerden.
DieFrageistdoch:Was ist denn nun tatsächlich effi-zient? Müssenwirdanichtumdenken?Istnichtviel-leichteinausführlichesbiografischesGespräch,dasaufsensible,nicht-wertendeWeiseauchnachkultu-rellerundreligiöserVerortungfragt,derbesteEinstiegineineArbeitsbeziehungmitdenJugendlichen?EssetztvielleichteinenpositivenProzessinGangundistdamitauflangeSichtwirkungsvoller.
Ein Ansatz gegen den Ökonomisierungsdruck
Dr. Dörthe Vieregge WissenschaftlicheMitarbeiterinanderAkademiederWeltreligionen,UniversitätHamburgPromotion2011:„ReligiositätinderLebensweltsozialbenachteiligterJugendlicher“
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Anna (17): Musik spiegelt meine Gefühle wider, macht mich fröhlich. Wenn alle mitsingen, ist es lustig.
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Praxis: Medien, Orte und Rituale
Wiesiehtdiereligions-undkultursensiblePra-xisaus?WielassensichbewährteMethodenundInstrumenteumdieDimensiondesLebensglau-benserweitern?UndwelchesistderersteSchrittin diese Praxis? Zuweilen kommt das Gesprächvon selbst auf grundsätzliche Fragen – auchwenneigentlichetwasanderesgeplantwar.Dasist eine kostbare Gelegenheit, spontan daraufeinzugehen.MeistbrauchtesjedochdieInitiati-vederPädagoginnenundPädagogen.
Interview-LeitfadenHier stellen wir Ihnen unseren Fragebogen vor,der als Leitfaden für unsere Interviews im For-schungsprojektdiente.Eristseitdemzumwich-tigstenInstrumentunsererPraxisgeworden.AlleanderenhiervorgestelltenMethodenunterstüt-zen diesen Fragebogen oder vertiefen einzelnedarinvorkommendeAspekte.
Einen Auszug aus den Möglichkeiten stellenwir im Anschluss vor. Von diesem FragebogengibteseineVariante,diefürJugendlichemitpsy-chischenErkrankungenerarbeitetwurde.
1. Existenzglaube
Zur Biografie
•Wieichdirjaschongesagthabe,interessiereichmichfürdieGeschichtedeinesLebens.MagstdumireinfachmaldeineGeschichteerzählen?Dukannstselbstentscheiden,waswichtigist,wasduerzählenwillstundwasnicht.(WennweitereHilfe-stellungnötigist:Vielleichtfängstdueinfachganzvorneanunderzählstmir,wiedualsKindaufge-wachsenbist.Waskamdann?Wiegingesweiter?)
•InjedemLebengibtesjamalguteZeitenundmalschlechteZeiten.WennduandeinganzesLebendenkstvondeinerGeburtbisheute:WaswarenbesondersschöneZeiten,dieduerlebthast?Waswarenbesondersschlimme(traurige/schwere/…)Zeiten?
•WashatdirinschwerenZeitengeholfen?
•Wiekamesdazu,dassdudurchDasRauheHausUnterstützungbekommst?
•WashatsichdurchDasRauheHausindeinemLebenverändert?
•WenndudeinemgesamtenLebeneinMotto(odereineÜberschrift)gebensolltest–wiewürdestdudeinLeben„nennen“?
Die subjektive Bedeutung von Religiosität Interview-LeitfadenvonDr. Dörthe Vieregge,AkademiederWeltreligionen
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Weitere Nachfragen (wenn vorab noch nicht erwähnt):
•Wielebstduheute?
•WelcheMenschensindwichtigindeinemLeben?Warum?
•WergehörtzudeinerFamilie?
Alltagsleben (positive und negative Emotionen im Alltag, Umgang mit Belastungen bzw. Problemlösestrategien)
•JetztweißichschonvielüberdichunddeineGe-schichte.JetztinteressiertmichnochmalgenauerdeinAlltag,wieerimMomentist.Kannstdumirbeschreiben,wieeinganz„normaler“Tagbeidirsoabläuft?
•Gibtesauch„besondere“Tage,dieanderssindalsdie„normalen“Tage?
Zur Rolle von positiven Gefühlen im Alltag:
•WannhastdudichinderletztenZeitbesondersgutoderzufriedengefühlt?
Zur Rolle von negativen Gefühlen im Alltag:
•InwelchenMomentenfühlstdudichschlecht?WelchesnegativeGefühlistdabeiamstärksten(z.B.Wut,Ärger,Trauer,Enttäuschung,Verletzung,Scham,Schuld)?
•Wasmachtdichtraurig?Woranmerkenandere,dassdutraurigbist?(Evtl.VariationenzuweiterennegativenGefühlenausprobieren)
•Washilftdir,wennesdirschlechtgehtoderwennduProblemehast?(Evtl.nachfragen:Kannstduselbstetwastun,damitesdirbessergeht?Wasmüsstesichändern,damitesdirbessergeht?)
•Wasmachstdu,wenndueinGefühlvonSchmerzoderAnspannungloswerdenwillst?
•(Evtl.die„Wunderfrage“ausprobieren):Stelldirvor,überNachtgeschiehtplötzlicheinWunder:AlleProbleme,diedirindeinemLebenzuschaffenma-chen,sindplötzlichverschwunden.Undduwachstmorgensineinemganz„neuen“Lebenauf.KannstdumirdenerstenTagindeinemneuenLebenbe-schreiben?Wasistjetztandersalsvorher?
Vorstellungen vom „guten Leben“
•Wasdenkstdu,waseinkleinesKindbraucht,umsichgutzuentwickeln?
•Stelldirvor,dulernsteinenerwachsenenMenschenkennen,dereinglücklichesLebenhat,obwohlduvonihmweißt,dasser/sieesinderKindheitsehrschwerhatteundalldasnichtbekommenhatte,wasduvorhingenannthast.Wasdenkstdu,waspassiertseinkönnte,dassderErwachseneheutetrotzdemglücklichist?(Nachfragen:Konnteerdasaussichselbstherausschaffen?BrauchteerdazuandereMenschen?WiekonntenandereMenschenihmhelfen?)
•WiesiehtfürdichdeinTraumlebenaus?
•GibteseinenMenschen,derfürdicheinVorbildist,andemdudichorientierenwürdest?
•MancheMenschenstellensichjaauchdieFrage,wasderSinnihresLebensseinkönnte.Hastduschonmaldarübernachgedacht,wasderSinndei-nesLebensist?(Wennnicht:Wasfälltdirspontanein,wasderSinnseinkönnte?)
2. Transzendenzglaube
•MancheMenschenglaubenjaanGott,mancheaneineunsichtbareEnergieoderKraft,diehinterallemsteckt.Odermancheglaubeneinfachansichselber.Woranglaubstdu?
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•WannhatGlaube(Gott/Religion)indeinemLebeneinebesondereRollegespielt?(WennGlaubekeineRollespielt:Wasdenkstdu,warumdasfürdichnichtwichtigist?WennGlaubeeinesehrgroßeRol-lespielt:HastduauchmalanGottgezweifelt?)
•HastdudichschonmalmitGott(miteinergrößerenKraft/Macht)inVerbindunggefühlt?(Nachfragen:Wann?Wannfühlstdudichbesondersnah/fern?)
•Hastduschonmalgebetet?(Nachfrage:WaswardasfüreineSituation?)
•WennduandieschwerenZeitenindeinemLebenzurückdenkst–hatderGlaube(Gott,Religion)dirdageholfen?
•Vorhinhabenwirjadarübergesprochen,waseinKindbraucht,umsichgutzuentwickeln.Undwasihmhelfenkann,trotzSchwierigkeiteneinglückli-cherMenschzuwerden.Wasdenkstdu:KönntedaderGlaubeeineHilfesein?
3. Konfessionsglaube
•GehörstdueinerbestimmtenReligionan?(Wennja,welcher?)
•Stelldirvor,jemandkenntdeineReligiongarnicht.WiewürdestduihmdeineReligionerklären?
•WoundwannspieltReligionindeinemLebeneineRolle?
•WokommtReligionindeinerFamilieundunterdeinenFreundenvor?
•(WennZugehörigkeitzueinerreligiösenTraditionbejahtwird)Wasbedeutetesfürdich,Christ/in(Muslim/in,…)zusein?
•WasfindestduandeinerReligionwichtig,wasfindestduunwichtig?(AlternativeFormulierung:Wasfindestdugut,wasfindestdunichtgut?)
•WarstduschonmalineinerKirche(Moschee/…)?(Nachfrage:Wann/wieoftbistdudort?)
•WasgefälltdirineinerKirche(Moschee/…)?
•Wasgefälltdirnicht?
•WasdenkstduüberandereReligionen?
•WieunterscheidensichdeinerMeinungnachei-gentlichdieverschiedenenReligionenvoneinander?KannstdueinBeispielgeben?(Nachfrage:WenndujetztzumBeispieljemandemerklärensolltest,wasderUnterschiedzwischenChristenundMuslimenist,waswürdestdudasagen?)
•MancheMenscheninteressierensichjaauchfürPendeln,Gläserrücken,Kartenlegen,Horoskope,Hellsehen,WiedergeburtoderÄhnliches.Washältstdudavon?(Waskönntedaraninteressantsein?)
•Wasdenkstdu,wiesichMenschenverstehen(können),dieanganzverschiedeneDingeglaubenundverschiedenenReligionenangehören?
•WelcheKonfliktekönnteesgeben,wennMenschenverschiedenenReligionenangehören?WiekönntemandieKonfliktelösen?
•Wenndujetztnochmalanallesdenkst,waswirgeradezumThemaGlaubeundReligionbespro-chenhaben:Wasdenkstdu,wiesichdeinGlaubeoderdeineReligionindenletztenJahrenveränderthaben?(Evtl.Nachfrage:WiekameszudieserVer-änderung?)
4. Abschluss
•Jetzthabenwirjaschonübersehrvieleunter-schiedlicheThemengesprochen.Gibtesirgend-etwas,wasdunochergänzenmöchtest,nochlos-werdenmöchtest?HabeicheinenwichtigenPunktvergessen?
VielenDankfürdasGespräch!
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behütet und beschützt werden, sondern aucheigenständigsein,soweitsiedaskannund ihreFamilie ihrdaszugesteht.Siewünschtsich,wieanderejungeMenscheninsKinozugehen.NachderArbeitmitdemInnerenTeamhatdie jungeFrau mit ihrer Betreuerin überlegt und mit ih-ren Eltern besprochen, wie das gehen kann. Sogelingt ihr ein Kinobesuch mit anderen jungenFrauenundeinemBetreuer.
Sinnvoll ist es auch, die Familienkultur zu er-kunden. Fragen hierzu wurden von Diplom-Psy-chologinSibylleFriedrichentwickeltundkönnen
Abb. 6: Das Innere Team (nach Schulz von Thun 2014), hier zum Thema „Mein Glaube und ich“
Inneres Team, Familienkultur und RessourcenbaumBewährte Methoden lassen sich gut einsetzen,umdenLebensglaubenindenBlickzunehmen.SokanndieArbeitmitdemInnerenTeamklären,was eigentlich im Leben wirklich wichtig oderunbedingt, eben essenziell wichtig ist. Manch-mal überdecken negative Erfahrungen im All-tagandere,leisereStimmen,dieineinepositiveRichtungweisenundMutmachen,dasLebenzugestalten. Bei Fort- undWeiterbildungen in derKinder- und Jugendhilfe im Rauhen Haus gehtes regelmäßig um Instrumente und VerfahrenwieRessourcenkarte,FamilienkulturundInneresTeam.Siekönnenfüreinereligions-undkultur-sensible Arbeit eingesetzt werden. Ein geeigne-tesThemaistdabeizumBeispiel:„MeinGlaubeund ich“. Verschiedene Stimmen kommen zuWort. Tröstende, ermutigende oder auch kriti-sche, warnende Stimmen, die wichtig sind undzueinereigenenHaltungmitdemGlaubenundGlaubensaussagen führen (Abb. 6). Bei der hiergezeigten Abbildung nimmt ein muslimischesMädchen mit einer Lernbehinderung an, dassAllah ihr eine besondere Aufgabe gegeben hat–ebendieBehinderung:„AllahhatmirdieseBe-hinderunggegeben,weilerwusste,dassichda-mitgut lebenkann.“Abersiemöchtenichtnur
AllahistmeinLeben
Erentscheidetfürmich
Ichwillmehr!
Erliebtmichundmachtmichgut
MeineFamiliewill,dassichimmer
anAllahdenke
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Abb. 7: Fragen zur Familienkultur (nach Sibylle Friedrich)
Ressourcenorientierte Erhebung der Familienkultur
•WenzähltihrzueurerFamilie?
•WelchegutenTraditionen,BräucheoderRitualehabtihr?
•Worüberlachtihrgemeinsam?
•Waswirdbeieuchgekocht–gibteseinFamiliengericht,dasallemögen?
•WofürwürdetihreurerFamilieeinenOrdenverleihen?
•WelchesSymbolgebtihreurerFamilie?WiefeiertihrFeste?
•WasmachteuchalsFamilieaus(besonders/einmalig)?
•WashabendieKindervondenElterngelernt?
•WashabendieElternvondenKinderngelernt?
•WelcheWertesindineurerFamiliewichtig?
von Einzelnen und von Familien beantwortetwerden (Abb. 7). So können positive „Familien-Glaubenssätze“ neu entdeckt werden, die stär-ken. Eine junge Mutter erzählte, dass ihre Omaoftsagte:„Esnütztjanichts.“Undmeintedamit,dasseswichtigist,trotznegativerErlebnissepo-sitivindieZukunftzuschauen.EineJugendlicheerinnerte sich mit Freude an das FamilienessenLabskaus.DaskochtesiedannfürdieGruppeunderzählte von guten Familienerlebnissen. Und so
entstanddieIdeeinderWohngruppe,reihumeinFamilienessen zu kochen. Eine Jugendliche ausAfghanistanerzählteindiesemZusammenhangvon vertrauten Gewürzen und Gerüchen ihrerHeimat.
BeimArbeitenmitdemRessourcenbaumstehtdannwiederumderJugendlichemitseinenStär-kenundFähigkeitenimMittelpunkt.DerRessour-cenbaumwurdegeschaffenvonBrittaLorenzenundisteineWeiterentwicklungderRessourcen-karte(BirgitVenezia,2000).DieFragen„Wasma-cheich?Waskannich?Waswillich?Wasbinich?Washabeich?“werdenergänzt:„WassindmeinekulturellenundreligiösenWurzeln?“InderPraxiszeigtsich,dassdieseFrageneinenhohenAuffor-derungscharakterhaben.FürdenEinstiegeignetsichbesondersdieFragenachdenInteressen.Essollen ausschließlich positive Eigenschaften ge-nanntwerden,dennesgehtdarum,Kraftquellenzuerschließen(Abb.8).
Mit Bildern arbeitenVisuelleMittelkommenzumBeispielbeimDigi-tal Storytelling zum Einsatz. Dabei werden Bild,Ton und Audiokommentar im Videoschnittpro-grammzueinerGeschichtezusammengefügt.Eswird nach einem persönlichen Erlebnis gefragt,das zu einer eigenen Schlussfolgerung führte –
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Meine Wurzeln
HerkunftTraditionen Sprache
Religion
Dashabeich
Dasmacheich
Daskannich
Daswillich
Dasbinich
Meine Fähigkeiten
nachdemMotto:Wasfolgertefürmichdaraus…?DieGeschichtewirdvondenJugendlichenselbstgesprochen–dieeigeneStimmekommtausdemOff.DasErzählendereigenenGeschichteistsehremotionalundstärktdasSelbstbewusstsein.
Beim autobiografischen Fotografieren erar-beitenJugendlicheeinSelbstbildmitBezugzurLebensgeschichte.DasSelbstbildgibtDeutungs-machtüberdieeigenePersonzurück.Dasfördertihre Selbstwahrnehmung, das Selbstwertgefühl
unddasGefühl,einhandelnderMenschzusein.Auch der Einsatz von schon bestehenden visu-ellen Medien unterstützt Reflexionen. Das ge-meinsame Betrachten von Dokumentar- oderauchSpielfilmenregtGesprächeundMeinungs-bildung an. Damit arbeitet zum Beispiel einePädagogin in einerWohngruppe mit deutschenJugendlichen und minderjährigen, unbegleite-ten Flüchtlingen. Sie erlebt dort, dass kulturelleZuschreibungen schnell zu einem Machtgefälleführen,wennin„Wir“und„dieAnderen“unter-schieden wird. Sie nimmt im Gruppenalltag indenGesprächenunterdenJugendlichensensibelAussagenauf,hinterfragtdieseundstelltsiezurDiskussion.ManchmalzeigtsieinderGruppeei-nenFilm,indemzumBeispielFrauenbilderund-rollen thematisiert werden, wenn sie frauen-feindlicheAussagenwahrgenommenhat.DieserFilm dient dann als Diskussionsanlass und wirdinderGruppederGleichaltrigenkritischbeleuch-tetundanalysiert.
Gesang und MusikEineMitarbeiterinmusiziertundsingtregelmä-ßigmitjugendlichenMütternundihrenKindern.SchnellkönnenauchkleineKinderderMusikfol-genundmitmachen.DieMütterfreuensichundsind stolz auf die musikalischen Fähigkeiten ih-Abb. 8: Ressourcenbaum (nach Britta Lorenzen)
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rerKinder.DiejungenMüttersingenfürundmitihrenKindern,überwindensoihreSchamgrenzeunderlebenSpaßmiteinander.SiedürfenselbstKindseinundmancheerinnernsichanihreKin-derlieder, die sie getröstet und ermutigt haben.BestenfallserinnernsiesichandieNäheundZu-wendung,diesiedurchdenGesangerfahrenha-benundandiepositivenSeitenihrerHerkunfts-familie.MitderMusikstundeistdasSingenwie-derselbstverständlichgeworden.
Für männliche Jugendliche bleibt Singenschambesetzt. Sie lernen eher ein Musikinstru-ment: Schlagzeug oder E-Gitarre zum Beispiel.Ein Pädagoge gründete mit einigen Jungen ei-ner Wohngruppe eine Band. In der Musik kön-nen starke Gefühle wie Wut, Verzweiflung undOhnmachtAusdruckfinden.NirgendwodrückenJugendlicheihrenGlaubenauswieinihrerLieb-lingsmusik. Das merken die Betreuerinnen und
BetreuerinWohngruppen,wennsichdieJugend-lichen zurückziehen, ihre Musik aufdrehen undindemMomentnurvondieserMusikumgebenseinwollen.DasachtsameWahrnehmenderMu-sikundderTextehilft,dieunbedingtenundbe-dingtenAnliegenderJugendlichenzuerkennen.Bei fremdsprachigenLiedtextenkanneineBitteum Übersetzung mitten hinein in ein GesprächüberKulturundReligionführen.
EinePädagogin,dieineinemProjektfürSchul-verweigerer tätig ist, bot dort einen Rap-Work-shopfürMädchenan.Siesagt,dassineinemRapvondenErfahrungenamRandderGesellschaft,von Unterdrückung und Ausbeutung erzähltwird. Und eine wichtige Rolle spiele dabei dasRebellische.SiewolltevondenMädchenwissen,welcherRapihnengefalleundwarum.Erstaun-lich offen, engagiert und selbstbewusst erzähl-tendieMädchenundtauschtensichaus:vonderFreundin,dienurnochkifft;vonderFamilie,dietrotz allem zu ihr hält; von der Schule und denLehrern,dieAngstmachen.
Räume und OrteDaseigeneZimmeristderselbstgestalteteRück-zugsort.DiemitPosternbeklebtenWändeunddiedenJugendlichenwichtigenUtensiliensagenvielüberdasaus,wasdemJugendlichenwichtigund
MeineFamilieistmirwichtig,weildadurchimmerLichtist,wosonstnurDunkelist,weilichdasDrumherumvergess‘,dasmichstresstundeigentlichunnötigist.Wegeneuchkannichsosein,wieichbinUndegalwelchenScheißichauchtreib,michdasnichtvoneuchentzweit!Eileen (14)
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wertvollist.SeineaktuelleStimmungdrücktsichimZustanddesZimmersaus.FürdieJugendlichensind diese Rückzugsorte besonders wichtig. Hierscheint die stressigeWelt vor derTür zu bleibenundhereinlässtmannurdie,dienichtnerven.
AußerhalbdiesesRückzugsortssindoftKüchender erste öffentliche Raum. Hier erwartet manmindestensleiblicheVersorgung.Oftistdiesaberauch ein Ort für Stimmungsäußerungen. WennmanGlückhat,hörteinerzuunderzählt,wieesihm selbst gerade geht. Ob ein gutes Gesprächentsteht,bleibtdemZufallüberlassen.AberinderKüche besteht immer die Chance auf Leib- undSeelsorge. Manchmal besteht diese Kombinati-onnurauseinemSandwichundderMöglichkeit,Dampfabzulassen.EinanderesMalentstehtbeidergemeinsamenEssenszubereitungganzuner-warteteingutesGesprächüberGottunddieWelt.
Besondere Orte werden meistens mit Betreu-ern oder besonderen Gästen aufgesucht. Hierwird das Alltagsgeschehen unterbrochen. EineVerabredung oder ein Treffen im GruppenraumoderimBürogebenZeit,umungestörtüberZu-kunftsperspektivenzusprechenodereinederMe-thodenfürdieRessourcenarbeitzunutzen.
RitualeDer Einzug in eine Wohngruppe ist mit großenÄngsten und Unsicherheiten verbunden: Trauerüberdas,wasverlorenwurde.Schuldgefühlege-genüberdenjenigen,diezurückgelassenwurden.ÄngstegegenüberdemFremden,demUnbekann-ten.VielleichtauchSehnsuchtundHoffnungaufeinengutenNeuanfang.InsolchenkritischenLe-bensübergängen können ein Ritual, eine gestal-teteFormundSymboleSicherheitundStabilitätgeben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nann-ten uns hierfür viele Beispiele. Manche Anlässefordern eine der Situation angemessene symbo-lischeHandlunggeradezuheraus.PädagoginnenbetreuteneineSchülerin,dieausSchutzgründenkeinenKontaktzuihremVaterhabendurfte.DenVatersahendieErwachseneninihrerUmgebungausschließlichnegativ.Siebrauchteetwas,woihrepositiven, liebevollen Erlebnisse mit ihremVaterPlatz hatten. Die Pädagoginnen wählten einen„Engel“nacheinemVerständnis,dassbeiGottdieliebenswerten Seiten eines Menschen bewahrtsind.DieSchülerinwurdeeingeladen,sichvorzu-stellen, dass dieser Engel die guten Seiten ihresVaterskenneundbewahre.
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DieressourcenorientierteGrundhaltung,sowieichsieverstehe,gehtdavonaus,dassalleMenschenRes-sourcenhaben.Allerdingsgiltauch,dassnichtallenMenschendie eigenen Kraftquellen gleichermaßenbewusstsind.
Sozialpädagoginnenund-pädagogensuchenSchätzedort,wozumindestihreKlientinnenundKlientenzu-nächstkeinevermuten.SiebrauchendafürZuversicht,NeugierundmanchmalauchHartnäckigkeit,ebeneine„Schatzsuchermentalität“.
WiesehrwirunsinsbesondereunsererpersonalenRessourcen,alsozumBeispielunsererpositivenEigen-schaften,FähigkeitenundBewältigungskompetenzenbewusstsind,hängtstarkmitdenbiografischen Erfahrungen zusammen:WiewurdenwiralskleinesKindgespiegelt,welcheReaktionenbekamenwiraufunserVerhalten,welcheNormenundWertewurdenunsvorgelebt?
WelcheWelt- und Selbstsichtkonntenwirent-wickeln?MenschenmitnegativerWelt-undSelbst-sichtschreibenErfolgeinderRegeldemZufallzuunderlebenMisserfolgealsVersagen,dessenGrundsieindereigenenUnfähigkeitvermuten.SiehabennichtdenEindruck,aufdieWeltgestaltendEinflussneh-menzukönnenundsindoftmalsregelrechtgefangenineinererlerntenHilflosigkeit.
IhrSelbstwertgefühlistdahermeistenssehrgering,der„InnereKritiker“übergroß.DiedamitverbundenenkognitivenMustergleicheneinerDatenautobahn im Gehirn:JedeneueSituationlöstinBruchteileneinerSekundedieselbenaltenautomatischenBewertungenaus.NeueSichtweisenundBewertungenhabenesdagegenschwer.
Der RessourcenblickistsoeinealternativeSichtweiseaufsichunddieWelt.Eristwohltuendundstärkend,wennerersteinmalseinvollesPotenzialentfaltet.Abereristauchzunächstfremdundbrauchtdaherjemanden,derhilft,ihnzuentdeckenundihnsichzueigenzumachen.
Der Ressourcenblick auf sich selbst ist erst einmal fremd
Dr. Sibylle Friedrich Diplom-Psychologin,Fortbildungeninressourcen-orientiertenMethodenfürMitarbeitendedesRauhenHauses,unteranderemzurreligions-undkultursensiblenArbeitmitdemInnerenTeam
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Pia (15): Hier in der WG kann ich frei reden und alle respektieren mich, wie ich bin.
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Unterstützung: Diversitätskultur in der Institution
Wir hatten bei unserem Projekt von Anfangan dasTeam und auch die Institution im Blick.Wir sehen den religions- und kultursensiblenAnsatz unter anderem als Teil des kollegialenAustausches.UndwirhaltenesfüreineAufgabeder Institution, diesen zu fördern und die Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter hierin zu unter-stützen.DieseinerseitsimInteresseeinergutenfachlichen Qualität der pädagogischen Arbeit,aber auch im Sinne der Fürsorge für das päda-gogische Personal, das im Berufsalltag in einermultireligiösen und multikulturellen Stadt mitDiversitätzutunhat.
25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter warenbereit,sichfürunsereStudiezuReligiositätundGlaubezuäußern.DerInterview-Leitfadenlehn-te sich stark an den der Jugendlichen an. Unterden Befragten herrschte Einigkeit darüber, dassfolgende Prinzipien einer religions- und kultur-sensiblenPädagogikzugrundeliegensollen:
• ToleranzgegenüberdenunterschiedlichenReligionen.
• SensibilitätauchfürdieGefahrderManipula-tionunddesMissbrauchs,wennReligionzumThemainderBetreuungwird.
• DieArbeitorientiertsichimmeramIndividu-um,ameinzelnenbetreutenMenschen.
• ReligiöseThemensindeinealltagsweltlicheRessource.
• AuthentischerUmgangmitreligiösenThe-menundFragen,dennnursokönnensiefürdieJugendlichenglaubwürdigsein.
Die Selbstreflexion der Mitarbeitenden in Sinn-undGlaubensfragenist,sosahenesdieBefrag-ten, die wichtigste Voraussetzung, um sich Ju-gendlichen gegenüber in religiösen Fragen zuöffnen. „Wenn wir den Jugendlichen im AlltagRäumeeröffnen,umübersichundihreexisten-ziellen Themen nachzudenken, dann brauchenwirPädagogendiesenRaumzuerstauchfürunsselbst“, gab eineTeamleiterin zu bedenken. DieProjektleitungnahmihreAnregungaufundstar-tete einen Teamentwicklungsprozess in SachenReligions-undKultursensibilität.
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DieserProzessbestandausachtTreffenübereinen Zeitraum von einem Jahr. An den Frage-stellungen der Teilnehmenden anknüpfendwurde prozessorientiert gearbeitet. Zum einenging es darum, den individuellen Lebensglau-ben ins Gespräch und in dieTeamentwicklungeinzubringen.BesonderslebhaftwarendieGe-spräche,wennjedereinzelne imTeameingela-denwar,sichandieGründezuerinnern,warumerodersiegeradeeinensozialenBerufgewählthat und welche Sinn- und Glaubensfragen da-mit verbunden waren. Zum anderen wurdenFragen, Ansätze und Spielregeln bezogen aufeinen religions- und kultursensiblen UmgangmitdenAdressatenderKinder-undJugendhilfediskutiert.JederhinterfragtedabeiseineeigeneHaltung und musste sie dazu zunächst mög-lichst konkret und klar formulieren – für denAustausch mit den übrigen Teammitgliedern.JürgenSpincke,derLeiterderCoachingAkade-mieNord,leitetedenTeamentwicklungsprozessund stellte fest, dass einige Fragen besondersgeeignet waren, den Diskussionsprozess inSchwungzubringen:
• WelcheswarenrückblickendbesondersschöneundbesondersschwereZeitenmeinesLebens?
• WashatmirinschwerenZeitengeholfen(habenReligion,Glaube,SpiritualitätdabeieineRollegespielt?)
• WelcheRollehabenReligion,GlaubeundSpiritualitätingutenZeitengespielt?
• Wasglaubeichübermich,andere,dieWeltunddasLeben?WasistausmeinerSichteingutesLeben?
• WasgenauistmeinLebensmotto?• ErlebeichmeineArbeitalssinnvoll?• WievielToleranzkannichvomanderen
verlangen?WosindGrenzendesEntgegen-kommens?
• Wasistfürmichinakzeptabel?• Wasgenautolerierenwirnicht?• Wasgilteseinzufordern,egalvonwem?
Eine Teilnehmerin am Teamcoaching beschriebden Prozess so: „Es war eine Möglichkeit, unsmit uns selbst auseinanderzusetzen, eine sehrwertvolle Gelegenheit. Wir kommen währendunseresArbeitsalltagsinderWohngruppevielzuseltendazu,überunsereHaltungnachzudenken.WiereagierenwiraufganzkonkreteFragen.Undwarumreagierenwirgenauso?Kommtdasausunserer jeweiligen eigenen Geschichte? HabenwirdasinRuhereflektiert?EsmachtSinn,sichalsTeamdieseZeitzunehmen.“
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DasTeamcoaching,soberichtetdieTeamleite-rinweiter,helfeauchbeiderStärkungeinerge-meinsamenHaltungalsTeam:„UnsereHaltungistinunsererBiografieverankert.WirgehenausdieserHaltungindieArbeitmitdenKindernundJugendlichen.“ Seit der gemeinsamen Reflexionfällt es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiternleichter,GrenzenzusetzenundeigeneInteressenzu vertreten:„Wir haben so sehr Rücksicht aufdie Essgewohnheiten der Jugendlichen genom-men,dasswirschließlichnurnochReisgegessenhaben. Jetzt kochen wir häufiger mehrere Spei-sen und dann gibt es auch mal Kartoffeln oderSchweinefleisch.Jederwähltaus,wasermag.“
IndenTeamswünschtemansichvielfachdieEntwicklung einer klaren Haltung und das Auf-treten als starke Erwachsene, die Jugendlichenein Gegenüber sind – im Rahmen eines religi-ons- und kultursensiblen Ansatzes. Das wurdedefiniertalsToleranzindenGrenzenderuniver-salgültigenMenschenrechte,aberauchinBezugaufkulturelleErrungenschaften.Zuletzterenge-hörenz.B.dieGleichberechtigungvonMannundFrau, ein hoher Grad an dem Individuum zuge-standener Selbstbestimmung sowie der SchutzvonMinderheiten.HinzukommenNormenundWerte,diedeneinzelnenTeamsbesonderswich-tigsind.
IndererstenPhasederBeschäftigungmitdenThemen der Religions- und Kultursensibilitätschienen sich die Grenzen gegenüber anderenKulturen und Religionsgemeinschaften aufzulö-sen.InderzweitenPhasedesTeamentwicklungs-prozessesgewannensiewiederanBedeutung–alsVoraussetzungderIdentitätsbildung.
FürdieQualitätderpädagogischenArbeit isteswichtig,mitwelchemMenschenbildundauswelchemGlaubenherausPädagogenversuchen,BrücheinLebensweltenjungerMenschenzuhei-len.DemWunschderbefragtenMitarbeiterinnenundMitarbeitersichdarüberfreiauszutauschen,solltedieInstitutionimInteresseeinerqualitativgutenArbeitundhoherArbeitszufriedenheitun-bedingtnachkommen.
Je mehr sich in einer Organisation die Religi-ons- und Kultursensibilität etabliert, desto viel-fältigerwerdendieAussagen,wasdiezuihrge-hörenden Menschen unter Religion und Kulturverstehen. Unterstützt man Teams dabei, sichin ihrem Kontext über Sinn und persönlichenGlauben auszutauschen, gemeinsame Haltun-gen und mehrVerständnis füreinander zu ent-wickeln,wirdmanesmitunterschiedlichenProfi-lenzutunbekommen.AufgabederOrganisationistesdann,ineinenDialogmitdiesenTeamszutreten. Bildlich gesprochen macht die Organi-
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sation das Scheunentor weit auf, um sich derin ihr vorhandenen Verschiedenheit gewahr zuwerdenunddieKonsenspunkteherauszufinden.Dieser Umgang mit unterschiedlichen Auffas-sungenzureligiösenundkulturellenThemenistfüreinelernendeOrganisationgenausoneuwieanspruchsvoll.EingutmoderierterDialogunterdeneinzelnenTeilenderOrganisationundvieleAnlässe der Begegnung ermöglichen den berei-cherndenUmgangmitVerschiedenheit.
Wer sich auf den Dialog einlässt, erlebt, wiedieThemenReligiositätundKulturausunseremAlltagsleben weitgehend entschwunden sindundPlatzfürdieEmanzipationdesIndividuumsmachten.
Das ist in uns fremden Kulturen oft nicht indiesemAusmaßderFall.ImSpiegeldieserKultu-renlassensichnichtnurdieStärkendereigenenKulturerkennen,ondernauchderVerlustdessen,wasTillichdie„religiöseDimension“nennt.
DasBeispielzurArbeitmitdemInnerenTeamimKapitel„Praxis“zeigt,wieeine jungeFrau ineiner ihr noch etwas fremden Kultur versucht,Beideszuvereinbaren:DenHalt,densieausihrerReligionundKulturbeziehtunddieEmanzipati-on,diesienachdemVorbildihreremanzipiertenFreundinnenanstrebt.
Andersherum könnte sich eine emanzipierteFreundinvielleichtdarüberfreuen,nichtvonkul-turellen und religiösen Einflüssen eingeengt zuwerden, sich aber gleichzeitig die Frage stellen,was ihr Halt im Leben gibt, über ihre Selbstver-wirklichung hinaus. Religions- und kultursen-sibel zu sein heißt, auf Phänomene und Anläs-se imAlltagzuachten,woderDialogzwischenLebensweltenüberFragendesLebenssinns,desReligiösen und Kulturellen angebracht ist, weiler Grenzen in der eigenen Lebenswelt und derVerständigungzwischenLebensweltenauflösenoderhinausschiebenkann.
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Sozialpädagogischprofessionellhandeln,daskönnenFachkräfteinEinrichtungenallerTräger.AberwiewirdimRauhenHausdessenchristlicheAusrichtungkenntlich?FürJohann Hinrich Wichernwarklar,dassderGlaubediezentraleLebensdimensionist.
DochdieVerbindungzwischenpädagogischer Arbeit und ReligiositätrücktemitdengesellschaftlichenVer-änderungenseitden1960er–70erJahrenandenRandderFachdiskussionen.
AberjetztentdeckenSozialpädagogenimRauhenHausdiereligiöseDimensionihrerArbeitwiederneu.SiebeobachtenbeidenbetreutenJugendlichen,waswirauchausdereigenenLebenserfahrungkennen:JederMenschwillwissen,wohererkommt,worauferhoffenkannundwasihminKrisenzeitenhilft.Ant-wortenaufdieseGlaubensfragenkönnenzurKraft-quellewerden,insbesondereinbelastetenjungenBiografien.
DieTheologieblicktaufdenGlaubeneherunterdemAspektderWahrheitssucheundwenigeraufseineFunktionalspersönlicheRessource.Gleichwohlhatjedereligiöse WahrheitssucheeinesehrpersönlicheSeite,dienachEinsichtensucht,an„dieichmeinHerzhängenkann“.
InsofernhalteichdenreligionssensiblenAnsatzderSozialpädagogikauchaustheologischerSichtfürzukunftsweisend.DamiterdieQualitätderArbeitimRauhenHausweiterverbessert,werdenwirFort-bildungsmoduleentwickeln–nachderKinder-undJugendhilfeauchinanderenArbeitsbereichen–die
diesenAnsatzwirkungsvollmitdersozialpädagogi-schenPraxisvermitteln..
DemreligionssensiblenAnsatzliegteinweitgefassterGlaubensbegriffzugrunde,derdieRealitätendermul-tireligiösenGesellschaftaufnimmt.DieimRauhenHausbegleitetenMenschengehörenunterschiedli-chenGlaubensrichtungenanundsindnurseltenkon-fessionellfestgebunden.
UnsereMitarbeiterinnenundMitarbeiter,dieüber-wiegendchristlichgeprägtsind,begegnendenbetreutenMenschenmitgroßerToleranzbezüglichandererGlaubensinhalte.Siewissen,dassReligions-sensibilitätvorallemeineHaltungsfrageist,diesichauszeichnetdurchSensibilitätfürreligiöseFragestel-lungen,durchauthentischepersönlicheGlaubensein-stellungenunddurchdieBereitschaftzumAustauschdarüber.
IchbinneugierigaufdiesenneuenWegundüber-zeugt,dassderreligions-undkultursensibleAnsatzeineBereicherung der sozialpädagogischen Arbeit zumNutzenderbegleitetenMenschendarstellenwird.
Religionssensibilität ist eine Frage der Haltung
Pastor Dr. Friedemann Green VorsteherdesRauhenHausesseit2009,zuvorwarerPropstaufEiderstedt.DasRauheHausistmitrund1.000MitarbeiterinnenundMitarbeiterneinedergrößtenDiakonie-EinrichtungeninHamburg.
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Salco (12): Wir mussten von zu Hause weg. Aber wir sind zusammen, meine Geschwister, meine Eltern und ich.
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Fazit und Ausblick: Der persönliche Glaube in Lebenswelten
Die interviewten Jugendlichen erlebten wirhöchstambivalent.Teilweisewarensienochver-haftetinnegativenGefühlen,aberauchgetragenvoneinerausderPubertäterwachsenenEnergie,diesieaufihreZukunftunddiedamitverbunde-nen Hoffnungen orientiert. Sie wünschen sichgeliebt zu werden, Geborgenheit, gesellschaft-liche Anerkennung, ein erfülltes Berufsleben,weniger Stress in Beziehungen, guten Kontaktzur Herkunftsfamilie und finanzielle Sorglosig-keit. Sie selbst glauben, dass die Erfüllung ihrerWünsche einem Wunder gleichkäme. Wir woll-tenwissen,welcheAnliegenandasUnbedingte,dasdieJugendlichenGott,Allahoderandersbe-nennen,herangetragenwerdenundmitwelchenErwartungensiehinsichtlichderErfüllungdieserBedürfnisse rechnen. Das ist eine sehr wichtigeFrage, denn bei Nichterfüllung der BedürfnissesteigtauchdieGefahreinerVerführbarkeitdurchdogmatischeEinflüsse.Demmöchtenwirentge-genwirken.
VondenPädagoginnenundPädagogenerfuh-ren wir, dass sie ihre Arbeit an einem positiven
Menschenbildausrichten.SiezeigtengroßesIn-teresseanSinn-undGlaubensfragenimRahmeneines offenen Dialogs über ihre Arbeit, um sichselbstundihrTeamweiterzuentwickeln.
Die Vertreterinnen und Vertreter der Lebens-welt- und Ressourcenorientierung betonten dieBedeutungder individuellenreligiösenundkul-turellen Prägungen der Menschen für ihre Kon-zepte.
Der Vorsteher des Rauhen Hauses machtedeutlich, dass Theologen Religion vor allem alsWahrheitssuche betrachten und dass dies auchineinerdiakonischenEinrichtungüberdieGren-zendereinzelnenReligionenhinwegmöglichist.WichtigseiderSinnfürsReligiöse.
Von diesen bisher erarbeiteten GrundlagenauskannsichdasProjektweiterentwickelnunddabeiandereEinrichtungeneinbeziehen.Teamssetzen sich mit den in dieser Broschüre zusam-mengetragenen Erkenntnissen auseinanderund bringen mit eigenen Positionen den Tea-mentwicklungsprozess voran. Die Personalent-wicklungundQualitätssicherungindenEinrich-
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Michael TüllmannProjektleiterreligions-undkultursensiblePädagogik,StiftungsbereichsleiterKinder-undJugendhilfe,DasRauheHaus
Sylke KösterkeProjektreferentinreligions-undkultursen-siblePädagogik,SozialpädagogininderKinder-undJugendhilfe,DasRauheHaus
tungen der Jugendhilfe können diese Prozesseunterstützen und beteiligte Ausbildungsstellensichmitder IntegrationdiesesAnsatzes inAus-bildung und Studium befassen. Die TheologiekönnteeineninterreligiösenDialogzudenThe-men der Jugendlichen etablieren und somit andiesenThemenInteressierteanderWahrheitssu-chebeteiligenundfürunterschiedlicheZugängesensibilisieren.
Ziel all dieser Anstrengungen ist es, den Ju-gendlichenGelegenheitzugeben,überihreAn-liegennachzudenken.Wodiesgelingt,erkennensie, inwieweit ihre Anliegen von ihren Mitmen-schenerfülltwerdenkönnen.Sieerkennenauch,welche ihrer Anliegen sich an das Unbedingterichten.DiesesindsomitunverfügbarvonjederMacht der Welt, aber auch wiederum nur be-grenzterfüllbarvonMenscheninderWelt.
DasProjektzurreligions-undkultursensiblenPädagogikwirdbis indas Jahr2017 fortgesetzt.
Derreligions-undkultursensibleAnsatzwirdda-bei in sechs Einrichtungen bundesweit erprobtunderweitert.DiebeteiligtenEinrichtungenwer-densichdazuintensivaustauschen.SchwerpunktindieserzweitenProjektphaseistaußerdemdieIntegration in die sozialpädagogische Ausbil-dung.Wir halten Sie auf dem Laufenden unter:
www.religions-kultursensibel.de
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ReligiöseundkulturelleSensibilitätwerdeninderSo-zialenArbeitunddarüberhinausimmerwichtiger.Ichsehedarineinegroße Chance, miteinanderzulernen,wieeinfriedlichesundgutesZusammenlebeninun-sererGesellschaftgelingenkann.
BeiunsanderSchuleistesganzwichtig,dassdieSchülersichinToleranzüben.WirhabenSchüleraus120verschiedenenNationen,siesindChristen,Mus-lime,BuddhistenodergehörenkeinerReligionsge-meinschaftan.KulturelleoderreligiöseVorstellungenwerdendannproblematisch,wennsieeinenandernverletzen,seinerFreiheitberaubenoderihnbedrohen.
IchgehemitdenSchülernindie Kirche, die Synagoge, die Moschee oder den Tempel, damitsiewissen,dassesdasgibt.Wirakzeptierennicht,dassKindersichweigern.Esistjedemzumutbar,sichmitdemGlaubenderanderenzubeschäftigen.DieallermeistenKindermachendasauchausgesprochengern.
WirverlangeninunsererSchulenicht,dassdieSchüleralles,wasaufihrenGlaubenhinweist,ablegen.Ichkannesakzeptieren,wennSchülerinnensichfürdasKopftuchentscheiden.EswirdindemMomentpro-blematisch,woeineSchülerinmirsagt,sieseidazugezwungenworden.Wasisterlaubt,wowerdenGren-zenüberschritten?MeineRichtschnursinddabeidieMenschenrechte.Siesinduniversal,füralleMenschengleichunddürfennichtverletztwerden.
Ichbinüberzeugt,dassesgutist,wennMenscheneine religiöse Anbindung haben.IchhabeoftmitsehrtraurigenGegebenheitenzutun.Kindern,derenEltern
verstorbensind,Eltern,derenKinderverstorbensind,Suchterkrankungen.DieCousineeinerSchülerinistunerwartetverstorben.DasMädchenwarsehrtrau-rig,konntedemUnterrichtnichtfolgen.WirhabendanninderKlasseeinTrauerseminarmitdemPastordurchgeführt.Eswaroffengehaltenundfreiwillig.DieKindersagtenhinterher:„Eswartoll,dasswirallezu-sammengeweinthabenunddasswirnachherwiedergelachthaben.“
ManmusssichinjedeSituationhineinfühlen.Wasbe-deutetetwasfürdiesesKindundseineFamilie?DieseSensibilitätbrauchenwirjetztundinZukunftnochvielmehr.InunsererSchulewirddasglücklicherweisestarkgefördert.
Ichglaube,eskannnurüberdenDialoggehen.Ambestensolltenwirmehr miteinander, weniger über-einander reden. SozialeArbeitundeigentlichwirallemüssenvieloffenerfürdieVielfaltanreligiösenundkulturellenVorstellungenwerden,diezuunsererGe-sellschaftgehören.
Diese Sensibilität wird für gutes Zusammenlebenimmer wichtiger
Katja Röschmann SozialpädagogininderSchulkooperationmitdemKurt-Körber-GymnasiuminHamburg-Billstedt,Kinder-undJugendhilfe,DasRauheHaus
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Literatur
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Impressum
©2015StiftungDasRauheHausKinder-undJugendhilfeBeimRauhenHause21,22111HamburgTel.040/65591-0www.rauheshaus.de
Text:MichaelTüllmann,SylkeKösterke,AnkePieperRedaktion:AnkePieper,www.ankepieper.deGestaltung:JohannesGrohtKommunikationsdesign,www.groht.comFotos:UlrikeGroßbongardt(S.52,53),MarkusScholz,www.scholzfoto.de(Titel,S.6,10,16,26,34,44,50),StephanWallocha(S.25,49,52)
DieNamenderabgebildetenJugendlichenwurdenvonderRedaktiongeändert.
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Die Vielfalt der Lebenswelten
WelcheBedeutunghabenSinn-undGlaubensvorstellungenfürJugendlichealsRessourcederLebensgestaltung?DieshatdasForschungsprojektzurReligions-undKultursensibilitätinderJugendhilfeuntersucht.DieseBroschürestelltdasForschungsprojektundseineErgebnissevorundgibtAnregungenfürdiePraxis.
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