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LOHSEPARK Durch die herzförmigen Blätter der Linden fallen die letzten warmen Sonnenstrahlen. Ein lauer Sommerwind weht das Geschrei von Möwen bis zum Loh- seplatz herüber, Besucher des Infopavillons „Hannoverscher Bahnhof“ werfen lange Schatten auf die Pflastersteine. Viele sind in diesem Jahr gekommen, um sich über die Geschichte des Ortes zu informieren – bei Lesungen, Konzerten oder Vorträgen, zu de- nen die Hamburger Kulturbehörde im Rah- men einer vierteiligen Veranstaltungsreihe eingeladen hatte. Die letzte endete mit ei- nem Rundgang durch den Park. „Wir können inzwischen vieles von dem sehen, was ein- mal die endgültige Gestalt des Lohseparks und auch des Gedenkortes ausmachen wird“, erläutert Dipl.-Ing. Andreas Schneider, Senior Projektmanager bei der HafenCity Hamburg GmbH. So gerät ein Streifzug durch den Park heute zur kleinen Zeitreise in Richtung Zu- kunft und Vergangenheit. Vor wenigen Wochen wurden die ersten Bäume im südlichen Mittelteil des Lohse- parks gepflanzt, weitere kommen Ende Ok- tober dazu. Rund 530 Bäume werden es am Ende sein, die die zentrale Sichtachse des Lohseparks im Osten und im Westen einfas- sen – vorwiegend heimische Arten wie Ei- chen und Erlen, aber auch Exoten wie Gledit- schien, Schnur- und Kuchenbäume. Manche der Gehölze werden zu „Follies“ gruppiert: Hainbuchen verwachsen zu einem robusten Spielwäldchen, im Quader angeordnete Säu- leneichen umsäumen ein Basketballfeld mit Stufentribüne, Apfelbäume und Süßkirschen werden zu Obsthainen arrangiert. Dazwi- schen erstrecken sich weitläufige Rasen- und Wiesenflächen. So entsteht ein Natur- und Erholungsraum zum Ausruhen und Verwei- len, der zum Spielen, Picknicken, Spazieren- gehen, zum Joggen oder auch zu kulturellen Aktivitäten einlädt. 4,4 Hektar misst der als Volkspark der HafenCity konzipierte Lohse- park. Städtebaulich wird die Grünfläche zwi- schen Ericusgraben und Baakenhafen den Wallring bis zur Elbe verlängern. „Der Lohsepark wird von Menschen unter- schiedlichen Alters vielfältig genutzt wer- den, und so selbstverständlich hier auf dem Rasen gelegen oder gespielt wird, so selbst- verständlich ist der Park in seinem mittleren Abschnitt auch ein Ort des Gedenkens“, sagt Andreas Schneider. Bisher können Besucher dies erst am Lohseplatz mit seinem Info- pavillon „Hannoverscher Bahnhof“ erleben: Wo ursprünglich der Bahnhofsvorplatz lag, wurde auf 1.000 Quadratmetern mit histori- schem Großsteinpflaster bereits ein gut be- suchter Veranstaltungs- und Begegnungsort geschaffen. Außer dem Pavillon erinnert ei- ne Schrifttafel unter Pappeln und Linden an das bedrückende und lange unbeleuchtete Kapitel der Deportationsgeschichte rund um den ehemaligen Güterbahnhof. Der künftige Gedenkort soll sich so selbst- verständlich in das Ensemble aus Rasen- und Spielflächen, Hainen, Büschen und Bastio- nen einfügen, wie der Lohseplatz es heute bereits tut, und die historischen Fäden dabei aufnehmen. In den 40er Jahren diente der damalige Güterbahnhof als Ausgangspunkt für die Deportation von mindestens 7.692 Juden, Sinti und Roma, 20 Züge wurden von dort auf ihren Weg zu den Ghettos und Vernichtungslagern der Nationalsozialisten geschickt. Heute sieht man von der Anlage kaum mehr als Überreste: Bombenangriffe hatten bereits große Teile des Hauptgebäu- des zerstört, die letzten Ruinen des Portals wurden 1955 gesprengt. Im Zuge der Planungen für den Lohsepark identifizierten Historiker jedoch bauliche Reste des Bahnsteigs 2. Von dieser Plattform aus waren nachweislich einige der Deporta- tionszüge abgefahren – eine Erkenntnis, die einen angemessenen Umgang mit dem Fund erforderte. Inzwischen stehen die authenti- schen Bahnsteigreste mit ihren Kanten aus Klinkerbausteinen und grauem Pflaster un- ter Denkmalschutz, ebenso der Verlauf der Gleistrasse. Das Ensemble bildet nun den Grundstein für einen Gedenkort. Im Rahmen des landschaftsarchitektonischen Wettbe- werbs für den Lohsepark, aus dem das Büro Vogt aus Zürich als Sieger hervorging, hatten die Planer bereits Ideen für die Gestaltung entwickelt. „Das war keine alltägliche Aufgabe, einen authentischen Ort des Erinnerns an zen- traler, auch im Alltag intensiv genutzter Stelle zu gestalten“, erinnert sich Andreas Schneider. Der künftige Gedenkort wird aus drei Elementen bestehen: dem Relikt des Bahnsteigs 2 und seiner Umgebung, einer topografischen Referenz an den alten Tras- senverlauf („Fuge“) sowie einem Dokumen- tationszentrum am Rande des Parks. „Da die Orte getrennt voneinander liegen, kommt es darauf an, sie sinnfällig zu verknüpfen“, sagt Prof. Günther Vogt. Der international renom- mierte Landschaftsarchitekt greift dafür die Höhendifferenzen innerhalb des Parks auf. Die Anlage erstreckt sich über drei Ebenen: das Stadtniveau – hochwassergeschützt auf 8,50 Meter über Normalnull (NN) –, die Park- ebene (6,50 Meter über NN) und die histori- sche Ebene (5,50 Meter über NN). Für die Planung hat das Züricher Büro die Topografie des Lohseparks in einem zehn Meter langen und anderthalb Meter breiten Modell nachgebaut. „In dieses Modell kön- nen wir hineingehen“, erklärt Günther Vogt: „so erhalten wir die Perspektive eines Fuß- gängers und erkennen schneller als am Zei- chenbrett, NEWS HAFENCITY HAMBURG OKTOBER 2014 Fotos: Miguel Ferraz Araújo (1), Thomas Hampel/ELBE & FLUT (1) In diesen Wochen beginnen die Baumpflanzungen im zentralen Teil des Lohseparks. Nicht nur die größte Grünanlage der HafenCity wird schneller realisiert als erwartet, auch für den künftigen Gedenkort Hannoverscher Bahnhofgibt es nun detaillierte Planungen Die HafenCity wird grün: Anwurzeln im Lohsepark Fortsetzung auf Seite 2 3 IN DIESER AUSGABE: Urbanes Dorf am Baakenhafen Von der Komposition eines neuen Quartiers Seite 3 Zwei Sorten Elbsand Wie man im Hafenbecken eine Insel erschafft Seite 4–5 Nah am Wasser gebaut Marquardt & Bahls vor besonde- ren Herausforderungen Seite 7 Der „Billebogen“ Eine neue Aufgabe für die Hafen- City Hamburg GmbH Seite 8 In Sommer herrschte reger Publikumsverkehr am Info-Pavillon „Hannoverscher Bahnhof“ Ein authentischer Ort des Erinnerns WWW.HAFENCITY.COM 1

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Page 1: HAFENCITY HAMBURG NEWS

LOHSEPARK Durch die herzförmigen Blätter der Linden fallen die letzten warmen Sonnenstrahlen. Ein lauer Sommerwind weht das Geschrei von Möwen bis zum Loh-seplatz herüber, Besucher des Infopavillons „Hannoverscher Bahnhof“ werfen lange Schatten auf die Pflastersteine. Viele sind in diesem Jahr gekommen, um sich über die Geschichte des Ortes zu informieren – bei Lesungen, Konzerten oder Vorträgen, zu de-nen die Hamburger Kulturbehörde im Rah-men einer vierteiligen Veranstaltungsreihe

eingeladen hatte. Die letzte endete mit ei-nem Rundgang durch den Park. „Wir können inzwischen vieles von dem sehen, was ein-mal die endgültige Gestalt des Lohseparks und auch des Gedenkortes ausmachen wird“, erläutert Dipl.-Ing. Andreas Schneider, Senior Projektmanager bei der HafenCity Hamburg GmbH. So gerät ein Streifzug durch den Park heute zur kleinen Zeitreise in Richtung Zu-kunft und Vergangenheit.

Vor wenigen Wochen wurden die ersten Bäume im südlichen Mittelteil des Lohse-parks gepflanzt, weitere kommen Ende Ok-tober dazu. Rund 530 Bäume werden es am Ende sein, die die zentrale Sichtachse des Lohseparks im Osten und im Westen einfas-

sen – vorwiegend heimische Arten wie Ei-chen und Erlen, aber auch Exoten wie Gledit-schien, Schnur- und Kuchenbäume. Manche der Gehölze werden zu „Follies“ gruppiert: Hainbuchen verwachsen zu einem robusten Spielwäldchen, im Quader angeordnete Säu-leneichen umsäumen ein Basketballfeld mit Stufentribüne, Apfelbäume und Süßkirschen werden zu Obsthainen arrangiert. Dazwi-schen erstrecken sich weitläufige Rasen- und Wiesenflächen. So entsteht ein Natur- und Erholungsraum zum Ausruhen und Verwei-

len, der zum Spielen, Picknicken, Spazieren-gehen, zum Joggen oder auch zu kulturellen Aktivitäten einlädt. 4,4 Hektar misst der als Volkspark der HafenCity konzipierte Lohse-park. Städtebaulich wird die Grünfläche zwi-schen Ericusgraben und Baakenhafen den Wallring bis zur Elbe verlängern.

„Der Lohsepark wird von Menschen unter-schiedlichen Alters vielfältig genutzt wer-den, und so selbstverständlich hier auf dem Rasen gelegen oder gespielt wird, so selbst-verständlich ist der Park in seinem mittleren Abschnitt auch ein Ort des Gedenkens“, sagt Andreas Schneider. Bisher können Besucher dies erst am Lohseplatz mit seinem Info-pavillon „Hannoverscher Bahnhof“ erleben:

Wo ursprünglich der Bahnhofsvorplatz lag, wurde auf 1.000 Quadratmetern mit histori-schem Großsteinpflaster bereits ein gut be-suchter Veranstaltungs- und Begegnungsort geschaffen. Außer dem Pavillon erinnert ei-ne Schrifttafel unter Pappeln und Linden an das bedrückende und lange unbeleuchtete Kapitel der Deportationsgeschichte rund um den ehemaligen Güterbahnhof.

Der künftige Gedenkort soll sich so selbst-verständlich in das Ensemble aus Rasen- und Spielflächen, Hainen, Büschen und Bastio-nen einfügen, wie der Lohseplatz es heute bereits tut, und die historischen Fäden dabei aufnehmen. In den 40er Jahren diente der damalige Güterbahnhof als Ausgangspunkt für die Deportation von mindestens 7.692 Juden, Sinti und Roma, 20 Züge wurden von dort auf ihren Weg zu den Ghettos und Vernichtungslagern der Nationalsozialisten geschickt. Heute sieht man von der Anlage kaum mehr als Überreste: Bombenangriffe hatten bereits große Teile des Hauptgebäu-des zerstört, die letzten Ruinen des Portals wurden 1955 gesprengt.

Im Zuge der Planungen für den Lohsepark identifizierten Historiker jedoch bauliche Reste des Bahnsteigs 2. Von dieser Plattform aus waren nachweislich einige der Deporta-tionszüge abgefahren – eine Erkenntnis, die einen angemessenen Umgang mit dem Fund erforderte. Inzwischen stehen die authenti-schen Bahnsteigreste mit ihren Kanten aus Klinkerbausteinen und grauem Pflaster un-ter Denkmalschutz, ebenso der Verlauf der Gleistrasse. Das Ensemble bildet nun den Grundstein für einen Gedenkort. Im Rahmen des landschaftsarchitektonischen Wettbe-werbs für den Lohsepark, aus dem das Büro Vogt aus Zürich als Sieger hervorging, hatten die Planer bereits Ideen für die Gestaltung entwickelt.

„Das war keine alltägliche Aufgabe, einen authentischen Ort des Erinnerns an zen-

traler, auch im Alltag intensiv genutzter Stelle zu gestalten“, erinnert sich Andreas Schneider. Der künftige Gedenkort wird aus drei Elementen bestehen: dem Relikt des Bahnsteigs 2 und seiner Umgebung, einer topografischen Referenz an den alten Tras-senverlauf („Fuge“) sowie einem Dokumen-tationszentrum am Rande des Parks. „Da die Orte getrennt voneinander liegen, kommt es darauf an, sie sinnfällig zu verknüpfen“, sagt Prof. Günther Vogt. Der international renom-mierte Landschaftsarchitekt greift dafür die Höhendifferenzen innerhalb des Parks auf. Die Anlage erstreckt sich über drei Ebenen: das Stadtniveau – hochwassergeschützt auf 8,50 Meter über Normalnull (NN) –, die Park-ebene (6,50 Meter über NN) und die histori-sche Ebene (5,50 Meter über NN).

Für die Planung hat das Züricher Büro die Topografie des Lohseparks in einem zehn Meter langen und anderthalb Meter breiten Modell nachgebaut. „In dieses Modell kön-nen wir hineingehen“, erklärt Günther Vogt: „so erhalten wir die Perspektive eines Fuß-gängers und erkennen schneller als am Zei-chenbrett,

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In diesen Wochen beginnen die Baumpflanzungen im zentralen Teil des Lohseparks. Nicht nur die größte Grünanlage der HafenCity wird schneller realisiert als erwartet, auch für den künftigen Gedenkort „Hannoverscher Bahnhof“ gibt es nun detaillierte Planungen

Die HafenCity wird grün: Anwurzeln im Lohsepark

Fortsetzung auf Seite 2 3

IN DIESER AUSGABE:

Urbanes Dorf am Baakenhafen Von der Komposition eines neuen Quartiers Seite 3 Zwei Sorten Elbsand Wie man im Hafenbecken eine Insel erschafft Seite 4–5

Nah am Wasser gebaut Marquardt & Bahls vor besonde-ren Herausforderungen Seite 7

Der „Billebogen“ Eine neue Aufgabe für die Hafen-City Hamburg GmbH Seite 8

In Sommer herrschte reger Publikumsverkehr am Info-Pavillon „Hannoverscher Bahnhof“

Ein authentischer Ort des Erinnerns

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was funktio-niert und was fehlt.“ Unter anderem ergab sich so die barrierefreie Verbindung der verschiedenen Parkebenen. Einige dieser Verknüpfungen schaffen die sechs baumbe-standenen Bastionen, sie ragen vom Stadt-raum in den Park und führen die Besucher über eine Rampe in den Park hinunter. „Für die Mauern der Bastionen entwickelten wir transparente Gittersteine“, so Vogt, „sie grei-fen die rot-braune Klinkerarchitektur Ham-burgs auf und interpretieren sie modern.“

In der Topografie des Lohseparks spielt die Fuge eine zentrale Rolle. Wie ein „Einschnitt“ durchquert diese Schneise diagonal den Park und verbindet den Lohseplatz mit dem 100 Meter weiter südöstlich gelegenen Bahnsteig. Mit ihr können Besucher den his-torischen Weg der Deportationszüge phy-sisch nachvollziehen: Nahezu unbemerkt deutet sich die Fuge inmitten der Rasenflä-chen des Parks zunächst sanft an und sinkt im weiteren Verlauf immer weiter ab, bis sie schließlich den Bahnsteig erreicht.

Eingefasst wird sie von einer ansteigen-den Mauer aus Splittbeton, die zugleich den Höhensprung zum Parkgelände überwin-det: Je tiefer der Besucher in die Geschichte „hinabsteigt“, desto höher reicht diese Mauer. Spätestens wenn die Fuge die Straße Am Hannoverschen Bahnhof durchschneidet – die drei Meter höher liegt als das historische Gelände und durch eine filigrane Fußgän-ger- und Fahrradbrücke verbunden bleibt –, entsteht der Eindruck einer schrägen Wand. Sie erhält an der Oberfläche eine leichte Fal-tung, ähnlich einer Ziehharmonika. Durch die unterschiedliche Sonneneinstrahlung sammeln sich auch Moose und Flechten un-

terschiedlich stark an, was die geometrisch erzeugten Licht- und Schattenspiele später noch verstärken wird. Dabei bleibt die Fuge ein luftiger, freundlicher Korridor. Tagsüber fällt Sonnenlicht herein, nachts sorgt eine großzügige Beleuchtung für gute Sichtver-hältnisse.

Besucher gehen dabei auf einem gepflas-terten Weg neben Schotterflächen her. Zwi-schen die Gesteinskörner werden Stauden und Gräser gepflanzt. „Im Laufe der Zeit sollen diese Primärpflanzen wild über den Schotter wuchern, genauso wie es an einem echten Gleisbett passiert“, sagt Landschafts-experte Vogt. „Jede Stadt hat ein Gedächt-nis. Diese Erinnerung wollen wir so authen-tisch wie möglich halten.“

Den eigentlichen Gedenkort bildet der Bahnsteig. Um ihn herum weitet sich der Raum; Birken, Robinien und Sommerflie-der rahmen ihn ein. Ein eher besinnlicher Ort ohne didaktisches Mahnmal. „Wir ver-zichten bewusst auf große Gesten“, betont Vogt, „wir wollten einen Ort zum Innehal-ten, eine zugängliche, spürbar historische, aber nicht überfrachtete Gedenkstätte.“ Die historischen Hintergründe werden Besucher in einem Informations- und Dokumentati-onszentrum recherchieren können. In den geplanten Neubau wird die Wanderausstel-lung „In den Tod geschickt“ einziehen, die 2009 erstmals das Schicksal der deportier-ten norddeutschen und Hamburger Bürger offenlegte. Zusätzlich werden die jüngst ge-fundenen Gründungselemente und Gewöl-be des Bahnhofs dokumentiert.

Im Westen grenzt unmittelbar an den Ge-denkort ein Schulgebäude an. Das Gymnasi-um wird ab 2016/2017 an der Südwestseite errichtet. Zwischen seinen Gebäudekanten auf der einen und dem bestehenden Bahn-damm auf der anderen Seite öffnet sich ein

Durchgang zur Versmannstraße. Für Prof. Günther Vogt liegt in der Nähe von Schule, Hauptstraße und Gedenkort der urbane Cha-rakter des Ortes begründet: „Nachbarschaf-ten, die scheinbar nicht verträglich sind, zeichnen eine Stadt aus. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Schüler und Lehrer damit umzugehen verstehen und der Gedenkstätte mit dem nötigen Respekt die Ehre erweisen.“

So findet sich im Kleinen die Vision für den gesamten Park wieder: „Der Lohsepark soll ein Volkspark in bester Hamburger Tradition werden, sehr sozial und mit uneingeschränk-tem Zugang für alle Menschen, und das für 24 Stunden am Tag“, sagt Vogt. Wer weiß: In ein, zwei Jahren kreuzen vermutlich schon Inlineskater und Jogger, Spaziergänger und Radfahrer die Alleen und Pfade. Kleinkin-der kraxeln in dem Kletterwäldchen herum, die Älteren pflücken Äpfel. Schüler dürften sich über die Grotte freuen, die geologische Schichten offenlegt, und über ein Basket-ballfeld mit kleiner Tribüne. Daneben bolzen vielleicht ein paar Studierende der HafenCity Universität. Und die Kinder der angrenzen-den Kitas spazieren zum Gemeinschaftshaus oder toben an Spielgeräten.

Wer dann in der Mitte des Lohseparks den Blick schweifen lässt, wird eine besondere Atmosphäre erleben, verspricht Günther Vogt: „Sie changiert zwischen der Ruhe, die

Orte am Wasser ausstrahlen, und urbanem Leben, zwischen spürbarer Geschichte, ge-lebter Gegenwart und einer in die Zukunft gerichteten Gestaltung.“

Baulich geht es nun im Lohsepark zügig vo-ran. Im Norden und im Süden ist der Park be-reits seit Längerem grün. Im nördlichen Teil wurde zum Evangelischen Kirchentag 2013 der Lohseplatz eröffnet. Die Fertigstellung des südlichen Abschnitts mit seiner großzü-gigen Freitreppe am Baakenhafen folgte im Sommer 2013. Im Gegensatz zu diesem ur-banen Ambiente wird sich der Park an seiner nördlichen Grenze, am Ufer des Ericusgra-bens von seiner weichen Seite zeigen: Mit-hilfe von Unterwasserspundwänden wird dort zurzeit eine sanft abfallende Böschung vorbereitet. Kräuter, Stauden, Röhricht und Schilf kommen im Frühjahr in die Erde, da-nach bleibt die Natur sich selbst überlassen.

Wenn die ersten Bewohner des Quartiers Ende kommenden Jahres mit ihren Umzugs-wagen eintreffen, finden sie diese größte Grünanlage im Südosten der Innenstadt be-reits vor der neuen Haustür vor. Ende 2015 können die Bodenmaßnahmen wahrschein-lich abgeschlossen werden, die offizielle Er-öffnung ist nach dem Anwachsen des Rasens für das Frühjahr 2016 geplant.

3 Fortsetzung von Seite 1

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Bedeutende Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, und dies – wie es einer HafenCity gebührt – zu Land wie zu Wasser: Seit einigen Wochen stehen die ersten zwölf Bäu-me im zentralen Abschnitt des Loheparks, noch in diesem Herbst kommen hunderte hinzu, bei seiner Fertigstellung werden es mehr als 500 sein. Im Baakenhafen wird in den kommenden Monaten eine künstliche Halbinsel als Freizeitpark aufgeschüttet, ein Projekt, wie es selbst eine Stadt wie Hamburg selten erlebt. Zusammen mit der Fahrrad- und Fußgängerbrücke als Verbindung zum Versmannkai ist dies die letzte noch ausstehende große Infrastrukturmaßnahme im Quartier: Der Baakenhafen wird bewohnbar. Nachdem bereits drei Grundstücke im Nordwesten des Quartiers anhandgegeben wurden, stehen nun für den südlichen Teil elf neue Bauherren mit ungewöhnlich vielfältigen Konzepten für gut 800 Wohnungen in den Startlöchern. Und auch auf den Baustellen an der Shanghaiallee macht sich Fortschritt bemerkbar – dort, wo Gebr. Heinemann und Marquard & Bahls zurzeit neue Firmengebäude errichten, und weiter südlich, wo die Baugemeinschaft Dock 71 mit den Bauarbeiten begonnen hat. Dabei entsteht am Lohsepark bereits eine neue Qualität des Wohnens, getragen von gemeinnützigen Unternehmen, Genossenschaften und Baugemein-schaften mit integrativen Konzepten und geförderten Mietwohnungen in attraktiver Lage, wie sie die gesamte zentrale und östliche HafenCity prägen wird. Eine Qualität, die den nachhaltigen Charakter einer neu gebauten, aber differenzierten HafenCity mit sozialen Begegnungsorten zur Geltung bringt.Und im Westen, nichts Neues? Für den Strandkai sind die Architekturwettbewerbe abgeschlossen, und im Überseequartier zeichnet sich ein Neustart der Entwicklung mit einem neuen Bauherren ab. Es bleibt spannend in der HafenCity.

Viel Vergnügen bei der Lektüre,

Ihr Jürgen Bruns-Berentelg,Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH

EDITORIAL

Kein Mahnmal, sondern Gedenkstätte: Die Überreste des Bahnsteigs und seiner Gleise laden zum Innehalten ein

Durch die sogenannte „Fuge“ gelangen Besucher künftig aus dem Zentrum des Parks zum Gedenkort

Pflanzen überwuchern die Steine

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Ein Jahr nach den ersten großen Ausschreibungen für die östliche HafenCity werden neun Grundstücke anhandgegeben. Schon heute zeichnetsich ab, dass das Quartier im Hinblick auf die soziale Mischung, Vielfalt der Nutzungen und Inklusion neue Standards setzen wird

Das Quartier Baakenhafen: Willkommen im urbanen Dorf! BAAKENHAFEN Lebenslustige Alt-68er-WG trifft auf strebsame Jungakademiker – die erste Begegnung im ge-meinsamen Mietshaus verläuft nicht gerade harmonisch, doch im Laufe der Zeit lernen die Generationen, wie sie von-einander profitieren können. Der Film „Wir sind die Neuen“ amüsiert zurzeit nicht nur das deutsche Kinopublikum, er zeigt auch ein Stück urbaner Lebenswirklichkeit: soziale Mi-schung in hoch verdichten Innenstädten – ein Thema, das sich auch als wichtige Aufgabe für die nachhaltige Stadtent-wicklung in Neubauarealen darstellt. Dies gilt in besonderer Weise für die östliche HafenCity.

In den kommenden Jahren wird auf beiden Seiten des längs-ten Hafenbeckens der HafenCity ein urbaner und lebens-werter Ort am Wasser entstehen: Wohnen mit unterschied-lichsten Konzepten für Menschen aller Generationen und Einkommensklassen, Freizeitnutzungen in grünen Freiräumen mit vielfältigen Erholungs- und Sportangeboten, Arbeiten in kleinen und mittelgroßen Strukturen, das alles bei guter Nah-versorgung in einem außergewöhnlich nachhaltigen Umfeld. Baulich wird das Quartier mit seinem hohen Wohnungsanteil dem Dalmannkai ähneln, und doch wird es dabei einen ganz eigenen Charakter herausbilden.

Zwei Grundstücke am nordwestlichen „Eingang“ zum Quar-tier sind bereits seit einiger Zeit anhandgegeben. Den Auftakt bildet ein 15-geschossiger Turm, der zusammen mit zwei Ge-bäuderiegeln vorwiegend Wohn- und Büronutzungen beher-bergen wird, entwickelt von Garbe Immobilien-Projekte. Gleich nebenan baut die österreichische JUFA-Gruppe mit DS Bauconcept ein Familienhotel in Kombination mit Woh-nungen. Auf der südlich gelegenen Halbinsel werden nun elf Bauherren acht Grundstücke entwickeln, darunter vier der sechs Wasserhäuser. Konzeptionell erhält die östliche Hafen-City rund um den Lola-Rogge-Platz einen eigenen „urbanen Dorfkern“, einen attraktiven Markplatz mit allen wichtigen Funktionen für die östliche HafenCity. Die künftigen Bewoh-ner finden von Anfang an eine gute Nahversorgung und Dienstleistungen des alltäglichen Bedarfs vor: Neben einem Frischemarkt entstehen in den Lauflagen kleinere Läden, eine Drogerie und weitere Dienstleistungen wie zum Beispiel ein Friseur. Nicht nur mit Blick auf die älteren Generationen wer-den gesundheitsbezogene Dienstleistungs- und Beratungsan-gebote angesiedelt, darunter Ärzte und eine Apotheke. An der südlichen Wasserseite der Gebäude sollen sich gastrono-mische, Freizeit- und Sportnutzungen etablieren. Nur ein paar Meter weiter östlich, zwischen Baakenallee und Freizeitinsel, bekommen junge Familien mit einer Grundschule und einer Kita mit 200 Plätzen eine zentrale, gut sichtbare Anlaufstelle.

Wie alle Einrichtungen rund um den Marktplatz wird die Schule ausgezeichnet an die zentrale HafenCity und die Innen-stadt angebunden sein. Von Westen her gelangen U-Bahn- (U4) und PKW-Fahrer bereits seit Sommer 2013 über die Baa-kenhafenbrücke dorthin, künftig wird der 111er-Bus am Lola-Rogge-Platz halten. Ab Ende 2016 finden Radfahrer und

Fußgänger mit der geplanten Brücke zwischen der Freizeitinsel im Baakenhafen und dem Versmannkai eine weitere Verbin-dung vor, die wiederum die Rolle der südlichen Landzunge als Quartierszentrum stärkt. Einen besonderen Beitrag zur Er-reichbarkeit leistet darüber hinaus die Unterbauung des zen-tralen Platzes mit einer zweigeschossigen Parkgarage, von der eine Ebene öffentlich zugänglich ist. Wer seine Kinder zur Schule bringt oder abholt oder größere Einkäufe erledigen will, wird dort 30 Minuten lang kostenfrei parken können.

Mit 75 Prozent ist der Flächenanteil der Wohnungen im Quar-tier etwa so hoch wie am Dalmannkai, doch bereits in den ers ten Gebäuden, die im südlichen Teil des Quartiers Baaken-hafen realisiert werden, zeichnet sich eine erheblich größere Vielfalt und stärkere Durchmischung ab: 44 Prozent der Wohnflächen entstehen im Segment des geförderten Woh-nungsbaus (1. und 2. Förderweg), und auch absolut werden es mehr. Statt der bisher geplanten 720 werden nun mehr als 800 – durchschnittlich kleinere – Wohnungen realisiert.

Rund um den Lola-Rogge-Platz übernimmt ein Wohnungs-bauunternehmen die konzeptionell vielfältige Bebauung mit Mietangeboten unter anderem für Menschen mit Behinde-rung, für Pflegebedürftige und für Studierende. Neben geför-derten Wohnungen für Familien mit geringem Einkommen wird es in der HafenCity weitere Angebote für Haushalte der mittleren Einkommensklassen geben. Hierbei leisten Genos-senschaften mit ihren Angeboten einen wertvollen Beitrag. Für den geförderten Wohnungsbau gilt: „Er wird in kleineren Abschnitten vieler Blöcke realisiert und sich baulich nicht von den übrigen Wohnungssegmenten unterscheiden – so wird

eine vollständige Integration bei starker Mischung möglich“, sagt Dr. Marcus Menzl, der bei der HafenCity Hamburg GmbH die sozialen Entwicklungsprozesse begleitet. Eine Ausnahme bilden die Wasserhäuser, hier entstehen ausschließlich Eigen-tumswohnungen – Zugeständnis an die hohen architekto-nischen Anforderungen des Bauens auf dem Wasser und des Entwurfs des japanischen Architekten Shigeru Ban, der auf den Wassergrundstücken umzusetzen ist.

Wichtigste Zielgruppe für den Wohnungsbau im Baakenha-fen bleiben indes Familien. Die künftigen Bauherren verpflich-ten sich, in mehr als 35 Prozent aller Wohnungen familienori-entierte Grundrisse zu schaffen. Daneben prägt eine große Vielfalt von Themen und Konzepten die neuen Nachbarschaf-ten: Eingebettet in frei finanzierte Mietwohnungen etabliert sich zum Beispiel auf dem Grundstück 89 ein weiteres Projekt für Menschen mit Behinderung und eine Baugemeinschaft mit Mehrgenerationen-Ansatz. Auf dem Grundstück 95 wird ein Wohnpflegeprojekt für junge, chronisch Kranke entstehen und eine Baugemeinschaft mit Bewohnern aus Kreativwirt-schaft und Kultur. Auch ein Frauenprojekt findet sich unter den insgesamt vier Baugemeinschaften, die teilweise zur Miete, teils in Eigentumswohnungen leben oder unter dem Dach ei-ner Genossenschaft. Das Ergebnis ist eine ungewöhnliche Di-versifizierung des Quartiers mit ausgeprägt inklusivem Cha-rakter: „Jedes einzelne Gebäude realisiert nicht nur eine sehr ausgeprägte Mischung der Nutzungen und Nutzer, sondern schafft auch Begegnungsmöglichkeiten, damit aus dem Ne-beneinander der neuen Nachbarn Kooperationen entstehen – und langfristig eine Form von Miteinander“, so Menzl. Unter diesem Aspekt erhält auch das zentrale Bildungs- und Famili-enzentrum aus Schule und Kita mit Beratungsangeboten und Eltern-Café seine besondere Bedeutung für das Quartier.

Für die nötige Robustheit, die das Wachsen entsprechender Netzwerke und Beziehungen braucht, sorgt die langfristige Bindung der Bauherren an den Standort. Der neue Stadtkern des Quartiers rund um den Lola-Rogge-Platz wird vom künf-tigen Bauherren in den nächsten 30 Jahren nicht nur nicht veräußert, er übernimmt auch das Management der gewerb-lichen Flächen und sichert damit langfristig das Angebot im Bereich Einzelhandel und Dienstleistung. Auch Genossen-schaften sind langfristige Bestandshalter. Ausnahmslos tra-gen die neuen Akteure im Quartier darüber hinaus zur Um-setzung des Mobilitätskonzeptes im Baakenhafen bei, das die Schaffung von 0,4 Stellplätzen pro Wohneinheit mit einem Anteil von 30 Prozent Parkplätzen mit Ladestation für elek-trisch betriebene Fahrzeuge vorsieht. Außerdem beteiligen sie sich finanziell am Quartiersmanagement, das Gemein-schaftseinrichtungen und Beratungsangebote für die Be-wohner unterstützen soll. „Trotz der urbanistischen Neubau-situation gelingt es mit dem Ergebnis des Wettbewerbs, die Marktplatzfunktion mit Nahversorgung, die soziale Infra-struktur mit Schule und Kindergarten, die Freizeitnutzungen und – ohne dabei auf Arbeitsplätze zu verzichten – eine breite soziale Mischung von Bewohnern mit vielen langfristig enga-gierten Bauherren zu schaffen. So könnte die östliche Hafen-City ein Modellraum für integrierte Stadtentwicklung mit einem soliden und nachhaltigen Kern werden“, sagt Prof. Jürgen Bruns-Berentelg.

Aufbruch in eine urbane Zukunft: Mit der ersten großen Ausschreibung wurde das Zentrum des Quartiers weitgehend angelegt

Vielfalt auf dem Wohnungsmarkt entsteht durch verschiedene Typen von Bauherren, Wohnungssegmenten und -konzepten für spezielle Bedarfe

Benachteiligte Gruppen und Familien im Fokus

Freifinanziert Eigentum (22 %)

Freifinanziert Miete (21 %)

Preisgedämpft Eigentum (4 %)

Preisgedämpft Miete (9 %)

Gefördert 1. Förderweg (15 %)

Gefördert Sonstige (29 %)2. Förderweg, Studenten, Baugemeinschaften

Baugemeinschaftsprojekt(Eigentum/Miete)

Wohn-Pflege-Konzepte

Menschen mit Behinderungen

Studenten

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HINTERGRUND

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BAAKENHAFEN Lässt man der Natur freien Lauf, dauert es Jahrtausende oder gar Jahrmillionen, bis sich eine Insel aus dem Wasser erhebt. Nicht so in der HafenCity. In etwas mehr als einem Jahr Bauzeit wird im Baakenhafen eine künstliche Halbinsel auf-geschüttet. Rund 1,6 Hektar wird sie groß sein, das entspricht etwa der Fläche zweier Fußballfelder – eine bemerkenswerte inge-nieurstechnische und logistische Leistung. Unter anderem müssen 350.000 Kubikmeter Sand an Ort und Stelle transportiert werden.

Eingefasst von einer strukturierten Bö-schung, der man ihren künstlichen Charakter bei niedrigen Wasserständen auch ansehen können wird, soll sich ab Mitte nächsten Jahres eine spannende Topografie mit un-terschiedlichen Höhenniveaus aus dem Ha-fenbecken erheben. Bis zum Jahr 2017 ent-steht darauf die Freizeitinsel, die das Berliner Landschaftsarchitekturbüro Loidl entworfen hat, ein Park mit unterschiedlichen Spiel- und Erholungsräumen. Neben der 3.000 Quadratmeter großen Spielfläche, dem „Himmelsberg“, dem Spazierweg und einem Nachbarschaftshaus gibt es – sofern sich Sponsoren finden – auch eine große kultu-relle Attraktion: die mehr als 30 Meter hohe, begehbare Stahlskulptur des international renommierten Künstlers Thomas Schütte. Der Park wird ab 4,50 Meter über Normal-null (NN) über mehrere Plateau-Ebenen bis hin zum künstlichen Berggipfel zugänglich sein. Oberhalb von 2,10 Meter über NN wird die Insel begrünt.

Neben ihrer Funktion als Grünfläche und Erholungsgebiet erfüllt die Halbinsel auch ei-ne Aufgabe für die Infrastruktur: Sie verbin-det den Versmannkai mit der südlichen Land-zunge des Quartiers. Im Nordwesten wird

der Baakenpark durch eine 60 Meter lange Fußgängerbrücke erschlossen. So ersparen sich Fußgänger und zukünftige Anwohner lange Wege um das 1,5 Kilometer lange Ha-fenbecken – eine deutliche Erleichterung für die Bewohner der gut 1.800 Wohnungen, die im Quartier entstehen, für Besucher und Beschäftigte der Hotels, Restaurants, Läden und Büros sowie der Grundschule. Unter der Brücke werden zudem sämtliche Versor-gungsleitungen für Fernwärme, Abwasser, Trinkwasser und andere Medien über die Halbinsel verlaufen.

Doch bis es so weit ist, birgt das Projekt noch einiges an Herausforderungen: 350.000 Kubikmeter Sand müssen im Baakenhafen nicht nur aufgeschüttet werden – anders als in stehenden Gewässern erfordert der Insel-rohbau im Tidegewässer des Hafenbeckens eine Befestigung durch Unterwasserspund- und Flügelwände, die an die alte Kaiwand am Petersenkai anschließen. Die sanft ab-fallenden Böschungen gilt es gegen Wellen-schlag zu schützen, Dalben müssen die Fahr-rinne für Barkassen kennzeichnen. Schon vor der Umsetzung stellt das Plangenehmigungs-verfahren besondere Ansprüche. „Da mit dem Bau der Insel Wasserflächen verloren gehen, mussten wir Ausgleichsmaßnahmen treffen. Die aquatische Flora und Fauna, die wir nun schaffen, wird ökologisch hochwertiger sein als jene an den senkrechten Kaimauern der Ausgangssituation“, sagt Diplom-Ingenieur Jürgen Rux, Senior Projektmanager bei der Hafen City Hamburg GmbH.

Seit 2012, als das Bauwerk mit einem Pla-nungswettbewerb seinen Anfang nahm, ist

der Wasserbauspezialist mit der Baakeninsel befasst. Seit Juni suchen Taucher den Boden im Baakenhafen nach Bombenblindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg ab, ehe Bagger die zukünftigen Randbereiche der Halbinsel vom bis zu zwei Meter hohen Schlick befrei-en werden. „Zunächst müssen wir hier einen stabilen Baugrund herstellen, sonst sinkt die Halbinsel später zu stark ab“, erklärt Rux. Schlick lagert sich vor allem in ruhigen Bereichen mit wenig Strömung ab, weil nur dort seine relativ leichten Partikel absinken können. Nachdem die Unterwasserspund-wand, die den Fußbereich an der künftigen Fahrrinne der Insel weiter stabilisieren soll, eingerammt worden ist, wird der Elbsand auf der künftigen Inselfläche verrieselt. Was

jedoch so lapidar klingt, ist tatsächlich ein logistischer Kraftakt: Etwa 350.000 Kubik-meter Sand müssen verfrachtet werden, um die Insel im Baakenhafen aufzuschütten. Auf dem Landweg würden dafür etwa 23.000 LKWs über Hamburgs Straßen rollen, doch zum Glück wird bei dem Projekt ein Trans-portweg genutzt, der in Hamburg seit jeher eine zentrale Rolle spielt: die Elbe. Und da der wichtigste Baustoff der Insel zudem ganz in der Nähe ausgebaggert wird, bleiben die We-ge kurz: Der Sand liegt nur wenige Kilometer flussaufwärts in der Norderelbe, zwischen der A1-Brücke und den Norderelbbrücken. Dort hat er sich im Laufe der Jahre abgela-gert, vor allem bei starkem Wasserablauf aufgrund von großen Regenmengen oder

Vom Bau einer Halbinsel im HafenbeckenIm Baakenhafen entsteht eine Halbinsel. Das 1,6 Hektar große Eiland ist nicht nur das topografische Zentrum der östlichen HafenCity, sondern auch ein außergewöhnliches Infrastrukturprojekt. Unter anderem gilt es, 350.000 Kubikmeter Sand mit System im Hafenbecken aufzubauen

Die Halbinsel im Baakenhafen, wie sie niemals jemand sehen wird: Der Schnitt zeigt die Unterwasserkonstruktion mit sanft abfallenden Böschungen und einer Unterwasserspundwand auf ihrer Nordseite

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Der Baakenpark: Ab Sommer 2017 lädt die neue Halbinsel im Baakenhafen mit Spielplatz, Bäumen und Wiesen,

später auch mit Spiel- und Gemeinschaftshaus zur aktiven Freizeitgestaltung und zum Erholen ein

Vielfältige Unterwasserwelt

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Unterwasserböschungmit Wasserbausteinen

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Page 5: HAFENCITY HAMBURG NEWS

der Schneeschmelze. Den Transport selbst übernimmt ein Spezialfahrzeug, die „Marga-ret Ann“. Der belgische Laderaumsaugbag-ger pumpt den Elbsand vom Gewässergrund herauf und bringt ihn zu einem Koppelpon-ton im Baakenhafen; dort wird er mit Was-ser verdünnt und auf einen Verrieselungs-ponton gepumpt. Dieser verteilt die Fracht gleichmäßig und in dünnen Lagen über eine Kante auf dem Wasser, sodass er auf den Grund absinkt, ohne den restlichen Schlick zu verdrängen. Für eine Fahrt kann Margaret Ann rund 650 Kubikmeter Sand aufnehmen, sodass das Baggerschiff etwa 540 Fuhren braucht, bis die Halbinsel steht.

Geliefert wird der Sand von der Hamburg Port Authority (HPA), die für dieses Pro-jekt mit dem Bauherrn der Halbinsel, der HafenCity Hamburg GmbH, zusammenar-beitet. „Von der Kooperation profitieren alle Beteiligten“, erklärt Jürgen Rux: „Die HafenCity Hamburg GmbH bekommt über umweltschonende Transportwege große Sandmengen geliefert, während die HPA in einem Zug eine umfassende Instand-haltungsmaßnahme in der Norderelbe realisieren kann, ohne lange nach einem sinnhaften Verwendungszweck für das an-fallende Material suchen zu müssen.“

Wenn sich der Boden gesetzt hat, wird ei-ne mittlere Sandschicht verklappt, im oberen Bereich wird die fehlende Menge schließlich vom Ponton aus verpumpt. Insgesamt wer-den im Hafenbecken 15 Meter Sand aufge-bracht, bis sich die Oberkante der Halbinsel

fünf Meter über NN aus dem zehn Meter tiefen Hafenbecken erhebt. Im Westen und Osten der Halbinsel unterbinden Flügel-wände den Durchlauf von Wasser an der Kaiwand. Zwischen den Flügelwänden wird die alte Kaimauer zurückgebaut, und auch dieser Abschnitt wird mit Sand verfüllt, um einen durchgängigen Übergang vom Kai zur neuen Halbinsel herzustellen. Die Hauptar-beiten des Aufspülens werden sich über die kälteren Jahreszeiten erstrecken – wenn die Elbe am sauerstoffreichsten ist – und sollen im April 2015 beendet sein. Der Grund: Durch die Spülvorgänge beim Sandbaggern und -verrieseln sinkt der Sauerstoffgehalt des Wassers, und in den Sommermonaten ent-

hält das Elbwasser ohnehin weniger Sauer-stoff als im Winter, ein Effekt, den man nicht verstärken möchte.

Auch bei der Gestaltung der Halbinsel ha-ben die Planer auf Nachhaltigkeit geachtet. So wird die Insel keine harten Uferlinien, sondern natürliche, strukturierte Böschun-gen mit einem Schilfgürtel haben. „Das Plangenehmigungsverfahren hat ihre Form maßgeblich geprägt“, erklärt Jürgen Rux, „denn schon früh war klar, dass wir die ge-forderten Ausgleichsmaßnahmen vor Ort umsetzen wollen.“ So werden unter Was-ser sogenannte Gabionenkörbe auf der Bö-schung platziert, die mit Naturstein gefüllt sind. Sie schaffen Rückzugsgebiete und neue

Lebensräume für kleinere Fische und ande-re Wassertiere. Glatte Spundwände stehen senkrecht im Wasser, sodass sich dort keine Fische ansiedeln können – nun sind im Osten der Halbinsel Flachwasserbereiche geplant.

„Wir überlegen zurzeit, ob und wie wir das Projekt wissenschaftlich begleiten las-sen können“, erzählt Jürgen Rux. „Für die kommenden Jahre würden wir gern ein Pro-gramm auflegen, das untersucht, wie sich diese Maßnahmen ökologisch auswirken.“ Unter Wasser wird die Böschung zudem durch Wasserbausteine und Kammerdeck-werk gesichert, damit die Strömung der Tide den Sand nicht wegspült. Auch gegen den Eisgang im Winter muss die Böschung ge-schützt werden. Auf einem Teilabschnitt der Nordseite wird sie im Unterwasserbereich allerdings unterbrochen. Dort wird eine Unterwasserspundwand hergestellt, die für den Schiffsverkehr eine ausreichende Was-sertiefe und -breite gewährleistet, so bleibt der Baakenhafen für Barkassen bis zum Ende des Hafenbeckens schiffbar. Tiefwasserbe-reiche werden unter anderem auch an den Unterwasserspundwänden erhalten, sodass die Fische dort auch in den Wintermonaten Rückzugsgebiete finden.

2017 soll die Halbinsel im Baakenhafen fer-tiggestellt sein. Wer sie dann betritt, wird sie einfach nur genießen, ohne den ingenieurs-technischen und logistischen Aufwand zu erahnen, der notwendig war, um sie zu bau-en. Und schon bald wird die Halbinsel zum festen Bestandteil des Baakenhafens gehö-ren – geradeso, als wäre Marschland stehen geblieben, das sich hier bis zum Jahr 1887 anstelle des Hafenbeckens befand.

HafenCity News: Wie kam es zu dieser Kooperation zwi-schen HPA und HafenCity Hamburg GmbH? Guido Kaschel: Wir müssen nicht nur Hafenbecken auffül-len oder ausbaggern, sondern auch die Wassertiefen an den Norder- und an den Süderelbbrücken konstant halten. Daher hat es die HPA mit erheblichen Bodenmengen zu tun. Vom Oberstrom kommt der Sand permanent strom-abwärts und lagert sich dort ab. Irgendwann müssen wir ihn wegbringen, weil er für die Schifffahrt zu einem Hin-dernis wird. Was liegt da näher, als ihn sinnvoll zu verwer-ten? Wir liefern auch den Sand, mit dem das östliche Ende des Baakenhafens verfüllt wird. Da habe ich angeboten, noch mehr Sand zu liefern. HafenCity News: Was sind für Sie die Vorteile dieser Stra-tegie?Guido Kaschel: Generell haben wir zwei Triebfedern: auf der einen Seite den Unterhaltungsbedarf in den Gewäs-sern für die Schifffahrt und auf der anderen den Sandbe-darf bei Baumaßnahmen. Wir von der HPA können durch diese Maßnahme große Bereiche in der Norderelbe instand halten und zugleich sicherstellen, dass der damit anfallen-de Sand sinnhaft verwertet wird. Und die HafenCity Ham-burg GmbH kann durch die Zusammenarbeit schnell große Mengen an Boden gewinnen, und dies umweltschonend über kurze Transportwege auf dem Wasser. HafenCity News: Wie sieht die Rollenverteilung bei dem Projekt „Baakeninsel“ aus?Guido Kaschel: Die HafenCity Hamburg GmbH ist allei-niger Bauherr der Halbinsel im Baakenhafen. Unser Unter-nehmen liefert lediglich den Sand. Dabei kommt eine be-stimmte Kostenteilung zum Tragen, sodass für beide Seiten ein Nutzen entsteht.

HafenCity News: Sie gewinnen die Sandmengen für dieses Vorhaben in der Norderelbe zwischen der A1-Brücke und den Norderelbbrücken. Wie oft muss dort normalerweise gebaggert werden?Guido Kaschel: Nicht so oft, nur etwa alle fünf, sechs Jahre, weil wir dort keine Großschifffahrt, sondern Binnen-schiffsverkehr bei einer Wassertiefe von etwa 2,80 Meter haben. Aus diesem Bereich könnten wir zurzeit etwa 400.000 Kubikmeter Sand liefern.HafenCity News: Sand aus der Elbe baggern, das klingt so einfach. Wie muss man sich diese Arbeit genau vorstellen? Guido Kaschel: Zunächst stellen wir durch Peilung fest, wo sich im Fluss wie viel Sand abgelagert hat. Wir haben vier unterschiedlich große Peilschiffe, die echoakustisch den Gewässergrund aufnehmen. So wissen wir immer, wie tief das Wasser ist und wo ein Unterhaltungsbedarf entstan-den ist. Danach legen wir das Gerätekonzept fest: Um das Material zu entfernen, kommen Hydraulik-, Seil-, Schneid-kopf- oder Eimerkettenbagger zum Einsatz. Oder eben ein Laderaumsaugbagger, wie bei diesem Projekt.HafenCity News: Wie funktioniert der?Guido Kaschel: Der Bagger ist ein Schiff, das einen Saug-kopf an den Gewässergrund hält. Durch große Pumpen saugt er das Sediment, das sich dort abgelagert hat, in ei-nen Laderaum, fährt zu einer Koppelstelle und gibt es dort über ein Rohr auf einem Ponton wieder ab. Dort pumpt er den Sand hinein, ehe der an Ort und Stelle verrieselt wird. Dafür ist die HafenCity Hamburg GmbH zuständig.HafenCity News: Geht das überhaupt so einfach? Sand ist doch eine sehr kompakte Masse.Guido Kaschel: Richtig, er liegt kompakt. Deswegen hat der Bagger Düsen an seinem Saugkopf, mit denen er den

Sand auflockert, um ihn aufnehmen und hochsaugen zu können. Das Elbwasser benutzen wir dabei zum Transport. Um den Sand überhaupt pumpen zu können, brauchen wir ein Gemisch von etwa 1:10 – ein Anteil Sand, zehn Anteile Wasser – das später wieder in die Elbe abgegeben wird. HafenCity News: Was würde mit dem Sand passieren, wenn er nicht zur Insel verrieselt werden würde?Guido Kaschel: Dann würden wir alternative Verwer-tungsmöglichkeiten, etwa andere Baumaßnahmen finden oder den Sand, wo er nicht stört, in andere Hafenbecken füllen. Wir versuchen immer, das Material nutzbringend zu verwerten. Im schlechtesten Fall müsste man den Sand, den man gut für Bauzwecke verwenden könnte, auf entle-genen Landflächen im Hafen lagern. Das wäre allerdings Ressourcenvergeudung, auch weil LKWs den Sand teilwei-se über weite Strecken transportieren müssten.

Sandmanagement bei der HPA: Wie Boden zu Baustoff wird

INTERVIEW

Guido Kaschel, Leiter der Einheit Wassertiefenmanagement bei der Hamburg Port Authority (HPA), sorgt im Hamburger Hafen für die Handbreit Wasser unterm Kiel

Guido Kaschel, Hamburg Port Authority

Wasserstraße statt Landweg: Laderaumsaugbagger „Margaret Ann“ aus Belgien transportiert den Sand

Von minus 10 auf plus 15 Meter

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IM FOKUS

Page 6: HAFENCITY HAMBURG NEWS

Aufhören, wenn es am schönsten ist, so rät es der Volks-mund. Dinge beenden, solange man Erfolg hat, und sich mit gutem Gefühl verabschieden. Antje Heider-Rottwilm steht das gute Gefühl ins Gesicht geschrieben. Die evangelische Pastorin hat vor Kurzem die Leitung des Ökumenischen Fo-rums an ihre Nachfolgerin abgegeben und strahlt die Zu-versicht einer Frau aus, die sich auf die neue Lebensphase freut. „Ich kann mit meinem Mann spontan ins Kino gehen, bringe mich stärker beim europäischen Netzwerk der Frie-denskirchen ein und habe einen Lehrauftrag in Kiel“, sagt die Mutter dreier erwachsener Kinder. Seit sechs Jahren ist sie der HafenCity beruflich und privat verbunden, als Mit-glied des Netzwerks HafenCity e. V., als Mitgründerin und Leiterin des Ökumenischen Forums und als Mitglied seiner Lebensgemeinschaft, des Laurentiuskonvents.

Mit dem Ökumenischen Forum bekam die HafenCity 2012 einen Hort der Ruhe inmitten der Stadt. In dem Haus mit dem Backsteinkreuz und der Bronzeglocke finden Gläubi-ge aller Konfessionen heute einen Ort des Gebets und der Besinnung. Die Anfänge waren bescheiden. Antje Heider-Rottwilm war die einzige Hauptberufliche im vierköpfigen

Team. Die Mitglieder saßen am Kaiserkai, es gab kaum Häu-ser ringsherum. „Es war überschaubar wie in einem Dorf“, erinnert sich Heider-Rottwilm. Als Kapelle diente ein kleiner Andachtsraum am Großen Grasbrook. Vieles hat sich seither verändert. Das Forum entwickelte sich rasant, 2012 bezog der Konvent zusammen mit einer inzwischen entstande-nen Hausgemeinschaft den Neubau des Ökumenischen Fo-rums an der Shanghaiallee. Heute arbeiten hier die Leiterin, der Geschäftsführer und Assistenten. Im Weltcafé ElbFaire stehen fair gehandelte Produkte auf der Karte. Neben der Kapelle und dem Gebetsraum gibt es den großen Veranstal-tungsraum, in dem Bischöfe und Basisgruppen tagen. Er bie-tet Platz für die unterschiedlichsten Ereignisse, neben vielen anderen besuchte Bundestagspräsident Norbert Lammert das Forum. Und bei all dem liefen stets die Fäden bei Antje Heider-Rottwilm zusammen.

Mit den neuen Möglichkeiten haben sich auch die Anfor-derungen an das Amt verschoben. Die Arbeit ist komplexer, das Forum dichter vernetzt. „Mit Corinna habe ich eine tolle Nachfolgerin, die die Fäden, die ich abgebe, aufnimmt und weiterführt“, so Heider-Rottwilm. Die mennonitische Pas-

torin Corinna Schmidt leitet das Ökumenische Forum seit dem 15. Juli 2014 – und nimmt das Kompliment mit einem Lachen. Die beiden Frauen verstehen sich: Wenn Schmidt sich freut, jetzt dürfe sie „alles, was mir am Herzen liegt, von Berufs wegen tun“, findet Heider-Rottwilm es „toll, dass du das sagst, ich fand immer, dass es ein Privileg ist, für so ein Projekt arbeiten zu können“.

Wie die ehemalige Leiterin es bisher gehalten hat und in Zukunft tut, lebt auch Corinna Schmidt mit ihrem Ehemann in der ökumenischen Hausgemeinschaft. „In gewisser Wei-se setze ich mich in ein bereitetes Nest, in dem ich meine eigenen Akzente setzen kann“, sagt Schmidt. Wo Heider-Rottwilm als Pionierin den Grundstein gelegt hat, stellt sich Schmidt der Herausforderung, diesen einzigartigen Ort weiter auszugestalten. Lampenfieber hat sie nicht. „Wieso auch? Das Bedürfnis nach Kommunikation liegt in meiner Persönlichkeit.“ Bis vor Kurzem war die 50-jährige Pasto-rin in den Mennonitengemeinden Altona und Lübeck und Seelsorgerin in einer Senioreneinrichtung in Bad Oldesloe. Die Mennoniten sind die älteste evangelische Freikirche mit weltweit etwa 1,3 Millionen Mitgliedern. Ihre ersten Vertre-ter kamen 1575 als Flüchtlinge aus den Niederlanden nach Hamburg. Sie gehören zu den Friedenskirchen, die zu Beginn der Reformation brutal verfolgt wurden – heute sind die Mennoniten ökumenisch besonders engagiert.

Vor dem Hintergrund fügt sich Schmidts Wechsel in die Entwicklung des Forums nahtlos ein. In der HafenCity ste-hen 19 Mitgliedskirchen im Austausch, die zwei großen christlichen Kirchen gehören ebenso dazu wie Orthodoxe, Baptisten, Reformierte und Mennoniten. „Ich möchte deut-lich machen, dass Ökumene mehr ist als ein bilaterales Ge-spräch zwischen Katholiken und Protestanten“, so Schmidt. „Jede christliche Glaubenstradition hat hier ihren Platz, so-dass die Menschen sagen können: ,Ja, hier gehöre ich hin!‘“

Dank der guten Vorarbeit muss Schmidt nicht „bei Adam und Eva anfangen“, wie sie sagt. Vor allem nicht beim Thema Frauen in kirchlichen Leitungspositionen. Bei ihrer Verabschiedung hatte Heider-Rottwilm betont, sie habe sich „als Pastorin aller Kirchen gefühlt – auch der römisch-katholischen“. Schmidt fand das großartig. Und auch sonst freut sich die Pastorin auf ihr Leben in der HafenCity. „Frü-her war ich skeptisch“, gibt die ehemalige Bewohnerin des Schanzenviertels zu. Doch inzwischen sehe sie das anders. „Morgens beim Aufwachen höre ich die Möwen. Da fühle ich mich selbst bei der Arbeit wie im Urlaub.“

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PORTRÄT

KURZ GEFRAGT

WIE REDUZIERT MAN LÄRM UND LÄRM- WIRKUNGEN IN DER HAFENCITY?

Das Wohnen in der Innenstadt hat viele Vorteile – zu seinen Schattenseiten gehört jedoch ein gewisser Lärmpegel. Auch und gerade während der Entwicklung der HafenCity ist die Geräuschkulisse eine Herausforderung, nicht nur während der Bauphase. Denn anders als die meisten großen, internationalen Stadtentwick-lungsprojekte liegt die HafenCity an einem großen Umschlag- und Produk-tionsareal: dem Hamburger Hafen mit zahlreichen Schiffsbewegungen, Lade-vorgängen und industrieller Produktion. Zudem ist die HafenCity von wichtigen Verkehrswegen wie den Elbbrücken, der Haupttrasse der Deutschen Bahn und der vierspurigen Versmannstraße durchzogen. Um ihre Bewohner vor Lärm zu schützen,

hat Hamburg daher ein ganzes Bündel von Maßnahmen entwickelt.

Zunächst auf der Ebene des Städte-baus: So werden etwa Wohngebäude an exponierten Standorten im sogenann-ten „Lärmschatten“ von Bürogebäuden geplant. Nur durch die teilweise Zuschüt-tung des östlichen Baakenhafens können so beispielsweise im Elbbrückenquartier in zweiter Reihe Wohnungen entstehen. Generell werden die Wohngebäude so geplant, dass an mindestens einer lärmabgewandten Seite Aufenthalts- und Schlafräume angelegt werden können; die lärmoptimierte Gestaltung der Grundris-se ist in jedem Architekturwettbewerb eine wesentliche Aufgabe. Auch offene oder verglaste Loggien und Balkone oder

Dachterrassen können als Schallschutz wirken. Ein Bauelement, das diese Funkti-on unzweifelhaft erfüllt, ist das obligatori-sche HafenCity-Fenster: ein Kastenfenster mit besonderem Rahmen, in dem sich der Außenlärm gewissermaßen „verfängt“. So können die Bewohner der HafenCity trotz Hafenlärms ruhig schlafen, und dies sogar sogar bei geöffnetem Fenster.

Darüber hinaus werden potenzielle Lärmquellen begrenzt oder nach Möglich-keit reduziert. Im Rahmen der Hafenpla-nungsordnung Kleiner Grasbrook/Stein-werder wurden bereits 2004 Obergrenzen für Lärmemissionen aus dem gegenüber-liegenden Hafen festgelegt, die auch bei aktuellen Baumaßnahmen im Hafen zu berücksichtigen sind.

Beim Neubau der Bahntrasse in der HafenCity wurden Betonwände gegen den Lärm aus den Radbereichen eingezo-gen, während man im Straßenbau, etwa im Bereich der Versmannstraße und der Shanghaiallee, auch auf Sonderlösungen wie lärmabsorbierende Oberflächen setzt. Schließlich soll die HafenCity dazu beitragen, den motorisierten Individual-verkehr in Hamburg einzudämmen, dafür sorgt das städtebauliche Konzept der kurzen Wege mit guter Nahversorgung und komfortabel ausgebautem Wegenetz für Radfahrer und Fußgänger sowie ein attraktives Angebot an öffentlichen Ver-kehrsmitteln. Im Baakenhafen entsteht darüber hinaus ein Modellquartier für die geräuschärmere E-Mobilität.

Zwei Wortführerinnen des interkonfessionellen Dialogs: Antje Heider-Rottwilm (li.) übergibt die „Charta Oekumenica“ an Corinna Schmidt (re.)

Die Pastorin Antje Heider-Rottwilm hat Mitte Juli die Leitung des Ökumenischen Forums abgegeben – zu ihrer Nachfolgerin wurde Corinna Schmidt gewählt. Die mennonitische Pastorin freut sich auf die einzigartige Aufgabe und ihr neues Leben in der HafenCity

Eine neue Leiterin für das Ökumenische Forum

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Page 7: HAFENCITY HAMBURG NEWS

Das Handelshaus Gebr. Heinemann erwei-tert seine Firmenzentrale. Unmittelbar neben dem Hauptgebäude am Brooktorhafen ent-steht ein Neubau mit sechs Bürogeschossen, zwei Staffelgeschossen und einer Tiefgarage. Der Baubeginn liegt bereits einige Monate zurück, im Oktober werden an der Baugrube unter anderem Pfahlgründungs- und Erdar-beiten ausgeführt. Der Anbau ergänzt das Ensemble zweier historischer Speicherge-bäude an seiner Ostseite: Vom Nordwesten

her betrachtet, bildet er einen modernen Ab-schluss des Gebäudeensembles, das bisher aus dem historischen Kaispeicher B und dem „Heinemann-Speicher“ bestand. An diesen wird das neue Gebäude mit einer gläsernen Verbindungsbrücke angeschlossen. Die Fer-tigstellung ist für Sommer 2016 geplant.

Der Entwurf des Architekturbüros Gerkan, Marg und Partner (gmp) greift die Solidität der Speicherstadt auf und spiegelt zugleich die flexible Anpassung an heutige Erforder-nisse der HafenCity wider. In den Erdgeschos-sen werden publikumsbezogene Nutzungen etabliert, zudem erfüllt der Erweiterungsbau die Nachhaltigkeitsanforderungen des Um-weltzeichens HafenCity in Gold.

Als Zeitzeugen des 19., 20. und 21. Jahrhun-derts begleiten die markanten Baukörper auch die Geschichte des Unternehmens. Gebr. Heinemann wurde 1879 als Schiffsaus-rüster in der Speicherstadt gegründet. Heu-te ist es auf dem internationalen Reisemarkt als Betreiber und Zulieferer von Duty-free-Shops bekannt.

Ende Juni bot sich im Ökumenischen Forum an der Shanghaiallee ein ungewöhnliches Bild: 70 Bauherren, vertreten durch mehr als 100 Personen, unterschrieben dort gemein-sam den Kaufvertrag für ihren Eigentums-anteil am Baugemeinschaftsprojekt Dock 71. Mit dabei waren auch Vertreter der Pro-jektentwickler Stattbau Hamburg und Con-plan, die die künftigen Eigentümer bei ihrem Vorhaben begleitet und unterstützt haben. Heraus kam ein nachhaltiges und grünes

Konzept zur Kombination von Wohnen und Arbeiten in der HafenCity.

Mit der Beurkundung des Kaufs fiel zugleich der Startschuss für den Bau des neuen Gebäu-des im Quartier Am Lohsepark mit etwa 60 Wohnungen und 12 Gewerbeeinheiten. „Im Erdgeschoss sind publikumsbezogene Nut-zungen geplant, darunter eine Kindertages-stätte und ein Café“, erklärt Lars Straeter von Conplan. Als weitere Besonderheit erhält das von den Hamburger Architekten Dinse Feest Zurl entworfene Gebäudeensemble eine privat und gemeinschaftlich nutzbare Dach-landschaft mit Terrassen, Gartenlauben und Gewächshäusern. Im Frühjahr 2016 sollen die Wohnungen bezugsfertig sein.

Etwas später beginnen die Bauarbeiten zu den übrigen Gebäudeteilen auf dem Baufeld 71. Behrendt Bau wird zirka 60 Wohneinheiten im Eigentum errichten, die Frank-Gruppe plant 35 Wohneinheiten als geförderte Mietwohnungen. Alle drei Ge-bäude werden über einen gemeinsamen In-nenhof miteinander verbunden.

Gebr. Heinemann wächst Baubeginn bei Dock 71Moderner Backsteinabschluss für die historische Zeile am Brooktorhafen Gemischtes Wohnen, Arbeiten und Kita unter einem besonders grünen Dach

AM LOHSEPARK Eine Baustelle an der Shanghaiallee, Ecke Koreastraße. Alles sieht nach Alltag aus: Zwei gewaltige gelbe Kräne ragen aus der Baugrube hervor. Während der eine steht, schwenkt der andere seinen lan-gen Arm mit majestätischer Ruhe vom Fleet herüber. Tief unter ihm, am Boden der Gru-be stapeln sich Paletten auf einer massiven Betonplatte. Die Arbeiten für die Pfahlgrün-dung sind abgeschlossen. Anfang des Jahres haben Bagger angefangen, Tonnen von Erde auszuheben. Auf diese Weise sind bisher drei Arbeitsebenen entstanden: auf 1,60 Meter, 3,40 Meter und 5,20 Meter über Normalnull (NN), später wird die Baugrube auf 0,35 Meter über NN vertieft.

Auf den ersten Blick wirkt die Baugrube auf dem Grundstück 65, auf dem das inter-nationale Mineralölunternehmen Marquard & Bahls seine neue Zentrale errichtet, wie eine ganz normale Baustelle, zumindest für Laien. Mitte Mai wurde hier in Gegenwart des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz der Grund-stein gelegt. Rund 18.000 Quadratmeter Brut-togeschossfläche werden nun geschaffen – in seinen Dimensionen kein außergewöhnliches Projekt für die Hafen City. Auch die unmittel-bare Wasserlage am Brooktorhafen wäre es nicht, kämen nicht auf allen übrigen Seiten der Grube besondere Umstände hinzu, die die übliche Sicherung des Baugrubenverbaus durch eine Rückverankerung nach außen praktisch unmöglich machen.

Im Norden grenzt die Baugrube unmittel-bar an den Brooktorhafen. Im Westen und Osten liegen die Widerlager für die beiden Brücken über den Brooktorhafen mit ihren Rückverankerungen, die Shanghaibrücke und die nach historischem Vorbild instand gesetzte Ericusbrücke. Im Westen und Süden sind Shanghaiallee und Koreastraße mittels Leichtbaustoffen oder Tiefgründung auf hochwassergeschütztes Niveau erhöht wor-den, sodass auch hier keine Anker oder Steifen

gesetzt werden können. Unter der Koreastra-ße verlaufen zudem das statisch sensible Kuh-mühlenstammsiel und eine Gashochdrucklei-tung, die nicht beschädigt werden dürfen. Ein Durchsteifen, bei dem die Baugrubenwände waagerecht gegenei nander abgestützt wer-den, kommt ebenfalls nicht infrage, da am Hafenbecken ein anderer – und wechselnder – Außendruck herrscht als auf der Südseite der Baugrube. So mussten die Entwurfsplaner vom Hamburger Ingenieur büro Dr. Binnewies eine andere Lösung finden: Der Verbau wird nun nach innen, gegen eine massive Sohlplat-te gestützt.

Wie das funktioniert, erklärte Sigmar Hinz, Projektleiter bei der Ingenieurservice Grund-bau GmbH (isg) in Seevetal, im Rahmen einer Baustellen-Exkursion. Das Unternehmen hat die Genehmigungs- und Ausführungspla-nung für die Baugrube und Pfahlgründung erstellt. „Zunächst stützen Rohrsteifen die Baugrubenwand provisorisch an den drei von Erde umgebenen Seiten“, so Sigmar Hinz. Sie wurden diagonal zwischen die Baugruben-wand und das Fundament gesetzt, das dem Gebäude einmal eine stabile Basis geben soll. Das Fundament wird aus einer Sohlplatte aus Stahlbeton gebildet, die Abschnitt für Abschnitt hergestellt wird. So entsteht die ein Meter dicke, 3.200 Quadratmeter gro-ße, geschlossene Stahlbetonsohle, in die wiederum 324 Pfählen eingebunden sind. Mit ihrer Länge von bis zu 28 Metern binden sie einige Meter in die tragenden Sande ein und stützen so das gesamte Gebäude.

Vor dem Bau der Sohlplatte wurde die Bau-grube bereits von einer Bohrpfahlwand um-schlossen, die die Baugrube auf der West-, Süd- und Ostseite stabilisierten; eine Spundwand schließt sie im Norden zur Wasserseite ab. Die Sohlplatte wird an allen vier Seiten an diese Wände he ranreichen. Zusätzlich sind an ihr 22 Schräg anker angebracht, die sich mit ihrer Länge von 20 bis zu 30 Metern im Boden ver-binden, einige an der Spundwand, einige im Baufeld. „Die Anker erfüllen drei Funktionen“, sagt Diplom-Ingenieur Hinz: „Sie halten die

Spundwand, die Bohrpfahlwand und später auch die horizontalen Lasten, die durch Wind und Erddruck auf das Gebäude wirken.“

Sobald die Decke des zweiten Untergeschos-ses fertiggestellt ist, werden die diagonalen Rohrsteifen entfernt und das in sich stabile Gebäude samt Baugrube seiner raffinierten Statik überlassen.

Inzwischen haben die Bauarbeiten an den beiden Untergeschossen begonnen. In weni-gen Monaten wird das Gebäude über das Ni-veau der umliegenden Straßen hinausragen. Anfang 2016 soll der Neubau fertiggestellt sein: ein prägnantes und zugleich zurückhaltendes Gebäude, das in seiner Gestaltung der Unter-nehmensphilosophie von Marquard & Bahls – „unabhängig, solide, eigenwillig“ – folgt. Eine dreigeschossige Öffnung zum Brooktorhafen wird das Atrium mit dem Stadtraum verbinden und einen großzügigen Stadtbalkon bilden. Im Erdgeschoss öffnen sich mehrere Einzelhänd-ler für den Publikumsverkehr.

Bis zum Umzug hat das Familienunterneh-men mit weltweit 150 Tochtergesellschaften und 9.000 Mitarbeitern seinen Sitz in der Ad-miralitätsstraße. Am neuen Standort werden 700 Mitarbeiter ihre Büros haben. Nach einer anfänglichen Vermietung von Teilflächen in der Startphase soll das Gebäude mittelfristig vollständig durch Marquard & Bahls genutzt werden. Nach den Entwürfen des Berliner Architekturbüros Gewers & Pudewill umge-setzt, entspricht es dem Nachhaltigkeitsstan-dard des Umweltzeichens HafenCity in Gold. „Der Neubau der Marquard & Bahls AG ist ein elegantes und gleichzeitig robustes Gebäu-de, das sich sehr gut in den Gesamtcharak-ter des Standorts einfügt“, sagt Prof. Jürgen Bruns-Berentelg, Vorsitzender der Geschäfts-führung der HafenCity Hamburg GmbH. „Dennoch ist es stark genug, einen eigenen Akzent für die Identität des Unternehmens zu setzen.“

Am Brooktorhafen wird zurzeit eine außergewöhnliche Baugrube geschaffen. Da die Baustelle von Tidegewässern, Brücken, Leitungen und Leichtbaustoffen umgeben ist, kann der Verbau der Grube nicht wie üblich nach außen rückverankert werden. Nun wird er gegen den massiven Rohbau gestützt

Statik für Fortgeschrittene an der Koreastraße

Typische Backsteinfassade mit modernen Elementen Dock 71: ein Bauprojekt mit mehr als 100 Bauherren

Ungewöhnliche Verhältnisse erfordern ungewöhnliche Maßnahmen: Mit großen Diagonalsteifen

wird der Verbau der Grube gegen das Fundament, also den Rohbau des Gebäudes abgestützt

Grundstück in sensibler Umgebung

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REPORTAGE

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AUSBLICK

IMPRESSUM

Verlag: HafenCity Hamburg GmbH, Osakaallee 11, 20457 Hamburg, www.HafenCity.comV. i. S. d. P.: Susanne BühlerRedaktion: Anja Schnake Texte und Mitarbeit: Andrea Bittelmeyer, Thomas Götemann, Gunnar Herbst, Anja Schnake, Eileen StillerDesign: lab3 mediendesign, HamburgKorrektorat: Gustav MechlenburgDruckerei: Langebartels & Jürgens, Hamburg

Die Veröffentlichung von Texten oder Textauszügen darf nur nach Genehmigung der HafenCity Ham-burg GmbH erfolgen. Die in dieser Publikation ent-haltenen Informationen sind für die Allgemeinheit bestimmt; sie erheben weder Anspruch auf Vollstän-digkeit noch auf Richtigkeit.

36. Ausgabe, Hamburg, Oktober 2014 © 2014 All rights reserved

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ÜBERSEEQUARTIER Die Zukunft hat einen Elektromotor und zwei Pedale, so jedenfalls sieht es Holger Schmitz, der im Au-gust eine Filiale des Fahrradgeschäfts konRADfiets in der HafenCity eröffnet hat. Das Angebot richtet sich an Interessenten für hoch-wertige Rennräder, Mountainbikes und Pedelecs, denen die Nieder-lassung – neben Fahrrädern und E-Bikes – Beratung, Zubehör und Reparatur-Services bietet. Mit konRADfiets in der Osakaallee hat der US-Hersteller Cannondale seinen ersten deutschen Flagship-

Store in Deutschland eröffnet, das Geschäft hat jedoch wei-tere Markenräder und Fahrrad-bekleidung für anspruchsvolle Kunden im Angebot. Cannon-dale entschied sich bewusst für die HafenCity als Standort: Mit ihrer urbanen Struktur und dem internationalen Flair sei sie besonders geeignet, um das bis-her einmalige Konzept im deut-schen Markt zu etablieren.

In ihrer Veranstaltungsreihe „Stadtwerkstatt“ lädt die Be-hörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) am 7. November zur öffentlichen Diskussion der geplanten Entwicklung des Hamburger Ostens ein. Bausena-torin Jutta Blankau und Ober-baudirektor Prof. Jörn Walter stellen das Leitbild „Stromauf-wärts an Bille und Elbe – Wohnen

und urbane Produktion in HamburgOst“ vor, das unter anderem die Erschließung ungenutzter Potenziale für den Bau von 20.000 Woh-nungen vorsieht. Die Hamburger Stadtwerkstatt, eine Plattform für die Beteiligung von Bürgern bei Hamburger Planungsprojekten, findet bereits zum achten Mal statt. Im Anschluss an eine Podiums-diskussion mit Projektverantwortlichen bleibt Zeit für Fragen und Vorschläge der Teilnehmer. Veranstaltungsort ist die MagnusHall, Amsinckstr. 70, in Hammerbrook, Beginn: 17 Uhr (bis zirka 21 Uhr). Weitere Informationen gibt es unter www.hamburg.de/bsu.

konRADfiets mit neuem Konzept in der HafenCity

Stadtwerkstatt zu neuen Projekten in HamburgOst

Fahrradhändler im Überseequartier

Hamburg sucht den Dialog

China Times bei designxportDie Bedeutung der Typografie in verschie-denen Kulturen steht im Mittelpunkt ei-ner Ausstellung chinesischer und Ham-burger Designer im Rahmen der CHINA TIME HAMBURG 2014: Pan Jianfeng, Chen Rong und Tao Chen aus Schanghai stellen gemeinsam mit den Designbüros Avoid Red Arrows, Gudberg und I Like Birds aus Hamburg ihre Entwürfe vor. Die Vernis-sage findet am 13. November um 19 Uhr bei designxport an den Elbarkaden statt, gefolgt von einer Einführung in das The-ma durch die Designer am 14. November; Beginn: ebenfalls 19 Uhr.

Professur für Bruns-BerentelgDie HafenCity Universität Hamburg, Hochschule für Baukunst und Metropol-entwicklung, hat Jürgen Bruns-Beren-telg, Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH, zum Ho-norarprofessor ernannt. Mit der Profes-sur für „Integrierte Stadtentwicklung“ ist auch eine Lehrtätigkeit sowie die Betreuung von Abschlussarbeiten und Dissertationen verbunden. Mit Honorar-professuren stärken die Hamburger Uni-versitäten ihre Verbindung von akade-mischer Lehre und Praxis.

Tiere in ExtremwetterIm September wurde auf dem Über-seeboulevard die Open-Air-Ausstellung „Dem Sturm ins Auge blicken“ eröffnet. 50 großformatige Fotografien zeigen, mit welchen Tricks sich Tiere extremen Wet-terbedingungen anpassen. Japanische Schneeaffen wärmen sich zum Beispiel in heißen Quellen – der renommierte Foto-graf Thorsten Milse hat Szenen wie diese auf der ganzen Welt festgehalten. Erklärt werden sie in kurzen Texten zum jewei-ligen Bild. Die kostenlose Open-Air-Aus-stellung gehört zum Begleitprogramm des ExtremWetterKongresses, der vom 6. bis 10. Oktober in der HafenCity Uni-versität stattfindet.

NACHRICHTEN

ROT H E N B U RG S O RT Hammerbrook, Hamm-Süd, Horn, Rothenburgsort, Billbrook und Billstedt – nicht wenigen Hambur-gern sind diese Stadtteile nur vom Hörensagen bekannt. Die Initiative des Hamburger Senats zur Entwick-lung der „dritten Flusslandschaft“ der Hansestadt hat sich die weitere Entwicklung dieser teilweise recht citynahen Gebiete für Hamburgs wachsende Bevölkerung zur Auf-gabe gemacht. Auch wenn diese Quartiere im Ranking der beliebten Stadtteile nicht die vorderen Plätze belegen, so verfügen sie doch über Ressourcen, attraktive Uferab-schnitte an Flussläufen oder Kanä-len, zahlreiche Grünzüge und Parks. Unmittelbar östlich der HafenCity, an einem besonders lärmexponier-ten Stadtraum, sollen neuartige, urbane Gewerbeareale und – nach Möglichkeit – Wohnungen entstehen. Die Entwicklung des soge-nannten „Billebogens“ soll die HafenCity Hamburg in Abstimmung mit dem Bezirk Mitte übernehmen.

Gleich hinter dem Quartier Elbbrücken beginnt das etwa 70 Hektar große Areal, das vom westlichen Rothenburgsort über den ehema-ligen „Huckepackbahnhof“ bis zum Billebecken reicht. Das Gebiet ist heute überwiegend bebaut und gewerblich genutzt, dabei sind wichtige Bereiche nur wenig erschlossen und viele Uferabschnitte nicht zugänglich. Durch den Verlauf der Hauptverkehrsstraßen und der Bahntrasse ist der Billebogen zum Teil erheblich durch Lärm be-lastet. Mit der Entwicklung der östlichen HafenCity und der Eröff-nung des S- und U-Bahnhofs Elbbrücken 2018/2019 rückt vor allem das westliche Rothenburgsort noch näher an die Innenstadt heran.

Da sich nur ein Teil der Grundstücke in städtischem Besitz befin-det, hat es die HafenCity Hamburg bei ihrer neuen Aufgabe mit einer Vielzahl von Akteuren und Eigentümern zu tun. In Abstim-mung mit dem Bezirk Mitte wird die Gesellschaft die städtebauli-che Entwicklung des Billebogens steuern und sich dabei zuerst der Entwicklung und Vermarktung des ehemaligen Huckepackbahn-hofs Rothenburgsort annehmen. „Die Stadtentwicklung Hamburgs östlich der HafenCity zu intensivieren, ist eine große Stadtentwick-lungschance“, sagt Prof. Jürgen Bruns-Berentelg, Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH: „Die Bille kann neben Elbe und Alster positiv besetzt werden, so entsteht eine neue Raumidee von der Elbe bis ans Billebecken.“

Während der Masterplan „Hamburg-Ost“ unter anderem den Bau von etwa 20.000 Wohnungen plant, geht es am Billebogen vorwie-gend um Konzepte für eine neue „urbane Produktion“, die sich ins städtische Umfeld integriert – als moderne, gestapelte Fabrik, Ma-nufaktur, als Kreativ- oder Kulturstandort. So entsteht am Billebo-gen ein Produktionsareal von morgen: Modell für ein konfliktfreies Neben- und Miteinander von Gewerbe und städtischem Leben, von Arbeiten und Freizeitgestaltung in einem wirtschaftlich vitalen und dabei lebenswerten Umfeld – umgesetzt durch innovative Ansätze in der Stadtentwicklung und neue Gebäudetypologien. Den Anfang macht die Neugestaltung des ehemaligen Huckepackbahnhofs, der bis in die 90er Jahre als Containerumschlagplatz diente. Der erste Neubau auf dem Grundstück steht bereits fest: der neue Opernfun-dus, in dem die Kostüme und Kulissen für die Hamburgische Staats-oper gefertigt werden. Im nächsten Schritt sollen die städtischen Grundstücke im Gebiet des Billebogens in einem Sondervermögen gebündelt werden, damit die Gesellschaft aus der Eigentümerposi-tion heraus besser steuern kann. Im Unterschied zur HafenCity wird der Billebogen nicht als sogenanntes Vorranggebiet organisiert, sondern bleibt in die Entscheidungs- und Verantwortungsstruktu-ren des Bezirks Hamburg-Mitte integriert.

So sollte eines Tages von der HafenCity bis zum Billebogen ein neues, urbanes Stück Zukunft auf der Hamburger Landkarte sicht-bar werden – ganz so wie vor mehr als zehn Jahren im Gebiet des ehemaligen Freihafens.

Die „Speicherstadt des 21. Jahrhunderts“: Ausgehend vom westlichen Rothenburgsort über den sogenannten

Huckepackbahnhof bis zum Billebecken erstreckt sich das neue Entwicklungsgebiet der HafenCity Hamburg

Das an die östliche HafenCity grenzende Areal „Billebogen“ wird aufgewertet – die HafenCity Hamburg GmbH soll im Auftrag des Bezirks ein vorwiegend gewerblich genutztes Areal in Rothenburgsort entwickeln

Eine neue Aufgabe für die HafenCity Hamburg GmbH

Huckepackbahnhof

Rothenburgsort

HafenCity

Billebecken

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