haftung des neugesellschafters einer gbr für bekannte altverbindlichkeiten

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welche analogen Gebührenpositionen statt dessen zur An- wendung kommen können – und im Übrigen konsequent Honorarvereinbarungen abschließen. Der Weg, nachträg- lich über eine Faktorerhöhung über den 3,5-fachen Stei- gerungsfaktor hinaus zu einer angemessenen Vergütung zu kommen, ist versperrt, da die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 GOÄ /GOZ (Vereinbarung vor Erbringung der [zahn]ärztlichen Leistung) im Nachhinein nicht mehr ge- schaffen werden können. Zu guter Letzt sei angemerkt, dass die Bindung an die GOÄ nur für den Fall gilt, dass die (Zahn)Ärzte selbst ab- rechnen. Wird die Behandlung als Leistung einer Privat- klinik abgerechnet und ist der Behandlungsvertrag aus- schließlich mit der Klinik abgeschlossen worden, gilt die GOÄ nicht, da die Klinik kein (Zahn)Arzt i. S. des Gebüh- renrechts ist. In diesem Fall können nach wie vor Pauschal- honorare vereinbart und eine Behandlung von Vorauszah- lungen (Vorkasse) abhängig gemacht werden. Das dürfte zu einer Renaissance des Klinikgedankens führen. Rechtsanwältin-Dr.-iur.-Maike-Erbsen,-- Wegenerstr.-5,-D-71063-Sindelfingen DOI: 10.1007 /s00350-006-1708-5 Haftung des Neugesellschafters einer GbR für bekannte Altverbindlichkeiten BGB § 705; HGB § 130 Der Neugesellschafter ist in seinem Vertrauen auf den Fortbestand der vor der Publikation des Senatsur- teils vom 7. April 2003 BGHZ 154, 370 ff.) bestehen- den Rechtslage nicht geschützt, sondern haftet analog § 130 HGB, wenn er die Altverbindlichkeit, für die er in Anspruch genommen wird, bei seinem Eintritt in die Gesellschaft kennt oder wenn er deren Vorhandensein bei auch nur geringer Aufmerksamkeit hätte erkennen können. Letzteres ist bei einer BGB-Gesellschaft hin- sichtlich der Verbindlichkeiten aus Versorgungsverträ- gen Gas, Strom, Wasser) für in ihrem Eigentum ste- hende Mietshäuser der Fall. BGH,-Urt.-v.-12.-12.-2005-–-II-ZR-283-/03-(OLG-Düsseldorf) Problemstellung: In den vergangenen fünf Jahren hat der II. Zivilsenat des BGH die Haftungsverfassung der BGB-Gesellschaft auf ein neues Fundament gestellt, indem er sich zugunsten einer akzessorischen Gesell- schafterhaftung analog §§ 128 ff. HGB aussprach. Der hiermit einhergehenden Haftungsverschärfung können sich auch in der Rechtsform der GbR betriebene ärzt- liche Gemeinschaftspraxen nicht entziehen (vgl. etwa OLG Koblenz, MedR 2005, 294). Die aktuelle Ent- scheidung beinhaltet eine Klarstellung zur Haftung des einer BGB-Gesellschaft beitretenden Gesellschafters für Altverbindlichkeiten. Der Senat hatte im Jahre 2003 in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass ein Neu- gesellschafter analog § 130 HGB persönlich neben den Altgesellschaftern für bereits begründete Verbindlich- keiten der Gesellschaft haftet (BGHZ 154, 370 = MedR 2003, 635 ff. m. Anm. Walter ). Gleichwohl verneinte er im seinerzeit zu entscheidenden Fall – es ging um einen Junganwalt, der auf Rückzahlung ohne Rechtsgrund geleisteter Honorarvorschüsse in Anspruch genommen wurde – die Haftung aus Vertrauensschutzgründen mit dem Bemerken, die Grundsätze über die persönliche Haftung des Neugesellschafters sollten erst auf künftige Beitrittsfälle Anwendung finden. Nunmehr beseitigt der Senat das hieraus resultierende Missverständnis in Teilen der Rechtsprechung und Literatur, bei Altverbindlich- keiten sei schlechthin Vertrauensschutz zu gewähren. Er führt aus, dass jene Entscheidung das Ergebnis einer Abwägung zwischen den materiellen Gläubigerinteres- sen und dem Vertrauensinteresse des Neugesellschafters gewesen sei, wobei der Vorrang des letzteren auf seiner Unkenntnis der Verbindlichkeit beruht habe. Das Er- gebnis erscheint vor dem Hintergrund einer zurückhal- tenden Gewährung von Vertrauensschutz gegenüber der materiellen Rechtslage überzeugend: Ist dem Neuge- sellschafter einer GbR eine Altverbindlichkeit bekannt oder müsste sie ihm bei auch nur geringer Aufmerk- samkeit bekannt sein, weil diese sich wegen ihres ty- pischen Vorhandenseins förmlich aufdrängt, so kann er sich gegenüber dem materiell berechtigten Anspruch des Gläubigers nicht auf Vertrauensschutz berufen. Für den Bereich der vertraglichen Erfüllungshaftung erscheint es daher für Gläubiger durchaus möglich, die Haftung eines Neugesellschafters auch für Altfälle auf die analoge Anwendung des § 130 HGB zu stützen (vgl. K.-Schmidt, JuS 2006, 374, 375), was die Haftungssituation für die betroffenen Ärzte keineswegs entspannt und für die Zu- kunft nochmals die Bedeutung von Maßnahmen zur Risikominimierung vor dem Beitritt – etwa nach der Checkliste zur „due diligence“ von Möller (MedR 2004, 69, 72 ff.) – deutlich werden lässt. Zum Sachverhalt: Die Kl. verlangt von dem Bekl. die Bezah- lung von Gasrechnungen. Das Gas wurde in der Zeit von Dezember 2000 bis April 2001 in zwei Mietshäuser in W. geliefert, die im Ei- gentum einer BGB-Gesellschaft stehen. Der Bekl. gehörte der Ge- sellschaft unstreitig jedenfalls bis zum 15. 12. 1998 an und war ab dem 1. 1. 2000, mithin zur Zeit der Lieferungen, wieder Gesellschafter. Der Bekl. wendet sich gegen die Zahlungsverpflichtung mit der Begründung, die Lieferungen beruhten auf Verträgen, die zwischen der BGB-Gesellschaft und der Kl. in der Zeit abgeschlossen worden seien, in der er nicht Gesellschafter gewesen sei. Für derartige Altschulden hafte er nicht persönlich. Das LG hat der Klage stattgegeben, das Beru- fungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wandte sich der Bekl. mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Aus den Gründen: Die Revision ist nicht begründet. I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, es könne dahin- gestellt bleiben, ob die Lieferverträge für beide Mietshäuser oder nur – insoweit unstreitig – für das Haus Wa.straße 20 in einer Zeit abgeschlossen worden seien, in der der Bekl. nach seinem Vortrag nicht Gesellschafter der BGB-Ge- sellschaft gewesen sei. Denn der Bekl. hafte, auch wenn es sich um Altschulden der Gesellschaft aus der Zeit vor seinem Wiedereintritt handeln sollte, aus § 130 HGB. Auf einen die Haftung ausschließenden Vertrauensschutz i. S. der in der Entscheidung des Senats v. 7. 4. 2003 (BGHZ 154, 370 ff.) aufgestellten Grundsätze könne der Bekl. sich nicht berufen, weil das Gas zu einer Zeit an die Gesellschaft geliefert worden sei, in der der Bekl. (wieder) deren Mit- glied gewesen sei. II. Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg. 1. Das Berufungsgericht hat aufgrund des von ihm zu- grunde gelegten Sachvortrags des Bekl., von dem der Senat revisionsrechtlich auszugehen hat, zutreffend entschieden, dass es sich bei den Verbindlichkeiten aus den streitigen Gaslieferungen um Altschulden gemäß § 130 HGB handelt, d. h. um Verbindlichkeiten der (Außen-)BGB-Gesellschaft, die vor dem (Wieder-)Eintritt des Bekl. in die Gesellschaft begründet worden sind. Nach der zu § 160 HGB entwickelten Meinung ist bei Dauerschuldverhältnissen die Rechtsgrundlage für die ein- zelnen Schuldverpflichtungen bereits in dem Vertrag selbst MedR 2006, Heft 7 427 Rechtsprechung

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Page 1: Haftung des Neugesellschafters einer GbR für bekannte Altverbindlichkeiten

welche analogen Gebührenpositionen statt dessen zur An-wendung kommen können – und im Übrigen konsequent Honorarvereinbarungen abschließen. Der Weg, nachträg-lich über eine Faktorerhöhung über den 3,5-fachen Stei-gerungsfaktor hinaus zu einer angemessenen Vergütung zu kommen, ist versperrt, da die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 GOÄ /GOZ (Vereinbarung vor Erbringung der [zahn]ärztlichen Leistung) im Nachhinein nicht mehr ge-schaffen werden können.

Zu guter Letzt sei angemerkt, dass die Bindung an die GOÄ nur für den Fall gilt, dass die (Zahn)Ärzte selbst ab-rechnen. Wird die Behandlung als Leistung einer Privat-klinik abgerechnet und ist der Behandlungsvertrag aus-schließlich mit der Klinik abgeschlossen worden, gilt die GOÄ nicht, da die Klinik kein (Zahn)Arzt i. S. des Gebüh-renrechts ist. In diesem Fall können nach wie vor Pauschal-honorare vereinbart und eine Behandlung von Vorauszah-lungen (Vorkasse) abhängig gemacht werden. Das dürfte zu einer Renaissance des Klinikgedankens führen.

Rechtsanwältin­Dr.­iur.­Maike­Erbsen,­­Wegenerstr.­5,­D-71063­Sindelfingen

DOI: 10.1007 /s00350-006-1708-5

Haftung des Neugesellschafters einer GbR für bekannte Altverbindlichkeiten

BGB § 705; HGB § 130

Der Neugesellschafter ist in seinem Vertrauen auf den Fortbestand der vor der Publikation des Senatsur-teils vom 7. April 2003 (­BGHZ 154, 370 ff.) bestehen-den Rechtslage nicht geschützt, sondern haftet analog § 130 HGB, wenn er die Altverbindlichkeit, für die er in Anspruch genommen wird, bei seinem Eintritt in die Gesellschaft kennt oder wenn er deren Vorhandensein bei auch nur geringer Aufmerksamkeit hätte erkennen können. Letzteres ist bei einer BGB-Gesellschaft hin-sichtlich der Verbindlichkeiten aus Versorgungsverträ-gen (­Gas, Strom, Wasser) für in ihrem Eigentum ste-hende Mietshäuser der Fall.BGH,­Urt.­v.­12.­12.­2005­–­II­ZR­283­/03­(OLG­Düsseldorf)

Problemstellung: In den vergangenen fünf Jahren hat der II. Zivilsenat des BGH die Haftungsverfassung der BGB-Gesellschaft auf ein neues Fundament gestellt, indem er sich zugunsten einer akzessorischen Gesell-schafterhaftung analog §§ 128 ff. HGB aussprach. Der hiermit einhergehenden Haftungsverschärfung können sich auch in der Rechtsform der GbR betriebene ärzt-liche Gemeinschaftspraxen nicht entziehen (vgl. etwa OLG Koblenz, MedR 2005, 294). Die aktuelle Ent-scheidung beinhaltet eine Klarstellung zur Haftung des einer BGB-Gesellschaft beitretenden Gesellschafters für Altverbindlichkeiten.

Der Senat hatte im Jahre 2003 in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass ein Neu-gesellschafter analog § 130 HGB persönlich neben den Altgesellschaftern für bereits begründete Verbindlich-keiten der Gesellschaft haftet (BGHZ 154, 370 = MedR 2003, 635 ff. m. Anm. Walter). Gleichwohl verneinte er im seinerzeit zu entscheidenden Fall – es ging um einen Junganwalt, der auf Rückzahlung ohne Rechtsgrund geleisteter Honorarvorschüsse in Anspruch genommen wurde – die Haftung aus Vertrauensschutzgründen mit dem Bemerken, die Grundsätze über die persönliche Haftung des Neugesellschafters sollten erst auf künftige Beitrittsfälle Anwendung finden. Nunmehr beseitigt der

Senat das hieraus resultierende Missverständnis in Teilen der Rechtsprechung und Literatur, bei Altverbindlich-keiten sei schlechthin Vertrauensschutz zu gewähren. Er führt aus, dass jene Entscheidung das Ergebnis einer Abwägung zwischen den materiellen Gläubigerinteres-sen und dem Vertrauensinteresse des Neugesellschafters gewesen sei, wobei der Vorrang des letzteren auf seiner Unkenntnis der Verbindlichkeit beruht habe. Das Er-gebnis erscheint vor dem Hintergrund einer zurückhal-tenden Gewährung von Vertrauensschutz gegenüber der materiellen Rechtslage überzeugend: Ist dem Neuge-sellschafter einer GbR eine Altverbindlichkeit bekannt oder müsste sie ihm bei auch nur geringer Aufmerk-samkeit bekannt sein, weil diese sich wegen ihres ty-pischen Vorhandenseins förmlich aufdrängt, so kann er sich gegenüber dem materiell berechtigten Anspruch des Gläubigers nicht auf Vertrauensschutz berufen. Für den Bereich der vertraglichen Erfüllungshaftung erscheint es daher für Gläubiger durchaus möglich, die Haftung eines Neugesellschafters auch für Altfälle auf die analoge Anwendung des § 130 HGB zu stützen (vgl. K.­Schmidt, JuS 2006, 374, 375), was die Haftungssituation für die betroffenen Ärzte keineswegs entspannt und für die Zu-kunft nochmals die Bedeutung von Maßnahmen zur Risikominimierung vor dem Beitritt – etwa nach der checkliste zur „due diligence“ von Möller (MedR 2004, 69, 72 ff.) – deutlich werden lässt.

Zum Sachverhalt: Die Kl. verlangt von dem Bekl. die Bezah-lung von Gasrechnungen. Das Gas wurde in der Zeit von Dezember 2000 bis April 2001 in zwei Mietshäuser in W. geliefert, die im Ei-gentum einer BGB-Gesellschaft stehen. Der Bekl. gehörte der Ge-sellschaft unstreitig jedenfalls bis zum 15. 12. 1998 an und war ab dem 1. 1. 2000, mithin zur Zeit der Lieferungen, wieder Gesellschafter.

Der Bekl. wendet sich gegen die Zahlungsverpflichtung mit der Begründung, die Lieferungen beruhten auf Verträgen, die zwischen der BGB-Gesellschaft und der Kl. in der Zeit abgeschlossen worden seien, in der er nicht Gesellschafter gewesen sei. Für derartige Altschulden hafte er nicht persönlich. Das LG hat der Klage stattgegeben, das Beru-fungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wandte sich der Bekl. mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Aus den Gründen: Die Revision ist nicht begründet.I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, es könne dahin-

gestellt bleiben, ob die Lieferverträge für beide Mietshäuser oder nur – insoweit unstreitig – für das Haus Wa.straße 20 in einer Zeit abgeschlossen worden seien, in der der Bekl. nach seinem Vortrag nicht Gesellschafter der BGB-Ge-sellschaft gewesen sei. Denn der Bekl. hafte, auch wenn es sich um Altschulden der Gesellschaft aus der Zeit vor seinem Wiedereintritt handeln sollte, aus § 130 HGB. Auf einen die Haftung ausschließenden Vertrauensschutz i. S. der in der Entscheidung des Senats v. 7. 4. 2003 (BGHZ 154, 370 ff.) aufgestellten Grundsätze könne der Bekl. sich nicht berufen, weil das Gas zu einer Zeit an die Gesellschaft geliefert worden sei, in der der Bekl. (wieder) deren Mit-glied gewesen sei.

II. Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hat aufgrund des von ihm zu-grunde gelegten Sachvortrags des Bekl., von dem der Senat revisionsrechtlich auszugehen hat, zutreffend entschieden, dass es sich bei den Verbindlichkeiten aus den streitigen Gaslieferungen um Altschulden gemäß § 130 HGB handelt, d. h. um Verbindlichkeiten der (Außen-)BGB-Gesellschaft, die vor dem (Wieder-)Eintritt des Bekl. in die Gesellschaft begründet worden sind.

Nach der zu § 160 HGB entwickelten Meinung ist bei Dauerschuldverhältnissen die Rechtsgrundlage für die ein-zelnen Schuldverpflichtungen bereits in dem Vertrag selbst

MedR 2006, Heft 7 427Rechtsprechung

Page 2: Haftung des Neugesellschafters einer GbR für bekannte Altverbindlichkeiten

angelegt mit der Folge, dass die Schuldverpflichtungen als bereits mit dem Vertragsschluss begründet anzusehen sind (a). Die für die Haftung nach § 160 HGB entwickelte An-sicht gilt gleichermaßen für eine Haftung nach § 130 HGB (b). Bei den hier im Streit stehenden Gaslieferungsverträ-gen handelt es sich um Dauerschuldverhältnisse (c), deren Vertragspartnerin die BGB-Gesellschaft als Grundstücks-eigentümerin ist (d).

a) Die ganz herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung geht davon aus, dass rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten bereits dann begründet sind, wenn das Rechtsgeschäft abgeschlossen ist und sich ohne Hinzutreten weiterer rechtsgeschäftlicher Akte die konkrete, einzelne Verbindlichkeit ergibt. Daraus wird im Hinblick auf Dau-erschuldverhältnisse gefolgert, dass es für die Begründung der hieraus resultierenden Forderungen auf den Abschluss des Dauerschuldvertrages und nicht auf die daraus her-vorgehenden Einzelverbindlichkeiten ankommt (s. hierzu Senat, BGHZ 154, 370, 375; Urt. v. 29. 4. 2002 – II ZR 330 /00 –, ZIP 2002, 1251, 1252; BAG, ZIP 2004, 1905, 1906; Schmidt, in: MüKo /HGB, Bd. 2, 1. Aufl., § 128, Rdnrn. 49 ff. m. w. N.).

b) Diese zu § 160 HGB entwickelte Meinung gilt auch für § 130 HGB. Das ergibt sich zunächst aus dem inso-weit identischen Wortlaut der Vorschriften. In beiden ist nämlich von – bis zum Ausscheiden bzw. vor dem Eintritt des Gesellschafters – „begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ die Rede. Hinzu kommt, dass es jeweils um die parallel laufende Frage geht, ob ein Gesellschafter für Verbindlichkeiten haftet, die vor Änderung seiner Gesell-schafterstellung begründet wurden. Darüber hinaus spricht die Systematik des Gesetzes für ein gleiches Verständnis der Frage, wann Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldver-hältnis begründet sind.

c) Bei den Gaslieferungsverträgen handelt es sich um Versorgungsverträge, die jedenfalls dann, wenn sie – wie hier – Sonderabnehmerverträge sind (s. zu dieser Diffe-renzierung BGH, Urt. v. 19. 10. 1960 – VIII ZR 206 /59 –, LM § 17 KO Nr. 3), Sukzessivlieferungsverträge und da-mit Dauerschuldverhältnisse darstellen (h.M.; s. nur Se-nat, BGHZ 70, 132, 135; Heinrichs, in: Palandt, BGB, 64. Aufl., Überblick vor § 311, Rdnrn. 28, 30; Kramer, in: MüKo /BGB, Bd. 2a, 4. Aufl., Einl. vor §§ 241 ff. Rdnr. 97 m. w. N.).

d) Die Gaslieferungsverträge sind geschlossen worden zwischen der BGB-Gesellschaft als Grundstückseigentü-merin mit dem Gesellschafterbestand aus dem Jahr 1999 und der Kl. Ein konkludenter Vertragsschluss mit der Ge-sellschaft unter Einschluss des Bekl. kommt für die Gaslie-ferungen in der Zeit ab Ende 2000 nicht in Betracht. Zwar ist in dem Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens regelmäßig ein Vertragsangebot in Form einer sog. Real-offerte zum Abschluss eines Versorgungsvertrages zu sehen, das sich typischerweise an den Grundstückseigentümer richtet (BGH, Urt. v. 30. 4. 2003 – VIII ZR 279 /02 –, WM 2003, 1730, 1731). Das war in der Zeit der Lieferung die BGB-Gesellschaft, deren Mitglied der Bekl. war. Die An-nahme eines neuen konkludenten Vertragsschlusses ist hier jedoch deshalb ausgeschlossen, weil bereits ein Vertragsver-hältnis zwischen dem Versorgungsunternehmen und der BGB-Gesellschaft in ihrer gesellschafterlichen Zusammen-setzung zur Zeit des Vertragsschlusses begründet worden war und fortbestand (BGH, Urt. v. 17. 3. 2004 – VIII ZR 95 /03 –, WM 2004, 2450, 2451).

2. Für die Verbindlichkeiten aus den nach dem Vortrag des Bekl. 1999 abgeschlossenen Gaslieferungsverträgen haftet der Bekl. analog § 130 HGB persönlich und unbeschränkt. Gegen diese zutreffende Feststellung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision vergeblich unter Bezugnahme auf das Senatsurt. v. 7. 4. 2003 (BGHZ 154, 370 ff.).

a) Nach dem unter Anwendung der Doppelverpflich-tungstheorie für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts gel-tenden Haftungsregime hatte der Neugesellschafter für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten persön-lich nur dann einzustehen, wenn ein besonderer Verpflich-tungsgrund vorlag. Fehlte es hieran, war seine Haftung auf seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen beschränkt (Se-natsurt. v. 30. 4. 1979 – II ZR 137 /78 –, NJW 1979, 1821). Mit Urt. v. 7. 4. 2003 (a. a. O.) hat der Senat in Fortentwick-lung seiner Rechtsprechung zum geänderten Verständnis von der Haftungsverfassung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGHZ 142, 315 ff. und BGHZ 146, 341 ff.) und in Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung aus-gesprochen, dass der Neugesellschafter analog § 130 HGB auch persönlich für Altschulden der (Außen-)BGB-Gesell-schaft, der er beigetreten ist, haftet. Zugleich hat der Senat jedoch entschieden, dass die Grundsätze der persönlichen Haftung erst auf künftige, dem Urteilserlass nachfolgende Beitrittsfälle Anwendung finden sollten, und zur Begrün-dung insoweit auf Erwägungen des Vertrauensschutzes ab-gestellt (BGHZ 154, 370, 377 f.).

Dass dieser Entscheidung – nicht nur von dem Bekl. – unter Ausblendung des tatsächlichen Hintergrundes des entschiedenen Falles entnommen wird, ein Neugesell-schafter hafte bis zur Publikation der Senatsentscheidung v. 7. 4. 2003 für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft unter keinen Umständen, geht weit über die Aussage jener Ent-scheidung hinaus.

In jedem Fall einer mit Rückwirkung verbundenen Rechtsprechungsänderung ist zu prüfen, ob den Interes-sen des auf die Fortgeltung der Rechtslage Vertrauenden Vorrang einzuräumen ist gegenüber der materiellen Ge-rechtigkeit (BGHZ 132, 119, 129 f. m. w. N.). Nach eben diesen Grundsätzen ist der Senat im Urt. v. 7. 4. 2003 (a. a. O.) verfahren und hat in dem dort zugrundeliegenden Fall des Eintritts eines Junganwalts in eine Anwaltssozietät, die einem dem eintretenden Anwalt nicht bekannten An-spruch auf Rückzahlung eines ohne Rechtsgrund geleiste-ten Honorarvorschusses ausgesetzt war, den Interessen des Neugesellschafters Vorrang eingeräumt vor der materiell richtigen Entscheidung, hat also insoweit dessen Haftung aus § 130 HGB für die Altverbindlichkeit der Gesellschaft verneint. Begründet hat er dies damit, dass der Neugesell-schafter von dem Bestehen dieses Anspruchs nicht ausge-hen musste, er mithin von diesem nur durch eine Nach-frage erfahren hätte, zu der er aber nach der damaligen Rechtslage nicht verpflichtet gewesen sei. Derartige Alt-verbindlichkeiten kann der Neugesellschafter aber weder in seine Beitrittsentscheidung einbeziehen noch kann er entsprechende Vorkehrungen für den Fall der persönlichen Inanspruchnahme treffen. Dies rechtfertigt es, ihn aus Ver-trauensgesichtspunkten nicht haften zu lassen. Hieran hält der Senat fest.

b) Anders hat die Abwägung zwischen Rechtssicher-heit einerseits und materieller Gerechtigkeit andererseits auszufallen, wenn der Neugesellschafter die bestehende Altverbindlichkeit der Gesellschaft im Beitrittszeitpunkt kennt oder wenn er sie bei auch nur geringer Aufmerk-samkeit hätte erkennen können; das gilt erst Recht, wenn sich dem Beitretenden das Bestehen von Altverbindlich-keiten aufdrängen muss, weil sie typischerweise vorhanden sind. Der oben genannte Gedanke, der zur Gewährung von Vertrauensschutz nötigt, ist in diesen Fällen nämlich nicht betroffen. Dann ist aber kein Grund ersichtlich, dem Ver-trauensschutz des Neugesellschafters Vorrang einzuräumen gegenüber dem materiell berechtigten Anspruch des Gläu-bigers.

c) So liegt der Fall hier. Gründe des Vertrauensschutzes rechtfertigen die Zahlungsverweigerung des Bekl. nicht. Mit dem Vorhandensein von Lieferverträgen über Ver-

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sorgungsleistungen muss jeder Neugesellschafter rechnen, der einer BGB-Gesellschaft beitritt, die Eigentümerin von Mietshäusern ist. Dies gilt in besonderem Maße für den Bekl., der bereits bis Ende 1998 Gesellschafter gewesen ist und in dieser Eigenschaft für eines der Mietshäuser selbst den ursprünglichen Gaslieferungsvertrag abgeschlossen hat. Nicht zuletzt steht der Gewährung von Vertrauens-schutz hier entgegen, dass die Lieferungen, deren Bezah-lung die Kl. verlangt, zu einer Zeit erbracht wurden, in der der Bekl. (wieder) Gesellschafter war.

(Bearbeitet­von­Richter­Dr.­iur.­Alexander­Walter,­­Auf­dem­Gockelsberg­15,­D-56075­Koblenz)

Haftung wegen verzögerter Erstellung eines ärztlichen Zeugnisses

BGB §§ 286, 180; MBO-Ä § 25

Ein Arzt kann haften, wenn es aufgrund der ver-zögerten Erstellung eines ärztlichen Zeugnisses nicht zum Abschluss einer Risikolebensversicherung kommt, weil der Patient inzwischen gestorben ist.

Mahnt eine Versicherung an Stelle des Versicherungs-nehmers die Übersendung eines ärztlichen Attestes an, bedarf es einer Bevollmächtigung durch diesen.BGH,­Urt.­v.­22.­11.­2005­–­VI­ZR­126­/04­(OLG­Karlsruhe)

Problemstellung: Die Entscheidung bestätigt den bereits seit BGH, VersR 1981, 452 anerkannten Grund-satz, dass die verzögerte Erstellung eines ärztlichen Zeugnisses Schadensersatzansprüche begründen kann, wenn es aufgrund dessen nicht zum Abschluss einer Le-bensversicherung kommt, weil der Patient inzwischen gestorben ist und die Angehörigen deshalb keine Ver-sicherungsleistungen erhalten. Dabei hält es der Senat zumindest dann für naheliegend, die wirtschaftlichen Interessen des Patienten in den Schutzbereich der ver-traglichen Verpflichtung einzubeziehen, das ärztliche Zeugnis in angemessener Zeit zu erstellen, wenn das Attest zum Abschluss einer Risikolebensversicherung benötigt wird, die der Absicherung eines konkreten wirtschaftlichen Risikos dienen soll. Eine entsprechende Standes- und Rechtspflicht zur Abgabe von Gutachten in angemessener Zeit folgt aus § 25 MBO-Ä. Die Ange-messenheit der Frist bestimmt sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. In diesem Zusammenhang hat auch das OLG München entschieden, dass § 25 S. 2 MBO-Ä keine bestimmte Frist für das Erstellen von Gut-achten und Zeugnissen statuiert, nach deren Verstreichen der Arzt vom Patienten automatisch in die Pflicht ge-nommen werden könnte (OLG München, VersR 2005, 1535). Letztlich scheiterte die Ersatzpflicht vorliegend daran, dass der Beklagte nicht mit einer Leistungspflicht gegenüber dem Patienten in Verzug geraten war, da in der Erklärung zur Entbindung von der Schweigepflicht im Versicherungsantrag keine Bevollmächtigung zur Durchsetzung des Anspruches auf Gutachtenerstattung zu sehen ist, die Mahnung des Versicherungsunterneh-mens folglich im Verhältnis zum Versicherungsnehmer nicht verzugsbegründend wirkte.

Zum Sachverhalt: Die Kl. verlangt vom Bekl. Schadensersatz, weil dieser wegen der verspäteten Übersendung eines ärztlichen Zeugnisses dafür verantwortlich sei, dass ein Lebensversicherungs-vertrag mit der K-AG nicht mehr vor dem Tod ihres Mannes abge-schlossen werden konnte.

Die Kl. und ihr Ehemann beabsichtigten Anfang 2001, ein Ein-familienhaus zu errichten. Zur Absicherung des erforderlichen Kre-dits verlangte die finanzierende Bank den Abschluss einer Risiko-lebensversicherung über 400.000 DM, die der Ehemann der Kl. am 27. 4. 2001 bei der K-AG beantragte. Versicherungsbeginn sollte der 1. 5. 2001 sein; die Kl. war als Bezugsberechtigte der Versicherungs-leistung genannt.

Nachdem die K-AG dem Ehemann ein entsprechendes Formular zugesandt hatte, begab sich dieser am 16. 7. 2001 zu seinem Hausarzt. Der Hausarzt übersandte der K-AG das mit Datum 16. 7. 2001 ausge-füllte „Ärztliche Zeugnis“ und fügte unter „Bemerkungen“ hinzu: „Bei Rückfragen bezüglich der kardialen Befunde bitte an Kardiolo-gen Dr. L. [Bekl.] in H. wenden.“ Der Ehemann suchte am 17. 7. 2001 den Bekl. auf, der ihn untersuchte und unter dem 27. 7. 2001 einen Bericht an den Hausarzt übersandte.

Mit Schreiben v. 3. 8. 2001, dessen Zugang der Bekl. bestreitet, bat der Gesellschaftsarzt der K. Versicherungen den Bekl. unter Hinweis auf den Lebensversicherungsantrag und eine erfolgte Entbindung von der Schweigepflicht um Beantwortung „beiliegender Fragen“. Unstreitig erhielt der Bekl. zwei Schreiben der K-AG v. 22.8. und 13. 9. 2001, in denen er unter Hinweis auf das erbetene hausärztliche Zeugnis gebeten wurde, den Bericht so schnell wie möglich zu über-senden, da die Versicherung ohne das Zeugnis die Risikobeurteilung nicht abschließen möchte. Der Bekl. fertigte am 20. 10. 2001 einen ärztlichen Bericht, der inhaltlich dem bereits an den Hausarzt über-mittelten entsprach, und übersandte ihn an die K-AG. Diese unter-breitete daraufhin am 31. 10. 2001 ein gegenüber dem Normaltarif um einen Risikozuschlag von monatlich 140 DM erhöhtes Ange-bot. Zu einem Vertragsschluss kam es nicht, weil der Ehemann am 30. 10. 2001 verstorben war.

Eine gerichtliche Auseinandersetzung der Kl. mit der K-AG en-dete mit einem Vergleich. Vorliegend begehrte die Kl. 102.516,75 €. Das LG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die Berufung des Bekl. blieb ohne Erfolg. Auf die Revision des Bekl. wurden die instanzgerichtlichen Entscheidungen abgeändert und die Klage ab-gewiesen.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht ist der Auf-fassung, der Kl. stehe gegen den Bekl. ein Anspruch aus § 286 BGB a. F. zu. Der Bekl. sei mit der Erfüllung einer Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag in Verzug gera-ten. Die Behandlung sei zwar nach der Untersuchung und Übersendung der Diagnose an den [Hausarzt] zunächst abgeschlossen gewesen. Auch nach Beendigung eines Ver-tragsverhältnisses könnten sich aber weitere Pflichten aus der Vertragsbeziehung ergeben. Dies sei hier der Fall ge-wesen, als die Versicherungsgesellschaft den Bekl. um ein Gesundheitszeugnis ersucht habe. Auch wenn durch dieses Ersuchen und die spätere Übersendung durch den Bekl. ein vertragliches Verhältnis zwischen dem Bekl. und der K-AG, zustande gekommen sei, sei der Bekl. zusätzlich aus dem früheren Behandlungsvertrag mit dem Ehemann der Kl. verpflichtet gewesen, das Zeugnis auszustellen. Die Schreiben der Versicherung v. 22.8. und 13. 9. 2001 hätten nämlich nicht nur eine im eigenen Namen vorge-brachte Aufforderung enthalten, sondern gleichzeitig den Wunsch des Verstorbenen nach einem weiteren Zeugnis über die Untersuchung v. 17. 7. 2001 zum Ausdruck ge-bracht. Infolge der gegebenen Dreieckskonstellation zwi-schen dem Bekl., dem Ehemann der Kl. und der K-AG habe das Schreiben v. 13. 9. 2001 auch eine Mahnung im Interesse und im Namen des Ehemanns zur Erfüllung der Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag dargestellt. Da-her habe sich der Bekl. jedenfalls seit dem 20. 9. 2001 in Verzug befunden.

Daneben lasse sich eine Haftung aus positiver Vertrags-verletzung herleiten. Der Bekl. habe nämlich die sich aus dem Behandlungsvertrag ergebende Nebenpflicht verletzt, das Zeugnis in angemessener Zeit zu erstellen.

II. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Der Kl. steht kein Anspruch auf Schadensersatz aus § 286 BGB a. F. zu, weil der Bekl. nicht mit einer gegen-

MedR 2006, Heft 7 429Rechtsprechung