hochschulzertifikat werbe- und medienpsychologie · die bzga kommuniziert mit der cartoon-kampagne...

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Leseprobe Studienheft Kommunikations- und Werbepsychologie Autorin Julia Grebe Hochschulzertifikat Werbe- und Medienpsychologie

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Leseprobe

Studienheft

Kommunikations- und Werbepsychologie

AutorinJulia Grebe

HochschulzertifikatWerbe- und Medienpsychologie

2 Leseprobe „Werbe- und Medienpsychologie“

48 2. Kommunikation und Werbung

© 10/2017

PraxisbeispielToyota geht das Storytelling in Bezug auf zu überwindende Hindernisse humoristisch an. In einem Werbespot aus dem Jahr 2013 verfolgt eine Katze als handelnder Protagonist das Ziel, möglichst häufig im Toyota ihrer Herr-chen zu fahren. Dafür nimmt sie jedes Wagnis in Kauf und wird am Ende sozusagen unsterblich. Der Werbespot endet mit dem Slogan „Feels good inside“, dessen Doppeldeutigkeit ein hervorragendes Beispiel für den gelun-genen Einsatz von Bildsprache in der Werbung ist.

(https://www.youtube.com/watch?v=u_VG1D07WGY&feature=youtu.be)

Ein zweites Beispiel liefert uns Mercedes Benz. Im Werbespot „The Journey“ wird ein kleiner Junge dargestellt, der sich nachts allein und heimlich auf den weiten Weg zum Polizeirevier macht. Dort angekommen, behauptet er sich verlaufen zu haben, um vom Polizisten (natürlich in einem Mercedes Benz) nach Hause gefahren zu werden. Der Abschlusssatz des Polizisten „Das ist das letzte Mal!“ löst die Geschichte auf und lässt sie stimmig werden.

(https://www.youtube.com/watch?v=-V2vHSuUJog&feature=youtu.be)

Eine der wichtigsten Bedingungen für die Wirkung von Geschichten, ist der Grad, mit dem man sich als Empfänger auf die Geschichte einlässt. Gute Geschichten können uns zwar in ihren Bann ziehen, wirken aber nicht zwingend auch meinungsbeeinflussend. Die Wirkung besteht also aus einer Mischung von willkürlichen und automatischen Prozessen. Geschichten wir-ken, weil sie dem Empfänger angenehme Zustände zeigen, an denen er durch das Eintauchen in die Geschichte teilhaben kann. (FELSER 2015)

2.6 Humor in der Werbung

Werbung versucht oft, unterhaltsam zu sein, um das Zuschauerinteresse zu wecken. Humorvolle Werbung eignet sich besonders dafür, als unterhaltend wahrgenommen zu werden. Bei positiver Stimmung verarbeiten wir außer-dem Information besser und haben dem Sender gegenüber eine positivere Einstellung.

Humor lässt sich in vielen Facetten erleben. Komik, Witz, Ironie, Wortspiel, Übertreibung, Sarkasmus oder Spott sind Variationen des Begriffs „Humor“. Er wirkt nicht nur unterhaltend, sondern wird auch vermehrt mit therapeutischer Wirkung eingesetzt. Schmerzempfinden oder Stress lassen sich durch Humor und Lachen positiv beeinflussen.

Storytelling in Werbefilmen

Auszug aus dem Studienheft

3 Leseprobe „Werbe- und Medienpsychologie“

492. Kommunikation und Werbung

© 10/2017

Komik entwickelt sich oft in Zusammenhang mit Absurdität und Inkongru-enz. In einer Situation ist etwas nicht so, wie es sein sollte. Der komische Effekt entsteht meist daraus, dass wir als Beobachter dies sehen, der Handelnde allerdings nicht. Das Modell „Überraschung – Auflösung“ ist oft das zentrale Merkmal einer humorvollen Szene.

Humor in der Werbung verfolgt meist drei Ziele. Erstens soll er unterhalten und die Aufmerksamkeit auf die Werbung lenken. Zweitens soll Humor dafür sorgen, dass der Sender der Botschaft als sympathisch wahrgenommen wird. Und drittens soll Humor die aktuelle Stimmung verbessern und uns ablenken. (BAK 2014)

Diese positiven Effekte sprechen dafür, Humor in der Werbung häufig einzu-setzen. Allerdings gibt es auch Gegenargumente. Witzige Spots laufen Gefahr, sich schnell abzunutzen. Außerdem muss der dargestellte Humor eher einfach sein; Ironie oder Sarkasmus werden im Zusammenhang von Werbung zumeist entweder gar nicht oder falsch verstanden. Viele Werbetreibende fürchten, dass ihr Produkt oder ihr Image durch eine humorvolle Darstellung Schaden nehmen könnte, da die Ernsthaftigkeit auf der Strecke bleibt. (FELSER 2015)

Humor hat nach letzten Studien zwar positive Auswirkungen auf die Faktoren Verständnis und Aufmerksamkeit des Konsumenten, allerdings wenig bis gar keinen Effekt auf das Kaufverhalten. Humor kann bei starken Argumenten eher überflüssig sein und sogar die positive Beurteilung von Werbung verringern. (CLINE/KELLARIS 1999)

Zusätzlich birgt humorvolle Werbung die Gefahr des sogenannten Vampiref-fekts.

Probanden wurden in einer Studie Darstellungen von Produkten im Zusam-menhang mit neutralen, positiven und witzigen Texten wie z. B. „ Eine Blondi-ne mit dunkel gefärbten Haaren: künstliche Intelligenz“ präsentiert.

Beim Messen durch Eyetracking (vgl. Kapitel 4.4.1 „Eyetracking“) wurde erkennbar, dass die witzigen Elemente der Darstellung eine größere Beachtung fanden. Im Anschluss wurden Befragungen zu den Darstellungen durchge-führt, die jedoch zeigten, dass die Produkte weder gut frei erinnert noch gut wiedererkannt wurden. Die witzige Werbung sorgte zwar für Aufmerksamkeit, lenkte jedoch gleichzeitig damit vom Produkt ab. Bereits beim Encodieren der Botschaft wurde durch die Ablenkung ein mögliches Abrufen der Produktin-formationen verhindert. (STRICK/HOLLAND/KNIPPENBERG et al. 2010)

Wie Humor die Werbebotschaft unterstützt

Negative Effekte von Humor

QV

4 Leseprobe „Werbe- und Medienpsychologie“

50 2. Kommunikation und Werbung

© 10/2017

Andere Studien wiederum belegen, dass witzige Werbung über positive Affek-te wirken kann. Das zentrale Kriterium dabei ist die Einstellung des Betrachters gegenüber Werbung. Ist diese positiv, wirkt sich das auf den positiven Effekt von humorvollen Werbungen aus. (FELSER 2015)

Auch wenn nicht immer eine positive Beeinflussung der Kaufentscheidung gemessen werden kann, ist der Vampireffekt in allen Studien deutlich erkenn-bar. Je witziger die Werbung ist, desto weniger denken die Konsumenten über das Produkt nach. Humor hat also eine ablenkende Wirkung. Diese wird besonders auffällig, wenn die Stärke des Humors steigt. Ein subtiler Scherz hat weniger Ablenkungskraft als ein „Schenkelklopfer“. Wenn der komische Aspekt allerdings für das Produkt selbst relevant ist, also ein Bezug zwischen dem Humor und einer Produkteigenschaft hergestellt werden kann, wirkt auch ein „Schenkelklopfer“ nicht mehr stärker auf die Ablenkung ein.

Der Bezug zwischen Humor und Produkt erklärt auch, wie Humor der Wer-bung schaden kann. Wird durch Humor eine Produkteigenschaft erst relevant, nehmen Konsumenten diese positiv auf. Besteht keinerlei Zusammenhang in der Darstellung, sodass die Werbung immer gleich witzig wäre, egal um wel-ches Produkt es sich handelt, wird dies eher negativ aufgenommen.

Wenn beispielsweise ein Insektenschutzspray die Stärke seiner Schutzkraft mit Humor bewerben möchte, könnte die Anzeige das Spray neben den Füßen des toten Superhelden „Spiderman“ darstellen und den Slogan nutzen „Wir krie-gen auch die Großen“. Der humoristische Bezug wäre für den Konsumenten erkennbar und sorgt für eine Verbindung. Wird dagegen nur ein lustiges Bild einer Spinne gezeigt, hätte dies keinen positiven Effekt auf das Produkt.

DenkanstoßWelche Werbungen sind Ihnen als lustig in Erinnerung geblieben? Lag es am Überraschungs-Auflösungs-Effekt?

Die Befürchtung, dass ein Produkt bei humorvoller Präsentation nicht ernst-genommen wird, lässt sich auch zum Vorteil nutzen. Viele sensible und heikle Themen werden mit Humor für den Konsumenten zugänglich.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) setzt sich seit über 30 Jahren mit der Kampagne „Gib AIDS keine Chance“ für die Prävention von HIV und AIDS ein. Im Jahr 2016 wurde die Marke umgestaltet, um nicht nur die Prävention von HIV, sondern auch von anderen sexuell übertragbaren Krankheiten zu fördern. In der Pressemeldung der BZgA zur Markenänderung in „Liebesleben“ heißt es:

5 Leseprobe „Werbe- und Medienpsychologie“

512. Kommunikation und Werbung

© 10/2017

„LIEBESLEBEN will aufklären, aktivieren und den offenen Umgang mit sexueller Vielfalt und sexueller Gesundheit fördern. Die neue Marke steht für fundierte und zielgruppenspezifische Kommunikation mit eingängigen Botschaften. Der Markenzusatz „Es ist deins. Schütze es.“ unterstreicht die kommunikative Zielsetzung. […]

Die erste Kampagne unter dem Namen LIEBESLEBEN arbeitet mit aufmerk-samkeitsstarken Cartoons. Die Motive spiegeln die bunte Vielfalt von Sexualität und tragen auf humorvolle Weise zur Enttabuisierung von sexuell übertrag-baren Infektionen bei. Die BZgA kommuniziert mit der Cartoon-Kampagne zwei Kernaussagen leicht und eingängig: ‚Benutzt Kondome‘ und ‚Geht bei Symptomen für eine sexuell übertragbare Infektion zum Arzt‘.

Das neue Design unterstreicht mit einer sehr persönlichen Bildsprache, klaren Farben und modernen grafischen Elementen die offene und emotionale Kom-munikation.“ (BZgA 2017)

Abb. 12 Kampagne Liebesleben Yoga(BZgA 2017)

Humor für sensible und heikle Themen unter-stützt die Botschaft

6 Leseprobe „Werbe- und Medienpsychologie“

52 2. Kommunikation und Werbung

© 10/2017

Abb. 13 Kampagne Liebesleben Urlaub(BZgA 2017)

Der Effekt der Enttabuisierung wird hier besonders deutlich genutzt. Im Rah-men von Kampagnen zu den Themen Gesundheit/Krankheit kann Humor dazu beitragen, die Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken, den Zugang der Empfänger zu den Informationen zu erleichtern und die Auseinandersetzung zu fördern.