human mic mai 2012

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Huma M | Ma/Ju 2012 * Human mic Zeitung der Occupy-Bewegung Hamburg  Ausgabe Mai/Juni 2012 Photo by Mauricio Bustamante Occupy Hamburg bei angela merkel "biTTe pla TZ neHmen" - eurOmayDay 2012 geDanken Zur Occupy-bewegung Occupy macHT ScHule THema: FlücHTlingSpOliTik

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Huma M | Ma/Ju 2012

*Human micZeitung der Occupy-Bewegung Hamburg

 Ausgabe Mai/Juni 2012

Photo by Mauricio Bustamante

Occupy Hamburg bei angela merkel

"biTTe plaTZ neHmen" - eurOmayDay 2012

geDanken Zur Occupy-bewegung

Occupy macHT ScHule

THema: FlücHTlingSpOliTik

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Huma M | Ma/Ju 2012

AKTUELL

 von NessEssary 

Der 1. Mai hat sowohl deutschland- weit als auch weltweit wieder sehrschön gezeigt, wie eingeschränkt dieMainstream-Medien über Protesteberichten. Jeder, der an einem friedli-chen Protest teilgenommen hat, wirdbestätigen können, dass diese von dengroßen Redaktionen konsequent igno-riert wurden. Wieder einmal standenKrawallberichte im Fokus, aber werinteressiert sich auch schon für krea-tiven Protest?In Hamburg gab es beispielsweisezum 7. Mal die bunte und friedlicheEuro Mayday Parade, die von Altona

zum Spielbudenplatz zog. In diesem Jahr stand die Parade, auf Grund deraktuellen Entwicklungen in Altonaund St. Pauli, unter dem Motto: „Bit-te Platz nehmen!“ und vereinte die

 verschiedensten Initiativen wie„Mietenwahnsinn stoppen“, „SOS St.Pauli“ oder „LUX & Konsorten“ zueiner farbenfrohen Protestmasse.Los ging es um 14 Uhr bei strahlenderMaisonne in der Harkortstraße über die

 Tadenstraße und die Wohlwillstraße

„biTTe plaTZ neHmen!“unD Die ObjekTiviTäT Der

mainSTream-meDienzu den Esso-Häusern am Spielbu-

denplatz. Bis 17 Uhr wurden dieRede- und Musikbeiträge von der Pa-rade live auf FSK 93,0 gesendet. Dasoffene Mikrofon wurde von vielenMenschen genutzt, die ihrem Unmutüber rasant steigende Mieten, Vertrei-bung durch Vernichtung von günsti-

gem Wohnraum oder die Zerstörung  von Kulturgut durch den Ausverkauf unserer Stadt an private InvestorenLuft machten. Es ist gleichermaßeninteressant wie auch schockierendzu hören, dass wohl jeder der 3.000

 Teilnehmer etwas persönliches zudiesen Themen berichten kann. Und

 wieder ist es enttäuschend, dass die

 jeDer, Der an einem FrieDlicHen prOTeSTTeilgenOmmen HaT, wirD beSTäTigen kön-nen, DaSS DieSe vOn Den grOSSen reDakTi-Onen kOnSequenT ignOrierT wurDen. wie-Der einmal STanDen krawallbericHTe imFOkuS, aber wer inTereSSierT SicH aucH

ScHOn Für kreaTiven prOTeST?

Lokalpresse es regelmäßig verpasst,diese Stimmen der Stadtbevölkerung einzufangen und abzudrucken. Stattdessen wird in voller Inbrunst übereine brennende Mülltonne in derSchanze berichtet, inklusive Foto-strecke!

Zurück zur Parade: diese kam gegen

16:30 Uhr auf der Reeperbahn anund nahm, gemäß des Mottos, Platz.Umgeben von „tanzenden Türmen“„Vattenfall-Klötzen“ und riesigen

 Werbewänden wurde getanzt, gespielt,sich ausgetauscht und informiert bisdie Sonne unter ging.Man hätte diesen Tag nicht besser ver-bringen können und jeder, der nichtdort war, hat nicht nur ein tolles Mai-fest, sondern auch den effektivstenBericht darüber verpasst:den eigenen Augenzeugenbericht! ■

Occupy Hamburg bei der Euromayday am Spielbudenplatz, 1.Mai 2012 • Photo by Occupy Hamburg

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Occupy pOliTicS von Occupy Hamburg 

 Am 30.4.2012 machten 15 Aktivis-tinnen und Aktivisten von Occupy Hamburg einen Betriebsausug nachNorderstedt zur Wahlkampfveranstal-tung der CDU, um Frau Merkel einenkleinen Text vorzutragen.Den Film zur Aktion ndet Ihr unter

occupyhamburg.org und bei Youtube.Hier ist der Text unseres Mic Checks.

 Mic Check! Operation Garten Eden! 

Frau Merkel,Die Occupy Bewegung begrüßt Sie! 

Wir empören uns über Ihre protable und ausbeuterische Politik.

Wir wehren uns  gegen die Enteignung des Volkes 

durch Bankenrettung und Fiskalpakt.

Ihre neokolonialistische und militaristische unsoziale Marktwirtschaft kotzt uns an.

Lebensmittelspekulationen und Treibstoffgewinnung durch Nahrung sind Mord.

Wir fordern ein nachhaltiges und ethisches Wirtschaften.Wir fordern ein Einhalten der Menschenrechte auch in Deutschland 

Sie sind eine Marionette der Wirtschaft und nicht eine Dienerin des Volkes.

Wir wollen keine weitere Überwachung,sondern eine transparente Politik.

 Multikulti sei grandios gescheitert,behaupten Sie Wir sagen: 

Die Kultur der Ausgrenzung scheitert jeden Tag! 

Frau Merkel,schaffen Sie nicht die Demokratie ab,schaffen Sie Ihre Regierung ab und verzichten Sie auf Ihre Rente.

mic cHeck in Der live-waHlSenDung bei nOa4

Occupy Hamburg beim Auftritt von Angela Merkel • Photo by Occupy Norderstedt

 von Benny / YO

Landtagswahl Schleswig-Holstein,6. Mai 2012, „Occupy Norderstedt“

 Am Vorabend des 1. Mai trat Occupy Hamburg in Norderstedt KanzlerinMerkel und dem Spitzenkandidatender CDU, Jost de Jager entgegen und

 wurden diskussionslos von der Polizeientfernt. Nur 7 Tage später kehrtesich die Situation um.

Benny, seit Ende 2011 im Occupy Hamburg Camp, wurde mit 8,2 %Stimmenanteil als Piraten-Direktkan-didat für Norderstedt gewählt. Am

 Wahlabend gab es dann eine Live-Schalte des regionalen TV-SendersNoa 4 ins Occupy Hamburg Camp.Für die Protestcamper also einakustischer Gegenbesuch des CDUSpitzenkandidaten Jost de Jager beiOccupy.

In der Sendung wurden alle Direkt-kandidaten aus Norderstedt ein-geladen um den Wahlausgang zukommentieren. Die Wahlbeteiligung ist von 73 % auf 60 % gesunken.Das Vertrauen in die herrschenden

Regierungen ist tief erschüttert unddie Menschen zeigen immer deut-licher ihren Unmut gegenüber Po-litikern und Parteien. Das Occupy Hamburg Camp solidarisierte sichmit den Politik-Verdrossenen undempörte sich gegenüber den etab-lierten Parteien via Live-Schaltung aus dem Camp mit den Worten:

Die Occupy Bewegung begrüßt Sie! 

Wir wehren uns  gegen die Enteignung des Volkes durch Bankenrettung und Fiskalpakt! Das Volk ist der Staat! 

 Nichtwähler an die Macht,international! 

Die Direktkandidaten von CDU undSPD kommentierten den Mic Check als "verwirrte Parolen", so etwashabe nichts in der Politik und imLandtag zu suchen.Darauf Benny: „Danke, gleichfalls!“

Bei der anschließenden Wahlparty feierte das Camp mit "A bohemianbehemoth, post-midnight soirée"

 Wahlerfolg und zarten Wandel. ■

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AKTUELL

SeniOrenTage in Hamburg Wir hatten uns wirklich sehr gefreut,dass unsere Kanzlerin den Weg zuuns ins schöne Hamburg fand. FrauDr. sollte nämlich eine Rede anläss-lich der Seniorentage im CCH halten.Sollten wir die Propaganda-Veran-staltung kurz vorm Wahl-Finale zur

 Abgabe unseres Gesprächs-Antragsnutzen?

 Wir fanden, ja. Also informierten

 wir uns und erfuhren, dass sich Men-schen eine Eintrittskarte kaufen müs-sen, um unsere Kanzlerin zu sehenund zu erleben.

 Wir kauften uns den Eintritt für 7,50 € pro Person. Aus der Erfahrung waruns bewusst, dass das Erscheinen oc-cupy-bewegter Menschen von FrauMerkel als störend bewertet wird.

 Aber was genau heißt denn Stören? Wir wollten doch nur auf das Ange-bot unserer Kanzlerin eingehen.Die nette Volksvertreterin konnte

uns bei der letzten Aktion in Nor-derstedt nämlich noch mitteilen, dass

 wir doch bitte das nächste mal einen Antrag stellen könnten, falls wir mitihr auf einer Bühne reden möchten.Schnell gesagt, und wir haben es ge-tan. Den Antrag vorbereitet, wollten

 wir Merkel ganz persönlich die Ein-ladung überreichen. Die Idee ist daund genügend Menschen, die die-se umsetzen wollen. Wir gehen los.Unabhängig voneinander. Kurz

 vorm CCH sehe ich, wie die Polizei

schon die ersten von uns kontrolliertund Platzverweise verteilt; die über-tragbaren Eintrittskarten für ungültig erklärt, und mindestens eine zerreißt.Ich komme unentdeckt vorbei, hin-ein und tarne mich unter den ande-ren Menschen. Ich wirke so, als obich irgendwie dahin gehöre. Ich ge-höre ja auch hierher.Ich will zu Merkel!

 Wir wollen zu Merkel!Ich orientiere mich. Finde denSaal 1. Gehe vorher noch mal auf 

 Toilette und betrete den Saal. Diemeisten Menschen sitzen schon. Essind 3.000 Menschen im Saal. Ich dereinzige Occupy-Aktivist. Die ande-ren haben es leider nicht geschafft.

Ich arbeite mich langsam aber zielge-richtet zur Bühne. Stehe irgendwannziemlich weit vorne. Eine Absperrung steht mir im Weg. Die Show beginnt.Es wird die Eröffnungsrede gehalten.Es vergehen nicht viele Minuten, bises mich nicht mehr hält. Wir haltendie Einladung in der rechten Handhoch und versuchen, die Absperrung zu durchdringen. Wir rufen ziemlich

laut, dass wir eine Einladung hätten,die wir der Angela gerne überreichenmöchten. Wir kommen nur nichtdazu. Wir werden sofort von mehre-

Mit diesem Anschreiben wollte die Occupy-Aktivisten ein Gespräch mit unserer Bundeskanzlerin beantragen

ren Polizeibeamten hinausbegleitet.Sie verdrehen uns die Arme, als seien

 wir Schwerkriminelle. Wir sind nur Aktivisten, die nichtmehr darauf Rücksicht nehmen,ob es öffentliche oder geschlossene

 Veranstaltungen sind, um unserenUnmut über die systemischen undmerkelschen Machenschaften kund-zutun.

 Wir sind Occupy. Wir sind gekommen, um zu bleiben.■

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einDrücke vOnbürgerSprecHSTunDeneiner (prOTeST-)parTei

 von occuben

Nach ca. 20 Infoständen, diversen

Presseterminen und Stammtischen,ist die Zeit als Direktkandidat und Vollzeitpolitiker vorerst abgeschlos-sen. Ein Bericht über gesammeltenEindrücke aus dieser Zeit.

 Angefangen hat alles mit dem Be-such eines Stammtisches und derdarauf folgenden Teilnahme an einemLandesparteitag im September 2011.Dort trifft sich eine beeindruckendgroße Vielfalt an Menschen, die sichfür Parteipolitik interessiert. So gut

 wie alle eint die Proteststimmung ge-genüber dem Status Quo in der Poli-tik. Es überrascht, welch alternativeForderungen und Vorschläge dieseMenschen ausgearbeitet haben, mitdem Ziel eine demokratische Weiter-entwicklung herbeizuführen.

Der Autor: ein Direktkandidat.Erste Teilnahmen am Stammtischdes Wahlkreises sind viel von Halb-

 wissen und persönlichen Meinungengeprägt. Aber die Besucher legen viel

Engagement an den Tag, die Dingenicht einfach hinzunehmen wie siesind und es herrscht eine spürbare

 Aufbruchstimmung.

 An den öffentlichen Infoständenist die breite Enttäuschung, bis hinzu Verabscheuung von parlamen-tarischer Demokratie generell, sehrdeutlich wahrnehmbar. Misstrauengegenüber allem was mit Politik zutun hat wird einem häug an denKopf geworfen: „hau mir ab mit Po-

litik“, „lass mich in Ruhe mit Partei-en“, „dort ändert sich eh nix“, „geheschon lange nicht mehr wählen“,„seid doch alle korrupt“. Der größte

 Anteil von Menschen senkt jedoch

„Hau mir ab miT pOliTik“, „laSS micH in ruHemiT parTeien“, „DOrT änDerT SicH eH nix“,„geHe ScHOn lange nicHT meHr wäHlen“,„iHr SeiD DOcH alle kOrrupT“.

einfach den Kopf, blickt zu Bodenund huscht in einem hohen Bogenum jeglichen Kontakt.

Sehr faszinierend sind die zum Teilsehr intensiven Gespräche an In-foständen, mit Bürgern die ihreStimme erheben und ihren vielfäl-tigen Unmut über die herrschendeUngerechtigkeit in der Gesellschaftäußern. Bei anderen ist wiederumdeutlich eine Ohnmacht gegen-über der Möglichkeit von Verän-derung und Alternativen heraus-zuhören. Beim Austausch mit denMenschen wird deutlich, dass dieser

Zustand zunächst sehr unterschied-liche Wurzeln hat. Dort gibt es z.B.alte 68er, die viel Lob für politischenProtest verteilen, von eigenem Pro-test berichten und zunächst offensind für Alternativen. Am Ende desGesprächs halten sie dann aber wie-der den Status Quo für unveränder-bar. „Ihr werdet noch sehen, dass ihreuch, genau so wie wir, an die be-stehende Parteipolitik anpassen undeure Ideale und Werte verkaufen wer-det. Das ist die Natur des Menschen!“

 Andere wiederum versuchen mitrhetorischen Tricks und durch Aus-

 weichen in besondere Einzelfälle,übergeordnete und logische Zusam-menhänge zu untergraben, um zumSchluss zuzugeben, dass sie aus ganz

persönlichem Interesse eine Alter-native nicht unterstützen. Z.B. derBuchhändler der das Urheberrechtnicht verändert wissen will, nur weiles direkt sein sehr gut laufendes Ge-

schäft betrifft. Oder ein zunächst ver-deckt ehrenamtliches Parteimitglied,

 welches jede Kritik an der vorherr-

schenden repräsentativen Demokra-tie (Regierungen werden von ca. 25 %der Bevölkerung tatsächlich gewählt,mit 2 Kreuzen alle 4 bzw. 5 Jahre;1 % der Bevölkerung ist bundes-

 weit in Parteien organisiert und einBruchteil davon regiert tatsächlich)abweist, mit der Begründung dies seiaus menschlicher Natur entstandenund es gebe keine bessere Organisa-tion der Gesellschaft.

 Von einer Meta-Ebene betrachtet wird

häug der Status Quo als unveränder-lich dargestellt und es springt einemförmlich eine selbstzentrierte, egois-tische und häug auch sehr kurzfris-tige Denkweise entgegen. Dem heuteangepassten alt 68er z.B. will es par-tout nicht in den Kopf gehen, dass:1. Es möglicherweise Alternativenzu Entscheidungen gegeben hät-te und die Möglichkeit Ideale und

 Werte zu wahren. Es wird inter-pretiert als einen möglichen „Feh-ler“ gemacht zu haben und daher

als Angriff auf das Ego gewertet.2. Ein unerfülltes Arbeitsleben und

eine möglicherweise Beteiligung an Ungerechtigkeit eben nicht al-ternativlos gewesen sein könnte.3. Die erworbenen Ansprüche aus

dem Arbeitsleben für den Ruhestandin Gefahr gesehen werden, sollte estatsächlich Menschen gelingen einegerechtere Welt zu gestalten. ■

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Huma M | Ma/Ju 2012

THEMA: FLücHTLingE

eurOpaS FlücHTlingSpOliTik von: kickaha

 Jeden Tag landen tausende vonFlüchtlingen vom afrikanischen Kon-tinent an Europas Küsten an, umhier eine Chance zum Überleben zunden. In ihren Heimatländern re-gieren Despoten, die ihre Geschäftemit der europäischen Industrie ma-chen und davon leben wie die Madenim Speck. Für die Bevölkerung bleibtdabei nichts über. Im Gegenteil: Wird

 Wasser gebraucht, um etwas für Eu-ropa günstig zu produzieren, wird esder Bevölkerung entzogen und derenLebensraum nachhaltig geschädigt.Zum Leben bleibt der Bevölkerung dann kaum etwas, es sei denn der Müllaus Europa, den wir dort günstig ent-sorgen und mit den darin enthaltenenGiftstoffen den Boden und die Bevöl-kerung vergiften.

Europa ist auch hungrig nach Vieh-futter, welches in Afrika günstig an-gebaut wird zum Nutzen einiger

 weniger aus den Herrschercliquen.Der Bevölkerung wird damit der An-

bauraum für eigene Lebensmittel ge-nommen. Zynischerweise nanziertdann die europäische Bevölkerung dieHungerhilfe, welche dann durch dieUN in die Hungerkatastrophengebie-te geliefert wird.

 Was da passiert kann man als Neoko-lonialismus bezeichnen. Schon in der

 Vergangenheit hat Europa in Afrikaeine verhängnisvolle Rolle gespielt.Im Zuge der Kolonialisierung wurde

der Kontinent mit dem Lineal zerteiltund unter den Kolonialmächten auf-geteilt. Auf Stammesgebiete wurdedabei natürlich nicht geachtet, manhat ja die Bevölkerung dort nicht ein-mal als Menschen betrachtet, sondernals Handelsgut und sie in die Sklavereigeschickt. Gerade diese willkürliche

 Aufteilung in Kolonialgebiete wirktbis heute nach und sorgt für riesigeProbleme wie Bürgerkriege.

 Aufgrund all dieser Umstände istes doch gar kein Wunder, dass viele

 Afrikaner Europa als das gelobteLand betrachten und versuchen, die-ses Wunderland zu erreichen. Undseien wir doch mal ehrlich, was wür-den wir denn machen, wenn wir als

 Afrikaner geboren worden wären?

Die europäische Politik unterscheidetFlüchtlinge aber nach politisch Ver-

folgten, denen sie Hilfe zugesteht und„Wirtschaftsüchtlingen“, denen inihren Ländern ja nichts passiert, au-ßer das sie dort im Elend leben und

 verhungern. Diese Politik ist einfach

aber iST ein guTer Teil unSereS wOHl-STanDS nicHT DurcH Die auSbeuTungDieSer völker enTSTanDen? waS würDepaSSieren, wenn DieSe völker Die iHnenDurcH auSbeuTungSpOliTik unD kOlOnia-

liSmuS enTSTanDenen ScHäDen einklagenwürDen? wenn jeDer, DeSSen vOrFaHre einSklave war, eine enTScHäDigung verlan-gen würDe?

zynisch. Wir bestehlen diese Leutedurch unsere gierige Wirtschafts-politik und weigern uns, uns um dieBetroffenen zu kümmern.

 Wir verhalten uns wie die Bewohnerdes späten Roms und igeln uns ein.Dabei bedenken wir nicht, dass es

diese Politik war, die Roms Untergang herbeiführte.

 Wir sind dabei so herzlos geworden,dass wir es hinnehmen, dass diese

Flüchtlinge auf völlig untauglichenSchiffen im Mittelmeer kentern undtausende von ihnen dort ertrinken.Man kann das ja sogar noch in denBereich der Fabel verweisen, weil die-se Fälle nur in den seltensten Fällenbekannt werden. Wir sehen nur dieFlüchtlingsboote, die in Lampedusaoder sonst wo anlanden.

Ich fordere deshalb dazu auf, dieFlüchtlingspolitik grundlegend zuändern. Jeder Flüchtling muss auf-genommen werden und es sollte dieMöglichkeit der normalen Einreisebestehen. Das wird verdammt teuerfür uns und wir werden unseren Le-bensstandard nach unten anpassenmüssen. Aber ist ein guter Teil unseres

 Wohlstands nicht durch die Ausbeu-tung dieser Völker entstanden? Was

 würde andererseits passieren, wenn

alle Menschen wirklich gleich wärenund diese Völker die ihnen entstande-nen Schäden durch die Ausbeutungs-politik heute und den Kolonialismusgestern einklagen würde? Wenn je-der, dessen Vorfahre ein Sklave war,eine Entschädigung verlangen würde?Nein hier haben wir die Chance dieLebensverhältnisse weltweit anzu-gleichen und damit einen Teil unsererSchuld abzutragen.

Gleichzeitig mit der freien Einreiseder Flüchtlinge muss ein grundsätzli-cher Wandel im Umgang mit den Ur-sprungsländern stattnden. Es mussein fairer Handel mit diesen Ländernstattnden und der Bevölkerung dieMöglichkeit gegeben werden, sich vonihren Despoten zu befreien.Weiterhinmüssen Gelder für den wirtschaft-lichen Aufbau Afrikas bereitgestellt

 werden. Dabei darf den Völkern nichtherein geredet werden durch unseresogenannten Experten. Die Afrikaner

 werden das schon selber richten unddas von Ihnen Aufgebaute dann auchzu schätzen wissen, sowie ihr Selbst-

 vertrauen stärken. So lässt sich lang-fristig der Flüchtlingsstrom stoppen

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Huma M | Ma/Ju 2012

 von kickaha

Kaum sind Flüchtlinge hier ange-kommen, geohen vor Folter, Krieg,

 Vertreibung, anderen Schikanen odersei es auch nur Hunger und Perspek-tivlosigkeit, ja kaum sind sie hier unddenken, sie wären einigermaßen si-cher, geht hier auch schon der Ärger

mit den deutschen Behörden los.Pässe! Haben alle Pässe, sind dieauch echt und überhaupt, wie ist manhergekommen? Lag da eventuell ein“sicheres Drittland” zwischen? Istman denn auf dem Landweg gekom-men oder per Flieger? Ist man auf dem Landweg gekommen, die ge-naue Route bitte. Per Flieger? Wo istdas Ticket? Viele Fragen, viele Fallen.Lügen sollte man eh nicht, wer dabeiertappt wird, hat seinen Abschiebe-grund schon selbst gebastelt. Gleich

anerkannt wird eh kaum einer, erst-mal gibts eine Duldung, dann wirdder “Fall” geprüft. Das kann dauern.

 Akten werden hin- und hergescho-ben, Auskünfte manchmal aus dem

 Ausland geholt, alles wird immer

STOppT enDlicH Die abScHiebungen! wieder überprüft, neue Fragen er-geben sich, zu denen man angehört

 wird.... ein riesiges Karussel bewegtsich hübsch langsam vor sich hin. Esdauert. Inzwischen geht das Leben

 weiter. Kinder kommen zur Welt, dassind natürlich keine Deutschen, son-dern auch Flüchtlinge... per Abstam-

INFO

 Wie es Familien in ihrer “Heimat” dannergeht, kann man hier am Beispiel abge-schobener Roma-Flüchtlinge nachlesen:

http://www.alle-bleiben.info/news/info-news91.htmhttp://www.alle-bleiben.info/news/info-news91.htm

miTTen in Der nacHT kOmmT Die auSlän-DerpOliZei unD karrT Die abgeleHnTenZum FlugHaFen.

mung eben. Andere Kinder gehenhier zur Schule, sprechen deutschund werden hier sozialisiert, anderelernen einen Beruf und arbeiten, wieder Vater auch. Ab und zu muss manzum Amt, Duldung verlängern. Sogeht das jahrelang, machmal 10-15

 Jahre. Man hat sich hier eingerichtet,

es gibt Kinder, die nur noch deutschsprechen und das Heimatland ihrerEltern nur vom Hörensagen ken-nen. Dann irgendwann der Hammer:

 Asylantrag abgelehnt, ein Grund n-

det sich immer. Die Familie kriegtdavon erstmal nichts mit, das macht

man in Deutschland anders. Sicherer.Die könnten ja untertauchen, wennsie von einer bevorstehenden Ab-schiebung erfahren. Dann hätte mandie ja noch länger am Hals. Nein derdeutsche Staat macht das konspirati-

 ver: Mitten in der Nacht kommt die Ausländerpolizei und karrt die Ab-gelehnten zum Flughafen. Frühmor-gens dann ab in die Maschine und

 Tschüß, das wars dann. So konnteman gleich noch sicherstellen, dass

die Familie keine Rechtsmittel ein-legt. Wäre ja noch schöner, dass sol-len sie mal von ihrem Heimatlandaus machen... ■

und viele Migranten werden dann inihre Länder zurückkehren: Diese sindschließlich wegen der wirtschaftlichenNot hier und sie lieben ihre Heimatund ihr Volk trotzdem.

 All das wird wie gesagt Unsummenan Geld kosten und wir werden esschmerzlich spüren, wenn wir unse-ren Lebensstandard zurückschrauben.Ich kann mir gut vorstellen, dass vie-le Normalverdiener oder auch Armehier das nicht einsehen und sich fra-gen, inwiefern sie denn eine Schuld anden Problemen tragen. Leider sagenunsere Regierungen ja nicht die Wahr-heit oder verschweigen die Tatsachengleich. Das betrifft sowohl die Zahlder Flüchtlinge, die im Mittelmeer er-trinken als auch die Frage, woher un-ser Wohlstand kommt. Es ist eine un-

umstößliche Tatsache, dass die Tiere,deren Fleisch inzwischen täglich auf unseren Tellern landet, mit Futter ge-mästet werden, welches in den betref-fenden Ländern unter Ausnutzung der Anbauäche für eigene Produk-te erzeugt wird. Unsere Gier nachFleisch darf also der Afrikaner mitHunger bezahlen.Sollte wir uns weiterhin weigern, die-

"Wer von Menschen wie von einerSeuche spricht, hat Europa verraten, indem er es zu schützen vorgibt."

(Navid Kermani « Schriftsteller)

sen Tatsachen ins Auge zu sehen unddie Konsequenzen daraus zu ziehen, wird es uns so ergehen wie dem altenRom: Wir werden überrannt werdenund unsere Kultur untergehen. Nochhaben wir die Wahl.

Noch eine Bitte an die Leser:SPREAD THE WORD ■

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OccUPY DiREKT

griecHenlanDZur lage Der naTiOn

inTerview miT micHaliSpanTelOuriS - Teil 1i

 von Katrin Keßler

Ist die Krise Europas vielleicht mit den Mit- teln des Kabaretts zu überwinden? Sollten öf- ters Philosophen in Gesprächsrunden geladen werden, oder haben nur Experten aus nicht- deutschen Ländern einen unverstellten Blick? In der Münchner Runde des Bayrischen Rundfunks etwa taten sich unsere Schweizer 

 Nachbarn mit guten Ideen hervor. Nach Mei- nung der Philosophin Frau Lisa Herzog, die in St. Gallen tätig ist, sollten Journalisten ‚die Taktung der Berichterstattung drosseln‘, denn die anhaltende gängige Art der Information 

sei eher verwirrend. Der Journalist Frank A. Meyer machte sich Gedanken um die jungen  Menschen in Europa, die sich in Richtung einer Wirtschaft bewegten, die sozial funkti- oniert.

 Journalisten sollten ihren Job tun.In Deutschland ist es den Medienregelmäßig nicht gelungen, die Krisezu erklären. Journalisten haben sieganz offensichtlich in vielen Fällen ein-fach nicht verstanden. Deshalb wurdeso oft auf Vorurteile über faule, kor-rupte Südländer zurückgegriffen, dieeigentlich seit 50 Jahren überwundensein sollten. Ein Problem dabei ist,dass sich Journalisten augenscheinlichoft als Intellektuelle verstehen und imZweifel einen Kommentar zu einer

 wirtschaftlichen Krise eben moralischbegründen – weil sie von der tatsäch-lichen wirtschaftlichen Seite keine

 Ahnung haben. Wenn ich nicht weiß, was ein Leistungsbilanzüberschuss ist,dann muss die Krise halt daran liegen,dass die Griechen faul und korruptsind. Das ist fatal. Wir Journalistensind Informationshandwerker, unddas Handwerk kommt vor allem an-deren. Intellektuell sein kann ich zurNot in meiner Freizeit, aber im Beruf 

muss ich mit Informationen umgehen.

Ich habe so unvorstellbar viel Unfug in deutschen Medien gehört und ge-lesen in den letzten zwei Jahren, dassich sagen muss: Die Branche, nichtselten auch im so genannten Qualitäts-journalismus, hat sich vielfach leiderso verhalten wie ein Tischler, der eine

 Tischplatte bemalt, aber keine Beinean den Tisch macht. Sie hat ihr Hand-

 werk vergessen. Aber ein Tisch ohneBeine ist nutzlos, egal wie oft ich be-haupte, dass sei ein Qualitätstisch, weildie Platte so schön bemalt ist. Ich kann

nicht dran sitzen, verdammt! Aber umirgendwann mal endlich zur Antwortauf Ihre Frage zu kommen: Satire hilftimmer und überall. Aber auch die soll-te besser nicht von Journalisten kom-men, denn die können sie in der Regelauch nicht besonders gut.

dition des Gegenwartsjournalismus werde ich also natürlich trotzdem aus-führlich dazu Stellung nehmen: Nachallem, was ich höre, hat dieses Stück geradezu kathartische Wirkung auf manche Zuschauer, weil sie aus demPublikum Angela Merkel beschimp-fen können. Das ist natürlich kaba-rettistisch, es hat großen Humor, und

 wir wissen ja: Humor umfasst immer Wahrheit und Schmerz. Lachen ist dieexplosive Reaktion auf eine eigentlichunerträgliche Situation. Auf Pein und

Peinliches. Was ich in Griechenlandund aus Griechenland höre und erle-be ist, dass der schlimmste Feind desMenschen heute nicht der Hunger istoder die Kälte. Beides ist schlimm,und beides ist in Athen und anders-

 wo längst zu einem echten Alltags-problem geworden. Aber das aller-schlimmste ist die Demütigung. DieDemütigung, in der Schlange der

 Armenküche zu stehen. Die Demüti-gung, dem Kind kein ordentliches Es-sen mehr kaufen zu können, aus der

 Wohnung geworfen zu werden. Dafürauch noch in deutschen Boulevardzei-tungen als faul und korrupt beleidigtzu werden. Und letztlich machtlos zusein, denn selbst die eigenen Politikerhaben das Heft des Handelns ja vorlanger Zeit verkauft. Das Schimpfen

 jOurnaliSTen Haben Die kriSe ganZ OFFen-SicHTlicH in vielen Fällen einFacH nicHTverSTanDen. DeSHalb wurDe SO OFT auF

vOrurTeile über Faule, kOrrupTe SüDlän-Der ZurückgegriFFen.

In Athen läuft ein Theaterstück zur Euro- krise: ‘Angela goes Utopia‘. Haben Sie da- von etwas mitbekommen. Wenn ja, ist das ein Stück, in dem die derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb Europas analysiert und hinterfragt werden, vergleichbar etwa mit dem, was Elfriede Jelinek in ‚Die Kon- trakte des Kaufmanns‘ macht? Ist das eher kabarettistisch? Wie kommt so etwas bei den 

 Athenern an? Ist ihnen nicht inzwischen das Lachen vergangen? 

Ich habe beide Stücke, die Sie anspre-chen, nicht gesehen. In der guten Tra-

und vor allem das Lachen im Theaterhilft, sich selbst wieder ein bisschenklarer zu sehen. Zu sehen, dass Belei-digungen nicht verteilt werden kön-nen, wenn man sie nicht annimmt.Das hilft. Es heilt nicht, aber es lin-dert. ■

INFOhttp://www.taz.de/!87044/

ht tp : / /b lack lemonrad io .b logspot .com/2012/01/angela-goes-utopia.html

http://mavilicollective.wordpress.com/past-actions/

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Huma M | Ma/Ju 2012

vOn auSbeuTungunD auFSTOckernwarum Der minDeSTlOHn SO wicHTig iST

 von A.Nonym

Es ist schwierig, eine einheitlicheDenition für den Begriff „Ausbeu-tung“ zu nden. Auf Menschen bezo-gen sagt der Duden:

„(abwertend) [skrupellos] für sich aus- nutzen: jemds. Arbeitskraft ausbeuten;“ (Duden, Stichwort „ausbeuten“, Punkt 2.a) )

Im Bezug auf den Arbeitsmarkt stelltsich jetzt die Frage: Ab wann wirdjemand ausgebeutet? Wodurch? Isteine Arbeitskraft überhaupt ausbeut-

bar in Deutschland? Schließlich gibtes Arbeitsgesetze, Arbeitnehmer-rechte, Gewerkschaften, Betriebsräteund noch so einiges mehr, das dafürsorgen soll, dass ein Arbeitnehmereben gerade nicht ausgebeutet werdenkann.

Soweit die Theorie.Die Praxis sieht leider anders aus.

Ein Erlebnis bei der Arbeitssuche hatmich nachdenklich gemacht:

Da hieß es von einem Mitarbeiter einerZeitarbeit, dass er für mich, einen po-tentiellen Arbeitnehmer, etwas hätte,einen 40-Stunden-Job, befristet auf 3Monate, eventuell werde bei Eignung 

 verlängert. „Sie würden dann monat-lich 900 Euro brutto verdienen, das

 wäre doch in Ordnung, oder?“ Auf den Einwand, dass das netto geradeeinmal die laufenden Kosten decken

 würde, kam die Entgegnung: „Ach,das ist doch überhaupt kein Prob-lem, Sie können einen Antrag auf 

Zuschuss bei den Behörden stellen,dann würde sich für Sie ein monatli-ches Einkommen von ungefähr 1.000Euro netto ergeben.“Unabhängig von der Höhe des dann

zu erwartenden Nettogehalts fragteich mich: Ist das wirklich wahr, der

 Arbeitgeber kann jemandem ein Ge-halt zahlen für einen Vollzeitjob, wo- von dieser nicht leben kann, und das völlig legal?Eine Recherche ergab: Ja, er kann.

 Weil es geht. Weil die Bundesregie-rung mit der Agenda 2010 nicht nurdas Arbeitslosengeld II, also Hartz IV,eingeführt hat, sondern weil hierdurchauch eine Menschengruppe geboren

 wurde, die es zuvor so noch nicht gab:die sogenannten Aufstocker.

 Aufstocker sind all jene Menschen,

die ein Bruttogehalt bis zu 1.200 Euro verdienen und, wenn sie nicht zu teuerauf Miete leben, zusätzliches Geld

beiter Geld erwirtschaften, das sieihnen nicht zurückgeben. Weil sie

es können. Weil sie den Arbeitneh-mern sagen, dass diese ja aufstockenkönnten.Kurz gesagt: Der Staat nanzierthochofziell die Ausbeutung einer

 Arbeitskraft.Dies, und nichts anderes, ist derGrund für Forderungen, einenächendeckenden Mindestlohn ein-zuführen. Damit Firmen nicht mehrdie Möglichkeit haben, Arbeitskräf-te auszubeuten, sondern sie auchangemessen vergüten müssen für das,

 was sie leisten. Damit endlich nichtmehr der Staat Steuergelder verwen-den, besser verschwenden muss, um

 vom Jobcenter - man könnte auchSozialamt dazu sagen - beantragenkönnen. Der Staat sorgt hiermit da-für, dass eine in Vollzeit arbeitende

Person genug Geld pro Monat erhält,um davon leben zu können.

 Was sozial klingt, ist es in Wirklichkeitnicht.Denn genau hier verbirgt die Ausbeu-tung.

Heutzutage können Arbeitgeber den Arbeitnehmern Gehälter bezahlen,die netto unterhalb des Existenzmi-nimums liegen. Nicht etwa weil der

 Arbeitgeber ein höheres Gehalt nicht

nanzieren könnte, nein. Denn auchGroßunternehmen stellen Zeitarbei-ter ein, die zu genannten Konditionenarbeiten, obwohl diese UnternehmenMillionen-, teils Milliardengewin-ne verbuchen. Sie lassen ihre Mitar-

DurcH Die möglicHkeiT DeS auFSTOckenSFinanZierT Der STaaT HOcHOFFiZiell DieauSbeuTung einer arbeiTSkraFT.

 Arbeitgebern ihre Gewinne zu nan-zieren. Entweder ein Arbeitgeberhandelt wirtschaftlich, sodass seineMitarbeiter auch von dem Geld, das

er ihnen zahlt, leben können, oder ersollte es lassen. Denn ausbeutende Arbeitgeber braucht dieses Deutsch-land nicht.Darum präzisiere ich hier an dieserStelle, auf den Arbeitsmarkt bezogen,den weiter oben denierten Begriff:

 Ausbeutung ist:

„eine Vergütung eines Arbeitnehmers die so gering ist, dass dieser immer noch auf Geld vom Staat angewiesen ist, um über dem Existenzminimum zu liegen“,

Ein Missstand, der dringend korri-giert werden muss in unserem Sozial-staat Deutschland.Eine ächendeckende Einführung 

 von Mindestlöhnen ist deswegenlängst überfällig. ■

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Huma M | Ma/Ju 2012

OccUPY YOUR MinD

 von Barb Wire

Früher, als ich Kind war, war die Weltnoch simpel. Rechts war böse undlinks war gut, Atomkraft - nee dankeund am Waldsterben waren die Sprüh-dosen schuld. Abends hatte man die

 Wahl zwischen den Lügen der ARDund denen des ZDF. Statt Räuberund Gendarm spielten wir Terroris-

ten, die die Welt vor dem Verderbenretteten. Vorm Schlafengehen las ichden Herrn der Ringe, und das GesichtSaurons, des Herrschers des bösenReiches Mordor, verschwamm in mei-nen Träumen zu einer Mischung ausRonald Reagan und Helmut Kohl.

Heute bin ich nicht mal mehr sicher,ob es beginnende Altersweisheit oderdoch eher „Früher-war-alles-besser“-Senilität ist, wenn mir die Welt heuteum so vieles komplizierter erscheint.

Heute kann uns keiner mehr so leichtbescheißen, denn im Internet nden

 wir Informationen zu jedem Thema,ob über das Backen einer westfälischenZipfeltorte oder die Herstellung einer

 Atombombe im Kinderzimmer-Labor.Und nden wir auch der Weisheit letz-ten Schluss? Was ist richtig und was istfalsch?

 Aber halt, genau da wird es schwierig.In den Tiefen des Internet verlierensich die Grenzen zwischen Links und

Rechts, schwarz und weiß. Daraus er-geben sich neue, unerwartete Grau-stufen: Kapitalismus wird zum Wah-rer der Freiheit, Staatsfeinde ndensich auf rechter und auf linker Seite,libertär meint das Recht auf Waffen-besitz und „Antideutsche“ protestie-ren gegen Friedensaufrufe, währendÖkoliberale zum Krieg blasen undausgerechnet ein FDP-Minister eine

 weitere Kriegsbeteiligung Deutsch-lands verhindert. Die Piraten, ange-treten für Freiheit und Transparenz,

 verfangen sich in strukturellem Nerd-Machismo, während die Emanzen-ecke für umfassende Verbote kämpft,um der Pornographie Einhalt zu ge-bieten. Wer sich kritisch zu Medien-

Die Occupy-verScHwörunglügen über 9/11 äußert, verweist einpaar Seiten weiter auf den Fäkalien-Dschihad, die keineswegs satirischgemeinte Behauptung, die EHEC-Seuche sei eine Verschwörung auf Erdbeerfelder kackender Islamisten-Frauen gewesen (Kopp-Verlag). UndEsoteriker ergehen sich in faschistoi-der Wallhalla-Mystik oder meditiereneinfach das Unheil der Welt weg. Und

„Gutmenschentum“ ist das Schimpf- wort des Jahres.

Das Böse wird vereinfacht, nicht an-ders als in der Springer-Presse. Malsind es die Bilderberger, die New 

 World Order, die Familie Rothschild,die Transatlantiker oder die Illumina-ten und die Zahl 23. Wenn es doch sosimpel wäre...

Und gerade die Kritischen, die Wahr-heitssucher, die Idealisten verfangensich in einem Netz aus Halbwahrhei-ten, Verschwörungstheorien und abst-rusen Weltuntergangsszenarien. Kan-kra, die Spinne aus dem „Herrn derRinge“, ist gegen die politische Welt-

 verschwörungsspinne des Internet le-diglich ein niedliches Krabbeltierchen.Nicht verwunderlich also, dass auch

krieg iST böSe, kapiTaliSmuS iST böSe, naZiSSinD ScHeiSSe unD Die regierungen SinD DiemariOneTTen Der mäcHTigen.aber waS iST guT, waS iST ricHTig?

unter den Aktivisten von Occupy sichmanche auf der Suche nach einemklar denierten Gut und Böse zu denRattenfängern des Internet hingezo-gen fühlen und sich die Parolen mit

 Verschwörungstheoretikern teilen,die ihre Köder mit abgestandenemRevolutionsgeschmack auswerfen.Dabei kann es doch so einfach sein:sollte man meinen: Krieg ist böse,

Kapitalismus ist böse, Nazis sindScheiße und die Regierungen sind die

Marionetten der Mächtigen. Aber wasist gut, was ist richtig? Frieden, Liebe,Gerechtigkeit? Nicht der Sozialismusist das Gegenteil vom Kapitalismus,auch nicht die soziale Marktwirt-schaft. Und direkte Demokratie löstnicht alle Probleme dieser Welt, solan-ge die Medien intrumentalisiert wer-den, Gehirne zu waschen.

 Also, lasst uns noch eine Weile all-gemein bleiben, lasst uns Leben vorProt fordern und Liebe statt Krieg,bevor wir uns auf konkrete Ziele eini-gen. Zuvor müssen wir lernen, disku-tieren, protestieren und unsere Her-zen und Geister bilden.Ein langer Weg liegt vor uns. ■

Occupy Sydney / Australia • Photo by Anastasia Parmson

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Huma M | Ma/Ju 2012

Occupy macHT ScHuleZu beSucH in Der klOSTerScHule in ST. geOrg

Die pluraliTäT Der meinungen macHTOccupy SO reiZvOll. eS wirD nicHT Für al-TernaTiven gewOrben, SOnDern Für eineverbeSSerung DeS beSTeHenDen.

 von Pia C. Amerongen(Schülerin der 10.Klasse) Occupy erfreut sich seit Beginn seinerPräsenz in Hamburg an Mitgliedern

 verschiedenster Altersgruppen. DochSchüler, die noch nicht mal das Abiturin der Tasche haben, sind eher selten

 vertreten. Umso erstaunlicher war dieZusammenkunft von fünf Occupy-

 Aktivisten am 18.4. im Zeichensaaldes Gymnasiums Klosterschule in St.Georg, mit gleich vier solcher jungenHüpfer.Der Kunsterzieher Kottnik hatte im

 Vorfeld das Thema Occupy-Bewe-

gung intensiv mit mehreren Klassenbearbeitet, als er selbst aktiv wurdeund einige Occupy-Aktivisten zu ei-nem Gespräch einlud. Diskutierensollten sie mit Antonia aus der 11.Klasse und Sabeth, Marie und Pia ausder 10. Klasse. Es lag wahrscheinlichan der nicht existierenden Hierarchieder Occupysten, dass sich erst spätjemand bereit erklärte, mit den vier

Mädels und Publikum zu diskutie-ren. Doch dann kam zum Glück zuder Diskussion nicht nur ein Mitglied,sondern gleich fünf, Olli, Stephan,Christine, Wolfgang und Samira, so-dass sich alle Teilnehmer mehrmalsam Abend davon überzeugen konn-ten, dass sich die Aktivisten nicht beiallen Themen einig sind.Doch es gab nicht allein Debatten.Der Kunsterzieher hatte sämtliche imUnterricht entstandenen Werke zum

 Thema ausgestellt, Fotos des Occupy-

Camps von Marie Maruhn und Ent- würfe für Sitzhocker, die den revolu-tionären Aktivisten würdig sind. Undnatürlich der Kunstraum selbst, dermit den sehr individuell gestalteten

 Wänden und Deckenplatten an sichschon ein Kunstwerk, eine Art „Sozi-ale Plastik“, darstellt.In der Diskussion klärten die Schü-lerinnen erst einmal grundlegendeFragen, wie zum Beispiel hauptsäch-lich das Leben im Camp und die

 Auswirkungen auf den „normalen“

 Alltag, die das Schlafen in einem Zeltohne eigene Dusche im öffentlichenStadtraum, betrafen. Danach wurdees besonders spannend, als es um dieMotivation der einzelnen Mitgliederging oder um die Politikkenntnis-se, die erstaunlicherweise gar nichtso beeindruckend waren. Die Schü-

lerinnen kamen mit dem Eindruck in den Kunstsaal, dass die „Empö-rungsliste“ von Occupy zwar ehren-haft, aber doch sehr „Anti-Alles“ ist.Leider wurde dieser Eindruck nichtausgelöscht, sondern nur gedämpft.Occupy sei keine Anti-, sondern eineFür-Bewegung, meinten die Aktivis-

ten. Nur die Ziele würden nicht de-niert werden, denn dafür müsste ja einGruppenkonsens her und den gibt esin einer Gruppe, in der jede Stimmegleich viel wiegt, nicht.Nachdem sie die ganze Zeit mit meh-reren Stimmen die gleiche Meinung kundgetan haben, wurden sich die

 Aktivisten im Punkt Umsetzung derZiele uneinig. Muss sich die Gesell-schaft ändern, damit sich der Menschändern kann? Oder kann nur die Ver-änderung des Einzelnen die Verände-rung der Gesellschaft herbeiführen?Doch genau diese Pluralität der Mei-nungen macht Occupy so reizvoll. Es

 wird nicht für Alternativen geworben,sondern für eine Verbesserung desBestehenden. In dem Moment, indem man sich demonstrierend auf dieStraße stellt, erhebt man seine Stim-me selbst, anstatt sie abzugeben, dafürsteht Occupy.So ließen wir diesen Abend hinter unsmit der Gewissheit, dass es jemandengibt, der unsere Stimme vertritt, auch

 wenn wir noch gar nicht wissen, was wir sagen wollen.Nur eine Frage blieb ungeklärt: Wiekann man 99% eine Stimme geben,

 wenn es 99 verschiedene Meinungengibt? ■

Occupy Hamburg beim Auftritt von Angela Merkel • Photo by Occupy Hamburg

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Huma M | Ma/Ju 2012

KUnsT & KULTUR

 von Miriam

 Theater ist nicht nur das, was in mehroder weniger etablierten Schauspiel-häusern erst einstudiert und danndem Publikum dargeboten wird.Zwei Menschen fangen in einerBankliale ein Gespräch an, bei dem

einer den Anlageberater, der ande-re einen Vermögenden spielt, derseine Rendite optimieren will. DasGespräch wird immer abgedrehter

 – womöglich fangen Vorbeigehendeeinige Wortfetzen auf und wundernsich: ist das echt? Das ist Theater.Politaktivisten machen irgendeine

 Aktion in der Öffentlichkeit, einige von ihnen geben sich nicht als solchezu erkennen, sondern spielen Unbe-teiligte, die das Geschehen kommen-tieren und dadurch Gespräche unter

den Passanten ins Rollen bringen.Das ist Theater. Was tut man, wenn man Theaterspielt? „Sich verstellen“ oder „so tunals ob man…“ würde die Sache nichtganz treffen. Der Spielende fühlt sichnämlich in seine Figur hinein, hat indem Moment des Spielens wirklichdie Gedanken, Gefühle und Intenti-onen desjenigen, den er spielt – und

 weiß gleichzeitig auch immer, dass ersie nicht wirklich hat, sondern nurzeigt. Alles, was ein Mensch jemals

erlebt, gefühlt, beobachtet hat, kanner im Spiel verwenden. Das gilt so- wohl für das spontane, improvisierteSpiel als auch für die intensive Rol-lenndung, die in der Vorbereitung auf ein Stück betrieben wird. Schonallein dadurch bedeutet das aktiveSpielen immer eine intensive Erfah-rung, die für die Bildung, Entwick-lung und Reektion der eigenen Per-sönlichkeit wertvoll ist.Darüber hinaus unterscheidet sich

 Theater von allen anderen Kunst-

formen dadurch, dass der Künst-ler körperlich anwesend sein muss,mehr noch, dass er Kunst zwingendin dem gleichen Augenblick machenmuss, in dem das Publikum sie rezi-

Der vOrHang Zu unD alle Fragen OFFenZum grOSSen revOluTiOnären pOTenTial DeS THeaTerSpielenS

piert. Theater hat dadurch in ganzanderem Maße als andere Kunstfor-men einen kommunikativen Charak-ter – zwischen mehreren Spielendensowieso – aber auch zwischen denSpielenden und den Zuschauenden.Der Aspekt der Kommunikation unddes Austauschs kommt vor allem bei

Formen von Improvisationstheaterzum Tragen, bei denen es gar keineklare Grenze zwischen Spielendenund Zuschauenden mehr gibt. DasSpielen kann also auf sehr vielfäl-tige Weise eine Methode sein, Aus-tauschprozesse zwischen Menschenin Gang zu setzen.Der große Dramatiker Bertolt Brecht

 war der Überzeugung, dass Theatereine weltverändernde Wirkung ha-ben kann. In seinen Stücken hatte erden Anspruch, die gesellschaftlichen

Zustände nicht zu beschreiben oderzu erklären, sondern zu „entdecken“, wie sein Zeitgenosse, der Philosoph Walter Benjamin, es in verschiedenenEssays über Brecht beschreibt (Wal-

ter Benjamin, Versuche über Brecht).

Die angepeilte Reaktion beim Zu-schauer war dabei eben kein „Jaja, soist das halt“, sondern vielmehr einStaunen und die Erkenntnis, dass esdoch auch anders gehen kann. NachBrechts Theorie sollten seine Stückedazu beitragen, dass Menschen sichbewusst werden, dass sie etwas indieser Welt bewirken können: „Das

 Theater legt ihm [dem Menschen]nunmehr die Welt vor zum Zugriff.“(Brecht, Schriften zum Theater. Ge-sammelte Werke, Band 15)

So kommt es, dass Brecht zum Bei-spiel seinem großartigen und viel-leicht auch recht deprimierendenStück „Der gute Mensch von Sezu-an“, in dem die Logik einer Ellenbo-

DaS THeaTerSpielen kann auF SeHrvielFälTige weiSe eine meTHODe Sein,auSTauScHprOZeSSe ZwiScHen menScHenin gang Zu SeTZen.

gengesellschaft, in der es unmöglichist gut zu sein, unerbittlich „ent-deckt“ wird, einen Epilog hintenan-stellt, in dem es unter anderem heißt:„Verehrtes Publikum, los, such dirselbst den Schluss! / Es muss ein gu-ter da sein, muss, muss, muss!“ (Ge-samtausgabe, Band 6)

Übrigens hat Bertolt Brecht Anfang der 30er Jahre mit seinen Freundenauch Methoden des Straßentheatersangewandt, um mit der Berliner Ar-beiterbevölkerung in Kontakt zukommen, Menschen aufzuklären undgegen nationalsozialistische Propa-ganda anzuarbeiten.Meiner Meinung nach sind sehr vie-le Formen von Improvisations- undStraßentheater gerade besonders gutgeeignet dafür, Brechts Ansprüchenan das Theaterspielen gerecht zu wer-

den. Frei und außerhalb jeglicher In-stitutionen, im Alltag der Menschenangesiedelt, ergeben sich tausenderleiMöglichkeiten, Staunen zu erzeugen,Selbstverständlichkeiten ins Wanken

zu bringen und neue Wege sichtbar

zu machen. Diese Form des Theater-spielens wird meines Erachtens auchder Forderung Walter Benjamins ge-recht, welcher der Überzeugung war,dass Kunst, um die Welt verändernzu können, keine althergebrachtenProduktionsapparate beliefern darf,sondern neue Formen nden muss.

 Wenn ich also bei Occupy eine Kul-tur des Theaterspielens einbringenmöchte, so nicht allein, weil es Spaßmacht und Menschen zusammen-

führt (was schon gewichtige Grün-de wären), sondern auch, weil ichtatsächlich an das weltveränderndePotential von Theater, wie Brecht esbeschrieben hat, glaube. ■

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Huma M | Ma/Ju 2012

 Von einer Empörten

Es ist toll, wenn man seine revolutio-näre Gesinnung mit einem Mausklick 

kundtun kann.Ich klicke bei Avaaz oder bekunde „ge-fällt mir“ bei Occupy Facebook, undschon weiß ich, ich bin ein Kämpferfür Freiheit und Gerechtigkeit. Es lebeder Clicktivismus!Okay, heute empöre ich mich, die ichmir im Winter den Arsch abgefrorenhabe auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz, um das Camp am Leben zu er-halten, mal nicht über Kapitalismus,

 Ausbeutung und Ungerechtigkeit. Dastue ich sowieso jeden Tag.

Heute empöre ich mich über (einige)Occupy-Konsumenten. Am 17.1.2012 las ich einen Kommen-tar bei Facebook. Jemand beschwer-te sich, dass unser Camp ja gar nichtmehr so schnuckelig aussähe wie zuvor,sondern echt runtergekommen sei. Ja,

 wir hatten gerade den vierten Umzug hinter uns gebracht, hatten zwei Tagezuvor die Jurte wieder aufgebaut undmit klammen Fingern eine Küche er-richtet, um uns aufwärmen zu können.Die kreative Publikumsbespaßung kam

dabei wohl etwas zu kurz.

iST Occupy einDienSTleiSTungSunTerneHmen?

Oder nach der Apple-Store-Aktion: Warum wir denn in Hamburg protes-tiert hätten und nicht etwa gleich inChina, wo die Sklavenarbeit, die wiranprangerten, doch schließlich statt-fände.Ey, sorry, unser Dienst-Jet stand ge-rade in der Werkstatt, und das Ersatz-ugzeug hatten wir an Herrn Wulff 

 verliehen, weil er nach Sylt in Urlaub

 wollte. Außerdem war unser Pilotbesoffen.

 Tschuldigung, dass wir dem verehrtenPublikum kein größeres Spektakel ge-

boten haben. Ähnliche Kommentare dann nachunserem Besuch bei Frau Merkel:

unSer DienST-jeT STanD geraDe in DerwerkSTaTT, unD DaS erSaTZFlugZeugHaTTen wir an Herrn wulFF verlieHen,weil er nacH SylT in urlaub wOllTe.

 Tolle Aktion, aber schade, dass esnicht mehr waren. Ja, schade, dass derKommentator nicht seinen Arsch be-

 wegt hat und mitgekommen ist, wieauch noch hundert mehr, die sich öf-

fentlich oder privat darüber mokieren,

dass die Occupy-Bewegung inDeutschland so klein ist. Noch malzum Mitschreiben für die Zuhause-gebliebenen: Meistens sieht eine Ak-tion wie der Besuch bei Frau Merkelungefähr so aus: Ein oder zwei Tage

 vorher erfahren wir, dass wir hohenBesuch bekommen. Dann versuchen

 wir, Leute zusammen zu trommeln,die bei einer Aktion mitmachen wol-

len. Das passiert nicht über Face-book, damit der Staatsschutz nichtmitliest. Ein paar Stunden vor der Ak-tion setzen wir uns dann zusammenund schreiben einen Mic Check, unddann geht’s los. Es sind regelmäßig auch Leute dabei, die arbeiten, Kinderhaben, ach ja, auch ein Privatleben.Dann fünfzehn Leute zusammen zukriegen, wie bei der Merkel-Aktion,nde ich persönlich schon ziemlich

 viel.Bei vielen Kommentaren auf Youtube,

Facebook und den anderen üblichen Verdächtigen frage ich mich danndoch öfter, ob der geneigte Leser, der

da gemütlich mit dem Feierabendbier-chen in der Hand vorm Bildschirmsitzt, glaubt, wir seien eine Organisa-tion mit einer Public Relations Abtei-lung und einem Werbeblock, die alle

nur dafür abgestellt sind, möglichst viele Möchtegern-Revolutionäre kos-tenlos zu bespaßen, und das Campauf dem Gerhart-Hauptmann-Platzsei eine Art Big-Brother-Camp für

 Weltverbesserer. Aber bevor ich mich weiter empöre:Es gibt eine ganz wunderbare Me-thode, den Geist von Occupy undseine Wirksamkeit zu verbessern: WerIdeen hat, komme doch einfach vor-bei. Wir sind da, täglich und gut sicht-bar auf dem Gerhart-Hauptmann-

Platz und freuen uns über kreativeMenschen mit Ideen und über jeden,der Lust hat, mit uns zu diskutieren,revoltieren, protestieren.

 Willkommen! ■

Rathausmarkt / 15.Okt. 2011 • Photo by danny_in_monochrome

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Huma M | Ma/Ju 2012

WiRTscHAFT

 von Leon

Die sogenannte "Ökonomisierung"der Gesellschaft ist nicht die Aufnahmeder Geldtheorie in den Lehrplan derSchulen, sondern eher, dass wir tagtäg-lich mit ökonomischen Desinforma-tionen und Fehlschlüssen überutet

 werden, unter denen der Großteil derBürger geistig kapituliert. TARGETII, ESM, EFSF und ELA sind Fach-begriffe, die von Experten erfunden

 wurden, die alles berechnen können,aber keine Ahnung haben, woher dieKrisen kommen. Von den Experten,

aus deren Beratung Frau Merkel danndie Schlüsse zieht: „Scheitert der Euro,dann scheitert Europa“.

 Aber eigentlich ist es nur der Beweis, wie gut Nebelkerzen à la „Nachrichtenaus der Wirtschaft“ wirken. Denn be-

 vor man sich wirklich mit der Materiebeschäftigt, verurteilt manch einer lie-ber im Voraus die „Ökonomisierung der Gesellschaft“.

 Vor kurzem berichtete die internatio-nale Presse, dass Schweden das Bargeldabschaffen will. Das klingt fortschritt-

lich und konsequent, verdrängen Geld-karten doch immer mehr die Scheineim Portemonaie und werden mitunterauch schon bei Cent Beträgen benutzt.Doch denjenigen Ökonomen die ihren

 Verstand noch behalten haben und denMenschen, die unser Geldsystem ver-standen haben, sollte klar sein, worumes da wirklich geht: totale Kontrolle.Geld kann der Sache nach nur eine

 Ware sein, die nicht beliebig vermehr-bar ist. Das trifft bei EC-Karten nichtzu. Genauso wenig trifft es auf elektro-

nisches Geld zu. Das eigentliche Geldist also das Geld auf der Bank. Goldoder Silber oder andere Sachwerte.Bargeld, (Banknoten) oder Buchgeld(Giralgeld) sind die Garantie, jeder

gelD, gOlD unDgOTTSpielerbargelDlOS beZaHlen, eurOkriSe,Zwang unD verTrauen - Teil ii

Zeit Zugriff auf das echte Geld zu ha-ben. Abgesehen davon, dass man sich

mit der Etablierung von Zentralbank- wesen der Golddeckung entledigt hatund unser Gold angeblich aus Kosten-gründen irgendwo in Amerika lagert,ist noch nicht mal das Giralgeld auf dem einem Girokonto mit Bargeld ge-deckt. Im jetzigen System nur zu 10%.Die restlichen 90% würden im Falleeines „Bank Runs“ kein Bargeld mehrbekommen, da die Banken die Einla-gen direkt weiterverleihen, da sie zum

Großteil nicht abgehoben werden. Die Teilreserve macht dieses Spiel ofziell.Dieser offensichtliche Betrug (manschöpft Geld aus dem nichts und ver-leiht Geld, das einem nicht gehört),ist verwerich und gefährlich. Aber

 vor allem staatlich gesichert. Der Staatmit seinem Gewaltmonopol bietet die

ideale Tarnung für den Superbetrug schlecht hin.

Es gibt ein Theorem, das man bei je-dem beliebigen Problem anwendenkann. Wenn man irgendeinen Men-schen zu einer bestimmten Lösung 

zwingen muss, dann kann sie nicht gutfür ihn sein.Beispiel Euro. Wenn er wirklich dasBeste für uns ist, warum muss man unsdazu zwingen?

 Wenn das Rettungspaket wirklich gut

für uns ist, warum können wir nichtdarüber abstimmen?Durchschauen Sie nun wie anmaßendjedes Wort aus dem Mund irgendeinerPolitmarionette ist?

 Achso, stimmt parlamentarische De-mokratie. Unsere Experten (DieSpeerspitze der Inkompetenz in Berlinund Brüssel) kennen unsere Bedürf-nisse natürlich viel besser als der Pöbelselbst. Außerdem haben wir auch zuhohe Anforderungen an unsere Politi-ker, die werden schlecht bezahlt und

 werden ständig von der Oppositionblockiert. Ja was ist dann die logischeKonsequenz? Warum verschwen-den wir Steuergelder für Juristen, dieunser Land im Namen des Volkesum 2 Bio Euro verschulden, sich nieeinigen können, ihre Doktorarbeitennicht selbst schreiben, noch nicht maldie Verträge lesen, die sie beschließenund ständig hinter unserem Rücken amGrundgesetz rumpfuschen.

wenn man irgenDeinen menScHen Zu einerbeSTimmTen löSung Zwingen muSS, Dannkann Sie nicHT guT Für iHn Sein.

„Bankraub ist eine Initiati- ve von Dilettanten. WahreProfs gründen eine Bank.“

Bertholt Brecht

Die Direkte Demokratie nach Schwei-zer Vorbild würde Probleme, die durchÜberforderung der Repräsentantendurch zu hohen Delegationsumfang entstehen, lösen. Probleme werdendort gelöst, wo sie entstehen und überBundessachen wird abgestimmt.Kennen Sie ein Problem in ihrem Le-

ben, dass sie nicht selbst lösen könn-ten, ohne Politik? Argumente gegen direkte Demokra-tie kommen nur aus der gehobenenSchicht, die wiederum nur die Propa-ganda der Machtelite aufgreift. Sie hatdementsprechend dieselbe „gefährliche

 Anmaßung von Wissen“ (F.A. Hayek)inne, wie Merkels Totschlag-Phrasen.

 Wen das noch nicht überzeugt, derkann auch die MoralphilosophischeÜberlegung tun. Was ist verwericher,eine Fehlentscheidung der Mehrheit,

oder eine Fehlentscheidung einer Elite?Und wenn sich die Bürger für dengrößten Unsinn entscheiden, ist mirdas immer noch lieber als von einerHand voll Despoten bevormundet zu

 werden.

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Huma M | Ma/Ju 2012

unD wenn SicH Die bürger Für DengröSSTen unSinn enTScHeiDen, iST mirDaS immer nOcH lieber alS vOn einer HanD-vOll DeSpOTen bevOrmunDeT Zu werDen.

Es wird aber nicht zu Fehlentscheidun-gen bei Volksentscheiden kommen,denn die Gesamtheit der Bürger bildetdie Synergie aus abertausenden schlau-en Köpfen, die durch unmittelbareRede und Gegenrede erörtert, regel-mäßig qualiziertere Entscheidungentreffen wird, als jede Expertenkom-mission und jedes Gremium es jemalstun wird. Jede Form von Anmaßung 

 verhöhnt die natürlichen Rechte desIndividuums und wird schlussendlichan der eigenen Hybris scheitern (siehe

EU).Entschuldigen Sie die Polemik diediesen Abschnitt durchzieht, aber der

ewigen Diskriminierung des freien und vernünftigen, menschlichen Willens

muss in aller Verständlichkeit Einhaltgeboten werden.Zurück zum Thema. Schweden war1661 das erste Land, das Papiergeldeingeführt hat. Papiergeld war der ersteSchritt hin zu einer tieferen Vertrauens-phase im Geldglauben. Vertrauen galtnun nicht mehr in echtes Gold oderMünzen, sondern nur in eine Bankno-te aus Papier die das Gold garantierte.Papier, das mit dem Zentralbankwe-sen zum Handlanger des modernenUmverteilungsbetrugs wurde. Denn

nach und nach wurde die Garantie auf das echte Geld vergessen. Nicht nurin Schweden, sondern überall auf der

 Welt etablierte sich ein Zentralbankwe-sen, das Preis und Menge des Geldes(Zins und Teilreserve) zentral reguliert.Unter Monetarismus versteht man diezentrale Funktion der Geldmenge, diepolitisch gesteuert werden muss. DieseMachtstellung wird zwangsläug ("Öl-ecktheorem") ausgenützt um Schul-den durch Ination zu bezahlen. Oderanders gesagt: wer eine Gelddruckma-

schine im Keller hat, wird Geld dru-cken.Und Schweden ist jetzt das erste Land,das Bargeld wieder abschaffen will. Die

 Wirtschaftspolitischen Vorteile liegen

auf der Hand. Die Geldmenge kannkomplett per Computer gesteuert wer-den.Doch eine rein elektronische Währung ermöglicht auch die zentrale und tota-le Überwachung aller Zahlungsströme.

 Auch wer nichts zu verbergen hat, dem werden die Kleider vom Leib gerissen.Zinssätze variieren heute je nach „sco-ring“ Wert. Ihre Bonität hängt davonab, in welche Schublade ihre Wohnan-schrift oder ihr Vornamen fällt. Wennnun noch alle ihre Einkäufe nach be-

stimmten Kriterien mit ein paar Maus-klicks sortiert werden können, dann istihre Privatsphäre nicht mehr groß. In

etwa Null. Der „gläserne Bürger“ inReinkultur.

Das Hauptproblem ist aber wieder eindemokratisches. Wenn sich bei einerfreiwilligen Währung Bargeld selbstabschafft, dann kann das so sein. Esist jedoch reiner Sarkasmus, wenn beieinem staatlichen Zwangsgeld, ohneirgendeine direkt demokratische Ent-scheidung, das Bargeld abgeschafft

 wird. Es wird wiedermal deutlich, wiehartnäckig sich das basale Unverständ-

Occupy Palermo / Italien • Photo by Tobias Vasta (Gerta Human Repor ts)

nis der Ökonomisierung der Gesell-schaft erhält. Eine staatliche Währung kann nicht gut (stabil) sein, wenn keineKonkurrenten erlaubt sind und wenndie Politik mit ihr machen kann, wassie will.Die einzige Alternative ist gleichsam dieLangzeitlösung. Alternativen schaffen.Physische Edelmetalle oder Regional-

 währungen, denen die Leute vertrauen, weil sie nicht zum Prot einer kleinenElite entwertet werden (können). Kre-ditnanzierte Finanzmarkt Exzesse

und Verwerfungen durch Hebeleffektemit Zinsen, sind logisch, ohne staat-liches Inationsgeld unmöglich. DasGresshamsche Gesetz beweist, dassschlechte Währungen automatisch

 weniger akzeptiert werden und wieder vom Markt verschwinden. Dazu musslediglich das staatliche Zwangsgeldmo-nopol fallen. Stabile Währungen, die

 Voraussetzung einer beständigen, pro-sperierenden und damit solidarischenund gerechten Gesellschaft, werdensich automatisch etablieren – wenn

man sie lässt. ■

INFODas geniale Buch „Das Scheingeldsystem“von Murray Rothbard sei jedem ans Herzgelegt, der verstehen will, wie es zu denVerwerfungen in unserem Finanzsystemkommt. Es erklärt die Zusammenhängestreng logisch und einfach verständlich.

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Huma M | Ma/Ju 2012

WHAT's UP?

Occupy STaDTgarTen Ih möchtet selbst Panzen ziehen?Kein Platz daf vohanden?Ih fagt Euch wie?

Die Stadt gehöt uns allen!Bepanzt öffentliche Plätzemit dem Kastensstem odenutzt den Stadtgaten vonOccup Hambug!

Wi zeigen Euch, wie das geht

und infomieen Euch zuunseem Stadtgaten undandeen Altenativen!Wenn Ih schon vogezogenePanzen habt, bingt diese mit !

Wann?Sonntag, den 20.05.2012von 14-16 UhWo?Occup Hambug CampGehat-Hauptmann-Platz

Wi haben auch Seedballs

f eifige Gaden-Gueillas!

Human micSucHTDicH!

Du möchtest aktiv amHUMAN MIC mitabeiten?Du hast ein Thema, be das Dugen einmal scheiben wdest?Du möchtest zu einem unse-e Atikel Stellung beziehen?Du hast Fotos, die gesehen

weden sollen?Dann bist Du bei uns ichtig!Wi sind imme auf de Suchenach neuen, inteessanten undinfomativen Beitägen bezg-lich de Occup-Bewegung undallem, was so mit ih zu tun hat!

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impreSSum:

HUMAN MICZEITUNG DEr OCCUPy-BEWEGUNG

HAMBUrG

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OCCUPyHAMBUrG

rEDAKTION:CHrISTINE BACHMANN

DANNy VON MErKWürDENyO

M.POErTKICKAHA

LAyOUT/GrAFIK:DANNy VON MErKWürDEN

V. I. S. D. P. :DANNy VON MErKWürDEN

GErHArT-HAUPTMANN-PLATZ /AM ALSTErTOr 220095 HAMBUrG

KONTOVErBINDUNG:KTO.Nr.: 2034259300

BLZ: 43060967 GLS BANK

In der Occupy Bewegung treffen sich die unterschiedlichsten Menschen zu einem inspirierenden Austausch ihrer individuellen Meinungen

und Erfahrungen. Daher geben die Beiträge und Berichte im HUMAN MIC immer nur die Ansichten des jeweiligen Autors wieder.

Occupy Termine regelmäSSige Termine im camp: DIENSTAG, 19.30 CAMP-KINOMITTWOCH, 15.00 IMPrOVISATIONS- UND STrASSENTHEATEr

DONNErSTAG, 18.00 WOrKSHOPTrEFFENFrEITAG, 19.30 GrOSSE VErSAMMLUNGSONNTAG, 20.00 JAM-SESSION

DIENSTAG, 22.05.2012, 19:00 UHr: VErNETZUNGSTrEFFEN VONUNITED HAMBUrG IN DEr W3, NErNSTWEG 32, HAMBUrG

SAMSTAG, 02.06.2012 9:30 UHr: GErHArT-HAUPTMANN-PLATZTrEFFEN ZUr DEMO "NAZIAUFMArSCH STOPPEN"