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Benjamin Davy Innovationspotentiale für Flächenentwicklung in schrumpfenden Städten am Beispiel Magdeburg Wissenschaftliche Studie im Auftrag erstellt für die Internationale Bauausstellung Stadtumbau Sachsen-Anhalt 2010 2006

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Benjamin Davy

Innovationspotentiale für Flächenentwicklung in schrumpfenden Städten

am Beispiel Magdeburg

Wissenschaftliche Studie im Auftrag erstellt für die

Internationale Bauausstellung Stadtumbau Sachsen-Anhalt 2010 2006

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Hinweis

is

Aussagen über einzelne Unternehmen, Grundstücke und Problemlagen im Untersuchungs-gebiet dienen in der vorliegenden Studie nur der beispielhaften Veranschaulichung. Keine der folgenden Aussagen b ldet ein abschließendes Fachurteil über individuelle Grundstücke und einzelne Entwicklung - oder Sanierungsprojekte. Die Ermittlung des Verkehrswerts sowie sonstige Beurteilungen individueller Grundstücke (z.B. des planungsrechtlichen Zu-stands, der tatsächlichen Bodenveränderung, der notwendigen Sanierungsmaßnahmen) blei-ben daher einer genauen Prüfung der einschlägigen technischen, rechtlichen und wirtschaft-lichen Rahmenbedingungen sowie des jeweiligen Sachverhaltes vorbehalten.

Die Rechtslage ist mit Stand Januar 2006 (Land Sachsen-Anhalt) oder Mai 2006 (Bundes-recht) dargestellt.

Verfasser der Studie

Universitätsprofessor Dr. Benjamin Davy

Lehrstuhl für Bodenpolitik, Bodenmanagement, kommunales Vermessungswesen Fakultät Raumplanung • Universität Dortmund

[email protected]

Dortmund, 3. Oktober 2006

B. Davy Innovationspotentiale der Flächenentwicklung

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Inhaltsübersicht

Zusammenfassung

Einleitung

I. Auftrag und Forschungsfragen ............................................................................................................................. 1

II. Untersuchungsrahmen ........................................................................................................................................... 2

DIE ERSTE FORSCHUNGSFRAGE Wirkungsbeziehungen in der leeren Stadt

I. Die leere Stadt als Mangel und Möglichkeit .................................................................................................. 14

II. Boden, Planung, Eigentum, Wert .................................................................................................................... 19

III. Die leere Stadt und die Ökonomie des Behaltens ...................................................................................... 36

DIE ZWEITE FORSCHUNGSFRAGE Grundstückseigentum in der leeren Stadt

I. Phantasie und Leidenschaft ................................................................................................................................ 53

II. Grundstückseigentum als subjektives Recht .................................................................................................. 55

III. Grundstückseigentum als subjektive Pflicht ................................................................................................ 63

IV. Die leere Stadt und ihr Boden ........................................................................................................................ 74

V. Aneignungsstrategien in der leeren Stadt ....................................................................................................... 78

VI. Zur Dysfunktionalität der Eigentumsordnung in der leeren Stadt ......................................................... 88

DIE DRITTE FORSCHUNGSFRAGE Steuerungsmöglichkeiten in der leeren Stadt

I. Bodenmanagement als Umsetzung der Bauleitplanung ............................................................................... 91

II. Renaturierung und Bodenrecht ........................................................................................................................ 98

III. Renaturierung und kostenorientiertes Bodenmanagement ..................................................................... 106

IV. Renaturierung und Aneignung ...................................................................................................................... 119

V. Renaturierung und sozialgerechte Bodennutzung ...................................................................................... 130

DIE VIERTE FORSCHUNGSFRAGE Neue (sogenannte) Magdeburger Versuche über die leere Stadt

I. Bodenmanagement für das IBA-Szenario Leben an und mit der Elbe ................................................... 133

II. Leitbilder des Bodenmanagements ................................................................................................................ 136

III. Ziele des Bodenmanagements ....................................................................................................................... 137

IV. Maßnahmenpakete des Bodenmanagements .............................................................................................. 153

Abkürzungen .............................................................................................................................................................. 166

Literatur ..................................................................................................................................................................... 167

B. Davy Innovationspotentiale für Flächenentwicklung

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VERZEICHNISSE IV

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsübersicht .............................................................................................................................................. III Inhaltsverzeichnis ........................................................................................................................................... IV Tabellenverzeichnis ....................................................................................................................................... IX Abbildungsverzeichnis .................................................................................................................................. IX

Zusammenfassung .................................................................................................................................................................. X

Einleitung

I. Auftrag und Forschungsfragen ............................................................................................................................. 1

II. Untersuchungsrahmen ........................................................................................................................................... 2 A. Das Szenario: »Leben an und mit der Elbe« .............................................................................................. 2 B. Das Untersuchungsgebiet: Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen ............................................. 3 C. Die Aufgabe: Mobilisierung privater Grundstücke für öffentliche Zwecke ...................................... 10

DIE ERSTE FORSCHUNGSFRAGE Wirkungsbeziehungen in der leeren Stadt

I. Die leere Stadt als Mangel und Möglichkeit .................................................................................................. 14 A. »Schrumpfung« ............................................................................................................................................... 14 B. Ist »Schrumpfung« objektivierbar? ............................................................................................................. 16 C. Die leere Stadt ................................................................................................................................................ 17

II. Boden, Planung, Eigentum, Wert .................................................................................................................... 19 A. Vorbemerkung ................................................................................................................................................ 19 B. Boden ............................................................................................................................................................... 20

1. Boden als Territorium ............................................................................................................................. 20 2. Boden als Immobilie ................................................................................................................................ 21 3. Boden als Umwelt .................................................................................................................................... 22 4. »Boden« als Rechtsbegriff: Territorium, Immobilie, Umwelt ......................................................... 23 5. Unvermehrbar, unentbehrlich, situationsgebunden ........................................................................... 23

C. Boden, Planung .............................................................................................................................................. 25 1. Bauleitplanung und Bodenrecht ............................................................................................................ 25 2. Städtebaurechtliche Leitbilder ............................................................................................................... 27

D. Boden, Planung, Eigentum ......................................................................................................................... 28 1. Bodenpolitik und Bodenmanagement als Planumsetzung ............................................................... 28 2. Allokation und Effizienz ......................................................................................................................... 30 3. Distribution und Gerechtigkeit .............................................................................................................. 32

E. Boden, Planung, Eigentum, Wert ............................................................................................................... 33 1. Bodenwert(e) ............................................................................................................................................. 33 2. Bestimmungsgründe für den Verkehrswert ......................................................................................... 34

III. Die leere Stadt und die Ökonomie des Behaltens ...................................................................................... 36 A. Bodenwerte in der leeren Stadt .................................................................................................................. 36

1. Wohin führt die Bonczek’sche Treppe? ............................................................................................... 36 a) Mehr Recht, mehr Wert .................................................................................................................... 36 b) Umkehrung der Bonczek’schen Treppe in der leeren Stadt? ................................................... 37

B. Davy Innovationspotentiale für Flächenentwicklung

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VERZEICHNISSE V

2. Bodenwerte, Bevölkerungsgröße, Bruttoinlandsprodukt .................................................................. 40 a) Bodenwerte und Bevölkerungsgröße .............................................................................................. 40 b) Bodenwerte und Bruttoinlandsprodukt ......................................................................................... 42

3. Bodenmärkte in Großstädten und Großstadtrandlagen in Sachsen-Anhalt ................................. 42 a) Grundstücksmarktberichte Sachsen-Anhalt ................................................................................... 43 b) Baulandpreise in Großstädten und Großstadtrandlagen ........................................................... 44 c) Bodenmarkttendenzen in Großstädten und Großstadtrandlagen ............................................. 46 d) Bodenmarktdaten für die Landeshauptstadt Magdeburg ........................................................... 48

B. Transaktionswirtschaft versus Possessivwirtschaft ................................................................................. 49

DIE ZWEITE FORSCHUNGSFRAGE Grundstückseigentum in der leeren Stadt

I. Phantasie und Leidenschaft ................................................................................................................................ 53

II. Grundstückseigentum als subjektives Recht .................................................................................................. 55 A. Ein Bündel von Rechten .............................................................................................................................. 55

1. Eigentum und Sachrecht ......................................................................................................................... 55 2. Einzelansprüche des Eigentümers ......................................................................................................... 56 3. Eigentum und Rechtsverfolgung ........................................................................................................... 57 4. Eigentum und Verkehrswert .................................................................................................................. 57

B. Eigentumsrechte nach geltendem Recht ................................................................................................... 58 1. Grundstückseigentum als Grundrecht und Menschenrecht ............................................................ 58

a) Eigentumsfreiheit natürlicher Personen ......................................................................................... 58 b) Eigentumsfreiheit juristischer Personen? ....................................................................................... 59 c) Europäischer Menschenrechtsschutz und Eigentum ................................................................... 60

2. Grundstückseigentum als zivilrechtliches subjektives Recht ........................................................... 61 3. Brachfall als Eigentumsrecht? ................................................................................................................ 62

III. Grundstückseigentum als subjektive Pflicht ................................................................................................ 63 A. Die Ecken deines Feldes .............................................................................................................................. 63

1. Innewohnende Pflichten ......................................................................................................................... 63 2. Störungsverbot ........................................................................................................................................... 63 3. Levitikus ...................................................................................................................................................... 64

B. Eigentumspflichten nach geltendem Recht .............................................................................................. 65 1. Zivilrechtliche Pflichten der Grundstückseigentümer ....................................................................... 65

a) Nachbarrecht ....................................................................................................................................... 65 b) Verkehrssicherungspflicht ................................................................................................................. 66

2. Öffentlich-rechtliche Pflichten der Grundstückseigentümer ............................................................ 66 a) Sozialpflichtigkeit des Eigentums .................................................................................................... 66 b) Planungs-, Bau- und Bodenrecht ..................................................................................................... 67 c) Denkmalschutzrecht ........................................................................................................................... 68

3. Eigentümerpflichten und Bodenschutzrecht ....................................................................................... 69 a) Bundesbodenschutzgesetz ................................................................................................................. 69 b) Bodenschutz und Eigentumsschutz ................................................................................................ 70 c) Bodenschutz und Freistellungsrecht ............................................................................................... 72

IV. Die leere Stadt und ihr Boden ........................................................................................................................ 74

B. Davy Innovationspotentiale für Flächenentwicklung

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VERZEICHNISSE VI

V. Aneignungsstrategien in der leeren Stadt ....................................................................................................... 78 A. Eigentum und Eigensinn .............................................................................................................................. 78

1. Aneignungsstrategien als Sinndeutungen ............................................................................................ 78 2. Eigensinn .................................................................................................................................................... 80

B. Situationszentrierte Polyrationalität ........................................................................................................... 80 C. Eigentumssituationen und Aneignungsstrategien ................................................................................... 82

1. Eigentumssituationen ............................................................................................................................... 82 2. Aneignungsstrategien ............................................................................................................................... 83

D. Monorationale Strategien der Aneignung ................................................................................................ 84 1. Herrschaftsstrategie .................................................................................................................................. 84 2. Gemeinschaftsstrategie ............................................................................................................................. 84 3. Wettbewerbsstrategie ............................................................................................................................... 85 4. Isolationsstrategie ...................................................................................................................................... 86

E. Typologie der Aneignungsstrategien .......................................................................................................... 86

VI. Zur Dysfunktionalität der Eigentumsordnung in der leeren Stadt ......................................................... 88

DIE DRITTE FORSCHUNGSFRAGE Steuerungsmöglichkeiten in der leeren Stadt

I. Bodenmanagement als Umsetzung der Bauleitplanung ............................................................................... 91 A. Hoheitliche und alternative Instrumente .................................................................................................. 91 B. Instrumente des allgemeinen und besonderen Städtebaurechts .......................................................... 92 C. Braucht die leere Stadt neue Umsetzungsinstrumente? ........................................................................ 93

1. Problem des fehlenden Wertunterschieds ........................................................................................... 93 2. Problem der verkehrswertbedingten Unverhältnismäßigkeit ........................................................... 95 3. Problem der mangelhaften Gesetzesanwendung ................................................................................ 97

II. Renaturierung und Bodenrecht ........................................................................................................................ 98 A. Renaturierung und Bauleitplanung ............................................................................................................ 98

1. Renaturierung durch fremdnützige Festsetzung im Bebauungsplan ............................................. 98 2. Varianten der Renaturierung .................................................................................................................. 99

a) Dauerhafte Renaturierung ................................................................................................................ 99 b) Vorübergehende Renaturierung ..................................................................................................... 100 c) Umfassende Renaturierung ............................................................................................................. 100 d) Teilweise Renaturierung ................................................................................................................. 101 e) Sanierende Renaturierung ............................................................................................................... 101 f) Tolerierende Renaturierung ............................................................................................................ 102 g) Vorteile und Nachteile einzelner Renaturierungsvarianten ..................................................... 102

B. Renaturierung als Planungsschaden ......................................................................................................... 103 1. Anspruchsvoraussetzungen ................................................................................................................... 103 2. Übernahme gegen Entschädigung ....................................................................................................... 104 3. Verfahren .................................................................................................................................................. 105

C. Begleitende Enteignung .............................................................................................................................. 105

III. Renaturierung und kostenorientiertes Bodenmanagement ..................................................................... 106 A. Übersicht der Kostentypen ........................................................................................................................ 107 B. Erläuterung der Kostentypen .................................................................................................................... 108

B. Davy Innovationspotentiale für Flächenentwicklung

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VERZEICHNISSE VII

1. Private Kosten ......................................................................................................................................... 108 2. Opportunitätskosten ............................................................................................................................... 110 3. Soziale Kosten ......................................................................................................................................... 112 4. Transaktionskosten ................................................................................................................................. 115

C. Ansatzpunkte für kostenorientiertes Bodenmanagement .................................................................... 117

IV. Renaturierung und Aneignung ...................................................................................................................... 119 A. Eigentum als Instrument der Bodenpolitik ............................................................................................ 119

1. Eigentum und bestmögliche Bodennutzung ..................................................................................... 119 2. Deregulierung durch Eigentumsreform ............................................................................................. 120

B. Grundstückseigentum als Institution ....................................................................................................... 121 1. Eigentum und »property rights« .......................................................................................................... 121 2. Eigentumsarrangements ........................................................................................................................ 122 3. Institutionelle Vielfalt ............................................................................................................................ 123 4. Institutionelle Differenzierung ............................................................................................................. 124

C. Ein neues Eigentumsarrangement für die leere Stadt? ....................................................................... 125 1. Zur Aneignung des Möglichkeitsraums ............................................................................................. 125 2. Gemeinsam haben .................................................................................................................................. 126 3. Vorbild: Globale Staatengemeinschaftsräume ................................................................................... 127 4. Abhängigkeit zwischen Renaturierungsziel und Eigentumsarrangement ................................... 129

V. Renaturierung und sozialgerechte Bodennutzung ...................................................................................... 130 A. Bodennutzung und Gerechtigkeit ............................................................................................................. 130 B. Die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls .................................................................................... 130

1. Gerechtigkeit als Fairness ..................................................................................................................... 130 2. Verhandlungen hinter dem »Schleier des Nichtwissens« ............................................................... 131

C. Spielregeln für Renaturierung ................................................................................................................... 132

DIE VIERTE FORSCHUNGSFRAGE Neue (sogenannte) Magdeburger Versuche über die leere Stadt

I. Bodenmanagement für das IBA-Szenario Leben an und mit der Elbe ................................................... 133 A. Responsive Bodenpolitik ............................................................................................................................ 133 B. Das Bodenmanagementkonzept im Überblick ...................................................................................... 135

II. Leitbilder des Bodenmanagements ................................................................................................................ 136

III. Ziele des Bodenmanagements ....................................................................................................................... 137 A. Kostenbalance ............................................................................................................................................... 138 B. Zwischennutzung ......................................................................................................................................... 139 C. Bauland oder Landschaft? .......................................................................................................................... 140 D. Konkurrenz der Ideale ............................................................................................................................... 141 E. Bester Eigentümer, beste Nutzung ........................................................................................................... 143 F. Gute Nachbarschaft ..................................................................................................................................... 144 G. Sanierung ...................................................................................................................................................... 146 H. Renaturierung ............................................................................................................................................... 148 I. Ökologische Aufwertung ............................................................................................................................. 150 J. Landmarken der Industriegeschichte ........................................................................................................ 152

B. Davy Innovationspotentiale für Flächenentwicklung

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VERZEICHNISSE VIII

IV. Maßnahmenpakete des Bodenmanagements .............................................................................................. 153 A. Grundlagen der Umsetzung ....................................................................................................................... 153

1. Renaturierungspool ................................................................................................................................ 153 2. Kostenanalyse .......................................................................................................................................... 154

B. Formen der Umsetzung .............................................................................................................................. 154 1. Städtebauliches Entwicklungskonzept ................................................................................................ 154 2. Planerladen ............................................................................................................................................... 155 3. Konsensbildung ....................................................................................................................................... 155 4. Contingency Agreement ........................................................................................................................ 157 5. Stadtumbauvertrag ................................................................................................................................. 158

C. Inhalt der Umsetzung ................................................................................................................................. 159 1. Mobilisierungspaket ............................................................................................................................... 159 2. Private Finanzierung .............................................................................................................................. 160 3. Öffentliche Förderung ........................................................................................................................... 161 4. Kostenorientiertes Bodenmanagement ............................................................................................... 162 5. Aneignungswettbewerb .......................................................................................................................... 163

D. Unterstützung der Umsetzung .................................................................................................................. 165

Abkürzungen ....................................................................................................................................................................... 166

Literatur ............................................................................................................................................................................... 167

B. Davy Innovationspotentiale für Flächenentwicklung

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VERZEICHNISSE IX

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Bevölkerungsdichte deutscher Städte (1998) .............................................................................................. 3 Tabelle 2: Kenndaten 2004 — Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen im Vergleich mit Magdeburg . 6 Tabelle 3: »Schrumpfende Städte«, »schrumpfende Gesellschaft« ........................................................................... 15 Tabelle 4: »Boden« als Rechtsbegriff: Territorium, Immobilie, Umwelt ............................................................... 23 Tabelle 5: Durchschnittliche Kaufwerte für baureifes Land ..................................................................................... 41 Tabelle 6: Kaufwerte für baureifes Land (individueller Wohnungsbau, Gewerbebauland) in Großstadt-

randlagen und in Großstädten (Dessau, Halle, Magdeburg) in Sachsen-Anhalt, 1991–2005 ................. 45 Tabelle 7: Durchschnitte zwischen den Kaufwerten für baureifes Land (individueller Wohnungsbau,

Gewerbebauland) in Großstadtrandlagen und Großstädten (Dessau, Halle, Magdeburg) in Sachsen-Anhalt, 1991–2005 .............................................................................................................................. 47

Tabelle 8: Kaufwerte für baureifes Land (individueller Wohnungsbau, Gewerbebauland) in der Landeshauptstadt Magdeburg, 2005 .................................................................................................................... 49

Tabelle 9: Wahrnehmung und Verhalten in Eigentumssituationen ........................................................................ 82 Tabelle 10: Aneignungsstrategien, Mythen, Rationalitäten ....................................................................................... 86 Tabelle 11: Umsetzungsinstrumente der Bauleitplanung: Allgemeines Städtebaurecht ..................................... 92 Tabelle 12: Umsetzungsinstrumente der Bauleitplanung: Besonderes Städtebaurecht ....................................... 93 Tabelle 13: Vorteile und Nachteile einzelner Renaturierungsvarianten ............................................................... 102 Tabelle 14: Kosten und Grundstückseigentum .......................................................................................................... 107 Tabelle 15: Ansatzpunkte für kostenrelevantes Bodenmanagement ...................................................................... 118 Tabelle 16: Eigentumsarrangements und Grundstückseigentum ........................................................................... 122 Tabelle 17: Schritte zur Konsensbildung .................................................................................................................... 156

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Das Untersuchungsgebiet: Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen (Karte) ......................... 4 Abbildung 2: Das Untersuchungsgebiet: Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen (Luftbild) ..................... 5 Abbildung 3: Brachflächenkataster Magdeburg-Südost ................................................................................................ 9 Abbildung 4: Lage der Brachflächen im Untersuchungsgebiet (Luftbild) .............................................................. 10 Abbildung 5: Drei Ecklösungen der Bodenmobilisierung ......................................................................................... 12 Abbildung 6: Bonczek’sche Treppe: Mehr Recht, mehr Wert .................................................................................. 36 Abbildung 7: Die Umkehrung der Bonczek’schen Treppe? ...................................................................................... 38 Abbildung 8: Kaufwerte für baureifes Land (individueller Wohnungsbau, Gewerbebauland) in

Großstädten (Dessau, Halle, Magdeburg) in Sachsen-Anhalt, 1991–2005 .................................................. 46 Abbildung 9: Individueller Wohnungsbau in Sachsen-Anhalt: Erwerbsvorgänge und Kaufpreise ................... 48 Abbildung 10: Die Bonczek’sche Treppe in der leeren Stadt ................................................................................... 51 Abbildung 11: Typologie der Aneignungsstrategien ................................................................................................... 83 Abbildung 12: Aneignungsstrategien und Polyrationalität ........................................................................................ 87 Abbildung 13: Umsetzungspyramide und responsive Bodenpolitik ....................................................................... 134 Abbildung 14: Strategieempfehlungen Neue (sogenannte) Magdeburger Versuche über die leere Stadt ..... 135 Abbildung 15: Negative Bodenwerte, Sanierung, Renaturierung .......................................................................... 149 Abbildung 16: Negative Bodenwerte, Sanierung, Renaturierung und Folgenutzung als Bauland ................. 152

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Zusammenfassung

EINLEITUNG

1 In den Stadtteilen Buckau, Fermersleben, Salbke und Westerhüsen der Landeshaupt-stadt Magdeburg (»Magdeburger Südosten«) liegen großflächige Industriebrachen. Von den Industriebrachen gehen Umfeldbeeinträchtigungen aus. Nach dem Magde-burg-Szenario der IBA STADTUMBAU 2010 sollen die Industriebrachen durch Re-naturierung »in Landschaft zurückverwandelt« werden.

2 Bodenmanagement soll die zu renaturierenden Grundstücke verfügbar machen. Die Mobilisierung großflächiger Industriebrachen für öffentliche Zwecke findet im Magdeburger Südosten unter vier Nebenbedingungen statt:

Viele der betroffenen Grundstücke stehen im Eigentum juristischer Personen.

»Landschaft« ist eine Bodennutzung mit geringem ökonomischen Wert.

Viele der betroffenen Grundstücke sind durch schädliche Bodenveränderungen belastet.

In der Landeshauptstadt Magdeburg war zwischen 1989 und 2004 ein Bevöl-kerungsrückgang um rund 27% zu verzeichnen.

WIRKUNGSBEZIEHUNGEN

3 Die leere Stadt ist eine mentale Konstruktion städtischen Raumes, die Leere gleich-zeitig als Mangel und Möglichkeit städtebaulicher Entwicklungen wahrnimmt. Der Magdeburger Südosten ist eine Erscheinungsform der leeren Stadt.

4 In der leeren Stadt bilden Wirkungsbeziehungen zwischen Boden, Planung, Eigen-tum und Bodenwerten den Hintergrund für die schwierige Steuerung städtischer Entwicklungen:

In der leeren Stadt tritt anstelle einer Ökonomie des Verkaufens und Vermie-tens eine Ökonomie des Behaltens städtischer Grundstücke: Der Boden geht nicht zum besten Wirt, der Boden bleibt beim letzten Wirt.

Die Ökonomie des Behaltens wird durch den territorialen Bodenwert stärker bestimmt als durch den ökonomischen Bodenwert.

In der Ökonomie des Behaltens entscheiden Kosten — nicht Preise — über das wirtschaftliche Verhalten der Eigentümer.

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ZUSAMMENFASSUNG XI

5 Die meisten Bodenmärkte in den Großstädten und Großstadtrandlagen des Landes Sachsen-Anhalt waren von 1991 bis 2005, abgesehen von gewissen Schwankun-gen, auf niedrigem Preisniveau stabil. Nennenswerte Wertverluste oder Wertsteige-rungen sind nicht nachweisbar.

6 Der Befund stabilen und niedrigen Preisniveaus auf den meisten Bodenmärkten widerspricht bodenpolitischen Handlungsempfehlungen, die behaupten, auf Boden-märkten in »schrumpfenden« Städten würde ein Wertverlust eintreten. Der Unter-schied zwischen dem Bodenwert vor einer Planung und nach einer Planung, vor einer Stadtumbaumaßnahme und nach einer Stadtumbaumaßnahme könne als Steuerungsgröße herangezogen werden (Umkehrung der Bonczek’schen Treppe).

7 Staatliche oder kommunale Interventionen, die überwiegend an einer Instrumenta-lisierung vermeintlicher Wertunterschiede ausgerichtet sind, können in der leeren Stadt keine nachhaltigen Allokationseffekte (Mobilisierung) auslösen.

GRUNDSTÜCKSEIGENTUM

8 Das sozialpflichtige private Grundstückseigentum genießt auch in der leeren Stadt den vollen Grundrechtsschutz (Art. 14 und 15 GG). Das Eigentumsrecht schließt auch das Recht auf Nichtnutzung ein.

9 Die Umfeldbeeinträchtigung durch brachliegende Industriegrundstücke ist nach deutschem Zivil- und Verwaltungsrecht (z.B. Verkehrssicherungspflicht, Bodenrecht, Umweltrecht, Denkmalschutz) nicht erlaubt. Eigentümer sind zur Unterlassung der Umfeldbeeinträchtigung verpflichtet.

10 Die Erfüllung der Pflicht zur Unterlassung der Umfeldbeeinträchtigung darf in der leeren Stadt nur beschränkt erzwungen werden:

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfen Eigentümer nur zu Altlastensanierungs- oder Denkmalschutzmaßnahmen gezwungen wer-den, die in angemessenem Verhältnis zum Verkehrswert oder Ertrag ihrer Grundstücke stehen: verkehrswertbedingte Verhältnismäßigkeit.

Nach Art. 1 § 4 Abs. 3 des DDR-Umweltrahmengesetzes sind viele Eigentümer der Industriebrachen von ihrer Verantwortlichkeit, insbesondere für die Altla-stensanierung, befreit, solange eine gewerbliche oder unternehmerische Boden-nutzung erwartet wird: wirtschaftsfördernde Freistellung.

11 Die verkehrswertbedingte Verhältnismäßigkeit und die wirtschaftsfördernde Frei-stellung tragen zur Dysfunktionalität der Eigentumsordnung in der leeren Stadt bei und verstärken die Rolle, die der territoriale Bodenwert und das Eigentumsrecht für die Ökonomie des Behaltens in der leeren Stadt spielen.

12 Die gegenwärtigen Grundstückseigentümer sind nicht oder nur selten die tatsächli-chen Subjekte der Aneignungsstrategien im Magdeburger Südosten (z.B. gewerbli-che Nischennutzungen, Kleingärten, wilde Nutzungen, Landes- und Kommunalver-waltung, Revitalisierung und Neubau in Buckau und entlang der Elbe).

B. Davy Innovationspotentiale für Flächenentwicklung

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ZUSAMMENFASSUNG XII

STEUERUNGSMÖGLICHKEITEN

13 Die öffentliche Hand (Land Sachsen-Anhalt, Landeshauptstadt Magdeburg) besitzt in der leeren Stadt unterschiedliche Möglichkeiten, die Umfeldbeeinträchtigung durch Grundstücksverwahrlosung zu unterbinden. Als Handlungsziel wird Renatu-rierung der Industriebrachen im Magdeburger Südosten nach dem Szenario der IBA STADTUMBAU 2010 unterstellt.

Renaturierung und Bodenrecht

14 Die Mobilisierung der Industriebrachen könnte durch Änderung des Flächennut-zungsplans und fremdnützige Festsetzungen in Bebauungsplänen eingeleitet werden (z.B. als Flächen für den Gemeinbedarf, Grünflächen, Bodenschutzflächen). Die Ei-gentümer könnten daraufhin von der Landeshauptstadt Magdeburg die Übernahme gegen Entschädigung verlangen.

15 Wird kein Übernahmeverlangen erhoben, käme zur Mobilisierung auch die städte-bauliche Enteignung in Betracht. Angesichts niedriger und zum Teil sogar negativer Bodenwerte und Verkehrswerte brachliegender Industriegrundstücke ist ein Grund-stückskauf oder eine Übernahme vorzuziehen.

Renaturierung und Kostenmanagement

16 Eine der Ökonomie des Behaltens angemessene Steuerungsmöglichkeit bietet das kostenorientierte Bodenmanagement, dessen Allokationsmechanismus an die Kosten des Grundstückseigentums anknüpft. Die Kosten des Grundstückseigentums um-fassen die privaten Kosten, die sozialen Kosten, die Opportunitätskosten und die Transaktionskosten.

17 In der leeren Stadt sind die privaten Kosten der Grundstückseigentümer zu niedrig, um eine Änderung der gegenwärtigen Grundstücksverwendung zu veranlassen. Eine mögliche Schlußfolgerung wäre: Die privaten Kosten werden erhöht, um Grund-stückseigentümer zur Eigentumsaufgabe zu zwingen.

18 In der leeren Stadt sind die sozialen Kosten zu hoch. Nachteilige Folgen der Nicht-nutzung oder Unternutzung privater Grundstücke können durch die Allgemeinheit (Kommune, Anwohner, Passanten) nicht mehr getragen werden. Folgende Schluß-folgerung wäre möglich: Zur Internalisierung sozialer Kosten des Leerstands und zur Wiederherstellung des marktwirtschaftlichen Preismechanismus werden

geltende Bundes- und Landesgesetze (z.B. BauGB, BBodSchG, Nachbarrecht) zum Schutz der Anwohner sowie zur Beseitigung von Umfeldbeeinträchtigun-gen vollzogen;

neue Ge- und Verbote zum Schutz der Anwohner sowie zur Beseitigung von Umfeldbeeinträchtigungen durch Bundes- oder Landesgesetzgebung oder kom-munale Satzung erlassen;

eine Pigou-Steuer auf Umfeldbeeinträchtigungen eingeführt (z.B. eine Altlasten-abgabe).

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ZUSAMMENFASSUNG XIII

19 In der leeren Stadt sind die Opportunitätskosten, die Kosten des Verzichts des Eigentümers auf den Nutzen einer alternativen Grundstücksverwendung, zu niedrig, um eine Änderung der gegenwärtigen Grundstücksverwendung zu veranlassen. Daraus könnte folgende Schlußfolgerung gezogen werden: Den Eigentümern werden — etwa durch die Vereinbarung von Nutzungsentgelten für gemeinnützige Grund-stücksnutzungen oder durch eine Änderung des grundstücksbezogenen Planungs-rechts — attraktive alternative Grundstücksverwendungen angeboten.

20 In der leeren Stadt sind die Transaktionskosten zu hoch. Die Kosten der Rechts-verteidigung, aber auch die Kosten für Verhandlungen über alternative Arrange-ments der Bodennutzung verhindern, daß zwischen allen Beteiligten eine effiziente und gerechte Nutzung des Bodens vereinbart wird. Eine wichtige Schlußfolgerung könnte lauten: Im Rahmen der IBA STADTUMBAU 2010 inszenieren das Land Sachsen-Anhalt und die Landeshauptstadt Magdeburg einen Wettbewerb um die beste Aneignungsstrategie für renaturierte Brachflächen. Zur Vorbereitung des An-eignungswettbewerbs werden marktverzerrende Transaktionskosten beseitigt (z.B. Reform des Rechts und der Finanzierung der Altlastenfreistellung).

Renaturierung und Aneignung

21 Die ökonomische Theorie des Rechts (property rights theory) erblickt eine Steue-rungsmöglichkeit insbesondere in der Ausgestaltung des Eigentums. Der Hauptge-danke dieser Theorie für das Verhältnis zwischen Boden, Planung, Eigentum: Wird Bodennutzung als ineffizient empfunden, sollte nach Veränderungen der insti-tutionellen Eigentumsarrangements, nicht bloß nach schärferen Staatsinterventionen gesucht werden.

22 Wichtige institutionelle Eigentumsarrangements sind privates Eigentum, Gemein-schaftseigentum, öffentliches Eigentum. Wegen des geringen Bodenwerts und der niedrigen Nutzungsintensität einer renaturierten Landschaft ist Privateigentum ju-ristischer Personen für die leere Stadt kein zweckmäßiges Eigentumsarrangement.

23 Ein erfolgversprechendes Arrangement für die Aneignung der Industriebrachen im Magdeburger Südosten wäre eine Allmende nach dem Vorbild der völkerrechtlichen Staatengemeinschaftsräume. Das Leitbild Gemeinsam haben könnte durch ein Ge-setz zur Vergemeinschaftung brachliegender Industriegrundstücke (Art. 15 GG) um-gesetzt werden. Die Allmendenutzung könnte aber auch durch eine Gemeinge-brauchswidmung oder Organisationslösung (z.B. eingetragener Verein als Eigentü-mer) eingerichtet werden.

Renaturierung und sozialgerechte Bodennutzung

24 Der langanhaltende Leerstand und die Umfeldbeeinträchtigungen im Magdeburger Südosten werden nicht allein durch die Selbstregulierung des Marktes, nicht allein durch hoheitliche Interventionen des Stadtplanungsamts, auch nicht allein durch zivilgesellschaftliche Initiativen und bürgerschaftliches Engagement beseitigt. Auf-grund von Verhandlungen über sozialgerechte Bodennutzung könnten die Beteilig-ten brauchbare Spielregeln für die Renaturierung der Industriebrachen vereinbaren.

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ZUSAMMENFASSUNG XIV

STRATEGIEEMPFEHLUNGEN

25 Das Bodenmanagementkonzept Neue (sogenannte Magdeburge Versuche über die leere Stadt beruht auf der Theorie der responsiven Bodenpolitik. Diese Theorie empfiehlt, Maßnahmen unterschiedlicher Eingriffsdichte und Regelungsintensität in einer »Umsetzungspyramide« zusammenzustellen, um auf unterschiedliche Ratio-nalitäten, Interessen, Sichtweisen zu antworten.

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26 Zur Vorbereitung der Renaturierung sollen die städtebaurechtlichen Leitbilder (§ 1 Abs. 5 BauGB) konkretisiert werden. Die Konkretisierung sollte begründen, wie die beabsichtigte Renaturierung

eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung des Magdeburger Südostens ge-währleistet, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anfor-derungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinan-der in Einklang bringt;

eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung in den Stadtteilen Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen gewährleistet;

dazu beiträgt, im Magdeburger Südosten eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln, auch in Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz;

dazu beiträgt, die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild — insbesondere die schützenswerten industriekulturellen Baulichkeiten — baukul-turell zu erhalten und zu entwickeln.

27 Das Bodenmanagementkonzept Neue (sogenannte Magdeburge Versuche über die leere Stadt verfolgt mehrere Ziele:

Kostenbalance — Für alle Grundstücke sollen soziale Kosten internalisiert, die Opportunitätskosten erhöht und Transaktionskosten gesenkt werden.

Zwischennutzung — Möglichst viele Grundstücke sollen kurzfristig für die städtebaulichen Funktionszusammenhänge zurückgewonnen werden.

Bauland oder Landschaft — Für alle Grundstücke soll festgelegt werden, in wel-chem Umfang und zu welchen Zeitpunkten sie in die Renaturierung einbezo-gen oder bauliche Nutzungen erlaubt werden.

Konkurrenz der Ideale — Die sozialgerechte Bodennutzung im Magdeburger Südosten sollte unterschiedliche Rationalitäten und Sichtweisen so aufnehmen, daß sich Kontrolle, Gemeinschaft, Wettbewerb und Gelassenheit gleichermaßen beim Bodenmanagement bewähren können.

Bester Eigentümer, beste Nutzung — Für alle Grundstücke sollen festgelegt werden: die Merkmale der besten Nutzung der Grundstücke, die Merkmale guter alternativer Nutzungen, die Eigenschaften des besten Eigentümers.

Gute Nachbarschaft — Die Grenzen, Brüche, Übergänge zwischen Wohn-, Verkehrs-, Gewerbenutzungen und brachgefallenen altindustriellen Grundstük-ken werden im Sinne einer guten Nachbarschaft neu geordnet und gestaltet.

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ZUSAMMENFASSUNG XV

Sanierung — Die schädlichen Bodenveränderungen auf Altstandorten und durch Altlasten im Magdeburger Südosten werden auf Kosten der Grundstückseigen-tümer und der zur Sanierung Verpflichteten oder, soweit dies verfassungsrecht-lich unverhältnismäßig wäre, auf Kosten der öffentlichen Hand saniert.

Renaturierung — Die Renaturierung sanierter Grundstücke im Magdeburger Südosten (»mehr Landschaft«) verhindert die Entstehung von Leerräumen mit negativen Bodenwerten. Die Renaturierung schließt die Grundstücke dauerhaft von Baulandnutzungen aus oder bereitet — als Zwischennutzung — die Wieder-nutzung vor.

Ökologische Aufwertung — Durch eine Steigerung des ökologischen Boden-werts brachgefallener Grundstücke im Magdeburger Südosten wird die lokale Transaktionswirtschaft angeregt.

Landmarken der Industriegeschichte — Das Bodenmanagement trägt zur Er-haltung und Pflege der industriearchäologischen Qualität des Magdeburger Südostens bei.

28 Das Bodenmanagementkonzept Neue (sogenannte Magdeburge Versuche über die leere Stadt empfiehlt, diese Ziele mittels folgender Maßnahmen anzustreben:

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Renaturierungspool

Kostenanalyse

Städtebauliches Entwicklungskonzept

Planerladen

Konsensbildung

Contingency Agreement

Stadtumbauvertrag

Mobilisierungspaket

Private Finanzierung

Öffentliche Förderung

Kostenorientiertes Bodenmanagement

Aneignungswettbewerb

Unterstützung durch Planungs- und Umsetzungsinstrumente

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Einleitung

I. Auftrag und Forschungsfragen

Die ARGE IBA-Büro GbR (kurz: IBA-Büro) wurde vom Land Sachsen-Anhalt beauf-tragt, die Internationale Bauausstellung Stadtumbau Sachsen-Anhalt 2010 (kurz: IBA STADT-

UMBAU 2010) vorzubereiten, zu konkretisieren, durchzuführen und zu dokumentieren. Le-ben an und mit der Elbe ist ein Einzelprojekt der IBA STADTUMBAU 2010 mit der Landes-hauptstadt Magdeburg. Im Rahmen dieses Einzelprojekts sollen die Innovationspotentiale im Flächenmanagement grundlegend untersucht werden. Mit Werkvertrag vom 9. Juni 2006 beauftragte das IBA-Büro den Verfasser, eine Studie über »Innovationspotentiale der Flächenentwicklung in schrumpfenden Städten am Beispiel Magdeburg« zu erstellen. Nach Maßgabe der Aufgabenstellung vom 14. März 2006 sowie des Angebots vom 28. März 2006 und einer Angebotskonkretisierung vom 23. April 2006 behandelt diese Studie vier Forschungsfragen:

1. Welche Wirkungsbeziehungen bestehen unter den Bedingungen sinkender Bevölkerungs-zahlen und schwindender regionaler Wirtschaftskraft zwischen städtischen Bodenmärk-ten, den Verkehrswerten typischer Baugrundstücke, dem Grundstückseigentum sowie der kommunalen Bauleitplanung und Stadtentwicklung?

2. Welche Rechte und Pflichten haben die Eigentümer städtischer Baugrundstücke (insbe-sondere brachgefallenes Gewerbebauland) im Kontext einer nachhaltigen städtebauli-chen Entwicklung (§ 1 BauGB)?

3. Welche Steuerungsmöglichkeiten hat die öffentliche Hand (Land Sachsen-Anhalt, Lan-deshauptstadt Magdeburg), die Nutzung und Entwicklung privater Baugrundstücke (insbesondere brachgefallenes Gewerbebauland) im öffentlichen Interesse zu beeinflus-sen? Wie kann die Umfeldbeeinträchtigung durch Grundstücksverwahrlosung unterbun-den werden?

4. Welche Strategien innovativer Flächenentwicklung sind unter den Bedingungen sinken-der Bevölkerungszahlen und schwindender regionaler Wirtschaftskraft erfolgversprechend und empfehlenswert?

Die vorliegende Studie erörtert die Forschungsfragen aus allgemeiner Sicht einer responsi-ven Bodenpolitik. Örtlicher Bezug ist die Landeshauptstadt Magdeburg, genauer der Mag-deburger Südosten mit den Stadtteilen Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen.

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EINLEITUNG 2

II. Untersuchungsrahmen

A. Das Szenario: »Leben an und mit der Elbe«

Wie hängen innovatives Flächenmanagement und das IBA-Einzelprojekt Leben an und mit der Elbe zusammen? Welche Rolle spielen Boden, Eigentum, Planung für Städte mit sinkenden Bevölkerungszahlen und schwindender Wirtschaftskraft? In Die anderen Städte, Band 3, wird das Szenario 2010 für den Südosten Magdeburgs beschrieben:

»Die Gebiete der ehemaligen Schwerindustrie im Südosten der Stadt sind renaturiert. Die Industriebrachen sind in Landschaft zurückverwandelt. Die Bewohner der südlichen Stadtteile haben den Fluss als Nachbarn wiederentdeckt« (IBA 2006: 172).

Das Szenario korrespondiert mit dem Leitbild »Magdeburg als grüne Stadt an der Elbe« im geltenden Flächennutzungsplan aus dem Jahr 2000:

»Künftig wird das ›blaue Band‹ der Elbe noch stärker begehbar und erfahrbar gemacht werden, um so die Rolle Magdeburgs als ›Stadt am Strom‹ zu betonen« (MDSPA 2000: 42).

Die Umsetzung des bauleitplanerischen Leitbildes und des IBA-Szenarios begegnet nach Einschätzung von Dr. Karl-Heinz Daehre, Minister für Bau und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, großen Herausforderungen:

»In den entlang der Elbe angeordneten südöstlichen Stadtteilen wurden im Zuge der Industrialisierung die traditionellen Siedlungskerne durch Fabrikanlagen und Arbeiterwohnungsbau überformt. Nach der Wende blieb eine Stadtlandschaft aus Industriebrachen, ungenutzten Bahnflächen, leer stehenden Wohnbauten und teilweise noch intakten Ortskernen zurück. Der Elbzugang war dort fast überall verwehrt. … Im Rahmen der IBA versucht die Stadt Magdeburg, ein innovatives Flächenmanagement zu entwickeln. Dabei gilt es, unter Berücksichtigung der kommunalen Finanzkraft planerisch und juristisch neue Denkansätze und Handlungs-strategien zu finden« (IBA 2006: 176).

Dr. Lutz Trümper, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Magdburg, erblickt in der Elbe das »Leitbild für unsere Stadtentwicklung«:

»Die Elbe spielt bei der Entwicklung von drei Stadtbereichen eine Rolle. Der spannendste und komplizierteste Teil ist im Südosten Magdeburgs. Dort muss ein entsprechendes Flächenmanagement uns erst einmal in die Lage versetzen, dass wir überhaupt an den Fluss herankommen. Wir sind nicht die Eigentümer der größten-teils ungenutzten Grundstücke im Uferbereich. Das heißt, wir müssen erst einmal ein umfangreiches Brach-flächenkataster erstellen und dann mit den Eigentümern ins Gespräch kommen, über Wegerecht, Zwischen-nutzung, Flächentausch sprechen. Damit betreten wir auch in rechtlichen Fragen Neuland« (IBA 2006: 178).

Der Wunsch nach Renaturierung im Magdeburger Südosten ist besser verständlich, wenn man die Zweipoligkeit des IBA-Einzelprojekts Leben an und mit der Elbe betrachtet. Wäh-rend nämlich die Elbe im Magdeburger Südosten durch Renaturierung zugänglicher ge-macht werden soll (»mehr Landschaft«), soll der alte Handelshafen im Norden Magdeburgs zum »Wissenschaftshafen« umgestaltet und dort »Ausgründungen und andere technologie-orientierte Start-ups angesiedelt werden. Hier geht es um ›mehr Stadt‹ « (IBA 2006: 172). Die beiden Pole — hier: mehr Landschaft, dort: mehr Stadt — bilden zusammenhängende Komponenten für das Magdeburg-Projekt der IBA STADTUMBAU 2010 (Sonnabend 2006: 115–116), wiewohl die vorliegende Studie ein Bodenmanagementkonzept lediglich für den Magdeburger Südosten untersucht. Damit die Elbe zugänglich gemacht werden kann und brachgefallene Industrie- und Gewerbegrundstücke renaturiert werden können, müssen die Grundstücke verfügbar sein, die zur Renaturierung und für eine angemessene Erreichbarkeit der Elbe benötigt werden. Diese Verfügbarkeit (Mobilisierung) soll durch Bodenmanagement sichergestellt werden.

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EINLEITUNG 3

B. Das Untersuchungsgebiet: Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen

Das Untersuchungsgebiet des Magdeburger Südostens liegt in den Stadtteilen Buckau, Fermersleben, Salbke und Westerhüsen und wird im Westen durch eine Bahntrasse, im Osten durch die Elbe begrenzt. Das Untersuchungsgebiet wird in Nordsüdrichtung von einer Durchzugsstraße zerschnitten, die Magdeburg mit der südlich gelegenen Nachbarstadt Schönebeck verbindet ( Abbildung 1, S. 4 [Karte] und Abbildung 2, S. 5 [Luftbild]).

Aktuelle statistische Daten liegen für die Landeshauptstadt Magdeburg und ihre Stadttei-le für das Jahr 2004 vor (MDStat 2004; Tabelle 2, S. 6). Danach haben die Stadtteile Buckau, Fermersleben, Salbke und Westerhüsen eine Katasterfläche von rund 2.053 ha. Rund 14.500 Personen haben ihren Hauptwohnsitz in einem der vier Stadtteile. Die durch-schnittliche Bevölkerungsdichte von 7 Personen/ha in den vier Stadtteilen ist als sehr gering für eine Großstadt zu bezeichnen (Magdeburg in 2004: 11). Gewiß bieten Dichtewerte nur erste Anhaltspunkte, um urbane Qualität zu beurteilen. Das gilt insbesondere für die Bevöl-kerungsdichte, deren Aussagekraft stark vom städtischen Grünflächenanteil beeinflußt wer-den kann. Dennoch ist Bevölkerungsdichte (Wohnbevölkerung/Hektar) ein wichtiger Hin-weis auf städtische Qualitäten (Gatzweiler u.a. 2003: 562; Reuther 2003: 584). Daher lohnt sich, die Bevölkerungsdichte der Landeshauptstadt Magdeburg und anderer deutscher Groß-städte zu vergleichen. Grundlage des Vergleichs bildet eine bundesweite Erhebung des Bun-desamts für Bauwesen und Raumordnung aus dem Jahr 1998 (BBR 1998: 260–268):

Stadt Bevölkerungsdichte (1998) (Wohnbevölkerung/Hektar)

München 40

Berlin 39

Leipzig 30

Stuttgart 28

Düsseldorf 26

Halle/Saale 21

Dortmund 21

Dresden 20

Chemnitz 19

Aachen 15

Magdeburg 13

Wismar 12

Bielefeld 12

Koblenz 10

Lübeck 10

Schwerin 9

Paderborn 7

Tabelle 1: Bevölkerungsdichte deutscher Städte (1998) Quelle: BBR 1998: 260–268 (auf Hektar umgerechnet, gerundet)

Fortsetzung des Textes S. 7

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EINLEITUNG 4

Abbildung 1: Das Untersuchungsgebiet: Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen (Karte)

Quelle: Amtlicher Stadtplan Magdeburg, Ausgabe 2005, herausgegeben vom Stadtvermessungsamt Magdeburg (Ausschnitt; Originalmaßstab 1:20.000)

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EINLEITUNG 5

Abbildung 2: Das Untersuchungsgebiet: Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen (Luftbild)

Quelle: Google Earth (Abfrage Juni 2006), ohne Maßstab

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EINLEITUNG 6

Tabelle 2 enthält die nach den Stadtteilen Buckau, Fermersleben, Salbke und Westerhüsen gegliederten Kenndaten für das Jahr 2004 sowie — zum Vergleich — die entsprechenden Angaben für die Landeshauptstadt Magdeburg (einschließlich der vier Stadtteile).

Buckau Fermersleben Salbke Westerhüsen Magdeburg

Eingemeindung 1887 1910 1910 1910 —

Fläche (ha)

218 338 774 723 20.100

Gebäudefläche (%) — — — — 22%

Verkehrsfläche (%) — — — — 11%

Bevölkerung (Personen) 4.300 3.100 4.000 3.100 226.700

jünger als 45 Jahre (%) 67% 51% 49% 49% 51%

sozialversich. beschäftigt (%) 30% 31% 34% 33% 33%

ohne dt. Paß (%) 11% 3% 1% 1% 4%

Änderung 1997—2004 (%) 23% plus1 7% minus 15% minus 5% minus 8% minus

Gebäudebestand (Zahl) 546 515 975 835 31.839

Änderung 1995—2004 (%) 3% minus 4% plus 9% plus2 14% plus 14% plus

Wohnungsbestand (Zahl) 3.611 2.717 2.5722 1.949 145.545

Änderung 1995—2004 (%) 2% plus 3% plus 7% plus2 9% plus 5% plus

Ein- u. Zweifamilienhäuser 55 105 699 694 17.769

Neubaugenehmigungen 3 0 9 13 414

Baufertigstellungen 11 0 6 9 486

genehmigte Abbrüche 0 1 0 4 62

Gewerbeanmeldungen 87 40 52 36 3.009

Gewerbeabmeldungen 87 20 44 23 2.101

Arbeitslosenquote (%) 20% 23% 17% 14% 16%

Leistungsempfänger (Zahl) 566 462 484 290 23.602

Personenkraftwagen (Zahl) 1.674 1.187 2.140 1.527 102.998

Bevölkerungsdichte (P/ha) 20 9 5 4 11

Wohnungsdichte (WE/P) 0,84 0,88 0,64 0,63 0,64

Autodichte (Pkw/P) 0,39 0,38 0,54 0,49 0,45

Tabelle 2: Kenndaten 2004 — Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen im Vergleich mit Magdeburg Quelle: MDStat 2004: 13, 15, 37, 38, 41, 44, 46, 47, 49, 101–115, 120, 121, 152, 162; elektronische Auskunft des Amts für Statistik der Landeshauptstadt Magdeburg (Juli 2006); alle Angaben gerundet, teilweise eigene Berechnung;

1 = »Asylbewerberheim« (MDStat 2004: 41, 47, 49); 2 = beinhaltet Neuerfassungen (MDStat 2004: 102); Bevölkerung = Personen mit Hauptwohnsitz; Gebäudebestand = Gebäude mit Wohnraum (ohne Wohnheime);

Wohnungsdichte = Wohnung pro Personen mit Hauptwohnsitz; Leistungsempfänger = Zahl der Personen, die Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Eingliederungshilfe beziehen

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EINLEITUNG 7

Im Magdeburger Südosten weist lediglich der Stadtteil Buckau urbane Dichte auf (20 Wohn-bevölkerung/Hektar), die Bevölkerungsdichte in den Stadtteilen Salbke (5) und Westerhüsen (4) entspricht einem Wert, der eher für städtisches Umland typisch ist (beide Stadtteile wei-sen einen erheblichen Grünflächenanteil auf).

Seit 1997 ist im Südosten Magdeburgs ein Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen, aus-genommen in Buckau, wo sich ein Asylbewerberheim befindet. Der deutlichste Rückgang ist in Salbke zu verzeichnen (zwischen 1997 und 2004: –15%). In Buckau ist der Anteil der Personen, die jünger als 45 Jahre sind, rund 67%, in den drei anderen Stadtteilen schwankt dieser Wert um 50%. Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an der Be-völkerung liegt in den vier Stadtteilen um oder etwas über 30%. Die Arbeitslosenquote liegt zumeist über dem Magdeburger Durchschnitt (16%) und beträgt in Buckau und Fermersle-ben sogar um oder über 20%. Die meisten Personen mit Hauptwohnsitz in einem der vier Stadtteile besitzen nur die deutsche Staatsangehörigkeit. Lediglich in Buckau beträgt der Anteil von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit rund 11% der Wohnbevölkerung, ansonsten deutlich unter 5%.

In Buckau, Fermersleben, Salbke und Westerhüsen stehen insgesamt rund 10.800 Woh-nungen zur Verfügung. Auch die durchschnittliche Wohnungsdichte von 0,75 Wohneinheit pro Person ist für eine Großstadt sehr gering. Jedem Menschen mit Hauptwohnsitz im Magdeburger Südosten (also auch Kindern, Paaren, Familienmitgliedern) steht rechnerisch Dreiviertel einer Wohnung zur Verfügung. Mag auch ein Teil des statistisch erfaßten Woh-nungsbestandes unattraktiv sein, weist eine durchschnittliche Wohnungsdichte von 0,75 auf einen Wohnungsbestand hin, in dem die tatsächlichen Wohnnutzungen eher durch die Wünsche der Nachfragenden als durch die Anbietenden bestimmt werden (Nachfrager-markt). Die erklärt auch die geringe Bau- und Investitionstätigkeit im Magdeburger Süd-osten.

Der Magdeburger Südosten mit den Stadtteilen Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhü-sen ist städtebaulich durch ein Nebeneinander alter Ortskerne, großflächiger Industrieareale, Arbeitersiedlungen und Kleingartenanlagen geprägt. Nachdem 1823 in Buckau die erste Maschinenfabrik gegründet worden war (MDSPA 1999: 21), entstanden im Magdeburger Südosten — vor allem in Buckau — in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bedeutende Indu-striebetriebe, so etwa die von Hermann Gruson gegründete Maschinenfabrik (Kretschmann 2005) oder die Armaturen- und Maschinenfabrik Schäffer & Budenberg (Thiede 2005). Buckau stieg vom Dorf zum Industriestandort auf, die Bevölkerungszahl stieg von 859 (1838) auf rund 17.200 (1887) (MDSPA 1999: 26–29). Vom Beginn des 20. Jahrhunderts an dienten die Maschinenfabriken der Rüstungsindustrie (Asmus 1977: 240; Hattenhorst 2005: 796–800). Die Friedrich Krupp Grusonwerk AG Magdeburg-Buckau stellte im Zwei-ten Weltkrieg vor allem Panzerkampfwagen und Sturmgeschütze her (Kühling 2001). In der DDR-Zeit war Magdeburg als »Stadt des Schwermaschinenbaus« bekannt (Asmus 1977; Schmiechen-Ackermann 2005). Die Industriebetriebe wurden in die Wirtschaftsordnung der DDR eingeordnet. Beispielsweise wurde die Friedrich Krupp Grusonwerk AG Magdeburg-Buckau zum Schwermaschinenbau Ernst Thälmann (1951), zum Volkseigenen Betrieb Schwermaschinenbau Ernst Thälmann (1953), zum VEB Schwermaschinenbau-Kombinat »Ernst Thälmann« Magdeburg (SKET) (1969) (Kretschmann 2005: 108, 112, 124). Der Wiedervereinigung folgte ein tiefgreifender Strukturwandel: Waren 1991 noch rund 67.000 Erwerbstätige im produzierenden Gewerbe beschäftigt, waren es 2003 nur mehr rund

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EINLEITUNG 8

22.000 (MDStat 2004: 146). Der Erläuterungsbericht zum geltenden Flächennutzungsplan der Landeshauptstadt Magdeburg beschreibt die Entwicklung:

»Die politischen Veränderungen 1989 zogen starke Veränderungen im wirtschaftlichen Bereich nach sich. Die großen Kombinate und Betriebe erwiesen sich in ihren Strukturen als nicht wettbewerbsfähig. Viele Betriebe wurden geschlossen oder die Beschäftigungszahlen mußten drastisch reduziert werden. Der bis 1989 in Mag-deburg dominierende produzierende Bereich des Schwermaschinenbaus brach in kurzer Zeit zusammen, was zu einer hohen Arbeitslosenrate führte[.] … Mit Altlastenverdacht behaftete Industriebrachen blieben zurück und beeinträchtigen das Stadtbild negativ. Eine Wiedernutzung dieser Flächen gestaltet sich bis heute äußerst schwierig« (MDSPA 2000: 34).

Zu Stadtplanung und Stadtentwicklung im Magdeburger Südosten seit der Wiedervereinigung sind vor allem umfangreiche städtebauliche Sanierungsmaßnahmen im Sanierungsgebiet Buckau zu erwähnen (MDSPA 1993; MDSPA 1994b: 68–69; MDSPA 1995c; MDSPA 2002; MDSPA 2005). In den anderen Stadtteilen wurden Untersuchungen des Siedlungs-wesens durchgeführt, so etwa in Westerhüsen (MDSPA 1995a) und Fermersleben (MDSPA 1995b).

In einer Situationsanalyse aus dem Jahr 1992 wird der Magdeburger Südosten noch als »Perlenkette« angesprochen und »innerstädtisches Entwicklungspotential für die Erneuerung/ Fortentwicklung gewerblicher Flächen« vermutet (MDSPA 1993: 8). Noch im geltenden Flächennutzungsplan sind viele der industriellen Brachflächen als gewerbliche Bauflächen dargestellt (MDSPA 2000: 66, Übersichtsplan 4). Gleichwohl gewannen andere Entwick-lungsziele stärker an Bedeutung: Wohnnutzungen, Verbesserung des Wohnumfelds, Ver-kehrsverlagerung (MDSPA 2002: 62–64). Die Wahrnehmung der ehemaligen Industriege-lände wandelte sich, anstatt Gewerbegebiete erscheinen Kulturdenkmale:

»Mit dem Wegbrechen der Absatzmärkte nach der politischen Wende konnten die Betriebe nicht fortbestehen. Da adäquate Nachnutzungen der Industriebetriebe auf Grund der stark vernachlässigten Bausubstanz, der vielfach kontaminierten Böden und der Wirtschaftsentwicklung der letzten Jahre nur in geringem Umfang realisiert werden konnten, liegt ein großer Teil der ehemaligen Gewerbeflächen brach. Hier finden sich jedoch bedeutende Zeugnisse der Industriekultur, die als Baudenkmale zu erhalten sind« (MDSPA 2005: 54).

Eine umfangreiche Erhebung der Industriearchitektur in Magdeburg, die im Jahr 1999 ver-öffentlicht wurde, bildet ein eindrucksvolles Dokument der Industrie- und Wirtschaftsge-schichte Magdeburgs, aber auch der Firmengeschichte im Magdeburger Südosten (MDSPA 1999). Wichtige Beispiele brachgefallener Flächen mit Bedeutung für den Denkmalschutz und die Denkmalpflege sind

• die Maschinenfabrik H. Gruson / Friedr. Krupp Grusonwerk / SKET — VEB Schwer-maschinenbau »Ernst Thälmann« (MDSPA 1999: 30–34; MDSPA 2001: 246–247);

• die Maschinenfabrik Buckau AG / Maschinenfabrik Buckau R. Wolf AG Magdeburg-Buckau und Salbke / VEB Schwermaschinenbau »Georgij Dimitroff« (MDSPA 1999: 40–45; MDSPA 2001: 275);

• die Lokomobilienfabrik R. Wolf / SKL — VEB Schwermaschinenbau »Karl Liebknecht« (MDSPA 1999: 65–69; MDSPA 2001: 286–287);

• die ehemalige Königliche Eisenbahnhauptwerkstatt Salbke / das Reichsbahnausbesse-rungswerk Buckau und Salbke — RAW (MDSPA 1999: 76–78; MDSPA 2001: 288–289);

• der Wasserturm des RAW Salbke (MDSPA 1999: 79; MDSPA 2001: 288), einst Mittel-punkt des Turmparks Salbke.

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EINLEITUNG 9

Im Brachflächenkataster Magdeburg-Südost (Abbildung 3) sind Grundstücke als brachliegend, teilweise genutzt und genutzt gekennzeichnet.

Abbildung 3: Brachflächenkataster Magdeburg-Südost

Quelle: Stadtplanungsamt Magdeburg (Stand August 2006), ohne Maßstab

Manche brachgefallenen oder nur teilweise genutzten Flächen besitzen keine Bedeutung für den Denkmalschutz, wohl aber für den Bodenschutz. Erwähnenswert ist — im Grenzbereich zwischen Salbke und Westerhüsen — der Gewerbepark Elbe-Börde Terminal auf dem ehe-maligen Werksgelände der Saccharin Fabrik AG (Fahlberg-List). Der Gewerbepark grenzt unmittelbar an die Elbe. Die ehemaligen Industriegelände beanspruchen im Magdeburger Südosten beträchtliche Flächen: So beträgt die Fläche des RAW Salbke rund 21 ha, die Fläche des ehemaligen Werksgeländes Fahlberg-List rund 30 ha (Mitteilung Hr. Wöbse, Stadtplanungsamt Magdeburg, August 2006). Abbildung 3 zeigt zahlreiche kleinere Brach-flächen in Streulage neben den ehemaligen Industrie- und Verkehrsanlagen. Überwiegend

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EINLEITUNG 10

handelt es sich um Immobilien, die vormals für Wohnen, Gewerbe oder gemischt genutzt wurden, gegenwärtig nicht genutzt sind und deutliche Leerstandsfolgen aufweisen.

Die Beschreibung des Untersuchungsgebiets bildet den Hintergrund für die Aufgaben-stellung, die in dieser Untersuchung bearbeitet wird. Auch an dieser Stelle ist zu betonen, daß das Untersuchungsgebiet lediglich als Beispiel für allgemeine bodenpolitische Überle-gungen dient und die erwähnten Einzelfälle nur als typische Beispiele herangezogen werden.

C. Die Aufgabe: Mobilisierung privater Grundstücke für öffentliche Zwecke

Das IBA-Szenario 2010 Leben an und mit der Elbe entwirft für das Untersuchungsge-biet ein Leitbild und eine Entwicklungsperspektive, die sich augenfällig vom gegenwärtigen Gebietszustand unterscheiden. Das Szenario geht davon aus, daß in Magdeburg, der ehema-ligen »Stadt des Schwermaschinenbaus«, künftig keine großflächigen Industrienutzungen im Südosten des Stadtgebiets stattfinden werden. Vielmehr sollen die Industrie- und Verkehrs-brachen durch Renaturierung »in Landschaft zurückverwandelt« werden (IBA 2006: 172).

SKET

RAW

ehemaliges WerksgeländeFahlberg-List

Westelbischer Radweg

Sanierungsgebiet BuckauBuckau

Fermersleben

Salbke

Westerhüsen

Brachflächen

SKL

Abbildung 4: Lage der Brachflächen im Untersuchungsgebiet (Luftbild)

Quelle: Stadtplanungsamt Magdeburg (Stand August 2006), ohne Maßstab

Das Hauptproblem, das für die Umsetzung des Magdeburger IBA-Projekts Leben an und mit der Elbe zu lösen ist, besteht in der Mobilisierung großflächiger, altindustrieller Grundstük-ke für öffentliche Zwecke. Mit »Mobilisierung« ist gemeint, daß diese Grundstücke zur Um-setzung des planerisch angestrebten Zwecks verfügbar sind. Da unterschiedliche Spielarten

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der Brachflächenrenaturierung im Magdeburger Südosten denkmöglich sind ( S. 99), sind auch unterschiedliche Mobilisierungsvarianten in Betracht zu ziehen. Diese können, müssen aber nicht, mit einem Eigentümerwechsel verbunden sein; diese können, müssen aber nicht, mit einem vollständigen Ausschluß anderer Nutzungen des Bodens einhergehen. Welche Vorgehensweise ist empfehlenswert, damit die Industriebrachen renaturiert und Spazier- und Fahrradwege zum Fluß geschaffen werden können?

Die Mobilisierung großflächiger, altindustrieller Grundstücke für öffentliche Zwecke findet im Magdeburger Südosten unter vier Nebenbedingungen statt:

• Viele der betroffenen Grundstücke, die renaturiert und »in Landschaft zurückverwandelt« werden sollen, stehen im Privateigentum (IBA 2006: 178) juristischer Personen.

• »Landschaft« ist im Vergleich zu Baulandnutzungen (Wohnbauland, Gewerbebauland, Industriebauland) eine Bodennutzung mit geringem ökonomischem Wert;

• Im geltenden Flächennutzungsplan aus dem Jahr 2000 sind mehrere Flächen im Mag-deburger Südosten als Altlastenverdachtsflächen dargestellt (MDSPA 2000), zum gerin-gen Teil werden die betroffenen Grundstücke gegenwärtig zur Gewerbeausübung genutzt, überwiegend handelt es sich um Brachflächen.

• In der Landeshauptstadt Magdeburg war zwischen 1989 und 2004 ein Bevölkerungs-rückgang um rund 27% zu verzeichnen (MDStat 2004: 26).

Die herkömmlichen Instrumente zur Umsetzung des deutschen Planungs-, Bau- und Boden-rechts wurden unter Wachstumsbedingungen entwickelt. Wichtige Beispiele sind das Pla-nungsschadensrecht, die Bodenordnung, die Enteignung, die Erschließung (Battis 2006; Battis u.a. 2005; Ferner und Kröninger 2005; Hoppe u.a. 2004; Schmidt-Eichstaedt 2005; Stüer 2005). Ihrer gemeinsamen Grundidee nach funktionieren diese Instrumente, weil unter Wachstumsbedingungen die Umnutzung von Freiflächen in Bauland (Baulandproduk-tion) ökonomische Vorteile erzeugt. Durch das Zusammenwirken von Bodenmarkt, Grund-stückseigentum und Raumplanung können gewisse Wertsteigerungen erzielt werden. Die Wertsteigerungen führen zu einem Unterschied zwischen der Lage vor der kommunalen Planung und der Lage nach der kommunalen Planung, zwischen der Lage vor der kommu-nalen Maßnahme und der Lage nach der kommunalen Maßnahme. Dieser Unterschied läßt ein Zusammenwirken zwischen den Grundstückseigentümern und der Planungsverwaltung lohnend erscheinen, ist somit ein starkes Motiv für Lösungen, die zugleich im privaten und öffentlichen Interesse liegen. Mit anderen Worten: Unter Wachstumsbedingungen sind Wert-steigerungen das »Schmiermittel« für die planerische Steuerung städtebaulicher Entwick-lungen, auch für die Mobilisierung privater Grundstücke für öffentliche Zwecke. Doch wie funktionieren die Umsetzungsinstrumente des deutschen Planungs-, Bau- und Bodenrechts, wenn eine Kommune mit Bevölkerungsrückgang, schwacher Wirtschaftsnachfrage und ei-nem Haushaltsdefizit zu kämpfen hat? Auch für Magdeburg gilt, daß »Städte schrumpfen«, wie Omar Akbar und Rüdiger Schulz, die Geschäftsführer des IBA-Büros, formulieren (IBA 2006: 22). Die Mobilisierung privater Grundstücke für öffentliche Zwecke findet in Mag-deburg somit unter verschärften Bedingungen statt.

Zur Konkretisierung der Aufgabenstellung sind noch zwei Hinweise geboten.

Die Mobilisierung privater Grundstücke für öffentliche Zwecke ist eine Kernaufgabe für Bodenpolitik und Bodenmanagement (Davy 1999 und 2005a). Lange Zeit stand die »Bau-

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landmobilisierung« im Mittelpunkt bodenpolitischer Aufmerksamkeit (Davy 1999: 112–117); gesucht wurden Instrumente, um die Marktverfügbarkeit gewidmeten und erschlossenen Baulands zu gewährleisten. Dies ist in der vorliegenden Studie nicht mit Bodenmobilisie-rung gemeint. Bei der Bodenmobilisierung für Leben an und mit der Elbe sollen bestimmte großflächige und altindustrielle Grundstücke für eine Renaturierung und eine bessere Zu-gänglichkeit der Elbe verfügbar gemacht werden. Kein Teilziel der Bodenmobilisierung ist es in diesem Zusammenhang, die Grundstücke auch »marktverfügbar« zu machen.

Der Begriff der Bodenmobilisierung, so wie er in der vorliegenden Studie verwendet wird, ist auch noch vom herkömmlichen Verständnis des Stadtumbaus abzugrenzen. Gewiß dient die Renaturierung größerer Flächen in einer Stadt dem Stadtumbau (z.B. § 171a Abs. 3 Nr. 5 und 6 BauGB). Allerdings werden bodenpolitische Fragen des Stadtumbaus häufig mit Wohnungsleerstand und dem Abriß und Rückbau von Wohngebäuden assoziiert (AH Brandenburg 2005; Davy 2005b; Dransfeld 2005; Reuter 2006b; Reuther 2003; Schmidt-Eichstaedt 2003; Weiske u.a. 2005). Doch wohnungswirtschaftliche Fragen stehen nicht im Vordergrund des IBA-Szenarios 2010 Leben an und mit der Elbe und der geplanten Rena-turierung im Magdeburger Südosten. Viele der in dieser Studie zu den Wirkungsbeziehun-gen zwischen Boden, Planung, Eigentum und Wert angestellten Überlegungen sind auch auf andere Problemlagen des Stadtumbaus übertragbar. Die Überlegungen sind allerdings nicht unmittelbar anwendbar, da Brachflächenkonversion durch Renaturierung nicht den üblichen Fallkonstellationen des Stadtumbaus entspricht.

Das Problem einer Mobilisierung privater Grundstücke für öffentliche Zwecke weist drei idealtypische Ecklösungen auf ( Abbildung 5).

privatwirtschaftliche Bodenmobilisierunghoheitliche Bodenmobilisierung

keine Bodenmobilisierung

privatwirtschaftliche Bodenmobilisierunghoheitliche Bodenmobilisierung

keine Bodenmobilisierung

Abbildung 5: Drei Ecklösungen der Bodenmobilisierung

Zum einen könnten die Eigentümer postindustrieller Stadtbrachen dazu gezwungen werden, ihre Grundstücke den Bewohnern der südlichen Stadtteile so zu überlassen, daß sie den Elbestrom »als Nachbarn« wiederentdecken können. Im Fall der hoheitlichen Bodenmobili-sierung würde die Landeshauptstadt Magdeburg den Eigentümern durch Satzung oder Ver-waltungsakt auftragen, ihre Grundstücke zu sanieren und für eine Renaturierung und Land-schaftsnutzung zu öffnen. Die hoheitliche Bodenmobilisierung kann freilich nicht beliebig eingesetzt werden, sie ist durch das private Grundstückseigentum (Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 des 1. ZPMRK) und durch die rechtstaatlichen Schranken der Verwaltung begrenzt. Zum anderen könnte Magdeburg oder das Land Sachsen-Anhalt — und zwar zu Bauland-preisen — die großflächigen Grundstücke erwerben, die früher im Südosten der Stadt indus-triell genutzt worden sind. Im Fall der privatwirtschaftlichen Bodenmobilisierung könnte das IBA-Szenario 2010 Leben an und mit der Elbe nach der Dekontamination und Renatu-rierung der erworbenen Grundstücke durch eine Entscheidung der neuen Eigentümer (Sach-

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sen-Anhalt, Magdeburg) umgesetzt werden. Die Bodenmobilisierung durch Immobiliener-werb stößt rasch an die Grenzen der öffentlichen Haushalte. Den beiden Ecklösungen — hier die hoheitliche Verfügung, dort der privatwirtschaftliche Immobilienerwerb durch die öffentliche Hand — ist eine dritte Lösung gegenüberzustellen, nämlich die Untätigkeit der Landeshauptstadt Magdeburg und des Landes Sachsen-Anhalt. Falls hoheitliche Zwangs-maßnahmen politisch unzweckmäßig oder der staatliche oder kommunale Immobiliener-werb zur Landschaftsproduktion unwirtschaftlich sind, müßten Magdeburg und die IBA STADTUMBAU 2010 vom Szenario 2010 Leben an und mit der Elbe abrücken.

Auf den ersten Blick betrachtet, liegt auf der Dreiecksfläche, die durch die drei hypothe-tischen Ecklösungen gebildet wird ( Abbildung 5), eine »Kompromißlösung« für das Bo-denmanagement der Landeshauptstadt Magdeburg und des Landes Sachsen-Anhalt. Die vorliegende Studie möchte zeigten, daß innovative Lösungen im Bodenmanagement auf institutioneller Kreativität, nicht auf Kompromissen beruhen. Innovative Lösungen liegen jenseits der Grenzen, die durch typisches Vorverständnis hoheitlichen oder privatwirtschaft-lichen Verwaltungshandelns oder durch Resignation und Untätigkeit geprägt sind. Die IBA STADTUMBAU 2010 des Landes Sachsen-Anhalt und die Landeshauptstadt Magdeburg su-chen nach »innovativem Flächenmanagement« für das IBA-Projekt Leben an und mit der Elbe, weil die kommunalen Handlungsmöglichkeiten innerhalb der engen Grenzen des Dreiecks gegenwärtig wenig erfolgversprechend scheinen. Daher lohnt es sich, diese Gren-zen genau zu betrachten. Und womöglich lohnt es sich auch, diese Grenzen neu zu denken, zu verschieben, zu überschreiten.

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DIE ERSTE FORSCHUNGSFRAGE

Wirkungsbeziehungen in der leeren Stadt

Die erste Forschungsfrage lautet ( S. 1):

Welche Wirkungsbeziehungen bestehen unter den Bedingungen sinkender Bevölkerungs-zahlen und schwindender regionaler Wirtschaftskraft zwischen städtischen Bodenmärk-ten, den Verkehrswerten typischer Baugrundstücke, dem Grundstückseigentum sowie der kommunalen Bauleitplanung und Stadtentwicklung?

I. Die leere Stadt als Mangel und Möglichkeit

A. »Schrumpfung«

Seit einigen Jahren werden in Deutschland die »schrumpfende Stadt« und die »schrump-fende Gesellschaft« diskutiert. Die Diskussion ist überwiegend durch Befürchtungen, mitun-ter durch alarmierende Schilderungen der »Schrumpfung« und ihrer Folgen gekennzeichnet (Birg 2005; Kaufmann 2005; Gans und Schmitz-Veltin 2006; Gatzweiler u.a. 2003; Kröh-nert u.a. 2006; Oswalt 2004 und 2005; Prigge 2005; Reuter 2006b). Gleichwohl sind we-der die Katasterflächen noch die Bewohner deutscher Städte kleiner geworden. Häufig wird die Diagnose einer »Schrumpfung« mit der Forderung nach staatlicher Intervention ver-bunden. Als Anzeichen einer sich ausbreitenden »Schrumpfung« werden eine Vielfalt von Erscheinungen in Gesellschaft, Wirtschaft, Kommunalpolitik und Städtebau angesehen ( Tabelle 3, S. 15). Der Zusammenhang zwischen den Anzeichen für »Schrumpfung« ist kaum erkennbar, solange man bloß einzelne oder einige Phänomene betrachtet. Daher mö-gen viele Menschen vom Vorschlag überrascht sein, die öffentliche Hand solle mit Subven-tionen reagieren, wenn Immobilieneigentümer ihre Häuser verwahrlosen lassen. Erst wenn diese Verwahrlosung zur »Schrumpfung« gerechnet wird, zeichnet sich eine Rechtfertigung dafür ab, daß solchen Mißständen durch öffentlich geförderten Stadtumbau begegnet wird.

Doch was genau ist eigentlich »Schrumpfung«?

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Vielleicht handelt es sich um einen Aspekt des demographischen Wandels, der Kommu-nen neben Auswanderung, Binnenmigration, Suburbanisierung herausfordert (Mäding 2006: 339–340). Vielleicht ist »Schrumpfung« ein unumkehrbarer Bevölkerungsrückgang, womöglich aber nur eine zyklische demographische Entwicklung, weil alle Siebzigjährigen vor 53 Jahren eben auch 17 waren. Ein bundesweites Problem höchsten Ranges zu erblicken, er-fordert agenda setting. Das Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bundes zu »schrump-fenden Städten« (Oswalt 2004 und 2005) hat für eine Popularisierung der »Schrumpfung« gesorgt, der Ausstellungskatalog wird in einem soziologischen Fachbuch über »schrumpfende Gesellschaft« als Beweis zitiert, daß das »unter Stadtforschern schon längst diskutierte Thema des gesellschaftlichen Schrumpfens wenigstens auf die Tagesordnung gelangt« sei (Kaufmann 2005: 100). Die Tagesordnung bleibt undurchsichtig. Stehen soziale Sicherungssysteme in Diskussion, die Lebensplanung der Frauen im gebärfähigen Alter, räumliche Konsequenzen einer globalisierten Wettbewerbsökonomie, die Renditeeinbußen der Wohnungswirtschaft, die Förderprogramme des Stadtumbaus, die deutsche Zuwanderungspolitik? Da »Schrump-fung« so viele unterschiedliche Phänomene anspricht, bleibt nicht nur unklar, welche Pro-blemlösungsstrategien in Frage kommen; es bleibt schon unklar, worin das Problem besteht.

tatsächliche oder vermutete Anzeichen für »Schrumpfung«

Gesellschaft Zahl der Wohnbevölkerung stagniert oder nimmt ab; sinkende Geburtenrate; Anteil der älteren Menschen und Migranten an der Wohnbevölkerung nimmt zu; die Ungleichhei-ten zwischen Menschen unterschiedlicher Generationen, Einkommenslage, Herkunft nehmen zu; Langzeitarbeitslosigkeit verursacht Qualifikationsverluste; Entsolidarisierung und Individualisierung führt zur Auflösung sozialer Netzwerke

Wirtschaft lokale und regionale Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen aller oder vieler Branchen geht zurück; neue Betriebe werden nicht angesiedelt, bestehende Betriebe werden geschlossen oder verlagert; Investitionen werden hinausgezögert oder unterlas-sen; Arbeitsplatzverluste; Auftragsrückgänge, steigendes Unternehmensrisiko; verschlech-terte Zahlungsmoral, Liquiditätsprobleme; Konkursgefahr und Gefahr von Folgekonkur-sen; auf allen Bodenmärkten gehen die Zahl der Kauffälle sowie der Geld- und Flächen-umsatz zurück; die Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung der Wohn- und Gewerbeimmobilien stagnieren oder sinken; sinkende Erträge für Renditeobjekte; not-wendige Instandhaltungs- und Verbesserungsarbeiten werden von den Eigentümern nicht mehr geleistet

Kommunalpolitik die Beteiligung an Kommunalwahlen geht zurück, gegenüber kommunalpolitischen Fragen verbreitet sich allgemeine Gleichgültigkeit; das Mißtrauen gegenüber Kommu-nalpolitikern steigt; die Einnahmen aus Kommunalabgaben (z.B. Gewerbesteuer) sinken, die kommunalen Pro-Kopf-Ausgaben (z.B. Ver- und Entsorgung) und die Sozialausgaben nehmen zu; die Pro-Kopf-Verschuldung steigt, ein ausgeglichener Gemeindehaushalt kann nicht aufgestellt werden

Städtebau quantitative und qualitative Verluste städtebaulicher Funktionen; verbreitete Leerstände und Grundstücksverwahrlosung; zunehmende Stigmatisierung städtischer Quartiere (insbesondere Arbeiterbezirke); Funktionsverlust bauleitplanerischer Instrumente; Rück-gang der Zahl gestellter Bauanträge und erteilter Baugenehmigungen; Finanzierungs- und Instandhaltungsprobleme für die kommunale Infrastruktur; Verlust innovativer Potentiale der Stadtentwicklung

Tabelle 3: »Schrumpfende Städte«, »schrumpfende Gesellschaft«

Wird ein Sinn erkennbar, wenn man die Fülle tatsächlicher oder vermeintlicher Anzeichen für »Schrumpfung« ( Tabelle 3) im Zusammenhang betrachtet? Die »schrumpfende Stadt«

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und die »schrumpfende Gesellschaft« scheinen sich erst in einem Vergleich zu zeigen. Ver-glichen werden das Gestern, das Heute und das Morgen der Stadtentwicklung, Stadtbevöl-kerung, Stadtökonomie. In diesem Vergleich, der manchmal auf tatsächlichen, oft aber auch nur auf erinnerten oder vermuteten Unterschieden beruht, erweisen sich die »schrumpfende Stadt« und die »schrumpfende Gesellschaft« als minderwertig. Und womit vergleichen wir Städte oder Gesellschaften, denen wir »Schrumpfung« bescheinigen? Sind die Bezugspunkte der »schrumpfenden Stadt« der städtische Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, die sozialistische Stadt, die Stadt der Wachstumsgesellschaft? Sind Bezugspunkte der »schrump-fenden Gesellschaft« die Bevölkerungsexplosion asiatischer und lateinamerikanischer Mega-Cities, die ewige junge Zweikindfamilie, die multikulturelle Migrationsgesellschaft? Oder vergleichen wir »schrumpfende Städte« und die »schrumpfende Gesellschaft« mit erhofften Städten, einer ersehnten Gesellschaft, die durch Wende und Wiedervereinigung demokrati-scher, reicher und schöner werden sollten? Wirtschafts- und Bevölkerungsprognosen lassen nicht erkennen, daß bereits alle Städte und Bewohner Deutschlands durch Wende und Wie-dervereinigung gewonnen hätten. Vielleicht nennen wir Stadt und Gesellschaft »schrump-fend«, weil unsere Hoffnungen enttäuscht wurden, unsere Sehnsüchte unerfüllt blieben.

Worauf richtet sich unsere Aufmerksamkeit, wenn wir über »Schrumpfung« klagen?

B. Ist »Schrumpfung« objektivierbar?

Die Probleme, die hinter der Sorge über »Schrumpfung« stehen, lassen sich nicht ange-messen bearbeiten, solange »Schrumpfung« als objektiver Sachverhalt angesehen wird. Dies soll anhand typischer raumwissenschaftlicher Parameter gezeigt werden, nämlich der Bevöl-kerungszahl, der Katasterfläche, der Bevölkerungsdichte und der Siedlungsdichte Magdeburgs.

• Die Bevölkerungszahl Magdeburgs betrug im Jahr 1885 rund 114.300, im Jahr 1900 rund 230.000, im Jahr 1945 rund 224.000, im Jahr 1960 rund 226.000, im Jahr 1989 rund 288.000, im Jahr 1994 rund 265.000 und im Jahr 2004 rund 226.700 (MDStat 2004: 26). Der Bevölkerungsverlust zwischen 1989 (288.355) und 2004 (226.675) be-trägt rund 27% (Basisjahr 2004).

• Die Katasterfläche Magdeburgs betrug im Jahr 1885 rund 34 km², im Jahr 1900 rund 108 km², im Jahr 1945 rund 131 km², im Jahr 1960 rund 162 km², im Jahr 1989 rund 172 km², im Jahr 1994 rund 193 km² und im Jahr 2004 rund 201 km² (MDStat 2004: 26). Die Versechsfachung der Katasterfläche war die Folge des Erwerbes des In-dustriegebiets und von Eingemeindungen, die auch die heutigen Stadtteile Buckau (1887) und Fermersleben, Salbke, Westerhüsen (1910) betrafen (MDStat 2004: 5–6, 26).

• Zwischen 1885 und 2004 hat sich die Bevölkerungsdichte in Magdeburg deutlich ver-ändert, sie betrug 3.352 Einwohner/km² im Jahr 1885 und 1.128 Einwohner/km² im Jahr 2004. Die Bevölkerungsdichte des Jahres 2004 beträgt also nur mehr rund 34% der Bevölkerungsdichte des Jahres 1885. Ist eine solche »Schrumpfung« über die Jahr-hunderte besorgniserregend? Doch auch seit 1989 nahm die Bevölkerungsdichte von damals rund 1.700 Einwohner/km² stetig ab (MDStat 2004: 26). Die Bevölkerungs-dichte von 2004 beträgt somit nur rund 65% der Magdeburger Bevölkerungsdichte im Jahr vor der Wiedervereinigung.

• 1995 betrug die Siedlungsdichte in Magdeburg — definiert als Zahl der Wohnbevölke-rung pro Hektar Siedlungs- und Verkehrsfläche — 35,6 und im Jahr 2004 nur mehr

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24,4 (MDStat 2004: 16). In Magdeburg nahm die Siedlungs- und Verkehrsfläche zwi-schen 1995 (rund 7.200 ha) und 2004 (rund 9.300 ha) um rund 22% (Basisjahr 2004) zu. Während dieses Zeitraums sank die Zahl der Wohnbevölkerung von rund 257.700 (1995) auf rund 226.700 (2004) um rund 14% (Basisjahr 2004). Die Rate des Sied-lungs- und Verkehrsflächenwachstums war somit deutlich höher als die Rate des Bevöl-kerungsrückgangs. Dies sollte nicht vergessen werden, wenn man die »Entdichtung« Magdeburgs interpretiert.

In die Bewertung als »schrumpfende Stadt« können viele Parameter eingehen, nicht nur Flä-che und Bevölkerung: Auch Altersaufbau der Bevölkerung, sozialversicherungspflichtige Be-schäftigungsverhältnisse, Wertschöpfung durch lokale Unternehmen, Arbeitslosigkeit, Krimi-nalität, öffentliche Schulden könnten Indikatoren für »Schrumpfung« sein. Ein objektiver Sachverhalt wird aus der »Schrumpfung« durch Heranziehung weiterer Indikatoren den-noch nicht. Bereits anhand der Daten über Fläche und Bevölkerung zeigt sich, daß mittels relativ weniger Parameter ganz unterschiedliche Aussagen getroffen werden können.

Die angeführten Beispiele zeigen, wie mittels statistischer Daten belegbar wäre, daß

• die Landeshauptstadt Magdeburg seit der Wende um rund 27% geschrumpft ist (Bevöl-kerungszahl),

• seit 1885 um das Sechsfache gewachsen ist (Katasterfläche),

• bereits seit 1885 auf etwa ein Drittel geschrumpft ist (Bevölkerungsdichte),

• dann aber auch wieder zwischen 1995 und 2004 um rund 22% gewachsen ist (Sied-lungs- und Verkehrsfläche),

• doch zwischen 1995 und 2004 sogar um rund 46% geschrumpft ist (Siedlungsdichte).

Gewiß wäre ein solcher Umgang mit statistischen Daten, etwa um Förderanträge zu begrün-den oder abzulehnen, höchst unseriös. Allerdings zeigen die Beispiele auch, daß man sich mangels verbindlicher Indikatoren für »Schrumpfung« nicht darauf verlassen kann, einen objektivierbaren Sachverhalt vor sich zu haben.

Gerade das Verhältnis zwischen Einwohnerzahl und Siedlungsfläche zeigt, daß die lang-fristige Stadtentwicklung Magdeburgs nie vorrangig auf höhere Dichte ausgelegt war:

»Die Fläche der erschlossenen und bebauten Stadt hatte sich zwischen 1918 und 1990 mehr als verdoppelt, obwohl sich die Größenordnung der Einwohnerzahl von Magdeburg zu beiden Zeitpunkten kaum unterschie-den« (Reuther und Schulte 2005: 931).

Auch im letzten Jahrzehnt ist die »Entdichtung« Magdeburgs als Folge einer Erweiterung der Siedlungs- und Verkehrsfläche deutlich vorangeschritten. Die Entdichtung Magdeburgs betrug, ausgedrückt im Sinken der Siedlungsdichte zwischen 1995 und 2004, rund 46% (Basisjahr 2004). Diese Entdichtung ist maßgeblich dem Anwachsen der Siedlungs- und Verkehrsfläche, nicht nur dem Bevölkerungsrückgang zuzuschreiben. Doch wer von uns denkt an zusätzlichen Flächenverbrauch, wenn wir von der »schrumpfenden Stadt« und der »schrumpfenden Gesellschaft« sprechen?

C. Die leere Stadt

Otto von Guericke versuchte in Neue (sogenannte) Magdeburger Versuche über den lee-ren Raum, die Leere begrifflich zu fassen:

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»Das Leere ist die Ursache der Scheu vor dem Leeren, ebenso seiner Erfüllung (denn wenn es nicht leer wäre, könnte nichts gefüllt werden), und zahlreicher anderer beobachteter Erscheinungen. … Wir fassen aber das Leere, vom Begriff der Leerheit selbst her verstanden, nicht als etwas Wirkliches auf, sondern als ein Beraubt-sein oder ein Ermangeln. Wie z.B. Finsternis ein Ermangeln des Lichts, Blindheit ein der Sehkraft Beraubt-sein und also nichts Wirkliches ist; oder: wie der Tod das Auslöschen des Lebens, aber als Tod nichts Wirkli-ches darstellt, so ist das Leere ein Beraubtsein des Vollen« (von Guericke 1672: 62–63).

Die Leere, die viele ost- und westdeutsche Städte tatsächlich oder vermeintlich erfüllt, ist für Magdeburg kein unbekanntes Thema. Im Gegenteil, die physikalischen Experimente des Bür-germeisters Otto von Guericke haben Magdeburg als jenen Ort bekannt gemacht, an dem die Leere naturwissenschaftlich beobachtet und praktisch genützt wurde. Doch nicht nur als Verneigung vor dem gen us loci spreche ich im folgenden über die leere Stadt. Vielmehr möchte ich die Doppelfunktion des Leeren unterstreichen, die in der Diskussion über die »schrumpfende Stadt« und »schrumpfende Gesellschaft« leicht vergessen wird. Einerseits, so lehrt von Guericke, ist »das Leere ein Beraubtsein des Vollen«, somit — ähnlich wie Blind-heit oder Tod — ein Verlust (von Guericke 1672: 63). Andererseits ist »das Leere« aber auch »die Ursache … seiner Erfüllung (denn wenn es nicht leer wäre, könnte nichts gefüllt werden)« (von Guericke 1672: 62). Die leere Stadt weist beide Aspekte auf. Die leere Stadt ist wesentlicher städtischer Eigenschaften beraubt, wichtige städtebauliche Funktionen können nur mangelhaft erfüllt werden (diesen Aspekt betont das Reden über die »schrumpfende Stadt«). Gleichzeitig ist die leere Stadt aber auch die Ursache ihrer Erfüllung, wie ein leeres Haus, das bewohnt, oder ein leeres Blatt, das beschrieben werden könnte. Die leere Stadt ist somit ein Möglichkeitsraum städtischer Entwicklungen (diesen Aspekt vernachlässigt das Reden über die »schrumpfende Stadt«).

i

Die leere Stadt ist eine mentale Konstruktion städtischen Raumes, die durch eine »Scheu vor dem Leeren« geprägt wird. Gewiß kann »das Leere« in einer Stadt unterschiedliche Formen annehmen: Bevölkerungsrückgang, Überalterung, Betriebsschließungen, Arbeitslosig-keit, Nachfrageschwund, kommunales Budgetdefizit, unbezahlbare Infrastruktur, Immobili-enleerstände, Industriebrachen, politische und soziale Gleichgültigkeit, Kriminalität. Kann die Leere auch in abstrakten Kategorien wahrgenommen werden, ist sie stets konkret: Leer-stehende Fabrikhallen, zerbrochene Fensterscheiben, die Müdigkeit in den Gesichtern der wenigen Menschen, die geblieben sind. Die Leere erscheint als Beraubtsein der Stadt; die leere Stadt ist um ihr Bevölkerungswachstum, ihre Betriebsansiedlungen, ihre Kommunal-einnahmen beraubt. Gleichwohl ist die leere Stadt nicht nur mangelhaft, sie bietet auch Möglichkeiten. Diese Möglichkeiten sind nicht bloß trostreicher Zweckoptimismus, wonach der Verlust industrieller Arbeitsplätze ja auch Vorteile hätte, weil die Umwelt nur mehr gerin-ger belastet würde. In der mentalen Konstruktion städtischen Raumes bietet die leere Stadt neue Möglichkeiten, weil durch das Verschwinden gewohnter Wirklichkeiten sogar das bis-her Selbstverständliche unbegreiflich wird. Gerade das Selbstverständliche — vom Wach-stumsdenken und dem Diktat der Arbeitsplatzbeschaffung bis zum Vorrang für motorisier-ten Individualverkehr oder die ertragsorientierte Bodennutzung — bildet scharfe Grenzen städ-tischer Entwicklungen. Innovationen und Fortschritt sind in einer Wachstumsgesellschaft nur innerhalb dieser Grenzen möglich: Der Wirklichkeitssinn herrscht. In der leeren Stadt können auch andere Rationalitäten und überraschende Entwicklungsideen erprobt und zur Bewährung gestellt werden. Das Experiment mit dem Leeren beruht auf dem Gedanken, daß alles auch anders sein könnte: Der Möglichkeitssinn erwacht, und Möglichkeitsräume entstehen (Davy 2004a: 118–120). Die Leere ist eben auch Ursache ihrer Erfüllung, mithin die Voraussetzung für neue Wirklichkeiten städtischer Entwicklung (Sonnabend 2006). Die

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leere Stadt ist somit eine mentale Konstruktion städtischen Raumes, die in der Leere gleich-zeitig den Mangel und die Möglichkeit wahrnimmt.

In anderen Ländern, etwa den Vereinigten Staaten, werden die Entleerung der Innen-städte (inner city blight) und leere Grundstücke (vacant land) schon lange beobachtet, wer-den planerische Strategien für die erra incognita entwickelt (Bowman und Pagano 2004). Die Zustände in Magdeburg unterscheiden sich markant von den Zuständen in Philadelphia oder Detroit. Der Atlas der schrumpfenden Städte (Oswalt und Rieniets 2006) zeigt histo-rische und ausländische Beispiele, die deutlich machen, daß Magdeburg oder Sachsen-Anhalt auf vergleichsweise hohem volkswirtschaftlichen Niveau »schrumpfen«. Welche Städte oder Regionen tatsächlich leer sind, ist nicht gesagt, wenn über die leere Stadt gesprochen wird. Betont wird die Neigung eines Betrachters, der eine Stadt für leer hält. Mentale Konstruk-tionen weisen andere Verläßlichkeiten auf als Naturgesetze. Wären die »schrumpfende Stadt« und die »schrumpfende Gesellschaft« objektiv feststellbare Sachverhalte, könnte man aus dem Befund der Schrumpfung klare Handlungsempfehlungen ableiten.

t

Jedoch ist »Schrumpfung« weder objektiv feststellbar noch eindeutig zu bewerten. Dies sei nochmals an einem Beispiel für widersprüchliche Ansichten über das Verhältnis zwischen Ge-biet und Bevölkerung veranschaulicht. In Deutschland wurde bei einer Bevölkerungsdichte von rund 140 Personen/km² (Knaur 1938: 59) das »Volk ohne Raum« beschworen. Etwa siebzig Jahre später rechtfertigt eine Bevölkerungsdichte von rund 230 Personen/km² die Kla-ge über die »schrumpfende Stadt«. Läßt sich — objektiv — beurteilen, welche der beiden Einschätzungen falsch ist? Und wäre die Suche nach einer objektiven Beurteilung überhaupt der richtige Weg? Offenbar werden staatliche Politik und öffentliche Meinung durch geglaub-te Gemeinsamkeiten bestimmt, durch eine imagined community (Anderson 1983) der »rich-tigen« Ansicht über Bevölkerung und Boden. Um die politikbestimmende und meinungs-bildende Rolle solcher geglaubter Gemeinsamkeiten zu unterstreichen, schlage ich den Begriff der leeren Stadt vor, einer Stadt, die wir mit »Scheu vor dem Leeren« betrachten.

Wird die leere Stadt als mentale Konstruktion untersucht, bedeutet dies nicht, die zahl-reichen Phänomene, die in den letzten Jahren Besorgnis für die »schrumpfende Stadt« und die »schrumpfende Gesellschaft« erregten, wären nicht ernst zu nehmen. Allerdings soll der Begriff der leeren Stadt unterstreichen, daß die Scheu vor dem Leeren mehr zur gegenwär-tigen Problemsicht und Diskussion beiträgt als verifizierbare Aussagen über »Schrump-fung«. Welche Städte leer oder voll sind, hängt in sehr hohem Maße davon ab, welche Städ-te wir als leer oder voll betrachten. Wer sich an die Stadt der Wachstumsgesellschaft als reich und schön erinnert, betrachtet eben nur bestimmte Aspekte der vollen Stadt. Andere Aspekte werden vernachlässigt: Überhöhte Immobilienpreise, Verkehrsinfarkte, Umweltver-schmutzung, Armut. Vielleicht ist die leere Stadt einfach nur eine Gelegenheit, fehlerhafte Entwicklung der Wachstumsgesellschaft zu korrigieren.

II. Boden, Planung, Eigentum, Wert

A. Vorbemerkung

In der leeren Stadt fehlt es an Siedlungsdruck, die Bodenpreise werden nicht durch stür-misches Kaufen und Verkaufen der Immobilien bestimmt. Der kommunalen Bauleitplanung fällt es schwer, die »bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde« und

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damit die Stadtentwicklung durch Flächennutzungs- und Bebauungspläne sowie durch die Anwendung der bodenrechtlichen Instrumente »vorzubereiten und zu leiten« (§ 1 Abs. 1 BauGB). Das Interesse an mutigen Immobilieninvestitionen in den Bestand ist begrenzt. Investoren weichen lieber an den Stadtrand und in den suburbanisierten Raum aus (GMB 1997: 48). Gleichzeitig führen Bevölkerungsverlust und Leerstand im innerstädtischen Raum zu einer Unterauslastung der Infrastruktur, was technische und finanzielle Probleme verur-sacht (Tietz 2006). Welche Wirkungsbeziehungen bestehen unter den Bedingungen sinken-der Bevölkerungszahlen und schwindender Wirtschaftskraft zwischen städtischen Boden-märkten, den Verkehrswerten typischer Baugrundstücke, dem Grundstückseigentum sowie der kommunalen Bauleitplanung und Stadtentwicklung?

B. Boden

Grundstücke, Bauland, Gebiete, Flächen, Landschaft — alle diese Begriffe verweisen auf den Boden. Sprachtheoretisch betrachtet, handelt es sich um einen Verweis auf die Famili-enähnlichkeit des Bodenbegriffs (Davy 2004b: 61–63). Planerinnen meinen mit »Fläche« im Flächennutzungsplan ähnliches wie Immobilienentwickler mit »Grundstück« — ähnliches, nicht jedoch dasselbe. Planerinnen denken an Boden als »Flächen«, die ihrem planerischen Zugriff unterliegen (und zwar unabhängig von Grundstücksgrenzen), Immobilienentwickler haben Boden vor Augen, der sich durch Investitionen zum Renditeobjekt machen läßt.

Boden ist eine mentale Konstruktion, keine Tatsache (Davy 2005a: 117). Diese Aussage klingt wohl merkwürdig, gibt es doch kaum etwas Gegenständlicheres als den Boden unter unseren Füßen, auf dem wir unsere Städte bauen, in den wir unsere Toten betten. Doch der chorische Bodenbegriff — Boden als die oberste, belebte Verwitterungsschicht der Erde — hilft in der Bodenpolitik nicht weiter. Auch naturalistische Bodenbegriffe sind wenig hilfreich, so etwa die schicksalhafte Verknüpfung des Bodens mit einem Volk. Wer der imagined community (Anderson 1983) nicht angehört, kann den schicksalhaften Wert des Bodens unmöglich begreifen. Erst wenn wir den Boden unter dem Blickwinkel pluraler Wertschätzung betrachten, also mental auf verschiedenartige Weise konstruieren, werden unterschiedliche Bodenbegriffe und Bodenwerte erkennbar.

Verbreitete mentale Konstruktionen des Bodens sind das Territorium, die Immobilie, die Umwelt. Die drei Blickwinkel unserer Wertschätzung des Bodens sind nicht deckungsgleich, sie widersprechen einander aber auch nicht völlig. Vielmehr handelt es sich um vielfach überschneidende, mitunter jedoch auch ausgeprägt gegensätzliche Betrachtungsweisen.

1. Boden als Territorium

Wer den Boden als Territorium betrachtet, stellt Herrschafts- und Verfügungsrechte über den Boden in den Vordergrund. Verhalten, das Interessen mittels Grenzen und Territorien befriedigt, ist territoriales Verhalten (Agnew 2000; Altman 1975; Eibl-Eibesfeldt 1997: 455–481; Haggett 2001: 510–515; Hall 1959: 187–209; Hall 1966; Newman 1972: 51–77; Sack 1986; Sommer 1969: 39–57; Storey 2001). Die bekannteste Form der menschlichen Terri-torialität ist die territoriale Souveränität. Darunter versteht man das ausschließliche Recht der Staaten, auf ihrem Staatsgebiet staatliche Funktionen (Gesetzgebung, Verwaltung, Gerichts-barkeit) auszuüben (Graf Vitzthum 1997: 402–404; Hailbronner 1997: 216–217). Neben der territorialen Souveränität ist das wichtigste Herrschafts- und Verfügungsrecht das Eigen-tumsrecht einer natürlichen oder juristischen Person.

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Die wissenschaftliche Untersuchung der Territorialität ist für das Verständnis der Raument-wicklungen und Bodennutzungen bedeutsam, allerdings auch heikel und nicht frei von Irr-tümern. Territorialität ist ein Schlüsselbegriff der Border Studies (Davy 2004a). Ältere Ab-handlungen über Territorialität sind von naturalistischen Irrtümern geprägt. Der »Lebens-raum« (Ratzel 1901) oder der »territoriale Imperativ« (Ardrey 1966) sehen in Territorialität die Umsetzung »natürlicher« Ansprüche und Verhaltensweisen, die Forschungsprogramme der Proxemics (Hall 1959 und 1966) und der Humanethologie (Eibl-Eibesfeldt 1997) lei-den unter schwer nachvollziehbaren Vergleichen zwischen menschlichem und tierischem Ver-halten. Ungeachtet ihrer Popularität weisen solche Untersuchungen zahlreiche Widersprü-che auf und lassen wichtige Fragen unbeantwortet. Zurecht unterstreicht Edward T. Hall die Tabuisierung der Territorialität, deren Beherrschung einer »stummen Sprache« gleiche, die wie auch die Sexualität nur im Verborgenen praktiziert werden dürfe:

»Man has developed his territoriality to an almost unbelievable extent. Yet we treat space somewhat as we treat sex. It is there but we don’t talk about it« (Hall 1959: 188).

Ein Beispiel für die »stumme Sprache« des Bodens als Territorium ist das Verhältnis zwi-schen territorialer Souveränität und privatem Eigentum.

Wie können wir uns vorstellen, daß eine natürliche oder juristische Person der Eigentümer eines Grundstücks in Sachsen-Anhalt ist, dieses Grundstück aber dennoch der territorialen Souveränität des Landes Sachsen-Anhalt und der Bundesrepublik Deutschland unterliegt? Wie ist der ausschließliche Ordnungsanspruch des Staates mit dem ausschließlichen Nut-zungsrecht des Eigentümers vereinbar? Hinweise auf den »Kampf um Raum« oder den ter-ritorialen Imperativ erklären simultane und geschichtete Territoriumsbildungen jedenfalls nicht. Historisch hat sich eine Unterscheidung zwischen territorialer Souveränität und pri-vatem Eigentum erst allmählich entwickelt (Pels 1998: 50–54). Unter dem Blickwinkel der Border Studies interessiert vor allem, wie derselbe Boden als verschiedene Territorien bean-sprucht werden kann (simultane Territorialität). Boden als Territorium setzt eine erhebliche Beweglichkeit bei der mentalen Konstruktion des Bodens voraus. Staatliche, sachenrechtli-che, soziale, wirtschaftliche Territorialität wird jeweils anders ausgeübt. Keine Kommune dürfte ihre Planungsbefugnisse wie ein Wirtschaftsunternehmen nutzen und Flächenwid-mungen an den Meistbietenden verkaufen. Umgekehrt stießen Grundeigentümer auf Unver-ständnis, wollten sie ihre territorialen Ansprüche durch Grundgerichtsbarkeit und Besteue-rung umsetzen. Als ausdifferenzierte soziale Konstruktion der Grenzen und Territorien sind solche Unterschiede durchaus erklärbar (Agnew 2000; Davy 2004a). Diese Unterschiede sind aber weder natürlich noch begründen sie exklusive Ansprüche, die jede andere Territori-umsbildung ausschließen.

2. Boden als Immobilie

Wer den Boden als Immobilie betrachtet, stellt den Gewinn baulicher Nutzungen des Bodens in den Vordergrund. Dieser Gewinn — berechnet als Differenz zwischen dem Ertrag und den Kosten der Bodennutzung — macht Immobilien zu Renditeobjekten. Eine Immobi-lie ist eine unbewegliche Sache zur Erzeugung einer Rendite, somit »ein Vermögensgegen-stand, der einen Güterstrom produzieren kann, welcher gegen Entgelt dem Nutzer übertra-gen wird« (Schulte u.a. 2000: 17). Im Mittelpunkt des Immobilienbegriffs steht das öko-nomische Verwertungsinteresse. Immobilien sind Wertanlagen oder Investitionsobjekte, der Käufer schätzt die Immobilie wegen der erwarteten Rendite. Die Rendite ist

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»das prozentuale Verhältnis zwischen dem Jahresreinertrag einer Kapitalanlage und der Investitionssumme, die für die Anlage aufzubringen ist« (Sander und Weber 2003: 477).

Zur Beurteilung der Rentabilität einer Immobilie werden neben der Rendite unter anderem auch die Liquidität, das Risiko, der Eigenkapitalanteil, das Spektrum an Finanzierungsmög-lichkeiten, Ertragschancen alternativer Kapitalanlagen in Rechnung gestellt (Falk 2000: 662). Das Bürohaus, das Hotel oder das Mietshaus sind typische Beispiele für Renditeob-jekte, deren ökonomischer Wert durch den nachhaltig erzielbaren, kapitalisierten Reinertrag (Gewinn) des Grundstücks bestimmt wird. In diesem Sinne bemühte sich Ludwig von Mi-ses, einer der Vertreter der Wiener Grenznutzenschule, um die rationale Erklärung des öko-nomischen Bodenwerts. Der Bodenpreis könnte — wie der Preis anderer Wirtschaftsfaktoren auch — berechnet werden:

»Im Gedankenbild der gleichmässigen Wirtschaft ist der Preis eines Grundstücks gleich dem unter Zugrunde-legung des Urzinssatzes berechneten Barwert einer ewigen Jahresrente von der Höhe des reinen Jahresertra-ges« (von Mises 1940: 583).

Auch die Selbstnutzung einer Immobilie durch den Eigentümer, die keinen Betriebsgewinn durch Einnahmen erzielt, kann gewinnbringend sein. Zu den Vorteilen der Selbstnutzung einer Immobilie zählen etwa Mietersparnis, Nutzungssicherheit, Vermögensbildung, Alters-vorsorge, Besitzstolz. Im übrigen kann Boden auch anders als durch bauliche Anlagen genutzt werden. Die Land- und Forstwirtschaft, der Bergbau oder die Tourismuswirtschaft nutzen Boden als Anbauboden, Abbauboden oder Erholungsgebiet. Die Beschränkung des Bodens als Immobilie auf die wirtschaftliche Nutzung des Gewerbe- und Wohnbaulandes entspricht freilich der immobilienwirtschaftlichen Praxis (Schulte u.a. 2000: 21—27).

3. Boden als Umwelt

Wer den Boden als Umwelt betrachtet, stellt die Nutzung der natürlichen Funktionen des Bodens in den Vordergrund. Der Boden erfüllt natürliche Funktionen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 BBodSchG) als Lebensgrundlage der Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen, als Bestandteil des Naturhaushalts (z.B. Wasserkreislauf) und als Abbau-, Ausgleichs- und Auf-baumedium für stoffliche Einwirkungen (z.B. Filterwirkung). Die natürlichen Funktionen des Bodens zu erhalten und zu pflegen ist ein wichtiges Anliegen des Umweltschutzes und der Umweltvorsorge.

Der Grundsatz der Nachhaltigkeit (sustainability), der seit dem Brundtland-Bericht von 1987 und der Rio-Deklaration von 1992 zum umweltpolitischen Standard wurde, sucht nach einem generationenübergreifenden Chancenausgleich:

»Sustainable development seeks to meet the needs and aspirations of the present without compromising the ability to meet those of the future« (World Commission 1987: 40).

Boden als Umwelt ist weder aneignungsfähiges Territorium noch gewinnbringendes Wirt-schaftsgut. Boden als Umwelt ist um seiner selbst willen. Für Menschen folgt daraus eine umweltethische Pflicht:

»Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni pa res familias den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen« (Marx 1894: 784).

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Gleichwohl ist der Boden als Umwelt nicht nur Gegenstand öffentlichen Interesses. Das freistehende Einfamilienhaus am Waldesrand oder Seeufer, fernab des Lärms und der Unsi-cherheit unserer Städte, nutzt die natürlichen Bodenfunktionen aus privatem Interesse.

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4. »Boden« als Rechtsbegriff: Territorium, Immobilie, Umwelt

In der Rechtssprache werden unterschiedliche Ausdrücke für den Boden als Territorium, Immobilie, Umwelt gebraucht, häufig aber wird nur von »Boden« gesprochen, wodurch erheblicher Interpretationsbedarf entsteht (Davy 2004b). In Tabelle 4 wird anhand dreier Beispiele veranschaulicht, daß »Boden« in der Rechtssprache in unterschiedlichen Bedeu-tungen verwendet wird.

mentale Konstruktion bodenrechtliches Beispiel bodenrechtliche Bedeutung

Territorium »Bodenordnung« (§ 45 BauGB) gemeint sind bebaute und unbebaute Grundstücke, die durch Umlegung so neu geordnet werden, daß nach Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen

Immobilie »Bodenrichtwert« (§ 196 BauGB) gemeint sind durchschnittliche ökono-mische Lagewerte für erschließungsbei-tragspflichtiges und erschließungsbei-tragsfreies Bauland

Umwelt »Boden« (§ 1a BauGB) gemeint ist der Grund und Boden als Umweltgut, als Teil des Naturhaushalts, der z.B. nicht durch Versiegelung und andere bauliche Maßnahmen unnötig beansprucht werden soll

Tabelle 4: »Boden« als Rechtsbegriff: Territorium, Immobilie, Umwelt Quelle: Davy 2004b

In der Rechtssprache werden übrigens statt »Boden« häufig andere Worte verwendet. Die Territorialisierung des Bodens durch die Bauleitplanung betrifft »Grundstücke« (§ 1 Abs. 1 und § 200 Abs. 1 und 2 BauGB) und »Flächen« (wie beim Flächennutzungsplan — § 1 Abs. 2 und §§ 5–7 BauGB). Dabei sollen planerisch gestaltete »Flächen« nicht durch die gegebene Grundstücksordnung behindert werden. Paradigmatisch ist hier die »Bodenordnung« (§§ 45 ff. BauGB) zu nennen, die wie auch andere Umsetzungsinstrumente der Bauleitpla-nung dazu dient, bodenrechtliche Hindernisse für die Planverwirklichung zu beseitigen (Die-terich 2006).

5. Unvermehrbar, unentbehrlich, situationsgebunden

Die Vielschichtigkeit des Bodenbegriffs, ja der Gebrauch bloß familienähnlicher Boden-begriffe, spielt auch in der forensischen Behandlung des Bodens eine wichtige Rolle. So wird der Boden (als Immobilie) nicht nur als Wirtschaftsgut betrachtet, sondern zugleich auch als Gegenstand öffentlichen Interesses, als Sozialraum. Folgende Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bodenrecht unterstreicht die Gemengelage immobilienwirt-schaftlicher und territorialer Aspekte des Bodens als Eigentumsgegenstand:

»Das Grundgesetz gebietet … nicht, daß der ländliche Grundstückverkehr so frei sein müsse wie der Verkehr mit jedem anderen ›Kapital‹. Die Tatsache, daß der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen; eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgü-

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tern. Der Grund und Boden ist weder volkswirtschaftlich noch in seiner sozialen Bedeutung mit anderen Vermögenswerten ohne weiteres gleichzustellen; er kann im Rechtsverkehr nicht wie eine mobile Ware behan-delt werden. Aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 3 GG kann daher nicht eine Verpflichtung des Gesetzgebers hergeleitet werden, alle geldwerten Vermögensgüter den gleichen rechtlichen Grundsätzen zu unterwerfen« (BVerfGE 21 [1967] 73 [82–83] — Grundstücksverkehr).

Die Geltung besonderer bodenrechtlicher Vorschriften — ob als Immobiliarsachenrecht (Vie-weg und Werner 2005: 433) oder als öffentlich-rechtliches Bodenrecht (Bauleitplanungsrecht, Bodenschutzrecht) — ist wegen der Eigenschaft des Bodens als »unvermehrbar und unent-behrlich« gerechtfertigt. Eigentumsrechtliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die bei beweglichen Sachen nicht hinzunehmen wären, mögen daher bei Regelungen der Boden-nutzung durchaus verfassungsmäßig erscheinen. Wie auch die Sozialpflichtigkeit (Art. 14 Abs. 2 GG) ist die spezifische Bindung des Grundstückseigentums grundrechtsimmanent: Art. 14 Abs. 1 GG gewährt keine Ansprüche auf unbeschränktes Bodeneigentum. Daher schützt die Eigentumsgarantie weder vor der Abtrennung des Grundwassers vom Grund-stückseigentum (BVerfGE 58 [1981] 300 — Naßauskiesung) noch vor der amtlichen Boden-ordnung (BVerfGE 104 [2001] 1 — Baulandumlegung).

Der Grundstücksverkehr-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts ist bedeutsam, obwohl höchst zweifelhaft ist, Boden wäre »unvermehrbar und unentbehrlich«. Die anhaltende Kon-version von Freiflächen zu baureifem Land veranschaulicht die Vermehrbarkeit des Baubo-dens. Die Leerstände in vielen deutschen Städten, insbesondere der Brachfall zahlloser Wohn- und Gewerbeimmobilien in der leeren Stadt, verweisen auf die Entbehrlichkeit des Bodens für städtebauliche Funktionen. Diese Hinweise möchten vor einer Romantisierung des Grundstücksverkehr-Beschlusses warnen. Unvermehrbarkeit und Unentbehrlichkeit des Bodens sind keine absoluten Größen und müssen für die leere Stadt neu interpretiert wer-den. Auch in der leeren Stadt mag das »Spiel der freien Kräfte« oder das »Belieben des Einzelnen« nicht immer zur bestmöglichen Bodennutzung führen. Allerdings sind auch die sichtbare Hand des Staates oder Eigentumsbeschränkungen kein Garant für eine »gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung«. Der Grundstücksverkehr-Beschluß des Bundesverfassungs-gerichts ist nicht als Handlungsanleitung für Staatsintervention, es ist als Spiegel der viel-schichtigen Sichtweisen des Bodens bedeutsam.

In einer weiteren Leitentscheidung für Bauleitplanungs- und Bodenrecht wird der Konflikt zwischen territorialem, wirtschaftlichem und ökologischem Bodenbegriff erkannt und zugun-sten des territorialen und ökologischen Aspekts gelöst. Der Bundesgerichtshof hatte über die Aufnahme eines Grundstücks in das Grünflächenverzeichnis des Siedlungsverbands Ruhr-kohlenbezirk zu entscheiden. Mit der Aufnahme in das Grünflächenverzeichnis war für den Eigentümer ein Bauverbot verbunden. Der Bundesgerichtshof entschied den Fall aufgrund seiner »Situationsgebundenheit«:

»Es handelt sich um ein Grundstück, das seit je zu einem großen Hofgut gehörte, bisher Teil eines größeren landwirtschaftlich genutzten Geländes war, in der Nähe einer Stadt und hochindustrialisierten Gebietes liegt. Innerhalb eines solchen Gebietes bedarf es im Interesse der Allgemeinheit einer Raumplanung, die u.a. insbe-sondere auch die Erhaltung der für die Gesundheit und die Erholung der Bevölkerung nötigen Grünflächen sichert. Allem Grundbesitz ist unter solchen Umständen eigentümlich, daß er in höherem Maße sozial gebun-den ist als ein Besitz, auch ein Grundbesitz, bei dem die Art seiner Verwendung in der Hand des Eigentümers nicht in derselben intensiven Weise kollidieren kann mit den jedermann einleuchtenden zwingenden Erforder-nissen« (BGH, Urteil vom 20. 12. 1956 = NJW 1957: 538–539).

Die Situationsgebundenheit des Bodens verweist auf das bewegliche System zwischen den territorialen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten des Bodens. In manchen Situatio-

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nen treten die wirtschaftlichen Aspekte stärker hervor (Boden als Immobilie), in anderen Situationen die territorialen oder ökologischen Aspekte. Durch die physische Lage eines Grundstücks und seine situationsgebundene Wertigkeit kann der ökologische Bodenwert besondere Bedeutung für die Territorialisierung des Grundstücks gewinnen. Die Sozial-pflichtigkeit des Grundstückseigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) gewinnt in dieser Lage eine »eigentümliche« Bedeutung. Die Sozialpflichtigkeit könnte sich, so ist im Gegenschluß zu argumentieren, in einer anderen Lage vielleicht ganz anders darstellen, würde womöglich den immobilienwirtschaftlichen Aspekt des Bodens in den Vordergrund stellen. Die Situati-onsgebundenheit des Bodens ist somit forensischer Ausdruck für die Vielschichtigkeit des Bodenbegriffs.

C. Boden, Planung

Sobald die Nutzung des Bodens mit größerem Aufwand verbunden ist, also Investitionen erfordert, ist Planung erforderlich. Planung gewährt Investitionssicherheit, bewahrt auch vor den Folgen falscher Entscheidungen. In einem weiten Sinne bezeichnet Planung

»ein systematisches Vorgehen zur Entwicklung von Handlungszielen und -abfolgen über einen längeren Zeit-raum. Mit Planung wird allgemein wissenschaftliche Rationalität, Zukunftsorientierung, Steuerung und Koor-dination verbunden« (Fürst und Ritter 2005: 765).

Planung ist auch für Bodennutzungen der Privaten unentbehrlich, wie sich etwa an den Pla-nungstätigkeiten landwirtschaftlicher Betriebe, der Wohnbaugesellschaften oder dem Corpo-rate Real Estate, also der unternehmerischen Immobilienplanung, zeigt. Im folgenden wird Planung freilich als ein Schlüsselbegriff der öffentlichen Verwaltung verwendet und bezeich-net die Raumplanung des Bundes, der Länder und der Gemeinden. Im Vordergrund steht dabei die kommunale Bauleitplanung und ihr Verhältnis zur Steuerung der Bodennutzung.

1. Bauleitplanung und Bodenrecht

Die kommunale Bauleitplanung ist im 1. Kapitel des 1. Teil des BauGB als Bestandteil des allgemeinen Städtebaurechts geregelt. § 1 Abs. 1 BauGB lautet:

»Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.«

Mit Blick auf die kommunale Bauleitplanung in Deutschland ist Planung in erster Linie Rechtserzeugung. Dies müßte nicht so sein. Räumliche Planung, die keine rechtliche Ver-bindlichkeit beansprucht, kann ihre räumlichen, inhaltlichen und organisatorischen Ge-sichtspunkte frei wählen. Eine rechtlich unverbindliche Raumplanung kann durchaus wirk-sam sein, etwa weil ihre Ansprüche durch finanzielle Mittel (»goldene Zügel«), freiwillig abgestimmtes Verhalten (Planung durch Kooperation) oder besonders überzeugende Argu-mente (Planung durch Kommunikation) umgesetzt werden. Beansprucht Raumplanung allerdings rechtliche Verbindlichkeit (Planung durch Rechtserzeugung), hängt sie maßgeb-lich von juristischen Rahmenbedingungen ab (Battis 2006; Battis u.a. 2005; Ferner und Kröninger 2005; Hoppe u.a. 2004; Schmidt-Eichstaedt 2005; Stüer 2005).

Das wichtigste Beispiel für Planung durch Rechtserzeugung ist der Bebauungsplan, eine kommunale Satzung (§ 10 Abs. 1 BauGB). Übt eine Gemeinde ihre Planungshoheit aus, muß die planerische Tätigkeit — formal betrachtet — stets an den juristischen Rahmenbe-dingungen für kommunale Rechtserzeugung gemessen werden können. Diese juristische Abhängigkeit der Raumplanung ist der Regelfall, keine Ausnahme. Rechtliche Zuständigkei-

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ten, Instrumente und Verfahren spielen in der Entwicklung deutscher Raumplanung eine große Rolle. Die kommunale Bauleitplanung wurde aus der preußischen Fluchtlinienpla-nung entwickelt, die Regionalplanung entstand aus der Planungstätigkeit des Siedlungsver-bandes Ruhrkohlenbezirk. Die Prägung der deutschen Raumplanung als Planung durch Rechtserzeugung ist einer der Gründe, weshalb Raumplanung, insoweit sie rechtsverbindlich ist, vor allem die städtebauliche Planung der Grundstücksnutzung (Bauleitplanung) umfaßt.

Historisch hängt der enge Bodenbezug der deutschen Raumplanung mit dem sogenann-ten »Baurechtsgutachten« des Bundesverfassungsgerichts zusammen, das die institutionellen Grundlagen der Bauleitplanung, Landesplanung, Raumordnung in der Bundesrepublik Deutschland gelegt hat. Das Bundesverfassungsgericht charakterisiert die Raumplanung (»städtebauliche Planung«) im wesentlichen als rechtsverbindliche Steuerung der Bodennut-zung und ordnet sie kompetenzrechtlich dem »Bodenrecht (ohne das Recht der Erschlie-ßungsbeiträge)« (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) zu:

»Soweit es sich bei der städtebaulichen Planung um die ›Leitung‹ handelt, d.h., soweit die Pläne verbindliche Kraft für den einzelnen Grundstückseigentümer haben, bestimmen diese Pläne, in welcher Weise der Eigen-tümer sein Grundstück nutzen darf, insbesondere, ob er überhaupt bauen darf und in welcher Weise (gewerb-licher Bau oder Wohnhaus; Landhausbauweise oder Baublock; ländliche Siedlung usw.). Die städtebauliche Planung bestimmt also insoweit die rechtliche Qualität des Bodens. Das Recht, das diese Planung vorsieht und ordnet, gehört darum zum Bodenrecht i.S. des Art. 74 Nr. 18 GG« (BVerfGE 3 [1954] 407 [424] — Bau-rechtsgutachten).

Die enge Bindung räumlicher Planung an (rechtsverbindliche) Bodennutzungsplanung hat eine wichtige Konsequenz für Bodenpolitik und Bodenmanagement: Da Bodenmanagement — insbesondere die Instrumente der Bodenordnung — der Umsetzung der Bauleitplanung dient, bilden die Inhalte der Bauleitplanung ihrerseits wichtige Ziele der Bodenpolitik. Jeder Bebauungsplan, der mittels bodenpolitischer Maßnahmen umzusetzen ist, formuliert bo-denpolitische Ansprüche und konkretisiert bodenpolitische Ziele.

Die Bauleitplanung ist »ein Kernbestandteil der kommunalen Planungshoheit« (Battis u.a. 2005: 24–25) und gehört nach geltendem Recht zur kommunalen Selbstverwaltung (z.B. §§ 1 und 2 GO LSA). Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet das Recht der Gemeinden, »al-le Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verant-wortung zu regeln.« Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf kommunale Selbst-verwaltung umfaßt neben der Regelungshoheit auch die finanzielle Eigenverantwortung der Gemeinde. Ob die gesamte Bauleitplanung zum verfassungsrechtlichen Kernbestand kom-munaler Selbstverwaltung zählt, ist umstritten (BVerfGE 56 [1980] 298 [312] — Fluglärm). Das BauGB betrachtet die Bauleitplanung als Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung: Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde gemäß § 2 Abs. 1 BauGB »in eigener Verantwor-tung« aufzustellen. Allerdings wird die kommunale Planungshoheit vielfach beschränkt, so etwa zugunsten der Planfeststellung für Vorhaben überörtlicher Bedeutung (§ 38 BauGB) oder durch Fachplanungen, die auf einem anderen Kompetenztitel als dem Bodenrecht be-ruhen (z.B. Wasserwirtschaft, Naturschutz).

Die Bauleitplanung erfolgt grundsätzlich in zwei Stufen. Die erste Stufe bildet die Flä-chennutzungsplanung, die zweite Stufe die Bebauungsplanung. Gemäß § 1 Abs. 2 BauGB sind die dafür anzuwendenden Planungsinstrumente der Flächennutzungsplan (vorbereiten-der Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan). Weitere Instrumente zur inhaltlichen Konkretisierung der Planinhalte sind der städtebauliche Vertrag (§ 11 BauGB), der Vorhaben- und Erschließungsplan (§ 12 BauGB), die städtebauliche Sanierungs-

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satzung (§ 142 BauGB), die städtebauliche Entwicklungssatzung (§ 165 Abs. 7 BauGB), das städtebauliche Entwicklungskonzept und der Stadtumbauvertrag (§ 171b und 171c BauGB), die Erhaltungssatzung (§ 172 BauGB).

Die Bauleitplanung ist in erster Linie für Städte unter Wachstumsdruck konzipiert, in denen die Eigentümer auf die Nutzungsangebote der kommunalen »Angebotsplanung« (Bat-tis u.a. 2005: 28) warten. In solchen Städten will ein Eigentümer wissen, »ob er überhaupt bauen darf und in welcher Weise« (BVerfGE 3 [1954] 407 [424] — Baurechtsgutachten). In Städten unter Wachstumsdruck ist die Zuständigkeit der Gemeinden und ihrer Stadtpla-nungsämter sinnvoll, »die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde … vorzubereiten und zu leiten« (§ 1 Abs. 1 BauGB). In der leeren Stadt scheint dieses Steuerungsmodell nicht zu passen. In der leeren Stadt haben die Eigentümer geringe Nut-zungsinteressen, wollen jedenfalls mangels Ertragsaussicht die gegenwärtige Nutzung ihrer Grundstücke nicht verändern. Und Leerstand läßt sich durch rechtsverbindliche Festsetzun-gen der Gemeinde kaum »leiten«.

Dennoch kann die Bauleitplanung für die Bodennutzung in der leeren Stadt großes Ge-wicht erlangen. Die leere Stadt gewinnt durch Ausübung ihrer Planungshoheit die Souverä-nität über die räumliche Entwicklung zurück — vorausgesetzt, diese Planungshoheit wird engagiert und entschlossen eingesetzt. So vermag eine Stadt, den bisher als Bauland genutz-ten Boden durch rechtliche Festsetzung vom Markt zu nehmen und dadurch die Siedlungs-fläche — zunächst auf dem Plan — zu reduzieren. Genau dies ist, rechtlich gewendet, das Renaturierungsziel des Magdeburg-Szenarios 2010 der IBA STADTUMBAU 2010 ( S. 2). Bauleitplanung kann die Renaturierung vorbereiten, indem die »rechtliche Qualität des Bo-dens« neu geplant und bestimmt wird. Dadurch wird die gegenwärtige Nichtnutzung der brachgefallenen Industrie- und Gewerbeflächen im Südosten Magdeburgs durch eine »son-stige Nutzung« (§ 1 Abs. 1 BauGB) ersetzt, nämlich durch die Nutzung ökologischer Funk-tionen des Bodens. Die Umwidmung brachgefallener Grundstücke bildet daher in der lee-ren Stadt einen Baustein für eine Steuerungsstrategie hoheitlicher Bodenmobilisierung ( S. 98). Von welchen inhaltlichen Voraussetzungen hängt die Rechtmäßigkeit der kom-munalen Bauleitplanung ab?

2. Städtebaurechtliche Leitbilder

Im demokratischen Rechtsstaat bedeutet Selbstverwaltung nicht, daß die selbstverwal-tende Gemeinde frei von Gesetzesbindungen wäre. Art. 28 Abs. 2 GG gewährt die kommu-nale Selbstwaltung lediglich »im Rahmen der Gesetze«. Das BauGB enthält eine Vielzahl materieller und formeller Bindungen der kommunalen Bauleitplanung. Die oberste Stufe inhaltlicher Bindung geht von den städtebaurechtlichen Leitbildern aus, die der Bauleitpla-nung ein bewegliches Wertesystem voranstellen. Die Bauleitplanung soll gemäß § 1 Abs. 5 BauGB vier Leitbildern entsprechen:

• Leitbild der nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung: Bauleitpläne sollen eine nach-haltige städtebauliche Entwicklung gewährleisten, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Gene-rationen miteinander in Einklang bringt;

• Leitbild der sozialgerechten Bodennutzung: Bauleitpläne sollen eine dem Wohl der All-gemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten;

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• Leitbild der menschenwürdigen Umwelt: Bauleitpläne sollen dazu beitragen, eine men-schenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln, auch in Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz;

• Leitbild der Baukultur: Bauleitpläne sollen dazu beitragen, die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln.

Die vier städtebaurechtlichen Leitbilder sind gegenüber anderen raumplanerischen Leitbil-dern dadurch ausgezeichnet, daß sie durch Bundesgesetz festgeschrieben wurden. Gewiß lassen sich viele bekannte Leitbilder der Raumplanung einzelnen oder mehreren städtebau-rechtlichen Leitbildern zuordnen. Je nachdem, kommt den städtebaurechtlichen Leitbildern gegenüber raumplanerischen Leitbildern eine Legitimations- oder Ausschlußwirkung zu. So kann etwa das Leitbild der Gartenstadt juristisch mit den Leitbildern einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung, sozialgerechten Bodennutzung und menschenwürdigen Um-welt begründet werden. Andere raumplanerische Leitbilder, wie etwa das Leitbild der auto-gerechten Stadt, widersprechen hingegen den städtebaurechtlichen Leitbildern.

Die Überschrift zu § 1 Abs. 5 BauGB bezeichnet die vier städtebaurechtlichen Leitbilder als »Grundsätze«. Die Leitbilder in § 1 Abs. 5 BauGB bilden ein bewegliches Wertesystem, das durch jeden Bauleitplan konkretisiert werden muß. Aufgrund örtlicher Gegebenheiten und erheblicher Unbestimmtheit kann die Konkretisierung des Wertesystems unterschied-lich ausfallen und eröffnet Planungsermessen. Gleichwohl darf das Planungsermessen nicht willkürlich ausgeübt werden. Vielmehr müssen Bauleitpläne so begründet werden (§ 2a BauGB), daß die jeweilige Konkretisierung der Leitbilder nachvollziehbar ist.

Die Leitbilder einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung und sozialgerechten Bo-dennutzung enthalten Gewährleistungspflichten; die Leitbilder der menschenwürdigen Um-welt und Baukultur verpflichten zu Sicherung, Schutz, Erhaltung, Entwicklung. Im Zu-sammenhang mit der kommunalen Planungspflicht entfalten diese Leitbilder daher eine zielgerichtete Bindung für die Bauleitplanung. Diese Bindung bestimmt die Richtung, in die einzelne Planungsinhalte weisen müssen, um das bewegliche Wertungssystem des § 1 Abs. 5 BauGB zu konkretisieren. Planungspolitisch sind die Gemeinden zu einer aktiven Konkreti-sierung der Planungsgrundsätze verpflichtet; planungsrechtlich sind Ermessensfehler wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 5 BauGB schwer nachweisbar.

Das Renaturierungsziel des Magdeburg-Szenarios 2010 der IBA STADTUMBAU 2010 ( S. 2) greift mehrere Gesichtspunkte der städtebaurechtlichen Leitbilder (§ 1 BauGB) auf. Gewiß läßt sich ein abschließendes Urteil erst bilden, wenn die Einzelheiten des Rena-turierungskonzepts und nicht bloß ein Szenario feststehen. Allerdings wird ein Bodenmana-gementkonzept von der situationsgebundenen Konkretisierung der städtebaurechtlichen Leit-bilder profitieren ( S. 136).

D. Boden, Planung, Eigentum

1. Bodenpolitik und Bodenmanagement als Planumsetzung

Die Schnittstelle zwischen dem Steuerungsanspruch der Bauleitplanung und den Ver-wertungsinteressen der Grundstückseigentümer ist die Bodenpolitik:

»Bodenpolitik umfasst staatliche und kommunale Maßnahmen, die den Wert, die Nutzung und die Verteilung des Bodens beeinflussen« (Davy 2005a: 117).

B. Davy Innovationspotentiale für Flächenentwicklung

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Eine Bodenpolitik, die den städtebaurechtlichen Leitbildern ( S. 27) verpflichtet ist, dient der Umsetzung einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung, einer sozialgerechten Bo-dennutzung, einer menschenwürdigen Umwelt, der Baukultur (§ 1 Abs. 5 BauGB). Gewiß stehen diese Ziele und zieladäquate Umsetzungsstrategien in einem Spannungsverhältnis zueinander. Sind jedoch die »öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und unter-einander gerecht« abgewogen (§ 1 Abs. 8 BauGB), ist die Bauleitplanung umzusetzen. In-soweit »der Boden« — hier: privates Grundstückseigentum — betroffen ist, sollen Bodenpoli-tik und Bodenmanagement die Planumsetzung unterstützen und gewährleisten. Diese Auf-gabe wurde als zentrale Herausforderung der Planung nach 1945 bezeichnet:

»Der Boden im Stadtbereich soll also nicht dem zufälligen Eigentümer auf Grund eines übersteigerten und darum nicht aufrechtzuerhaltenden Eigentumsbegriffes gewährleistet, auch nicht dem ›besten Wirt‹, d.h. dem rücksichtslosesten Ausnutzer, wie eine verflossene Wirtschaftsordnung wollte, sondern vielmehr auf solche Eigentümer übertragen werden, die ihn nach Maßgabe der von der Planung ›verfügten‹ Zweckwidmung be-nutzen wollen oder ihn dazu benötigen« (Dittus 1951: 132).

Wilhelm Dittus, dessen Schriften wesentlich das westdeutsche Bodenrecht nach 1945 ge-prägt haben, vertrat eine eigentumsskeptische Haltung. Grundstückseigentum ist aus seiner Sicht in erster Linie ein Hemmnis für räumliche Planung, das es durch bodenpolitische Maßnahmen zu beseitigen gilt:

»Damit soll die für den Städtebau und eine gedeihliche Stadtentwicklung so nachteilige Sperrwirkung, die der Bodeneigentümer ausüben konnte und kann, gebrochen werden« (Dittus 1951: 132).

Die Schärfe planerischer Ansprüche an privates Eigentum wurde in der Bundesrepublik Deutschland durch die Erfahrungen der Nachkriegszeit, des Wiederaufbaus, des Wirt-schaftsaufschwungs gemildert. Rasch wurde deutlich, daß Hierarchisierung, Konfliktbeto-nung und Konfrontation zur Erreichung städtebaulicher Ziele ungeeignet waren. Das »Bo-denproblem« wurde daher als ein Wechselspiel zwischen Planungsrecht, Bodenpreisen und Grundstückseigentümern gesehen:

»Das Problem, Grund und Boden für Nutzungen, die zur geordneten Entwicklung der Städte und Dörfer notwendig sind, vor allem für Umwidmungen, also Änderungen der bisherigen Nutzungsarten, verfügbar zu haben, und zwar zu Preisen, die mit der im Rahmen dieser Nutzung beabsichtigten Verwendung verträglich sind, also das sogenannte Bodenproblem, ist das Kardinalproblem für Raumordnung und Städtebau. Es ist darüber hinaus ein wichtiges Problem für die gesamte Gesellschaftsordnung« (Ernst 1971: 3).

Die Planumsetzung durch Bodenmobilisierung ist eine bodenpolitische Kernaufgabe. Nicht selten wird dabei die Mitschuld der Raumplanung und des Planungsrechts an der Nichtver-fügbarkeit des Bodens übersehen (Davy 1999: 114–115). Auch wird die Raumplanung als eigentumsfeindlich angesehen, obwohl das Städtebaurecht vielfach im Dienste der Eigentü-mer angewendet wird. Dennoch wäre überraschend, am Ortseingang einer deutschen Stadt eine Aufschrift zu finden, wie es Zusatztafeln zu manchem amerikanischen Ortsschild ver-melden: »WE ZONE TO PROTECT YOUR PROPERTY!« (sinngemäß: »Unsere Bauleitplanung schützt Ihr Eigentum!«) (Davy 1999: 103). Weil Planungsrecht verfassungsrechtlich eine Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 GG) bildet, wird häufig übersehen, daß räumliche Planung das private Eigentum schützt und aufwertet, nicht nur beschränkt.

Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, nach welchen Maßstäben bodenpolitische Ergeb-nisse und erfolgreiches Bodenmanagement zu beurteilen sind. Maßstäbe für eine nachhalti-ge Bodennutzung sind die ökologische, wirtschaftliche und soziale Effizienz des Ressour-ceneinsatzes (Allokation) sowie die gerechte Verteilung der Nutzen und Lasten der Ressour-cennutzung (Distribution).

B. Davy Innovationspotentiale für Flächenentwicklung

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2. Allokation und Effizienz

In der Volkswirtschaftslehre wird unter Allokation die »Aufteilung von Produktionsfak-toren auf alternative Verwendungen« verstanden (Woll 1996: 24), etwas allgemeiner auch die Nutzung knapper Güter für unterschiedliche Zwecke. In der Bodenpolitik ist mit Allo-kation gemeint, wofür der Boden genutzt wird (Davy 2005a: 117–118). Daran schließt sich die bodenpolitische Wertung, ob diese Nutzung den bodenpolitischen Zielen bestmöglich entspricht. Um die Allokation des Bodens geht es etwa

• in der Baulandproduktion, wenn unbebautes Land zu baureifem Land entwickelt wird,

• beim Bodenschutz, wenn natürliche Funktionen des Bodens zulasten der Nutzungsfunk-tionen (§ 2 Abs. 2 BBodSchG) gestärkt werden,

• in der Baulandmobilisierung, die baureifes Land marktverfügbar macht (Problem der »erschlossenen Spekulationsbrache«),

• bei der Lösung von Bodennutzungskonflikten, wodurch im Fall konkurrierender Nut-zungen geregelt wird, welche Nutzungen vorrangig zu behandeln sind oder wie die kon-kurrierenden Nutzungen miteinander koordiniert werden.

Wichtige Gruppen von Bodennutzungen sind die Bergwirtschaft (Abbauboden), die Land- und Forstwirtschaft (Anbauboden), der Betrieb von Wirtschaftseinrichtungen (Standortbo-den), die trassengebundene Infrastruktur (z.B. Verkehrsflächen) und das Siedlungswesen (Wohnbauland). Wegen der Bedeutung wirtschaftlich oder baulich nicht genutzter Flächen für die ökologische Bodenpolitik ist es zweckmäßig, auch die »Nichtnutzung« als Allokati-onsziel, nämlich als Nutzung natürlicher Bodenfunktionen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 BBodSchG), zu verstehen (Davy 2005a: 117).

Maßstab für die Allokation ist die Effizienz der Bodennutzung. Die Bodennutzung ist effizient oder wirtschaftlich, wenn nichts vergeudet wird, keine vermeidbaren Verluste ein-treten, alle erzielbaren Vorteile genutzt werden. Gleich welchen Effizienzmaßstab man an-legt, stets ist die bessere — und letztendlich die bestmögliche — Nutzung des Bodens das Ziel effizienter Allokation. Näher betrachtet, weichen denkbare Effizienzmaßstäbe deutlich voneinander ab:

• Kann Boden für unterschiedliche Zwecke verwendet werden und sind mit diesen Ver-wendungsvarianten unterschiedliche Nutzen verbunden, ist die für den Eigentümer nütz-lichste Verwendung des Bodens die effiziente Bodennutzung (Eigentüme effizienz, be-triebswirtschaftliche Effizienz).

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• Effizienz kann freilich auch den Nutzen der Nachbarn, der örtlichen Gemeinschaft, der Gesellschaft überhaupt betrachten; die unter diesem Blickwinkel effiziente Bodennut-zung mißt sodann den volkswirtschaftlichen Gesamtnutzen (wohlfahrtsökonomische Ef-fizienz, gesamtwirtschaftliche Effizienz).

• Ein dritter Effizienzmaßstab prüft, ob eine gegebene Allokation zum Vorteil zumindest eines Wirtschaftssubjekts geändert werden kann, ohne zugleich die Lage irgendeines an-deren Wirtschaftssubjekts zu verschlechtern (Pareto-Effizienz).

• Des weiteren kann die Allokationseffizienz nach dem individuellen und gesellschaftli-chen Wohlbefinden (soziale Effizienz) oder nach der Minimierung der Umweltverschmut-zung und der Maximierung der Umweltgüte der Bodennutzung (ökologische Effizienz)

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beurteilt werden. Soziale oder ökologische Effizienz sind als Maßstäbe nachhaltiger Bo-dennutzung sehr wichtig, allerdings nicht in erster Linie nach ökonomischen Kriterien (z.B. monetär bewerteter Nutzen, Geldeinkommen) meßbar.

Effizientes Bodenmanagement und effiziente Planumsetzung können auch nach dem Ver-waltungsaufwand, nicht nach der bestmöglichen Bodennutzung, beurteilt werden. Hierbei wird gemessen, ob bauleitplanerische Festsetzungen im Rahmen eines vorgegebenen Verwal-tungsbudgets in höchstmöglichem Maße (Outputeffizienz) oder ob ein vorgegebenes Inter-ventionsziel mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand und sonstigem Mitteleinsatz (In-puteffizienz) umgesetzt werden (Verwaltungseffizienz).

Das Renaturierungsziel des Magdeburg-Szenarios der IBA STADTUMBAU 2010 ( S. 2) strebt eine Verbesserung der Lebensumstände und Umweltqualität der Wohnbevölkerung im Magdeburger Südosten an. Die Nutzung natürlicher Bodenfunktionen auf Industriebra-chen ist ökonomisch schwer zu bewerten und bildet zumeist lediglich einen »weichen« Standortvorteil zugunsten benachbarter Wohnbevölkerung. Solange niemand einen Preis für den Konsum renaturierter Grundstücke bezahlen muß, bildet sich kein Markt, der die Menge und den Preis nachgefragter und angebotener Landschaft steuern könnte. Allerdings fehlt auch der Brachnutzung altindustrieller Grundstücke ein ökonomischer Ertrag. Wegen des Altlastenverdachts ist die Brachnutzung sogar verlustbringend (selbst wenn der finanzi-elle Verlust durch Untätigkeit der Umweltbehörde aufgeschoben sein sollte). Im Vergleich erweist sich Renaturierung daher als volkswirtschaftlich nützlicher und effizienter, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens dürfen die Kosten der Renaturierung die örtliche Öko-nomie (Wirtschaftssubjekte, Kommunalhaushalt) nicht so belasten, daß die Belastung den Nutzen der Renaturierung übersteigt. Und zweitens dürfen durch die Renaturierung keine eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebe geschädigt oder konkrete einkommenswirk-same Bauvorhaben behindert werden. Unter diesen beiden Voraussetzungen hat Renaturie-rung einen Netto-Wohlfahrtseffekt. Außerdem wäre eine Renaturierung, wenn für eine aus-reichende Dekontamination verunreinigter Böden und für eine ökologische Aufwertung allgemein zugänglicher Bereiche gesorgt wird, sozial und ökologisch effizienter als der ge-genwärtige Zustand des Brachfalls.

Dieser gesamtwirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Effizienz ist die Frage der Ei-gentümereffizienz entgegenzuhalten. Ist Renaturierung für die Eigentümer effizient? Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden. Erstens geht es um das Interesse der Grundstückseigen-tümer, ihre Grundstücke zu anderen Zwecken als »Landschaft« zu verwenden. Zweitens geht es um die Sanierungspflichten und andere öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Pflichten der Grundstückseigentümer. Zur Effizienzbeurteilung müssen die konkreten Ei-gentümerinteressen erhoben, geprüft und abgewogen werden:

• So läge erhebliche betriebswirtschaftliche Ineffizienz vor, wenn ein Eigentümer zur Rena-turierung seines Grundstücks gezwungen würde, obwohl das ernsthafte Angebot eines zahlungsbereiten Investors für die Nutzung als Wohn- oder Gewerbebauland vorliegt.

• Umgekehrt könnte Renaturierung durchaus auch eine für den Eigentümer effiziente Lösung bilden, wenn die Sanierung und Dekontamination zu seiner bodenschutzrechtli-chen Entlastung führen.

Das Renaturierungsziel der IBA STADTUMBAU 2010 kann somit, je nach den Umständen des Einzelfalls, aus Eigentümersicht durchaus effizient sein. Ist es aus Sicht der betroffenen

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Grundstückseigentümer ineffizient, ist dies freilich noch kein Grund, das Renaturierungsziel aufzugeben. Vielmehr wäre zu prüfen, ob die volkswirtschaftlichen, sozialen und ökologi-schen Interessen, die für eine Renaturierung sprechen, so schwer wiegen, daß gerechtfertig ist, die betriebswirtschaftliche Effizienz als Maßstab hintanzustellen.

3. Distribution und Gerechtigkeit

In der Volkswirtschaftslehre wird unter Distribution »die Verteilung des Volkseinkom-mens … auf die einzelnen oder bestimmte Gruppen von Wirtschaftssubjekten eines Landes« verstanden (Woll 1996: 155 [Einkommensverteilung]). In der Bodenpolitik ist mit Distribu-tion gemeint, für wen der Boden genutzt wird, also wem die Vorteile der Bodennutzung zufließen und wer mit den Nachteilen der Bodennutzung belastet wird (Davy 2005a: 118–119). Daran schließt sich die bodenpolitische Wertung, ob die Verteilung der Nutzen und Lasten im bodenpolitischen Sinn gerecht ist. Die »Bodenfrage« ist immer auch eine Frage der Gerechtigkeit (Dieterich und Dieterich 1997). Um die Distribution der Nutzen und Kosten der Bodennutzung geht es etwa

• bei der Entscheidung für eine bestimmte Bodenverfassung, also die Ausgestaltung und Verteilung des Eigentums und anderer Verfügungsrechte am Boden,

• im Zusammenhang mit der Bodenbesteuerung, wenn vermögens- oder einkommensbe-zogene Abgaben vom Grundstückseigentum und der Bodennutzung erhoben oder nicht erhoben werden,

• bei der Bodenreform, die eine gegebene Grundstücksverteilung — unter Umständen einschneidend — zulasten der Eigentümer und zugunsten eigentumsloser Individuen und Gruppen ändert,

• wenn planungs- und maßnahmenbedingte Bodenwertsteigerungen durch einen »Pla-nungswertausgleich« oder ähnliche Maßnahmen abgeschöpft werden.

Die bodenpolitische Distribution umfaßt vor allem die Verteilung von Verfügungs- und Nutzungsrechten am Boden (z.B. Eigentumsquote). Bedeutsam sind auch faktische, mittel-bare und nicht monetäre Vor- und Nachteile. Die Nachteile der Nachbarn eines verwahrlo-sten Grundstücks oder die Vorteile der Nachbarn eines ökologisch aufgewerteten Grund-stücks werden auch ohne eine Änderung des Grundstückseigentums verteilungswirksam (Davy 2005a: 118).

Ein Maßstab für den bodenpolitischen Distributionserfolg ist die gerechte Verteilung der Vor- und Nachteile der Bodennutzung. Dabei können etwa partikuläre Machtinteressen (elitäre Gerechtigkeit), die Erhöhung des Nutzens für die größte Zahl (utilitaristische Ge-rechtigkeit) oder die Verbesserung der Lage der am schlechtesten gestellten Gruppe (soziale Gerechtigkeit) im Vordergrund stehen (Davy 1997). Das Urteil in Gerechtigkeitsfragen hängt stark vom gewählten Maßstab ab. Für Bodenpolitik und Bodenmanagement ist insbe-sondere das Teilziel der Bauleitplanung maßgeblich, »eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodennutzung« zu gewährleisten (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BauGB).

Das Renaturierungsziel des Magdeburg-Szenarios 2010 der IBA STADTUMBAU 2010 ( S. 2) wirft mehrere Gerechtigkeitsfragen auf. Im Verhältnis zwischen dem Norden und Süden der Landeshauptstadt, im Verhältnis zwischen den gegenwärtigen und den künftigen Bewohnern des Magdeburger Südostens, im Verhältnis zwischen Grundstückseigentümern

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und Wohnbevölkerung stellen sich jeweils andere Gerechtigkeitsprobleme. Gerade mit Blick auf die »sozialgerechte Bodennutzung« (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BauGB) scheint eine theoretische Lösung weniger zielführend als eine Verhandlungslösung, die unterschiedliche Wahrnehmun-gen und Interessen aller Beteiligter berücksichtigt ( S. 155).

E. Boden, Planung, Eigentum, Wert

1. Bodenwert(e)

Es gibt den Bodenwert nicht. Häufig denkt man beim Bodenwert an eine ökonomische Kategorie, also etwa den Gebrauchswert oder Tauschwert des Bodens. Doch selbst über den ökonomischen Bodenwert herrscht keine Einigkeit. Dies zeigt die Kontroverse über die Er-klärung der Grundrente, in die etwa Adam Smith, David Ricardo, Karl Marx, Alfred Mars-hall, Joan Robinson — also die klassischen und neoklassischen Nationalökonomen — ver-strickt waren. Auch im Bereich der Immobilienbewertung sind unterschiedliche Bodenwert-begriffe gebräuchlich: Gemeiner Wert, Verkehrswert, fair market value, Wiederbeschaf-fungswert (Simon u.a. 2003: 1–8). Die Spannungen zwischen der deutschen Grundstücks-wertermittlung und dem International Accounting Standard (IAS), die immer wieder zu Zweifeln an deutschen Immobilienbewertungen führen, beweisen die Spannweite möglicher Ansätze bei der monetären Bewertung des Bodens. Solche monetären Werte sind indes gar nicht gemeint, wenn jemand über den strategischen Wert eines Sperrgrundstücks spricht, dessen Eigentümer die Ansiedlung eines Konkurrenzbetriebes verhindern möchte. Auch die Wertschätzung der eigenen oder einer fremden Heimat stellt keine wirtschaftliche Betrach-tungsweise an. Ebensowenig läßt sich die Artenvielfalt einer Landschaft oder die Stille des Hausgartens ausschließlich als ökonomischer Wert verstehen.

Wie der Boden sind auch Bodenwerte eine mentale Konstruktion, eine Zuschreibung. Gleichwohl müssen Bodenwerte als mentale Konstruktionen weder phantastisch noch will-kürlich, ihre Zuschreibung kann gut begründet und weithin anerkannt sein. Jeder der drei mentalen Konstruktionen des Bodens ( S. 20) entspricht eine eigene Art, den Wert des Bodens zu betrachten und zu bestimmen:

• Der territoriale Bodenwert wird durch Inhalt, Umfang, Dauer und Intensität der Herr-schafts- und Verfügungsrechte über den Boden bestimmt.

• Der ökonomische Bodenwert ist ein Maß für den Gewinn, der durch immobilienwirt-schaftliche Nutzungen des Bodens (als Gewerbebauland, als Wohnbauland) erzielt wer-den kann.

• Der ökologische Bodenwert wird durch die ökologische Güte und die natürliche Funk-tionsfähigkeit des Bodens bestimmt.

Die Bestimmungsgründe der drei Bodenwerte ergeben sich zunächst aus ihren Definitionen. Zu den Bestimmungsgründen jedes der drei Bodenwerte gehören aber auch, so paradox dies klingen mag, die anderen beiden Bodenwerte.

Wie erwähnt, sind Wertschätzungen des Bodens als Territorium, Immobilie, Umwelt manchmal deckungsgleich, manchmal gegensätzlich. Das abgeschiedene Einfamilienhaus am Seeufer hat einen hohen ökonomischen und einen hohen ökologischen Bodenwert: Ein Kaufinteressent wäre bereit, einen relativ hohen Preis für dieses Grundstück zu bezahlen, weil er die außergewöhnliche Umweltgüte, etwa die Stille, genießen möchte. Werden zur

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Erhaltung des ökologischen Bodenwerts aber planungs- und umweltrechtliche Beschränkun-gen und Verbote für die Nutzung des Seeufers verhängt, sinkt der ökonomische Bodenwert. Eine Parzelle mit Bauverbot erzielt selbst dann keinen hohen Baulandpreis, wenn sie an einem Seeufer liegt. Das Planungsrecht beeinflußt den territorialen Bodenwert, um den ökologischen Bodenwert zu schützen — und zwar um den Preis eines verringerten ökonomi-schen Bodenwerts. Manchmal verhält sich die Wechselbeziehung aber ganz anders. Werden im Zuge der Baulandproduktion land- und forstwirtschaftliche Grundstücke zu Bauerwar-tungs- oder Rohbauland (§ 4 WertV), steigt der ökonomische Bodenwert infolge der Verän-derung der (territorialen) Rechte der Grundstückseigentümer. Die Ausführung des planungs-rechtlich zulässigen Vorhabens sollte den ökologischen Bodenwert nicht beeinträchtigen, da Eingriffe in Natur und Landschaft seit 1998 vermieden oder ausgeglichen werden müssen (§ 1a Abs. 3, § 9 Abs. 1a und §§ 135a–135c BauGB). Häufig leidet der ökologische Bo-denwert dennoch unter der Umsetzung des Bebauungsplans. Zwischen den drei Arten des Bodenwerts bestehen somit Wechselbeziehungen. Diese Wechselbeziehungen verlaufen nicht linear, nicht einmal stets in dieselbe Richtung, sie sind aber unvermeidbar.

2. Bestimmungsgründe für den Verkehrswert

Die Wechselbeziehungen zwischen territorialen, ökonomischen und ökologischen Boden-werten erschweren Aussagen über Bodenwerte. In der Praxis spielt der Verkehrswert (§ 194 BauGB) eine große Rolle, er ist der Schlüsselbegriff der Grundstückswertermittlung (Gott-schalk 2003; Kleiber u.a. 2002; Rössler u.a. 2005; Simon u.a. 2003). Ist bei der Umsetzung der Bauleitplanung ein Grundstückswert zu ermitteln, ist der Verkehrswert maßgebend:

»§ 194. Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächli-chen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegen-stands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.«

Der Verkehrswert (Marktwert) eines Grundstücks ist in Geld anzugeben, ist insofern ein öko-nomischer Wert. Zutreffend betont § 194 BauGB wirtschaftliche Aspekte (»Preis«, »im ge-wöhnlichen Geschäftsverkehr«). Allerdings berücksichtigt der Verkehrswert (§ 194 BauGB) die Vielfalt der Bodenwerte, denn manche Definitionselemente enthalten territoriale und ökologische Aspekte (z.B. »nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigen-schaften«). Mitunter treten ökonomische Bestimmungsgründe bei der Verkehrswertermittlung hinter juristische Bestimmungsgründe zurück. So definiert § 4 Abs. 4 WertV das baureife Land als »Flächen, die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften baulich nutzbar sind« und läßt wirtschaftliche Faktoren (z.B. Marktreife, Nachfrage) außer Betracht.

Der Verkehrswert ist das Ergebnis einer Bodenmarktsimulation (»Preis …, der … im ge-wöhnlichen Geschäftsverkehr … zu erzielen wäre«). Rahmenbedingungen für diese Simula-tion werden in der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (WertV) aus dem Jahr 1988 festgesetzt. Solche Grundstücke können unbe-baut oder bebaut sein. Bei bebauten Grundstücke zählen die baulichen Anlagen in der Re-gel zum Grundstück, wobei der Verkehrswert solcher Grundstücke den »Bodenwert« und den »Wert der baulichen Anlagen« enthält (§ 15 Abs. 1 und § 21 Abs. 1 WertV).

Die WertV zählt wichtige Bestimmungsgründe des Verkehrswerts auf, die bei der Grund-stückswertermittlung stets berücksichtigt werden müssen:

• allgemeine Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt (§ 3 Abs. 1 WertV);

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• der Wertermittlungsstichtag (§ 3 Abs. 1 WertV);

• Zustand und Entwicklung von Grund und Boden (§ 4 WertV);

• Art und Maß der zulässigen baulichen Nutzung des Grundstücks (§ 5 Abs. 1 WertV);

• wertbeeinflussende Rechte und Belastungen (§ 5 Abs. 2 WertV);

• beitrags- und abgabenrechtlicher Zustand des Grundstücks (§ 5 Abs. 3 WertV);

• Wartezeit bis zu einer baulichen oder sonstigen Nutzung des Grundstücks (§ 5 Abs. 4 WertV);

• Beschaffenheit und tatsächliche Eigenschaften des Grundstücks, insbesondere auch die tatsächliche Beschaffenheit und Restnutzungsdauer baulicher Anlagen (§ 5 Abs. 5 WertV);

• allgemeine und besondere Lagemerkmale des Grundstücks (§ 5 Abs. 6 WertV);

Für die Grundstückswertermittlung erforderliche allgemeine Daten sind Indexreihen (§ 9 WertV), Umrechnungskoeffizienten (§ 10 WertV), Liegenschaftszinssätze (§ 11 WertV) und Vergleichsfaktoren für bebaute Grundstücke (§ 12 WertV). Auch diese Daten beruhen auf Bestimmungsgründen des Verkehrswerts. So wird etwa der Liegenschaftszinssatz, der die durchschnittliche und marktübliche Verzinsung des in Immobilien investierten Kapitals wi-derspiegelt, auf der Grundlage geeigneter Vergleichskaufpreise ermittelt. Die Liegenschafts-zinssätze zeigen somit Risiko und Ertragserwartungen auf örtlichen Bodenmärkten.

Weitere Bestimmungsgründe des Verkehrswerts hängen vom anzuwendenden Werter-mittlungsverfahren ab. Unbebaute Grundstücke werden zumeist nach dem Vergleichswert-verfahren bewertet (§§ 13 und 14 WertV), ihr Verkehrswert berücksichtigt die Kaufpreise hinreichend übereinstimmender Vergleichsgrundstücke, spiegelt Angebot und Nachfrage auf dem örtlichen Bodenmarkt wider. Renditeobjekte — Bürogebäude, Industriebauten, Hotels, Mietshäuser — werden nach dem Ertragswertverfahren bewertet (§§ 15–20 WertV). Der Ver-kehrswert der Renditeobjekte richtet sich vor allem nach dem nachhaltig erzielbaren jährli-chen Reinertrag des Grundstücks, der Restnutzungsdauer baulicher Anlagen, dem Liegen-schaftszinssatz. Bauliche Anlagen, die nicht in erster Linie als Renditeobjekte anzusehen sind (z.B. Einfamilienhaus), werden nach dem Sachwertverfahren bewertet. Ihr Verkehrswert richtet sich vor allem nach dem Herstellungswert der baulichen Anlagen (§§ 21–25 WertV).

Jedem der drei Wertermittlungsverfahren liegt im Schwerpunkt eine andere Werttheorie zugrunde:

• Das Vergleichswertverfahren entspricht am ehesten der neoklassischen Preistheorie, nach der Preise durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden.

• Das Ertragswertverfahren ist an die Investitionstheorie angelehnt und vermutet, daß der Wert eines Renditeobjekts durch seinen über die Restnutzungsdauer kapitalisierten Jah-resreinertrag bestimmt wird.

• Das Sachwertverfahren entspricht der klassischen Preistheorie, nach der Preise durch den Aufwand bestimmt werden, der zur Herstellung eines Gutes investiert werden muß (unabhängig von Angebot und Nachfrage oder der Nützlichkeit des Gutes).

Grundstückswertermittlung besteht nicht in einer Bodenmarktsimulation, die bloß auf theo-retischen oder normativen Grundlagen beruht. Ebenso wichtig sind die Daten, die der ört-

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lich zuständige Gutachterausschuß für Grundstückswerte (§§ 192 f. BauGB) über die örtli-chen Bodenmärkte erhoben und ausgewertet hat. Besonders wichtig sind hier die Kaufpreis-sammlung (§ 195 BauGB) und die Bodenrichtwerte (§ 196 BauGB). Die Übersendepflicht stellt sicher, daß jede entgeltliche Übertragung von Grundstückseigentum in der Geschäfts-stelle des Gutachterausschusses registriert wird.

III. Die leere Stadt und die Ökonomie des Behaltens

A. Bodenwerte in der leeren Stadt

1. Wohin führt die Bonczek’sche Treppe?

a) Mehr Recht, mehr Wert

Die Bestimmungsgründe für den Verkehrswert (§ 194 BauGB) liefern Anhaltspunkte für die Wirkungsbeziehungen zwischen Raumplanung, Immobilienwirtschaft und Grundstücks-eigentum. Vor diesem Hintergrund werden nun die Bodenwerte in der leeren Stadt erörtert. Unter »Bodenwert« wird hier nicht der rechnerische Wertanteil des Bodens am Ertragswert eines bebauten Grundstücks verstanden (§ 15 WertV). Vielmehr ist mit Bodenwert der Inbe-griff der Wertschätzung des Bodens gemeint, genauer: der Aspekt der Wertschätzung inner-halb der mentalen Konstruktion des Bodens ( S. 20). Das bekannteste Modell einer Wech-selbeziehung zwischen Territorium und Immobilie — genauer: zwischen verbindlicher Bo-dennutzungsplanung und Immobilienwert — ist die Bonczek’sche Treppe ( Abbildung 6).

Land- und Forstwirtschaft Bauerwartungsland Rohbauland

Abbildung 6: Bonczek’sche Treppe: Mehr Recht, mehr Wert

(eigene Darstellung nach Bonczek und Halstenberg 1963: 261)

Die Bonczek’sche Treppe veranschaulicht den Einfluß der Bauleitplanung auf den Boden-wert: Je mehr Rechte einem Grundstückseigentümer zustehen, je größer die rechtlich zuläs-

baureifes Land

€/m²

planungsbedingte Wertsteigerung

(F-Plan, B-Plan)

Bodenwert vor Planung

Bodenwert nach Planung

Land- und Forstwirtschaft Bauerwartungsland Rohbauland

€/m²

planungsbedingte Wertsteigerung

(F-Plan, B-Plan)

Bodenwert vor Planung

Bodenwert nach Planung

baureifes Land

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sige Nutzbarkeit eines Grundstücks ist und je näher ein Grundstück an seine bauliche Nut-zung heranrückt, um so wertvoller ist dieses Grundstück (Bonczek 1978; Bonczek und Hal-stenberg 1963). Während der Bodenwert vor Beginn der Bauleitplanung gering ist, steigern die erhoffte und erst recht die voranschreitende Bauleitplanung den Grundstückswert. Diese Steigerung fällt im Vergleich des Bodenwerts vor der Planung und des Bodenwerts nach der Planung deutlich aus.

Die Logik der Bonczek’schen Treppe findet sich im Aufbau und in der Begrifflichkeit des § 4 WertV wieder. Diese Bestimmung regelt, wie »Zustand und Entwicklung von Grund und Boden« bei der Grundstückswertermittlung berücksichtigt werden müssen. Da-bei stehen weniger immobilienwirtschaftliche Überlegungen oder das Verhalten der Investo-ren im Vordergrund, der Bodenwert wird vielmehr in eine enge Nahebeziehung zur rechtli-chen Nutzbarkeit gestellt. Dabei unterscheidet § 4 WertV vier Kategorien (wobei die erste Kategorie in zwei Untergruppen geteilt wird):

• allgemeine Flächen der Land- und Forstwirtschaft (§ 4 Abs. 1 lit. a WertV) sind entsprechend genutzte oder nutzbare Flächen, »von denen anzunehmen ist, daß sie nach ihren Eigenschaften, der sonstigen Be-schaffenheit und Lage, nach ihren Verwertungsmöglichkeiten oder den sonstigen Umständen in absehbarer Zeit nur land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden«;

• privilegierte Flächen der Land- und Forstwirtschaft (§ 4 Abs. 1 lit. b WertV) sind entsprechend genutzte oder nutzbare Flächen, »die sich, insbesondere durch ihre landschaftliche oder verkehrliche Lage, durch ih-re Funktion oder durch ihre Nähe zu Siedlungsgebieten geprägt, auch für außerlandwirtschaftliche oder außerforstwirtschaftliche Nutzungen eignen, sofern im gewöhnlichen Geschäftsverkehr eine dahingehende Nachfrage besteht und auf absehbare Zeit keine Entwicklung zu einer Bauerwartung bevorsteht«;

• Bauerwartungsland (§ 4 Abs. 2 WertV) sind Flächen, »die nach ihrer Eigenschaft, ihrer sonstigen Beschaf-fenheit und ihrer Lage eine bauliche Nutzung in absehbarer Zeit tatsächlich erwarten lassen. Diese Erwar-tung kann sich insbesondere auf eine entsprechende Darstellung dieser Flächen im Flächennutzungsplan, auf ein entsprechendes Verhalten der Gemeinde oder auf die allgemeine städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets gründen«;

• Rohbauland (§ 4 Abs. 3 WertV) sind Flächen, die nach den §§ 30, 33 und 34 des Baugesetzbuchs für eine bauliche Nutzung bestimmt sind, deren Erschließung aber noch nicht gesichert ist oder die nach La-ge, Form oder Größe für eine bauliche Nutzung unzureichend gestaltet sind«;

• baureifes Land (§ 4 Abs. 4 WertV) sind Flächen, »die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften baulich nutzbar sind«.

Das Modell der Bonczek’schen Treppe genießt in der Bodenpolitik und bei der Grund-stückswertermittlung in Deutschland weite Verbreitung und Anerkennung (Gottschalk 2003: 66; Kleiber u.a. 2002: 608; Rössler u.a. 2005: 50–51; Simon u.a. 2003: 34).

b) Umkehrung der Bonczek’schen Treppe in der leeren Stadt?

Wie sähe eine Bonczek’sche Treppe für die leere Stadt aus? In der leeren Stadt folgen die Bodenwerte nicht dem steigenden Verlauf, den die geläufige Darstellung der Bonczek’schen Treppe zeigt ( Abbildung 6, S. 36). Mitunter werden »erhebliche Wertverluste betroffener Immobilien« behauptet (Reuter 2006b: 51). Abbildung 7 (S. 38) veranschaulicht eine Um-kehrung der Bonczek’schen Treppe. Im Unterschied zur geläufigen Darstellung ( Abbil-dung 6, S. 36) nimmt der Bodenwert entlang der Entwicklungsachse ab. Die Immobilien können nicht durch Nutzungen verwertet werden, die der Eigentümer angestrebt oder er-wartet hat. Doch trifft der in Abbildung 7 dargestellte Sachverhalt tatsächlich zu?

Veränderungen des Bodenwerts entlang der Entwicklungsachse der Bonczek’schen Treppe zeigen unterschiedliche Einflüsse an. Zuerst ging es um den Einfluß des Planungsrechts und

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öffentlich finanzierter Maßnahmen (Bodenordnung, Erschließung) auf die Verkehrswerte der Grundstücke (Bonczek 1978; Bonczek und Halstenberg 1963): Mehr Recht, mehr Wert! Auch der Einfluß anderer Faktoren, etwa des demographischen Wandels oder Leer-stands, kann anhand der Bonczek’schen Treppe sichtbar gemacht werden. Ob sich Bauland im Marktgeschehen bewährt, hängt nicht allein vom planungsrechtlichen Zustand ab. Im-mobilienerträge können nicht durch Bauleitplanung vorgeschrieben werden. Ausschlagge-bend ist der nach der Marktlage erzielte Ertrag. Dieser Ertrag hängt auch von der Leer-standsquote, der Bevölkerungszahl, der Nachfragekraft ab. Wenn der Ertrag sinkt und deut-lich und anhaltend unterhalb des vom Eigentümer angestrebten und erwarteten Ertrags liegt, sinkt auch der Immobilienwert. Dies zeigt — in stark stilisierter Form — Abbildung 7.

vom Eigentümer angestrebte oder erwartete Nutzungen

€/m²

in der leeren Stadt realisierbare Nutzungen

leerstandsbedingter Wertverlust

Bodenwert nach Leerstand

Bodenwert vor Leerstand

vom Eigentümer angestrebte oder erwartete Nutzungen

€/m²

in der leeren Stadt realisierbare Nutzungen

leerstandsbedingter Wertverlust

Bodenwert nach Leerstand

Bodenwert vor Leerstand

Abbildung 7: Die Umkehrung der Bonczek’schen Treppe? (eigene Darstellung)

Was Abbildung 7 auch veranschaulicht, ist eine beträchtliche Wertdifferenz zwischen dem ursprünglichen und dem gesunkenen Bodenwert. Die Vermutung solcher Differenzen wird gerade Analysen und Vorschlägen zur Bodenpolitik in Stadtumbaugebieten zugrundegelegt (AH Brandenburg 2005; Dransfeld 2005: 75 und 78; Reuter 2006a; Reuter 2006b).

Der in Abbildung 7 dargestellte Sachverhalt ist ein wichtiges Element vieler Ansichten über Stadtumbau und die leere Stadt. Besonders eindrucksvoll zeigt dies die Arbeitshilfe zur Bodenwe termittlung in Stadtumbaugebieten, die vom Oberen Gutachterausschuß für Grund-stückswerte im Land Brandenburg bearbeitet wurde (AH Brandenburg 2005). Die Arbeits-hilfe schlägt Verfahrensweisen zur Grundstückswertermittlung vor, die trotz niedriger Kauf-fallfrequenz in Stadtumbaugebieten angewendet werden sollen. Dabei wird — analog zum städtebaulichen Sanierungsrecht — zwischen »Startwert« und »Zielwert« unterschieden (AH Brandenburg 2005: 28) und vermutet, durch Stadtumbaumaßnahmen könnte in nennens-wertem Ausmaß der Bodenwert gesteigert oder zumindest Bodenwertverluste verringert werden (ähnlich: Dransfeld 2005: 75, Abbildung 3). Im Vergleich zur »Herabzonung« seien die Auswirkungen der Stadtumbaumaßnahmen viel deutlicher:

r

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WIRKUNGSBEZIEHUNGEN 39

»Von noch größerer Bedeutung für die Entwicklung des Bodenwertes [als die Herabzonung], innerhalb von Maßnahmen nach dem besonderen Städtebaurecht, sind jedoch die Ordnungs- und Baumaßnahmen, mit de-nen Substanz- und Funktionsschwächen eines Gebietes behoben werden sollen« (AH Brandenburg 2005: 25).

Die Arbeitshilfe legt ein »Modell« vor, bei dem »maßnahmenbedingte Bodenwertverände-rungen … direkt abgelesen werden« und amtlich kundgemachte Bodenrichtwerte korrigiert werden können (AH Brandenburg 2005: 28). Die Sichtweise ist überraschend, handelt es sich doch um einen Vorschlag aus der Praxis der amtlichen Grundstückswertermittlung, nicht um eine bodenökonomische Theorie. Allerdings hat die Arbeitshilfe auch Zustimmung erfahren (z.B. Reuter 2006b: 53).

Die »Errechnung« der Wertunterschiede, die durch Stadtumbau erzielt werden können, ist problematisch. Aus rechtlicher Sicht ist das Fehlen einer gesetzlichen Ermächtigung für die hypothetische Ermittlung fiktiver Start- und Zielwerte zu kritisieren, sobald daraus Rechts-folgen für Grundstückseigentümer abgeleitet werden (Davy 2005b: 69). Worin besteht das Problem? Ein Grundstück hat nur einen Verkehrswert (§ 194 BauGB). Für den Ausgleichs-betrag im Sanierungsrecht ermächtigt der Gesetzgeber ausdrücklich zur Ermittlung unter-schiedlicher Werte: »Anfangswert« und »Endwert« gemäß § 154 BauGB und §§ 26–28 WertV. Eine ähnliche Ermächtigung fehlt beim Stadtumbau. Das soll niemanden davon abhalten, erwartete Bodenwertveränderungen beim Stadtumbau aus wissenschaftlichem oder immobilienwirtschaftlichem Interesse zu kalkulieren. Doch wenn Verkehrswertgutachten oder »Arbeitshilfen« eines Oberen Gutachterausschusses für Grundstückswerte suggerieren, ein Grundstück hätte mehrere Verkehrswerte (nämlich zu unterschiedlichen Zeitpunkten vor und nach Durchführung des Stadtumbaus), kann das Vertrauen in sachgemäße Grundstückswert-ermittlung erschüttert werden. Wenngleich die Arbeitshilfe die fehlende gesetzliche Ermäch-tigung zugesteht (AH Brandenburg 2005: 20), übt sie nicht die gebotene Zurückhaltung.

Doch auch unter dem Blickwinkel der Wertermittlungspraxis sind die hypothetische Er-mittlung fiktiver Start- und Zielwerte (AH Brandenburg 2005: 28) oder der deduktive Preisvergleich (Reuter 2006a und 2006b) problematisch. Der Begriff des Verkehrswerts in § 194 BauGB und der Begriff des Bodenrichtwerts in § 196 BauGB sind gesetzlich nor-mierte Standards. Die Normierung ist für klare und verständliche Kommunikation unent-behrlich. Wer eine Bodenrichtwertkarte interpretiert, muß sich darauf verlassen können, daß die Voraussetzungen des § 196 Abs. 1 BauGB erfüllt sind. Die Karte muß auf Grund der Kaufpreissammlung »durchschnittliche Lagewerte für den Boden« zeigen, keine modellbe-stimmten Rechenergebnisse. Gewiß können modellbestimmte Berechnungen sehr aufschluß-reich sein; sie dürfen aber nicht die Autorität einer amtlichen Auswertung der Kaufpreis-sammlung beanspruchen. § 196 Abs. 1 Satz 5 BauGB erlaubt als einzige Ausnahme, auf An-trag der Planungsbehörden Bodenrichtwerte »auf einen abweichenden Zeitpunkt zu ermit-teln«. Ebenso sind die Verfahren und Methoden normiert, mit deren Hilfe Verkehrswerte zu ermitteln sind (insbesondere WertV S. 34). Mag es in einzelnen Fällen, etwa in kauf-preisarmen Lagen (Reuter 2006a), auch wünschenswert erscheinen für wirklichkeitsnäher gehaltene Werte zu errechnen, müssen dabei die gesetzlich vorgegebenen Verfahren und Methoden eingehalten werden. Dabei ist die Grenze zwischen einer »praktischen Handhabung des Vergleichswertverfahrens« (Reuter 2006b: 56), einer »speziellen Ausformung des in der Wertermittlungsverordnung verankerten Vergleichswertverfahrens« (Reuter 2006a: 103) und unzulässiger Grundstückswertermittlung nicht immer leicht zu ziehen. Allerdings bilden §§ 192 ff. und die WertV die Kommunikationsgrundlage über Verkehrswerte und Boden-richtwerte. Wer von diesen Grundlagen abweicht, verursacht rasch Mißverständnisse.

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Neben rechtlichen und methodischen Bedenken gegen das Arbeitshilfenmodell der Start- und Zielwerte in Stadtumbaugebieten bestehen aber auch bodenpolitische Zweifel. Ist der in Abbildung 7 (S. 38) dargestellte Sachverhalt tatsächlich der Fall? Können in der leeren Stadt ausreichende Unterschiede zwischen den Bodenwerten vor und nach einer planerischen Intervention erwartet werden? Oder handelt es sich bei den häufig beklagten Folgen der »schrumpfenden Gesellschaft« und »schrumpfenden Stadt« um gefühlte Wertverluste, die zwar die Beteiligung an Förderprogrammen erklären (Davy 2005b: 67–68), empirisch aber nicht nachweisbar sind? Diese Fragen werden nun in zwei Schritten untersucht. Im folgenden Abschnitt wird die Hypothese über den Zusammenhang zwischen Bodenwerten und demo-graphischem Wandel geprüft. Sodann werden Kaufpreisentwicklungen auf Bodenmärkten in Sachsen-Anhalt und der Landeshauptstadt Magdeburg seit der Wiedervereinigung darge-stellt, um das mögliche Ausmaß planungs- und maßnahmenbedingter Bodenwertunterschie-de in der leeren Stadt zu ermitteln ( S. 42).

2. Bodenwerte, Bevölkerungsgröße, Bruttoinlandsprodukt

a) Bodenwerte und Bevölkerungsgröße

Ist Leere stets mit Wertverlust, vielleicht auch mit Verzagtheit und Resignation verbunden? Die Diskussion über die »schrumpfende Gesellschaft« und die »schrumpfende Stadt« legt dies nahe. Am Beispiel der ökonomischen Bodenwerte wird nun untersucht, ob Wertverluste des Bodens im Sinne einer Umkehrung der Bonczek’schen Treppe ( Abbildung 7, S. 38) in der leeren Stadt nachgewiesen werden können. Von besonderem Interesse ist dabei, ob die Verzögerung, Dämpfung oder Rückgängigmachung der Wertverluste einen Anhaltspunkt für staatliche und kommunale Steuerungsmöglichkeiten bieten.

Im Lichte einer verbreiteten Meinung über die »schrumpfende Stadt« und die »schrump-fende Gesellschaft« lautet eine Schlüsselfrage zu Bodenwerten in der leeren Stadt: Stimmt die Hypothese, daß die Bodenwerte abnehmen, wenn die Zahl der in einem Land lebenden Menschen abnimmt? Diese Hypothese liegt etwa folgender Einschätzung der Neuregelung und Subventionierung des Stadtumbaus zugrunde:

»Der Gesetzgeber reagierte damit auf die besorgniserregenden Auswirkungen des besonders in Ostdeutschland durchschlagenden demographischen Wandels, der sich in brachfallenden Stadt- und Ortsteilen mit hohen Leer-ständen manifestiert. Damit einher gehen erhebliche Wertverluste betroffener Immobilien« (Reuter 2006b: 51).

Doch gilt für die »schrumpfende Gesellschaft«, daß typischerweise auch der Bodenwert »schrumpft«? Vermutlich sind die Bodenwerte »in brachfallenden Stadt- und Ortsteilen mit hohen Leerständen« niedrig. Doch waren sie jemals höher? Und, so ist zunächst zu fragen, gibt es einen allgemein nachweisbaren Zusammenhang zwischen Bodenwerten und Bevölke-rungszahl? Dieser Frage soll zunächst mittels der vom Statistischen Bundesamt im Statisti-schen Jahrbuch veröffentlichten Zahlen nachgegangen werden.

Hoch aggregierte statistische Daten — häufig ohnedies gerundete Durchschnittswerte — erlauben nur begrenzt gültige Aussagen. Gleichwohl können auch aus solchem Datenmate-rial, die gebotene methodische Umsicht vorausgesetzt, wichtige Schlußfolgerungen gewon-nen werden. Die bundesstatistischen Daten erlauben die Feststellung der großen Trends im Vergleich zwischen dem Bundesgebiet und Landesgebieten. Im folgenden geht es um eine Tendenzaussage über das Verhältnis zwischen Bevölkerungsentwicklung und Bodenwerten in Deutschland und im Land Sachsen-Anhalt.

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Im Jahr 1994 lebten im Bundesgebiet rund 81.539.000 Menschen, 2003 waren es 82.532.000 (StBA 2005: 34). Das entspricht einem Zuwachs von rund 1%. In Sachsen-Anhalt lebten im Jahr 1994 rund 2.769.000 Menschen, im Jahr 2003 waren es nur noch 2.523.000 (StBA 1996: 48; StBA 2005: 35). Das entspricht einem Bevölkerungsverlust von rund 9%.

Stimmte die Hypothese über den Zusammenhang zwischen Bevölkerung und Bodenwert müßten für den angegebenen Zeitraum die Bodenwerte im Bundesgebiet gleichgeblieben oder etwas gestiegen sein, während für Bodenwerte im Land Sachsen-Anhalt ein Rückgang zu er-warten wäre.

Dies trifft allerdings nicht zu.

Sachsen-Anhalt Deutschland (gesamt)

Jahr Kauffälle Fläche ∅ Kaufwert Kauffälle Fläche ∅ Kaufwert Anzahl 1.000 m² €/m² Index Anzahl 1.000 m² €/m² Index

1994 6.300 11.200 26 100 101.500 119.600 56 100

2003 3.300 3.400 45 173 85.700 68.200 100 179

Tabelle 5: Durchschnittliche Kaufwerte für baureifes Land (1994 und 2003 für Sachsen-Anhalt und Deutschland; alle Werte gerundet; DM in € nominell umgerechnet)

Quelle: StBA 1996: 614; StBA 2005: 505–506; eigene Berechnung

Im Jahr 1994 betrug der durchschnittliche Kaufpreis für baureifes Land in Sachsen-Anhalt 50,76 DM/m² (≈ 26 €/m² nominell), im Jahr 2003 rund 45 €/m² (StBA 1996: 614; StBA 2005: 506). Nominell betrug die Preissteigerung für baureifes Land in Sachsen-Anhalt zwi-schen 1994 und 2003 somit rund 19 €/m² oder 42% (Basisjahr 2003). Im Vergleich dazu die entsprechenden Daten für das deutsche Bundesgebiet: Im Jahr 1994 betrug der durch-schnittliche Kaufpreis für baureifes Land im Durchschnitt der alten und neuen Länder 108,86 DM/m² (≈ 56 €/m² nominell), im Jahr 2003 rund 100 €/m². Nominell betrug die Preissteigerung für baureifes Land im gesamten Bundesgebiet zwischen 1994 und 2003 rund 44 €/m² oder 44% (Basisjahr 2003). Dieser Preissteigerung steht folgende Veränderung des Verbraucherpreisindex gegenüber (Basisjahr 2000): Im Jahr 1994 betrug der Verbrau-cherpreisindex 92,3 und im Jahr 2003 104,5 (StBA 2005: 512). Das entspricht für den Zeitraum zwischen 1994 und 2003 einer Steigerung der Verbraucherpreise um rund 13%. Die durchschnittlichen Kaufpreise für baureifes Land sind somit sowohl im Bundesgebiet als auch im Land Sachsen-Anhalt zwischen 1994 und 2003 deutlich stärker gestiegen als die Verbraucherpreise (reale oder effektive Wertsteigerung).

Die Tendenzaussage, daß sinkende Bevölkerungszahlen zu sinkenden Bodenwerten führen, läßt sich am Vergleich der Kaufwerte für baureifes Land in den Jahren 1994 und 2003 im Land Sachsen-Anhalt nicht erhärten. Im Gegenteil, die bundesstatistischen Daten legen nahe, daß sich das Preisniveau im Land Sachsen-Anhalt in dieselbe Richtung entwickelt hat wie im gesamten Bundesgebiet; eine Entwicklung, die von der gegenläufigen Bevölkerungsentwick-lung offenbar unbeeindruckt geblieben ist. Diese Tendenz ist, wie die Indexwerte für 2003 in Tabelle 5 zeigen, deutlich ausgeprägt. Sowohl für Sachsen-Anhalt als auch für das Bundes-gebiet kann zwischen 1994 und 2003 eine Steigerung der durchschnittlichen Kaufwerte für baureifes Land um nominell über 40% festgestellt werden.

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b) Bodenwerte und Bruttoinlandsprodukt

Gibt es andere Größen, mit denen die Entwicklung der Kaufwerte für baureifes Land besser korreliert? Im vorliegenden Zusammenhang kann diese Frage, die eine Kernfrage der Immobilienökonomie bildet, nicht eingehend behandelt werden. Allerdings kann am Bei-spiel der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland und in Sachsen-Anhalt gezeigt werden, daß die mittelfristige Entwicklung des Bodenwerts womöglich durch die nationale und regionale Wirtschaftskraft besser als durch die Bevölkerungszahl erklärt wird. Das Bruttoinlandsprodukt betrug in Deutschland im Jahr 1994 rund 3.320 Milliarden DM (≈ 1.697 Milliarden € nominell), der auf das Land Sachsen-Anhalt entfallende Anteil am Bruttoinlandsprodukt betrug rund 60 Milliarden DM (≈ 31 Milliarden € nominell) (StBA 1996: 670). Im Jahr 2003 betrug das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland rund 2.128 Milliarden €, für Sachsen-Anhalt waren es rund 45 Milliarden € (StBA 2005: 643). Zwi-schen 1994 und 2003 ist somit das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um rund 20%, im Land Sachsen-Anhalt um rund 31% gestiegen (Basisjahr 2003).

Bei mittelfristiger Betrachtung scheint die Hypothese, das Bodenpreisniveau entwickle sich tendenziell in dieselbe Richtung wie das Bruttoinlandsprodukt, eher plausibel als die Hypo-these über das Verhältnis von Bevölkerungszahl und Bodenwert. Diese Plausibilität wird auch durch die Überlegung gestützt, daß für den Bodenwert weniger die Zahl der Bevölkerung als die Höhe der wirtschaftlichen Wertschöpfung bedeutsam ist. Gewiß kann die Bevölkerungs-zahl ein Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Nachfragekraft sein, weniger Menschen sind aber kein verläßlicher Indikator für geringere Nachfrage. Mit anderen Worten: Geben immer weniger Menschen immer mehr Geld für Immobilien aus, ist ein Wertverlust der Immobilien keineswegs zwingend. Der Wertverlust könnte jedenfalls nicht mit der gesunkenen Zahl finanzkräftiger Nachfrager begründet werden.

Angemerkt sei auch noch, daß im Jahr 2003 sowohl im Bundesgebiet als auch im Land Sachsen-Anhalt weniger Kauffälle stattfanden und ein kleinerer Flächenumsatz erzielt wur-de als im Jahr 1994 ( Tabelle 5, S. 41). Ob dies auf eine Verknappung des Grundstücks-angebots oder gesunkene Kauflust zurückzuführen ist, kann dem Datenmaterial nicht ent-nommen werden. Eine Verknappung des Grundstücksangebots würde die Steigerung der Kaufwerte für baureifes Land tendenziell erklären, eine gesunkene Kauflust nicht.

3. Bodenmärkte in Großstädten und Großstadtrandlagen in Sachsen-Anhalt

Die Investitionsbereitschaft der Immobilienwirtschaft und die Steuerungsfähigkeit der kommunalen Bauleitplanung hängen gleichermaßen davon ab, daß durch Investitionen, Bau-leitplanung, Bodenordnung und andere Maßnahmen deutliche Wertsteigerungen erzielt werden können. Die Bonczek’sche Treppe ist das bekannteste Modell, um den Immobilien-wert als Folge raumplanerischer und immobilienwirtschaftlicher Entscheidungen darzustellen ( Abbildung 6, S. 36). Doch nicht nur der Wertzuwachs, auch der Wertverlust kann In-vestitionen anregen und Interventionen begünstigen. Führt nämlich ein bereits eingetretener oder erwarteter Wertverlust zur Umkehrung der Bonczek’schen Treppe ( Abbildung 7, S. 38), kann die Rückgängigmachung oder Verhinderung des Verlustes — der Differenzaus-gleich — ein ebenso starkes Handlungsmotiv bieten wie ein Wertzuwachs (Dransfeld 2005: 75; Reuter 2006b: 53). Aus diesem Grund wird in einem nächsten Schritt der empirische Befund der Bodenwertentwicklung im Land Sachsen-Anhalt und der Landeshauptstadt Magdeburg erhoben.

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a) Grundstücksmarktberichte Sachsen-Anhalt

Die Auswertung der vom Statistischen Bundesamt im Statistischen Jahrbuch veröffent-lichten Zahlen erlaubte Tendenzaussagen über Bevölkerungs- und Bodenpreisentwicklungen im Vergleich zwischen dem Bundesgebiet und dem Land Sachsen-Anhalt ( S. 40). Dem-gegenüber verschaffen die Grundstücksmarktberichte für Sachsen-Anhalt (GMB) einen Überblick über die Bodenpreisentwicklung seit der Wiedervereinigung. Vielleicht war der Obere Gutachterausschuß für Grundstückswerte im Land Sachsen-Anhalt zu optimistisch, als er im ersten Grundstücksmarktbericht vermeldete: »Im Laufe des Jahres 1991 hat sich der Immobilienmarkt des Landes Sachsen-Anhalt entwickelt« (GMB 1991: 10). Vielmehr konnte erst nach einigen Jahren von einer Entwicklung der Bodenmärkte und einer befriedigenden Dokumentation gesprochen werden (etwa ab 1996). Mit dieser Einschränkung können frei-lich auch die ersten Bände der Grundstücksmarktberichte herangezogen werden.

In Sachsen-Anhalt werden Grundstücksmarktberichte seit 1991 veröffentlicht. Herausge-geben werden die Berichte vom Oberen Gutachterausschuß für Grundstückswerte im Land Sachsen-Anhalt. Die Grundstücksmarktberichte geben einen »Überblick über Immobilien-verkäufe in Sachsen-Anhalt« und sind das »Ergebnis der Auswertung sämtlicher Grund-stückskaufverträge durch die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte« im Berichtsjahr (GMB 2006 II: 4). Grundstücksmarktberichte sind keine immobilienwirtschaftliche Markt-einschätzung durch Makler, Investoren, Entwicklungsgesellschaften. Solche immobilienwirt-schaftlichen Markteinschätzungen wurden etwa von der TLG Treuhand Liegenschaftsgesell-schaft mbH veröffentlicht, die »den Grundstücksmarkt in Sachsen-Anhalt aus der Sicht eines der größten Anbieter am Markt« darstellt (TLG 1995: 6). Das Verwertungsinteresse mag erklären, weshalb die TLG-Immobilienwerte deutlich über den Werten der Grundstücks-marktberichte liegen. Demgegenüber beruhen die von den Gutachterausschüssen und dem Oberen Gutachterausschuß für Grundstückswerte im Land Sachsen-Anhalt herausgegebenen Grundstücksmarktberichte auf den amtlichen Kaufpreissammlungen (§ 195 BauGB). Die im Berichtsjahr registrierten Kauffälle bilden das Ausgangsmaterial für die statistische Auswer-tung zur Dokumentation der Bodenmarktentwicklung. Grundstücksmarktberichte genießen den Vorteil hoher Datenverfügbarkeit. Einschränkend ist freilich anzumerken, daß in Grund-stücksmarktberichten selten weiterreichende Interpretationen der erhobenen Daten enthalten sind. Dies kann als Verzicht auf theoretische Spekulation, dies kann aber auch als Mangel aussagekräftiger Erklärungen angesehen werden. Für die Feststellung allgemeiner Tendenzen auf den Bodenmärkten in Sachsen-Anhalt bieten die seit 1991 veröffentlichten Grundstücks-marktberichte des Oberen Gutachterausschusses die beste Grundlage.

Der Obere Gutachterausschuß nimmt selten zu den vom ihm herausgegebenen Zahlen Stellung. Ob und welchen Einfluß beim Entstehen der Bodenmärkte in Sachsen-Anhalt die Einführung westdeutschen Privateigentums, die Sachenrechtsbereinigung, Grundstücksver-käufe der Treuhand, Spekulationsgeschäfte oder Marktverzerrungen durch öffentliche För-derungen genommen haben, ist aus den Grundstücksmarktberichten nicht ersichtlich. Nur ausnahmsweise werden konkrete Vermutungen über die Ursachen und Wirkungen der Im-mobilienverkäufe in Sachsen-Anhalt erkennbar. So fiel dem Oberen Gutachterausschuß auf, daß im Bereich des Katasteramts Haldensleben im Jahr 1991

»mehr als doppelt so viel Fläche umgesetzt wurde als im Landesdurchschnitt. Ein großer Teil entfällt dabei auf Gewerbeflächen. Die durch die Autobahn A2 bedingte verkehrsgünstige Lage im Grenzbereich zu Nieder-sachsen wird offenbar dafür bevorzugt« (GMB 1991: 10).

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Ein anderes Beispiel betrifft die Ansiedlung neuer Gewerbeunternehmen. Der Obere Gut-achterausschuß stellt hier eine geringere Attraktivität der Altstandorte gegenüber Neuent-wicklungen fest:

»Verschiedene Gewerbezweige reflektieren nicht ausschließlich auf Standorte mit Zentrums- oder Nahversor-gungsfunktion und damit auf in der Regel alterschlossene Bauflächen, sondern weichen offensichtlich zuneh-mend auf Flächen auf der ›grünen Wiese‹ und damit auf neu entwickelte und neuerschlossene Gewerbeflä-chen aus. In diesem sogenannten dezentralen Einzelhandelsbereich werden heute großflächige Einkaufszen-tren, Möbel-, Elektro- und Baumärkte sowie Großkinos mit entsprechenden Freizeit- und Gastronomiekomple-xen realisiert. Die hierfür entwickelten Baugrundstücke haben naturgemäß ein deutlich höheres Kaufpreisni-veau als Flächen für ausschließlich produzierende Betriebe« (GMB 1997: 48).

Eine wichtige Rolle mißt der Obere Gutachterausschuß den Erschließungskosten zu. Stets falle die Nachfrage nach erschließungsbeitragspflichtigen Grundstücken relativ gering aus. Bei erschließungsbeitragsfreien Grundstücken müsse zwischen alterschlossenen und neuer-schlossenen Grundstücken unterschieden werden, wären doch deutliche Preisdifferenzen zwischen alterschlossenen und neuerschlossenen Grundstücken zu erkennen. Die Preisdiffe-renzen hätten unterschiedliche Ursachen, wie am Beispiel gewerblicher Baugrundstücke ausgeführt wird:

»Die Erschließungskosten für neuerschlossene gewerbliche Baugrundstücke liegen im Landesdurchschnitt bei ca. 38 DM/m², für alterschlossene Grundstücke bei ca. 27 DM/m². Dabei fallen in den Großstädten wesent-lich höhere Erschließungskosten an als in den anderen Regionen des Landes. Das mag zum einen an der Qualität der Erschließungsanlagen liegen, zum anderen tragen vermutlich Städte und Gemeinden besonders in ländlichen Regionen einen Großteil der Erschließungskosten selbst, um Gewerbeflächen entsprechend günstig anbieten zu können« (GMB 1996: 40).

Mehrfach stellt der Obere Gutachterausschuß die geringe Zahl an Kauffällen fest, insbeson-dere im Segment der Mehrfamilienhäuser; dies lasse nur bedingt Aussagen über die Preis-entwicklung auf den Bodenmärkten zu.

b) Baulandpreise in Großstädten und Großstadtrandlagen

Tabelle 6 (S. 45) dokumentiert die Zahlen, die zwischen 1991 und 2005 in den Grund-stücksmarktberichten als Kaufwerte (€/m²) für baureifes Land (»unbebaute Baugrundstük-ke«) in Großstadtrandlagen und in Großstädten (Dessau, Halle, Magdeburg) in Sachsen-Anhalt veröffentlicht wurden. Berücksichtigt werden der individuelle Wohnungsbau und Gewerbe. Die Kategorie des individuellen Wohnungsbaus umfaßt unbebautes baureifes Land für den Ein- oder Zweifamilienhausbau. Die Kategorie Gewerbe umfaßt unbebautes baureifes Land für gewerbliche und industrielle Nutzungen. Tabelle 6 unterscheidet nicht zwischen produzierendem Gewerbe und Dienstleistungsgewerbe, wiewohl erhebliche Preis-unterschiede zwischen Grundstücken für ein innerstädtisches Kaufhaus oder einer peripher gelegenen Lagerhalle bestehen. Allerdings lassen die in den Grundstücksmarktberichten veröffentlichten Zahlen eine differenzierte Betrachtung nicht zu.

In den Grundstücksmarktberichten für das Land Sachsen-Anhalt werden von 1991 bis 1993 eigene Werte für die Landeshauptstadt Magdeburg ausgewiesen (GMB 1991: 106; GMB 1992: 23, 25; GMB 1993: 29, 32). Ab dem Grundstücksmarktbericht 1994 weist der Obere Gutachterausschuß für Grundstückswerte im Land Sachsen-Anhalt nur mehr Werte für die Regionstypen »Großstädte« und »Großstadtrandlagen« aus. Als »Großstadt« wird das »Stadtgebiet eines Oberzentrums (Dessau / Halle / Magdeburg)« und als »Großstadtrandla-gen« jedes städtische Gebiet definiert, »das durch eine Großstadt geprägt ist, aber eine ge-wisse Eigenständigkeit aufweist« (GMB 1994: 25). Welcher Kategorie der Magdeburger

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Südosten (Stadtteile Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen) zugeordnet wird, ist den Grundstücksmarktberichten nicht zu entnehmen. Ab dem Jahr 1996 unterscheidet der Grund-stücksmarktbericht die drei Baulandkategorien »erschließungsbeitragspflichtig«, »erschlie-ßungsbeitragsfrei (alterschlossen)« und »erschließungsbeitragsfrei (neuerschlossen)« (GMB 1996: 35 und 38–39). Diese Kategorienbildung liegt Tabelle 6 zugrunde.

individueller Wohnungsbau (€/m²) Gewerbe (€/m²)

erschließungs-beitragspflichtig

erschließungs-beitragsfrei (alt)

erschließungs-beitragsfrei (neu)

erschließungs-beitragspflichtig

erschließungs-beitragsfrei (alt)

erschließungs-beitragsfrei (neu)

Jahr Rand Stadt Rand Stadt Rand Stadt Rand Stadt Rand Stadt Rand Stadt

1991 — — — 61 — — — — — 26 — —

1992 — — — 47 — — — — — 61 — —

1993 — 35 — 90 — — — — — 72 — —

1994 19 46 69 86 — — 12 19 61 85 — —

1995 19 43 61 105 — — 8 33 38 64 — —

1996 23 38 43 103 77 116 12 18 18 75 40 69

1997 27 42 33 95 73 85 6 21 17 80 42 94

1998 20 69 39 93 72 99 6 43 24 61 29 39

1999 30 — 32 92 70 111 7 — 18 47 24 32

2000 31 58 41 90 67 104 7 31 7 46 24 43

2001 35 54 44 90 66 105 8 — 7 46 26 39

2002 33 61 42 84 61 88 5 15 19 55 20 —

2003 26 43 36 87 60 87 5 6 13 61 23 29

2004 22 19 37 83 58 87 8 10 36 38 17 —

2005 13 29 37 76 56 86 4 14 12 35 20 24

Tabelle 6: Kaufwerte für baureifes Land (individueller Wohnungsbau, Gewerbebauland) in Großstadtrandlagen und in Großstädten (Dessau, Halle, Magdeburg) in Sachsen-Anhalt, 1991–2005

Alle Angaben von DM/m² in €/m² nominell umgerechnet und gerundet. individueller Wohnungsbau = Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke; Gewerbe = Grundstücke für gewerbliche oder industrielle Nutzung;

Rand = »Großstadtrandlage«; Stadt = »Großstädte« (Dessau, Halle, Magdeburg) Quelle: GMB 1991: 106; GMB 1992: 23, 25; GMB 1993: 29, 32; GMB 1994: 27, 28; GMB 1995: 30, 32;

GMB 1996: 35, 38–39; GMB 1997: 39–41, 46–48; GMB 1998: 39–40, 46–48; GMB 1999: 38–39, 42–46; GMB 2000: 33–35, 38–42; GMB 2001: 33–35, 38–42; GMB 2002: 35–37, 40–45; GMB 2004: 38–40, 43–48;

GMB 2005: 28–32; GMB 2006 II: 30–34 und eigene Berechnung.

Tabelle 6 kann auf unterschiedliche Weise interpretiert werden. Die Zahlenreihen in man-chen Spalten können im Sinne eines Wertverlusts gelesen werden, als eine Umkehrung der Bonczek’schen Treppe ( Abbildung 7, S. 38). Beispielsweise fällt der Wert erschließungs-beitragspflichtigen Wohnbaulandes in Großstadtrandlage zwischen 1996 und 2005 von 23 auf 13 €/m² (minus 77%, Basisjahr 2005). Ebenso fällt der Wert erschließungsbeitrags-pflichtigen Gewerbebaulandes in Großstadtrandlage zwischen 1996 und 2005 von 12 auf 4 €/m² (minus 200%, Basisjahr 2005). In beiden Kategorien bestätigt sich die Einschätzung des Oberen Gutachterausschusses, daß in den Großstädten Sachsen-Anhalts erschließungsbei-

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WIRKUNGSBEZIEHUNGEN 46

tragspflichtiges Bauland nicht begehrt ist. In den wichtigsten Bodenmarktsegmenten der er-schließungsbeitragsfreien, alterschlossenen Grundstücke in Großstadtlage (Wohnen, Gewerbe) sind zwar über die Jahre Schwankungen, aber keine markanten Wertverluste festzustellen. Im Gegenteil, in diesen Bodenmarktsegmenten ist zwischen 1991 und 2005 eine Wertstei-gerung zu verzeichnen. Ihrer Tendenz nach entspricht die Wertsteigerung dem höher aggre-gierten Befund beim Bodenmarktvergleich zwischen Bundes- und Landesebene ( Tabelle 5, S. 41). Allerdings fällt die Wertsteigerung auf den Bodenmärkten der Großstädte Sachsen-Anhalts gedämpfter aus als im Landesdurchschnitt. Nach den Grundstücksmarktberichten Sachsen-Anhalt betrug der durchschnittliche Kaufpreis für Ein- und Zweifamilienhaus-grundstücke, die bereits erschlossen und erschließungsbeitragsfrei sind, im Jahr 1991 rund 61 €/m² und im Jahr 2005 rund 76 €/m² (plus 20%, Basisjahr 2005). Für alterschlossene erschließungsbeitragsfreie Gewerbegrundstücke betrug der durchschnittliche Kaufpreis im Jahr 1991 rund 26 €/m² und im Jahr 2005 rund 35 €/m² (plus 26%, Basisjahr 2005).

0

20

40

60

80

100

120

1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005

a/m²

Wohnen

Gewerbe

Linear (Gewerbe)

Linear (Wohnen)

Abbildung 8: Kaufwerte für baureifes Land (individueller Wohnungsbau, Gewerbebauland) in Großstädten (Dessau, Halle, Magdeburg) in Sachsen-Anhalt, 1991–2005

Quelle: Quelle: GMB 1991: 106; GMB 1992: 23, 25; GMB 1993: 29, 32; GMB 1994: 27, 28; GMB 1995: 30, 32; GMB 1996: 35, 38–39; GMB 1997: 39–41, 46–48; GMB 1998: 39–40, 46–48; GMB 1999: 38–39, 42–46;

GMB 2000: 33–35, 38–42; GMB 2001: 33–35, 38–42; GMB 2002: 35–37, 40–45; GMB 2004: 38–40, 43–48; GMB 2005: 28–32; GMB 2006 II: 30–34 und eigene Berechnung.

Abbildung 8 zeigt ausgewählte Werte aus Tabelle 6 (S. 45) als Graphik: Kaufwerte für den individuellen Wohnungsbau und für Gewerbebauland (jeweils erschließungsbeitragsfrei, alterschlossen) in Großstadtlagen. Die Trendlinie in Abbildung 8 zeigt langfristig einen leich-ten Anstieg beim Wohnbauland und einen leichten Rückgang beim Gewerbebauland.

c) Bodenmarkttendenzen in Großstädten und Großstadtrandlagen

Die Bodenmärkte für individuellen Wohnungsbau und für Gewerbe in den Großstädten Sachsen-Anhalts weisen auf niedrigem Niveau ein hohes Maß an Stabilität auf. Dies wird auch deutlich, wenn die Daten für die Regionstypen Großstädte und Großstadtrandbereich als Durchschnittswerte zusammengefaßt werden ( Tabelle 7, S. 47).

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WIRKUNGSBEZIEHUNGEN 47

individueller Wohnungsbau €/m² Gewerbe €/m²

Jahr erschließungs-

beitragspflichtig erschließungs-

beitragsfrei (alt) erschließungs-

beitragsfrei (neu) erschließungs-

beitragspflichtig erschließungs-

beitragsfrei (alt) erschließungs-

beitragsfrei (neu)

1991 — 61 — — 26 —

1992 — 47 — — 61 —

1993 35 90 — — 72 —

1994 — 78 — — 73 —

1995 — 83 — — 51 —

1996 31 73 97 15 47 55

1997 35 64 79 14 49 68

1998 45 66 86 25 43 34

1999 30 62 91 7 33 28

2000 45 66 86 19 27 34

2001 45 67 86 8 27 33

2002 47 63 75 10 37 20

2003 35 62 74 6 37 26

2004 21 60 73 9 37 17

2005 21 57 71 9 24 22

Tabelle 7: Durchschnitte zwischen den Kaufwerten für baureifes Land (individueller Wohnungsbau, Gewerbe-bauland) in Großstadtrandlagen und Großstädten (Dessau, Halle, Magdeburg) in Sachsen-Anhalt, 1991–2005

Alle Angaben von DM/m² in €/m² nominell umgerechnet und gerundet. individueller Wohnungsbau = Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke; Gewerbe = Grundstücke für gewerbliche oder industrielle Nutzung;

Quelle: wie Tabelle 6, S. 45

Eine Bodenmarktentwicklung, die einer Umkehrung der Bonczek’schen Treppe ( Abbil-dung 7, S. 38) entspräche, läßt sich für die Großstädte im Land Sachsen-Anhalt nicht nach-weisen. Wo Wertverluste aufgetreten sind oder befürchtet werden, sind die Wertdifferenzen gering. Die Beurteilung der Wertdifferenzen als »gering« bezieht sich nicht auf die Verände-rung innerhalb einzelner Kategorien, sie betrifft die absoluten Werte. Mit Bodenwertdiffe-renzen von 10 oder 20 €/m² können kaum ambitionierte Maßnahmen des Stadtumbaus finanziert werden. Gewiß mag es Einzelfälle geben, in denen größere Wertdifferenzen für einzelne Immobilien nachgewiesen und genutzt werden können, die Folgen der »Schrump-fung« zu verhindern oder abzumildern. Im allgemeinen gilt dies jedoch nicht.

Bei der Interpretation der Werte sind Schwankungen des Flächenumsatzes und der An-zahl der Kauffälle zu berücksichtigen, die in Tabelle 6 (S. 45) und Tabelle 7 (S. 47) nicht ersichtlich sind.

Im Grundstücksmarktbericht 1996 faßt der Obere Gutachterausschuß seine Einschät-zung der Bodenmärkte im Land Sachsen-Anhalt zusammen:

»Insgesamt bietet der Grundstücksmarkt in Sachsen-Anhalt attraktive Bedingungen für den Kauf von Grund-stücken, Häusern und Wohnungen. Landesweit haben sich die Preise bereits in den letzten Jahren weitgehend stabilisiert. Nach drastisch gestiegenen Immobilienpreisen in den 90er Jahren hat sich der Markt auf ein nachhaltiges Niveau konsolidiert« (GMB 2006 II: 6).

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WIRKUNGSBEZIEHUNGEN 48

Das charakteristische Merkmal der Bodenmärkte in Sachsen-Anhalt ist nicht ein substantiel-ler Wertverlust, der auf die »schrumpfende Stadt« und die »schrumpfende Gesellschaft« zurückgeführt werden könnte. Auch zeigen die einschlägigen Datenreihen für Großstädte keine Spielräume, um die Bodennutzung durch das Ausnützen nennenswerter Wertdifferen-zen zu steuern. Weder die kommunale Bauleitplanung noch private Immobilieninvestitionen können ihr Verhalten auf erwartbare Wertdifferenzen stützen. Das charakteristische Merk-mal der Bodenmärkte in Sachsen-Anhalt ist in allen Marktsegmenten ein langfristig niedri-ges Preisniveau. Als Beispiel für die langfristige Entwicklung des Bodenmarkts zeigt Abbil-dung 9 eine Graphik aus dem Grundstücksmarktbericht Sachsen-Anhalt 2006.

Abbildung 9: Individueller Wohnungsbau in Sachsen-Anhalt: Erwerbsvorgänge und Kaufpreise

© 2006 Der Obere Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Land Sachsen-Anhalt Anzahl der Erwerbsvorgänge und durchschnittlicher Kaufpreis in €/m² für unbebaute Baugrundstücke für den

Ein- und Zweifamilienhausbau 1996–2005 (erschließungsbeitragspflichtig; erschließungsbeitragsfrei und alterschlossen; erschließungsbeitragsfrei und neuerschlossen); Quelle: GMB 2006 II: 32

Der Befund zeigt für Sachsen-Anhalt ein allgemein niedriges Preisniveau des Bodenmarktes für unbebaute Grundstücke des individuellen Wohnungsbaus, das trotz gewisser Schwan-kungen weitgehend stabil ist. Bedenkt man, daß im Ruhrgebiet in guten Lagen für baureife Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke durchschnittlich rund 350 €/m² gezahlt werden (GMB/NRW 2006: 31–32), wird deutlich, wie niedrig der vergleichbare Wert für Groß-städte in Sachsen-Anhalt ist — nämlich: 86 €/m². Die wesentliche Tendenz gilt — mit gewis-sen Einschränkungen — auch für Gewerbebauland (GMB 2006 II: 35), bebaute Bau-grundstücke (GMB 2006 II: 40, 43), Eigentumswohnungen (GMB 2006 II: 47). Markante Wertverluste trafen in der längerfristigen Betrachtung den Mehrfamilienhausbau (GMB 2006 II: 45) sowie den Weiterverkauf von Eigentumswohnungen, der »in der Regel unter dem Wertniveau von Erstverkäufen« liegt (GMB 2006 II: 47).

d) Bodenmarktdaten für die Landeshauptstadt Magdeburg

Der Eindruck stabiler Bodenmärkte auf niedrigem Niveau wird durch die lokalen Bo-denmarktdaten für Magdeburg bestätigt. Die im aktuellen Grundstücksmarktbericht für den Regionalbereich Harz-Börde ausgewiesenen Kaufwerte für Grundstücke für individuellen Wohnungsbau und Gewerbe sind in Tabelle 8 (S. 49) verzeichnet.

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WIRKUNGSBEZIEHUNGEN 49

individueller Wohnungsbau (€/m²) Gewerbe (€/m²)

erschließungs-beitragspflichtig

erschließungs-beitragsfrei (alt)

erschließungs-beitragsfrei (neu)

erschließungs-beitragspflichtig

erschließungs-beitragsfrei (alt)

erschließungs-beitragsfrei (neu)

Jahr Rand Stadt Rand Stadt Rand Stadt Rand Stadt Rand Stadt Rand Stadt

2005 13 23 25 71 46 80 3 14 10 37 22 22

Tabelle 8: Kaufwerte für baureifes Land (individueller Wohnungsbau, Gewerbebauland) in der Landeshauptstadt Magdeburg, 2005

individueller Wohnungsbau = Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke; Gewerbe = Grundstücke für gewerbliche oder industrielle Nutzung;

Rand = Stadtrandlage Magdeburg; Stadt = Landeshauptstadt Magdeburg Quelle: GMB 2006 I: 27–28, 30–31

Die Abweichungen zu den Werten für alle Großstädte in Sachsen-Anhalt — darin sind auch die Preisentwicklungen in Dessau und Halle enthalten — sind geringfügig. Insgesamt werden im Regionalbereich Harz-Börde auf dem Teilmarkt für unbebaute Baugrundstücke zwischen 1996 und 2005 weniger Kauffälle registriert, das Preisniveau hat sich nur geringfügig geän-dert (GMB 2006 I: 28–29).

B. Transaktionswirtschaft versus Possessivwirtschaft

Geht man wie David Ricardo davon aus, daß die Bodenrente bei wachsender Bevölke-rung steigt (Ricardo 1817: 66), erwartet man, daß eine sinkende Bevölkerungszahl zu sin-kenden Bodenpreisen führt. Geht man wie Ludwig von Mises davon aus, daß der Boden-wert durch die Kapitalisierung des Jahresreinertrages einer Immobilie bestimmt wird (von Mises 1940: 583), erwartet man, daß sinkende Erträge zu sinkenden Grundstückswerten führen. Während im Südosten der Landeshauptstadt Magdeburgs immer weniger Menschen leben und sich die immobilienwirtschaftliche Ertragslage verschlechtert hat, weisen die Grundstücksmarktberichte stabile, wenngleich niedrige Bodenwerte aus ( S. 42–49). Wie kommt es, daß sich die Umstände, die in der Volkswirtschaftslehre für typische Bestim-mungsgründe der (ökonomischen) Bodenwerte gehalten werden, nicht direkt auf den Boden-märkten der leeren Stadt abbilden?

Das »Gedankenbild der gleichmässigen Wirtschaft«, von dem Ludwig von Mises spricht (von Mises 1940: 583), ist das Modell einer wachsenden Transaktionswirtschaft. Der Öko-nomie des Kaufens und Verkaufens entspricht ein reger Bodenmarkt. Unter Wachstumsbe-dingungen werden städtische Bodenmärkte und städtebauliche Entwicklungen durch die Ertragserwartungen der Wirtschaftssubjekte und die Interventionen der Bauleitplanung bestimmt. Je nachdem, welche Bodennutzungen wirtschaftlich besonders ertragreich sind und planerisch zugelassen werden, erklären sich Verkehrswerte aus der spezifischen Verbin-dung ökonomischer Rentabilität und planerischer Legalität. Unter Wachstumsbedingungen können die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte die Preisentwicklungen auf den Bo-denmärkten gut nachvollziehen. Eine hohe Anzahl an Kauffällen sorgt für einen stetigen Datenfluß, die Kaufpreissammlungen und Bodenrichtwertkarten halten die Dynamik einer Ökonomie des Kaufens und Verkaufens (Transaktionswirtschaft) fest. Unter Wachstumsbe-dingungen werden Bodenmärkte und städtebauliche Entwicklungen durch die nachfrage-stärksten Nutzungen bestimmt. Als die nachfragestärksten Nutzungen gelten Nutzungen, die den Boden am ertragreichsten nutzen können und den »Eintrittspreis« für diese Boden-nutzung bezahlen können und wollen (»Der Boden geht zum besten Wirt!«). Stadtentwick-

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WIRKUNGSBEZIEHUNGEN 50

lung durch die nachfragestärksten Nutzergruppen kann durch die Bauleitplanung in gewis-sem Umfang gesteuert und ergänzt werden: Der Flächennutzungsplan oder die Bebauungs-pläne verbieten oder begünstigen bestimmte Bodennutzungen. Die Anwendung städtebau-rechtlicher Umsetzungsinstrumente (z.B. Bodenordnung — §§ 45 ff BauGB) gewährleistet die Verwirklichung der Pläne. Gelder der Städtebauförderung können erwünschte Boden-nutzungen ermutigen und unterstützen.

In der leeren Stadt gestalten sich die Wechselbeziehungen zwischen Territorium, Immo-bilie, Umwelt anders als in vollen Städten. Können sich die Menschen in der leeren Stadt aussuchen, welche Häuser und Wohnungen sie bewohnen wollen, ziehen sie sich womöglich von allen Orten mit schlechter Umweltqualität zurück:

»Der Einfluss der Stadtbewohner wird im Falle eines Überangebotes an Wohn- und Gewerberaum besonders deutlich. Dann wandelt sich der Vermieter- zum Mietermarkt, in dem das Verhalten der Mieter über die Ver-ortung des Leerstandes entscheidet. In diesem Sinne ist der Leerstand auch als Lehrmeister der Wohnwünsche zu verstehen« (Pfeil und Friedrich 2006: 16).

Das gilt vor allem für den Rückzug vor Lärmbelästigungen. Gebäude entlang stark befahre-ner Straßenzüge werden daher eher leer stehen als Gebäude in der »zweiten Reihe«. Der öko-logische Wert des Bodens und der Bodennutzung tritt in den Vordergrund, niedrige Mieten und ein Angebotsüberschuß erlauben ein Verhalten, das in einer vollen Stadt (z.B. München, Stuttgart, Frankfurt am Main) undenkbar wäre. Die Immobilie gerät angesichts sinkender Renditen stark unter Druck. Auch in der leeren Stadt können Immobilien ertragreich ver-wertet werden, die Ertragschancen sind allerdings selten und müssen hart erarbeitet werden. Vermutlich verursacht der wirtschaftliche Druck, daß die räumliche Verteilung ertragreicher und ertragsschwacher Immobilien in der leeren Stadt ungleicher wird. Der Stadtumbau, bei dem Angebotsüberschüsse dauerhaft vom Markt genommen werden, kann zum Schutz der Ertragserwartungen der Immobilienverwerter beitragen. Allerdings müssen die Leerstellen, die durch einen Rückzug der Immobilienverwertung entstehen, städtebaulich sinnvoll ausge-füllt werden.

Wie soll man sich Bodenmärkte in der leeren Stadt vorstellen? Die Leere in der leeren Stadt verändert die Qualität des Bodens als Territorium. Jene, die gegangen sind, haben die Leere erzeugt, in der alle, die geblieben sind, nun ihr Territorialverhalten anpassen müssen. Das betrifft die Aneignungspraktiken ebenso wie die Verteidigung der Territorien. Das an die Leere angepaßte Territorialverhalten wirkt sich auch auf den Bodenmarkt aus. Der träge Bodenmarkt in der leeren Stadt wird durch eine Ökonomie des Behaltens bestimmt. Unter den Bedingungen sinkender Bevölkerungszahlen und schwindender regionaler Wirtschafts-kraft nimmt die Zahl der Kauffälle häufig ab. Kaufpreissammlungen und Bodenrichtwert-karten büßen an Aussagekraft ein. Doch läßt sich daraus auf einen Wertverlust oder zu-mindest auf eine potentiell nutzbare Wertdifferenz ( Abbildung 7, S. 38) schließen, wie die Arbeitshilfe zur Bodenwertermittlung in Stadtumbaugebieten meint (AH Brandenburg 2005), und die für das Bodenmanagement genützt werden könnte? Dies gilt jedenfalls nicht in größerem Ausmaß. Am Beispiel der Bodenmärkte für individuelles Wohnbauland und Gewerbebauland zeigt die vorliegende Studie für die Landeshauptstadt Magdeburg, daß die Bodenpreise auf geringem Niveau stabil sind ( S. 42–49). Obwohl städtische Bodenmärkte durch geringe Nachfrage, Leerstand und Investitionsdefizite gekennzeichnet sind, tritt kein oder nur ein geringer nachweisbarer Bodenwertverlust ein. Diese Bodenwertstabilität ist dem ohnehin schon niedrigen Preisniveau, zum Teil vielleicht auch den Methoden und Verfah-ren der Grundstückswertermittlung zuzurechnen.

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Der wichtigste Bestimmungsgrund der — gelegentlich für paradox gehaltenen — Boden-wertstabilität trotz sinkender Bevölkerungszahlen und schwindender regionaler Wirtschafts-kraft ist das private Grundstückseigentum. Privates Grundstückseigentum ist die institutio-nelle Grundlage einer Ökonomie des Behaltens (Possessivwirtschaft). Das Eigentumsrecht erlaubt den Grundstückseigentümern, strategisch zwischen

• dem Anbieten der Grundstücke auf dem Bodenmarkt (Verkauf),

• der Nutzungsüberlassung der Grundstücke an Dritte (Verpachtung, Vermietung),

• der Selbstnutzung der Grundstücke oder

• dem bloßen Behalten der Grundstücke

zu wählen. Betriebswirtschaftlich kann ein Eigentümer, der sein Baugrundstück ungenutzt läßt, selbst dann rational handeln, wenn dies zum Nachteil der Allgemeinheit ist. Leerstand und Verwahrlosung nehmen unterschiedliche Formen an. Nur selten — und kaum, wenn es sich um weitverbreitete Erscheinungen handelt — kann dem Problem der Grundstücksver-wahrlosung mit Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder der Bauleitplanung beigekom-men werden. Warum sollte ein Eigentümer in die Instandhaltung und Verbesserung seines Grundstücks investieren, wenn er sich nur Kosten, aber keine Vorteile erwartet?

€/m²

in der leeren Stadt realisierbare Nutzungen

€/m²

in der leeren Stadt realisierbare Nutzungen

Abbildung 10: Die Bonczek’sche Treppe in der leeren Stadt

Quelle: (eigene Darstellung)

In der leeren Stadt überspannt die Bonczek’sche Treppe keine nennenswerten Wertunter-schiede. Stabilität auf niedrigem Niveau bietet keine Anreize zur Veränderung. Der Wettbe-werbsvorteil, der Entwicklungsvorteil, der Planungsvorteil, der Umlegungsvorteil — lauter Vorteile, die in der leeren Stadt keine Wirkung auf die Bodennutzung ausüben. Daher ver-liert unter den Bedingungen des Bevölkerungsrückgangs und schwindender Wirtschaftskraft der ökonomische Bodenwert an Einfluß auf die Bodennutzung und räumliche Entwicklung. An seine Stelle tritt der territoriale Bodenwert: Das Recht des Behaltens wird bedeutsamer als die Allokationswirkung des Bodenpreises (»Der Boden bleibt beim letzten Wirt!«).

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WIRKUNGSBEZIEHUNGEN 52

In der leeren Stadt bestimmen die Rechte und Pflichten der Eigentümer, nicht der nachhaltig erzielbare Ertrag, die Verkehrswerte städtischer Grundstücke. Die Ökonomie des Behaltens wird durch den territorialen Bodenwert stärker bestimmt als durch den ökonomi-schen Bodenwert. Das Possessivverhalten der Grundstückseigentümer wird in erster Linie durch die Kosten des Behaltens, nicht durch Preise gesteuert. Welche Kosten haben Eigen-tümer, die ihre Grundstücke weitgehend ungenutzt lassen? Zu diesen Kosten zählen unter anderem Instandhaltungskosten, Grundsteuern, Kommunalabgaben, die Opportunitätskosten alternativer Nutzungen. Diesen Kosten steht der Nutzen gegenüber, ein Grundstück zu behalten — vielleicht ohne konkrete künftige Nutzungsabsicht, vielleicht mit Spekulations-absicht. Charakteristisch für eine solche Situation ist: In einer Ökonomie des Behaltens können Grundstückseigentümer zwar nicht viel verdienen, aber alles verlieren. Daher werden Leerstände und städtebauliche Funktionsverluste nicht durch den Markt korrigiert, solange die Kosten des Behaltens niedrig sind und das institutionelle Arrangement des privaten Grundstückseigentums unverändert bleibt. Grundstückseigentümer handelten irrational, ließen sie sich auf das Risiko selbstfinanzierter Investitionen in ihren Immobilienbestand ein. Die Politik des Stadtumbaus — in Ostdeutschland zusätzlich: der Freistellung von Altlasten ( S. 72) — spielt solcher Eigentümerrationalität noch in die Hand. Eigentümer handeln ökonomisch rational, wenn sie ihre Grundstücke behalten, denn sie werden für geduldiges Warten und den von Politikern gefühlten Wertverlust mit gefördertem Stadtumbau und öffentlich finanzierter Altlastensanierung belohnt.

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DIE ZWEITE FORSCHUNGSFRAGE

Grundstückseigentum in der leeren Stadt

Die zweite Forschungsfrage lautet ( S. 1):

Welche Rechte und Pflichten haben die Eigentümer städtischer Baugrundstücke (insbe-sondere brachgefallenes Gewerbebauland) im Kontext einer nachhaltigen städtebauli-chen Entwicklung (§ 1 BauGB)?

I. Phantasie und Leidenschaft

Als Sache betrachtet, besteht das Eigentum in Sachen, an denen jemand Eigentumsrecht innehaben und ausüben kann. Nach deutschem Privatrecht können nur bewegliche und unbewegliche Sachen, also körperliche Gegenstände (§ 90 BGB), im Eigentum einer Person stehen (Palandt 2004: 1380). Doch woher wissen wir, daß jemand Eigentum an einem Grundstück in der Landeshauptstadt Magdeburg erwerben kann, an der Landeshauptstadt Magdeburg aber nicht? Und vielleicht gehört zu diesem Grundstück das Recht, ein Nach-bargrundstück regelmäßig zu betreten. Hat der Eigentümer des herrschenden Grundstücks auch Eigentum an diesem Recht? Womöglich nicht, denn ein Recht ist kein körperlicher Gegenstand. Allerdings bestimmt § 96 BGB ausdrücklich, daß »Rechte, die mit dem Eigen-tum an einem Grundstück verbunden sind … als Bestandteile des Grundstücks« und somit als Teil einer Sache gelten. Was somit als Sache anzusehen ist und an welchen Sachen Eigen-tumsrechte erworben und ausgeübt werden können, legt die Bodenverfassung fest. Diese Festlegung heißt Kommodifikation (vom lateinischen commodum und facere = zur Ware machen). Dabei können Inhalt und Umfang der Kommodifikation in Abhängigkeit von Zeit und Ort ganz unterschiedlich ausfallen. Ob Städte — oder auch Tiere, fließendes Wasser, Klimaanlagen, Herzschrittmacher, Organspenden, Computerprogramme, Straßen, Abfälle, Tätowierungen — kommodifiziert sind und als Sachen im Eigentum stehen dürfen oder nicht, ergibt sich nicht aus ihrem Wesen. Die Sacheigenschaft ist das Ergebnis rechtlicher Setzungen (Baur und Stürner 1999: 11; Palandt 2004: 62–64; Vieweg und Werner 2005: 9–10; Wolf 2006: 6–8). Städte unterliegen als staatsrechtliche Erscheinungsform kommunaler

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GRUNDSTÜCKSEIGENTUM 54

Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) nicht dem zivilrechtlichen Sachenbegriff. Anders als an den Grundstücken in einer Stadt kann an einer Stadt kein Eigentum veräußert oder erworben werden. Rechtliche Setzungen der Kommodifikation sind häufig kulturell geprägt, was wohl erklärt, weshalb »Tiere … keine Sachen« sind, auf Tiere aber »die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden« sind (§ 90a BGB).

Im Rechtsstaat ist die Gesetzgebung zuständig, den Kreis eigentumsfähiger Sachen fest-zulegen. Diese Zuständigkeit ist ein Beispiel für den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum in Fragen des Sachenrechts, dessen wichtigstes Element das Eigentumsrecht bildet. Dem posi-tivistischen Eigentumsverständnis liegt die Überzeugung zugrunde, ein vorrechtliches (prä-positives) Eigentumsverständnis wäre für eigentumsrechtliche Problemlösungen entbehrlich: Haben die zuständigen Gesetzgeber Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt, bleibt kein Raum für präpositive Ideen und Ansprüche. Zum Teil wird im folgenden das positivi-stische Eigentumsverständnis zugrundegelegt und beschrieben, welche Rechte und Pflichten die Eigentümer nach geltendem Recht haben. Allerdings greift positivistisches Eigentums-verständnis zu kurz, wenn es nicht bloß um die juristische Lösung einzelner Eigentumsstrei-tigkeiten geht. Ob und welche Folgen das Grundstückseigentum für die leere Stadt hat, ist nicht bloß eine Rechtsfrage. Vielmehr handelt es sich um eine politische Frage, die nicht nur nach geltendem Recht beantwortet werden kann. Daher wird im folgenden neben dem posi-tivistischen auch ein bodenpolitisches Eigentumsverständnis entfaltet.

Das Grundstückseigentum (als Institution) und die Rechte und Pflichten der Eigentümer haben in den bodenpolitischen Schriften des 19. und frühen 20. Jahrhunderts eine zentrale Rolle gespielt. Stadtentwicklung und Bodenfragen waren untrennbar miteinander verknüpft. Die Single Land Tax bei Henry George, die Gartenstadt des Ebenezer Howard, der kom-munale Rückkauf städtischen Baubodens nach Hans Bernoulli, die von Adolf Damaschke vorgeschlagene Bodenwertsteuer sind vier Beispiele für phantasievolle und leidenschaftliche Diskussionsbeiträge, die heute in Vergessenheit geraten sind (Davy 2000). Für diese Phase der Bodenpolitik galt gewiß, was der englische Jurist Sir William Blackstone über das private Grundstückseigentum formulierte:

»There is nothing which so generally strikes the imagination, and engages the affections of mankind, as the right of property; or that sole and despotic dominion which one man claims and exercises over the external things of the world, in total exclusion of the right of any other individual in the universe. And yet there are very few, that will give themselves the trouble to consider the original and foundation of this right« (Black-stone 1766: 2).

Nichts beflügle die Phantasie und errege menschliche Leidenschaft so heftig wie das Eigen-tum, meinte Blackstone. Das Eigentum sei ein alleiniges und despotisches Herrschaftsrecht, das ein einzelner Mensch über äußere Dinge dieser Welt beanspruche und ausübe, wodurch dasselbe Recht jedes anderen Menschen im Universum vollständig ausgeschlossen werde. Allerdings zeigte sich Blackstone verwundert, daß nur wenige Menschen darum bemüht wären, den Ursprung und die Grundlagen des Eigentumsrechts zu ergründen.

Die Beobachtung und die Verwunderung des Sir William Blackstone, dem die erste syste-matische Dogmatik des englischen Rechts (common law) zu verdanken ist, sind auch heute aktuell. Gerade die Rechtsstreitigkeiten um die »Abwicklung der Bodenreform« (Art. 233 §§ 11 und 16 EGBGB) haben deutlich gemacht, daß in Deutschland der Transformations-prozeß nach dem 3. Oktober 1990 auch in Eigentumsfragen schwierig und nicht immer nachvollziehbar verlaufen ist. Weder

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GRUNDSTÜCKSEIGENTUM 55

• die Alteigentümer (BVerfGE 94 [1991] 90, 94 [1996] 12, 102 [2000] 254 und 112 [2004] 1 sowie Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, von Maltzan und andere gegen Deutschland, Beschluß der Großen Kammer, 2. 3. 2005)

• noch die Neubauern (Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 6. 10. 2000 = Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht 2001, Heft 2: 111–114; Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 25. 10. 2000 = Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht 2001, Heft 2: 115–117; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Jahn und andere gegen Deutschland, Urteil 22. 1. 2004 und Urteil der Großen Kammer, 30. 6. 2005)

erhielten oder behielten die Grundstücke, die in der Sowjetischen Besatzungszone im Zuge der »demokratischen Bodenreform« in den Jahren 1945–1949 enteignet worden waren. Aus der Perspektive Blackstone’s beweist dies ein hohes Maß an Phantasie und menschlicher Leidenschaft der Beteiligten (Paffrath 2004; Modrow und Watzek 2005). Dennoch werden Eigentumsfragen in breiten Bevölkerungskreisen selten und kaum aufmerksam zur Kenntnis genommen. Die Eigentumstheorie (property rights theory) wird in Deutschland in Randbe-reichen gepflegt, insbesondere durch die politische Philosophie, Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre (Eckl und Ludwig 2005). Im folgenden werden die Rechte und Pflich-ten der Eigentümer städtischer Baugrundstücke aus eigentumsrechtlicher und eigentums-theoretischer Sicht dargestellt: Wie steht es um das Grundstückseigentum in der leeren Stadt, in der Eigentümer nach den Regeln einer Ökonomie des Behaltens handeln?

II. Grundstückseigentum als subjektives Recht

A. Ein Bündel von Rechten

1. Eigentum und Sachrecht

Als Recht im subjektiven Sinn betrachtet, umfaßt das Eigentum alle Rechtsansprüche, die ein Eigentümer im Zusammenhang mit einer Sache gegenüber dritten Personen geltend machen darf. Der zivilrechtliche Oberbegriff »Sachenrecht« (Überschrift des Buch 3 BGB) ist etwas irreführend, legt er doch nahe, daß das Eigentum die Rechtsbeziehungen zwischen Eigentümern und Sachen regelt (so etwa Vieweg und Werner 2005: 1; Wolf 2006: 1). Dies ist jedoch nicht der Fall. Bestimmt etwa § 903 BGB, der Eigentümer einer Sache dürfe »mit der Sache beliebig verfahren«, wird nicht die Duldungspflicht der Sache angeordnet. Vielmehr werden alle anderen Personen dazu verpflichtet, den Eigentümer mit seiner Sache »beliebig verfahren« zu lassen, soweit seinem Verhalten »nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen« (§ 903 BGB). Das Sachenrecht ist »Teil des Privatrechts, also des Rechts, das die Beziehungen der Rechtsgenossen untereinander regelt« (Baur und Stürner 1999: 7). Mit »Sachenrecht« oder »dinglichen Rechten« sind jene Rechtsbeziehungen zwischen Perso-nen gemeint, deren Anspruchs- und Verpflichtungsinhalt bestimmte Sachen, also etwa Grundstücke, zum Gegenstand haben. Sachenrechtliche Rechtsbeziehungen weisen zwei wesentliche Merkmale auf. Zum einen wirkt das Sachrecht gegenüber jedermann (Baur und Stürner 1999: 6; Vieweg und Werner 2005: 4; Wolf 2006: 3). Zum anderen ist das Sachen-recht, insbesondere das Eigentum, ein Zuordnungsrecht:

»Das Eigentum ist das umfassendste absolute Zuordnungsrecht an einer Sache. Zuordnungsrecht an einer Sache bedeutet, daß dem Berechtigten die Sache unmittelbar zugewiesen ist und er auf sie unmittelbar ein-wirken kann, ohne daß er zuvor andere Personen um Erlaubnis fragen muß« (Wolf 2006: 2).

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GRUNDSTÜCKSEIGENTUM 56

Sachenrechte als absolute Zuordnungsrechte sind das Instrument für die Verteilung der Verfügungsrechte an Grundstücken. Durch Sachenrechte werden nicht bloß Vertragspartner oder Haftpflichtige gebunden, sondern alle Personen. Überdies werden durch Sachenrechte alle Sachen aufgeteilt — auch die herrenlosen Sachen, deren Aneignung differenziert gere-gelt ist (§ 929, §§ 958–964 und § 984 BGB; Wolf 2006: 307–308).

2. Einzelansprüche des Eigentümers

In der Eigentumstheorie ist die Vorstellung vom Eigentum als einem Bündel von Rech-ten verbreitet (Stepanians 2005). Tatsächlich läßt sich in vielen Rechtsordnungen feststel-len, daß das Eigentum im subjektiven Sinn dem Eigentümer zahlreiche Einzelansprüche vermittelt. So könnte das Eigentumsrecht an einem Grundstück als die Summe einzelner Rechte angesehen werden, die etwa

• das Recht auf ungestörten Besitz des Grundstücks,

• das Recht, mit dem Grundstück beliebig zu verfahren,

• das Recht, andere von jeder Einwirkung auf das Grundstück auszuschließen,

• das Recht auf Gebrauch des Grundstücks, genauer: das Recht zu bestimmen, wie ein Grundstück gebraucht werden soll, und das Recht, das Grundstück tatsächlich zu ge-brauchen,

• das Recht auf Aneignung aller Erträge, die sich aus dem Besitz oder der Nutzung des Grundstücks ergeben,

• das Recht auf rechtsgeschäftliche Verfügung über das Grundstück,

• das Recht auf Übertragung des Eigentums am Grundstück,

• das Recht auf Schadensersatz (durch Wiedergutmachung, durch finanziellen Ausgleich) bei Schädigungen des Grundstücks,

• das Recht auf Entschädigung bei Enteignung und enteignungsgleichen Eingriffen,

• das Recht auf Aufgabe des Eigentums am Grundstück

umfassen. Um die Übersichtlichkeit zu bewahren, können die beispielhaft angeführten Ein-zelrechte des Grundstückseigentümers in Gruppen zusammengefaßt werden, die besonders wichtige Eigentümerpositionen betreffen. Gesichtspunkte für eine solche Gruppierung könn-ten etwa die Aneignung einer Sache, der Gebrauch einer Sache und der Rechtsverkehr mit einer Sache sein.

Die beispielhaft angeführten Einzelrechte des Grundstückseigentümers können allerdings auch noch weiter aufgegliedert werden. So ließen sich etwa aus dem Recht auf Grund-stücksnutzung unter anderem die Baufreiheit, das Hausrecht oder das Recht des Eigentümers ableiten, die Farbe des Gartenzauns zu bestimmen. Die ausdifferenzierende Betrachtung des subjektiven Eigentumsrechts ist vor allem geboten, wenn die zuständigen Gesetzgeber das Eigentumsrecht stark verzweigt ausgestalten und durch komplexe Vorschriften beschränken. Schließlich wird durch das Planungs-, Bau- und Bodenrecht nicht »das Eigentum« insgesamt ausgestaltet und beschränkt, sondern es wird die Baufreiheit der Grundstückseigentümer durch detailreiche und spezifische Regelungen ausgestaltet und beschränkt (Wieland 2004: 1258–1259). So folgt im Umkehrschluß aus § 30 BauGB, daß Grundstücke, deren Bebauung

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GRUNDSTÜCKSEIGENTUM 57

einem Bebauungsplan nicht widerspricht, dennoch nicht baulich genutzt werden dürfen, wenn ihre Erschließung nicht gesichert ist. Dieses Verbot (oder der Umkehrschluß, aus dem es folgt) greift in das Eigentumsrecht ein, kann aber nur vor dem Hintergrund eines stark ausdifferenzierten Verständnisses des Eigentumsrechts verstanden werden (es handelt sich um eine Ausnahme von der Erlaubnis zum Gebrauch des Grundstücks).

3. Eigentum und Rechtsverfolgung

Eigentum als subjektives Recht vermittelt dem Eigentümer auch Ansprüche zur Rechts-verfolgung. Diese Ansprüche können zivilrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Ursprungs sein, sie können auf Eingriffsabwehr oder Leistungsgewährung gerichtet sein, sie können dem herkömmlichen Kernbestand des Eigentums angehören oder erst durch zusätzliche Erwägungen aus eigentumsrechtlichen Positionen abgeleitet sein. Erst die Legitimation des Eigentümers zur Rechtsverfolgung macht aus dem Eigentum ein subjektives Recht. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert den Rechtsweg gegenüber der »öffentlichen Gewalt«, also in verwal-tungsrechtlichen Streitigkeiten. Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG garantiert im Streit über die Höhe einer Enteignungsentschädigung den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten. Beispiele für aus dem Eigentumsrecht abgeleitete Ansprüche zur Rechtsverfolgung sind die Aktivlegi-timation des Eigentümers in einem gerichtlichen Verfahren, in dem der Eigentümer vom Besitzer die Herausgabe einer Sache verlangt (§ 985 BGB; Palandt 2004: 1440–1442), oder die Beteiligtenstellung des Eigentümers im Verfahren zur Baulandumlegung gemäß §§ 45 ff BauGB (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 BauGB). Damit Eigentum als subjektives Recht nicht nur eine Worthülse bildet, muß dem Eigentümer das Recht gewährleistet sein, seine materiellen An-sprüche durch Teilnahme an gerichtlichen oder behördlichen Verfahren auch formell wahr-zunehmen.

4. Eigentum und Verkehrswert

Inhalt und Umfang der Ansprüche, die ein Eigentümer aus seinem (subjektiven) Eigen-tumsrecht geltend machen darf, bilden die Grundlage für die Grundstückswertermittlung. Wer vom »Verkehrswert eines Grundstücks« spricht, nimmt eine sprachliche Verkürzung vor. Tatsächlich geht es um den in Geld ausgedrückten Wert, das Eigentumsrecht an einem Grundstück innehaben und ausüben zu dürfen. Nur der Eigentümer oder andere dinglich Berechtigte, nicht die bloß tatsächlich Nutzenden oder Innehabenden, haben ein Grund-stück — und zwar deshalb, weil sie das Recht auf dieses Grundstück erworben haben. Je mehr eigentumsrelevante Einzelrechte dem Grundstückseigentümer in einem konkreten Fall zu-stehen, um so höher ist der Verkehrswert. Je weniger eigentumsrelevante Einzelrechte dem Grundstückseigentümer in einem konkreten Fall zustehen, um so geringer ist der Verkehrs-wert. Teilweise wird dieser Gedanke in § 5 Abs. 2 WertV ausgesprochen, wo »Dienstbarkei-ten, Nutzungsrechte, Baulasten und sonstige dingliche Rechte und Lasten« als »wertbeein-flussende Rechte und Belastungen« bezeichnet werden. Indirekt bestimmen die »wertbeein-flussende[n] Rechte und Belastungen«, welche konkreten Einzelrechte dem Grundstücksei-gentümer zustehen (Kleiber u.a. 2002: 814–815). Zentraler Anknüpfungspunkt für den Verkehrswert eines Grundstücks ist indes die subjektive Rechtsposition des Eigentümers überhaupt, also der Umstand, daß ein Grundstück besessen und gebraucht werden und daß im Rechtsverkehr über das Grundstück verfügt werden darf. Ohne Eigentumsrecht, das zum wirtschaftlichen Umgang mit Grundstücken berechtigt, gibt es daher auch keinen Ver-kehrswert.

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B. Eigentumsrechte nach geltendem Recht

1. Grundstückseigentum als Grundrecht und Menschenrecht

a) Eigentumsfreiheit natürlicher Personen

Sozialpflichtiges Privateigentum ist verfassungsrechtlich durch das Grundrecht des Art. 14 GG geschützt (Depenheuer 1999; Hömig 2005: 197–210; Jarass und Pieroth 2006: 345–382; Rittstieg 2001; Wieland 2004). Im Text des Grundrechts wird das Eigentum als Ver-bindung zwischen Berechtigungen und Verpflichtungen des Eigentümers verankert:

»Artikel 14. (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.«

Der Inhalts- und Schrankenvorbehalt in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ermächtigt den Bundes- und die Landesgesetzgeber dazu, den Gegenstand und Umfang der Eigentumsrechte zu be-stimmen und der Ausübung der Eigentumsrechte aus öffentlichem Interesse begründete Schranken zu setzen. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums — eine dem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff innewohnende Pflicht — unterstreicht die Verknüpfung privater und öf-fentlicher Interessen beim Eigentumsgebrauch. Für den besonders weitreichenden Eigen-tumseingriff der Enteignung stellt Art. 14 Abs. 3 GG besondere Voraussetzungen auf, die das Recht des Eigentümers schützen. Die Gewährleistungsklausel des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG umfaßt auch das Grundstückseigentum, ist Rechtsgrundlage der Baufreiheit (Depenheuer 1999: 1685–1688; Jarass und Pieroth 2006: 356; Rittstieg 2001: 41; Wieland 2004: 1258–1259). Gleichwohl ist Grundstückseigentum nicht dasselbe wie Eigentum an beweglichen Sachen, der »Boden« bildet einen besonderen Regelungsgegenstand ( S. 23).

Privates Grundstückseigentum schützt private Freiheit, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner ständigen Rechtsprechung zu Artikel 14 Abs. 1 GG betont:

»Der Eigentumsgarantie kommt im Gefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm dadurch eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen. Das verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentum ist durch Privatnüt-zigkeit und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekenn-zeichnet. Es soll dem Eigentümer als Grundlage privater Initiative in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein und genießt einen besonders ausgeprägten Schutz, soweit es um die Sicherung der persönli-chen Freiheit des Einzelnen geht« (BVerfGE 104 [2001] 1 [8 f] — Baulandumlegung).

Art. 14 GG vermittelt kein Recht auf Eigentum, sondern ein Recht des Eigentümers. Der Staat ist zur Achtung bestehender Eigentumsrechte verpflichtet, nicht zur Verschaffung des Eigentums. Der Staat vermittelt daher nicht Freiheit durch Eigentumszuteilung, er schützt Freiheit, indem die Rechte des Eigentümers respektiert werden. Gleichwohl ist das Verhält-nis zwischen Eigentum und Freiheit komplex, denn

»Freiheit strebt nach Eigentum, und sie bedarf seiner. … Daher bleibt Freiheit ohne Eigentum leer, Eigentum ohne Freiheit sinn- und wertlos« (Depenheuer 1999: 1640).

Der personale Bezug der Eigentumsgarantie unterstreicht die freiheitssichernde Rolle, die Eigentum für jeden einzelnen Menschen spielen kann. Das Bundesverfassungsgericht orien-

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tiert seine Überlegungen am »persönlichen Sacheigentum« und der »in der Philosophie des deutschen Idealismus erarbeiteten Vorstellung vom Eigentum als äußere Sphäre der Freiheit« (Rittstieg 2001: 39). Liegen in der »Leistung des einzelnen« der »Legitimationsgrund« und das »ethische Leitbild des Eigentums« (Depenheuer 1999: 1641), ist Eigentum nicht bloß ein kalter Mechanismus zur Verteilung von Sachen und Vermögen. Vielmehr ist das Eigen-tumsgrundrecht die Grundlage der »persönlichen Existenz«, das »Scharnier zwischen Frei-heit und personaler Sicherheit« (Depenheuer 1999: 1641).

b) Eigentumsfreiheit juristischer Personen?

Die Industriebrachen im Magdeburger Südosten ( Abbildung 3, S. 9) gehören juristi-schen Personen des Privatrechts, soweit zu sehen vor allem Aktiengesellschaften oder Ge-sellschaften mit beschränkter Haftung. Ist das Eigentumsrecht juristischer Personen in der leeren Stadt ebenso geschützt wie das Eigentum natürlicher Personen, insbesondere von Men-schen, die als Eigentümer im Magdeburger Südosten wohnen und leben?

Die Eigentumsformel der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wirft ein wichtiges Problem für den Eigentumsschutz juristischer Personen auf. Juristische Perso-nen sind Grundrechtsträger gemäß Art. 19 Abs. 3 GG, »soweit« die Grundrechte »ihrem Wesen nach« auf juristische Personen anwendbar sind. Ist das Eigentumsgrundrecht seinem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar? In der Rechtsprechung und Kommentarlite-ratur wird der Schutz des Art. 14 GG für juristische Personen des Privatrechts bejaht (De-penheuer 1999: 1719–1720; Jarass und Pieroth 2006: 357; Wieland 2004: 1276). Allerdings bleibt unklar, wie weit dieser Schutz reicht, zumal Eigentum seinem Wesen nach als Frei-heitsrecht charakterisiert wird. Wer Eigentum als reines Zuordnungsrecht betrachtet (Wolf 2006: 2), würde die Zuordnung von Sachen zu einer juristischen Person als dem »Wesen« des Eigentums entsprechend ansehen. Als Zuordnungsrecht hat Eigentum eine rein ordnen-de Funktion, mit der Zuordnung sind keinerlei Wertungen oder Erwartungen verbunden.

Die pragmatische Sichtweise des Eigentums als Zuordnungsrecht ist dem Bundesverfas-sungsgericht fremd. Die seit vielen Jahrzehnten benutzte Eigentumsformel ist durch eine sorgfältig entwickelte Freiheitsdoktrin geprägt. Die »eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens« oder die »Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen« können kaum als rhetorische Floskel aufgefaßt werden, sie machen das Wesen des Eigentumsgrundrechts aus. Eigentum ist ein Men chen recht, steht also seinem Wesen nach in erster Linie Menschen zu. Dies bestätigt auch der systematische Zusammenhang zwischen Eigentum und Erbrecht in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Zurecht werden Eigentum und Erbrecht als »die essentiellen Kern-elemente einer auf Privatautonomie gründenden Gesellschaftsordnung« (Depenheuer 1999: 1850) bezeichnet. Das Erbrecht steht nur Menschen zu (Jarass und Pieroth 2006: 380), nur eine natürliche Person kann ihr Vermögen vererben (§§ 1922 ff. BGB). Daraus folgen Zweifel an der Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 3 auf Rechte nach Art. 14 Abs. 1 GG: Ent-spricht der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz juristischer Personen tatsächlich dem »We-sen« der Eigentumsgarantie?

s

Das Bundesverfassungsgericht hat den Eigentumsschutz für juristische Personen des Pri-vatrechts — stets unbegründet — bejaht: »Auf das Grundrecht aus Art. 14 GG können sich seinem Wesen nach auch juristische Personen berufen« (BVerfGE 4 [1954] 7 [17] — Investi-tionshilfegesetz). Im Beschluß über die begrenzte Zustandshaftung des Eigentümers für die Grundstückssanierung bei Altlasten hat das Bundesverfassungsgericht ohne weitere Erörte-

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rungen die Beschwerden einer GmbH & Co KG und mehrerer natürlicher Personen gleich behandelt (BVerfGE 102 [2000] 1 — Altlastensanierung). Mit anderen Worten: Das Bundes-verfassungsgericht sah keinen Grund, zwischen dem Eigentumsschutz natürlicher Personen und juristischer Personen zu unterscheiden, ja erwähnt Art. 19 Abs. 3 GG nicht einmal. Diese Gleichbehandlung ist problematisch. Art. 19 Abs. 3 GG stellt natürliche und juristische Personen nicht schlechterdings als Grundrechtsträger gleich, sondern lediglich »soweit« die Grundrechte »ihrem Wesen nach« auf juristische Personen anwendbar sind.

Gerade weil das Eigentum einer juristischen Person auch freiheitsmindernde, nicht nur freiheitssichernde Wirkungen haben kann (Renner 1929), gebietet Art. 19 Abs. 3 GG eine Differenzierung im Eigentumsschutz für natürliche und juristische Personen. Jedenfalls »rechtfertigt die öffentliche Bedeutung von Großunternehmen einen weiten Bereich hoheit-licher Gestaltung« (Rittstieg 2001: 51). Für juristische Personen stellen Grundstücke in der Regel einen Teil des Anlagevermögens dar, einen besonderen Freiheitsgewinn ziehen juristi-sche Personen aus ihrem Immobilienvermögen wohl selten. In der leeren Stadt ist das Im-mobilienvermögen zudem weitgehend wertlos, sein Brachfall belastet die Allgemeinheit ohne einzelnen Menschen zu nützen. Die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 3 GG ist zweifelhaft.

c) Europäischer Menschenrechtsschutz und Eigentum

Allerdings muß gegenüber jeder juristischen Person der Menschenrechtsschutz ihres Eigen-tums gewahrt werden. Als Menschenrecht nach der Europäischen Menschenrechtskonvention gilt Eigentum (possessions) für juristische und natürliche Personen. Art. 1 des 1. ZPMRK lautet:

»(1) Every natural or legal person is entitled to the peaceful enjoyment of his possessions. No one shall be deprived of his possessions except in the public interest and subject to the conditions provided for by law and by the general principles of international law.

(2) The preceding provisions shall not, however, in any way impair the right of a State to enforce such laws as it deems necessary to control the use of property in accordance with the general interest or to secure the payment of taxes or other contributions or penalties.«

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat den menschenrechtlichen Eigentums-begriff in einer Vielzahl von Entscheidungen interpretiert, in denen es auch um die Wech-selbeziehungen zwischen Boden, Planung und Eigentum geht (Wieland 2004: 1242–1244). Die einschlägige Formel, die sich in vielen Entscheidungsbegründungen findet, lautet:

»Article 1 of Protocol No. 1 comprises three distinct rules: the first rule, set out in the first sentence of the first paragraph, is of a general nature and enunciates the principle of the peaceful enjoyment of property; the second rule, contained in the second sentence of the first paragraph, covers deprivation of possessions and subjects it to certain conditions; the third rule, stated in the second paragraph, recognises that the Contracting States are entitled, inter alia, to control the use of property in accordance with the general interest« (Europäi-scher Gerichtshof für Menschenrechte, 22. 2. 2005, Hutten-Czapska gegen Polen, Absatz 142).

Für Eigentumsbeschränkungen durch Akte der Raumplanung und der Bodenordnung fand der Europäische Gerichtshof erstmals in einem Urteil aus dem Jahr 1982,

»the Court must determine whether a fair balance was struck between the demands of the general interest of the community and the requirements of the protection of the individual’s fundamental rights. … The search for this balance is inherent in the whole of the Convention and is also reflected in the structure of Article 1« (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Sporrong und Lönnroth gegen Schweden, 23. 9. 1982, Absatz 69).

Der Eigentumsschutz aufgrund der Menschenrechtskonvention vermittelt in erster Linie einen Anspruch auf gerechten Ausgleich (fair balance) bei Eigentumseingriffen. Obwohl der

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Wortlaut des Art. 1 des 1. ZPMRK keinen Entschädigungsanspruch bei Enteignungen oder enteignungsgleichen Eingriffen gewährt, leitet der Europäische Gerichtshof für Menschen-rechte aus der fair balance -Doktrin einen flexibel handzuhabenden Entschädigungsanspruch ab. Wird etwa das Recht eines Grundstückseigentümers weitgehend beschränkt, seine Im-mobilien durch Vermietung und die Erhöhung des Mietpreises wirtschaftlich zu verwerten, ist dies ohne eine gerechten Ausgleich konventionswidrig (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 22. 2. 2005, Hutten-Czapska gegen Polen).

Bloß in einem Fall, nämlich der Beurteilung der teilweisen Rückgängigmachung der »de-mokratischen Bodenreform«, fand der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, daß fair balance vorliege, obwohl Grundstücke ihren Eigentümern entschädigungslos weggenom-men worden seien. Dem Grunde nach bestätigt das Gericht, Art. 1 des 1. ZPMRK verlange für Eigentumseingriffe einen gerechten Ausgleich zwischen den privaten und öffentlichen Interessen:

»The Court reiterates that an interference with the peaceful enjoyment of possessions must strike a ›fair bal-ance‹ between the demands of the general interest of the community and the requirements of the protection of the individual’s fundamental rights (see, among other authorities, Sporrong and Lönnroth, § 69). The concern to achieve this balance is reflected in the structure of Article 1 of Protocol No. 1 as a whole, including there-fore the second sentence, which is to be read in the light of the general principle enunciated in the first sen-tence. In particular, there must be a reasonable relationship of proportionality between the means employed and the aim sought to be realised by any measure depriving a person of his possessions …

In determining whether this requirement is met, the Court recognises that the State enjoys a wide margin of appreciation with regard both to choosing the means of enforcement and to ascertaining whether the conse-quences of enforcement are justified in the general interest for the purpose of achieving the object of the law in question« (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Jahn und andere gegen Deutschland, Urteil der Großen Kammer, 30. 6. 2005, Absatz 93).

Die Erben der »Neubauern«, die durch das Modrowgesetz in den letzten Tagen der DDR zu Eigentum gekommen seien, hätten grundlos auf ihr ungewisses Recht vertraut. Ihre ent-schädigungslose Enteignung sei, so die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, im Einklang mit der Anforderung eines gerechten Ausgleiches:

»Having regard to all the foregoing considerations and taking account, in particular, of the uncertainty of the legal position of heirs and the grounds of social justice relied on by the German authorities, the Court con-cludes that in the unique context of German reunification, the lack of any compensation does not upset the ›fair balance‹ which has to be struck between the protection of property and the requirements of the general interest. There has therefore been no violation of Article 1 of Protocol No. 1« (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Jahn und andere gegen Deutschland, Urteil der Großen Kammer, 30. 6. 2005, Absatz 117).

Die außergewöhnliche Lage des wiedervereinigten Deutschlands erlaube eine entschädi-gungslose Enteignung, zumal die teilweise Rückgängigmachung der »demokratischen Bo-denreform« dem Anliegen sozialer Gerechtigkeit diene. Das Urteil der Großen Kammer, dem ein langjähriger Rechtsstreit vorangegangen war, unterstreicht den rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung privaten Grundstückseigentums.

2. Grundstückseigentum als zivilrechtliches subjektives Recht

Während Grund- und Menschenrechte hauptsächlich die Rechtsbeziehungen zwischen dem einzelnen und dem Staat betreffen, regelt das Zivilrecht die Rechtsverhältnisse zwischen Pri-vaten. Das »bürgerlich-rechtliche Sacheigentum« hat für den verfassungsrechtlichen Eigen-tumsschutz eine »Leitbildfunktion« (Depenheuer 1999: 1684; Wieland 2004: 1257). Aller-dings ist der zivilrechtliche Eigentumsbegriff enger als der verfassungsrechtliche Eigentums-

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begriff. Einerseits erstreckt sich zivilrechtliches Eigentum nur auf Sachen (nicht auch auf Rechte), andererseits wird als Eigentum nur das stärkste der Sachenrechte bezeichnet (wäh-rend etwa auch Grundpfandrechte und Hypotheken den verfassungsrechtlichen Eigentums-schutz genießen). Eigentum als zivilrechtliches subjektives Recht ist in § 903 Satz 1 BGB geregelt:

»Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.«

Das Eigentumsrecht knüpft an eine »Sache« an ( S. 53). Die positive Seite des Eigen-tumsrechts berechtigt den Eigentümer dazu, »mit der Sache nach Belieben [zu] verfahren«. Die negative Seite berechtigt den Eigentümer dazu, »andere von jeder Einwirkung [auf die Sache] aus[zu]schließen«. Grundsätzlich hat nur der Eigentümer das Recht, über seine Sache zu bestimmen. Dieses Recht erstreckt sich auf rechtliche und auf tatsächliche Handlungen und Unterlassungen. Der Eigentümer darf bestimmen, ob ein Grundstück verkauft wird oder nicht, ob es genutzt wird oder nicht.

Der Eigentümer eines Grundstücks darf über dessen Nutzung »nach Belieben« verfügen. Die positive Seite des Eigentumsrechts erstreckt sich nicht bloß auf vernünftiges, zweckmä-ßiges, wirtschaftliches, rationales Verhalten. Eigentum als zivilrechtliches subjektives Recht berechtigt den Eigentümer — »soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen« (§ 903 BGB) — auch zu unvernünftigem, unzweckmäßigem, unwirtschaftlichem, irrationalem Verhalten. Privates Grundstückseigentum ist vorrangig in den Dienst des Eigensinns der Eigentümer, nicht in den Dienst öffentlichen Interesses oder gemeinnütziger Zweckrationa-lität gestellt. Diese rechtspolitische Entscheidung der Gesetzgebung, die auch den verfas-sungsrechtlichen Schutzbereich des Grundstückseigentums absteckt, hat wichtige Folgen für das Grundstückseigentum in der leeren Stadt.

3. Brachfall als Eigentumsrecht?

Leerstand oder Brachfall können in der Wirklichkeit unterschiedliche Formen annehmen, die eine bloße Nichtnutzung ebenso wie die konkrete Gefährdung durch schädliche Boden-veränderungen eines Altstandortes umfassen. Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach einem Eigentumsrecht auf Brachfall nicht allgemein und umfassend zu beantworten. An dieser Stelle soll freilich ein wichtiger Grundsatz herausgearbeitet werden, der die Rechts-position der Grundstückseigentümer in der leeren Stadt bestimmt: Das Eigentumsrecht schließt auch das Recht ein, seine Sachen nicht zu gebrauchen oder zu nutzen. Der Grund-satz betrifft sowohl das Eigentumsgrundrecht als auch das zivilrechtliche Eigentum:

»Deshalb darf der Eigentümer eine rechtmäßig errichtete, nicht baufällige und nicht verunstaltende bauliche Anlage im Grundsatz auch so lange auf seinem Grundstück stehen lassen, wie er es für gut befindet« (Schmidt-Eichstaedt 2003: 706).

Das Recht auf Nichtnutzung eines Grundstücks ist, wie im folgenden zu zeigen ist, durch zahlreiche Verpflichtungen des Eigentümers beschränkt. Solche Verpflichtungen reichen von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums über zivilrechtliche Pflichten zu Verkehrssicherung und Nachbarschutz bis hin zu öffentlich-rechtlichen Beschränkungen (im Magdeburger Südosten insbesondere Bodenschutzrecht und Denkmalschutzrecht). Sofern solche Verpflichtungen aber nicht rechtmäßig bestehen, gilt für den Grundstückseigentümer in der leeren Stadt — gleichsam als Gegenstück zur Baufreiheit — das Recht auf Nichtnutzung, auf Brachfall. Das Recht auf Brache ist wichtiges Element der Ökonomie des Behaltens ( S. 51).

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III. Grundstückseigentum als subjektive Pflicht

A. Die Ecken deines Feldes

1. Innewohnende Pflichten

Als Pflicht im subjektiven Sinn betrachtet, umfaßt das Eigentum alle Verpflichtungen, die den Eigentümer im Zusammenhang mit einer Sache gegenüber dritten Personen treffen. Eigentum wird verkürzt betrachtet, wenn man sich nur die Ansprüche des Eigentümers vorstellt, nicht aber seine Pflichten. Die wichtigste dieser Pflichten ist die Verantwortung für jene Sachen zu tragen, die dem Eigentümer kraft seines Eigentumsrechts zugeordnet sind. Grundsätzlich zieht daher der Eigentümer nicht nur die Gewinne aus der Nutzung der Sache, ihn treffen auch die Verluste und sonstigen Nachteile, die mit der Sache zusammen-hängen. Wird die Sache durch Zufall oder ohne Verschulden dritter Personen beschädigt oder bleiben erwartete Nutzungsvorteile aus, treten die Nachteile im Vermögen des Eigen-tümers ein. Das Eigentumsrecht schützt vor solchen Nachteilen nicht, kein Eigentümer darf auf die Sozialisierung seiner Verluste hoffen. Die Verlustverantwortlichkeit des Eigentümers ist eine unmittelbare Folge des Eigentumsrechts. Es handelt sich um eine dem Eigentum innewohnende Verpflichtung, die Allgemeinheit nicht mit Verlusten zu behelligen, die durch Eigentum verursacht werden.

Neben der Verlustverantwortlichkeit treffen den Eigentümer weitere dem Eigentum in-newohnende oder aus dem Eigentum abgeleitete Verpflichtungen. Solche Verpflichtungen ergeben sich nicht aus dem Gesetzblatt, sie folgen aus grundsätzlichen Erwägungen: Die schrankenlose Ausübung privater Eigentumsrechte würde die Voraussetzungen beeinträchti-gen oder zerstören, unter denen privates Eigentumsrecht überhaupt gewährt werden kann.

2. Störungsverbot

Ein klassisches Beispiel für dem Eigentumsrecht innewohnende Pflichten findet sich im gemeinrechtlichen Störungsverbot (nuisance), dem Sir William Blackstone zentrale Bedeu-tung für die beschränkte Reichweite des Eigentumsrechts zubilligt:

»Nusance, nocumentum, or annoyance, signifies any thing that worketh hurt, inconvenience, or damage. … If one’s neighbour sets up and exercises any offensive trade; as a tanner’s, a tallow-chandler’s, or the like: for though these are lawful and necessary trades, yet they should be exercised in remote places; for the rule is, ›sic utere tuo, ut alienum non laedas:‹ this therefore is actionable nusance« (Blackstone 1768: 216–217).

Eine schädliche Störung (nuisance) umfasse alle Grundstücksnutzungen, die Verletzungen, Belästigungen oder Schäden hervorriefen. Wenn also auf einem Nachbargrundstück betrieb-liche Emissionen verursacht werden, etwa durch eine Gerberei oder eine Wachskerzenzieherei, so meinte Blackstone, wären dies zwar nützliche Tätigkeiten, sie müßten allerdings an abge-legenen Orten ausgeübt werden. Schließlich gelte die Regel, jeder solle sein Eigentum so gebrauchen, daß niemand anderer verletzt werde. Und deshalb dürfe der gestörte Eigentümer gegen den störenden Nachbarn ein Störungsverbot erwirken (»actionable nusance«).

Sir William Blackstone beschrieb mit dem Hinweis auf den Rechtsgrundsatz »sic utere tuo, ut alienum non laedas« eine dem Eigentum innewohnende Pflicht, keine staatliche Be-schränkung. Das subjektive Recht des Eigentümers umfaßt gar nicht erst das Recht, andere zu verletzen, zu belästigen oder zu stören. »Sic utere tuo, …« ist übrigens eine der rechtsge-schichtlichen Wurzeln räumlicher Planung. Schließlich soll die Bauleitplanung die räumli-

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chen Voraussetzungen dafür schaffen, daß Eigentümer durch den Gebrauch ihrer Grund-stücke niemanden verletzten, belästigen oder stören. Gewiß ist das alle Grundstückseigen-tümer verpflichtende Störungsverbot zunächst als nachbarrechtliche oder schadensersatzrecht-liche Pflicht aufzufassen (Haar und Wolf 1989: 89–161). Im U.S.-amerikanischen Recht wurde im ersten verfassungsrechtlichen Streit über die Zulässigkeit räumlicher Planung (zoning) der Zusammenhang zwischen planerischen Festsetzungen, störenden Betriebsanlagen und dem klassischen Störungsverbot hergestellt. So heißt es im Urteil des U.S. Supreme Court im Fall Village of Euclid v. Ambler Reality Co. (1926) über störende Betriebsanlagen:

»A nuisance may be merely a right thing in the wrong place, — like a pig in the parlor instead of the barn-yard« (zitiert nach Haar und Wolf 1989: 184).

Der störende Betrieb sei womöglich bloß eine gute Sache an einem falschen Ort — wie ein Schwein im Wohnzimmer anstatt auf dem Bauernhof. Das »Schwein im Wohnzimmer« ist eine Metapher für die Pflicht jedes Grundstückseigentümers, seine Nachbarn nicht zu ver-letzten, zu belästigen oder zu stören. Diese Pflicht kann und soll durch öffentlich-rechtliche Vorschriften, wie etwa das Planungs-, Bau- und Bodenrecht konkretisiert werden, sie trifft den Eigentümer aber bereits unter dem Titel seines Eigentums.

3. Levitikus

In der Eigentumstheorie werden Pflichten der Eigentümer nicht nur auf rechtliche, son-dern auch auf religiöse, ethische, moralische Überlegungen gestützt. Einen Anknüpfungspunkt für dem Eigentum innewohnende Pflichten bildet etwa 3 Mose 19, 9–10:

»Wenn du dein Feld aberntest, sollst du nicht alles bis an die Ecken deines Feldes abschneiden, auch nicht Nachlese halten. Auch sollst du in deinem Weinberg nicht Nachlese halten noch die abgefallenen Beeren auflesen, sondern dem Armen und Fremdling sollst du es lassen; ich bin der HERR, euer Gott.«

Der bodenpolitische Anspruch, der in Levitikus formuliert wird, versagt dem Eigentümer die vollständige Ausnutzung seines Grundstücks. Bewußt soll ein Teil des Bodenertrages sozialen Zwecken dienen (Singer 2000). Der Grundsatz gilt nicht nur für landwirtschaftliche Grund-stücksnutzungen zu biblischen Zeiten, er ist ohne weiteres auch auf städtischen Bauboden der Gegenwart übertragbar. Eine besondere Gläubigkeit ist nicht erforderlich, um die prakti-sche Bedeutsamkeit des Grundsatzes zu verstehen. Grundstückseigentümern kommt kraft ihrer Rechtsstellung eine spezifische Verantwortlichkeit für das Wohl der Gesellschaft zu. Werden sie dieser Verantwortlichkeit nicht gerecht, kann leicht passieren, daß »Arme und Fremdlinge« kein Auskommen mehr finden. Dies kann unterschiedliche Folgen haben: Die sozial Schwachen könnten verzagen, der Staat könnte seine Sozialausgaben erhöhen, es könnte zu Ausschreitungen kommen. Keine dieser Folgen ist erstrebenswert. Durch die fort-laufende Verteilung eines kleinen Anteils am Bodenertrag würden Grundstückseigentümer demgegenüber fortlaufend zur Erhaltung einer zivilgesellschaftlich gewährleisteten sozialen Sicherheit beitragen. Dieser Beitrag kann durchaus aus egoistischen Gründen geleistet wer-den. Schließlich kommen die Vorteile sozialen Friedens und öffentlicher Ruhe, Ordnung und Sicherheit gerade auch den Eigentümern zugute.

Die Eigentümer der Bestandsgrundstücke in der leeren Stadt sind Verlierer und Täter des demographischen und ökonomischen Wandels: Sie leiden unter der Leere, sie tragen aber auch zur Verursachung der Leere bei. Gewinnbringende Entwicklungen, so es solche in der leeren Stadt überhaupt gibt, ziehen an den Eigentümern vorüber. Erträge aus Immobilien, die unter den Bedingungen der Wachstumsgesellschaft selbst bei minderwertigen Beständen

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GRUNDSTÜCKSEIGENTUM 65

erwartet werden können, bleiben fast durchgehend aus. Unvermietete Bestände, Bauschäden, Altlasten, Stigmatisierung und andere nachteilige Folgen der Leere häufen bei den Eigen-tümern immer höhere Verluste an. Mitunter gelingt es, das finanzielle Wirksamwerden dieser Verluste zu verzögern, etwa indem notwendige Reparaturen oder Sanierungsarbeiten aufge-schoben werden. Völlig vermeidbar sind diese Verluste aber nicht. Daher könnte gegen die Überlegungen zum Eigentum als Pflicht folgender Einwand erhoben werden: In der leeren Stadt dürfen die Grundstückseigentümer nicht als Pflichtsubjekte, sie müssen als Opfer angesehen werden. Dieser Einwand wäre falsch. Pflichten der Grundstückseigentümer — also etwa rechtliche, religiöse, moralische, ethische Verbindlichkeiten — sind nicht nur für Schönwetter gedacht. Das Eigentum ist nicht nur die Quelle weitreichender Rechte, es erlegt auch Pflichten auf. Gewiß ist 3 Mose 19, 9–10 nicht nur für die Wohlstandsgesellschaft in ihrer Wachstumsphase gedacht. Vielmehr machen die Eigentumspflichten die Eigentums-rechte erst für eine Gesellschaft erträglich. Ohne die Pflicht »sic utere tuo, …« würde Grund-stückseigentum zwischen benachbarten Eigentümern zu anhaltendem Streit führen, zumindest aber zu dauernden Verhandlungen über die optimale Störungsmenge. Daher treffen auch die »Opfer« unter den Grundstückseigentümern in der leeren Stadt die Pflicht zur guten Nach-barschaft.

B. Eigentumspflichten nach geltendem Recht

Eigentumspflichten können sich aus gesetzlichen Vorschriften ergeben, die das Eigentum inhaltlich ausgestalten oder beschränken. Bei diesen gesetzlichen Vorschriften handelt es sich um »Gesetze« im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG oder um »Gesetz oder Rechte Dritter« im Sinne des § 903 BGB (Depenheuer 1999: 1734–1766; Hömig 2005: 201–210; Jarass und Pieroth 2006: 359–367; Wieland 2004: 1278–1280 und 1286–1289; Wolf 2006: 31–50). Im folgenden werden Eigentumspflichten nach geltendem Recht dargestellt.

1. Zivilrechtliche Pflichten der Grundstückseigentümer

a) Nachbarrecht

Das Sachenrecht des BGB enthält eine Reihe von Verpflichtungen der Grundstücksei-gentümer, durch die Interessenkonflikte zwischen Nachbarn vermieden oder beigelegt wer-den sollen (Baur und Stürner 1999: 280–295; Vieweg und Werner 2005: 290–320; Wolf 2006: 163–190). Das Nachbarrecht »soll ein möglichst friedliches Zusammenleben der Nachbarn sichern« (Baur und Stürner 1999: 281). Sachenrechtlicher Immissionsschutz be-ruht vor allem auf § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB:

»Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wär-me, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen inso-weit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beein-trächtigt.«

Der Eigentümer des gestörten Grundstücks darf vom störenden Nachbareigentümer verlan-gen, wesentliche, nicht ortsübliche Einwirkungen zu unterlassen. Aus dem Unterlassungsan-spruch des Eigentümers folgt somit eine Pflicht des Nachbareigentümers.

Der Immissionsschutz knüpft an Störungen an, die zumeist durch eine aktive Nutzung des Nachbargrundstücks verursacht werden. In den meisten Fällen der reichhaltigen Recht-sprechung zu § 906 BGB stehen Konflikte zwischen dem Interesse an Störungsfreiheit und den Konsequenzen wirtschaftlicher, sozialer, verkehrlicher Aktivitäten im Vordergrund: Ge-

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ruchsbelästigung durch eine Bäckerei, Lärm durch eine Gaststätte, Erschütterungen durch ein Sägewerk (Palandt 2004: 1387–1393). In der leeren Stadt verursacht gerade die Abwe-senheit typischer Störungen, die aus dem Nebeneinander von Wohnen, Wirtschaft, Arbeit, Verkehr resultieren können, das Problem: Die leerstehende Maschinenhalle, die hohen Mau-ern, das verschlossene Fabriktor, die zerbrochenen Fenster. Die Last der Leere besteht im Mangel an Betriebsamkeit, nicht in Reibungen zwischen unterschiedlichen Grundstücksin-teressen. Gewiß kann auch ein brachgefallenes Grundstück die Quelle einer typischen nach-barrechtlichen Störung bilden, etwa wenn abgelagerte Abfälle eine wesentliche Geruchsbe-einträchtigung verursachen. Die Nichtnutzung eines Grundstücks selbst — andauernder Leerstand — ist hingegen kaum als »Einwirkung« gemäß § 906 BGB zu qualifizieren.

b) Verkehrssicherungspflicht

Die Verkehrssicherungspflicht ist ein in Rechtsprechung und Lehre entwickelter Unterfall der Schadensersatzpflicht (§ 823 BGB). Grundstückseigentümer haben den allgemeinen Ver-kehr vor Gefahren zu schützen, die von ihren Grundstücken ausgehen. Geschützt werden Per-sonen, die typischerweise mit einem Grundstück in Berührung kommen, sei es als Nach-barn, als Mieter, als Passanten (Bamberger und Roth 2004, zu § 823 BGB).

Die Verkehrssicherung besteht nicht darin, jeden nur erdenklichen Unfall auszuschließen (Palandt 2004: 1226). Bei einem brachgefallenen Industriegrundstück wirft die Verkehrssi-cherungspflicht insbesondere zwei Probleme auf: Zum einen befinden sich auf dem Grund-stück häufig Gefahrenquellen (Ablagerungen, Altmetall, Glasbruch, Abfälle, Bauschäden). Anstatt die Gefahrenquellen zu beseitigen, werden die Grundstücke gegenüber der Öffent-lichkeit möglichst abgeschlossen und für Publikumsverkehr unzugänglich gemacht. Zum anderen sind die Grundstückseigentümer zumeist abwesend, weil sie selbst kein unterneh-merisches Interesse an dem Grundstück mehr haben. Zudem werden, um Kosten zu sparen, keine personellen oder organisatorischen Vorkehrungen getroffen, die eine Verkehrssicherung ohne Ausgrenzung und Abschottung der Öffentlichkeit ermöglichen. Die Verbindung beider Umstände — Isolierung der Gefahrenquellen und Abwesenheit des Eigentümers — führt zu einer Praxis der Verkehrssicherung mit städtebaulich höchst nachteiligen Folgen. In der leeren Stadt trägt die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht durch Abschottung zu städtebauli-chen Funktionsverlusten bei. Diese Funktionsverluste können freilich nur vermieden wer-den, wenn die Grundstückseigentümer bevorzugt Maßnahmen der Verkehrssicherung ergrei-fen, die eine Öffnung der brachgefallenen Grundstücke zulassen. Das Brachflächenmana-gement durch Begleitpersonen, Wachdienste, Leerstandsbetreuung, Zwischennutzungen ver-ursacht zwar Kosten für den Grundstückseigentümer. Die Zumutung der Abschottung und andere mit dem Leerstand verbundene Umfeldbeeinträchtigungen verursachen aber Kosten für die Allgemeinheit.

2. Öffentlich-rechtliche Pflichten der Grundstückseigentümer

a) Sozialpflichtigkeit des Eigentums

»Eigentum verpflichtet«: Gemäß Art. 14 Abs. 2 GG soll der Gebrauch des Eigentums »zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen«. Art. 14 Abs. 2 GG enthält »für den Ge-setzgeber einen bindenden Regelungsauftrag« (Jarass und Pieroth 2006: 359). Eingriffs- und Schrankenregelungen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dürfen keine »einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung von Eigentümerinteressen oder des Sozialbezugs des Eigentums« vor-

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nehmen (Depenheuer 1999: 1735). Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums erschöpft sich nicht in einer Pflicht der Gesetzgebung, alle privaten und öffentlichen Interessen abzuwägen und ausgewogene Regelungen zu treffen. Vielmehr konkretisiert Art. 14 Abs. 2 GG das Sozi-alstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG) durch eine »Grundpflicht des Eigentümers« (Hömig 2005: 204). Zurecht wird daher von Sozialpflichtigkeit gesprochen, nicht bloß von einer sozialen Bindung des Eigentums. Der Begriff Sozialbindung ist abzulehnen, er

»suggeriert das Vorhandensein eines absoluten, vorpositiven Eigentums, das nachträglich durch Gesetze einge-schränkt wird, die ihrerseits wieder an dem der Verfassung vorgegebenen Eigentumsbild zu messen sind« (Rittstieg 2001: 67).

Das Bundesverfassungsgericht erblickt in 14 Abs. 2 GG sowohl »eine Anweisung für das konkrete Verhalten des Eigentümers« als auch eine »Richtschnur für den Gesetzgeber«:

»Das Grundgesetz selbst hat dem Gesetzgeber für die Bestimmung des Eigentumsinhalts in Art. 14 Abs. 2 GG einen verhältnismäßig weiten Gestaltungsbereich eingeräumt. Hiernach verpflichtet das Eigentum nicht nur, sondern ›sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen‹. Daß der Verfassunggeber hierbei vor allem die Bodenordnung im Auge gehabt hat, ergeben eindeutig die Materialien (ParlRat, 8. Sitzung des Grundsatzausschusses, Sten-Prot. S. 62 ff.). Das Gebot sozialgerechter Nutzung ist aber nicht nur eine Anwei-sung für das konkrete Verhalten des Eigentümers, sondern in erster Linie eine Richtschnur für den Gesetzge-ber, bei der Regelung des Eigentumsinhalts das Wohl der Allgemeinheit zu beachten. Es liegt hierin die Absa-ge an eine Eigentumsordnung, in der das Individualinteresse den unbedingten Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft hat« (BVerfGE 21 [1967] 73 [83] — Grundstücksverkehr).

Rechtsprechung und Kommentarliteratur erblicken in der Sozialpflichtigkeit des Eigentums überwiegend eine Einschränkung des privaten Eigentümerinteresses. Gewiß mag es Situa-tionen geben, in denen sich ein privater Grundstückseigentümer dauerhaft auf Kosten der Allgemeinheit persönliche Vorteile verschafft. Solche Situationen sind eher selten. In der Praxis der Bodennutzung spielt die wechselseitige Abhängigkeit zwischen den Beteiligten eine viel größere Rolle. Die zwischen Eigentümern, Nutzern, Nachbarn, Behörden, Politik und Verwaltung bestehenden Wechselbeziehungen können Gelegenheiten verschaffen, andere zu hemmen oder zu fördern. Art. 14 Abs. 2 GG verpflichtet den Eigentümer dazu, andere eher zu fördern und zu unterstützen als sie an der Verwirklichung ihrer Lebenspläne zu hindern. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums verpflichtet keinen Eigentümer dazu, die eigenen Interessen zum Wohle der Allgemeinheit zu opfern. Ein solches Opfer mag die Folge einer Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 GG sein. In Art. 14 Abs. 2 GG geht es hingegen um ein positive Haltung gegenüber einer Eigentumsvorstellung, in der die Vorteile eines Eigentümers nicht zulasten anderer erzielt werden, vielmehr für andere ebenfalls nutzbringend sind.

In der leeren Stadt ist die Sozialpflichtigkeit des Eigentums eine wesentliche Vorausset-zung für die Bewältigung der nachteiligen Folgen des Bevölkerungsrückgangs und schwa-cher Wirtschaftstätigkeit. Nicht Selbstbeschränkungen der Eigentümer sind gefragt, sondern ideenreiche und mutige Konzepte für gute Nachbarschaft. Vermeinen Grundstückseigentü-mer, sie könnten die Sozialpflichtigkeit ihres Eigentums durch Verkehrssicherung erfüllen, entstehen feindselige, abweisende Leerräume. Ein konstruktiver Beitrag zur sozialräumlichen Mitgestaltung besteht eher in einer Zwischennutzung, die eine Stigmatisierung der Nach-barschaft brachgefallener Industrieareale verhindert ( S. 139 und S. 144).

b) Planungs-, Bau- und Bodenrecht

Zahlreiche Pflichten der Grundstückseigentümer sind im Planungs-, Bau- und Bodenrecht geregelt (Battis 2006; Battis u.a. 2005; Ferner und Kröninger 2005; Hoppe u.a. 2004;

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Schmidt-Eichstaedt 2005; Stüer 2005). Die Inhaltsbestimmung des Grundstückseigentums durch die Bauleitplanung und ihre Umsetzung werden im Zusammenhang mit den Steue-rungsmöglichkeiten dargestellt ( S. 91 und 98). Hier ist bloß auf eine Pflicht hinzuweisen, die sich aus der Bodenschutzklausel ergibt (Stüer 2005: 504): Auch Grundstückseigentümer sind dazu verpflichtet, mit Grund und Boden »sparsam und schonend« umzugehen (§ 1a Abs. 2 BauGB). Das schließt die Wiedernutzbarmachung von Flächen und die Begrenzung von Bodenversieglungen ein. Außerdem ist »Mutterboden … in nutzbarem Zustand zu erhal-ten und vor Vernichtung oder Vergeudung zu schützen« (§ 202 BauGB).

c) Denkmalschutzrecht

Mehrere der brachgefallenen Industrieareale im Magdeburger Südosten sind Kulturdenk-male ( S. 8). Gemäß § 1 Abs. 1 DenkmSchG ist es die »Aufgabe von Denkmalschutz und Denkmalpflege, die Kulturdenkmale … zu schützen, zu erhalten, zu pflegen und wissen-schaftlich zu erforschen.« Um die Aufgabe des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege zu erfüllen, wirken das Land, die Kommunen, die Eigentümer zusammen (§ 1 Abs. 2 DenkmSchG). Obere Denkmalschutzbehörde ist das Landesverwaltungsamt, untere Denkmal-schutzbehörde sind grundsätzlich die Landkreise und kreisfreien Städte (§ 4 DenkmSchG).

Kulturdenkmale sind »gegenständliche Zeugnisse menschlichen Lebens aus vergangener Zeit, die im öffentlichen Interesse zu erhalten sind« (§ 2 Abs. 1 DenkmSchG). Bei den schüt-zenswerten Industriebrachen und ihrer Bebauung handelt es sich um »Baudenkmale« oder »Denkmalbereiche« (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 DenkmSchG). § 9 DenkmSchG regelt die Erhaltungspflicht der Eigentümer von Kulturdenkmalen. Kulturdenkmale sind geschützt, sie sind so zu nützen, »daß ihre Erhaltung auf Dauer gesichert ist« (§ 9 Abs. 1 DenkmSchG). Im übrigen bestimmt § 9 Abs. 2 Satz 1 DenkmSchG:

»Die Eigentümer, Besitzer und anderen Verfügungsberechtigten von Kulturdenkmalen sind verpflichtet, diese im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit nach denkmalpflegerischen Grundsätzen zu erhalten, zu pfle-gen, instandzusetzen, vor Gefahren zu schützen und, soweit möglich und zumutbar, der Öffentlichkeit zugäng-lich zu machen.«

Zur Umsetzung des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege sind verschiedene Instrumente vorgesehen: Die Anordnung und Durchführung gefahrenabwehrender Maßnahme auf Ko-sten der Verpflichteten (§ 9 Abs. 6 und 7 DenkmSchG), das Vorkaufsrecht der Gemeinde oder des Landes (§ 11 DenkmSchG), der Genehmigungsvorbehalt für Änderungen oder Zer-störungen von Kulturdenkmalen (§ 14 DenkmSchG), die entschädigungspflichtige Enteig-nung (§ 19 DenkmSchG), die Gewährung finanzieller Förderungen durch das Land Sachsen-Anhalt (§ 20 DenkmSchG), Strafbestimmungen (§ 21 und 22 DenkmSchG).

Das Eigentumsgrundrecht verbietet der Verwaltung, den Eigentümer eines Baudenkmals unzumutbar zu belasten. Daher muß der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich bringen. Er muß sich dabei im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten; insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Der Schutz von Kulturdenkmälern ist ein legitimes gesetzgebe-risches Anliegen, Denkmalpflege eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang, die einschrän-kende Regelungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG rechtfertigt. Bei der Prüfung des rheinland-pfälzischen Denkmalschutzgesetzes stellt das Bundesverfassungsgericht zum Spannungsverhältnis zwischen öffentlicher Aufgabe und privaten Interessen fest:

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»Dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung eines geschützten Denkmals kann nur durch Inpflichtnahme des Eigentümers des Grundstücks und Gebäudes Rechnung getragen werden, dessen Eigentum daher einer gesteigerten Sozialbindung unterliegt. Sie ergibt sich aus der Situationsgebundenheit, hier der Lage und Be-schaffenheit des Grundstücks … Durch das Beseitigungsverbot wird die bestehende Nutzung eines Baudenk-mals nicht eingeschränkt. Angesichts des hohen Ranges des Denkmalschutzes und im Blick auf Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG muß der Eigentümer es grundsätzlich hinnehmen, daß ihm möglicherweise eine rentablere Nut-zung des Grundstücks verwehrt wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht die einträglichste Nutzung des Eigen-tums« (BVerfGE 100 [1999] 226 [242–243] — Denkmalschutz).

Allerdings muß der Denkmalschutz weichen, wenn dem Eigentümer ohne Beseitigung des Denkmals eine sinnvolle Immobilienverwertung verwehrt ist. Wird dem Eigentümer eines Baudenkmals, für das »keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr besteht« dennoch verbo-ten, das Denkmal zu beseitigen, ist der Eigentumseingriff unverhältnismäßig:

»Dazu kann es kommen, wenn die ursprüngliche Nutzung infolge geänderter Verhältnisse hinfällig wird und eine andere Verwendung, auf die der Eigentümer in zumutbarer Weise verwiesen werden könnte, sich nicht verwirklichen läßt. Wenn selbst ein dem Denkmalschutz aufgeschlossener Eigentümer von einem Baudenkmal keinen vernünftigen Gebrauch machen und es praktisch auch nicht veräußern kann, wird dessen Privatnützig-keit nahezu vollständig beseitigt. Nimmt man die gesetzliche Erhaltungspflicht hinzu, so wird aus dem Recht eine Last, die der Eigentümer allein im öffentlichen Interesse zu tragen hat, ohne dafür die Vorteile einer privaten Nutzung genießen zu können. Die Rechtsposition des Betroffenen nähert sich damit einer Lage, in der sie den Namen ›Eigentum‹ nicht mehr verdient. Die Versagung einer Beseitigungsgenehmigung ist dann nicht mehr zumutbar« (BVerfGE 100 [1999] 226 [243] — Denkmalschutz).

Die Entscheidungsgründe des Bundesverfassungsgerichts scheinen auf viele der Kulturdenk-male zuzutreffen, die sich auf den brachgefallenen Industriearealen im Magdeburger Süd-osten befinden ( S. 8). Anders als das vom Bundesverfassungsgericht geprüfte Denkmal-schutzgesetz erlaubt in Sachsen-Anhalt § 10 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 DenkmSchG aus-drücklich, im Falle wirtschaftlicher Unzumutbarkeit in ein Kulturdenkmal einzugreifen oder das Denkmal nicht zu erhalten. Als die »Stadt des Schwermaschinenbaus« der leeren Stadt wich, erlosch auch die Chance für der Denkmalschutzbehörde, die Erhaltung und Pflege dieser Baudenkmale durch Verfügung zu erzwingen.

3. Eigentümerpflichten und Bodenschutzrecht

a) Bundesbodenschutzgesetz

Der Zweck des Bodenschutzrechts, das 1998 als Bundesrecht umfassend geregelt wurde, ist es, »nachhaltig die Funktionen des Bodens zu sichern oder wiederherzustellen« (§ 1 Abs. 1 BBodSchG). Diesem Zweck werden folgende Grundsätze zugeordnet:

• Abwehr schädlicher Bodenveränderungen;

• Sanierung des Bodens, der Altlasten und durch Altlasten verursachter Gewässerverun-reinigungen;

• Vorsorge gegen nachteilige Einwirkungen auf den Boden;

• Vermeidung der Beeinträchtigungen natürlicher Bodenfunktionen bei unvermeidbaren Einwirkungen auf den Boden.

Schädliche Bodenveränderungen sind »Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder für die Allgemeinheit herbeizuführen« (§ 2 Abs. 3 BBodSchG). Altlasten sind »Altablagerun-gen« und »Altstandorte«. Verkehrs- und Industriebrachen bilden in der Regel Altstandorte. Als Altstandorte werden »Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke« be-

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zeichnet, »auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist« (§ 2 Abs. 4 Nr. 2 BBodSchG).

Bodenschutzrechtliche Pflichten der Eigentümer sind in den §§ 4 ff. BBodSchG geregelt. § 4 Abs. 1 BBodSchG enthält die allgemeine Pflicht zur Gefahrenabwehr:

»Jeder, der auf den Boden einwirkt, hat sich so zu verhalten, daß schädliche Bodenveränderungen nicht her-vorgerufen werden.«

§ 4 Abs. 2 BBodSchG regelt die Pflichten der Grundstückseigentümer zur Verhinderung der Ausbreitung schädlicher Bodenveränderungen:

»Der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück sind verpflichtet, Maßnahmen zur Abwehr der von ihrem Grundstück drohenden schädlichen Bodenveränderungen zu ergrei-fen.«

§ 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG bestimmt die Sanierungspflicht der Grundstückseigentümer und anderer Verpflichteter:

»Der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück sind verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigun-gen von Gewässern so zu sanieren, daß dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.«

Die Bodenschutzbehörden — in Sachsen-Anhalt als untere Bodenschutzbehörde die Land-kreise und kreisfreien Städte (§ 16 Abs. 3 BodSchAG LSA) — sind zur Überwachung und Umsetzung bodenschutzrechtlicher Ge- und Verbote verpflichtet. Bei komplexen Altlasten sind das bodenschutzrechtliche Kernstück die Sanierungsuntersuchungen und die Sanierungs-planung gemäß §§ 13 und 14 BBodSchG. Das Ziel der Sanierung ist die Beseitigung der Altlasten. Sanierung umfaßt gemäß § 2 Abs. 7 BBodSchG Maßnahmen,

• durch die Schadstoffe beseitigt oder vermindert werden (Nr. 1: »Dekontaminations-maßnahmen«);

• die »eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern oder vermindern, ohne die Schadstoffe zu beseitigen« (Nr. 2: »Sicherungsmaßnahmen«);

• durch die schädliche Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Bodens beseitigt oder vermindert werden (Nr. 3).

Wird eine Altlast weder durch den Grundstückseigentümer noch durch andere zur Sanie-rung Verpflichtete saniert, hat die zuständige Behörde eine behördliche Sanierungsplanung durchzuführen und Anordnungen zur Altlastensanierung zu treffen. Diese Maßnahmen sind auf Kosten der Verpflichteten durchzuführen (§ 24 BBodSchG). Wesentliche Verkehrswert-steigerungen, die durch den Einsatz öffentlicher Mittel zur Durchführung bodenschutzrecht-licher Sanierungen erzielt werden, können zum Teil mittels eines Wertausgleichs abgeschöpft werden (§ 25 BBodSchG). Die bodenschutzrechtlichen Pflichten der Grundstückseigentümer sind nicht unbegrenzt. Zum einen begrenzt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 14 Abs. 1 GG) bodenschutzrechtliche Eigentumseingriffe, zum anderen ist in Ostdeutschland das Recht der Freistellung zu berücksichtigen.

b) Bodenschutz und Eigentumsschutz

Dem Altlasten-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts lagen zwei Verfassungsbeschwer-den von Eigentümern verunreinigter Grundstücke zugrunde, denen die Sanierung ihrer Alt-

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lasten aufgetragen worden waren. Das Bundesverfassungsgericht stellt zunächst klar, daß die Eigentümer eine auf eine Gefahren- oder Störungsbeseitigung gerichtete öffentlich-rechtliche Handlungspflicht träfe, keine bloße Geldleistungspflicht:

»Die maßgeblichen sicherheitsrechtlichen Eingriffsermächtigungen in Verbindung mit den Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit räumen den Behörden die Befugnis ein, den Eigentümer zur Gefahrenabwehr auf seine Kosten zu verpflichten. Der Gesetzestatbestand setzt auf Seiten des Zustandsverantwortlichen nur das gegenwärtige Eigentum an dem Grundstück, von dem die Gefahr ausgeht, voraus. Auch wenn häufig die finanzielle Belastung die wichtigste Konsequenz der Pflicht zur Altlastensanierung sein mag, rechtfertigt dies nicht, die Zustandsverantwortlichkeit und darauf gestützte Anordnungen der Behörden auf eine Geldlei-stungspflicht zu reduzieren. Wird der Eigentümer als Zustandsverantwortlicher in Anspruch genommen, ist originärer Inhalt der Verpflichtung seine auf eine Gefahren- oder Störungsbeseitigung gerichtete öffentlich-rechtliche Handlungspflicht. Kommt er dieser Pflicht nach, ergibt sich seine Belastung aus der notwendigen, kostenverursachenden Sanierung seines Eigentumsgegenstandes sowie letztlich aus dem Fehlen von Entschädi-gungs- oder Erstattungsansprüchen gegen den Träger öffentlicher Gewalt. Die andernfalls in Frage kommende Ersatzvornahme auf Kosten des Pflichtigen ist eines der herkömmlichen Instrumente der Verwaltungsvoll-streckung zur Durchsetzung originärer Handlungspflichten des Vollstreckungsschuldners« (BVerfGE 102 [2000] 1 [14] — Altlastensanierung).

Das Bundesverfassungsgericht erblickt in der Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers keine Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG), sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG):

»Die gesetzlichen Regelungen über die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers enthalten kei-ne Ermächtigung der Exekutive, ein bestimmtes, von ihr zur Wahrung öffentlicher Aufgaben benötigtes Ver-mögensobjekt ganz oder teilweise zu entziehen, sondern begründen in genereller und abstrakter Weise die Pflicht des Eigentümers, von seinem Grundstück ausgehende Gefahren für die Allgemeinheit zu beseitigen. Diese Vor-schriften und die daran anknüpfenden Befugnisse der Behörden bestimmen somit in allgemeiner Form den Inhalt des Grundeigentums. Der Staat, der den Zustandsverantwortlichen zum Zweck der Gefahren- oder Störungsbeseitigung in Anspruch nimmt, greift auch nicht auf das Grundstück zu, um es zur Erfüllung be-stimmter Gemeinwohlzwecke zu verwenden. Die Sanierung seines Grundstücks stellt sich im Übrigen aus der Sicht des Eigentümers vielfach nicht nur als fremdnützig, sondern jedenfalls bis zu einer gewissen Belastung auch als eigennützig dar, wenn die Altlast ihn in der Nutzung des Grundstücks faktisch beschränkt« (BVerfGE 102 [2000] 1 [16] — Altlastensanierung).

Das Bundesverfassungsgericht billigte die vom Altlastenrecht verfolgten öffentlichen Interes-sen, die vor allem in der staatlichen Schutzpflicht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG lägen. Daher sei es zulässig, anstelle des Verursachers den Grundstückseigentümer zur Sanierung heranzuziehen, insbesondere wenn die Sanierung von Altlasten »zugleich im privaten Interesse des Eigen-tümers« läge:

»Die Zustandsverantwortlichkeit findet ihren Grund in der mit dem Eigentum verbundenen Sachherrschaft sowie in der Verbindung von Vorteilen und Lasten der Sache. Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache auch dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist.

In einer Reihe von Fällen liegt die Sanierung von Altlasten überdies nicht allein im öffentlichen Interesse, sondern zugleich im privaten Interesse des Eigentümers, so dass die Sanierungspflichten weniger schwer wie-gen. Hiervon ist beispielsweise auszugehen, wenn Verunreinigungen des Bodens und des Grundwassers die Nutzung des Grundstücks beeinträchtigen oder gänzlich unmöglich machen und nur durch die Gefahrenbesei-tigung die Nutzbarkeit des Grundstücks wiederherzustellen ist. Außerdem werden durch die Sanierung regel-mäßig der Verkehrswert des Grundstücks und sein individueller Nutzungswert erheblich gesteigert.

Es ist daher von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Verwaltungsgerichte davon ausgehen, dass es für die Erfüllung der Voraussetzungen der Zustandsverantwortlichkeit unerheblich ist, auf welche Umstände der Gefahrenzustand zurückzuführen ist und ob der Eigentümer der Sache die Gefahr verursacht oder gar verschuldet hat. Es ist verfassungsrechtlich insbesondere nicht geboten, den Eigentümer in den Fällen, in denen er die Gefahr weder verursacht noch verschuldet hat, als Nichtstörer im Sinne der si-

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cherheitsrechtlichen Vorschriften zu qualifizieren, dem in jedem Fall eine Entschädigung wegen eingriffsbe-dingter Nachteile zu gewähren wäre. Der Zustandsverantwortliche muss auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen als stets nachrangig Haftender angesehen werden, dessen Inanspruchnahme nur dann ermessensfeh-lerfrei wäre, wenn Verursacher der Gefahr nicht (mehr) vorhanden oder zur Gefahrenbeseitigung außer Stan-de sind« (BVerfGE 102 [2000] 1 [18–19] — Altlastensanierung).

Allerdings werde die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers durch das Eigentumsgrundrecht und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt:

»Auch wenn die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers als solche mit der Verfassung in Einklang steht, so kann sie aber im Ausmaß dessen, was dem Eigentümer zur Gefahrenabwehr abverlangt werden darf, be-grenzt sein. Besondere Bedeutung hat hierbei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der nur erforderliche und im Hinblick auf den Zweck angemessene und zumutbare Grundrechtsbeeinträchtigungen zulässt. Das ist auch bei der Belastung des Eigentümers mit den Kosten einer Sanierungsmaßnahme zu beachten. Eine solche Belastung ist nicht gerechtfertigt, soweit sie dem Eigentümer nicht zumutbar ist. Im Rahmen der Verhältnis-mäßigkeitsprüfung ist die Belastung des zustandsverantwortlichen Eigentümers zu berücksichtigen und mit den betroffenen Gemeinwohlbelangen abzuwägen. …

Zur Bestimmung der Grenze dessen, was einem Eigentümer hierdurch an Belastungen zugemutet werden darf, kann als Anhaltspunkt das Verhältnis des finanziellen Aufwands zu dem Verkehrswert nach Durchführung der Sanierung dienen, spiegeln sich in dem Verkehrswert doch nicht nur die Erträge seiner eigenen Nutzung, sondern auch Vorteile, die ohne eigene Mitwirkung und Leistung entstehen. Das sind vor allem planungs- und marktbedingte Steigerungen des Grundstückswerts. Wird der Verkehrswert von den Kosten überschritten, entfällt in der Regel das Interesse des Eigentümers an einem künftigen privatnützigen Gebrauch des Grund-stücks. Er kann darüber hinaus nicht einmal damit rechnen, die entstehenden Kosten durch Veräußerung des Grundstücks gedeckt zu erhalten. Das Eigentum kann damit für ihn gänzlich seinen Wert und Inhalt verlie-ren. Mehr als einen Anhaltspunkt stellt der Verkehrswert allerdings unter anderem deshalb nicht dar, weil das individuelle Interesse des Eigentümers am Grundstück dessen Verkehrswert möglicherweise überschreitet« (BVerfGE 102 [2000] 1 [19–20] — Altlastensanierung).

Der Verkehrswert nach Sanierung ist kein absoluter Maßstab. Bildet das verunreinigte Grund-stück den wesentlichen Teil des Vermögens eines Eigentümers, können Sanierungskosten bis zur Höhe des Verkehrswerts unzumutbar sein. Umgekehrt können auch höhere Sanierungs-kosten auferlegt werden, wenn der Eigentümer das Altlastenrisiko bewußt in Kauf genommen hat (BVerfGE 102 [2000] 1 [21] — Altlastensanierung).

Die Begründung des Bundesverfassungsgerichts gilt auch für die Auslegung des geltenden Bodenschutzrechts, namentlich für die Eigentümerpflichten (§ 4 BBodSchG) sowie die Sanie-rungsuntersuchungen und die Sanierungsplanung (§§ 13 und 14 BBodSchG). Das Eigen-tumsgrundrecht und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzen die Sanierungspflicht der Eigentümer verunreinigter Grundstücke, der Verkehrswert bildet eine Richtschnur für die Zumutbarkeit behördlich verfügter Kostenbelastung.

c) Bodenschutz und Freistellungsrecht

Eine weitere, für brachgefallene Grundstücke im Magdeburger Südosten wichtige Ein-schränkung der bodenschutzrechtlichen Sanierungspflichten der Eigentümer bildet das Frei-stellungsrecht. Das Recht der Freistellung folgt aus Art. 1 § 4 Abs. 3 Umweltrahmengesetz der Deutschen Demokratischen Republik vom 29. Juni 1990. Die Bestimmung wurde zu-nächst durch Kapitel XII Nr. 1 lit. b der Anlage II zum Einigungsvertrag und sodann durch das Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen vom 22. März 1991, BGBl. I S. 766, folgendermaßen gefaßt:

»Eigentümer, Besitzer oder Erwerber von Anlagen und Grundstücken, die gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, sind für die durch den Betrieb der Anlage

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oder die Benutzung des Grundstücks vor dem 1. Juli 1990 verursachten Schäden nicht verantwortlich, soweit die zuständige Behörde im Einvernehmen mit der obersten Landesbehörde sie von der Verantwortung frei-stellt. Eine Freistellung kann erfolgen, wenn dies unter Abwägung der Interessen des Eigentümers, des Besit-zers oder des Erwerbers, der durch den Betrieb der Anlage oder die Benutzung des Grundstücks möglicher-weise Geschädigten, der Allgemeinheit und des Umweltschutzes geboten ist. Die Freistellung kann mit Aufla-gen versehen werden. Der Antrag auf Freistellung muß spätestens innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen [= 29. 3. 1992] gestellt sein. Im Falle der Freistellung treten an Stelle privatrechtlicher, nicht auf besonderen Titeln beruhender Ansprüche zur Abwehr benachteiligender Einwirkungen von einem Grundstück auf ein benachbartes Grundstück Ansprüche auf Schadensersatz. Die zuständige Behörde kann vom Eigentümer, Besitzer oder Erwerber jedoch Vorkehrungen zum Schutz vor benachteiligenden Einwirkun-gen verlangen, soweit diese nach dem Stand der Technik durchführbar und wirtschaftlich vertretbar sind. Im übrigen kann die Freistellung nach Satz 1 auch hinsichtlich der Ansprüche auf Schadensersatz nach Satz 4 sowie nach sonstigen Vorschriften erfolgen; auch in diesem Fall ist das Land Schuldner der Schadensersatzan-sprüche.«

Das Freistellungsrecht ist Wirtschaftsförderung durch Ökodumping. Investoren, die bereits entwickeltes Gewerbebauland in Ostdeutschland nach der Wende nutzen wollen, sollten nicht durch umweltrechtliche Pflichten auf die »grüne Wiese« gedrängt werden (Janka und Eggers 1995; Michel 2000: 466). Allerdings führt die Freistellung nicht jedenfalls zur völli-gen Befreiung von umweltrechtlichen Pflichten. In der Verwaltungspraxis wurde die Frei-stellung zunehmend als finanzielle Förderung von 90% der Kosten der Sanierung einer Altlast interpretiert (Dannecker und Klink 2003: 163). An die Stelle der im Bodenschutzrecht zur Sanierung Verpflichteten trat somit die öffentliche Hand, die Kostenteilung zwischen Bund und neuen Ländern wurde mittels Verwaltungsvereinbarung geregelt.

Die Übernahme der Freistellungsklausel war offenbar als Übergangsregelung geplant, die Freistellung mußte bis spätestens 29. 3. 1992 (nach Kapitel XII Nr. 1 lit. b der Anlage II zum Einigungsvertrag noch: 31. 12. 1991) beantragt worden sein. Allerdings erwies sich die Freistellungsklausel als langlebig. Viele Freistellungsanträge blieben unbearbeitet, was unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten heftig kritisiert wurde (Dannecker und Klink 2003: 160). Freilich hat die Nichterledigung mancher Anträge auch Vorteile, insbesondere wenn der Antrag zwar zeitgerecht gestellt wurde, die Freistellungsvoraussetzungen aber im Jahr 1992 nicht zur Gänze erfüllt waren. Statt solche Anträge abzulehnen, wurden sie unerledigt ge-lassen. In diesem Fall kann — wie hier ohne Einschätzung der Rechtmäßigkeit festgestellt wird — ein Investor zu einem späteren Zeitpunkt anstelle des ursprünglichen Antragstellers in das Verfahren eintreten und erfolgreich eine Freistellung erwirken. Dies erklärt den Be-arbeitungsbedarf im Freistellungsrecht auch viele Jahre nach Ende der Antragsfrist.

In Sachsen-Anhalt wurde 1999 — also sieben Jahre nach Verstreichen der Antragsfrist — die Landesanstalt für Altlastenfreistellung eingerichtet (§ 1 LAFG). Die Landesanstalt bear-beitet Altlastenfreistellungsanträge, erstellt Freistellungsbescheide, entscheidet über notwen-dige Sanierungsmaßnahmen und begleitet und kontrolliert Sanierungsprojekte (§ 2 Abs. 2 LAFG). In diesem Zusammenhang werden auch umfangreiche Fördermittel des Bundes und des Landes Sachsen-Anhalt eingesetzt. Nach der Auflösung der Bundesanstalt für vereini-gungsbedingte Sonderaufgaben wird ein Bauschbetrag, mit dem der Bund seine Verpflich-tungen abgelöst hat, von den Ländern bewirtschaftet und werden in Sachsen-Anhalt »nicht benötigte Mittel … auf dem Kapitalmarkt gewinnbringend angelegt« (Homepage der Landes-anstalt für Altlastenfreistellung: www.sachsen-anhalt.de/LPSA; Abfrage: 5. 9. 2006).

Die Reichweite der Freistellung gemäß Art. 1 § 4 Abs. 3 DDR-Umweltrahmengesetz hängt vom Einzelfall ab. Freigestellte Gewerbetreibende sind »für die durch den Betrieb der

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Anlage oder die Benutzung des Grundstücks vor dem 1. Juli 1990 verursachten Schäden nicht verantwortlich«. Der Wortlaut wirft viele Fragen auf:

• Gilt die Freistellung auch für Schäden, die heute durch Altlasten verursacht werden, die sich bereits vor dem 1. Juli 1990 auf einem Grundstück befanden?

• Liegt ein »Schaden« darin, daß mit dem Inkrafttreten des BBodSchG den Grundstücks-eigentümer besondere Sanierungspflicht als Zustandsstörer treffen?

• Wie lange gilt die Freistellung, insbesondere in allen Fällen, in denen eine Sanierung unterbleibt, weil sich kein Investor findet?

Je nach der Formulierung eines Freistellungsbescheides könnte der Eigentümer einer Altlast unterschiedlich weitreichende Rechte erworben haben, die ihn von der Befolgung des Um-weltrechts, insbesondere des Bodenschutzrechts, entpflichten. Diese Entpflichtung genießt als Inhaltsbestimmung des Grundstückseigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) erhöhten Bestands-schutz. Für welchen Zeitraum und in welchem Umfang die Privilegierung gewährt wurde, hängt vom individuellen Verwaltungsakt ab. Die geringe Anzahl gerichtlicher Urteile zum Freistellungsrecht (Michel 2000) könnte ein Anzeichen für einen behutsamen Umgang ost-deutscher Verwaltungsbehörden mit der ungewöhnlichen Privilegierung sein. Allerdings verzerrt die Freistellung auch den Bodenmarkt, weil Investitionen in Gewerbebetriebe ge-genüber anderen Bodennutzungen begünstigt werden. Mag diese Marktverzerrung in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung gerechtfertigt gewesen sein, erscheint sie heute eher als Hindernis für nachhaltige Bodennutzungen. Dies gilt insbesondere für brachliegende Grundstücke, deren gewerbliche Wiedernutzung unwahrscheinlich ist.

IV. Die leere Stadt und ihr Boden

In der leeren Stadt tritt anstelle einer Ökonomie des Verkaufens und Vermietens eine Ökonomie des Behaltens städtischer Grundstücke: Der Boden geht nicht zum besten Wirt, der Boden bleibt beim letzten Wirt. In der leeren Stadt wird das Verhalten der Grund-stückseigentümer daher vor allem durch ihre Rechtsstellung, weniger durch die Kräfte des Bodenmarkts bestimmt. Da die Leere keine oder nur wenige ertragreiche Bodennutzungen erlaubt, werden die Eigentümer nicht durch Ertragserwartungen zum besten Gebrauch ihres Bodens angeleitet. Die hohen Kosten für Umnutzungen im Bestand lenken Investitionen, wenn überhaupt welche getätigt werden, auf bisher ungenutzte Grundstücke, die ohne zu-sätzlichen Aufwand erschlossen und genutzt werden können. Im Wettbewerb zwischen Groß-städten und ihrem Umland werden Investoren nur selten unter Druck gesetzt, Immobilien-entwicklungen im Bestand vorzunehmen. Die beteiligten Kommunen und wohl auch das Land Sachsen-Anhalt befürchten, interessierte Investoren durch rigorose Verbote der Aus-weitung der Siedlungs- und Verkehrsfläche abzuschrecken, zumal mit der Um- und Nach-nutzung des Bestandes auch stets ein gewisses Altlastenrisiko verbunden ist. Die Gleichzeitig-keit von Stillstand im Bestand und dynamischer Erweiterung der Siedlungsfläche gehört zu den nur scheinbar paradoxen Merkmalen der leeren Stadt ( S. 17).

Wie wirkt sich die merkwürdige Gleichzeitigkeit von Wachstum und Stillstand auf die Eigentümer der Bestandsgrundstücke aus? Mögen sie den Umstand, daß die wenigen Neu-entwicklungen an ihnen vorbeigehen auch als schmerzhaft empfinden, werden sie die Leere — und zwar im Wissen um ihre Rechtsposition — nicht unbedingt als Entwertung wahr-

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nehmen. Für die Eigentümer der Bestandsgrundstücke tritt an die Stelle des ökonomischen der territoriale Bodenwert, der den Stillstand in der leeren Stadt aus folgenden Gründen verstärkt:

• Die Bestandsgrundstücke befinden sich häufig in einer attraktiveren Lage als peripher gelegene Grundstücke, auf denen Baumärkte, Spaßbäder, Einkaufszentren entwickelt werden. Eigentümer solcher Grundstücke können darauf warten, daß die Nutzungsdy-namik in zentrumsnähere Lagen der leeren Stadt zurückkehrt. Alle vorangegangenen In-vestitionen bilden eine wichtige Grundlage des (wenngleich geringen) ökonomischen Werts der brachgefallenen Bestandsgrundstücke. Mögen die Investitionen infolge Leer-stands gegenwärtig keine Erträge abwerfen, so handelt es sich doch um »versteinertes« Kapital, das in Baulichkeiten und Erschließungsanlagen aufbewahrt wird. Selbst wenn die Leere zur Verwahrlosung oder zum Verfall der Baulichkeiten und Erschließungsanlagen führen sollte, bleibt den Eigentümern der rechtlich abgesicherte Vorteil strategischer Ver-fügungsgewalt über eine siedlungsnahe »Lage«.

• Ein Hindernis für Umnutzungen und Eigentümerinvestitionen bildet auch das Umwelt-recht. Solange ertragreiche Nutzungsperspektiven ausbleiben, lastet die bodenschutzrecht-liche Sanierungspflicht auf dem Grundstückseigentum ( S. 69). Wenngleich der Eigen-tümer durch den Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG vor behördlichen Sanie-rungsaufträgen bewahrt wird, deren Kosten — grob gesprochen — den Verkehrswert nach Sanierung übersteigen ( S. 70), ist die Nichtsanierung einer schädlichen Bodenverän-derung kein erlaubtes Verhalten. Daher werden Eigentümerinvestitionen ebenso wie po-tentielle Käufer durch einen offenen Altlastenverdacht abgeschreckt.

• In Ostdeutschland folgt aus dem Freistellungsrecht ein zusätzliches — unfreiwilliges — Hindernis für Umnutzungen: Da die Freistellung und die öffentliche Förderung der Alt-lastensanierung an die gegenwärtige oder künftige gewerbliche Nutzung belasteter Grund-stücke gebunden ist ( S. 72), wollen Eigentümer an der Hoffnung baldiger gewerbli-cher Nutzung festhalten. Für Eigentümer, die in ihre Grundstücke tatsächlich investieren und gewerbliche Tätigkeiten fortsetzen, ist die Freistellung eine attraktive Subvention (und gehört wohl zur Erfolgsgeschichte der Wirtschaftsförderung in Sachsen-Anhalt). Für Eigentümer, die ihre Grundstücke aufgrund der Wirtschaftslage nicht mehr gewerb-lich nutzen können, verursacht die Freistellung hingegen eine Sperrwirkung: Wer zugibt, sein Grundstück sei nur mehr totes Land oder Leerraum, verliert die letzte Hoffnung auf staatliche Unterstützung der Sanierung — und damit auch die Hoffnung auf künftige Nachnutzungen.

Aus den angeführten Gründen wird eine Partnerschaft mit dem Ziel der Renaturierung ehemaliger Gewerbe- und Industrieflächen zwischen den Eigentümern der Bestandsgrund-stücke und der leeren Stadt kaum, jedenfalls nicht spontan entstehen. Der Interessengegensatz zwischen dem abwartenden Behalten und dem Wunsch nach Mobilisierung renaturierter Landschaft ist einfach zu groß. Doch weshalb kann die Stadt diesen Interessengegensatz nicht überwinden und ist auf eine Zustimmung der Eigentümer angewiesen? Die Antwort auf diese Frage liegt im Grundstückseigentum.

Die Ökonomie des Behaltens ( S. 36) wäre ohne das Recht der Eigentümer undenk-bar, ihre brachgefallenen Bestandsgrundstücke behalten zu dürfen. Um planerische Steue-rungsmöglichkeiten der Bodennutzung in der leeren Stadt ( S. 91) besser abschätzen zu

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können, waren daher die Rechte und Pflichten der Grundstückseigentümer näher zu be-trachten ( S. 55 und 62). Dabei zeigte sich: Die Possessivökonomie der leeren Stadt ge-nießt den vollen Schutz des Bodenverfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland. Doch was genau bedeutet diese Aussage? Immerhin wurde die grundrechtliche Gewährleistung des privaten Eigentums weder in Westdeutschland im Jahr 1949 für die leere Stadt eingerichtet noch im Jahr 1990 im Bewußtsein um die leere Stadt in Ostdeutschland eingeführt. Für die Zeit nach 1990 treffen daher in Ostdeutschland zwei Entwicklungen zusammen, nämlich

• die Transformation der Bodenverfassung der Deutschen Demokratischen Republik in die Bodenverfassung der Bundesrepublik Deutschland (Art. 14 GG in Verbindung mit Art. 3 und 8 Einigungsvertrag) und

• die Wahrnehmung der leeren Stadt, insbesondere durch die Förderprogramme »Stadtum-bau Ost« und »Stadtumbau West«.

Die Transformation von Wirtschaftssystemen und institutionellen Eigentumsarrangements ist mit Brüchen und Kontinuitäten verbunden. Trotz eines neuen Eigentumsarrangements (Bruch) können sich die geschaffenen städtebaulichen Strukturen als beharrlich erweisen (Kontinuität). Der Brachfall dieser Strukturen (Bruch) zieht nicht unbedingt eine Umnutzung des Bodens nach sich (Kontinuität). Insgesamt ist Transformation kaum überschaubar, was eine Interpretation ihrer Ergebnisse — insbesondere eine Kausalerklärung — erschwert.

Worin besteht der Zusammenhang zwischen Transformation und Stadtumbau? Die ge-genwärtigen Bodennutzungs- und Eigentumsverhältnisse im Südosten Magdeburgs können ohne den Rückgriff auf Transformation und »Schrumpfung« nicht erklärt werden. Damit ist nicht gemeint, die Lage des Magdeburger Südostens wäre durch die Wiedervereinigung verschuldet worden. Allerdings sind die Bodennutzungs- und Eigentumsverhältnisse in den Stadtteilen Buckau, Fermersleben, Salbke und Westerhüsen das Resultat einer wirtschafts-geschichtlichen Entwicklung, die auch die Zeit der DDR und Wiedervereinigung umfaßt. Dem Aufbau der Industrie seit dem frühen 19. Jahrhundert und der enormen kriegswirt-schaftlichen Bedeutung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts folgte 1989 der Zusam-menbruch. Unternehmen, die Magdeburg in der DDR zur »Stadt des Schwermaschinenbaus« gemacht hatten, verloren durch die Wiedervereinigung ihre bisherigen Wirtschaftspartner und konnten keine neuen Märkte gewinnen. Die Folge für den Magdeburger Südosten war eine — politisch und wirtschaftlich bedingte — »Entindustrialisierung«, wie Hans-Joachim Wegner, Verwaltungsdirektor der Industrie- und Handelskammer Magdeburg, feststellt:

»Die Auflösung der alten zentralistischen Strukturen der Kombinate, ihre Entflechtung und Privatisierung, mußte zu Gunsten bodenständiger mittelständischer Strukturen durchgesetzt werden. Verbunden war dieser Privatisierungsprozeß mit einem massiven Arbeitsplatzabbau. Die große Zahl neu geschaffener Arbeitsplätze konnte eine hohe Arbeitslosigkeit von immer noch 20% nicht verhindern. Die Privatisierung der ehemals strukturbestimmenden Betriebe (SKET, SKL, MAW etc.) zeigte leider Tendenzen einer Entindustrialisierung« (Wegner und Wenzel 2004: 691).

Zweifellos bietet die Wirtschaftsgeschichte der Landeshauptstadt Magdeburg ein anschauli-ches Beispiel für den zeitlichen Zusammenhang zwischen Wiedervereinigung, Werksschlie-ßungen, Eigentümerwechsel, Brachfall ( S. 3). Ein zeitlicher Zusammenhang beweist jedoch keine Kausalität. Der Strukturwandel im Ruhrgebiet, gekennzeichnet durch den Ver-lust der meisten Industriearbeitsplätze (Bömer 2000; Goch 2002), kann als Indiz dafür ge-wertet werden, daß die Großindustrie am Ende des 20. Jahrhunderts auch in Westdeutsch-land schwerwiegende wirtschaftliche Probleme hatte. Vermutlich konnten die großflächigen

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Industriebetriebe im Magdeburger Südosten auch unabhängig von der Transformation nicht mehr wirtschaftlich arbeiten. Freilich erhielt der Strukturwandel in Magdeburg seine kon-krete Erscheinungsform durch Wiedervereinigung und Transformation. Das gilt insbesonde-re für den Wechsel der Eigentümer der Industriegrundstücke im Magdeburger Südosten. Keiner der gegenwärtigen Eigentümer hätte seine Rechtsstellung erlangt, hätte nicht der Transformationsprozeß nach der Wiedervereinigung stattgefunden.

Die leere Stadt ist auch kein auf Ostdeutschland beschränktes Phänomen, wiewohl die Entdeckung der »Schrumpfung« häufig mit dem Stadtumbauprogramm für Ostdeutschland assoziiert wird. Doch bereits zur Zeit der Wiedervereinigung waren die »schrumpfende Ge-sellschaft« oder die »schrumpfende Stadt« unter Fachleuten ein Thema. Für Westdeutsch-land wurde festgestellt, die »kontinuierlichen Bevölkerungsverluste der Großstädte begannen schon Mitte der sechziger Jahre« (Häußermann und Siebel 1987: 27). Am Beispiel der Landeshauptstadt Magdeburg läßt sich allerdings zeigen, daß es wiederum einen — zumin-dest zeitlichen — Zusammenhang zwischen der Wiedervereinigung und der städtischen Ent-dichtung gibt. Diese Entdichtung wird, wie dargestellt, durch die markante Veränderungen zweier Größen verursacht, nämlich des Anwachsens der Siedlungs- und Verkehrsfläche und des Rückgangs der Bevölkerungszahl ( S. 17). Beide Entwicklungen wären ohne Wieder-vereinigung und Transformation wohl nicht so deutlich ausgefallen, womöglich sogar aus-geblieben. Allerdings ist die Entdichtung Magdeburgs oder anderer deutscher Städte, die einen ähnlichen Befund wie Magdeburg zeigen, nicht ohne weiteres durch die »schrump-fende Gesellschaft« oder »schrumpfende Stadt« erklärbar. Immerhin entsprechen erhebliche Ausweitungen der Siedlungs- und Verkehrsfläche oder die voranschreitende und nachholen-de Suburbanisierung kaum dem Bild einer »Schrumpfung«. Erst die populärwissenschaftli-che Aufbereitung demographischer und sozioökonomischer Tatsachen, die staatliche Förde-rung des Stadtumbaus, die Einführung neuer planungsrechtlicher Instrumente, die künstle-rische Interpretation als shrinking cities haben die Inszenierung unzusammenhängender Phänomene ( Tabelle 3, S. 15) als »Schrumpfung« ermöglicht. Diese Wahrnehmung, also die mentale Konstruktion der leeren Stadt, richtete sich in Deutschland gewiß zunächst auf ostdeutsche Städte (Gatzweiler u.a. 2003). Die höchste Aufmerksamkeit in der ersten Wahrnehmungsphase erlangte die Stadt Leipzig und ihr Konzept der planerischen Bewälti-gung einer »perforierten Stadt« (Lütke Daldrup und Doehler-Behzadi 2004).

Zu Hintergrund und Auswirkungen der eigentumsrechtlichen Transformation wurden nur wenige Untersuchungen veröffentlicht (Bielenberg u.a. 1990; Heuer 1991). Die bodenpoliti-sche Aufmerksamkeit galt offenen Vermögensfragen, der Sachenrechtsbereinigung, der Siche-rung des Wirtschaftsstandorts Deutschland, der Investitionsbeschleunigung, der »Bereinigung der Bodenreform«. In der Geschichte der deutschen Einheit bildeten gerade die »offenen Ver-mögensfragen« einen außerordentlich heiklen Punkt (Grosser 1998: 330–339). Boden- und Eigentumsfragen erwiesen sich im Einigungsprozeß als so schwierig, daß eine abschließende Regelung durch den Einigungsvertrag nicht möglich war. Anlage III zum Einigungsvertrag enthält den politischen Lösungskompromiß, die Gemeinsame Erklärung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermö-gensfragen vom 15. Juni 1990. Das Vermögensgesetz, Art. 230–237 EGBGB und eine Viel-zahl besonderer Rechtsvorschriften sollten die offenen Vermögensfragen in der geeinten Bun-desrepublik Deutschland zumindest schrittweise beantworten. Ob die Transformation der Bodenverfassung der Deutschen Demokratischen Republik in die Bodenverfassung der Bundesrepublik Deutschland den tatsächlichen Problemlagen in den neuen Ländern gerecht

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werden konnte, wurde als Problem nicht ernsthaft in Betracht gezogen. Das Eigentum (als Institution der Bundesrepublik Deutschland) mußte sich daher auch ohne situationsbezoge-ne Anpassungen unter den Gegebenheiten der Wiedervereinigung bewähren. Diese Bewäh-rung konnte in den neuen Ländern weder auf eine gefestigte Eigentumskultur vertrauen noch mit verbreiteter Rechtskenntnis rechnen. Da die Rechtstatsachen der Transformation des Eigentums nach der Wiedervereinigung weitgehend unerforscht blieben, können die Wir-kungszusammenhänge und Folgen der Transformation höchstens an Einzelfällen — wie etwa dem Rechtsstreit um die »demokratische Bodenreform« — abgeschätzt werden.

Die leere Stadt ist die Fortsetzung der »offenen Vermögensfragen« mit anderen Mitteln: Zwischen politischem Umbruch und wirtschaftlichem Strukturwandel einerseits und groß-flächiger Privatisierung und geringen Erträgen andererseits tut sich eine Leere auf. Der Stadtumbau bemüht sich darum, diese Leere zu füllen, etwa indem ein Überangebot von Wohnungen durch Abbruch (Rückbau) vom Markt genommen werden. Das urbane down-sizing dieser Art des Stadtumbaus beruht auf der bodenpolitischen Fehleinschätzung des gefühlten Wertverlustes und verbreitet Abbruchstimmung (Davy 2005b: 67–70).

Die Bodenpolitik des urbanen downsizing interpretiert die Leere ausschließlich als Be-raubtsein, die in der Leere enthaltenen Möglichkeiten werden ignoriert. Dabei ruft uns die Leere in Erinnerung, daß das Eigentum zunächst nur ein Normenblankett ist (Renner 1929: 94), ein Bündel von Verfügungsrechten, dessen konkreter Gebrauch stark von indivi-duellen Strategien des jeweiligen Eigentümers abhängt. Die Abhängigkeit der Bodennutzung von Aneignungsstrategien ist kein auf die leere Stadt beschränktes Phänomen. Allerdings fällt in der leeren Stadt die Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen — zum Teil gegen-sätzlichen, zum Teil einander ergänzenden — Aneignungsstrategien besonders auf. In der leeren Stadt ist »Eigentum« ein Schlüsselbegriff für das Spannungsverhältnis zwischen dem Beraubtsein durch die Leere und den Möglichkeiten der Leere ( S. 17). Eigentum in der leeren Stadt vermittelt stets auch Teilhabe an der Leere: Leerstand, Bevölkerungsrückgang, Verfall des Quartiers, verwahrloste Nachbarschaft. Im folgenden werden daher die Aneig-nungsstrategien in der leeren Stadt betrachtet, um das Grundstückseigentum in der leeren Stadt in einen eigentumstheoretischen Zusammenhang zu stellen.

V. Aneignungsstrategien in der leeren Stadt

A. Eigentum und Eigensinn

1. Aneignungsstrategien als Sinndeutungen

Eigentümer gebrauchen ihre Sachen unterschiedlich, nehmen ihre Eigentumsrechte und -pflichten auf vielfältige Weisen wahr. Die Vielfalt der Eigentumsnutzungen betrifft alle Aspekte des Eigentums:

• Wie viele Sachen möchte ich als Eigentum haben?

• Wie nützlich ist der Gebrauch meiner Sachen?

• Wie schütze ich mich vor Eigentumsverletzungen?

• Auf welche Weise teile ich mein Eigentum mit anderen?

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• Wie zeige ich durch mein Eigentum, wie wohlhabend und bedeutend ich bin?

Kaum zwei Menschen beantworten diese Fragen auf dieselbe Weise. Gleichwohl bieten die Unterschiede im Eigentümerverhalten zwar ein abwechslungsreiches Bild, sie sind aber we-der beliebig noch zufällig. Diese Unterschiede können als Erscheinung pluraler Rationalitä-ten (Polyrationalität) beschrieben werden (vgl. zum folgenden Davy 2004a: 143–150).

Die Anthropologin Mary Douglas beschreibt Polyrationalität als eine fortwährende Wi-dersprüchlichkeit sozialer Systeme, die im Krieg mit sich selbst stünden:

»Perhaps all social systems are built on contradiction, in some sense at war with themselves« (Douglas 1966: 140).

Soziale Systeme würden durch äußere und innere Grenzen bestimmt (Douglas 1966: 114–139), doch wären diese Grenzen stets eine kollektive Konstruktion, zu der mehrere Rationa-litäten beitragen müßten (Douglas und Wildavsky 1983: 186–198; Douglas 1992: 255–270). Soziale Systeme lassen sich daher nicht als rational oder irrational beschreiben, sie sind polyrational. Mit Polyrationalität ist gemeint, daß verschiedene Rationalitäten zugleich wirken, wobei für »Rationalitäten« auch andere Ausdrücke verwendet werden: Rationalitäts-typen, Weltbilder, Mythen, Kulturen, Identitäten, Eigensinn. Die Rationalitäten stehen mit-einander im Widerspruch, sie ergänzen einander aber auch. Sie sind »Filter«, mit denen soziale Sachverhalte wahrgenommen und Verhaltensstrategien entwickelt werden (Douglas 1966, 1978, 1992 und 1996; Douglas und Wildavsky 1983; Ellis und Thompson 1997; Schwarz und Thompson 1990; Thompson u.a. 1990; Thompson u.a. 1999; Thompson 2003).

In der durch Mary Douglas begründeten Theorie der Polyrationalität wird soziales Ver-halten — die Befolgung religiöser Tabus, sexuelle Praktiken, Risikoentscheidungen, Konsu-mentennachfrage, die Aneignung von Sachen — durch das Zusammenspiel von vier Ratio-nalitätstypen erklärt: Hierarchie, Gemeinschaft, Individualismus, Fatalismus:

• Die Rationalität der Hierarchie hebt Ordnung und Kontrolle hervor.

• Die Rationalität der Geme nscha unterstreicht Gruppenbindung und Solidarität. i ft

• Die Rationalität des Individualismus betont Eigenverantwortlichkeit und Wettbewerb.

• Die Rationalität des Fatalismus zeichnet sich durch Gelassenheit oder Gleichgültigkeit aus.

Die vier Rationalitätstypen erzeugen ungleiche Deutungsmuster, weshalb die vier Rationali-täten ungleiche Aneignungsstrategien entwickeln.

Dazu ein Beispiel: Für ein Wirtschaftsunternehmen, das viele Betriebsstandorte unterhält, bedeutet Grundstückseigentum etwas anderes als für eine Familie, die wegziehen möchte, aber keinen Käufer für ihr Haus findet. Das Wirtschaftsunternehmen handelt eher nach der Rationalität der Hierarchie, das Eigentum an einem konkreten Grundstück ist Element in einer verzweigten Ordnung unternehmenseigener Standorte. Die verkaufsbereite Familie handelt eher nach der Rationalität des Individualismus. Vielleicht kann man doch einen Käufer interessieren, wenn man beim Preis nachläßt?

Die Sinndeutungen dieser Aneignungsstrategien stehen in einem bemerkenswerten Zu-sammenhang, denn keine dieser Sinndeutungen ist erschöpfend oder überflüssig. Keiner der vier Rationalitätstypen macht die anderen Rationalitätstypen entbehrlich, es kann aber auch

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keine der vier Sinndeutungen ohne Sinnverlust weggelassen werden.

2. Eigensinn

Betrachtet man Bodennutzungen, lautet die Frage nicht, ob sie für Eigentümer nützlich sind. Die Frage lautet vielmehr: Entspricht die Bodennutzung den Rationalitäten der betei-ligten Eigentümer? Liebevoll gepflegte Vorgärten und riesige asphaltierte Parkplätze, hohe Zäune und offene Türen, funktionelle Bürohochhäuser und gemütliche Wohnzimmer — das alles sind Beispiele für unterschiedliche Sinngebung bei der Immobiliennutzung, für vieler-lei Arten des Eigensinns. Ein modernes Büro darf nicht wie ein Wohnzimmer aussehen, offene Türen widersprechen hohen Zäunen. Doch könnten wir daraus schließen, das solche Widersprüche irrational wären? Gewiß, wir können die Praxis der Bodennutzungen irratio-nal nennen, jedoch folgt daraus keine Erklärung, wie Bodennutzungen unter polyrationalen Bedingungen organisiert werden könnten. Jeder der vier Rationalitätstypen begründet eine Ausprägung des Eigensinns. Dabei bedeutet Eigensinn nicht Starrköpfigkeit, sondern jenes Wirken subjektiver Identitäten, bei dem aus den tiefen Überzeugungen einer Person einzel-ne Interessen und Präferenzen gebildet werden. Der Eigensinn hat nichts mit politischen, wissenschaftlichen, sozioökonomischen Standpunkten zu tun, es handelt sich um eine Le-bensform:

»Wer eigensinnig ist, gehorcht einem anderen Gesetz, einem einzigen, unbedingt heiligen, dem Gesetz in sich selbst, dem ›Sinn‹ des ›Eigenen‹ « (Hesse 1998: 118).

Eigensinn weckt die Bereitschaft, aus eigener Initiative und auf eigenes Risiko zu handeln. Eigensinn befähigt auch zu eigenständigem, visionärem Denken. Erblickt das Bundesverfas-sungsgericht im verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) die »Grundlage privater Initiative in eigenverantwortlichem privatem Interesse« (BVerfGE 104 [2001] 1 [8 f] — Baulandumlegung), liegt darin die Anerkennung des Eigensinns als verfas-sungsrechtlicher Kategorie. Doch läßt sich Eigensinn begrifflich so einfach fassen, ja läßt sich Eigensinn objektivieren? Wohl kaum. Jeder Versuch, den Eigensinn zugunsten einer »objektiven« Sichtweise zurückzudrängen, stößt auf Gegenwehr. Besonders heftig fällt die Gegenwehr aus, würde unter dem Tarnschleier der Objektivierung unternommen, beispiels-weise individualistischen Eigensinn nach der Rationalität der Hierarchie zu fassen. Rasch würde sich zeigen, daß Eigensinn eben nicht objektivierbar ist.

Aus diesem Merkmal des Eigensinns ergeben sich wichtige Folgerungen für politisches Handeln. Eigensinn ist eben nicht nur ein Hindernis für das menschliche Zusammenleben, er kann auch zugunsten einer Änderung der Bodennutzungen angewendet werden, etwa für ein bodenpolitisches Konzept. Freilich müssen die Sichtweisen und Identitäten der Beteilig-ten respektiert werden. Die Rationalität des Konzepts darf den Beteiligten nicht einfach aufgedrängt werden, sie muß auf die Rationalitäten der Beteiligten antworten. Ist diese Bedingung zugunsten des Eigensinns erfüllt, wird rationale Bodenpolitik zu responsiver Bodenpolitik (Davy 2005a).

B. Situationszentrierte Polyrationalität

Die hier verwendete Theorie der Polyrationalität ist situationszentriert, nicht akteurszen-triert. Sie erklärt nicht, was einzelne Nachbarn, Stadtplaner, Wirtschaftsunternehmen tun, sie trifft Aussagen über bestimmte Argumentations- und Handlungsmuster, die regelmäßig in sozialen Situationen auftreten. Solche Situationen können den Streit über eine Grund-

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stücksgrenze, die Verhandlungen über Umnutzungen oder die Bildung eines Netzwerkes für Bodenmanagement in der leeren Stadt betreffen. Wie — nicht: durch wen — werden hierar-chische, egalitäre, individualistische, fatalistische Rationalitäten eingesetzt, um in solchen Situationen zu argumentieren und zu handeln?

Die durch Mary Douglas begründete Theorie der Polyrationalität ist für eine situations-zentrierte Analyse und Gestaltung aus mehreren Gründen geeignet. Zunächst unterstreicht diese Theorie, daß sich handelnde Subjekte zwar rational verhalten, aber unterschiedliche Rationalitätsmaßstäbe anlegen. Vielen Theorien liegt ein Verhaltensmuster zugrunde, das alle Erklärungen dominiert, so etwa das Rationalitätsprinzip des homo oeconomicus in der Volkswirtschaftslehre. Andere Theorien, ebenso monorational, erklären durch Gegensätze: rechtmäßiges und rechtswidriges Verhalten in der Jurisprudenz seit Ulpian, antagonistische Klassenwidersprüche bei Karl Marx, Wirtschaft und Gesellschaft bei Max Weber. Demge-genüber geht eine Theorie der Polyrationalität davon aus, daß es viele Rationalitäten gibt: Was einigen Beteiligten rational erscheint, mag anderen unvernünftig vorkommen. Treten verschiedene Rationalitätstypen in Erscheinung, warnt die Theorie der Polyrationalität da-vor, allzu rasch auf die »Irrationalität« einzelner Beteiligter zu schließen.

Gewiß ist es für die egalitäre Rationalität irrational, eine Industriebrache einfach einzu-zäunen und dem Zugang durch Nachbarn und Spaziergänger zu entziehen. Umgekehrt ist aber für die Rationalität der Hierarchie bedeutsam, die unternehmerischen Interessen an strategisch gelegenen Grundstücken zu wahren und keine unnötigen Haftungsprobleme hervorzurufen. Beide Sichtweisen sollten nicht an einem bestimmten Rationalitätsmaßstab gemessen und als rational akzeptiert oder als irrational verworfen werden. Vielmehr sollten beide Vorschläge als Manifestation ungleicher Rationalitäten verzeichnet werden.

Eine Kategorisierung durch genau vier Rationalitätstypen leidet unter denselben Schwä-chen wie jede andere Kategorisierung. Die Theorie der Polyrationalität behauptet nicht, daß es nur vier Rationalitätstypen gäbe. Gewiß können viele weitere Rationalitäten beschrieben werden, die größere Realitätsnähe würde aber die Modellbildung erschweren. Daher sind die vier Rationalitätstypen zur überschaubaren Modellbildung geeignet. Gleichwohl bieten die vier Rationalitätstypen deutlich mehr Erkenntnismöglichkeiten als die häufig vertretenen dichotomischen Einteilungen: Staat/Markt, Innen/Außen, Wirtschaft/Gesellschaft. Dadurch vermeidet eine situationszentrierte Theorie der Polyrationalität, daß wichtige Phänomene übersehen werden, weil sie nicht in die dichotomische Einteilung passen.

Der wichtigste Vorzug einer situationszentrierten Theorie der Polyrationalität liegt im Unbeständigkeitsprinzip (Thompson u.a. 1990: 3 und 86–93). Dieses Prinzip erklärt, wes-halb Situationen unbeständig sind, solange nicht alle vier Rationalitäten zur Geltung ge-kommen sind. In unbeständigen Situationen dominiert ein Rationalitätstypus: Polizeistaat, reine Marktwirtschaft, gewaltfreie Kommune. Der dominierende Rationalitätstypus ist al-lerdings einer fortwährenden Subversion und Erosion durch andere Rationalitätstypen aus-gesetzt. Nach einiger Zeit ist erkennbar, wie in der reinen Marktwirtschaft nachbarschaftli-cher Altruismus auftritt, wie der Polizeistaat eine Vielzahl an Korruptionsfällen und Schwarzmärkten aufweist, wie die gewaltfreie Kommune nicht ohne Kontrollmechanismus für Gemeinschaftsdienste auskommt. Das Unbeständigkeitsprinzip besagt, daß Stabilität und Wandel vom Austausch zwischen den vier Rationalitätstypen abhängen. Herkömmliche Vorschläge zur Problemlösung durch eine Mehrzahl verschiedenartiger Beteiligter raten zu-meist zu einer Stärke durch Gemeinsamkeit: »Gemeinsam sind wir stark!«. Demgegenüber

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empfiehlt die Theorie der Polyrationalität, auf das unabhängige Wirken vieler Rationalitä-ten zu achten (Schwarz und Thompson 1990): »Getrennt sind wir stärker!«

Das Unbeständigkeitsprinzip kann als Handlungsanleitung für bodenpolitische Konzepte in der leeren Stadt — für innovatives Bodenmanagement — dienen. Nach seiner Anleitung wäre bei jeder Konzeption darauf zu achten, daß ausreichend Deutungsspielräume und Handlungsmöglichkeiten gewahrt werden, um den vier Rationalitätstypen den benötigten Raum zu verschaffen. Doch welchen Raum benötigen Eigentümer mit pluralen Rationalitä-ten? Dies wird nun anhand typischer Beispiele monorationaler Aneignungsstrategien in polyrationalen Eigentumssituationen erörtert.

C. Eigentumssituationen und Aneignungsstrategien

1. Eigentumssituationen

Wie verhält sich jemand in einer Eigentumssituation? Darunter ist beispielsweise eine Si-tuation zu verstehen, in der Eigentümer den »Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Be-reich« ausfüllen möchte, von dem das Bundesverfassungsgericht in seiner Eigentumsformel spricht (alle Zitate BVerfGE 104 [2001] 1 [8 f] — Baulandumlegung). Gilt das für alle Ei-gentümer? Was ist gemeint, wenn einer Aktiengesellschaft durch Eigentum in der leeren Stadt »eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens« ermöglicht werden soll? Offenbar kann das Normenblankett des Eigentums je nach Rationalität des Eigentümers unterschied-lich ausgenützt werden. Die Theorie der Polyrationalität läßt vermuten, der Gebrauch des Eigentums entspräche mehr als einer Rationalität. Welche Konsequenzen hat dies für die »Privatnützigkeit und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand«? Bedeutet es für jeden Eigentümer dasselbe, daß ihm seine Sachen »als Grundlage privater Initiative in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen« sein sollen? Selbstnutzende Eigentümer oder institutionelle Anleger, kapitalgesellschaftliche Wirtschaftsunternehmen oder Erbengemeinschaften verbinden nicht dieselben Erwartungen mit der eigentumsrechtlich geschützten »Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen«. Eine Eigentumssituation fordert die Beteiligten zu Wahrnehmungen und zu Verhalten her-aus:

Wahrnehmung Verhalten Unterschied Ähnlichkeit Fremdbestimmung Selbstbestimmung

Fremdheit Vertrautheit Abhängigkeit Unabhängigkeit

Peripherie Zentrum Distanz Nähe

Zersplitterung Einigkeit Unselbständigkeit Selbständigkeit

Interessengegensatz Interessengleichheit Eigentum als Zweck Eigentum als Mittel

das Andere das Selbst Konfrontation Konsens Tabelle 9: Wahrnehmung und Verhalten in Eigentumssituationen

Eine situationsbezogene Theorie der Polyrationalität systematisiert und erklärt Wahrnehmun-gen und Verhalten in sozialen Situationen, beispielsweise in Eigentumssituationen. Folgt man Mary Douglas ( S. 79), betonen die Beteiligten andere Aspekte ihrer Wahrnehmung

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und ihres Verhaltens. Wahrnehmung bedeutet hier: Wie nehmen sich die Betroffenen selbst wahr, wie sehen sie andere? Manchmal werden Unterschiede betont, manchmal Ähnlichkei-ten. Verhalten bedeutet hier: Was tun die Betroffenen in einer Eigentumssituation, welche Positionen nehmen sie ein, wie reagieren sie auf andere? Manchmal verhalten sich die Be-troffenen eher fremdbestimmt, manchmal eher selbstbestimmt.

2. Aneignungsstrategien

Wer in Eigentumssituationen vor allem Unterschiede wahrnimmt, sieht die Betroffenen als Fremde. Durch Ausdifferenzierung werden Ränder — die Peripherie — ausgebildet. Die Betroffenen werden durch das Eigentum getrennt, sie sind miteinander wenig verbunden. Soziale Situationen sind individualisiert, fragmentiert, atomisiert. Alle sehen bei der Verfol-gung ihrer Interessen am deutlichsten die Gegensätze zu anderen. Das Eigentum ist der Ort, wo »das Andere« sichtbar wird: Habende und Habenichtse. Im Gegensatz dazu betont je-mand, der in Eigentumssituationen vor allem Ähnlichkeiten wahrnimmt, daß die Beteiligten einander vertraut sind. Die Ähnlichkeiten, nicht die verzweigten Unterschiede, bilden ein Zentrum. Die Beteiligten werden durch ihr Eigentum zusammengehalten und geeint. Sie nehmen trotz aller Unterschiede und Gegensätze vor allem die gemeinsamen Interessen wahr. Eigentum verhilft ihnen dazu, ihr Selbst zu finden und zu situieren.

betont Fremdbestimmung

Isolations- strategien

Herrschafts- strategien

betont Unterschied

betont

Ähnlichkeit

Wettbewerbs- strategien

Gemeinschafts-

strategien

betont

Selbstbestimmung

Abbildung 11: Typologie der Aneignungsstrategien

In Eigentumssituationen ist das Verhalten der Betroffenen durch Fremdbestimmung ge-prägt, wenn sie auf Eigentum als etwas reagieren, das ihnen vorgegeben ist und von dem sie — im positiven wie im negativen Sinne — abhängen. Das Verhalten der Betroffenen unter-streicht die Distanz, die durch Eigentum geschaffen wird. Sie handeln unselbständig, da die Eigentumsordnung alle Entscheidungen vorwegnimmt. Das Eigentum ist bereits der Zweck, stiftet Ordnung und Sinn. Doch selbst wenn einzelne Betroffene dieser Ordnung nicht zu-stimmen, sind sie gebunden. Da Fremdbestimmung kaum Verhandlungsspielräume zuläßt, kommt es häufig zur Konfrontation in Eigentumsfragen. Im Gegensatz dazu ist das Verhal-ten der Beteiligten in Eigentumssituationen durch Selbstbestimmung geprägt, wenn sie Teilhabe am Eigentum vorwegnehmen und nicht erst auf Eigentumsregeln reagieren. Die Beteiligten suchen oder akzeptieren das Naheverhältnis zu anderen und bestimmen ihr Ver-halten selbständig. Grundstückseigentum ist ein Mittel, mit dem man eigene Interessen er-

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reicht. In der Autonomie liegt ein Spielraum für Verhandlungen, der genutzt werden kann, um die Eigentumssituation zu meistern.

Aneignungsstrategien sind Verhaltensmuster für den Umgang mit Eigentum. Entlang der Wahrnehmungsachse (Unterschied — Ähnlichkeit) und der Verhaltensachse (Fremdbestim-mung — Selbstbestimmung) können vier typische Aneignungsstrategien unterschieden wer-den: Isolations-, Herrschafts-, Gemeinschafts- und Wettbewerbsstrategien. Häufig liegen die dargestellten Idealtypen in Mischformen vor.

D. Monorationale Strategien der Aneignung

1. Herrschaftsstrategie

Aus der Kombination von Ähnlichkeit und Fremdbestimmung entsteht ein Über- und Unterordnungsverhältnis. Hierarchie ist die Grundlage traditioneller und bürokratischer Herrschaft. Wer Ähnlichkeiten mit anderen wahrnimmt und daraufhin Distanz betont (z.B. eine Klassen-, Standes- oder Rangordnung), verfolgt eine Herrschaftsstrategie. Eine Herr-schaftsstrategie ist als aktive Strategie auf Unterjochung, Überwachung, Beherrschung ge-richtet, als passive Strategie auf Gehorsam, Einordnung, Untertänigkeit. Durch Herrschaft wird allen Beteiligten »ihr« Platz im Herrschaftsraum zugewiesen, und Eigentum bildet ein Mittel zur Ordnung. Wer erwartet, Ordnung werde durch genau definierte Eigentumsrechte bewahrt, nutzt Eigentum zur Kontrolle. Der Mythos der Kontrolle besagt, es müsse zwischen Ordnung und Unordnung unterschieden und Ordnung durch Aneignung und Eigentums-schutz geschaffen werden. Warnschilder und hohe Zäune sind Sinnbilder für die Aneignungs-strategie der Herrschaft, die Anpassung an die Grundstücksumgebung erfolgt in erster Linie durch Abgrenzung.

Das wichtigste Beispiel hierarchischer Aneignungsstrategien sind unternehmerische Stand-ortkonzepte, durch die eine räumliche Verteilung der Betriebsstandorte angestrebt wird, die den Unternehmenszwecken bestmöglich entspricht. Die Verfügbarkeit einzelner Grundstücke im Netz der Unternehmensstandorte wird durch Eigentumsrechte sichergestellt. Bahnhöfe, Betriebsstandorte, Verkaufsfilialen, Hotels einer Hotelkette erlangen ihre Bedeutung aus der Zugehörigkeit zu einer räumlichen Hierarchie: Hier ist die Zentrale, dort die Außenstellen. Die Bedeutung des einzelnen Standorts folgt nicht aus seiner örtlichen Umgebung, sie folgt aus dem strategischen Immobilienkonzept des Eigentümers.

2. Gemeinschaftsstrategie

Die Kombination von Ähnlichkeit und Selbstbestimmung weckt Aufmerksamkeit für die Beziehungen zwischen allen Beteiligten. Wer Ähnlichkeiten wahrnimmt und darin Gemein-samkeiten erblickt, verfolgt eine Gemeinschaftsstrategie. Wer nach dieser Strategie handelt, sucht die Nähe der anderen, betont gemeinsame Interessen, stärkt die Gleichheit zwischen den Gruppenmitgliedern. Als passive Strategie besteht die Gruppenbildung vor allem in der Beteiligung an gemeinsamen Aktivitäten und im »Einnisten« in vorhandene Gruppen. Durch Gemeinschaft entstehen gemeinsame Orte, vielleicht entsteht eine Heimat, deren Grenze die Mitglieder der Gruppe einschließt (Inklusion). Wer erwartet, die Mitglieder einer Gruppe würden durch gemeinsames Eigentum profitieren, erblickt im Gemeinschafts-eigentum eine Bedingung für Gemeinschaft. Der Mythos der Gemeinschaft rechtfertigt, daß sich Menschen mit ähnlichen Merkmalen, Vorlieben, Interessen zusammenschließen. Die

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Gruppe ist egalitär, ihre Mitglieder sind nach demokratischen Regeln zur Mitbestimmung ermächtigt. Alle Gruppenmitglieder fühlen sich für das Gruppenwohl verantwortlich und sind auch bereit, auf persönliche Vorteile zugunsten der Gemeinschaft zu verzichten. Ge-genüber der Außenwelt, die durch die Gruppengrenze ausgeschlossen ist (Exklusion), ver-hält sich die Gemeinschaft mißtrauisch oder leidenschaftslos.

Das wichtigste Beispiel egalitärer Aneignungsstrategien ist die Allmende, das Gemein-schaftseigentum. Das historische Vorbild für gemeinschaftlich genutztes Eigentum war die Dorfweide oder der Gemeindewald, also Ressourcen, die von allen Mitgliedern der Dorfge-meinschaft genutzt werden durften. Ein modernes Beispiel sind Immobiliennutzungen durch Wohngemeinschaften, die durch Studierende oder ältere Menschen gebildet werden. Das Zusammenleben in Wohngemeinschaften setzt voraus, daß die Beteiligten in erhebli-chem Umfang dem Mythos der Gemeinschaft folgen. Allmendenutzungen (commons) kön-nen unterschiedliche Formen annehmen. Ein öffentlicher Park oder Spazierweg, die Ge-meinschaftseinrichtungen eines Wohnhauses oder einer Kleingartenanlage, die Wiese, wo wir uns immer zum Grillen treffen. Die Allmende muß — juristisch betrachtet — nicht for-malisiert sein, zumal das geltende Recht (§ 903 BGB) das Alleineigentum bevorzugt. All-mendenutzungen sind indes unvermeidbar (und reichen von der gemeinsam genützten Kaf-feeküche im Büro bis zum unbewachten Parkplatz).

3. Wettbewerbsstrategie

Eine Kombination aus Unterschied und Selbstbestimmung ergibt Wettbewerb. Wer Un-terschiede zu anderen wahrnimmt und betont, verfolgt eine Wettbewerbsstrategie. Wer aktiv nach dieser Strategie handelt, nutzt die Unterschiede in der Eigentumssituation zum eige-nen Vorteil. Konkurrenz belebt das Geschäft, und wer selbstbewußt von der eigenen Quali-tät überzeugt ist, scheut nicht den kritischen Vergleich mit anderen. Freiheit bedeutet für Individualisten insbesondere die Freiheit zum Wettbewerb, zum Konkurrenzkampf. Die originellste Weihnachtsdekoration im Vorgarten, der leistungsstärkste Rasenmäher, die mu-tigste Geschäftsauslage sind Anzeichen für dieses Konkurrenzverhalten. Eine passive Wett-bewerbsstrategie sucht weniger die Konkurrenz als die selbstbestimmte Verwirklichung: »My home is my castle!« oder »Eigener Herd ist Goldes wert!« Individualisten betonen die Unterschiede zu anderen, denn Eigentum bietet Chancen. Dazu gehört auch der Mut, sein Eigentum für riskante Vorhaben aufs Spiel zu setzen. Wer selbstbewußt erwartet, Selbst-verwirklichung wäre erst durch den Mut zum Risiko möglich, erblickt im Eigentum eine Voraussetzung für Freiheit. Der Mythos der Freiheit lockt mit dem Versprechen, beherzte Individualisten könnten aus Unterschieden zwischen Märkten, Begabungen, Anschauungen ihren Gewinn ziehen. Eigentumsrechte verschaffen gerade jene Bewegungsspielräume, die andere fürchten oder nicht auszunützen verstehen.

Das wichtigste Beispiel individualistischer Aneignungsstrategien ist der Siedler, der das Dickicht einer unerforschten Wildnis rodet und kultiviert, sich von feindseligen Umweltbe-dingungen nicht abschrecken läßt und ganz alleine auf sich gestellt überlebt. Die moderne Variante individualistischer Aneignungsstrategien ist das freistehende Einfamilienhaus mit liebevoll gepflegtem Garten. Auch hier sind Warnschilder und Zäune zu finden, diese beto-nen aber eher die Individualität als den Ordnungsaspekt der Eigentumsgrenze. Der Garten ist häufig eine besonders anschauliche Vergegenständlichung individualistischen Eigensinns — je ausgefallener die Pflanzen und Ziergegenstände, um so besser!

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4. Isolationsstrategie

Aus der Kombination von Unterschied und Fremdbestimmung entsteht Isolation. Wer sich als anders wahrnimmt und wessen Schicksal durch andere bestimmt wird, verfolgt eine Isolationsstrategie. Wer aktiv nach dieser Strategie handelt, kultiviert die Gelassenheit, bleibt hitzigen Auseinandersetzungen um Eigentum fern. Darin liegt ein Machtverzicht, denn wer Auseinandersetzungen fernbleibt, übt auch keinen Einfluß aus. Isolation ist häufig weniger eine Strategie als eine Reaktion darauf, durch andere Beteiligte als fremd wahrgenommen und ausgeschlossen zu werden. Die erlittene Isolation kann verschiedene Gründe haben, die von Gleichgültigkeit und Wunschlosigkeit (seitens der Isolierten) bis zu Feindseligkeit, Dis-kriminierung und Verfolgung (seitens anderer) reichen. In der Isolation werden alle zu Fremden, zu Ausgegrenzten. Isoliert ist, wer seine Lage in der Eigentumssituation durch eigenes Verhalten nicht zu verändern können glaubt. Der Mythos der Ohnmacht besagt, die Verteilung und Nutzungen des Grundstückseigentums könnten nicht beeinflußt werden. Eigentum ist eine Barriere, die andere dazu verwenden, die isolierten Individuen und Grup-pen auszugrenzen. Wer vergeblich gegen solche Barrieren angekämpft hat, gibt nach einiger Zeit auf. Fatalisten finden sich mit ihrer Isolation ab, was nicht bedeutet, sie fänden sich damit gut zurecht.

E. Typologie der Aneignungsstrategien

Die Typologie der Aneignungsstrategien veranschaulicht die Ergebnisse einer Kombina-tion typischer Wahrnehmungen und Verhaltensweisen in Eigentumssituationen.

Strategie Wahrnehmung und Verhalten Eigentum Mythos Rationalität

Herrschaft Ähnlichkeit

Fremdbestimmung

geordnetes Netz von Betriebsstandorten

Kontrolle hierarchist

Gemeinschaft Ähnlichkeit

Selbstbestimmung

Teilhabe an einer Allmende

Gemeinschaft egalitarian

Wettbewerb Unterschied

Selbstbestimmung

freistehendes Einfa-milienhaus, Garten

Freiheit individualist

Isolation Unterschied

Fremdbestimmung Ausgrenzung

Isolation

Gelassenheit fatalist

Tabelle 10: Aneignungsstrategien, Mythen, Rationalitäten

Die Merkmale jeder Strategie sind eine Kombination der Wahrnehmung von Unterschied oder Ähnlichkeit mit der Verhaltenspräferenz für Fremdbestimmung oder Selbstbestim-mung. In Tabelle 10 wird zu den vier Aneignungsstrategien angegeben, welche Bedeutung sie Eigentum zumessen und welche Mythen sie pflegen. Mit »ihrem« Mythos erklärt und rechtfertigt jede Aneignungsstrategie, wie eine bestimmte Eigentumssituation wahrzuneh-men und wie darauf zu reagieren ist. In der letzten Spalte von Tabelle 10 werden den An-eignungsstrategien die ihnen entsprechenden Rationalitätstypen der situationsbezogenen Theorie der Polyrationalität zugeordnet (Douglas 1992: 263; Schwarz und Thompson 1990: 7; Thompson u.a. 1990: 8; Thompson 1997: 207). Das ergibt eine differenzierte,

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aber doch noch überschaubare Einschätzung mehrerer Aneignungsstrategien, die in Abbil-dung 12 im Koordinatensystem der Wahrnehmungs- und Verhaltensachse dargestellt wird.

Fremdbestimmung fatalist hierarchist Isolation

»Eigentum macht was es will!«

»Eigentum schafft

Ordnung!«

Herrschaft

Unterschied

Ähnlichkeit

Wettbewerb

»Eigentum bietet

Chancen!«

»Eigentum stärkt

die Gemeinschaft!«

Gruppen- bildung

individualist egalitarian

Selbstbestimmung

Abbildung 12: Aneignungsstrategien und Polyrationalität

Die Darstellung der vier Aneignungsstrategien ist kein strenges Klassifikationsschema, son-dern die Anleitung für eine Spurensuche, die mit der gleichzeitigen Präsenz pluraler Ratio-nalitäten rechnet.

Wie wichtig eine »Spurensuche« sein kann, wird deutlich, wenn man sich Paradoxien der Eigentumsordnung vergegenwärtigt. Dazu ein Beispiel. Ist Eigentum nicht jedenfalls individualistisch, ist nicht die individualistische Aneignungsstrategie die einzige bedeutsame Aneignungsstrategie? Aus orthodoxer, auch aus formaljuristischer Sicht ist diese Frage zu bejahen. Die individualistische Aneignungsstrategie entspricht am ehesten der allgemeinen — etwa auch in Urteilsbegründungen des Bundesverfassungsgerichts ausgesprochenen — Vor-stellung vom Eigentum als Freiheitsvoraussetzung. Damit sind jedoch gewisse Widersprüch-lichkeiten verbunden: Weder das Grundstückseigentum einer Kapitalgesellschaft noch die Ansprüche, die Kinder auf »ihr« Zimmer stellen, passen zu dem Gedanken, Eigentum diene der »Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen« und solle dem Eigentümer als »Grundlage privater Initiative in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein« (BVerfGE 104 [2001] 1 [9] — Baulandumlegung). In beiden Fällen ist der Zusam-menhang zwischen Eigentum und Freiheit komplizierter als auf den ersten Blick scheint.

• Im ersten Fall fehlt es an einem Zurechnungssubjekt für die »persönliche Freiheit des Einzelnen«. Eine Kapitalgesellschaft kann keine persönliche Freiheit in dem Sinne bean-spruchen, in dem natürliche Personen — Menschen — nach Freiheit streben und Freiheit ausüben. Eine Kapitalgesellschaft ist eine juristische Konstruktion, durch die Rechtsträ-gerschaft begründet und Haftung begrenzt wird. Auch erlaubt die Kapitalgesellschaft dem Kapitalgeber (z.B. Gesellschafter, Aktionär) keinen Zugriff auf ihr Grundstücksei-gentum zur Freiheitsausübung. Am ehesten erlaubt das Grundstückseigentum der Kapi-talgesellschaft den Geschäftsführern oder dem Vorstand, »private Initiative« zu zeigen oder »privates Interesse« zu verfolgen, diese Personen sind aber bloß Gesellschaftsorgane, nicht die Eigentümer.

• Im zweiten Fall sind die Ansprüche der heranwachsenden und auf zunehmende Pri-vatheit bedachten Kinder typischerweise gegen die Ansprüche der Eigentümer, der El-

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tern, gerichtet. Ein Kind sagt »mein Zimmer« und nimmt viele typische Eigentümerbe-fugnisse für sich in Anspruch. Wie könnten wir uns familiäres Zusammenleben vorstellen, wenn es als Antwort auf solches Kinderverhalten nur die individualistische Aneignungs-strategie gäbe? Vermutlich würden viele Familienbeziehungen darunter leiden, wenn täg-lich über Inhalt und Umfang der »Bittleihe« (precarium) zu verhandeln wäre, die Mutter und Vater ihren Kindern im eigenen Hause gewähren. Sieht man von Unterhaltsstrei-tigkeiten oder tragischen Familienprozessen ab, zeigt sich in der Mehrzahl familienbezo-gener Eigentumssituationen, wie flexibel zwischen den Familienmitgliedern brauchbare Lösungen für das Leben im gemeinsam bewohnten Haus verhandelt und vereinbart wer-den (mögen auch nur die Eltern oder ein Elternteil als Eigentümer im Grundbuch regi-striert sein).

Eine ausschließlich formalrechtliche Betrachtung kann nur bis zu einem gewissen Grad zu einer bodenpolitischen Problemlösung beitragen. Gewiß genießen alle Eigentümer in der leeren Stadt den vollen Schutz des geltenden Rechts. Welche Konsequenzen dieser juristi-sche Schutz für eine bodenpolitische Konzeption hat, läßt sich nicht bloß aufgrund positiv-rechtlicher Überlegungen abschätzen. Vielmehr sind auch Überlegungen zum Verhalten der Eigentümer — also zu Eigentumssituationen und Aneignungsstrategien — erforderlich.

VI. Zur Dysfunktionalität der Eigentumsordnung in der leeren Stadt

Otto von Guericke beschreibt in Neue (sogenannte) Magdeburger Versuche über den lee-ren Raum die Leere als Beraubtsein und Möglichkeit:

»Das Leere ist die Ursache der Scheu vor dem Leeren, ebenso seiner Erfüllung (denn wenn es nicht leer wäre, könnte nichts gefüllt werden)« (von Guericke 1672: 62–63).

Diese Beobachtung ist Ausgangspunkt für die Untersuchung der leeren Stadt ( S. 17). Die Leere in der leeren Stadt beraubt herkömmliche Kategorien ihrer Bedeutung: Wachstum, Sicherheit, Arbeit, Wirtschaft. Auch das Eigentum erleidet einen Bedeutungsverlust, doch läßt sich der Bedeutungsverlust nicht einfach als Verlust ökonomischer Werte deuten. Viel-mehr werden die Begriffsinhalte unscharf, verschieben sich Bedeutungsgrenzen und geben den Blick auf neue Möglichkeiten frei. Gewiß genießen nicht alle Menschen den »Luxus der Leere« (Kil 2004). Allerdings erlaubt die leere Stadt eine mentale Konstruktion städti-schen Raumes, die in der Leere gleichzeitig einen Mangel und zahlreiche Möglichkeiten wahrnimmt.

Die Gleichzeitigkeit des Mangels und der Möglichkeiten zeigt sich beispielsweise an Bo-denwert und Grundstückseigentum. Verliert der ökonomische Bodenwert an Bedeutung, können der territoriale und der ökologische Bodenwert ( S. 20) an Bedeutung gewinnen. Tatsächlich kommen die Bodenmärkte in der leeren Stadt nicht zum erliegen, sie wandeln sich von Transaktionswirtschaften zu Possessivwirtschaften ( S. 49). Die ökonomischen Bodenwerte sind in der leeren Stadt auf niedrigem Niveau stabil, wie sich empirisch etwa für die meisten Bodenmärkte Sachsen-Anhalts, der Landeshauptstadt Magdeburg und der Großstädte Dessau und Halle nachweisen läßt ( S. 42). Die Ursache für diese Stabilität liegt im Grundstückseigentum und im territorialen Bodenwert.

Kommt dem Grundstückseigentum in der leeren Stadt auch eine entscheidende Rolle zu, ist vielfach eine Dysfunktionalität der gegenwärtigen Eigentumsordnung festzustellen. Wem

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gehört die leere Stadt? Gewiß könnte man auf die Erste Abteilung der Grundbuchblätter für die betreffenden Grundstücke und die dort eingetragenen Eigentümer verweisen. Für den Magdeburger Südosten könnte ein Verzeichnis der Eigentümer erstellt werden, denen altindustrielle und brachgefallene Grundstücke in Buckau, Fermersleben, Salbke, Fermers-leben gehören. Das Eigentümerverzeichnis zeigt jedoch nicht die tatsächlichen Subjekte der Aneignungsstrategien in der leeren Stadt: Dysfunktionalität.

Die Dysfunktionalität ist städtebaulich an ungenutzten und verwahrlosten Grundstücken, hohen Zäunen und Mauern, leerstehenden Gebäuden, mit Brettern verschlossenen Fenster-öffnungen, ungenutzter Infrastruktur abzulesen. Die Dysfunktionalität der gegenwärtigen Eigentumsordnung ist bodenpolitisch als Kluft zwischen dem Recht auf Aneignung und der tatsächlichen Aneignung der leeren Stadt erkennbar. Die Eigentümer im rechtlichen Sinne machen keinen oder geringen Gebrauch von ihren Grundstücken, sie bemühen sich höch-stens um die Erfüllung ihrer Verkehrssicherungspflicht. Die tatsächlichen Aneignungspro-zesse verlaufen neben und jenseits der formalen Eigentumsrechte.

• Nischennutzungen — wie beispielsweise die Nutzung der Teilfläche eines ausgedehnten und weitgehend leerstehenden Werkskomplexes als Autowerkstätte — sind ein untrügli-ches Zeichen für Dysfunktionalität. § 171a Abs. 2 BauGB definiert »erhebliche städte-bauliche Funktionsverluste« als »ein dauerhaftes Überangebot an baulichen Anlagen für bestimmte Nutzungen«. Die Nischennutzung unterstreicht, daß die gegenwärtige Bau-struktur hinfällig geworden ist und die Eigentümer ihre Grundstücke nicht ertragreich gebrauchen können. Nischennutzungen verfolgen individuelle Aneignungsstrategien und besetzen die Leerstellen, die fehlgeschlagene hierarchische Aneignungsstrategien hinter-lassen. Auch wenn sie keine tragfähige gewerbliche oder industrielle Entwicklung der Stadtteile im Magdeburger Südosten erbringen, kommt diesen Klein- und Mittelunter-nehmen eine erhebliche Bedeutung zu: Nach Verlust der Maschinenbauindustrie bieten sie — am falschen Ort — viele der verbliebenen Arbeitsplätze.

• Eine weitere Form der Aneignung der Grundstücke der leeren Stadt erwächst aus den öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Grundstückseigentümer. Ein Übermaß an bo-denschutzrechtlichen Sanierungspflichten oder denkmalschutzrechtlichen Veränderungs-verboten kann als dysfunktionale Aneignung durch die öffentliche Hand beschrieben werden. In der leeren Stadt läuft die hierarchische Aneignungsstrategie der staatlichen und kommunalen Regelungen der Bodennutzungen ins Leere. Da die Pflichten im Rah-men des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der wirtschaftlichen Vertretbarkeit häufig nicht mehr von den formalen Grundstückseigentümern erfüllt werden können, hemmen Altlastenverdacht, Denkmalschutz und andere öffentlich-rechtliche Verpflichtungen die Veränderung der Bodennutzungen. Faktisch ist dies die Folge einer — womöglich nicht beabsichtigten — Ausübung der property rights, die der öffentlichen Hand durch den Ausgestaltungs- und Schrankenvorbehalt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) eingeräumt wer-den. Die hierarchische Aneignungsstrategie der formalen Grundstückseigentümer wird durch die hierarchisierende Aneignung staatlicher und kommunaler Normsetzer in eine fatalistische Haltung gedrängt. Jedenfalls in allen Fällen, in denen die Schere zwischen öffentlich-rechtlichen Pflichten und verbliebenen Ertragserwartungen der Grundstücks-eigentümer zu weit geöffnet wurde, ist Gleichgültigkeit eine unvermeidbare Reaktion.

• Ein dritter Aneignungsprozeß, der im Magdeburger Südosten beobachtet werden kann, betrifft die Vielzahl an Kleingärten und »wilden« Nutzungen. Städtischer Boden wird

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auf formelle oder informelle Weise für agrarwirtschaftliche Zwecke oder zur Erholung angeeignet. Gerade in der Landeshauptstadt Magdeburg haben Kleingartennutzungen eine lange Tradition, waren in der DDR-Zeit ein wichtiger Beitrag zur Existenzsiche-rung (MDSPA 1994a). Kleingartennutzungen verbinden häufig individualistische und egalitäre Aneignungsstrategien. Während die einzelne Gartenparzelle individualistisch angeeignet wird, werden die Gemeinschaftseinrichtungen egalitär — und mit erheblicher sozialer Kontrolle — genutzt.

• Ein vierter Aneignungsprozeß, der zur Zeit vor allem im Stadtteil Buckau verläuft, hängt mit der ausgedehnten städtebaulichen Sanierung im Stadtteilkern und neuen baulichen Entwicklungen, insbesondere den Neubauten nahe der Elbe zusammen. Die zumeist in-dividualistischen Aneignungen beweisen, daß die leere Stadt gar nicht so leer ist. Die Aneignung sanierter oder neu errichteter Baulichkeiten ist eine Folge hierarchischer und individualistischer Strategien, nämlich der städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen und immobilienwirtschaftlicher Investitionen in Einzelprojekte. An den Stellen, an denen der Aneignungsprozeß der Wiedernutzung verläuft, tritt der Kontrast zu den leerstehenden Häusern und verwahrlosten Grundstücken in der Nachbarschaft besonders deutlich her-vor. Auch dieser Kontrast ist ein Anzeichen für die Dysfunktionalität der gegenwärtigen Eigentumsordnung. Wo Neues in Konfrontation mit dem Alten tritt, wird die sinnvolle Nutzbarkeit des städtischen Bodens unterstrichen, mögen auch die formalen Eigentümer brachgefallener Bestandsgrundstücke nichts oder nur wenig mit ihrem Eigentum anfangen können oder wollen.

Die grobe bodenpolitische Charakterisierung der Aneignungsprozesse in der leeren Stadt ist weder vollständig noch erhebt sie den Anspruch auf Richtigkeit in jedem Einzelfall. Gewiß sind die Aneignungspraktiken im Magdeburger Südosten viel differenzierter als dies durch eine knappe Schilderung nachgezeichnet werden kann. Auch werden einzelne Eigentümer aufgrund ihrer spezifischen Interessen oder aufgrund besonderer örtlicher Gegebenheiten nicht in den angewendeten Analyserahmen eingeordnet werden können. Allerdings erbringt gerade eine grobe bodenpolitische Charakterisierung der Aneignungsprozesse in der leeren Stadt wichtige Ergebnisse. Sie zeigt nämlich Gründe für die Dysfunktionalität der gegen-wärtigen Eigentumsordnung. Diese Gründe hängen mit dem Spannungsverhältnis zwischen formalen Eigentumsrechten und tatsächlichen Aneignungsprozessen zusammen. Um den städtebaulichen Funktionsverlust auszugleichen, der mit den brachgefallenen Bestandsgrund-stücken im Magdeburger Südosten einhergeht, scheint es wenig erfolgversprechend, allein das hoheitliche Instrumentarium des Planungs-, Bau- und Bodenrechts oder des Umweltrechts auszuschöpfen. Vielmehr muß ein erfolgversprechendes Bodenmanagementkonzept auf die unterschiedlichen Eigentumssituationen und Aneignungsstrategien eingehen und die Dynamik der im Magdeburger Südosten verlaufenden eigensinnigen Aneignungsprozesse nutzen.

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DIE DRITTE FORSCHUNGSFRAGE

Steuerungsmöglichkeiten in der leeren Stadt

Die dritte Forschungsfrage lautet ( S. 1):

Welche Steuerungsmöglichkeiten hat die öffentliche Hand (Land Sachsen-Anhalt, Landes-hauptstadt Magdeburg), die Nutzung und Entwicklung privater Baugrundstücke (insbe-sondere brachgefallenes Gewerbebauland) im öffentlichen Interesse zu beeinflussen? Wie kann die Umfeldbeeinträchtigung durch Grundstücksverwahrlosung unterbunden werden?

I. Bodenmanagement als Umsetzung der Bauleitplanung

A. Hoheitliche und alternative Instrumente

Durch Bauleitplanung (Flächennutzungsplan, Bebauungsplan) werden zulässige und ange-strebte Nutzungen der Grundstücke in einer Gemeinde dargestellt und festgesetzt ( S. 25). Damit die Planung die bauliche oder sonstige Nutzung dieser Grundstücke vorbereiten und leiten kann, sind Umsetzungsinstrumente nötig. Dies gilt vor allem für geplante Bodennut-zungen, die nicht durch den Bodenmarkt unterstützt werden, also Nutzungen im öffentlichen Interesse. Bodenmanagement umfaßt neben den Umsetzungsinstrumenten des Städtebau-rechts ( S. 92) auch andere Instrumente und Strategien, mit deren Hilfe eine Kommune ihre Planungen umsetzen kann. Wenngleich die hoheitlichen Instrumente für die Umsetzung sehr wichtig sein können, nutzen viele Kommunen auch privatrechtliche Verträge, den kommunalen Zwischenerwerb, die Bildung kommunaler Baulandpools, Kooperation, Kom-munikation, Verhandlungsansätze zur Umsetzung ihrer Planungen.

Das Verhältnis zwischen hoheitlichen Instrumenten des herkömmlichen Bodenmanage-ments und alternativen Instrumenten eines innovativen Bodenmanagements kann am Beispiel der städtebaulichen Enteignung erläutert werden. Darf einem Grundstückseigentümer, des-sen Grundstück zur Verwirklichung der städtebaulichen Planung unbedingt benötigt wird und der die Planumsetzung behindert, das Eigentumsrechts entzogen werden, kann öffentli-

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ches Interesse auch gegen den Willen einzelner Eigentümer geschützt werden. Art. 14 Abs. 3 GG gewährt dem Wohl der Allgemeinheit gegenüber dem privaten Eigentumsrecht den Vor-rang (und verweist den Enteigneten auf einen Entschädigungsanspruch). Daher ist die Er-mächtigung zur städtebaulichen Enteignung (§§ 85 ff. BauGB) eine wesentliches Element des Bodenmanagements. Allerdings wäre Bauleitplanung unerträglich, die nur mittels Ent-eignung umgesetzt würde. Zurecht verlangt daher der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Anwendung weniger eingriffsintensiver Instrumente, falls diese ebenfalls zum angestrebten Umsetzungserfolg führen, so etwa das ernsthafte Bemühen um den freihändigen Erwerb des zu enteignenden Grundstücks (§ 87 Abs. 2 BauGB). Eine Kommune muß auch kooperative und konsensbetonte Instrumente und Strategien in ihr Bodenmanagementkonzept einbezie-hen, nicht in erster Linie die Enteignung. Das Verhältnis zwischen hoheitlichen und alterna-tiven Instrumenten ist komplementär, die Instrumente unterschiedlicher Eingriffsintensität sind miteinander verzahnt: Kooperation ist oft zweckmäßig, Kooperation braucht aber auch Krallen (Davy 2005b: 70–71).

B. Instrumente des allgemeinen und besonderen Städtebaurechts

Tabelle 11 nennt die Umsetzungsinstrumente der Bauleitplanung nach dem allgemeinen Städtebaurecht.

Umsetzungsinstrument §§ BauGB Kurzbeschreibung

Sicherung der Bauleitplanung 14–18

24–28

durch Veränderungssperren oder die Zurückstellung von Baugesuchen werden Vorhaben verhindert, die beabsichtigten Planungen widersprechen

gesetzliche Vorkaufsrechte sichern der Gemeinde einen Erst-zugriff auf dem Bodenmarkt

Planungsschaden 39–44 Eigentümernachteile durch fremdnützige Widmungen oder »Herabzonungen« müssen ausgeglichen werden, benötigte Flächen können von der Gemeinde übernommen werden

Bodenordnung 45–84 durch Umlegung und vereinfachte Umlegung werden bebaute und unbebaute Grundstücke so neu geordnet, daß nach Lage, Form und Größe für die plankonforme Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen

Enteignung 85–122 das Eigentum an Grundstücken, die für die Planverwirkli-chung zum Wohle der Allgemeinheit benötigt werden, darf gegen Entschädigung entzogen werden, wenn der Enteig-nungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht wer-den kann

Erschließung 123–135 die bauliche Nutzbarkeit der Baugrundstücke (vgl. z.B. § 30 Abs. 1 BauGB) wird durch die Herstellung der örtlichen Erschließungsanlagen auf Kosten der Eigentümer (höchstens 90%) gewährleistet

Maßnahmen für den Naturschutz

135a–135c Eingriffe in Natur und Landschaft, die durch eine bauliche oder sonstige Nutzung verursacht werden, werden durch ökologische Aufwertung und andere Maßnahmen auf Kosten der begünstigten Eigentümer ausgeglichen

Tabelle 11: Umsetzungsinstrumente der Bauleitplanung: Allgemeines Städtebaurecht

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Die Anwendung der Instrumente des allgemeinen Städtebaurechts setzt zumeist die Aufstel-lung eines Bebauungsplans voraus, mitunter ist aber nicht einmal eine verbindliche Bauleit-planung erforderlich (vgl. z.B. § 45 Nr. 2 BauGB — Umlegung innerhalb eines im Zusam-menhang bebauten Ortsteils). Hoheitliche Instrumente des Bodenmanagements enthalten die gesetzliche Ermächtigung der Kommune, ihre Planungen durch einseitige Rechtsakte oder Zwangsausübung durchzusetzen. Einseitigkeit bedeutet, daß die Verbindlichkeit der Rechtsak-te oder Zwangsausübung nicht von der Zustimmung des Grundstückseigentümers abhängt. Die Einseitigkeit kann in der planungsrechtliche Entwertung eines Grundstücks bestehen, für die allerdings eine Entschädigung zu leisten ist (Planungsschaden), oder in der Einhebung vorgeschriebener Beiträge bestehen (Umlegung, Erschließung, Maßnahmen für den Natur-schutz) oder der Entziehung des Eigentumsrechts an einem bestimmten Grundstück (Umle-gung, Enteignung).

Das besondere Städtebaurecht enthält neben den allgemeinen noch weitere Umsetzungs-instrumente, deren Anwendbarkeit allerdings an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft ist. Tabelle 12 nennt beispielhaft Umsetzungsinstrumente der Bauleitplanung nach dem beson-deren Städtebaurecht.

Umsetzungsinstrument §§ BauGB Kurzbeschreibung

städtebauliche Sanierungsmaßnahmen

136–164b wesentliche Verbesserung oder Umgestaltung eines Gebiets zur Behebung städtebaulicher Mißstände durch planmäßige und umfassende rechtliche und tatsächliche Maßnahmen (einschließlich Ausgleichsbeiträge und Städtebauförderung)

städtebauliche Entwicklungsmaßnahme

165–171 Erst- oder Neuentwicklung von Ortsteilen oder anderen Teilen des Gemeindegebiets entsprechend ihrer besonderen Bedeutung für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der Gemeinde

Stadtumbau 171a–171d rechtliche und tatsächliche Maßnahmen, durch die in von erheblichen städtebaulichen Funktionsverlusten betroffenen Gebieten Anpassungen zur Herstellung nachhaltiger städte-baulicher Strukturen vorgenommen werden

städtebauliche Gebote 175–179 Umsetzung eines Bebauungsplans durch auf Kosten des Grundstückseigentümers vollstreckbare Verfügungen zur bau-lichen Nutzung (Baugebot), zur Modernisierung und Instand-setzung, zur Bepflanzung, zu Rückbau und Entsiegelung

Tabelle 12: Umsetzungsinstrumente der Bauleitplanung: Besonderes Städtebaurecht

Die Umsetzungsinstrumente der Bauleitplanung nach allgemeinem und besonderem Städte-baurecht sind in der Literatur reichhaltig dokumentiert (Battis 2006; Battis u.a. 2005; Fer-ner und Kröninger 2005; Hoppe u.a. 2004; Schmidt-Eichstaedt 2005; Stüer 2005). Deshalb wird an dieser Stelle auf eine weitere Darstellung verzichtet.

C. Braucht die leere Stadt neue Umsetzungsinstrumente?

1. Problem des fehlenden Wertunterschieds

Die Mobilisierung privaten Grundstückseigentums für öffentliche Zwecke war schon immer ein Anliegen des deutschen Planungs-, Bau- und Bodenrechts. Insofern ist die Pro-

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blemstellung der vorliegenden Studie nicht besonders innovativ. Gleichwohl wird die An-wendung herkömmlicher Umsetzungsinstrumente sehr schwierig, sobald der städtische Raum durch »das Leere« ( S. 14) geprägt wird.

Viele herkömmliche Umsetzungsinstrumente beruhen auf dem Gedanken, daß der Wert der Grundstücke durch die Bauleitplanung und öffentliche Investitionen gesteigert wird, so-daß im Zuge der Überplanung, Umlegung, Erschließung oder auch Sanierung eines Gebiets gewisse Wertsteigerungen abgeschöpft werden können. In einer Ökonomie des Kaufens und Verkaufens der Immobilien (Transaktionswirtschaft), die durch rege Bodenmärkte gekenn-zeichnet ist, werden Stadtentwicklung und Bodennutzung durch Ertragserwartungen, den die Verteilung der Verfügungsrechte am Boden (Eigentum, Planung) bestimmt. Die Bau-landumlegung oder städtebauliche Sanierung funktionieren als Umsetzungsinstrumente der Bauleitplanung, weil durch Umlegung oder Sanierung eine nachweisbare Wertsteigerung bewirkt werden kann (Battis 2006: 116–118 und 166; Dieterich 2006: 29–30, 63–64; Hoppe u.a. 2004: 376–380; Schmidt-Eichstaedt 2005: 382–384 und 455–457; Stüer 2005: 636–639 und 763–766). Der Umlegungsvorteil oder die Differenz zwischen Anfangs- und End-wert können somit zur Mobilisierung privaten Grundstückseigentums für öffentliche Zwecke eingesetzt werden. Dies erfolgt unmittelbar, weil die maßnahmenbedingten Wertsteigerun-gen erlauben, einen Teil der betroffenen Grundstücke für öffentliche Zwecke einzubehalten (z.B. § 55 Abs. 2 BauGB), oder mittelbar, weil öffentliche Zwecke durch abgeschöpfte Wert-steigerungen mitfinanziert werden (§ 57 Satz 5, § 154 BauGB).

In der leeren Stadt kann mit keinen nennenswerten Wertsteigerungen, nicht einmal mit der Verhinderung nennenswerter Wertverluste gerechnet werden. Die Bodenmärkte sind zumeist durch ein stabiles, niedriges Preisniveau gekennzeichnet ( S. 51). Daher kann ein Instrument wie die Baulandumlegung auf Grundstücke mit Altlasten nur angewendet wer-den, wenn alle Beteiligten unter den Bedingungen der Wertlosigkeit mit amtlichem Grund-stückstausch einverstanden sind (Dieterich 2006: 163–166). Gewiß könnten Grundstücke mit niedrigem oder sogar negativem Verkehrswert mittels Umlegungstechnik ihren Eigen-tümern einfach weggenommen und den benachbarten Eigentümern des Wohnbaulands zuge-teilt werden. Wer als Eigentümer nur geringe oder negative Einwurfswerte in die Umlegung einbringt, hat einen geringen Zuteilungsanspruch. Gleichwohl wäre die Anwendung des Um-legungsrechts gegen den Willen der Eigentümer solcher Altlastengrundstücke problematisch:

»Hier würde die Umlegung zur Enteignung — auch wenn kein echter Vermögenswert entzogen würde, weil das Grundstück tatsächlich im Wert gemindert oder gar wertlos war. Aber andere erhielten in der Umlegung die ›wertlosen‹ Grundstücke« (Dieterich 2006: 164).

Leere nimmt unterschiedliche Formen an: Ungenutzte Büroimmobilien, postindustrielle Stadt-brachen, unbewohnte Plattenbauten, entleerte Innenstädte. Leerstände sind städtebauliche Probleme, wenn sie dauerhaft auftreten und nicht bloß einen Nutzungswechsel begleiten. Immobilienökonomisch können Leerstände einen Angebotsüberschuß und ein zu hohes Preisniveau signalisieren. Allerdings können die ungenutzten Immobilien nicht durch sinken-de oder bereits sehr niedrige Preise für eine sinnvolle Nutzung zurückgewonnen werden, wenn niemand an dieser Nutzung interessiert ist. Die Leere im Magdeburger Südosten ist wohl vor allem das Resultat eines Marktschocks, von dem sich die Industrie nie erholt hat.

Verlaufen die Stufen einer Bonczek’schen Treppe entlang der Entwicklungsachse zu flach ( Abbildung 10, S. 51), können nur allzu geringe planungs- und maßnahmenbedingte Wertunterschiede erzielt werden. Alle Umsetzungsinstrumente, deren Wirksamkeit einen

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ausreichend deutlichen Wertunterschied voraussetzt, können sich in einer solchen Lage als unwirksam erweisen. In diesem Sinne könnten in ihrer Wirksamkeit deutlich beeinträchtigt sein

• die Bodenordnung (Umlegung, vereinfachte Umlegung; §§ 45–84 BauGB);

• die städtebaurechtliche Erschließung (§§ 123–135 BauGB);

• städtebaurechtliche Maßnahmen für den Naturschutz (Eingriffsregelung; §§ 135a–135c BauGB);

• städtebauliche Sanierungsmaßnahmen (§§ 136–164b BauGB);

Ob und inwieweit die genannten Instrumente in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt sind, hängt von der allgemeinen Lage auf den örtlichen Bodenmärkten und der wirtschaftlichen Situation betroffener Grundstücke ab. Gerade am Beispiel der Landeshauptstadt Magdeburg wird rasch deutlich, daß auch die leere Stadt so manches »Filetstück« bietet. Namhafte Immobi-lieninvestitionen in der Altstadt beweisen die Ertragserwartungen der Investoren und Im-mobilienentwickler (z.B. City Carré, Allee Center, Grüne Zitadelle). Im Stadtteil Buckau erweisen sich städtebauliche Sanierungsmaßnahmen als erfolgreich (MDSPA 1993; MDSPA 1995c; MDSPA 2002; MDSPA 2005). Allerdings zeigt die leere Stadt im Magdeburger Südosten auch Anzeichen für Bodenmärkte, auf denen sich für absehbare Zeit keine pla-nungs- oder maßnahmenbedingten Wertsteigerungen erzielen lassen werden. Auch die pla-nungs- oder maßnahmenbedingte Abwendung oder Dämpfung der Wertverluste, die sich aus einer Verschlechterung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage ergeben, kann nicht erwartet werden; die Bodenwerte und Ertragswerte der meisten Grundstücke sind bereits relativ niedrig.

2. Problem der verkehrswertbedingten Unverhältnismäßigkeit

In den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Denkmalschutz und zur Alt-lastensanierung ( S. 68 und 70) wird beispielhaft deutlich, daß das Verhalten der Grund-stückseigentümer in der leeren Stadt nur unzureichend über die Inhalts- und Schrankenbe-stimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gesteuert werden kann. Verwaltungsrechtliche Eingriffe in das Grundstückseigentum erweisen sich als unverhältnismäßig, wenn nach ihrer Umsetzung »keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr besteht« (BVerfGE 100 [1999] 226 [243] — Denkmalschutz) oder falls der »Verkehrswert von den Kosten überschritten« wird (BVerfGE 102 [2000] 1 [19–20] — Altlastensanierung).

In der leeren Stadt bildet die vom Bundesverfassungsgericht als die Grenze für noch ver-hältnismäßige Eigentumseingriffe beschriebene Lage den Normalzustand. Die ökologischen Folgen vergangener Wirtschaftsnutzungen sowie die allgemeine Lage auf dem Bodenmarkt stellen vielen der im Brachflächenkataster für den Magdeburger Südosten aufgenommenen Industriebrachen ( Abbildung 3, S. 9) für die absehbare Zukunft keinerlei wirtschaftliche Ertragsfähigkeit in Aussicht. Im allgemeinen erfüllen die Eigentümer dieser Grundstücke daher die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts keine Erhaltungs- oder Sanierungspflichten auferlegt werden dürfen, weil ansonsten der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt wäre. Die verkehrswertbedingte Unverhält-nismäßigkeit behördlicher Anordnungen stellt daher — von Ausnahmen im einzelnen Fall abgesehen — den staatlichen Schutz und die staatliche Pflege öffentlicher Interessen durch die Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) grundsätzlich in Frage.

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Im einzelnen Fall, dies sei hervorgehoben, mag behördliches Eingreifen durchaus ver-hältnismäßig und gesetzlich einwandfrei sein. So hat das Bundesverfassungsgericht jene Fälle der Altlastensanierung von der verkehrswertbedingten Unverhältnismäßigkeit ausgenommen, in denen der Eigentümer das Altlastenrisiko bewußt in Kauf genommen hat:

»Ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn der Eigentümer das Grundstück in Kenntnis von Altlasten, die von früheren Eigentümern oder Nutzungsberechtigten verursacht worden sind, erworben hat oder wenn er zulässt, dass das Grundstück in einer risikoreichen Weise genutzt wird[.] … Auch derartige Umstände sind bei der erforderlichen Abwägung schutzwürdiger Eigentümerinteressen mit den Belangen der Allgemeinheit be-achtlich. Wer ein solches Risiko bewusst eingeht, kann seiner Inanspruchnahme als Zustandsverantwortlicher nicht entgegenhalten, seine Haftung müsse aus Gründen des Eigentumsschutzes begrenzt sein. Denn das frei-willig übernommene Risiko mindert die Schutzwürdigkeit des Eigentümers« (BVerfGE 102 [2000] 1 [21–22] — Altlastensanierung).

Mußten also gegenwärtige Grundstückseigentümer im Magdeburger Südosten zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs von der Möglichkeit schädlicher Bodenveränderungen wissen und haben sie die Grundstücke dennoch erworben, sind ihnen auch höhere, den Verkehrswert übersteigende Sanierungskosten zumutbar. Hier handelt es sich allerdings um Ausnahmefälle, zumeist ist mit dem Problem verkehrswertbedingter Unverhältnismäßigkeit zu rechnen.

Die verkehrswertbedingte Unverhältnismäßigkeit stellt in der leeren Stadt die Frage, wie öffentliche Interessen zu schützen und zu pflegen sind. Nach der Rechtsprechung des Bun-desverfassungsgerichts kann die Steuerung privaten Eigentümerverhaltens durch Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) nur unter bestimmten wirtschaftli-chen Rahmenbedingungen funktionieren. Gewiß ist hier nicht nur an blühendes Wirtschafts-wachstum zu denken. Stehen jedoch die Faktoren

• großflächiger Leerstand,

• massiver Bevölkerungsrückgang und schwache Wirtschaftslage,

• massive Umweltbeeinträchtigungen sowie

• kostenaufwendige Denkmalerhaltung

in einem räumlich ausgedehnten Wirkungszusammenhang (z.B. Magdeburger Südosten), kann eine nennenswerte Verbesserung oder auch nur die Altlastensanierung oder Denkmal-erhaltung auf Kosten der Eigentümer nicht erzwungen werden.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat zwar unter den Bedingungen der leeren Stadt dramatische Folgen, sie macht indes auch immobilienwirtschaftlich und boden-politisch Sinn. Werden Grundstückseigentümer zu Investitionen gezwungen, die erkennbar und absehbar nur Verluste verursachen und keine Erträge erzielen, verliert Grundstücks-eigentum alle Elemente eines Rechts und wird auf eine bloße Pflicht reduziert. Dies ist nicht nur mit dem Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG) unvereinbar. Verkehrswertbedingte Unverhältnismäßigkeit kann keine nachhaltige Grundlage für die wirtschaftliche Grundstücks-verwertung oder effiziente und gerechte Bodennutzungen sein.

Die erste Reaktionsmöglichkeit ist der Verzicht auf den Schutz und die Pflege öffentli-cher Interessen. In der leeren Stadt, so könnte argumentiert werden, sind erhaltene Bau-denkmale oder sanierte Altlasten nicht wichtig. Die Konsequenz wäre die ausdrückliche Erklärung oder stillschweigende Duldung preiszugebender »Opferzonen«, in denen deut-sches Verwaltungsrecht nicht gilt (ein Zustand, der durch die Freistellungsklausel zur Hälfte bereits heute in Ostdeutschland erreicht wurde).

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Das Bundesverfassungsgericht hält den Verzicht auf den Schutz und die Pflege öffentlicher Interessen ausdrücklich nicht für die richtige Reaktion auf verkehrswertbedingte Unverhält-nismäßigkeit. Im Denkmalschutz-Beschluß unterstreicht das Bundesverfassungsgericht, daß öffentliche Interessen im Fall der verkehrswertbedingte Unverhältnismäßigkeit nicht mehr durch Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG), sondern durch eine Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) geschützt werden müssen:

»Erfordert das Allgemeinwohl nach Auffassung des Gesetzgebers dennoch die Erhaltung des geschützten Kul-turdenkmals, wie es bei Bauwerken hoher kulturhistorischer Bedeutung denkbar ist, kann dies nur auf dem Wege der Enteignung … erreicht werden« (BVerfGE 100 [1999] 226 [243] — Denkmalschutz).

Will der Gesetzgeber, verallgemeinert gesprochen, daß auch in der leeren Stadt das Allge-meinwohl geschützt und gepflegt wird, muß für alle Fälle verkehrswertbedingter Unverhält-nismäßigkeit die Änderung des Eigentumsarrangements in Betracht gezogen werden.

3. Problem der mangelhaften Gesetzesanwendung

Angesichts der Leere im Magdeburger Südosten könnten rasch Forderungen nach einer grundlegenden Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Planumsetzung erho-ben werden. Von der verschärften Rückbaupflicht der Grundstückseigentümer bis zur ent-schädigungslosen Enteignung, von der Einführung einer Altlastenabgabe bis zur Einführung eines allgemeinen Aneignungsrechts brachgefallener Grundstücke könnten »innovative« Ge-setzesreformen gefordert werden. Aus Sicht langjähriger Erfahrungen mit Bodenpolitik und Bodenmanagement in Deutschland empfiehlt sich eine solche Vorgehensweise nicht. Gewiß können in der einen oder anderen Frage unfreiwillige Hindernisse, die sich aus der beste-henden Rechtslage ergeben, entfernt werden, könnte auch die eine oder andere behutsame Änderung der Instrumente die Planumsetzung in der leeren Stadt erleichtern. In diesem Sinne ist dem deutschen Planungs-, Bau- und Bodenrecht zu bescheinigen, für die Lösung vieler praktischer Umsetzungsprobleme in der leeren Stadt durchaus geeignet zu sein — was zweckmäßige Reformschritte nicht ausschließt (Schmidt-Eichstaedt 2003).

Aber auch aus einem anderen Grund ist vor dem allzu rasch erhobenen Ruf nach neuen Gesetzen zu warnen: Häufig verbergen sich hinter der Lautstärke, mit der Gesetzesreformen eingefordert werden, kleinlaute Vorbehalte, die bestehenden Gesetze entschlossen und er-folgsorientiert anzuwenden. Die Forderung nach neuen Gesetzen sollte aber nicht zur Ent-schuldigung gegenwärtiger Defizite bei der Gesetzesanwendung zugelassen werden. Viel-mehr soll die Aufgabe der Bodenmobilisierung für die Renaturierung brachgefallener Indu-striegrundstücke im Magdeburger Südosten, die im Szenario der IBA STADTUMBAU 2010 vorgesehen ist ( S. 2), durch eine kreative Nutzung des bestehenden Instrumentariums erfüllt werden. Im Magdeburger Südosten befindet sich an der ungewissen Grenze zwischen Tauschen und Behalten ein Möglichkeitsraum (Davy 2004a: 118–120). Durch responsive Bodenpolitik — also durch Konzepte, die auf unterschiedliche Interpretationen und Wert-schätzungen des Bodens antworten (Davy 2005a) — können solche Möglichkeitsräume iden-tifiziert und ihre Entwicklung gesteuert werden.

Die öffentliche Hand (Land Sachsen-Anhalt, Landeshauptstadt Magdeburg) besitzt in der leeren Stadt unterschiedliche Möglichkeiten, die Umfeldbeeinträchtigung durch Grundstücks-verwahrlosung zu unterbinden. Als Handlungsziel wird Renaturierung der Industriebrachen nach dem Magdeburg-Szenario der IBA STADTUMBAU 2010 unterstellt. Die Steuerungs-möglichkeiten werden in vier Abschnitte unterteilt dargestellt:

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• Zunächst wird eine Steuerungsstrategie dargestellt, die Bebauungsplanung und Planungs-schadensrecht kombiniert.

• Sodann wird kostenorientiertes Bodenmanagement als ein Steuerungsansatz entwickelt, der auf der Beobachtung beruht, daß in der leeren Stadt weniger die Bodenpreise als die Kosten des Behaltens für Bodennutzungen ausschlaggebend sind ( S. 106).

• Des weiteren werden Steuerungsmöglichkeiten untersucht, die mit dem gegenwärtigen und künftigen Eigentumsarrangements in der leeren Stadt zusammenhängen und die Grundstückseigentümer als Subjekte der Stadtplanung in die Planumsetzung einbezie-hen ( S. 119).

• Abschließend werden gerechtigkeitstheoretische Aspekte der ozialgerechten Bodennut-zung herangezogen, um die Umsetzung durch einen prozeßhaften Gerechtigkeitsdiskurs zu unterstützen ( S. 125).

s

Bodenmanagement in der leeren Stadt scheint dadurch behindert zu werden, daß wichtige Umsetzungsinstrumente nur wirksam sind, wenn sich Bodenwerte vor und nach der Pla-nung nennenswert voneinander unterscheiden. Das Hindernis kann überwunden werden. Das stabile, niedrige Bodenpreisniveau in der leeren Stadt ( S. 51) ist — um nochmals Otto von Guericke mit seinen Gedanken zum leeren Raum zu zitieren — nicht nur eine Folge des Beraubtseins der leeren Stadt, es bietet auch die Möglichkeit für ihre Erfüllung mit renatu-rierter Landschaft, »denn wenn [sie] nicht leer wäre, könnte nichts gefüllt werden« (von Guericke 1672: 62).

II. Renaturierung und Bodenrecht

A. Renaturierung und Bauleitplanung

1. Renaturierung durch fremdnützige Festsetzung im Bebauungsplan

Welche Instrumente zur Umsetzung der Bauleitplanung eingesetzt wird, hängt von den Merkmalen des einzelnen Sachverhalts ab. Die hoheitliche Baulandmobilisierung für das Projekt Leben an und mit der Elbe müßte Bauleitplanung und Planungsschadensrecht ver-binden. Andere Sachverhalte werden eher andere Umsetzungsinstrumente erfordern, also etwa die Bodenordnung und Baulandumlegung, die Enteignung, die städtebauliche Sanierung, das Baugebot. Im folgenden werden die rechtlichen Schritte skizziert, mit deren Hilfe indus-trielle Brachflächen im Magdeburger Südosten für Leben an und mit der Elbe verfügbar gemacht werden könnten.

Zunächst müßte die Landeshauptstadt Magdeburg den geltenden Flächennutzungsplan ändern, der viele der industriellen Brachflächen als gewerbliche Bauflächen darstellt (MDSPA 2000: 66, Übersichtsplan 4). Die bisherige Darstellung verleiht den Grundstückseigentü-mern keine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechte, weil der Flächennutzungsplan nur ein vorbereitender, kein verbindlicher Bauleitplan ist. Gegenwärtig rechtmäßig ausgeüb-te Nutzungen genießen allerdings Bestandsschutz (Jarass und Pieroth 2006: 367–368). Durch die Änderung würden die betroffenen Gebiete auf die beabsichtigte verbindliche Festsetzung durch die Bauleitplanung vorbereitet werden. Sodann müßte die Landeshaupt-stadt Magdeburg in einem Bebauungsplan für die betroffenen Grundstücke eine Nutzung

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für öffentliche Zwecke festsetzen, die eine Renaturierung begünstigt oder verlangt. Zur Vor-bereitung der Renaturierung industrieller Stadtbrachen kommen beispielsweise folgende Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 1 BauGB in Betracht:

• Gemeinbedarfsflächen sowie Flächen für Sport- und Spielanlagen (Nr. 5);

• mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten belastete Flächen (Nr. 21);

• der besondere Nutzungszweck von Flächen (Nr. 9);

• von der Bebauung freizuhaltende Flächen und ihre Nutzung (Nr. 10);

• öffentliche und private Grünflächen (Parkanlagen, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe) (Nr. 15);

• Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur, Landschaft (Nr. 20);

• die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, Flächen und Maßnahmen zum Umweltschutz (Nr. 24);

• Festsetzungen über die Bepflanzung (Nr. 25).

Die fremdnützige Festsetzung ist für die Grundstückseigentümer rechtsverbindlich. Möch-ten sie die Festsetzung nicht akzeptieren, steht ihnen in gewissem Umfang der Rechtsweg offen (Stüer 2005: 1624–1656). Allerdings scheint der Rechtsweg, sofern das Planungsver-fahren nicht mit schweren formellen Fehlern belastet wird, wenig aussichtsreich. Inhaltlich kann die fremdnützige Festsetzung durch den demographischen und ökonomischen Wandel seit Erlassung des geltenden Flächennutzungsplans (2000) und die geänderten Zielvorstel-lungen für die städtebauliche Entwicklung des Magdeburger Südostens begründet werden. Weitere Argumente der Planbegründung können aus einer Konkretisierung der städtebau-rechtlichen Leitbilder ( S. 27) abgeleitet werden ( S. 148–150).

2. Varianten der Renaturierung

Unter »Renaturierung« kann mancherlei verstanden werden. Aus diesem Grund ist es künftiger Bauleitplanung der Landeshauptstadt Magdeburg zu überlassen, in welcher Vari-ante die »Gebiete der ehemaligen Schwerindustrie im Südosten der Stadt … renaturiert« und mit welchem konkreten Ergebnis die »Industriebrachen … in Landschaft zurückver-wandelt« werden sollen (IBA 2006: 172). Allerdings können bedeutsame Unterschiede denk-barer Renaturierungsvarianten unterschieden werden: Dauerhaft und temporäre Renaturie-rung, umfassende oder teilweise Renaturierung, sanierende oder tolerierende Renaturierung.

a) Dauerhafte Renaturierung

Bei der dauerhaften Renaturierung wird das renaturierte Grundstück anderen Bodennut-zungen bleibend entzogen. Ökonomisch hat dies zur Folge, daß das Grundstück auch künf-tig nicht mehr kommerziell verwertet werden kann. Der Verkehrswert dauerhaft renaturier-ter Grundstück ist gering, sofern der Bodenmarkt von der Ernsthaftigkeit der dauerhaften Renaturierung überzeugt ist. Der Verkehrswert dauerhaft renaturierter Grundstücke liegt um oder unter dem Wert land- und forstwirtschaftlicher Flächen (§ 4 Abs. 1 WertV). In Magdeburg betrug im Jahr 2005 der durchschnittliche Kaufpreis für Ackerland 0,87 €/m², für selbständig nutzbare Grünlandflächen durchschnittlich 0,32 €/m² (GMB 2006 I: 49–

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50). Für die Wertbildung spielt die Lage eine wichtige Rolle, selbst wenn nach dem Stand politischer Willensbildung und planungsrechtlicher Festsetzungen mit keiner baulichen Nut-zung mehr zu rechnen ist. Liegt das renaturierte Grundstück nahe eines Siedlungsgebiets, ist sein Wert nach den Vergleichspreisen für privilegiertes Agrarland (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 WertV) zu ermitteln. Eine dauerhafte Renaturierung kann übrigens den Verkehrswert der Nachbar-grundstücke erhöhen. Insbesondere wenn Naturräume mit erheblicher Erholungswirkung und Bauverbot geschaffen werden, erhöht die Flächenverknappung und gesteigerte Umfeld-qualität den ökonomischen Wert des umliegenden Bestands. Rechtlich bedeutet eine dauer-hafte Renaturierung, daß alle Nutzungen zu verbieten sind, die im Gegensatz zum Konzept der Renaturierung stehen. Die Festsetzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB (»Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur, Land-schaft«) ist zur planungsrechtlichen Vorbereitung einer dauerhaften Renaturierung besonders gut geeignet, da sie mit zusätzlichen Bindungen verknüpft werden kann (z.B. Naturschutz-recht, städtebaulicher Vertrag über Ausgleichsflächenpool).

b) Vorübergehende Renaturierung

Bei der vorübergehenden Renaturierung wird das renaturierte Grundstück anderen Bo-dennutzungen zeitweilig entzogen. Die Dauer der Renaturierung könnte mittels Befristung (z.B. bis zum Jahr 2020) oder Bedingung (z.B. bis eine demographische Trendwende ein-setzt) begrenzt werden. Ökonomisch hat die vorübergehende Renaturierung zur Folge, daß das Grundstück erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder kommerziell verwertet werden kann, gegenwärtig aber nicht. Der Verkehrswert temporär renaturierter Grundstücke entspricht, je nach Dauer und Intensität der Nutzungsbeschränkung, dem Wert von Rohbauland oder Bauerwartungsland (§ 4 Abs. 2 und 3 WertV). Auf Verkehrswerte benachbarter Grundstücke wirkt sich eine vorübergehende Renaturierung höchstens aus, wenn die Verbesserung der Umfeldqualität zumindest für zehn Jahre zu erwarten ist. Rechtlich bedeutet eine temporäre Renaturierung, daß während der Renaturierungsdauer alle Nutzungen auf den einbezogenen Grundstücken zu verbieten sind, die im Gegensatz zum Konzept der Renaturierung stehen. Die Festsetzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB (»öffentliche und private Grünflächen«) kann planungsrechtlich für eine temporäre Renaturierung eingesetzt werden. Dazu ist frei-lich eine genaue Inhaltsbestimmung und fortlaufende Kontrolle der Grünflächennutzung erforderlich. Andernfalls werden womöglich neue subjektive Rechte begründet (z.B. Klein-garten), die eine spätere Umnutzung (z.B. Gewerbe) erschweren.

c) Umfassende Renaturierung

Bei der umfassenden Renaturierung werden betroffene Grundstücke zur Gänze renatu-riert. Weder verblieben gewerbliche Restnutzungen auf den brachgefallenen Industriegelän-den, noch könnten Baulichkeiten — insbesondere Baudenkmale der Industriekultur (MDSPA 2005: 54) — erhalten werden. Die Renaturierung würde alle Grundstücke in vollem Umfang zu Naturlandschaft machen. Die umfassende Renaturierung steht im Spannungsverhältnis zum Eigentumsschutz ausgeübter Gewerbebetriebe (Jarass und Pieroth 2006: 367–368) und zum Denkmalschutz (§§ 9 und § 14 DenkmSchG). Deshalb müßte das zwingende öffentli-che Interesse an umfassender Renaturierung überzeugend begründen, weshalb keine Aus-nahmen zugunsten wirtschaftlich genutzter oder denkmalgeschützter Baulichkeiten gemacht werden können. Allerdings wäre dem Konzept umfassender Renaturierung zugute zu halten, daß der Magdeburger Südosten ein städtebauliches Profil als Naturlandschaft gewinnen und die Siedlungs- und Verkehrsfläche in statistisch spürbarem Umgang verringert würden.

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STEUERUNGSMÖGLICHKEITEN 101

d) Teilweise Renaturierung

Bei der teilweisen Renaturierung werden nur manche brachgefallenen Werksflächen oder einbezogene Grundstücke nur zum Teil renaturiert. Auf den nicht renaturierten Grundstük-ken oder Grundstücksteilen können weiterhin gewerbliche Nutzungen ausgeübt werden oder erhaltenswerte Industriegebäude bestehen bleiben. Die teilweise Renaturierung muß durch ein Konzept begleitet werden, das die verbleibenden Nutzungen und die Renaturie-rung miteinander abstimmt. Inhaltlich spielt dabei eine große Rolle, ob durch die Renatu-rierung eine hochwertige Naturlandschaft oder (bloß) ein Erholungsgebiet geschaffen wer-den soll. Die teilweise Renaturierung erfordert nicht bloß, sie erlaubt auch eine Abwägung unterschiedlicher Nutzungsansprüche. Daher werden zumindest Kollisionen zwischen Nut-zergruppen vermieden, die durch Abwägung vermeidbar sind. Die Abwägung bildet auch eine Einfallspforte für Entwicklungen, die eine ernsthafte Renaturierung beeinträchtigen (Problem der »Brachflächendekoration«). Ein Spezialfall der teilweisen Renaturierung ist die Schaffung von Verkehrsverbindungen (z.B. Radweg), die ehemalige Industriegrundstük-ke an freizeit- und tourismuswirtschaftliche Nutzungen im Magdeburger Südosten anschlie-ßen. Durch »mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten belastete Flächen« (§ 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB) kann ein Bebauungsplan flächenmäßig geringfügige Eingriffe in das Grundstücks-eigentum vorsehen. Wird ein Zugang zwischen Wohngebieten in Buckau, Fermersleben, Salbke oder Westerhüsen und der Elbe hergestellt, ermöglicht dies den »Bewohner[n] der südlichen Stadtteile den Fluss als Nachbarn wieder [zu entdecken]« (IBA 2006: 172).

e) Sanierende Renaturierung

Bei der sanierenden Renaturierung werden die natürlichen Bodenfunktionen des renatu-rierten Grundstück so weitgehend wie nur möglich nachhaltig wiederhergestellt. Sanierung umfaßt

• die Beseitigung oder Verminderung der Schadstoffe im Boden (Dekontamination),

• die Verhinderung oder Verminderung der Ausbreitung nicht beseitigter Schadstoffe (Sicherung) sowie

• die Beseitigung oder Verminderung schädlicher Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Bodens (§ 2 Abs. 7 BBodSchG).

Wird die Renaturierung durch eine Sanierung industrieller Altstandorte und Altlasten be-gleitet, muß ein technisch anspruchsvoller und wirtschaftlich aufwendiger Standard angelegt werden (§ 5 BBodSchV). Damit sind hohe Kosten verbunden, die von denjenigen getragen werden müssen, die zur Sanierung verpflichtet sind (§§ 4 ff und § 24 BBodSchG). Der Sanierungsaufwand ist höher, wenn die renaturierten Grundstücke dem Aufenthalt von Menschen (insbesondere Kindern, kranken oder alten Menschen) dienen oder als Bauland genutzt werden sollen. Sanierende Renaturierung betrifft nicht nur den Bodenschutz, son-dern alle Pflichten der Grundstückseigentümer (z.B. Sachenrecht, Schadensersatzrecht, Um-weltrecht, Wasserrecht, Denkmalschutzrecht, Baurecht).

Renaturierung ist kein gewerblicher Zweck. Die Finanzierung der sanierenden Renatu-rierung kann nicht auf Freistellungsrecht ( S. 72) gestützt und auch nicht von der Lan-desanstalt für Altlastenfreistellung unterstützt werden. Umgekehrt kann die Sanierung auch kaum dem Eigentümer durch bodenschutzrechtliche Verfügung aufgetragen werden, wenn als Folgenutzung des Grundstücks seine Renaturierung geplant ist. Art. 14 Abs. 1 GG

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STEUERUNGSMÖGLICHKEITEN 102

schützt den Altlasteneigentümer (von Ausnahmen abgesehen) vor einer Kostenbelastung, die den Verkehrswert des Grundstücks nach Sanierung unverhältnismäßig übersteigt ( S. 70). Im Zusammenwirken zwischen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 14 Abs. 1 GG) und der Freistellungsklausel (Art. 1 § 4 Abs. 3 DDR-Umweltrahmengesetz) wird die Ökonomie des Behaltens ( S. 51), auf höchst unzweckmäßige Weise verstärkt.

f) Tolerierende Renaturierung

Bei der tolerierenden Renaturierung werden die natürlichen Bodenfunktionen des rena-turierten Grundstück nur so weit hergestellt, daß Gefahren, erhebliche Nachteile oder er-hebliche Belästigungen abgewehrt und beseitigt werden. Die tolerierende Renaturierung steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Bodenschutzrecht. Wie deutlich dieses Spannungsverhältnis ausfällt, hängt einerseits von Art und Ausmaß der schädlichen Boden-veränderungen auf den betroffenen Brachen ab, andererseits von der beabsichtigten Nutzung der renaturierten Grundstücke (§ 2 Abs. 3 und § 4 Abs. 4 BBodSchG). Sollen sich bei-spielsweise Menschen auf diesen Grundstücken nicht oder nur vorübergehend aufhalten, können Restrisiken verbleibender schädlicher Bodenveränderungen eher toleriert werden als bei Wohnnutzungen. Die tolerierende Renaturierung könnte auch darin bestehen, daß keine vollständige Dekontamination, wohl aber eine umfassende Sicherung durchgeführt wird. Die tolerierende Renaturierung könnte seit dem Texaco-Urteil des Europäischen Gerichtshof dem europäischen Abfallrecht widersprechen ( S. 147).

g) Vorteile und Nachteile einzelner Renaturierungsvarianten

Variante Wirkung Vorteile Nachteile

dauerhafte Renaturierung

Schaffung einer zeitlich unbegrenzten Naturland-schaft mit rechtswirksamer Zukunftsgarantie

wertet renaturierte Grund-stücke ökologisch und Nachbargrundstücke öko-nomisch auf

engt Spielräume im Falle einer demographischen oder ökonomischen Trend-wende ein

vorübergehende Renaturierung

Schaffung einer temporä-ren Naturlandschaft mit möglicher Nachnutzung

ersetzt Brachflächen durch ökologisch wertvolle Bau-landreserve

Zulässigkeit der Nachnut-zung rechtlich unsicher, insbesondere bei unkontrol-lierten Zwischennutzungen

umfassende Renaturierung

betrifft alle Grundstücke und erfaßt betroffene Grundstücke zur Gänze

reduziert Siedlungs- und Verkehrsfläche spürbar; ermöglicht Beteiligung an »Ausgleichsflächenpool«

kollidiert mit ausgeübten Gewerbebetrieben, Wirt-schaftsförderung, Verkehr und Denkmalschutz

teilweise Renaturierung

betrifft nur einige Grund-stücke oder erfaßt Grund-stücke nur teilweise

erlaubt Abwägung mit anderen Nutzungsansprü-chen

gestattet nur fragmentari-sche Renaturierung; begün-stigt falsche Kompromisse

sanierende Renaturierung

vollständige bodenschutz-rechtliche Sanierung, Ziel ist maximale Sicherheit

beseitigt ökologisches Ge-fährdungspotential und mindert Haftpflichtrisiko des Eigentümers

verursacht hohe Kosten, denen womöglich kein volkswirtschaftlicher Nut-zen entspricht

tolerierende Renaturierung

Mindestmaßnahmen zur Gefahrenabwehr, Ziel ist zumutbares Restrisiko

erzielt Sicherheit in ange-messenem Verhältnis zur beabsichtigten Nutzung

belastet künftige Genera-tionen; Widerspruch zum europäischen Abfallrecht (»Texaco-Urteil«)

Tabelle 13: Vorteile und Nachteile einzelner Renaturierungsvarianten Quelle: eigene Darstellung

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STEUERUNGSMÖGLICHKEITEN 103

Die skizzierten Varianten einer Renaturierung der brachgefallenen Industrieflächen im Magdeburger Südosten erweist einen erheblichen planerischen Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung des Einzelprojekts Leben an und mit der Elbe, das die IBA STADTUMBAU 2010 mit der Landeshauptstadt Magdeburg durchführen will. Tabelle 13 zeigt bedeutsame Vorteile und Nachteile einzelner Renaturierungsvarianten und bietet gewisse Anhaltspunkte für die planerische Entscheidung zwischen unterschiedlichen Varianten der Renaturierung in den Stadtteilen Buckau, Fermersleben, Salbke und Westerhüsen. Wird nur eine »Minimalrena-turierung« angestrebt, wird diese vorübergehend, teilweise und tolerierend sein. Demgegen-über wird eine »Maximalrenaturierung« dauerhaft, umfassend und sanierend ausfallen. Die zweckmäßige Variante der Renaturierung wird vermutlich weder in der minimalen noch in der maximalen Variante einer Renaturierung bestehen.

B. Renaturierung als Planungsschaden

1. Anspruchsvoraussetzungen

Renaturierung verschafft dem Grundstückseigentümer keine oder nur geringe Einnahmen. Setzt ein Bebauungsplan für industrielle Brachflächen im Magdeburger Südosten Nutzungen für öffentliche Zwecke fest (z.B. Gemeinbedarfsflächen, Grünflächen), wird letztendlich ein Eigentümerwechsel angestrebt. Festsetzungen für öffentliche Zwecke haben die rechtliche Wirkung, daß eine gewerbliche Nutzung der Grundstücke künftig nicht mehr zulässig ist, soweit sie die Durchführung eines »Vorhabens« (§ 29 Abs. 1 BauGB) erfordert. Sollten also nach dem Willen des Eigentümers oder sonstigen Verfügungsberechtigten bauliche Anlagen errichtet oder geändert werden, wäre dies aufgrund der Festsetzungen im Bebauungsplan nicht zulässig (§ 30 BauGB). Freilich wird durch die Festsetzung für öffentliche Zwecke auch die Nutzbarkeit bestehender Anlagen beeinträchtigt; die Eigentümer erleiden einen Vermö-gensnachteil. Der Ausgleich dieses Vermögensnachteils ist im Planungsschadensrecht gere-gelt (Battis u.a. 2005: 669–678; Ferner und Kröninger 2005: 183–206; Hoppe u.a. 2004: 328–343; Schmidt-Eichstaedt 2005: 416–418; Stüer 2005: 657–673).

Als Folge fremdnütziger Festsetzungen im Bebauungsplan sind die betroffenen Grund-stücke rechtlich nicht oder nur mehr eingeschränkt nutzbar. Daher steht den Eigentümern das Recht auf Entschädigung in Geld oder durch Übernahme zu (§ 40 BauGB). Vorausset-zung für den Anspruch ist, daß für ein Grundstück in einem rechtskräftigen Bebauungsplan die Festsetzung als Gemeinbedarfsfläche, Fläche mit besonderem Nutzungszweck, freizuhal-tende Fläche, Grünfläche (§ 40 Abs. 1 BauGB) enthalten ist. Gemäß § 40 Abs. 2 BauGB kann der Eigentümer die Übernahme seines Grundstücks, das durch eine Festsetzung für öffentliche Zwecke betroffen ist, verlangen,

»1. wenn und soweit es ihm mit Rücksicht auf die Festsetzung oder Durchführung des Bebauungsplans wirt-schaftlich nicht mehr zuzumuten ist, das Grundstück zu behalten oder es in der bisherigen oder einer anderen zulässigen Art zu nutzen, oder

2. wenn Vorhaben nach § 32 nicht ausgeführt werden dürfen und dadurch die bisherige Nutzung einer bauli-chen Anlage aufgehoben oder wesentlich herabgesetzt wird.«

§ 32 BauGB regelt Nutzungsbeschränkungen auf künftigen Gemeinbedarfs-, Verkehrs-, Ver-sorgungs- und Grünflächen:

»Sind überbaute Flächen in dem Bebauungsplan als Baugrundstücke für den Gemeinbedarf oder als Verkehrs-, Versorgungs- oder Grünflächen festgesetzt, dürfen auf ihnen Vorhaben, die eine wertsteigernde Änderung baulicher Anlagen zur Folge haben, nur zugelassen und für sie Befreiungen von den Festsetzungen des Be-

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STEUERUNGSMÖGLICHKEITEN 104

bauungsplans nur erteilt werden, wenn der Bedarfs- oder Erschließungsträger zustimmt oder der Eigentümer für sich und seine Rechtsnachfolger auf Ersatz der Werterhöhung für den Fall schriftlich verzichtet, dass der Bebauungsplan durchgeführt wird. Dies gilt auch für die dem Bebauungsplan nicht widersprechenden Teile einer baulichen Anlage, wenn sie für sich allein nicht wirtschaftlich verwertbar sind oder wenn bei der Ent-eignung die Übernahme der restlichen überbauten Flächen verlangt werden kann.«

Festsetzungen in einem Bebauungsplan, mit denen die Landeshauptstadt Magdeburg die Renaturierung städtischer Industriebrachen in Buckau, Fermersleben, Salbke oder Westerhü-sen vorbereitet, lassen den Eigentümern keine oder geringe wirtschaftliche Spielräume zur Verwertung ihrer Grundstücke. Muß die kommerzielle Verwertbarkeit dieser Flächen ge-genwärtig als bereits faktisch gering angesehen werden, würde eine Festsetzung im Bebau-ungsplan die betroffenen Grundstücke auch rechtlich vom Markt nehmen. Den Eigentümern ist daher auf ihr Verlangen entweder eine »angemessene Entschädigung« für Nutzungsbe-schränkungen gemäß § 32 BauGB zu leisten oder es sind ihre Grundstücke von der Stadt zu übernehmen (§ 40 Abs. 3 BauGB). Wird das betroffene Grundstück für die Umnutzung im öffentlichen Interesse »alsbald benötigt«, kann der zur Entschädigung Verpflichtete den Eigentümer »auf den Übernahmeanspruch verweisen« (§ 40 Abs. 3 Satz 3 BauGB).

2. Übernahme gegen Entschädigung

Vorzugsweise wird die Gegenleistung für die Grundstücksübernahme durch Einigung be-stimmt. Die Einigung ist ein Rechtsgeschäft, also etwa ein Kaufvertrag, mit dem Eigentü-mer und Gemeinde die Übertragung des Grundstückseigentums gegen Bezahlung eines Kauf-preises vereinbaren. Kommt eine Einigung nicht zustande, kann der Eigentümer bei der Enteignungsbehörde gemäß § 43 Abs. 1 BauGB »die Entziehung des Eigentums« verlangen. Über die Höhe der Entschädigung entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde, wenn eine Geldentschädigung zu leisten ist, über deren Höhe sich Eigentümer und Gemeinde nicht einigen (§ 43 Abs. 2 BauGB). In Sachsen-Anhalt ist »Enteignungsbehörde« und »höhere Verwaltungsbehörde« seit dem 1. Januar 2004 das Landesverwaltungsamt als »zentrale Bündelungs- und Koordinierungsbehörde« (§ 6 Abs. 3 VerwModGrG). Für die Entschei-dung der Enteignungsbehörde gelten die Bestimmungen des städtebaulichen Enteignungs-rechts (1. Kapitel, 5. Teil BauGB).

Die Höhe der Entschädigung für die Übernahme eines Grundstücks (§ 40 BauGB) be-rücksichtigt keine Wertminderungen, die auch bei der Entschädigung für die Änderung oder Aufhebung einer zulässigen Nutzung (§ 42 BauGB) nicht zu entschädigen wären (§ 43 Abs. 3 BauGB). Daher müssen beispielsweise nur wesentliche Wertminderungen des Grund-stücks entschädigt werden (Umkehrschluß aus § 42 Abs. 1 BauGB). Gemäß § 43 Abs. 4 BauGB sind Bodenwerte nicht zu entschädigen, soweit sie darauf beruhen, daß

»1. die zulässige Nutzung auf dem Grundstück den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Ar-beitsverhältnisse oder an die Sicherheit der auf dem Grundstück oder im umliegenden Gebiet wohnenden oder arbeitenden Menschen nicht entspricht oder

2. in einem Gebiet städtebauliche Missstände im Sinne des § 136 Abs. 2 und 3 bestehen und die Nutzung des Grundstücks zu diesen Missständen wesentlich beiträgt.«

Der Verweis auf § 136 Abs. 2 und 3 BauGB erfaßt die Merkmale der Gebiete, die städte-baulichen Sanierungsmaßnahmen unterworfen werden dürfen. Diese Merkmale können zu-sammengefaßt als Substanzschwäche oder Funktionsschwäche bezeichnet werden (Battis u.a. 2005: 1301). Substanzschwäche gemäß § 136 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ist ein städtebauli-cher Mißstand, bei dem

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STEUERUNGSMÖGLICHKEITEN 105

»das Gebiet nach seiner vorhandenen Bebauung oder nach seiner sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder an die Sicherheit der in ihm wohnenden oder arbeitenden Menschen nicht entspricht«.

Funktionsschwäche gemäß § 136 Abs. 2 Nr. 2 BauGB ist ein städtebaulicher Mißstand, bei dem »das Gebiet in der Erfüllung der Aufgaben erheblich beeinträchtigt ist, die ihm nach seiner Lage und Funktion obliegen.« Ein Gebiet muß nicht förmlich gemäß § 142 Abs. 1 BauGB als Sanierungsgebiet festgelegt worden sein, damit § 43 Abs. 4 Nr. 2 BauGB ange-wendet und der Bodenwert eines übernommenen Grundstücks nicht entschädigt werden darf. Bereits bei Zutreffen der Mißstandsmerkmale (Substanzschwäche, Funktionsschwäche) ist daher für den Bodenwert eines übernommenen Grundstücks keine Entschädigung zu bezah-len. Allerdings muß das übernommene Grundstück, damit sein Bodenwert nicht zu entschä-digen ist, erheblich zur Substanz- oder Funktionsschwäche des neu beplanten Gebiets bei-tragen (Battis u.a. 2005: 701–702). Diesen Beitrag leisten jedenfalls brachgefallene Indu-strie- und Gewerbeflächen ( Abbildung 3, S. 9). Die ursprüngliche Funktion als Wirt-schaftsstandort haben solche Brachflächen eingebüßt, die verbliebene Funktion der Nach-bargrundstücke als Wohnstandort wird durch den Brachfall erheblich beeinträchtigt.

Bestimmte Werterhöhungen sind bei der Ermittlung der Entschädigungshöhe nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 5 BauGB).

3. Verfahren

Grundsätzlich ist die Gemeinde zur Entschädigung für eine Grundstücksübernahme durch die Entziehung des Eigentums verpflichtet (§ 44 Abs. 1 BauGB). Wird durch die fremd-nützige Festsetzung jemand besonders begünstigt, ist der Begünstigte zur Entschädigung verpflichtet, »wenn er mit der Festsetzung zu seinen Gunsten einverstanden ist« (§ 44 Abs. 1 BauGB). In diesem Fall haftet die Gemeinde, falls der Begünstigte seine Verpflichtung nicht erfüllt, als Ersatzschuldner. Die Regelung des § 44 Abs. 1 BauGB gibt Magdeburg eine Gelegenheit zum Appell an die örtliche Gemeinschaft in den Stadtteilen Buckau, Fer-mersleben, Salbke und Westerhüsen. Womöglich fühlen sich Mitglieder der örtlichen Ge-meinschaft durch Festsetzungen begünstigt, mit denen die Renaturierung der Industriebra-chen planerisch vorbereitet wird. Diese Personen könnten gegenüber der Landeshauptstadt Magdeburg, den Eigentümern und dem Landesverwaltungsamt rechtsverbindlich erklären, mit der Festsetzung einverstanden zu sein und anteilig für die Entschädigung der zwangs-weisen Grundstücksübernahme aufkommen zu wollen (Einverständniserklärung).

Der Entschädigungsberechtigte kann Entschädigung verlangen, sobald der Planungsscha-den eingetreten ist (§ 44 Abs. 3 Satz 1 BauGB), also sobald die fremdnützige Festsetzung im Bebauungsplan ( S. 98) bestandskräftig geworden ist. Der Entschädigungsanspruch er-lischt, wenn der Berechtigte die Entschädigung nicht innerhalb von drei Jahren beantragt (§ 44 Abs. 4 BauGB).

C. Begleitende Enteignung

Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle auch eine Lage zu prüfen, in der ein Ei-gentümer sein Grundstück trotz fremdnütziger Festsetzung (§ 40 Abs. 1 BauGB) behalten, die Landeshauptstadt Magdeburg aber dieses Grundstück in kommunales Eigentum über-nehmen möchte. In dieser Lage stellt sich nämlich die Rechtsfrage, ob und inwieweit die Renaturierung städtischer Industriebrachen eine Grundstücksnutzung bildet. Als Enteig-

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nungszweck kommen gemäß § 85 Abs. 1 BauGB die plankonforme Nutzung und die Durchführung des Stadtumbaus in Betracht. Danach kann ein Grundstück der städtebauli-chen Enteignung unterworfen werden,

• um entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans genutzt zu werden oder eine solche Nutzung vorzubereiten (Nr. 1);

• um im Geltungsbereich einer Satzung zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus eine bauliche Anlage aus den in § 171d Abs. 3 BauGB bezeichneten Grün-den zu erhalten oder zu beseitigen (Nr. 7) .

Gemäß § 1 Abs. 1 BauGB dient die Bauleitplanung dazu, die »bauliche und sonstige Nut-zung der Grundstücke in der Gemeinde« vorzubereiten und zu leiten. Die Renaturierung bildet eine »sonstige Nutzung«, deren genauere Klassifizierung von der Auswahl einer be-stimmten Art fremdnütziger Festsetzung abhängt (Battis u.a. 2005: 29). Zusätzlich bietet auch § 2 Abs. 2 Nr. 1 BBodSchG eine Auslegungshilfe: Die Renaturierung ist eine »sonstige Nutzung«, weil sie die natürlichen Funktionen des Bodens nützt.

Die planakzessorische Enteignung darf nur verfügt werden, wenn ein Bebauungsplan vorliegt, der den Enteignungszweck hinreichend bestimmt festsetzt (Battis u.a. 2005: 928–930). Dies wird, allgemein gesprochen, für eine großflächige Beschaffung des Renaturie-rungslands kaum möglich sein. Aus diesem Grund käme die städtebauliche Enteignung nicht in Frage, um der Landeshauptstadt Magdeburg das Eigentum an allen brachgefallenen Grundstücken im Magdeburger Südosten zu verschaffen. Die Enteignung ist eine ultima ratio für besonders schwierige Umsetzungsfälle, kein Alltagsinstrument, das einem Planungs-amt die eingehende Kommunikation mit Grundstückseigentümern erspart. Im Unterschied zur Übernahme besteht daher bei der Bodenmobilisierung durch Enteignung eine erhöhte Begründungspflicht und eine sachliche Eingrenzung auf unbedingt zum Wohl der Allgemein-heit benötigte Grundstücke oder Grundstücksteile. Die Enteignung kommt daher für die Steuerung der Bodennutzung im Magdeburger Südosten nur als Begleitmaßnahme in Be-tracht, die erst dann eingesetzt werden darf, wenn andere zum Ziel führende Instrumente des Bodenmanagements nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben.

III. Renaturierung und kostenorientiertes Bodenmanagement

Angesichts niedriger, möglicherweise sogar negativer Bodenwerte der brachliegenden In-dustrie- und Verkehrsgrundstücke im Magdeburger Südosten ist es nach dem geltenden Planungs-, Bau- und Bodenrecht wahrscheinlich, daß die Landeshauptstadt, wenn sie dies wünscht, sich das Grundstückseigentum durch eine gezielte Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen über fremdnützige Festsetzungen und Planungsschäden verschaffen kann ( S. 98–105). Hat die Landeshauptstadt Magdeburg die Grundstücke — sei es durch Ent-eignung, sei es durch Übernahme — erlangt, treffen sie die Pflichten eines Eigentümers kon-taminierten Bodens und womöglich auch denkmalschutzrechtliche Erhaltungspflichten. Die Landeshauptstadt hat daher bisher wenig Interesse an einer Bodenmobilisierung gezeigt, die ihr den Schwarzen Peter zuschiebt, der das Erbe der industriellen Vergangenheit der Stadt des Schwermaschinenbaus bildet. Die Landeshauptstadt ist, abgesehen von einem Zwischen-erwerb, kaum der beste Eigentümer für die zu renaturierenden Grundstücke im Magdebur-ger Südosten. Ausgehend von dieser Vermutung werden im folgenden weitere Steuerungs-

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möglichkeiten in der leeren Stadt erörtert. Zunächst steht das Kostenmanagement in einer Ökonomie des Behaltens im Vordergrund.

A. Übersicht der Kostentypen

In der leeren Stadt ist der Bodenmarkt durch eine Ökonomie des Behaltens (Possessiv-ökonomie) geprägt. Der Bodenmarkt wird nicht — wie in einer Transaktionsökonomie — durch ein reges Kaufen und Verkaufen, Pachten und Verpachten, Mieten und Vermieten bestimmt. In einer solchen Lage richten die Eigentümer ihr Verhalten an den Kosten für das Behalten ihrer Grundstücke aus, nicht an Preisen (Kaufpreise, Entgelte für Vermietung und Verpachtung).

Kostentypen Erläuterung

private Kosten (betriebliche Kosten)

Aufwendungen, die vom Grundstückseigentümer oder Nutzungsberechtigten (z.B. Mieter, Pächter) für den Erwerb, fortgesetzten Besitz und die Nutzung eines Grundstücks zu tragen sind

Beispiel: Kosten für den Grundstückserwerb (z.B. Kaufpreis, Kreditfinan-zierung); Bau- und Instandhaltungskosten baulicher Anlagen; Bewirtschaf-tungskosten; Erschließungsbeiträge, Grundsteuer, Kommunalabgaben

Opportunitätskosten (Alternativkosten)

Nutzen der besten Alternative der Grundstücksverwendung, auf den der Grundstückseigentümer infolge der gegenwärtigen Nutzung verzichtet

Beispiel: Verzicht auf die Einnahmen gemischter Nutzungen bei einem nur für Wohnzwecke genutzten Grundstück

soziale Kosten (negative externe Effekte)

nachteilige Folgen der Grundstücksnutzung, die nicht der Grundstücksei-gentümer, sondern die Allgemeinheit (Kommune, Anwohner, Passanten) zu tragen haben

Beispiel: Umfeldbeeinträchtigung als Folge dauerhaften Leerstands, zu deren Unterlassung der Eigentümer weder aufgrund privatrechtlicher noch öffentlich-rechtlicher Ansprüche verpflichtet ist

Transaktionskosten Aufwendungen des Grundstückseigentümers und anderer Akteure, die eine Änderung oder Neugestaltung der Rechte und Pflichte des Grundstücksei-gentümer betreffen

Beispiel: Aufwendungen für die Vorbereitung und Durchführung von Verhandlungen und Vereinbarungen über effiziente Zwischennutzungen; Aufwendungen für die Durchsetzung und Verteidigung rechtlicher Ansprü-che des Grundstückseigentümers

Tabelle 14: Kosten und Grundstückseigentum

Im allgemeinen werden Kosten als die Aufwendungen bezeichnet, die für die Herstellung (Produktionskosten) oder den Konsum (Güterpreis) eines Guts erforderlich sind. Im vorlie-genden Zusammenhang ist das »Gut« vielschichtig: Die brachliegenden Grundstücke verursa-chen private Kosten, die beim Eigentümer als Konsequenz des Behaltens der Grundstücke anfallen. Die brachliegenden Grundstücke verursachen aber auch soziale Kosten, die für die Allgemeinheit als Folge des Leerstands und der Nichtnutzung entstehen. Des weiteren die brachliegenden Grundstücke Opportunitätskosten, die einen wesentlichen Einfluß auf ge-genwärtige und künftige Bodennutzungen haben. Schließlich hängt das Behalten brachliegen-der Grundstücke mit den Transaktionskosten zusammen, die eine Nutzungsänderung verur-

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STEUERUNGSMÖGLICHKEITEN 108

sachen würde. Da diese Kosten, nicht die Preise, die gegenwärtige Grundstücksnutzung und ihre Veränderung wesentlich bestimmen, sind die unterschiedlichen Kostentypen einer Öko-nomie des Behaltens näher darzustellen ( Tabelle 14, S. 107). Die Darstellung folgt der in der Volkswirtschaftslehre üblichen Begrifflichkeit (Woll 1996: 415–416).

Herkömmliche Stadtplanung steuert Bodennutzungen, indem die Preisbildung auf den Bodenmärkten beeinflußt wird. In der leeren Stadt hat die Stadtplanung höchstens die Möglichkeit, auf die Bodennutzung durch Steuerung der Kosten einzuwirken (kostenorien-tiertes Bodenmanagement). Bevor dieser Ansatz näher dargestellt wird ( S. 117), werden die einzelnen Kostentypen erläutert.

B. Erläuterung der Kostentypen

1. Private Kosten

Private Kosten sind Aufwendungen, die für den Erwerb, fortgesetzten Besitz und die Nutzung eines Grundstücks vom Grundstückseigentümer oder einem Nutzungsberechtigten (z.B. Mieter, Pächter) zu tragen sind.

Private Kosten sind die Antwort auf die Frage: Welche Kosten verursacht die gegenwär-tige Grundstücksnutzung in ihrer konkreten Form für den Eigentümer, Mieter, Pächter? Was kostet die Instandhaltung der Baulichkeit, die Wartung der Heizungsanlage, der Betrieb des Fahrstuhls, die Pflege des Gartens, die Reparatur der Mauer? Gewöhnlich werden diese Kosten aufgewendet, um den Ertrag aus der gegenwärtigen Grundstücksnutzung zu erhalten; private Kosten bilden somit auf gewisse Weise laufende Investitionen in die Gewährleistung des Ertrages einer Immobilie. In der leeren Stadt werfen aber viele Immobilien keinen Ertrag ab. Welchen Einfluß hat dies auf die Bereitschaft der Eigentümers oder Nutzungsberechtig-ten, dennoch private Kosten zu tragen?

Private Kosten können auf unterschiedliche Weise eingeteilt werden. Einmalige Kosten fallen nur zu einem Zeitpunkt und einer Gelegenheit an (z.B. Kaufpreis, Baukosten), wie-derkehrende Kosten fallen in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen an (z.B. Grundsteuer, Instandhaltungskosten). Fixe Kosten sind Aufwendungen, die nicht von der jeweiligen Grundstücksnutzung abhängen, also bei allen möglichen Nutzungsvarianten an-fallen (z.B. Rückzahlung eines hypothekarisch gesicherten Kredits). Variable Kosten hängen hingegen von der konkreten Grundstücksnutzung ab (z.B. Reinigungs- und Wartungskosten). Die privaten Kosten der Grundstücksnutzung fallen zur Gänze beim Eigentümer an, wenn dieser das Grundstück selbst nutzt (selbstnutzender Eigentümer). Wird das Grundstück hin-gegen vermietet, verpachtet oder aufgrund einer sonstigen rechtlichen Grundlage von einer anderen Person genutzt, fallen die privaten Kosten der Grundstücksnutzung ganz oder zu-mindest teilweise bei dieser Person (z.B. Mieter, Pächter) an, nicht beim Eigentümer.

Die in der Grundstückswertermittlung zu berücksichtigenden Kosten sind private Kosten. Gemäß § 18 WertV werden die Bewirtschaftungskosten eines Grundstücks, die im Ertrags-wertverfahren vom Rohertrag zur Ermittlung des Reinertrages abzuziehen sind (§ 18 Abs. 1 WertV), in vier Gruppen eingeteilt:

• Verwaltungskosten (§ 18 Abs. 2 WertV),

• (nicht umlagefähige) Betriebskosten (§ 18 Abs. 3 WertV),

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STEUERUNGSMÖGLICHKEITEN 109

• Instandhaltungskosten (§ 18 Abs. 4 WertV) und

• Mietausfallswagnis (§ 18 Abs. 5 WertV).

Des weiteren fallen durch Umlage gedeckte Betriebskosten an, die bei der Verkehrswerter-mittlung allerdings unberücksichtigt bleiben (§ 18 Abs. 1 WertV), weil sie den Rohertrag des ordnungsgemäß bewirtschafteten Grundstücks nicht mindern (»Durchlaufposten«). Wer-den die durch Umlage gedeckten Betriebskosten verändert und vermag der Eigentümer diese Betriebskosten auf den Nutzer (z.B. Mieter, Pächter) zu überwälzen, gehen von der Verän-derung keine Lenkungswirkungen aus. Lediglich Eigentümer, die ihre Grundstücke selbst nutzen oder denen aus wirtschaftlichen Gründen eine Überwälzung der durch Umlage ge-deckten Betriebskosten verwehrt ist, trifft die Erhöhung umlagefähiger Betriebskosten.

Sind die Kosten für den Eigentumserwerb bereits angefallen, sind für die Behaltensstra-tegien der Eigentümer von Grundstücken in der leeren Stadt insbesondere die folgenden beiden Erwägungen maßgeblich:

• Eigentümer können ihre variablen Kosten durch die Unternutzung oder Nichtnutzung ihrer Grundstücke verringern oder vermeiden, da nennenswerte Einnahmen oder Ertrags-steigerungen infolge bestimmter Grundstücksnutzungen ohnedies nicht zu erwarten sind.

• Die unvermeidbare Kostenbelastung, die für Eigentümer aus dem Behalten ihrer Grund-stücke entsteht, ergibt sich vor allem aus wiederkehrenden und fixen Kosten, denen die Eigentümer nicht ausweichen können (z.B. durch Leerstand, Brachfall, Nichtnutzung).

Die wirtschaftliche Entscheidung eines Eigentümers, sein Grundstück in der leeren Stadt zu behalten oder abzugeben, wird durch die Höhe der privaten Kosten maßgeblich beeinflußt. Zunächst ist dem Eigentümer daran gelegen, daß seine privaten Kosten durch die Einnahmen aus der Grundstücksnutzung beglichen werden. Da diese Einnahmen gering sind oder völlig fehlen, sind Grundstückseigentümer daran interessiert, ihre privaten Kosten möglichst gering zu halten. Die leere Stadt bietet wenig Gelegenheit für lohnende Investitionen (und jede Eigeninvestition erhöht die privaten Kosten des Eigentümers). Bilden schlechte Ertrags-erwartungen auch ein wesentliches Investitionshemmnis, werden Eigentümer dennoch alle Einnahmen erzielen, die sie ohne zusätzliche Investitionen und Arbeitsleistungen erhalten können (Renteneinkommen).

Übersteigen die privaten Kosten für das Behalten eines Grundstücks die laufenden Erträge des Eigentümers, muß der Eigentümer das Grundstück entweder abgeben oder die Differenz aus seinem Vermögen finanzieren. Betriebswirtschaftlich kann es durchaus sinnvoll sein, ein gegenwärtig defizitäres Grundstück zu behalten. Erwartet der Eigentümer, daß die Einnah-men aus diesem Grundstück in Zukunft über den Grundstückskosten liegen, ist die private Finanzierung übersteigender Kosten in der Gegenwart lediglich eine Anzahlung auf den späteren Lohn des Wartens. Auch macht es betriebswirtschaftlich Sinn, die noch erzielbare Einnahmen aus der Grundstücksnutzung zu erzielen ohne gleichzeitig in die Erhaltung oder Verbesserung des Grundstücks zu investieren. Schöpfen die Eigentümer die Grundrente der Grundstücke in der leeren Stadt ab, erlangen sie individuell kurzfristig gewisse, vielleicht auch nur kleine Verwertungsvorteile. Die Vermietung von Wohnraum auf der Grundlage völli-gen »Abwohnens« oder die Verpachtung eines Betriebsgeländes ohne Serviceleistungen des verpachtenden Eigentümers kann betriebswirtschaftlich rational sein, wenn nach der kon-kreten Lage keine zusätzlichen Einnahmen als Folge betrieblicher Investitionen zu erwarten sind. Kollektiv führt die Abschöpfung der Grundrente aber zum progressiven Verfall der

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leeren Stadt. Ohne Investitionen, ja ohne selbst geringfügige Instandhaltung wird die materiel-le Substanz der Stadtgrundstücke unweigerlich aufgezehrt.

Somit ist die Verwahrlosungstendenz der Grundstücke in der leeren Stadt ökonomisch erklärbar. Die privaten Kosten der Grundstücksnutzung sind häufig zu niedrig, weil Eigen-tümer oder Nutzungsberechtigte absichtlich zu wenig Aufwand treiben, um die Substanz des Immobilienbestandes zu erhalten oder gar zu verbessern. Niedrige private Kosten haben zwei Effekte: Zum einen begleiten sie Immobilien auf ihrem Weg in die Verwahrlosung, zum anderen erlauben sie den Eigentümern, ihre Grundstücke zu behalten ohne gleichzeitig hohe laufende Ausgaben bezahlen zu müssen. Investitionen in die leere Stadt werden durch die Kostenersparnis hingegen nicht vorbereitet.

2. Opportunitätskosten

Unter Opportunitätskosten (Alternativkosten) ist der Nutzen der besten Alternative der Grundstücksverwendung zu verstehen, auf den der Grundstückseigentümer infolge der ge-genwärtigen Nutzung verzichtet.

Die Opportunitätskosten der Nutzung eines Grundstücks messen den Vorteil seiner al-ternativen Nutzung: Wofür könnte dieses Grundstück außerdem, vielleicht sogar ertragreicher genutzt werden? Dazu ein Beispiel: Die Opportunitätskosten einer Gartenlandnutzung sind, wenn das Planungsrecht eine Bebauung des Grundstücks erlaubt, die Baulandnutzung. Läßt der Eigentümer sein Grundstück unbebaut, verzichtet er auf die höheren Erträge einer bau-lichen Nutzung. Gestattet das Planungsrecht die Bebauung nicht, sind die Opportunitätsko-sten der Gartenlandnutzung der Brachfall. Bei der Beurteilung der Opportunitätskosten einer Grundstücksnutzung muß die Pfadabhängigkeit der bisherigen Nutzung berücksichtigt wer-den (sogenannter »lock in -Effekt«). Insbesondere bei baulichen Nutzungen spielt die gegen-wärtige Bebauung des Grundstücks eine wichtige Rolle, denn ein Einfamilienhaus kann nicht als Lagerhalle oder Konzerthaus umgenutzt werden. Insoweit müssen Überlegungen zu Opportunitätskosten der Nutzung eines Grundstücks stets die rechtlichen und technischen Möglichkeiten sowie die privaten Kosten der Umnutzung berücksichtigen.

In der Betriebswirtschaftslehre und Mikroökonomie werden Opportunitätskosten verwen-det, um monetär nicht oder schwierig zu bewertende private Kosten zu bestimmen. Überlegt ein Unternehmen, ob seine Ressourcen vorteilhafter für andere Zwecke eingesetzt werden können, wird der Verzicht auf die beste Alternative des Ressourceneinsatzes zur Bewertung der Kosten des gegenwärtigen Ressourceneinsatzes herangezogen (für die interne Ressour-cennutzung sind nämlich Marktpreise womöglich keine sinnvolle Kalkulationsgrundlage). Im raumplanerischen Zusammenhang dient das Konzept der Opportunitätskosten einem ande-ren Zweck. Die Opportunitätskosten der gegenwärtigen Grundstücksnutzung sind ein An-haltspunkt, um die Robustheit gegenwärtiger Raumnutzungen abzuschätzen. In der leeren Stadt signalisieren die Opportunitätskosten unternutzter, leerstehender oder verwahrloster Immobilien die Robustheit des Behaltens und der Verwahrlosungstendenz. Niedrige Oppor-tunitätskosten bedeuten für die Eigentümer, daß sie durch die Beibehaltung der gegenwär-tigen Nutzung auf nichts verzichten. Die gegenwärtige »Nutzung«, mag sie auch noch so minderwertig sein, ist im Falle niedriger Opportunitätskosten dennoch die beste Grund-stücksnutzung — jedenfalls aus der Perspektive der Grundstückseigentümers in der leeren Stadt betrachtet. Umgekehrt bedeuten hohe Opportunitätskosten, daß alternative Ver-wendungen des Grundstücks ebenso lohnend wären. Hohe Opportunitätskosten sind, insbe-

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sondere wenn sie den Nutzen der gegenwärtigen Verwendung übersteigen, ein Indiz für einen bevorstehenden Nutzungswechsel.

Ein wichtiger Maßstab der Ökonomie des Behaltens sind die Opportunitätskosten, die im Nutzen der Aufgabe des Eigentums (§ 928 BGB) bestehen. Der Nutzen des Eigentumsver-zichts besteht darin, daß sich Eigentümer durch eine Verzichtserklärung gegenüber dem Grundbuchamt aller Rechte und Pflichten (mit Ausnahme einiger öffentlich-rechtlicher Pflich-ten) entledigen. Solange Grundstückseigentümer keinen Verzicht leisten, erwarten sie vom Behalten des Grundstücks einen größeren Vorteil als vom Verzicht. Das mag, vor allem unter der Bedingung niedriger privater Kosten, betriebswirtschaftlich durchaus rational sein. Um-gekehrt wäre es betriebswirtschaftlich irrational, wenn Eigentümer ihr Eigentumsrecht an Grundstücken in der leeren Stadt aufrecht erhielten, wenn der Verzicht auf das Eigentum an diesen Grundstücken für sie nützlicher wäre als die Grundstücke zu behalten. Der Nut-zen der Eigentumsaufgabe, der den behaltenden Eigentümern entgeht, ist die schlechteste denkmögliche Alternative der Grundstücksverwendung, mit der Eigentümer ihre Behaltens-strategie vergleichen können. Solange die Opportunitätskosten der Eigentumsaufgabe niedrig sind, lohnt sich für die Eigentümer, ihre Grundstücke in der leeren Stadt zu behalten. An-zumerken ist, daß sich der Eigentümer einer Altlast oder eines Grundstücks mit schädlichen Bodenveränderungen seiner bodenschutzrechtlichen Sanierungspflicht nicht durch Aufgabe seines Eigentums (§ 928 BGB) entledigen kann. § 4 Abs. 3 BBodSchG nennt ausdrücklich als Sanierungspflichtigen, »wer das Eigentum an einem solchen Grundstück aufgibt«.

Das Konzept der Opportunitätskosten kann in der Immobilienökonomie der leeren Stadt eine wichtige Rolle spielen. Da außenstehenden Beobachtern — etwa dem Planungsamt — zumeist nicht möglich ist, die wirtschaftlichen Erwägungen der Grundstückseigentümer näher kennenzulernen, bilden die Opportunitätskosten ein Signal für das wirtschaftliche Kalkül der Eigentümer. Das gilt vor allem für die Opportunitätskosten des Nutzens der Eigentums-aufgabe. Auf den ersten Blick scheint es nämlich verwunderlich, weshalb jemand in der leeren Stadt ein Grundstück behalten möchte. Mit Hilfe des Konzepts der Opportunitätskosten ist die Strategie des Behaltens weit weniger sonderbar: Vielmehr zeigt possessives Verhalten der Eigentümer an, daß sie aus der fortgesetzten Innehabung des Eigentumsrechts einen Nutzen ziehen, mag der Nutzen für außenstehende Beobachter auch schwer erkennbar sein. Dieser Nutzen ist das wirtschaftliche Motiv für das Behalten der Grundstücke, der Nutzen alternati-ver Verwendungen oder gar der Aufgabe des Grundstückseigentums ist geringer.

Aus der Sicht der Bauleitplanung können alternative Verwendungen eines Grundstücks in der leeren Stadt wünschenswert sein, die volkswirtschaftlich effizienter als Verwahrlosung und Leerstand sind. Solche höherwertigen Nutzungen müssen nicht unbedingt in einer bauli-chen Nutzung bestehen. Auch die Nutzung der Umweltfunktionen eines Grundstücks (z.B. Renaturierung als Stadtwald) oder Zwischennutzungen vakanter Flächen können den Ge-samtnutzen der Anwohner oder sogar der gesamten Wohnbevölkerung steigern. Das Konzept der Opportunitätskosten erklärt, weshalb diese Nutzensteigerung (positiver externer Effekt) den Eigentümer kaum zu einer Änderungen der gegenwärtigen Grundstücksverwendung motiviert. In allen Fällen, in denen die Gemeinbedarfsnutzungen vakanter Flächen nicht zu einem Einkommensstrom bei den Eigentümern führt, werden diese eine Nutzungsänderung als Alternative zur gegenwärtigen Grundstücksverwendung nicht in Betracht ziehen — jeden-falls nicht aus wirtschaftlichen Gründen. Erst wenn Eigentümer für ihre Zustimmung zur Gemeinbedarfsnutzung ein Entgelt erhalten, könnte eine Alternativverwendung im öffentli-

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chen Interesse auch für die Eigentümer interessant sein. Das Entgelt kann in einer Entschä-digung für die zwangsweise Einräumung einer Duldungspflicht, es kann aber auch in einem privatrechtlich vereinbarten Nutzungsentgelt bestehen (z.B. Eintrittspreis). Ohne ein solches Entgelt sind die Opportunitätskosten der gemeinnützigen Verwendung vakanter Grundstücke für die Eigentümer jedoch irrelevant.

Bestimmt man die Opportunitätskosten der gegenwärtigen Grundstücksverwendung, er-langt man Einblicke in den wirtschaftlichen Hintergrund possessiven Eigentümerverhaltens. Niedrige Opportunitätskosten »verurteilen« Eigentümer geradezu, die gegenwärtige Grund-stücksverwendung beizubehalten, mag diese auch noch so wenig ertragreich und für das Umfeld sogar nachteilig sein. Niedrige Opportunitätskosten signalisieren einen Mangel an alternativen rechtmäßigen Verwendungsmöglichkeiten. Hinzu treten die lock in -Effekte des Privateigentums und des Planungs-, Bau- und Bodenrechts. In der leeren Stadt sind die Opportunitätskosten häufig deshalb niedrig, weil die Rechtslage, die vielleicht unter ganz anderen Umständen und mit anderen Erwartungen geschaffen wurde, alternative Grund-stücksnutzungen nicht ermutigt, vielleicht sogar erschwert oder ausschließt. Diese Rechtslage erweist sich womöglich als (faktische) Änderungssperre.

Ein Beispiel bildet das Freistellungsrecht, wenn Freistellungen für Grundstücke ausgespro-chen wurden, die aus Gründen allgemeiner Wirtschaftsentwicklung nicht mehr gewerblich genutzt werden können ( S. 72). Dennoch hält der Eigentümer an der Illusion gewerbli-cher Nutzbarkeit fest, schließlich würde er mit dem Widerruf der Freistellung die letzte Chance verlieren, daß die Sanierung seines Grundstücks durch die öffentliche Hand bezahlt wird. Diese Änderungssperre mag gar nicht beabsichtigt sein, indes folgt sie aus Rechtsvor-schriften, die mit Blick auf Wirtschaftsförderung und Investitionserleichterung, nicht mit Blick auf die leere Stadt in Geltung gesetzt worden sind.

Eine ähnliche Sperrwirkung kann von einer früheren Immobilienbewertung ausgehen, auf die die hypothekarische Kreditsicherung oder eine Unternehmensbewertung gestützt wurden. Wurden Grundstücke zur Kreditsicherung oder für Unternehmensbilanzen in der Vergan-genheit mit Werten eingeschätzt, die deutlich über den gegenwärtig realisierbaren Kaufprei-sen liegen, kann der Verkauf die finanzielle Lage des Eigentümers verschlechtern oder eine bereits eingetretene Verschlechterung sichtbar machen. Die frühere Bewertung kann die Im-mobilie bereits zu optimistisch eingeschätzt haben, womöglich hat sich der Immobilienwert aber auch als Folge allgemeiner Wirtschaftsentwicklung verringert. Liegt eine zu große Dif-ferenz zwischen früherer Bewertung und gegenwärtiger Verkaufschance vor, hindern den Eigentümer gewichtige Gründe, seine unproduktive Behaltensstrategie aufzugeben. Eine nicht realisierte Wertverschlechterung ist somit ebenfalls eine denkbare Ursache für niedrige Opportunitätskosten der gegenwärtigen Grundstücksverwendung.

3. Soziale Kosten

Soziale Kosten (negative externe Effekte) sind nachteilige Folgen der Grundstücksnutzung, die nicht der Grundstückseigentümer oder Nutzungsberechtigte, sondern die Allgemeinheit (Kommune, Anwohner, Passanten) zu tragen haben.

Soziale Kosten sind die Antwort auf die Frage, weshalb der Preismechanismus des freien Markts mitunter nicht in der Lage ist, die Präferenzen der Anbieter und Nachfragenden von Gütern und Dienstleistungen optimal abzustimmen. In das Angebotsverhalten gehen unter

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anderem die privaten Kosten der Produktion und Leistungserbringung ein. Unter Wettbe-werbsbedingungen werden Anbieter danach trachten, daß der Preis eines Gutes oder einer Dienstleistung den Grenzkosten der Produktion (Güterherstellung, Leistungserbringung) ent-spricht. Müssen Anbieter aber nicht alle Aufwendungen, die mit durch die Produktion ver-ursacht werden, in ihre betriebliche Kalkulation einstellen, rechnen sie mit zu geringen Ko-sten. Die Folge ist neben einem Überangebot eine Belastung der Allgemeinheit mit den nicht privat getragenen Kosten. Diese Belastung wird als soziale Kosten oder negativer externer Effekt bezeichnet. Soziale Kosten führen zu Marktversagen, denn den Wettbewerbspreisen liegt eine zu niedrige Kostenfunktion zugrunde. Um den Preismechanismus wieder wirksam werden zu lassen, müssen die Verursacher sozialer Kosten zur Internalisierung gezwungen werden. Darunter versteht man staatliche Maßnahmen, mit denen die Verursacher gezwungen werden, alle durch ihr Angebotsverhalten verursachten Kosten in ihre betriebliche Kalkulation einzustellen (und gegebenenfalls die Entscheidung zu treffen, ihr Angebotsverhalten ange-sichts zu hoher privater Kosten aufzugeben).

Das wichtigste Anwendungsbeispiel sozialer Kosten bietet die Umweltökonomie (Wicke 1993: 43–46). Solange Unternehmen einen Teil der Umweltverschmutzung, die durch ihre Produktion verursacht wird, nicht tragen müssen, behalten sie ein höheres Produktionsniveau bei als es dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht entspräche. Durch gesetzliche Ge- und Verbote oder durch Einhebung einer Steuer (»Pigou-Steuer«) können die Kosten der Um-weltverschmutzung ganz oder teilweise internalisiert werden. Das Luftreinhalte-, Wasser-, Kreislaufwirtschafts-, Atom- oder Naturschutzrecht sind Gebiete des Umweltrechts, auf denen in Deutschland sehr erfolgreich zur Internalisierung negativer externer Effekte der Wirtschaft beigetragen haben (Wicke 1993).

In der leeren Stadt treten soziale Kosten nicht deshalb auf, weil Unternehmen zu viel und zu günstig produzieren und deshalb die Umwelt schädigen. Die sozialen Kosten der leeren Stadt sind vielmehr negative externe Effekte des Possessivverhaltens der Grundstückseigen-tümer, wie es für eine Ökonomie des Behaltens typisch ist. Bliebe das bloße Behalten eines Grundstücks (Nichtnutzung, Leerstand) ohne Auswirkungen auf die Allgemeinheit und Nach-barschaft, hätte Leerstand keine sozialen Kosten. Bei langdauerndem Leerstand können in-des erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit (Kommune, Anwohner, Passanten) auftreten. Zu solchen direkten oder indirekten Folgen des Leerstands gehören die Verwahrlosung der Grundstücke, bauliche Schäden, die Beschädigung und schrittweise Zerstörung erhaltens-würdiger Baudenkmale, finanzielle Unterdeckung der kommunalen Infrastruktur, unbemerkte Auswirkungen schädlicher Bodenveränderungen auf das Grundwasser, die Ausbreitung von Unkraut und Schädlingen, die Stigmatisierung der Quartiere, die Aushöhlung sozialen Zu-sammenhalts. In der betrieblichen Kalkulation der Eigentümer werden diese und andere Fol-gen nicht oder nur teilweise berücksichtigt.

Soweit die Anwendung des geltenden Zivil- und Verwaltungsrechts die Eigentümer ver-wahrloster Grundstücke nicht dazu zwingt, die sozialen Kosten langdauernden Leerstands zu beseitigen (Internalisierung), müssen diese Folgen von der Allgemeinheit getragen werden. Das »Leere« an der leeren Stadt ist volkswirtschaftlich auch als die Belastung durch soziale Kosten anzusehen, die durch Grundstückseigentümer in der leeren Stadt verursacht werden. An der Einschätzung der Belastung des Leerstands als soziale Kosten ändert auch nichts, daß Grundstückseigentümer womöglich selbst Verluste durch den Leerstand erleiden oder an einer aktiven Grundstücksnutzung interessiert wären. Diesen Grundstückseigentümern

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ist, mögen sie auch selbst Opfer sein, die Verursachung der Verwahrlosung ihrer Grundstücke als Wirtschaftssubjekte zuzurechnen. Solange die sozialen Kosten des Leerstands und der Grundstücksverwahrlosung nicht internalisiert werden, wird auf dem Bodenmarkt zu viel Leere produziert, soll heißen: die tatsächlichen Auswirkungen des Possessivverhaltens der Grundstückseigentümer werden weder durch den Bodenmarkt gesteuert noch entsprechen sie dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht.

Eine funktionierende Wirtschaft ist auf Kostenwahrheit angewiesen. Treten soziale Ko-sten in zu großem Umfang auf, entsteht ein erhebliches Effizienz- und Gerechtigkeitsproblem ( S. 30 und 32):

• Das Effizienzproblem liegt im Marktversagen. Der Markt — hier: die Bodenmärkte — ist angesichts mangels Kostenwahrheit und angesichts verzerrter Preise nicht mehr in der Lage, die Ressourcenverwendung optimal zu steuern. Erhebliche quantitative und quali-tative Fehlnutzungen sind die Folge.

• Das Gerechtigkeitsproblem liegt in der schiefen Lastenverteilung, denn die sozialen Ko-sten treffen in der Regel Wirtschaftssubjekte, die weder die Verwahrlosung verursacht haben noch dazu in der Lage wären, die Verwahrlosung abzustellen. Daher ist den Bela-steten zumeist auch gar nicht möglich, durch eigenes Verhalten gegen die Verwahrlosung vorzugehen und die nachteiligen Folgen des Marktversagens zu beheben.

Sowohl das Effizienz- als auch das Gerechtigkeitsproblem können in der leeren Stadt erheb-liche Folgewirkungen nach sich ziehen: Ausweitung der Leerstände, Verwahrlosung ganzer Stadtquartiere, Verschwendung städtischer Ressourcen. Aus diesem Grund ist unverzichtbar und dringend geboten, daß die öffentliche Hand entschlossene Maßnahmen zur Internalisie-rung sozialer Kosten in der leeren Stadt ergreift. Diese Maßnahmen haben nicht zum Ziel, »das Leere« zu beheben oder Entwicklungen der leeren Stadt durch planwirtschaftliche Inter-ventionen zu steuern. Im Gegenteil, Maßnahmen zur Internalisierung sozialer Kosten machen den Preismechanismus wieder funktionsfähig, gewährleisten Wettbewerb und stabilisieren die Bodenmärkte. Eine freie und faire Wirtschaftstätigkeit wird dadurch erst ermöglicht, da soziale Kosten wirtschaftlich unerwünschte Subventionen für volkswirtschaftlich unerwünsch-tes Verhalten darstellen. Werden in der leeren Stadt die Grundstücksverwahrlosung und andere soziale Kosten der Ökonomie des Behaltens zugelassen oder doch geduldet, wird dadurch ein kaum wieder gutzumachender Schaden für die Funktionsfähigkeit der lokalen und regionalen Ökonomie verursacht.

Die hohen sozialen Kosten in der leeren Stadt korrespondieren mit den niedrigen privaten Kosten der Grundstückseigentümer und Nutzungsberechtigten. Die nachteiligen Folgen, die eine Grundstücksverwahrlosung für das Umfeld hat, sind ja zumeist die Folge unterlassener Grundstücksbewirtschaftung. Indem der Eigentümer die Bewirtschaftungskosten spart, bür-det er der Allgemeinheit mittel- bis langfristig die Last der Verwahrlosung auf. Ökonomisch handelt es sich bei Grundstücksverwahrlosung um eine Kostenüberwälzung. Indem Grund-stückseigentümer weniger Geld für die Instandhaltung und Pflege ihrer Immobilien ausge-ben, zwingen sie die Allgemeinheit dazu, die Konsequenzen schrittweise verwahrloster Im-mobilien zu erdulden. Die sozialen Kosten durch Umfeldbeeinträchtigung sind somit eine Konsequenz des Ersparens privater Kosten durch die Eigentümer. Doch die Kosten, die sich die Eigentümer ersparen, lösen sich nicht in Leere auf, sie schlagen bei der Allgemeinheit zu Buche. Dieser Zusammenhang ist vor allem dann von großer Wichtigkeit, wenn die privaten

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Kosten niedriger wären als die verursachten sozialen Kosten. In diesem Falle wäre es näm-lich volkswirtschaftlich effizienter, die nachteiligen Wirkungen leerstehender und verwahrlo-ster Grundstücke durch eine Erhöhung privater Kosten zu beseitigen und zu vermeiden.

4. Transaktionskosten

Transaktionskosten sind die Aufwendungen des Grundstückseigentümers und anderer Ent-scheidungsträger, die eine Änderung oder Neugestaltung der Rechte und Pflichte des Grund-stückseigentümers betreffen. Der weite Begriff schließt den Aufwand für die Rechtsverteidi-gung, insbesondere auch für Verhandlungen über alternative Nutzungen ein.

Wirtschaftssubjekte sind in der Regel durchaus imstande, ihre Lage und ihre Nutzen durch zielgerichtetes Verhandeln zu schützen und zu verbessern. Eine effiziente Verhandlungslösung wird aber nur erzielt werden, wenn entweder die Transaktionskosten gleich Null oder die Eigentumsrechte klar definiert sind. Das sogenannte Coase-Theorem zählt zu den wichtigsten Grundideen der ökonomischen Analyse des Rechts (Cooter und Ulen 2004: 85–91).

Ausgangspunkt für die Entwicklung des Coase-Theorems sind die sozialen Kosten (exter-nen Effekte), die Wirtschaftsunternehmen durch Betriebsanlagen verursachen ( S. 112), sowie die ökonomischen Folgen des eigentumsrechtlichen Störungsverbots ( S. 63). Ronald H. Coase beschäftigt das Verhältnis zwischen menschlichem Verhalten, ökonomischer Effi-zienz und Rechten. Coase betrachtete vor allem soziale Kosten und konkurrierende Ansprü-che auf Nutzung des Bodens und der Umwelt, also Konflikte zwischen Fabriken und Wohn-bebauung, Eisenbahnen und Landwirtschaft, lärmenden Gewerbebetrieben und ruhebedürf-tigen Geistesmenschen. Gesetze und Gerichte wären dazu geneigt, wirtschaftliche Aktivitä-ten mit negativen Auswirkungen auf Nachbarschaft und Umwelt zu unterbinden. Solche Ver-bote wären, so Coase, ökonomisch unzweckmäßig und ungeeignet, um soziale Kosten effi-zient zu internalisieren. Konflikte zwischen konkurrierenden Bodennutzungsansprüchen wä-ren einfach auszuräumen, wenn man »Rechte« als Produktionsfaktoren ansähe (Coase 1990: 155–156). Diese Produktionsfaktoren würden in einer Marktwirtschaft so eingesetzt, daß ihr Ertrag möglichst hoch wäre. Andere Ansprüche auf Nutzung desselben Produktionsfaktors — desselben Rechts — würden vom besten Nutzer gekauft oder ersteigert werden (wenn das Recht jemand anderem zusteht) oder genutzt werden (wenn das Recht bereits dem besten Nutzer zusteht). Für Coase ist jener Nutzer der beste, der unter Abwägung aller Vor- und Nachteile seines Nutzungsverhaltens den höchsten Produktionswert erzielt:

»It is all a question of weighing up the gains that would accrue from eliminating these harmful effects against the gains that accrue from allowing them to continue« (Coase 1990: 131).

Der höchste Produktionswert ist, so stellte Coase an anderer Stelle fest, nicht am Einkommen des einzelnen Produzenten abzulesen, sondern am volkswirtschaftlichen Wohlstand, denn »when there are zero transaction costs, negotiations will lead to an agreement which maxi-mizes wealth« (Coase 1990: 159). Allerdings sind Verhandlungen zwischen den Konflikt-parteien oder Nutzungskonkurrenten unwahrscheinlich, falls die Rechtslage nicht klar defi-niert und die Kosten für Verhandlungen und Markttransaktionen zu hoch wären (Coase 1990: 119). Hohe Barrieren für Verhandlungen, eine große Zahl an Beteiligten, ungleiche Machtverteilung, Mißtrauen, eine unklare Rechtslage steigern die Transaktionskosten (Cooter und Ulen 2004: 94). Deshalb nimmt die Wahrscheinlichkeit einer effizienten Verhandlungs-lösung ab. Das Versagen des Verhandlungsmechanismus rechtfertige Staatseingriffe. In einer solchen Situation müsse nämlich der Staat durch Regulierung oder andere Intervention ein-

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greifen, um den besten Nutzer — den besten Bodeneigentümer — trotz hoher Transaktions-kosten und unklarer Rechtslage zu unterstützen:

»The aim of such regulations should not be to eliminate smoke pollution, but rather to secure the optimum amount of smoke pollution, this being the amount which will maximize the value of production« (Coase 1990: 153).

Das Ziel des Immissionsschutzes wäre die optimale Umweltverschmutzung, nicht die absolute Abschaffung aller Immissionen. Mit der Freistellungsklausel ( S. 72) ist der Gesetzgeber über dieses Ziel hinausgeschossen, weil zivilrechtliche Unterlassungsansprüche und öffentlich-rechtliche Verpflichtungen gar nicht das Hindernis für Investitionen in ostdeutschen Städten bilden. Allerdings wurde die Rechtslage, die ja vom individuellen Freistellungsbescheid ab-hängt, für die meisten Beteiligten höchst undurchsichtig. Der Brachfall industriell oder ge-werblich genutzter Grundstücke in innerstädtischen Lagen ist eine — beinahe ironische — Antwort der Marktwirtschaft auf wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die überwiegend nur hierarchische Aneignungsstrategien ( S. 84) begünstigen. Die Dysfunktionalität der Eigen-tumsordnung in der leeren Stadt besteht darin, daß die Eigentümer im rechtlichen Sinne keinen oder geringen Gebrauch von ihren Grundstücken machen und die tatsächlichen An-eignungen — die Lebenszeichen in der leeren Stadt — neben und jenseits der formalen Eigen-tumsordnung stattfinden ( S. 88). Weshalb nehmen die Akteure der tatsächlichen Aneig-nungsprozesse nicht Verhandlungen mit den formalen Eigentümern auf, um die brachlie-genden Grundstücke selbst zu erwerben und zu nutzen? Die Antwort, die nach dem Coase-Theorem zu geben wäre, lautet: Solche Verhandlungen und Vereinbarungen finden nicht statt, weil im Magdeburger Südosten die Transaktionskosten viel zu hoch sind.

Verhandlungslösungen zwischen privaten Grundstückseigentümern oder zwischen Grund-stückseigentümern und ihren Nachbarn oder zwischen Grundstückseigentümern und der Planungsverwaltung spielen im deutschen Planungssystem eine viel zu geringe Rolle (Davy 2005a: 123–124). Wenngleich zahlreiche Instrumente des BauGB die Notwendigkeit der Verhandlungslösungen unterstreichen, neigen die Beteiligten häufig dazu, auf ihre »Zustän-digkeit« oder ihre »Rechte« zu pochen, anstatt Lösungen im wechselseitigen Vorteil zu suchen. Dies erklärt etwa die Klage, städtebauliche Gebote wären angesichts der Finanzknappheit der Kommunen ein stumpfes Schwert:

»Die Kommunen müssen daher Kooperation und Konsens mit den Eigentümern oft mehr aus Not denn aus Überzeugung suchen. Zwar ließen sich die stumpfen Schwerter zu Gunsten der Gemeinden schärfen … [f]raglich ist nur, ob dies wirklich gewollt ist. Die Frage führt letztlich zum Selbstverständnis des Staates, zum Leitbild, das er von sich selbst hat. Gewiss sind die Zeiten von Zuckerbrot und Peitsche vorbei. Aber welche Steuerungsmittel an deren Stelle treten sollen, scheint man gar nicht so genau wissen zu wollen. Was man nicht will, ist offenbar eine Rückkehr zum klaren, staatlich-hoheitlichen Befehl; auch nicht eine völlige Öff-nung des Marktes; was aber dann? Verhandeln, betteln, manipulieren?« (Lege 2005: 885–886).

Am Beispiel der Freistellung von umweltrechtlicher Verantwortlichkeit, mit der Investoren in ostdeutschen Kommunen subventioniert werden, ist deutlich zu erkennen, daß der Staat selbst wesentlich zur Erhöhung der Transaktionskosten beiträgt — in vielen Fällen unfreiwil-lig. Werden private Ansprüche gegen umweltrechtliche Verstöße ausdrücklich ausgeschlossen (Artikel I § 4 Abs. 3 DDR-Umweltrahmengesetz) und Freistellungsbescheide trotz Nicht-vorliegen der Voraussetzungen erteilt oder aufrecht erhalten, wird der Bodenmarkt verzerrt. Dadurch werden, wie eine Funktionsanalyse des Rechts zeigt, die Verhandlungsmöglichkei-ten der Privaten massiv eingeschränkt. Als Reaktion auf die Marktverzerrung durch den Staat sollte nicht eine schärfere Eingriffsbefugnis gefordert, sondern behutsam versucht werden, die

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Transaktionskosten für die Rechtsverteidigung und Verhandlungen zwischen Privaten zu senken.

Gewiß kann das industrielle Erbe des Magdeburger Südostens nicht ausschließlich durch Verhandlungen zwischen Privaten bewältigt werden. Allerdings können Private viel zur nachhaltigen Lösung des Leerstands und Brachfalls beitragen, insbesondere durch egalitäre und individualistische Aneignungsstrategien ( S. 84). Diese Aneignungsstrategien werden gegenwärtig durch hierarchische und fatalistische Aneignung ( S. 84 und 86) brachlie-gender Grundstücke blockiert. Indem Gemeinschaft und Wettbewerb durch institutionelle Rahmenbedingungen von einer Aneignung brachliegender Grundstücke in den Stadtteilen Buckau, Fermersleben, Salbe und Westerhüsen ausgeschlossen werden, wird die Ökonomie des Behaltens in der leeren Stadt verfestigt. Nach geltender Rechtslage darf zwar niemand die aufgelassene Fabrik betreten, aber die Eigentümer der aufgelassenen Fabrik (durchwegs juri-stische Personen) dürfen den Menschen des Magdeburger Südostens die Beeinträchtigung ihres Wohnumfelds zumuten. Allerdings kann die mißliche Lage nicht durch eine völlige Beseitigung des privaten Grundeigentums, etwa durch die Einräumung eines Rechts für jedermann ausgeräumt werden, sich spontan und nach Belieben brachliegende Grundstücke anzueignen. Willkür senkt Transaktionskosten nicht, das Recht zur Willkür würde Verhand-lungen zwischen den Beteiligten und Betroffenen noch unwahrscheinlicher machen. Viel hilf-reicher wäre es, die Verteilung der Eigentums- und sonstigen Verfügungsrechte so zu definie-ren und transparent zu machen, daß alle Beteiligten möglichst genau wissen, wer welche Rechte innehat. Hilfreich wäre auch ein verfügungsrechtliches Arrangement, das Aneig-nungsrechte für jene Akteure begünstigt, die kraft ihrer Aneignungsstrategie als die besten Eigentümer der renaturierten Stadtbrachen anzusehen wären. In diesem Sinne wäre den Transaktionskosten in der Raumplanung mehr Beachtung zu schenken (Mayer 1999).

C. Ansatzpunkte für kostenorientiertes Bodenmanagement

Zu den dargestellten Kostentypen können für die Ökonomie des Behaltens in der leeren Stadt gewisse allgemeine Bewertungen vorgenommen und Schlußfolgerungen für Boden-management gezogen werden:

• In der leeren Stadt sind die privaten Kosten der Grundstückseigentümer oder Nutzungs-berechtigten zu niedrig, um eine Änderung der gegenwärtigen Grundstücksverwendung zu veranlassen. Eine mögliche Schlußfolgerung wäre: Die privaten Kosten werden — et-wa durch Einführung oder Erhöhung einer Abgabe (z.B. kommunale Leerstandssteuer) — erhöht, um die Grundstückseigentümer zur Eigentumsaufgabe zu zwingen.

• In der leeren Stadt sind die Opportunitätskosten, die Kosten des Verzichts des Eigen-tümers auf den Nutzen einer alternativen Grundstücksverwendung, zu niedrig, um eine Änderung der gegenwärtigen Grundstücksverwendung zu veranlassen. Daraus könnte folgende Schlußfolgerung gezogen werden: Den Eigentümern werden — etwa durch die Vereinbarung von Nutzungsentgelten für gemeinnützige Grundstücksnutzungen oder durch eine Änderung des grundstücksbezogenen Planungsrechts — attraktive alternative Grundstücksverwendungen angeboten.

• In der leeren Stadt sind die sozialen Kosten zu hoch. Nachteilige Folgen der Nichtnut-zung oder Unternutzung privater Grundstücke können durch die Allgemeinheit (Kommu-ne, Anwohner, Passanten) nicht mehr getragen werden. Folgende Schlußfolgerung bietet

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sich an: Zur Internalisierung sozialer Kosten des Leerstands und zur Wiederherstellung des marktwirtschaftlichen Preismechanismus werden geltende Bundes- und Landesgesetze (z.B. BauGB, BBodSchG, Nachbarrecht …) zum Schutz der Anwohner sowie zur Besei-tigung von Umfeldbeeinträchtigungen vollzogen, neue Ge- und Verbote zum Schutz der Anwohner sowie zur Beseitigung von Umfeldbeeinträchtigungen durch Bundes- oder Lan-desgesetzgebung oder kommunale Satzung erlassen oder eine Pigou-Steuer auf Umfeld-beeinträchtigungen eingeführt (z.B. Altlastenabgabe).

• In der leeren Stadt sind die Transaktionskosten zu hoch. Die Kosten der Rechtsverteidi-gung, aber auch die Kosten für Verhandlungen über alternative Arrangements der Bo-dennutzung verhindern, daß zwischen allen Beteiligten eine effiziente und gerechte Nut-zung des Bodens vereinbart wird. Eine Schlußfolgerung könnte lauten: Im Rahmen der IBA STADTUMBAU 2010 inszenieren Sachsen-Anhalt und Magdeburg einen Wettbewerb um die beste Aneignungsstrategie für renaturierte Brachflächen. Zur Vorbereitung des Aneignungswettbewerbs werden marktverzerrende Transaktionskosten beseitigt. Beson-ders wichtig wäre hier eine Reform der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Finan-zierung der Altlastenfreistellung. Insbesondere sollten Freistellungsmittel auch für Rena-turierungsvorhaben verwendet werden dürfen (Gleichstellung mit Gewerbenutzungen).

In Tabelle 15 sind Ansatzpunkte für kostenrelevantes Bodenmanagement zusammengestellt.

Kostentypen Befund und Schlußfolgerung für Bodenmanagement

private Kosten zu niedrig

Schlußfolgerung: Die privaten Kosten werden — etwa durch Einführung oder Erhöhung einer Abgabe (z.B. kommunale Leerstandssteuer) — erhöht, um die Grundstückseigentümer zur Eigentumsaufgabe zu zwingen

Opportunitätskosten zu niedrig

Schlußfolgerung: Den Eigentümern werden — etwa durch die Vereinba-rung von Nutzungsentgelten für gemeinnützige Grundstücksnutzungen oder durch eine Änderung des grundstücksbezogenen Planungsrechts — attraktive alternative Grundstücksverwendungen angeboten

soziale Kosten zu hoch

Schlußfolgerung: Zur Internalisierung sozialer Kosten des Leerstands und zur Wiederherstellung des marktwirtschaftlichen Preismechanismus werden • geltende Bundes- und Landesgesetze vollzogen; • neue Ge- und Verbote zum Schutz der Anwohner sowie zur Beseitigung

von Umfeldbeeinträchtigungen durch Bundes- oder Landesgesetzgebung oder kommunale Satzung erlassen;

• eine Pigou-Steuer auf Umfeldbeeinträchtigungen eingeführt.

Transaktionskosten zu hoch

Schlußfolgerung: Im Rahmen der IBA STADTUMBAU 2010 inszenieren das Land Sachsen-Anhalt und die Landeshauptstadt Magdeburg einen Wettbe-werb um die beste Aneignungsstrategie für renaturierte Brachflächen.

Zur Vorbereitung des Aneignungswettbewerbs werden marktverzerrende Transaktionskosten beseitigt (z.B. Reform des Rechts und der Finanzierung der Altlastenfreistellung)

Tabelle 15: Ansatzpunkte für kostenrelevantes Bodenmanagement

B. Davy Innovationspotentiale für Flächenentwicklung

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STEUERUNGSMÖGLICHKEITEN 119

Die Ansatzpunkte zeigen ein breites Spektrum an Steuerungsmöglichkeiten, die der leeren Staat und ihrem Stadtplanungsamt zur Verfügung stünden, um Einfluß auf die Bodennut-zungen im Magdeburger Südosten zu nehmen. Die Aufmerksamkeit für die privaten und sozialen Kosten, Opportunitätskosten und Transaktionskosten eröffnet für das Land Sachsen-Anhalt und die Landeshauptstadt Magdeburg zahlreiche Gestaltungsspielräume, die verschlos-sen bleiben, solange das Hauptaugenmerk auf die Bonczek’sche Treppe oder ihre vermeint-liche Umkehrung gerichtet wird ( Abbildung 6, S. 36, und Abbildung 7, S. 38). Die in Tabelle 15 angeführten Schlußfolgerungen aus Überlegungen zu den einzelnen Kostentypen enthalten einander widersprechende Politikempfehlungen. Sie dienen der Veranschaulichung, nicht als Anleitung zur Umsetzung. Für ein konkretes Bodenmanagementkonzept wären kostenrelevante Maßnahmen je nach der Lage des Einzelfalls auszuwählen.

IV. Renaturierung und Aneignung

A. Eigentum als Instrument der Bodenpolitik

In der Ökonomie des Behaltens verliert der Boden seine Eigenschaft als ertragreiche Immobilie. Gleichzeitig nimmt die territoriale Immobilität des Bodens zu: »Der Boden bleibt beim letzten Wirt!« Die Eigentumsordnung verstärkt die Immobilität: Hohe Transaktions-kosten verhindern Verhandlungen und Vereinbarungen über effiziente und gerechte Ände-rungen der gegenwärtigen Bodennutzung. Dieser Steuerungseffekt ist unfreiwillig. Die Steue-rungsmöglichkeit des Grundstückseigentums könnte freilich auch zur Umsetzung des Rena-turierungsziels im Magdeburg-Szenario 2010 der IBA STADTUMBAU 2010 ( S. 2) genutzt werden.

1. Eigentum und bestmögliche Bodennutzung

Eigentum als Institution unterstützt die Bodenpolitik dabei, eine effiziente Allokation und gerechte Distribution der Bodennutzungen zu gewährleisten (Davy 2005a: 117–120). Mit der Umsetzbarkeit gesellschaftlicher und staatlicher Ziele für die Nutzung von Raum, Boden und Umwelt hat sich etwa bereits die deutsche Policeywissenschaft des 18. Jahrhun-derts beschäftigt; sie schenkte dabei den institutionellen und organisatorischen Aspekten der Bodenfrage besondere Aufmerksamkeit. Johann Heinrich Gottlob von Justi, ein Vertreter dieser Wissenschaft, sah in der »Aufsicht der Policey auf die Nutzung der Privatgüther« das zentrale Steuerungsmittel einer effizienzbewußten Bodenpolitik:

»Es liegt dem Staate gar viel daran, daß die unbeweglichen Güther, und überhaupt der Boden des Landes auf die bestmöglichste Weise genutzet werde« (von Justi 1760: 120).

Die Frage, die von Justi wie auch die heutige Planung beschäftigt, ist, wie man denn Staats-interventionen zu organisieren wären, um zur bestmöglichen Bodennutzung zu gelangen. Ob-wohl sein Hauptwerk über »Macht und Glückseligkeit der Staaten« als Paradebeispiel für eine staatsfreundliche Auffassung gelten kann, war von Justi ein Befürworter des privaten Grundstückseigentums. Er führte die Ineffizienz der Bodennutzung auf die Institution des gemeinschaftlichen Eigentums zurück, weil

»alle diejenigen Theile von der Oberfläche eines Landes, die denen Gemeinden, oder vielen Personen, zugehö-ren, allemal viel weniger genutzet werden, als diejenigen Grundstücke, welche in dem besonderen Eigenthum einer Privatperson sind« (von Justi 1760: 122)

B. Davy Innovationspotentiale für Flächenentwicklung

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STEUERUNGSMÖGLICHKEITEN 120

Von Justi erklärte die Ineffizienz mit Argumenten, die an die moderne Diskussion über Um-weltgüter und das Schlagwort von der tragedy of the commons (Hardin 1968) oder All-mende-Klemme erinnern:

»Niemand giebt sich Mühe eine Sache zu verbessern und zu cultiviren, an deren Genusse so viele andre mit Theil haben; und indem ein jeder eilet etwas Nutzen von dieser gemeinschaftlichen Sache zu ziehen; so verur-sachet man eben dadurch, daß sie niemand recht zu Nutzen kommt« (von Justi 1760: 122).

Folgerichtig erblickte von Justi in der Privatisierung der Allmende die institutionelle Konse-quenz einer effizienzbewußten Bodenpolitik. Diese Privatisierung müsse aber Schranken ha-ben. Man solle zwar »so viel möglich das Eigenthum der Oberfläche des Landes in die Hände der besondern Privatpersonen bringen« (von Justi 1760: 122), es dürfe aber

»die Landespolicey nicht gestatten, daß jemand seine Aecker und Grundstücke ohne alle Cultur und Nutzung liegen läßt« (von Justi 1760: 128).

Deshalb müsse die Landespolicey einen Bodennutzungsplan erstellen, die sogenannte »Tabel-le« (von Justi 1760: 129 ff.). In dieser »Tabelle« sollten alle Grundstücke erfaßt und ihre Nutzungserfordernisse festgesetzt werden. Falls private Eigentümer ihre Äcker nicht dem-entsprechend kultivierten, sollte der »wohleingerichtete Staat« den ungenutzten Boden an den »Meistbiethenden« versteigern oder jemandem übertragen, der zur Nutzung bereit sei (von Justi 1760: 128).

2. Deregulierung durch Eigentumsreform

Von Justis bodenpolitische Vorschläge sind aus mehreren Gründen bis heute für die Bo-denpolitik — für das Verhältnis zwischen privatem Grundstückseigentum und räumlicher Planung — bemerkenswert (Davy 1999: 111–112):

• Eine qualitative Fehlverwendung des Bodens hängt häufig mit dem institutionellen Nut-zungsregime — den gegebenen Verfügungsrechten (property rights) — zusammen. Folge-richtig schlug von Justi nicht vor, die »bestmöglichste Nutzung« der Allmende durch eine detailreiche Allmende-Ordnung zu regulieren, sondern forderte eine Veränderung des ver-fügungsrechtlichen Arrangements.

• Von Justi sprach den eigennützigen Privaten nicht die Fähigkeit ab, zu einer Bodennut-zung im öffentlichen Interesse beizutragen. Vielmehr erkannte er im Eigeninteresse der privaten Bodeneigentümer ein starkes Motiv für die pflegliche Kultivierung des Bodens, der bis dahin als Allmende übernutzt worden war. Diese Erkenntnis ist auch heute un-verzichtbar: Bodenpolitik und Bodenmanagement müssen sich der Mitwirkungsbereit-schaft der Privaten versichern, weil sie dadurch wichtige Partner für die Planumsetzung gewinnen. Die Überschätzung staatlicher Regulierungsmöglichkeiten, die im Verzicht auf die Mitwirkung privater Akteure besteht, ist eine häufige Ursache für Staatsversagen.

• Und schließlich beging von Justi nicht den Irrtum, die Privatisierung der Allmende für das ausschließliche Allheilmittel bei der Steuerung der Bodennutzung und Raument-wicklung zu halten. Er schlug nicht bloß vor, die gemeinschaftlich genutzten Flächen in Privateigentum zu übertragen, damit der Wettbewerb unter den privaten Bodeneigen-tümern zu einer effizienten Allokation führt. Da private Bodeneigentümer nur be-schränkt dazu verpflichtet sind, die sozialen Kosten der eigennützigen Verwendung ihrer Grundstücke zu tragen, kann es in einer reinen Eigentums- und Wettbewerbsgesellschaft zu qualitativen oder quantitativen Fehlverwendungen des Bodens, mithin zum Marktver-

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STEUERUNGSMÖGLICHKEITEN 121

sagen kommen. Daher räumte von Justi dem öffentlichen Sektor (der »Landespolicey«) eine wesentliche Rolle bei der Überwachung und Steuerung der Bodennutzung ein. Erst durch diese Kombination zwischen der »unsichtbare Hand« des Markts und der »sicht-baren Hand« des Staats entsteht ein institutionelles Arrangement, das die Raumentwick-lung in Richtung einer »bestmöglichsten« Bodennutzung steuert.

Natürlich darf man sich von den policeywissenschaftlichen Klassikern des 18. Jahrhunderts nicht erwarten, aktuelle Planungsprobleme zu lösen. Allerdings war die Policeywissenschaft die erste moderne Theorie der Staatsintervention und hat manche Lösungsansätze formu-liert, die kaum an Aktualität verloren haben. Der Hauptgedanke dieser Ansätze betrifft das Verhältnis zwischen Boden, Planung, Eigentum: In jeder Lage, in der Bodennutzung als ineffizient empfunden wird, sollte nach möglichen Veränderungen institutioneller Eigen-tumsarrangements, nicht bloß nach schärferen Staatsinterventionen gesucht werden. Dieser Hauptgedanke kann auch für Bodenpolitik und Bodenmanagement in der leeren Stadt nutzbar gemacht werden.

B. Grundstückseigentum als Institution

1. Eigentum und »property rights«

Als Recht im objektiven Sinn betrachtet, bildet das Eigentum eine zentrale gesellschaftli-che Institution zur Allokation und Distribution knapper Güter ( S. 30 und 32). Die insti-tutionelle Ausgestaltung der Nutzungs- und Verfügungsrechte am Boden wird rechtswissen-schaftlich als Bodenverfassung und eigentumstheoretisch als Eigentumsarrangement be-zeichnet (Davy 2005a: 119–120). Eigentum als Institution kennzeichnet somit den Gesamt-bestand an Normen (Gesetze, Tradition, Kultur), die menschliches Verhalten bei der An-eignung und Nutzung des Bodens steuern. Moderne Bodenpolitik begann nach Überwindung feudaler und traditioneller Eigentumsarrangements mit dem Bemühen, durch Herstellung zweckmäßiger Eigentumsarrangements zu gewährleisten, daß Boden »auf die bestmöglichste Weise genutzet werde« (von Justi 1760: 120 S. 119).

Rechtsquellen des privaten Eigentums als Institution bilden in Deutschland insbesondere Art. 14 und 15 GG und Art. 1 des 1. ZPMRK (Eigentumsverfassung) sowie §§ 903—1011 BGB (Eigentum als Sachenrecht). In der Rechtssprache ist mit »Eigentum« daher grund-sätzlich das private Eigentum gemeint. Allerdings ist selbst der rechtssprachliche Gebrauch widersprüchlich, weil das Bundesverfassungsgericht viele private Vermögensrechte dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG unterstellt, die kein sachenrechtliches Eigentum bilden (z.B. BVerfGE 89 (1993) 1 [5–8] — Besitzrechte des Mieters; BVerfGE 95 [1996] 143 [160] — Renten aus der Sozialversicherung). Zwischen dem juristischen und dem eigentumstheoreti-schen Begriff des Eigentums bestehen noch viel größere Bedeutungsunterschiede. Während Eigentum im rechtlichen Sinne auf Art. 14 GG und § 903 BGB beschränkt ist, meint Eigen-tum (property rights) im eigentumstheoretischen Sinn

»… ein Bündel von unterschiedlichen Rechten: Entscheidungsrechte über Güterverwendungen, alleinige Ver-antwortlichkeit für die Folgen von Entscheidungen über Güterverwendungen und das Recht auf freie Über-tragbarkeit dieser Rechte, einschließlich des Rechts auf Übertragbarkeit« (Meyer 1983: 23)

Die Begriffsunterschiede sind teilweise durch die Erkenntnisinteressen der Eigentumstheorie erklärbar. Schließlich bemüht sich die Eigentumstheorie nicht bloß um die Auslegung und Anwendung des Eigentumsrechts im nominellen Sinn. Vielmehr analysiert die Eigentums-

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theorie die wirtschaftlichen Funktionen und Wirkungsweisen verfügungsrechtlicher Arran-gements. Eigentumstheorie ist daher eine Theorie der Verfügungsrechte, mit deren Hilfe die Allokation und Distribution knapper Güter beeinflußt und gesteuert wird.

2. Eigentumsarrangements

Eine Hauptfrage der Eigentumstheorie lautet: Welchen Einfluß hat die institutionelle Ausgestaltung der Verfügungsrechte über knappe Güter (= Eigentumsarrangement) auf die Allokation und Distribution? Unterscheiden sich Eigentumsarrangements dadurch, daß einige besser geeignet sind, eine effiziente Allokation und eine gerechte Distribution herbei-zuführen? Zu diesem Zweck beschreibt die Eigentumstheorie unterschiedliche institutionelle Eigentumsarrangements:

• privates Eigentum in den Formen des Alleineigentums, des Miteigentums, des Gesamt-handeigentums, in Sonderformen (z.B. Bergwerkseigentum, Wohnungseigentum);

• Gemeinschaftseigentum in den Formen des Gemeingebrauchs an privaten oder öffentli-chen Sachen, der Allmende (commons), des genossenschaftlichen Eigentums, des tradi-tionellen Eigentums (z.B. native title), des völkerrechtlichen »gemeinsamen Erbe der Menschheit«,

• öffentliches Eigentum in den Formen des historischen Obereigentums (dominium direc-tum) und Untereigentums (dominium utile) nach Lehnsrecht, der öffentlichen Sachen, des Eigentums der öffentlichen Hand, des Staatsvermögens, des Volkseigentums.

privates Eigentum Gemeinschaftseigentum öffentliches Eigentum

typisches Beispiel privates Grundstücks-eigentum

Allmende (historisch); Betrieb gemeinsamer Einrichtungen in einer Kleingartenanlage

Landes- und Gemeinde-straßen im öffentlichen Eigentum

Zurechnungssubjekt des Eigentumstitels

natürliche oder juristi-sche Person

Personengemeinschaft, Gemeinde; natürliche oder juristische Personen (aufgrund formaler oder informeller Einigung)

Land, Gemeinde; Träger der Straßenbaulast

Entscheidung durch Eigentümer aufgrund §§ 903 ff. BGB

Gemeinschaft oder zuständiges Organ auf-grund Satzung, Verein-barung

zuständiges Organ auf-grund Gesetz, Rechtsver-ordnung, Verwaltungsakt

Gebrauchsberechtigte selbstnutzende Eigentü-mer oder vom Eigentü-mer bestimmte Fremd-nutzende

Gemeinschaftsmitglieder oder beschränkter Kreis an Nutzungsberechtigten

Gemeingebrauch, Sondernutzungen, sonstige Nutzungen

Folgenverantwortlichkeit Eigentümer Gemeinschaft, nur ausnahmsweise einzelne Gemeinschaftsmitglieder

öffentlicher Haushalt

Übertragbarkeit steht im Belieben des Eigentümers

durch Gemeinschafts-zweck stark einge-schränkt

durch Gesetz, Rechtsver-ordnung, Verwaltungsakt bestimmt und beschränkt

Tabelle 16: Eigentumsarrangements und Grundstückseigentum

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Die Abgrenzung und Ausprägung der genannten Beispiele hängt eng mit den institutionel-len Rahmenbedingungen konkreter Eigentumsarrangements zusammen. Eine Gemeindewiese in Cambridge (commons), ein israelischer Kibbuz oder eine landwirtschaftliche Produkti-onsgenossenschaft (LPG) in der DDR haben eigentumstheoretische Strukturähnlichkeiten, auch wenn sich diese drei Arten des Gemeinschaftseigentums in ihren institutionellen Rah-menbedingungen stark unterscheiden. Tabelle 16 zeigt wichtige Aspekte des Grundstücksei-gentums im Lichte unterschiedlicher Eigentumsarrangements. Neben den Kriterien Ent-scheidungsberechtigung, Folgenverantwortlichkeit, Übertragbarkeit (Meyer 1983: 23) führt Tabelle 16 auch das Zurechnungssubjekt des Eigentumstitels und den Kreis der Gebrauchs-berechtigten auf.

Wie erwähnt, sind die Institutionen des Gemeinschaftseigentums und des öffentlichen Eigentums keine Kategorie des Eigentumsrechts im nominellen Sinn. Daher werden viele verfügungsrechtliche Arrangements, die theoretisch als property rights einzustufen sind, nicht als »Eigentum« bezeichnet. Ein typisches Beispiel bildet das Straßenrecht:

• Öffentliche Straßen sind »diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind« (§ 2 Abs. 1 StrG LSA).

• Die Voraussetzung für die »Widmung« als öffentliche Straße ist, daß das Straßengrund-stück im Eigentum des Träger der Straßenbaulast steht oder der Eigentümer zuge-stimmt hat oder eine vertragliche Vereinbarung vorliegt (§ 6 Abs. 3 StrG LSA; vgl. auch §§ 11–13 StrG LSA — Eigentum).

• Das Gebrauchsrecht an öffentlichen Straßen besteht im Gemeingebrauch (§ 14 StrG LSA), in Sondernutzungen (§ 18 StrG LSA), in sonstigen Nutzungen (§ 22 StrG LSA).

Privates Eigentum, Gemeinschaftseigentum und öffentliches Eigentum schließen einander als Institutionen nicht aus. Die Allokation und Distribution knapper Güter muß nicht stets durch privates Eigentum oder stets durch öffentliches Eigentum organisiert sein.

3. Institutionelle Vielfalt

Häufig ist Eigentum durch eine institutionelle Vielfalt gekennzeichnet. Dazu zwei Bei-spiele: Rund 40% der Vereinigten Staaten stehen im öffentlichen Eigentum (Wiebe u.a. 1998: 79), insbesondere im mittleren Westen ist ederal land die häufigste Eigentumsform. Dies ist ein unerwartete hoher Anteil an öffentlichem Eigentum in einem Land, dessen politische und juristische Tradition für ihre entschlossene Wertschätzung privaten Eigen-tums bekannt ist. Umgekehrt kamen auch sozialistische Eigentumsverfassungen nicht nur mit der Kategorie des Volkseigentums oder Staatseigentums aus. Art. 11 Abs. 1 der Verfas-sung der DDR (1968) gewährte das »persönliche Eigentum der Bürger«, das der »Befriedi-gung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Bürger« diente.

f

Institutionelle Vielfalt konkreter Eigentumsordnungen ist selten das Ergebnis sorgloser Institutionenbildung. Zumeist entsteht institutionelle Vielfalt aus dem Bemühen, eigentums-rechtliche Arrangements zu finden, mit deren Hilfe die Allokations- und Distributionsfunk-tionen des Eigentums bestmöglich erfüllt werden können. Wer meint, daß Städte allein mittels privatem Eigentum funktionieren können, braucht nur das Luftbild einer Stadt zu betrachten. Städte funktionieren nämlich nur, wenn die öffentlichen Straßen, Wege und Plätze im öffentlichen Eigentum oder zumindest im Gemeingebrauch stehen. Ein städti-sches Verkehrsnetz, das demselben eigentumsrechtlichen Arrangement unterläge wie Einfa-

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milienhaussiedlungen, wäre höchst ineffizient. Allerdings findet das ausgewogene institutio-nelle Verhältnis zwischen privatem und öffentlichem Eigentum nur selten Aufmerksamkeit, es ist häufig nicht bewußt.

Das geltende deutsche Recht regelt im wesentlichen nur das private Eigentum als Eigen-tumsrecht im nominellen Sinn (Art. 14 GG, Art. 1 des 1. ZPMRK, §§ 903—1011 BGB). Doch selbst das Eigentumsrecht im nominellen Sinn ist keine homogene Institution, die gleichsam alle Spielregeln für das Haben jedweder Sache enthielte. Je genauer man das private Eigentum, etwa an Grundstücken oder gar an einem einzelnen Grundstück, betrach-tet, um so detailreicher werden Differenzierungen sichtbar. Ein wichtiger Grund für diese Differenzierungen sind die Ausgestaltungs- und Schrankenvorbehalte für die Gesetzgebung. Das Eigentum wird durch zahlreiche öffentlich-rechtliche Vorschriften ausgestaltet oder eingeschränkt, die ebenfalls zu den Rechtsquellen des Eigentums als Institution gezählt werden müssen. Typische Beispiele sind das Nachbarrecht, das Kommunalrecht, das Pla-nungs-, Bau- und Bodenrecht, das Umweltrecht. Da der Kreis ausgestaltender und be-schränkender Vorschriften praktisch unüberschaubar ist, bleiben die genauen Konturen des Eigentums als Institution oft verschwommen. Gerade im Rechtsvergleich zeigt sich jedoch, daß viele Rechtsordnungen — ungeachtet beträchtlicher Unterschiede im Detail — einen Kernbestand gemeinsamer Vorstellungen über privates Eigentum aufweisen. An diesen Kernbestand knüpft die Eigentumstheorie an, wenn undifferenziert von Eigentum oder property gesprochen wird (Eckl und Ludwig 2005).

4. Institutionelle Differenzierung

Ungeachtet der Vorstellung eines institutionellen Kernbestandes des Eigentums ist zu be-tonen, daß jedes Gesetz, jede Rechtsverordnung, jede Satzung, mit der Eigentum inhaltlich ausgestaltet oder beschränkt wird, das Eigentum als Institution ausgestaltet. Bestimmt der Bundesgesetzgeber, daß das Grundwasser zum Eigentum des Grundstückseigentümers ge-hört oder nicht, oder bestimmt der Gemeinderat, daß in einem Baugebiet eine bestimmte Bebauungsdichte nicht überschritten werden darf, ist Eigentumsrecht im objektiven Sinn und somit das Eigentum als Institution betroffen.

Eigentum als Institution ist fortlaufendem Wandel durch Rechtssetzung und Rechtsan-wendung unterworfen. Dieser Wandel wird unter anderem von den Organen internationaler und supranationaler Rechtssetzung (insbesondere den Organen der Europäischen Union), Bundes- und Landesgesetzgebung sowie der Gerichtsbarkeit und Verwaltung verursacht. Eigentum als Institution kann daher sachlich wie örtlich erheblichen Differenzierungen unterworfen sein. Ein Spezialfall dieser institutionellen Differenzierung ist die Situationsge-bundenheit des Grundstückseigentums, die in der Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 20. 12. 1956 = NJW 1957: 538) als Rechtfertigungsgrund unterschiedlicher Behandlung von Personen mit gleichartigen formalrechtlichen Eigentumstiteln angeführt wird ( S. 23). Von solchen Differenzierungen hängen unter anderem die Rechtspositionen einzelner Ei-gentümer, freilich auch die für Einzelfälle maßgeblichen institutionellen Spielregeln ab. Aus diesem Grund sind die Verfügungsrechte, die mit Eigentum (property) verbunden sind, kei-neswegs auf den Eigentümer oder die Gemeinschaft aller Eigentümer beschränkt. Vielmehr betrachtet die Eigentumstheorie die Vielheit der Akteure, die aufgrund ihrer Zuständigkei-ten zur Rechtssetzung und Rechtsanwendung den Inhalt und die Schranken des Eigentums mitbestimmen, als gestaltende Entscheidungsträger des Eigentums als Institution.

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Institutionelle Differenzierungen lassen Eigentum vage erscheinen. Die Vagheit des Ei-gentumsrechts im objektiven Sinn ist eine typische Eigenschaft, keine Schwäche des Eigen-tums als Institution. Gewiß ist die Arbeitshypothese eines institutionellen Eigentumskerns zweckmäßig. Allerdings darf aus dieser Arbeitshypothese keine gefestigte Erwartung abgelei-tet werden, in einem konkreten Fall müsse das Eigentum als Institution genau so ausgestal-tet sein, wie jemand den Inhalt und Umfang des institutionellen Kernbestandes des Eigen-tums vermutet. Vielmehr ist die plurale Gestaltung des Eigentums als Institution — also die Konkretisierung und Verfeinerung des Inhalts und der Schranken des Eigentums durch eine Vielzahl an Entscheidungsträgern — in vielen modernen Eigentumsverfassungen verbreitet. Diesem Umstand würde ein außerrechtliches oder präpositives Vorverständnis des Eigen-tums nicht gerecht, wenn dieses Vorverständnis als Maßstab eines konkreten Eigentumssy-stems, nicht bloß als Orientierungshilfe, herangezogen würde.

C. Ein neues Eigentumsarrangement für die leere Stadt?

1. Zur Aneignung des Möglichkeitsraums

Die brachliegenden Industriegelände im Magdeburger Südosten haben ihre Funktion als jene Orte verloren, die Magdeburg während der DDR-Zeit zur »Stadt des Schwermaschinen-baus« gemacht hatten. Im Magdeburger Südosten sind Möglichkeitsräume entstanden (Davy 2004a: 118–120): An die Stelle industrieller Produktion ist Wildnis getreten; wo früher gearbeitet wurde, herrscht Leerstand. Möglichkeitsräume besitzen keine herrschende Zweckwidmung, sie sind mehrdeutig. Der Begriff des Möglichkeitsraumes ist keine traditio-nelle raumwissenschaftliche Kategorie. Das Konzept beruht auf einem Raumverständnis, das seine Aufmerksamkeit nicht auf Zentren, geschlossene Formen und eindeutige Zuord-nungen richtet, sondern auf Peripherien, fragmentierte Strukturen, räumliche Ambiguität.

Der Möglichkeitsraum macht auf Phänomene aufmerksam, die am Rand üblicher Raum-wahrnehmung liegen. Der Eigensinn des Möglichkeitsraums stellt Peripherien, fragmentierte Strukturen, Zwischenräume in den Mittelpunkt der Raumplanung. Möglichkeitsräume sym-bolisieren keine räumliche Ordnung. Es sind schwer lesbare, unbedeutende, unterbrochene, unfertige Orte. Möglichkeitsräume sind beharrlich, füllen die Räume zwischen Wirklich-keitsräumen aus, durchdringen die erwünschte Ordnung mit ungebetener Unordnung: „Pe-ripherie ist heute überall“ (Prigge 1998: 6). Gleichwohl ist diese Unordnung kein Makel, sie macht den besonderen Wert der Möglichkeitsräume aus, die auf vielerlei Weise betrachtet werden können. Möglichkeitsräume sind mehrdeutig, weil sie zahlreiche mögliche Bedeu-tungen besitzen. Plötzlich ist unklar, nach welchen Ordnungsvorstellungen — nach welchem Wirklichkeitssinn — die Grenzen gezogen werden.

Das Renaturierungsziel des Magdeburg-Szenarios der IBA STADTUMBAU 2010 ( S. 2) zieht die Konsequenz aus dem geringen ökonomischen Wert brachliegender Grundstücke in der leeren Stadt. Die Stabilität niedriger Bodenwerte wird als Möglichkeit zum Stadtumbau, zu »mehr Landschaft« genutzt. Doch wem sollen die renaturierten Industriebrachen der leeren Stadt gehören? Natur ist eine extensive, ökonomisch nicht ertragreiche Nutzung städ-tischen Bodens. Die Brache war historisch ein Feindbild der Moderne: »Die Brache verkör-perte die ungenutzte Zeit, die in der alten Lebensweise versteckten Nischen des Nichtstuns« (Radkau 2000: 94). Dorfgemeinschaftliches Eigentum an der Allmende, für dessen Ab-schaffung von Justi plädierte, war ein Eigentumsarrangement, dessen Wurzeln in die Zeit

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der germanischen Volksrechte reichte und mit dem Herrschaftsanspruch des Landesherrn unvereinbar war. Gleichwohl war die Allmende als Eigentumsarrangement durchaus für extensive Bodennutzungen geeignet (Radkau 2000: 90–98).

Historisch wurde die Intensivierung der Bodennutzungen zu Beginn der Moderne durch die Parzellierung des Bodens, die Beseitigung der Allmende und die Einführung des privaten Grundstückseigentums ermöglicht ( S. 119). Die Modernisierung durch das »bürgerlich-rechtliche Sacheigentum« hat für den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz eine »Leit-bildfunktion« (Depenheuer 1999: 1684; Wieland 2004: 1257). Indes, das Leitbild paßt nicht für die Ökonomie des Behaltens in der leeren Stadt. Die ökonomische Wertlosigkeit brachliegender Industriegelände widerspricht dem Überlegenheitsanspruch privaten Einzel-eigentums an genau abgegrenzten Parzellen. Zwischen Altlasten und Bodenschutz, Freistel-lung und marginalen Bodenwerten, Denkmalschutz und wirtschaftlicher Zumutbarkeit gibt es keinen Eigentümer, der die industriell übernutzten Grundstücke alleine haben möchte. Aus ökonomischer Sicht betrachtet, ist die Leere eine unerträgliche Belastung. Aus ökologi-scher Sicht hingegen ist die Leere eine Möglichkeit. Ein Eigentumsarrangement für Indu-striebrachen in der leeren Stadt müßte die Möglichkeit nutzen und die Belastung vermeiden.

Die Tragödie der Allmende (tragedy of the commons) bildet ein wichtiges Paradigma der Umweltpolitik. Werden Umweltressourcen (Luft, Wasser, Boden, Fischbestände) gemein-schaftlich genutzt, droht die Übernutzung (Hardin 1968). Jeder Beteiligte wolle nämlich möglichst viel aus der gemeinsam genutzten Ressource entnehmen und möglichst wenig zu ihrer Erhaltung beitragen. Die Privatisierung der gemeinsam genutzten Ressource — etwa die Parzellierung der Allmende und Übertragung der Parzellen in privates Einzeleigentum — bildet eine Möglichkeit zur Gewährleistung effizienter Ressourcennutzung. Parzellierung und Aufteilung kommen aber bei vielen Gütern nicht ohne weiteres in Frage (z.B. Fließge-wässer, Umgebungsluft, Autobahnen ohne Maut, Image einer Städteregion). Andere Mög-lichkeiten sind etwa die Erlassung verbindlicher Nutzungsregeln, die Einrichtung einer Kon-trollinstanz, die Inszenierung kooperativen Verhaltens (Davy 2004a: 184–219; Mayer 1999; Ostrom 1990). Während steigende Nutzungsintensität tendenziell zur Zerstörung der All-mende führt, verursacht die sinkende Nutzungsintensität tendenziell die Aushöhlung privaten Einzeleigentums. Eine mögliche Konsequenz wäre die Überführung brachgefallener Indu-striegelände in eine Art von Allmendenutzung, also die gemeinschaftliche Aneignung renatu-rierter Stadtbrachen.

2. Gemeinsam haben

In der aktuellen bodenpolitischen Diskussion wird die Anwendung des Art. 15 GG zur eigentumsrechtlichen Absicherung ökologischer Zielsetzungen und einer nachhaltigen Flä-chenhaushaltspolitik vorgeschlagen (Thiel 2005; Thiel 2006a: 43–45; Thiel 2006b: 7–8). Diese Vorschläge stellen das besondere Schutzbedürfnis natürlicher Ressourcen gegenüber wirtschaftlicher Ausbeutung in den Vordergrund. Die Sorge vor Übernutzung ist in der leeren Stadt gering. Das eigentumsrechtliche Problem besteht im Verhalten privater Grund-stückseigentümer, deren brachgefallene Liegenschaften keinen Ertrag mehr abwerfen. Priva-tes Einzeleigentum ist kein geeignetes Eigentumsarrangement für das Behalten ökonomisch wertloser Grundstücke, die durch Bodenschutz und Denkmalschutz belastet sind. Die Ei-gentümer können ihre Verluste vielfach nur dadurch vermindern, daß sie ihre betrieblichen Kosten durch Externalisierung auf die Allgemeinheit überwälzen. Die Folge ist Umfeldbe-

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einträchtigung und Verwahrlosung. Eine eigentumsrechtliche Lösung dieses Problems kann von der aktuellen bodenpolitischen Diskussion zu Art. 15 GG durchaus profitieren: Wenn die Verluste aus brachgefallenen Industriegeländen bereits vergemeinschaftet sind, weshalb sollte dann das Eigentumsrecht an diesen Grundstücken nicht ebenfalls vergemeinschaftet werden?

Deutsches Verfassungsrecht stellt dem sozialgebundenen Privateigentum, dessen Inhalt und Schranken durch die Gesetze bestimmt werden (Art. 14 GG), das Gemeineigentum oder andere Formen der Gemeinwirtschaft gegenüber (Art. 15 GG):

»Artikel 15. Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zweck der Vergesellschaf-tung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.«

Mit der Entscheidung des Gesetzgebers, Grund und Boden zu vergesellschaften und nicht mehr dem Privateigentum einzelner Personen zu überlassen, wäre ein Wechsel des Eigen-tumsarrangements verbunden. Dieser Wechsel wäre verfassungsrechtlich kein Systembruch, er könnte verfassungskonform vollzogen werden (Depenheuer 1999: 1863–1884; Hömig 2005: 210–212; Jarass und Pieroth 2006: 382–384; Rittstieg 2001: 92–98; Wieland 2004: 1330–1341). Allerdings hätte die gesetzliche Einführung des Gemeinschaftseigentums (Ta-belle 16, S. 122) an renaturierten Brachflächen nichts mit dem verfassungsgeschichtlichen Hintergrund einer »Sozialisierung« zu tun, die gegen die Akkumulation privaten Kapitals gerichtet war (Wieland 2004: 1331–1337). Die Überführung brachgefallener Industrie-grundstücke im Magdeburger Südosten in »Gemeineigentum« (Art. 15 GG) würde vielmehr die Folgen der Umfeldbeeinträchtigung und des Leerstands durch ein Eigentumsarrangement auffangen, das für eine extensive Nutzung als renaturierte Landschaft geeigneter ist als priva-tes Einzeleigentum juristischer Personen des Privatrechts.

Neben ideologischen Bedenken gegen »Gemeineigentum« wurde bislang insbesondere auch die Höhe der Entschädigung gemäß Art. 15 Satz 2 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 GG gegen die Überführung von Grund und Boden ins Treffen geführt. Der Vorteil einer »Sozialisierung« würde durch den Aufwand für die zu bezahlende Entschädigung übertroffen. In der leeren Stadt hat dieser Einwand kein sehr großes Gewicht mehr. Im Gegenteil, infolge der stabil niedrigen Bodenwerte in Großstädten und Großstadtrandlagen im Land Sachsen-Anhalt ( S. 46) und der ausstehenden boden- und denkmalschutzrechtlichen Leistungen ( S. 68–72) hätten die Eigentümer der Industriebrachen im Magdeburger Süd-osten ( Abbildung 3, S. 9) nur geringe oder keine Entschädigungsansprüche.

3. Vorbild: Globale Staatengemeinschaftsräume

Das Leitbild Gemeinsam haben als Antwort auf unüberbrückbare Ineffizienz privaten Einzeleigentums an Industriebrachen in der leeren Stadt leitet sich vom Modell globaler Staatengemeinschaftsräume ab (Graf Vitzthum 1997: 437–439), nicht vom Kommunismus oder sozialistischen Volkseigentum. Im Völkerrecht, das auf weitgehender Anerkennung territorialer Souveränität der Staaten beruht, sind immer wieder territoriale Zuordnungs-probleme zu lösen, die nicht durch individualisierende Zuordnung lösbar sind. Die Hohe See, der Weltraum, die Antarktis, der Meeresboden sind Beispiele für Räume, die nicht durch Parzellierung und individuelle Aneignung zugeordnet wurden — zum Teil, weil die Staaten-gemeinschaft keine Aneignung durch einzelne Staaten zulassen wollte, zum Teil weil diese

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Räume aus öffentlichem Interesse strategisch besonders wichtig sind. Flächenmäßig über-steigen die völkerrechtlichen Staatengemeinschaftsräume die Fläche der Staatsgebiete um ein Vielfaches.

Die völkerrechtlichen Lösungen für globale Staatengemeinschaftsräume sind durchaus unterschiedlich und zeigen eine große institutionelle Kreativität bei der Vergemeinschaftung der commons.

• Die Vergemeinschaftung der Hohen See zeigt sich in den vielfältigen Regeln des völker-rechtlichen Seerechts, das die Voraussetzung für die Nutzung der offenen Meere regelt. Eine Aneignung der Hohen See durch einzelne Staaten ist verboten. Besondere Regelun-gen bestehen für die Hochseefischerei, weil Ressourcenzerstörung durch Fischfang häufig eine »Tragödie der Allmende« verursacht (Graf Vitzthum 1997: 439–443).

• Der Meeresboden ist als »gemeinsames Erbe der Menschheit« internationalisiert. Die effektive Bewirtschaftung und gerechte Verteilung der Rohstoffvorkommen unterhalb des Meeresbodens wird mittels organisatorischer Vorkehrungen gewährleistet. Die Inter-nationale Meeresbodenbehörde und »das Unternehmen« wachen über das Aneignungs-verbot und erteilen Erlaubnisse für Exploration, Nutzung, Ausbeutung (Graf Vitzthum 1997: 444–447).

• Der Weltraum wurde völkerrechtlich vor allem wegen der strategischen Bedeutung des geostationären Orbits vergemeinschaftet. Ein internationales Nutzungsregime wird ohne besondere Organisationsstrukturen aufrecht erhalten. Der gerecht aufgeteilte Zugang zur Nutzung durch geostationäre Satelliten und die Bewirtschaftung einer knappen Res-source sind das Ziel des Weltraumvertrags. Mangels einer eigenen Behörde hat die staat-liche Verantwortlichkeit für die Ressourcenschonung (z.B. Problem der Anhäufung des Weltraumschrotts) besonderes Gewicht (Graf Vitzthum 1997: 448–451).

• Die Internationalisierung der Antarktis betrachtet das ewige Eis des Südpols als aneig-nungsunfähiges Nichtstaatsgebiet. Schwerpunkt erlaubter Aktivitäten ist die wissenschaft-liche Forschung. Das Antarktische System schließt ein spezielles Umweltschutzregime sowie touristische Nutzungen (»Weltpark«) mit ein (Graf Vitzthum 1997: 451–455).

Jeder der globalen Staatengemeinschaftsräume weist Aspekte der Leere auf, wiewohl die Leere auch im Völkerrecht eher eine mentale Konstruktion ist als eine Tatsache. Die Unzu-lässigkeit individueller Aneignung der Leere hat erhebliches geopolitisches Gewicht: Bevor sich andere Staaten den Mond zur Stationierung ihrer Nuklearwaffen aneignen, soll sich niemand den Mond aneignen dürfen. Die strategische Implikation der Geopolitik der Leere gilt auch für die leere Stadt: Der territoriale Bodenwert eines Grundstücks, über das die Elbe erreicht werden kann, ist selbst dann hoch, wenn sein ökonomischer Bodenwert gering oder negativ ist. Je hierarchischer Grundstücke genutzt werden, um so weniger kann die Aneignungsstrategie des Eigentümers auf diese spezifische lokale Bedeutung eingehen. Daher wäre am besten, wenn die örtliche Gemeinschaft die Aneignung übernähme.

Die Beispiele für globale Staatengemeinschaftsräume und die ihnen zugrundeliegenden völkerrechtlichen Arrangements sind für das Bodenmanagement in der leeren Stadt geeig-net, solange die Leere nicht ausgefüllt wurde. Mit anderen Worten: Vergemeinschaftung könnte für die Industriebrachen im Magdeburger Südosten eine eigentumsrechtliche Zwi-schenlösung darstellen, bis die renaturierten Flächen andere städtebauliche Funktionen — insbesondere für Wirtschaft und Arbeit — wiedererlangt haben.

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4. Abhängigkeit zwischen Renaturierungsziel und Eigentumsarrangement

Neben der Erlassung eines Vergemeinschaftungsgesetzes (Art. 15 GG) kämen auch noch andere juristische Möglichkeiten in Betracht, die renaturierten Industriebrachen »gemein-sam zu haben«. Ohne Veränderung des Eigentumsarrangements ließen sich durch eine orga-nisatorische Lösung der Eigentumsfrage ähnliche Wirkungen wie durch Gemeinschaftseigen-tum erzielen. Wird das Eigentum an den Grundstücken — vertraglich, durch Übernahme, durch Enteignung — auf die Gemeinde, einen Verein, eine öffentlich-rechtliche Anstalt über-tragen, kann durch öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Widmung der Grundstücke eine gemeinsame Nutzung festgesetzt werden. Eine solche Widmung kann unterschiedliche Formen annehmen, die von der gesetzlichen Festsetzung des Gemeingebrauchs bis zur Ver-ankerung gemeinsamen Habens in einer Vereinssatzung reichen.

Die institutionelle wie auch die organisatorische Lösung der Eigentumsfrage haben densel-ben Sinn: Die Sanierung, die Renaturierung und die künftige Nutzung der renaturierten Industriebrachen soll durch ein Eigentumsarrangement unterstützt werden, das der Zielset-zung im Magdeburg-Szenario der IBA STADTUMBAU 2010 ( S. 2) entspricht. Mit den skizzierten eigentumsrechtlichen und eigentumstheoretischen Steuerungsmöglichkeiten wird lediglich die Spannweite der Lösungen in einem Bodenmanagementkonzept für den Mag-deburger Südosten dargestellt. Welche Lösung im einzelnen zu empfehlen ist, hängt vom konkreten Inhalt der Renaturierungspläne ab. Eine besondere Rolle kommt dabei auch dem Schutz des »Wissenschaftshafens« zu, den Leben an und mit der Elbe im Norden Magde-burgs plant ( S. 2). Die dort zu entwickelnden Gewerbegebiete können durch Renaturie-rung im Südosten vor »Billigkonkurrenz« geschützt werden.

Ein Beispiel für die Abhängigkeit zwischen Renaturierungsziel und Eigentumsarrange-ment bietet das Freistellungsrecht ( S. 72). Zutreffend wird Art. 1 § 4 Abs. 3 des DDR-Umweltrahmengesetzes als Begünstigung privater Investoren interpretiert. Nur eine natürli-che Person oder eine juristische Person des Privatrechts, die auf einem mit schädlichen Bo-denveränderungen belasteten Grundstück eine gewerbliche Tätigkeit ausüben, können durch Bescheid von ihrer Verantwortlichkeit freigestellt werden. Das Oberverwaltungsgericht Mag-deburg hat daher einem Wasser- und Abwasserzweckverband die Zuerkennung der Altla-stenfreistellung versagt (OVG Magdeburg, Beschluß vom 17. 3. 2004 = LKV 2004, 477–478). Aus demselben Grund könnten wohl auch keine Gemeinden oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften in den Genuß der Altlastenfreistellung gelangen. Dem stünde freilich gegenüber, daß das »Gemeineigentum« (Art. 15 GG) vorzugsweise als Recht des Staats, also einer Gebietskörperschaft oder anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtung, ange-sehen wird (Jarass und Pieroth 2006: 383; Wieland 2004: 1340). Vereinzelt wird die Trä-gerschaft des Gemeineigentums durch privatrechtlich organisierte Rechtspersonen in Be-tracht gezogen (Rittstieg 2001: 95). Die Abhängigkeit zwischen Renaturierungsziel und Eigentumsarrangement zeigt sich im — durch gesetzgeberische Maßnahmen, vielleicht auch durch behutsame Umsetzung vermeidbaren — Dilemma, daß eine Vergemeinschaftung zu-gunsten eines öffentlich-rechtlichen Renaturierungsträgers den gegenwärtigen Voraussetzung für eine Finanzierung der bodenschutzrechtlichen Sanierung im Wege der Altlastenfreistel-lung widerspricht. Das Beispiel unterstreicht die Notwendigkeit einer Abstimmung zwi-schen Altlastenfreistellung und Eigentumsarrangement. Die Abstimmung hängt im einzel-nen, wie erwähnt, von der Konkretisierung des Renaturierungsziels und dem Umfang, der Art und der Ausgestaltung der Renaturierung ab.

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V. Renaturierung und sozialgerechte Bodennutzung

A. Bodennutzung und Gerechtigkeit

Für Bodenpolitik und Bodenmanagement ist Gerechtigkeit, nicht nur die Effizienz be-deutsam ( S. 32). Dabei ist insbesondere das Teilziel der Bauleitplanung maßgeblich, »eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodennutzung« zu gewähr-leisten (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Die Renaturierung brachgefallener Industriegelände wirft eine Vielzahl von Gerechtigkeitsfragen auf:

• Ist es ungerecht, wenn die gegenwärtigen Eigentümer der Industriebrachen ihre betriebli-chen Kosten durch Untätigkeit verringern und dadurch der Allgemeinheit die sozialen Kosten der Umfeldbeeinträchtigung aufbürden?

• Ist es ungerecht, wenn die gegenwärtigen Eigentümer der Industriebrachen vom Land Sachsen-Anhalt nicht durch die öffentlich finanzierte Sanierung ihrer Altlasten gefördert werden, weil sie mangels Ertragsaussichten selbst keine Investitionen in gewerbliche Nutzungen leisten?

• Ist es ungerecht, wenn die Umwelt durch zusätzliche Flächeninanspruchnahme (Konver-sion des Bodens in der Magdeburger Börde) belastet wird, während im Magdeburger Südosten ausreichend große Grundstücke für die Ansiedlung gewerblicher Betriebe zur Verfügung stünden?

Die meisten Menschen wollen rasch eine der drei Fragen bejahen, aber nur wenige alle drei Fragen bejahen oder verneinen. Aus diesem Grund weichen viele Menschen der Frage nach der Gerechtigkeit aus, jedenfalls wenn es um praktisches Handeln geht (Davy 1997).

In Die Illusion der sozialen Gerechtigkeit lehnt Friedrich A. von Hayek die Forderung nach »sozialer Gerechtigkeit« ab. Der Nobelpreisträger für Wirtschaft (1976) meint, daß

»das Schlagwort ›soziale Gerechtigkeit‹ keineswegs, wie die meisten Leute wahrscheinlich empfinden, ein unschuldiger Ausdruck guten Willens gegenüber den weniger Glücklichen ist, sondern daß es zu einem unred-lichen Mittel geworden ist, einem zu verstehen zu geben, man solle der Forderung irgendeines Sonderinteres-ses, für das gar keine wirklichen Gründe sprechen, nachgeben« (von Hayek 1981: 134).

Wer sich von Hayek anschließt, muß auch die »sozialgerechte Bodennutzung« (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BauGB) für eine — gefährliche — »Illusion« halten. Allerdings verhilft die politische Philosophie durchaus auch zu Antworten, die »sozialgerechte Bodennutzung« als sinnvolle Zielstellung der Bauleitplanung und Bodenpolitik erscheinen lassen. Die bemerkenswerteste dieser Antworten findet sich in dem 1971 veröffentlichten Buch Eine Theorie der Gerech-tigkeit von John Rawls (Rawls 1979 und 2001).

B. Die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls

1. Gerechtigkeit als Fairness

Rawls bedient sich des Modells des Gesellschaftsvertrages, also einer Theorierichtung, die im 17. und 18. Jahrhundert entwickelt wurde und mit den Namen von Thomas Hob-bes, John Locke, Jean-Jacques Rousseau, Immanuel Kant verbunden ist. Gesellschaftsver-tragstheorien ergründen und begründen die Entstehung von Staaten aus einem Naturzu-stand heraus, in dem Menschen miteinander einen »Gesellschaftsvertrag« schließen. Motive

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und Inhalte dieses Gesellschaftsvertrages wurden von den genannten Autoren sehr unter-schiedlich beurteilt, das Modell einer Transformation von vorstaatlichem Naturzustand in staatliche Ordnung hat sich indes bewährt.

John Rawls nennt seinen Ansatz eine »Theorie der Gerechtigkeit als Fairness« und ver-steht darunter eine »ursprüngliche Übereinkunft«, die sich auf »die Gerechtigkeitsgrundsätze für die gesellschaftliche Grundstruktur bezieht«:

»Es sind diejenigen Grundsätze, die freie und vernünftige Menschen in ihrem eigenen Interesse in einer an-fänglichen Situation der Gleichheit zur Bestimmung der Grundverhältnisse ihrer Verbindung annehmen wür-den. Ihnen haben sich alle weiteren Vereinbarungen anzupassen; sie bestimmen die möglichen Arten der ge-sellschaftlichen Zusammenarbeit und der Regierung« (Rawls 1979: 28).

Rawls geht von einem Naturzustand aus, in dem sich alle Menschen versammeln, um über bestimmte Gerechtigkeitsgrundsätze für die gesellschaftliche Grundstruktur zu verhandeln und diese zu vereinbaren. Die Mitglieder der verfassungsgebenden Versammlung befänden sich allerdings hinter einem »Schleier des Nichtwissens«:

»Zu den wesentlichen Eigenschaften dieser Situation gehört, daß niemand seine Stellung in der Gesellschaft kennt, seine Klasse oder seinen Status, ebenso wenig sein Los bei der Verteilung natürlicher Gaben wie Intel-ligenz oder Körperkraft« (Rawls 1979: 29).

Der Schleier bezweckt, daß die Teilnehmer der verfassungsgebenden Versammlung zwar genaue Kenntnisse von allgemeinen Umständen ihrer Gesellschaft besitzen, aber nicht wis-sen, in welcher Lage sie sich selbst befinden werden, wenn der »Schleier des Nichtwissens« gelüftet wird. Daher ist niemand in der Lage, Gerechtigkeitsprinzipien zu seinem Vorteil zu manipulieren (Rawls 1971: 159–166). Ist die Entscheidung über solche Prinzipien erst ein-mal getroffen, wird der »Schleier des Nichtwissens« gelüftet und jeder muß sein Leben in Übereinstimmung mit jenen Prinzipien fortsetzen, die ausgewählt und vereinbart wurden.

2. Verhandlungen hinter dem »Schleier des Nichtwissens«

Rawls meint, daß wir uns hinter dem »Schleier des Nichtwissens« auf Gerechtigkeits-grundsätze einigen würden, nach denen eine Gesellschaft geordnet werden könnte, in der unser Platz durch unseren Feind bestimmt werde (Rawls 1971: 178). Da wir nicht wissen, ob wir unter den oberen Zehntausend oder als Bodensatz der Gesellschaft leben werden, müssen wir damit rechnen, unser Leben unter armseligen Umständen zu führen. Wählen wir einen Gerechtigkeitsmaßstab, der die Wohlhabenden oder die Mittelklasse bevorzugt, würden wir an den Folgen unserer Entscheidung sehr leiden (wenn wir uns nicht unter den Wohlhabenden oder der Mittelklasse wiederfinden). Unter diesen Umständen, so meint Rawls, würden sich die Menschen auf den Grundsatz einigen,

»daß soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten, etwa verschiedener Reichtum oder verschiedene Macht, nur dann gerecht sind, wenn sich aus ihnen Vorteile für jedermann ergeben, insbesondere für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft« (Rawls 1979: 32; vgl. auch 174–185).

Rawls befürwortet ein Gerechtigkeitskonzept, durch das Leiden minimiert wird (Rawls 2001). Institutionen, Gesetze, Entscheidungen oder — mit Blick auf die Raumplanung — Pläne sind nur gerecht, wenn sie denjenigen nützen, die in einer Gesellschaft am schlechtesten gestellt sind. Dadurch wird vielleicht nicht das größte Glück der größten Zahl erreicht, aber dafür das Ausmaß von Leid möglichst verringert.

Die Gerechtigkeit im Sinne von Rawls ist eine Art Versicherungsschein gegen das Risiko, selbst zu den schwächsten Mitgliedern einer Gesellschaft zu gehören. Der »Schleier des

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Nichtwissens« gewährleistet, daß sich weder die Machtelite noch die Mittelklasse auf Ko-sten der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft begünstigen. Bemerkenswert ist, daß diese Theorie einer sozialen Gerechtigkeit ohne sozialistische oder marxistische Elemente aus-kommt. Rawls verbindet ein traditionelles Modell der politischen Philosophie — den Gesell-schaftsvertrag — mit der allgemeinen Annahme, daß Menschen risikoscheu sind. Individuen wollen die Befriedigung ihrer Bedürfnisse maximieren und werden angesichts außerordent-licher Ungewißheit den für sie sichersten Weg wählen.

C. Spielregeln für Renaturierung

In einer polyrationalen Situation ringen unterschiedliche Rationalitäten um das Erken-nen und Lösen der Probleme ( S. 79). Schlüsselbegriffe im Magdeburg-Szenario der IBA STADTUMBAU 2010 ( S. 2), wie etwa »Industriebrache«, »Flächenmanagement«, »Renatu-rierung«, »Landschaft«, werden von den beteiligten Akteuren mit ganz unterschiedlichen Begriffsinhalten aufgeladen. Ein Diskurs über Gerechtigkeit, der dem Modell von John Rawls entspricht, kann sehr gut dazu genutzt werden, solche unterschiedlichen Inhalte sichtbar zu machen. Das Ziel ist freilich nicht, die einzelnen Akteure für die »richtige« Sichtweise zu gewinnen. Vielmehr soll die gemeinsame Wahrnehmung ihrer Polyrationalität die Beteiligten zur Vereinbarung von Spielregeln motivieren.

Offenkundig können der langanhaltende Leerstand und die Umfeldbeeinträchtigungen im Magdeburger Südosten nicht allein durch die Selbstregulierung des Marktes, nicht allein durch hoheitliche Interventionen des Stadtplanungsamts, auch nicht allein durch zivilgesell-schaftliche Initiativen und bürgerschaftliches Engagement beseitigt werden. Allerdings zeigt die praktische Erprobung von Spielregelverhandlungen, daß hinter dem »Schleier des Nichtwissens« durchaus Einigungen zwischen Akteuren mit erheblichen Interessengegensät-zen und Wahrnehmungsunterschieden erzielt werden können (Davy 2004a). Solche Eini-gungen über brauchbare Spielregeln sind nicht verallgemeinerungsfähig. Allerdings sind gewisse Bündel an Spielregeln erkennbar, deren Inhalt von grundlegenden Entscheidungen über Industriebrachen, Renaturierung und Eigentum im Magdeburger Südosten abhängt.

Allein aus dem Grundstücksertrag oder Wertsteigerungen der Industriebrachen können die Kosten für die Sanierung der Altlasten und den Schutz industriekultureller Baudenkma-le nicht aufgebracht werden. Falls die schädlichen Bodenveränderungen nicht beseitigt und die schutzwürdigen Baudenkmale nicht erhalten werden, werden die Industriebrachen zu-nehmend zu Leerräumen im Magdeburger Südosten. Solche Leerräume bilden faktisch extra-territoriales Gebiet: Weder vermögen Staat und Kommune kraft ihrer Planungshoheit oder ihrer umweltrechtlichen oder denkmalschutzrechtlicher Eingriffsbefugnisse, noch vermögen die Grundstückseigentümer kraft ihres Eigentumsrechts die Leere zu füllen: Staat und Kom-mune werden durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 14 GG) vom unbeschränkten Zugriff auf die Grundstückseigentümer abgehalten. Die Grundstückseigentümer werden durch die geringe Ertragskraft und Entwicklungschancen von Instandhaltung, Sanierung, Investi-tionen abgehalten. Die Folge ist ein Stillstand, der für die verbliebenen Anwohner mit immer unerträglicher werdenden Belastungen verbunden ist. Diese Belastungen reichen vom Um-schlagen der latenten Altlastengefahr in konkrete Gefährdungen für Leib und Leben über unzumutbare Verkehrsbelastung bis zur Stigmatisierung der Wohngegend. Gewiß würde hinter dem »Schleier des Nichtwissens« eine große Rolle spielen, nach welchen Spielregeln der Stillstand und die Leere angeeignet, verwaltet, erduldet werden sollen.

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DIE VIERTE FORSCHUNGSFRAGE

Neue (sogenannte) Magdeburger Versuche über die leere Stadt

Die vierte Forschungsfrage lautet ( S. 1):

Welche Strategien innovativer Flächenentwicklung sind unter den Bedingungen sinken-der Bevölkerungszahlen und schwindender regionaler Wirtschaftskraft erfolgversprechend und empfehlenswert?

I. Bodenmanagement für das IBA-Szenario Leben an und mit der Elbe

A. Responsive Bodenpolitik

Auf den ersten Blick scheint es, als ob Bodenmanagement in der leeren Stadt zwischen hoheitlicher und privatwirtschaftlicher Lösung oder fortgesetzter Untätigkeit wählen muß (Abbildung 5, S. 12). Diese drei Ecklösungen der Bodenmobilisierung können aber als Hand-lungsalternativen durchaus verbessert werden, wobei eine innovative Lösung insbesondere auch das kostenorientierte Bodenmanagements einer Ökonomie des Behaltens ( S. 106) sowie Veränderungen des Eigentumsarrangements ( S. 119) beinhalten sollte. Im folgenden wird die Untätigkeit der Landeshauptstadt Magdeburg und des Landes Sachsen-Anhalt be-wußt nicht als Option einbezogen, obwohl die finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte zunehmend zu staatlicher und kommunaler Untätigkeit führen wird. Somit wird im folgen-den die engagierte Bereitschaft und ausreichende Finanzmittel der Landeshauptstadt Mag-deburg und des Landes Sachsen-Anhalt vorausgesetzt, um die Innovationspotentiale für Flä-chenentwicklung in der leeren Stadt auszuschöpfen.

1672 veröffentlichte Otto von Guericke seine Schrift Neue (sogenannte) Magdeburger Versuche über den leeren Raum. Das empfohlene Bodenmanagementkonzept für das IBA-Szenario Leben an und mit der Elbe in den Stadtteilen Buckau, Fermersleben, Salbke und Westerhüsen heißt daher Neue (sogenannte) Magdeburger Versuche über die leere Stadt. Die darin enthaltenen Empfehlungen sind aus der Darstellung und Analyse der Wirkungs-

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 134

beziehungen, des Grundstückseigentums und der Steuerungsmöglichkeiten in der leeren Stadt abgeleitet. Die Ableitung hängt mit dem Konzept der responsiven Bodenpolitik zusammen, dessen Grundsätze einleitend zu erläutern sind.

Responsive Bodenpolitik ist eine raumplanerische, immobilienökonomische und eigen-tumstheoretische Anwendung der Theorie der responsiven Regulierung (Ayres und Braith-waite 1992). Am Höhepunkt der Diskussion über Regulierung und Deregulierung schlugen Ian Ayres und John Braithwaite zur Umsetzung öffentlicher Ziele eine Kombination unter-schiedlicher Instrumente vor, die in einer Umsetzungspyramide (enforcement pyramid) zu-sammengefügt werden (Ayres und Braithwaite 1992: 35–53). Freiwillige Selbstregulierung, erzwungene Selbstregulierung, Gebote mit differenzierenden Sanktionen und Gebote mit nicht differenzierenden Sanktionen bilden vier Stufen der Umsetzungspyramide (Ayres und Braithwaite 1992: 39). Ein Umsetzungskonzept soll Maßnahmen auf jeder der vier Stufen enthalten. Einerseits wird dadurch ein Höchstmaß an Freiwilligkeit bei der Mitwirkung an der Umsetzung ermöglicht, andererseits werden nachteilige Konsequenzen des »Schwarzfah-rens« verhindert. Abbildung 13 zeigt ein Beispiel für die Anwendung der Theorie der re-sponsiven Regulierung auf Bodenmanagement:

Enteignung

planungsrechtlicher Zwang

ökonomische Anreize

moralische Appelle

Information und Beratung

Enteignung

planungsrechtlicher Zwang

ökonomische Anreize

moralische Appelle

Information und Beratung

Abbildung 13: Umsetzungspyramide und responsive Bodenpolitik Quelle: Ayres und Braithwaite 1992; Davy 2004a: 217; Davy 2005b: 70

In Abbildung 13 gehören die Information und Beratung sowie moralischen Appelle zur Stufe der freiwilligen Selbstregulierung, die ökonomischen Anreize sollen Selbstregulierung erzwingen, der planungsrechtliche Zwang entspricht der Stufe der Gebote mit differenzie-renden Sanktionen und die Enteignung den Geboten mit nicht differenzierenden Sanktionen. Jede dieser Stufen kann nach Lage des Umsetzungsproblems anders ausgestaltet oder weiter differenziert werden. Die in Abbildung 13 dargestellte Umsetzungspyramide dient lediglich als Beispiel, das die Theorie der responsiven Regulierung anwendet und veranschaulicht.

Die Umsetzungspyramide weist viele Merkmale des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf. Um »Schwarzfahren« verläßlich auszuschließen, muß jedes Umsetzungskonzept eine Spitze besitzen und den Adressaten des Konzepts glaubhaft machen, daß im Falle der Nichtumset-zung nicht differenzierende Sanktionen drohen. Dieser Gedanke ist dem Grundsatz der Ver-hältnismäßigkeit fremd. Daraus folgt nicht die Unverhältnismäßigkeit der Umsetzungspy-ramide. Vielmehr bildet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Eingriffsschranke, während die Umsetzungspyramide als politikberatende Empfehlung für mehrstufige Umsetzungskon-zepte anzusehen ist. Auch die moralischen Appelle fallen aus dem Rahmen des Verhältnis-

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 135

mäßigkeitsgrundsatzes. Behördliche Eingriffe sind nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Behörde verabsäumt hat, an das Gewissen oder die moralische Integrität der Verpflichteten zu appellieren. Allerdings sollten glaubwürdige moralische Appelle in keiner Umsetzungspy-ramide fehlen. Zum einen können moralische Appelle nur glaubwürdig sein, wenn sie von jemandem stammen, dessen moralische Integrität außer Zweifel steht. Im moralischen Appell liegt somit auch eine Selbstbindung jener Stelle, die zur Mitwirkung an der Umsetzung aufruft (z.B. Planungsamt). Zum anderen ist der moralische Appell besonders gut geeignet, an den ethischen Pflichtgehalt des Eigentums zu erinnern ( S. 64).

Responsive Bodenpolitik kann als »Kooperation mit Krallen« bezeichnet werden (Davy 2005b: 70). Gerade beim Stadtumbau ist das Zusammenspiel kooperativer und hoheitlicher Umsetzungsinstrumente besonders bedeutsam.

B. Das Bodenmanagementkonzept im Überblick

In der leeren Stadt antwortet responsive Bodenpolitik auf das Beraubtsein und auf die Möglichkeiten ( S. 17). Weder sollen unerreichbare Entwicklungsziele einer Wachstums-gesellschaft, noch sollen kollektive Depression und Minderwertigkeitsgefühle im Vordergrund stehen. Die leere Stadt ist um demographisches und ökonomisches Wachstum beraubt, die leere Stadt bietet indes die Möglichkeit zu mutigen städtebaulichen und raumplanerischen Ansätzen. Die empfohlenen Strategien, die Abbildung 14 im Überblick darstellt, beruhen auf eben diesen Merkmalen der leeren Stadt.

nachhaltige städtebauliche Entwicklung

sozialgerechte Bodennutzung

menschenwürdige Umwelt

Baukultur

bester Eigentümer, beste Nutzung

Kostenbalance

Renaturierung

Sanierung

ökologische Aufwertung

Zwischennutzung

Bauland oder Landschaft?

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Landmarken der Industriegeschichte

Konkurrenz der Ideale

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Plan

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öffentliche Förderung

Aneignungswettbewerb

Kostenmanagement

private Finanzierung

gute Nachbarschaft

Mobilisierungspaket

Plan

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Leitbilder

Ziele

Maßnahmen-pakete

Abbildung 14: Strategieempfehlungen Neue (sogenannte) Magdeburger Versuche über die leere Stadt © 2006 Benjamin Davy; Quelle: eigene Darstellung

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 136

Ausgangspunkt für die Strategieempfehlungen ist das Szenario 2010, das die IBA STADTUM-

BAU 2010 und die Landeshauptstadt Magdeburg für die Stadtteile Buckau, Fermersleben, Salbke und Westerhüsen umsetzen möchte ( S. 2):

»Die Gebiete der ehemaligen Schwerindustrie im Südosten der Stadt sind renaturiert. Die Industriebrachen sind in Landschaft zurückverwandelt. Die Bewohner der südlichen Stadtteile haben den Fluss als Nachbarn wiederentdeckt« (IBA 2006: 172).

Die Strategieempfehlungen stellen das Szenario nicht in Frage, nehmen aber eine wichtige Interpretation vor. Danach ist es für die erfolgreiche Umsetzung des Szenarios Leben an und mit der Elbe nicht notwendig, daß alle der altindustriellen, brachgefallenen Grundstücke dauerhaft renaturiert werden. Vielmehr sind ausgewählte Baulandnutzungen mit dem Rena-turierungsziel durchaus vereinbar. Außerdem soll eine Renaturierung, wenn dies dem Kon-sens aller Beteiligten entspricht, nicht unbedingt dauerhaft sein müssen. Den Strategieemp-fehlungen liegt somit das Konzept einer teilweise und vorübergehenden Renaturierung zugrunde ( Tabelle 13, S. 102), wobei Umfang und Dauer der Renaturierung einerseits planerischen und fachlichen Gesichtspunkten entsprechen und andererseits im Einvernehmen zwischen den Beteiligten festgelegt werden sollen. Diese Interpretation des Szenarios Leben an und mit der Elbe eröffnet bei der Umsetzung einen gewissen Spielraum zur Inszenierung eines Wettbewerbs zwischen unterschiedlichen Zukunftserwartungen, Nutzungsinteressen und Aneignungsstrategien.

Die Mobilisierung privater Grundstücke für öffentliche Zwecke kann in der leeren Stadt nicht oder nicht ohne weiteres mit planungs- oder maßnahmenbedingten Bodenwertsteige-rungen rechnen. Im Gegenteil, in einer Ökonomie des Behaltens werden die Bodennutzun-gen nicht durch den Grundstückspreis (als ökonomischer Manifestation des Bodenwerts und der Bodenwertsteigerungen) bestimmt, sondern durch territoriales Verhalten, das insbe-sondere auf das private Grundstückseigentum gestützt wird. Die Kosten des Behaltens der Grundstücke, nicht der Preis für ihre Veräußerung, sind maßgeblich für die konkreten Bo-dennutzungsentscheidungen der jeweiligen Eigentümer. Aus diesem Grund stützt sich das Bodenmanagement in der leeren Stadt nicht auf erwartete oder gegenwärtige Verkehrswerte, sondern auf die Kosten der Bodennutzungen ( S. 117).

II. Leitbilder des Bodenmanagements

Die Strategieempfehlungen für eine responsive Bodenpolitik in der leeren Stadt bauen auf den städtebaurechtlichen Leitbildern auf (§ 1 Abs. 5 BauGB S. 27), die für Leben an und mit der Elbe konkretisiert werden müssen. Die Konkretisierungen würden im for-mellen Bauleitplanverfahren zur Begründung der angestrebten Renaturierung herangezogen werden (§ 2a in Verbindung mit § 5 Abs. 5 oder § 9 Abs. 8 BauGB).

Das Renaturierungs-Szenario 2010, das die IBA STADTUMBAU 2010 und die Landes-hauptstadt Magdeburg für die Stadtteile Buckau, Fermersleben, Salbke und Westerhüsen aufgestellt haben, berührt in mehrfacher Weise die Grundsätze der Bauleitplanung (§ 1 Abs. 5 BauGB). Wird großflächig in ein historisch gewachsenes Siedlungsgebiet mit be-trächtlichem Gewerbe- und Industrieflächenanteil eingegriffen, werden Schwerpunkte und Gleichgewichte verändert. Bisherige Strukturen werden unterbrochen, neue städtebauliche Funktionszusammenhänge können entstehen. Welche Vorteile, welche Nachteile sind mit durchlässigeren Verbindungen zur Elbe, mit einem Ausbau des Spazier- und Fahrradwege-netzes verbunden? Soll die Renaturierung den dörflichen Ursprung der Siedlungskerne in

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 137

Erinnerung rufen oder ein neues Gefühl für qualitätsvolle Stadtlandschaft wecken? Eine praktisch wichtige Herausforderung bildet auch die Durchzugsstraße, die den Magdeburger Südosten von Norden nach Süden quert und das Stadtzentrum der Landeshauptstadt mit der Nachbarstadt Schönebeck verbindet. Diese und andere Fragen der Renaturierung können besser beantwortet werden, wenn einzelne Ziele und Maßnahmen (auch) durch konkrete Leitbildinhalte begründet werden können.

Das Leitbild müßte einen programmatischen und einen räumlichen Teil aufweisen. Der programmatische Teil stellt dar, wie die beabsichtigte Renaturierung

• eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung des Magdeburger Südostens gewährleistet, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Ver-antwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt;

• eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung in den Stadt-teilen Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen gewährleistet;

• dazu beiträgt, im Magdeburger Südosten eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln, auch in Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz;

• dazu beiträgt, die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild — insbeson-dere die schützenswerten industriekulturellen Baulichkeiten — baukulturell zu erhalten und zu entwickeln.

Der räumliche Teil des Leitbildes konkretisiert Gebiete, Achsen, Korridore der geplanten Renaturierung für Leben an und mit der Elbe konkretisieren. Um alternative Ziele und Maßnahmen formulieren zu können, sollte die Verräumlichung des Leitbildes ein ausreichend umfangreiches Gebiet betreffen.

Die Erstellung eines Leitbildes für die geplante Renaturierung altindustrieller Brachflächen im Magdeburger Südosten hilft den Beteiligten, die angestrebten Entwicklungen in ihrer Gesamtheit überblicken, verstehen und gestalten zu können. Auch soll das Leitbild möglichst viele Beteiligten zu phantasievollen Beiträgen inspirieren und zur Mitwirkung motivieren. Für die Konkretisierung des § 1 Abs. 5 BauGB sind im Zuge der Bauleitplanung das Stadt-planungsamt und der Stadtrat der Landeshauptstadt Magdeburg zuständig. Allerdings wäre die Beteiligung möglichst vieler Entscheidungsträger aus den Bereichen Eigentümer, Wirt-schaft, Zivilgesellschaft, Umwelt, Kultur, Kommunalpolitik und der Landesministerien wün-schenswert. Besondere Anstrengungen sollten zur Aktivierung der Wohnbevölkerung der Stadtteile Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen unternommen werden. Die erfolgreiche Renaturierung umfangreicher Grundstücksbestände ist ohne die Zustimmung und Mitwir-kung der Wohnbevölkerung kaum vorstellbar. Hilfreich wäre eine Unterstützung der Leit-bilderstellung durch das IBA-Büro.

III. Ziele des Bodenmanagements

Die Strategieempfehlungen für eine responsive Bodenpolitik in der leeren Stadt leiten aus den Leitbildern spezifische Ziele des Bodenmanagements ab. Da die Leitbilder noch konkretisierungsbedürftig sind, werden diese Ziele im folgenden bloß allgemein formuliert.

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 138

A. Kostenbalance

Das private Grundstückseigentum und die Kosten, die mit dem Behalten der Grundstücke verbunden sind, sind die Grundlage der Possessivwirtschaft in der leeren Stadt ( S. 117). Die Bodenpreise sind hingegen für die Bodennutzung von weitaus geringerer Bedeutung.

Das Nutzungsverhalten der Eigentümer wird weniger durch den — zumeist sehr niedrigen — Immobilienwert als durch die Kosten bestimmt, die vom Eigentümer bezahlt werden müs-sen (private Kosten). Die Vermeidung grundstücksbezogener Aufwendungen, die private Kosten verursachen, führen zu Grundstücksverwahrlosung und Umfeldbeeinträchtigung, es entstehen Lasten für die Allgemeinheit (soziale Kosten). Die erfolgreiche Externalisierung privater Kosten verstärkt beim Grundstückseigentümer den Eindruck, die Kosten des Behal-tens leerer oder brachgefallener Flächen wären gar nicht so hoch. Ein solcher Eindruck entsteht insbesondere auch, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften zur Verhinderung der Grundstücksverwahrlosung und Umfeldbeeinträchtigung nicht angewendet werden. Sobald Grundstückseigentümer auf die behördliche Untätigkeit vertrauen können, breitet sich der »erlernte Ungehorsam« rasch aus.

Das Ziel der Kostenbalance umfaßt als Teilziel eine Internalisierung sozialer Kosten in die tatsächlichen privaten Kosten der Verursacher. Wessen Grundstück für die Nachbar-schaft und Allgemeinheit soziale Kosten — Nachteile, Belastungen, Gefährdungen, Belästi-gungen — verursacht, soll diese Kosten bezahlen. Insoweit dient Kostenbalance der Kosten-wahrheit und ist erforderlich, um eine effizientere Allokation der Ressourcen in der leeren Stadt sicherzustellen. Kostenbalance gewährleistet Kostenwahrheit als Grundlage einer nach-haltigen städtebauliche Entwicklung (§ 1 Abs. 5 BauGB). Handeln Grundstückseigentümer auf der Grundlage verzerrter, falscher Informationen über die tatsächlichen Kosten des Behal-tens, ist ihr Verhalten volkswirtschaftlich ineffizient. Grundstücke werden eher mobilisiert, wenn ihre Eigentümer die tatsächlichen Kosten der Innehabung der Grundstücke tragen (andernfalls bezahlt die Öffentlichkeit die Ökonomie des Behaltens).

Kostenbalance betrifft aber auch Opportunitätskosten und Transaktionskosten. Die nied-rigen Oppor unitätskosten der Bodennutzung in der leeren Stadt sind ein ökonomisches Anzeichen dafür, daß niemand diese Grundstücke zu einem anderen als dem gegenwärtigen Zweck nutzen möchte. Mangels potentieller Alternativverwendungen fallen auch keine oder nur geringe Opportunitätskosten an. Eine Steigerung der Opportunitätskosten — insbeson-dere zugunsten der Renaturierung der Grundstücke — könnte wichtige Impulse zugunsten einer Umsetzung des IBA-Szenarios leisten. Grundstücke werden besser mobilisiert, wenn die Opportunitätskosten — etwa durch öffentliche Förderung (Subvention, Steuervorteil) oder durch verfügungsrechtliche Veränderungen (Umwidmungen) — erhöht werden. Die hohen Transaktionskosten der Bodennutzung in der leeren Stadt sind eine ökonomische Barriere für die Änderung gegenwärtiger Nutzungen oder Nichtnutzungen. Nach der ökonomischen Eigentumstheorie würden die Eigentümer benachbarter Grundstücke auch ohne öffentliches Eingreifen über effiziente und gerechte Bodennutzungen verhandeln und Vereinbarungen treffen — sofern die Transaktionskosten niedrig oder null sind (Coase-Theorem). Grund-stücke werden besser mobilisiert, wenn die Transaktionskosten — etwa durch Informationen oder durch die Unterstützung bei Verhandlungen — gesenkt werden.

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Das Ziel der Kostenbalance lautet: Für alle Grundstücke sollen die sozialen Kosten in-ternalisiert, die Opportunitätskosten erhöht und die Transaktionskosten gesenkt werden.

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 139

B. Zwischennutzung

Je nach Umfang und Ausmaß der Renaturierung, die im Magdeburger Südosten durch-geführt werden wird, nimmt die Umnutzung der betroffenen Grundstücke unterschiedlich lange Zeit in Anspruch. Während dieses Zeitraumes sollte die Umfeldbeeinträchtigung durch brachgefallene Grundstücke möglichst durch Zwischennutzungen eingeschränkt werden. Sind die Folgenutzungen bereits absehbar, bedürfen Zwischennutzungen behördlicher Genehmi-gungen (vor allem Baugenehmigung) und ist die Bauleitplanung ausreichend ausgereift, können Zwischennutzungen gemäß § 9 Abs. 2 BauGB in einem Bebauungsplan festgesetzt werden. Aber auch ohne formale Festsetzung sind Zwischennutzungen empfehlenswert.

Zwischennutzungen unterstützen die mentale Konstruktion des Bodens: Die brachgefal-lenen, altindustriellen Grundstücke haben durch den Niedergang der Maschinenbauindu-strie an ökonomischem Wert eingebüßt. Die Bewohner der Stadtteile, die in der DDR-Zeit kraft Arbeitsplatz an der Nutzung und Entwicklung dieser Grundstücke teilhaben konnten, wurden von der Teilhabe ausgeschlossen. Die Ökonomie des Behaltens hat viele dieser Flä-chen in verbotenes Land verwandelt, in »gefährliche Liegenschaften«:

»Und wie passend das Wort Liegenschaften. Es drückt das Tote, Verkommene, das Liegengebliebene (und darin auch das Unerledigte) gegen alle bürokratische Absicht wunderbar aus« (Leupold 2006: 229).

Dennoch gehören auch die Industriebrachen territorial und ökologisch zu den Stadtteilen des Magdeburger Südostens. Durch Zwischennutzungen können neue Formen der Teilhabe be-gründet werden. Vermitteln Zwischennutzungen ein positives Image, verhindern oder min-dern sie die Stigmatisierung eines Gebiets: Freiluftkino, Industrielehrpfad oder öffentlich zu-gängliche Uferwege sind freundlicher als hohe Mauern und zerbrochene Fensterscheiben.

Durch die Beteiligung der Bewohner aus der Nachbarschaft an der Gestaltung und Um-setzung der Zwischennutzung, wird die Bevölkerung zur Mitwirkung an der Renaturierung des Magdeburger Südostens motiviert. Dadurch wird die soziale Nachhaltigkeit des Boden-managements gestärkt. Eine Beteiligung könnte vielerlei Form annehmen und von eigensin-nigen Ideenbeiträgen bis zur Mitwirkung an der Verkehrssicherung reichen. Sollten Grund-stücke dauerhaft zur Renaturierung bestimmt werden, ist die Herstellung und Pflege der wiederhergestellten Landschaft aufwendig. Den Aufwand wird die öffentliche Hand nicht zur Gänze übernehmen können und ist daher auf zivilgesellschaftliche Unterstützung angewie-sen. Doch nicht bloß Finanzierungs- und Kostenfragen sind der Grund, weshalb die Beteili-gung der Wohnbevölkerung an Zwischennutzungen empfohlen wird. Durch die Mitwirkung an Zwischennutzungen signalisieren die Menschen, die den Magdeburger Südosten bewoh-nen, ob und welches Interesse sie an einer Renaturierung haben. Ist ein solches Interesse nachweisbar, wäre dies ein gewichtiges Argument für die Renaturierung: Die Mobilisierung privater Grundstücke für öffentliche Zwecke erscheint um so sinnvoller, als nicht nur der Boden, sondern auch die Herzen der begünstigten Stadtteilbewohner mobilisiert werden.

Zwischennutzungen können unter Umständen auch noch direkt zur Erreichung der Re-naturierungsziele beitragen. Falls auf einzelnen Grundstücken bauliche Nutzungen zugelas-sen werden sollen, kann die bodenschutzrechtliche Sanierung und vorübergehende Renatu-rierung der künftigen Baugebiete eine Zwischennutzung im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 BauGB bilden.

Das Ziel der Zwischennutzung lautet: Möglichst viele Grundstücke sollen kurzfristig für die städtebaulichen Funktionszusammenhänge zurückgewonnen werden.

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 140

C. Bauland oder Landschaft?

Die Aneignungsstrategien, die im Magdeburger Südosten beobachtet werden können, zeigen ein uneinheitliches Bild. Umfangreiche städtebauliche Sanierungsmaßnahmen in Buckau (MDSPA 1993; MDSPA 1995c; MDSPA 2002; MDSPA 2005) und erfolgreiche Instandsetzungs- und Neubaumaßnahmen stehen im Gegensatz zu verschlossenen Werkshal-len, großflächigem Leerstand, wilder Vegetation auf Brachflächen. Das Renaturierungsziel Leben an und mit der Elbe, das sich die IBA STADTUMBAU 2010 und die Landeshauptstadt Magdeburg gesetzt haben, erlangt seinen Sinn erst im Zusammenhang mit dem für die Alt-stadt und den Norden (»Wissenschaftshaften«) geplanten Maßnahmen für »mehr Stadt« (IBA 2006: 172). Doch welchen Sinn macht die Renaturierung für die Stadtteile Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen? Vermutlich würde die geplante Renaturierung plausibler sein, wenn die Landeshauptstadt Magdeburg zwar in erster Linie das Renaturierungsziel verfolgt, dadurch aber bauliche Nachnutzungen der betroffenen Grundstücke nicht völlig ausschließt.

Bauland oder Landschaft? Wie man diese Frage beantwortet, hängt maßgeblich von den eigenen Zukunftserwartungen und Nutzungsinteressen ab. Erwarten beispielsweise viele oder einzelne Grundstückseigentümer, daß der Bodenmarkt und die regionale Ökonomie nach einer Übergangsphase rege werden und zu wachsen beginnen, wäre eine Renaturierung irrational. Weshalb sollte sich die leere Stadt dagegen wehren, daß ihre Grundstücke ertrag-reich genutzt werden? Grundstücksverwahrlosung und Umfeldbeeinträchtigung sind, dies sei hier betont, eine Konsequenz daraus, daß Grundstückseigentümer diese Frage zwar stellen, aber keine Antwort erhalten. Tatsächlich gibt es für großflächige Grundstücke im engen Siedlungszusammenhang kaum stichhaltige Argumente, sie umfassend und dauerhaft der baulichen Nutzung zu entziehen — falls die private Finanzierung der baulichen Nutzung durch Grundstückseigentümer oder Immobilieninvestoren gesichert ist. Andernfalls wird die Vermutung, es würden bessere Zeiten kommen, zur »Hoffnungsfalle« für die Eigentümer.

Hier ist anzumerken, daß die planungsrechtliche Qualität der altindustriellen, brachgefal-lenen Grundstücke im Magdeburger Südosten nicht einheitlich beurteilt werden kann. Viele der betroffenen Grundstücke sind im geltenden Flächennutzungsplan als Gewerbe- oder Industrieflächen dargestellt (MDSPA 2000: 59–66, Übersichtsplan 4 und Plandokument). Durch die Darstellung in einem vorbereitenden Bauleitplan erlangt der Grundstückseigen-tümer indes kein subjektives Planungsrecht. Die Zulässigkeit eines Bauvorhabens folgt aus einem Bebauungsplan (§ 30 BauGB), aus der Lage des Grundstücks innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 BauGB) oder aus der Zugehörigkeit zu einem privi-legierten Vorhaben im Außenbereich (§ 35 BauGB). Keine der drei Bestimmungen vermittelt für die typischen im Magdeburger Südosten betroffenen altindustriellen Bestandsgrundstücke eine Berechtigung zur baulichen Nutzung. Im Einzelfall könnte sich nach genauer Prüfung der planungsrechtlichen Gegebenheiten herausstellen, daß ein Grundstück ohne weitere Akte der Bauleitplanung baulich genutzt werden darf, also baureifes Land darstellt. Die Regel ist dies jedoch nicht. Eine immobilienwirtschaftliche Verwertung der Brachflächen als Wohn-bauland oder Gewerbebauland wird daher zumeist nur zulässig sein, nachdem ein entspre-chender Bebauungsplan aufgestellt worden ist.

Mögen auch viele betroffene Bestandsgrundstücke planungsrechtlich gegenwärtig nicht als baureifes Land (§§ 30 und 34 BauGB) anzusehen sind, bedeutet dies nicht, daß eine Renaturierung ohne weitere Begründung gegen die Interessen der Eigentümer durchgesetzt

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 141

werden dürfte. Insbesondere auch mit Blick auf Gewerbebetriebe, die gegenwärtig als »Ni-schennutzungen« auf den ehemaligen Industriegeländen ausgeübt werden, sind die Brach-flächen planungsrechtlich nicht ohne weiteres als Außenbereich (§ 35 BauGB) anzusehen. Gegenwärtig rechtmäßig ausgeübte Nutzungen genießen nämlich Bestandsschutz (Jarass und Pieroth 2006: 367–368). Sowohl die Lage im Siedlungsgebiet der Stadtteile als auch die industrielle und gewerbliche Nutzung bis zur Wiedervereinigung bieten eine Grundlage für die Erwartung der Eigentümer, ihre Grundstücke baulich verwerten zu dürfen. Aus diesem Grund sollte die Frage »Bauland oder Landschaft?« in enger Abstimmung zwischen Kommunalpolitik, Stadtplanung und Grundstückseigentümern beraten und verhandelt wer-den. Jedenfalls wäre den Eigentümern zuzugestehen, in einen fairen Wettbewerb mit dem Renaturierungsziel zu treten, solange neben Hoffnungen auch konkrete Anhaltspunkte für eine bauliche Nutzung der Brachflächen oder eine Verwendung für produktive Unterneh-menszwecke bestehen. Diese Wiedernutzungspläne müssen auch die Altlastensanierung und den Denkmalschutz gewährleisten. Für Verdachtsflächen können, allgemein gesprochen, kaum bauliche Nutzungen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden. Dagegen würden zunächst sachliche, insbesondere ökologische und technische Gründe sprechen. Gegen einen Bebau-ungsplan ohne Altlastensanierung spricht übrigens auch ein haftungsrechtlicher Aspekt. Stellt die Landeshauptstadt Magdeburg für ein nicht saniertes Grundstück einen Bebauungsplan auf, der Wohn- oder Gewerbenutzungen vorsieht, trifft sie wegen des Bodenrisikos die staats-haftungsrechtliche Verantwortung.

Nach der empfohlenen Strategie sollte die Bewältigung des Spannungsverhältnisses zwi-schen Baulandnutzung und Renaturierung im Zielkatalog der Renaturierung direkt ange-sprochen werden. Die Renaturierung muß einerseits berechtigte und wirtschaftlich sinnvolle Bauvorhaben zulassen, darf sich andererseits aber nicht in die »Hoffnungsfalle« verstricken lassen. Insbesondere sollte die Bodenwertstabilität auf niedrigem Niveau, wie sie typisch für eine Ökonomie des Behaltens ist, nicht als Zeichen für wirtschaftlichen Aufschwung miß-verstanden werden. Renaturierung konkretisiert den städtebaurechtlichen Grundsatz einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung (§ 1 Abs. 5 BauGB) auf augenfällige und überzeu-gende Weise. Gleichwohl ist Renaturierung mit örtlich begrenzten Immobilienentwicklungen nicht unvereinbar. Im Einzelfall ist die Vereinbarkeit durch umweltfachliche und immobili-enwirtschaftliche Gutachten sicherzustellen. Dabei sollte für alle Beteiligten ein hohes Maß an Planungssicherheit und Verläßlichkeit hergestellt werden. Der Umfang der betroffenen Grundstücke, das stufenförmige Verfahren zur Entscheidung über Zwischennutzungen und Renaturierung oder Baulandnutzung sowie der Zeitplan sollten transparent und nachvollzieh-bar sein.

Das Ziel einer Entscheidung für Bauland oder für Landschaft lautet: Für alle Grund-stücke soll festgelegt werden, in welchem Umfang und zu welchen Zeitpunkten sie in die Renaturierung einbezogen oder bauliche Nutzungen erlaubt werden.

D. Konkurrenz der Ideale

Im Gerechtigkeitsmodell von John Rawls tragen, wie erwähnt, Verhandlungen im Zustand der Unkenntnis persönlicher Interessen und Vorlieben entscheidend zur Herausbildung ei-nes Maßstabs sozialer Gerechtigkeit bei ( S. 131). An dieses Modell knüpft der Gedanke einer »Konkurrenz der Ideale« an. Ursprünglich wurden die Rivalitäten und der Wettbe-werb zwischen den Ruhrgebietsstädten als Konkurrenz der Ideale bezeichnet (Davy 2004a:

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 142

160 mit Nachweisen). Der Begriff kennzeichnet jedoch sehr treffend alle polyrationalen Situationen, in denen

• die Rationalität der Hierarchie,

• die Rationalität der Gemeinschaft,

• die Rationalität des Individualismus und

• die Rationalität des Fatalismus

nach brauchbaren Spielregeln für komplexe und kontingente Probleme suchen.

Die Konkurrenz der Ideale ist selbst kein Ideal. Sie ist ein Widerstreit des Eigensinns, in der es nicht um materielle Interessen und ökonomische Vorteile geht (Davy 2004a: 166). Parteipolitische Differenzen spielen ebensowenig eine Rolle wie Unterschiede im Einkommen, in der Bildung, im Alter. Hierarchische Rationalität ist im Rathaus ebenso zu finden wie im Jugendklub, individualistische Aneignungsstrategien tauchen auf Weltmärkten ebenso auf wie im Kleingartenverein. Die Konkurrenz der Ideale ist heterotop (Foucault 1967: 68), denn sie findet an einem anderen Ort statt als an den Orten, die monorationale Sichtweisen wahr-nehmen. Dieser Ort polyrationaler Konsensbildung kann mit Hilfe des »Schleiers des Nicht-wissens« modelliert werden. Die Konkurrenz der Ideale hat keine Angst vor wilden Grenzen, also vor dem Fehlen dominanter Ordnungen, sondern nutzt wilde Grenzen, um die besten Lösungen für gemeinsame Probleme zu finden.

Das Grundprinzip einer Konkurrenz der Ideale ist einfach: Herrschaft, Gemeinschaft und Wettbewerb bilden — in Verbindung mit Gelassenheit — die Elemente erfolgreicher Problemlösungen ( S. 81). Gleichzeitig ist das Grundprinzip einer Konkurrenz der Ideale schwierig. Da die meisten Menschen ihre Wirklichkeit — bewußt oder unbewußt — monora-tional organisieren, fällt es ihnen schwer, andere Rationalitätstypen zu nutzen. Es ist schon schwierig, andere Rationalitäten zu tolerieren. In einer Konkurrenz der Ideale werden die hierarchische, egalitäre, individualistische, fatalistische Rationalität aber nicht bloß geduldet, sondern aktiv genutzt. Dies erfordert ein gewisses Maß an Verrücktheit (Davy 2004a: 166). Die Konkurrenz der Ideale ermöglicht eine produktive Auseinandersetzung zwischen Ratio-nalitäten, weil sie monorationale Perspektiven »verrückt«.

In der leeren Stadt laufen viele erprobte Problemlösungsstrategien leer. Was bei Wachstum bestens funktioniert, bleibt in der leeren Stadt erfolglos. Gleichzeitig verlieren aber auch viele Bindungen und Sachzwänge ihre Kraft. Der Zwang entfällt, erfolgreiche Problemlösungen immer wieder zu wiederholen. Das Vakuum verschafft den Beteiligten eine gewisse Leich-tigkeit, nicht nur Mühsal. Das gilt für die Möglichkeiten der Bodennutzungen ebenso wie für die Aneignungsstrategien: Was soll in der leeren Stadt geschehen, wessen Rationalität könnte welche Beiträge zur nachhaltigen Stadtentwicklung leisten? Beim Leitbildvorhaben Städteregion Ruhr 2030 erwies sich die bewußte Inszenierung einer Konkurrenz der Ideale als fruchtbarer Baustein für eine schwierige Regionalisierung (Davy 2004a). Auch das Boden-management in der leeren Stadt kann davon profitieren, auf viele Stimmen, viele Rationali-täten zu hören.

Das Ziel einer Konkurrenz der Ideale lautet: Die sozialgerechte Bodennutzung im Mag-deburger Südosten sollte unterschiedliche Rationalitäten und Sichtweisen so aufnehmen, daß sich Kontrolle, Gemeinschaft, Wettbewerb und Gelassenheit gleichermaßen beim Bo-denmanagement bewähren können.

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 143

E. Bester Eigentümer, beste Nutzung

Die Eigentumstheorie unterstreicht die wichtige Rolle privater, gemeinschaftlicher oder öffentlicher Eigentumsrechte für die Bodennutzung ( Tabelle 16, S. 122). Ohne tragfähiges verfügungsrechtliches Arrangement kann die Renaturierung kaum erfolgreich sein. Damit sind nicht in erster Linie formalrechtliche Eigentumspositionen gemeint. Wahrscheinlich wer-den dauerhaft renaturierte Grundstücke ins Eigentum der öffentlichen Hand gelangen — sei es durch Übernahme (§ 40 BauGB), Grundstückskauf, Enteignung (§§ 85 ff BauGB). Doch aufgrund welcher Regeln sollen die renaturierten Grundstücke genutzt werden?

Die Frage nach dem besten Eigentümer hängt zunächst mit der Finanzierung der boden-schutzrechtlichen Sanierung der zu renaturierenden Grundstücke zusammen. Der beste Eigentümer, so lautet eine allgemeine Umschreibung, vermag die nötigen Ressourcen für die erforderlichen Dekontaminations- und Sicherungsmaßnahmen (§ 2 Abs. 7 BBodSchG) auf-zubringen. Die Finanzierung wird entweder aus eigenen Mitteln (Investorenvariante) oder aus öffentlichen Mitteln des Bundes oder des Landes Sachsen-Anhalt (Subventionsvariante) auf-gebracht. Voraussichtlich wird bei den meisten Grundstücken eine Sanierung nicht zu einer Verkehrswertsteigerung führen, deren Abschöpfung oder Nutzung zur Finanzierung heran-gezogen werden kann. Die Finanzierung muß daher exogen aufgebracht werden, sie kann nicht oder nur teilweise mit endogenen Beiträgen, also nachhaltigen Ertragssteigerungen der Bodennutzung, rechnen. Vor diesem Hintergrund verschiebt sich die Frage nach dem besten Eigentümer: Welcher Eigentümer ist bereit und in der Lage, exogene Mittel für die Grund-stückssanierung aufzubringen und einzusetzen (Investorenvariante), oder, falls dies nicht mög-lich ist, würde am besten mit öffentlichen Mitteln bei der Sanierung verfahren (Subventions-variante)?

Die Sanierung der zu renaturierenden Grundstücke ist ein wichtiger Schritt, aber nur ein Zwischenschritt. In einem zweiten Schritt setzt die Frage nach dem besten Eigentümer die erfolgreich durchgeführte Sanierung voraus: Die Grundstücke sind bodenschutzrechtlich unbedenklich, doch wem sollten sie gehören? Sollten die sanierten Grundstücke aufgrund einer hierarchischen, egalitären, individualistischen oder fatalistischen Strategie angeeignet werden? Hier geht es somit um das bestmögliche verfügungsrechtliche Arrangement, das möglichst ohne großen zusätzlichen Verwaltungsaufwand sicherstellt, daß die sanierten Grundstücke bestimmungsgemäß gebraucht werden. Die leere Stadt benötigt neue Arran-gements für räumliche Aneignungsprozesse. Privates Einzeleigentum, der Zwischenerwerb durch eine Landesentwicklungsgesellschaft oder kommunales Eigentum werden vielfach nicht dazu geeignet sein, territoriales Verhalten unter den Bedingungen der Leere zu steuern. Wo-möglich wäre eine Art der Allmende dazu geeignet, für die laufende Erhaltung und Nut-zung der renaturierten Grundstücke zu sorgen ( S. 126). Als Mitglieder der Allmende käme die Zivilgesellschaft, genauer: Stadtbewohner aus der Nachbarschaft, in Betracht. Die renaturierten Grundstücke werden schließlich nur extensiv genutzt (z.B. Nutzung natürlicher Bodenfunktionen, Freizeit und Erholung, Tourismuswirtschaft, Gartenbau, Waldwirtschaft), eine fortwährende Aufmerksamkeit wird kaum durch konkrete Profiterwartungen motiviert. In erster Linie werden die Anwohner der ehemaligen Werksgelände und Industriebrachen durch eine Renaturierung begünstigt. Mag diese Begünstigung auch nur schwer in Geld zu bewerten sein, könnte in der Steigerung der Lebensqualität ein gewisses Motiv für die be-nachbarten Bewohner liegen, die Verantwortung als Allmendeeigentümer in der leeren Stadt zu übernehmen. Auf diese Weise könnte — ohne Einbindung in Kommunalverwaltung

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 144

und Gemeindehaushalt — auch die Vergabe von Aufträgen und die Beschäftigung für erfor-derliche Arbeitsleistungen (z.B. Bewachung, Pflegedienst) gewährleistet werden.

Welche Eigenschaften der beste Eigentümer der renaturierten Grundstücke besitzen soll, hängt auch von der Auswahl der besten Nutzung dieser Grundstücke ab. In diesem Zu-sammenhang wird die Konkurrenz der Ideale ( S. 141) konkret. Renaturierung kann unterschiedliche Formen annehmen, zu denen gepflegte Parks und Gartenlandschaften ge-hören, aber auch Kleingärten und Grabelandnutzungen, Freiland, industriearchäologische Lehrpfade, Ödland, Sportanlagen, Fahrrad- und Wanderwege, Bolzplätze oder Golfplätze, Badebuchten oder Räume für die Hochwasserretention, temporäre Wohnnutzungen nach dem Vorbild amerikanischer Wohnwagensiedlungen, landschaftsgestaltende Agrarnutzungen (non-food agriculture), vielerlei Wildnis. Je nachdem, welche Form der Renaturierung für Industriebrachen im Magdeburger Südosten angestrebt wird, sind unterschiedliche Eigen-tumsarrangements zur Zielerreichung erforderlich. Doch vielleicht erweist sich die Renatu-rierung selbst nur als eine Zwischennutzung. Die endgültige Neunutzung der ehemaligen Werksgelände könnte durchaus gewerbliche Nutzungen, Wohnnutzungen und gemischte Nut-zungen einschließen. Wird der beste Renaturierungseigentümer auch der beste Neunutzungs-eigentümer sein? Die beste Nutzung und der beste Eigentümer läßt sich nicht vom Schreib-tisch aus bestimmen. Durch die Inszenierung eines Aneignungswettbewerbs nach der Art einer Konkurrenz der Ideale könnten unterschiedliche Konzepte für Nutzungen und Eigen-tumsarrangements entworfen, durchdacht, verglichen werden. Ein solcher Wettbewerb ließe sich womöglich bereits probeweise im Zusammenhang mit kurzfristigen Zwischennutzungen organisieren.

Das Ziel bester Eigentümer, beste Nutzung lautet: Für alle Grundstücke sollen festgelegt werden

• die Merkmale der besten Nutzung der Grundstücke (best use),

• die Merkmale guter alternativer Nutzungen,

• die Eigenschaften des besten Eigentümers (best owner).

Als anzustrebendes Folgeziel sollte festgelegt werden, daß für alle Grundstücke möglichst die beste Nutzung — oder, falls dies nicht möglich ist, eine gute alternative Nutzung — und der beste Eigentümer anzustreben ist.

F. Gute Nachbarschaft

In den Magdeburger Stadtteilen Buckau, Fermersleben, Salbke und Westerhüsen hat sich in einem langfristigen Siedlungsprozeß eine Nachbarschaft zwischen Ortskernen, Wohnge-bieten, Industriegebieten, Verkehrsflächen, Kleingartenanlagen, Erholungsräumen, Uferberei-chen entwickelt ( S. 3). Die Nachbarschaft war im Laufe der Zeit durch unterschiedliche Entwicklungsschwerpunkte geprägt, eine hervorragende Rolle hat viele Jahrzehnte hindurch das enge Nebeneinander von Industrie und Arbeit gespielt. Diese Verflechtung mag Nachteile gebracht haben, sie hatte gewiß auch Vorteile. An vielen Stellen im Magdeburger Südosten sind städtebauliche Brüche und Übergänge, Barrieren und Verzahnungen die unmittelbare oder mittelbare Folge der Industrialisierung im Magdeburger Südosten, eine Entwicklung, die Magdeburg in der DDR-Zeit zur Stadt des Schwermaschinenbaus gemacht hatte. Mit dem Ende der meisten industriellen und gewerblichen Aktivitäten im Magdeburger Südosten sind wesentliche Voraussetzungen für die Nachbarschaft zwischen Industrie und Arbeit, zwischen

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 145

Werksgeländen und Wohngebieten, und für manche der Verkehrsanlagen weggefallen. Die eifrige Stadt wurde zur leeren Stadt, weil sie ihrer Wertschöpfungsgrundlagen beraubt wurde. Der Eigensinn industrieller und gewerblicher Bodennutzungen wurde sinnlos.

Städtebauliche Funktionsverluste sind häufig dysfunktionalen Grenzen geschuldet (Davy 2004a: 68–70). Bereits Jane Jacobs beschreibt die Nachteile städtischer Binnengrenzen, die urbane Qualitäten gefährden würden: Zäune, Werksmauern, Durchzugsstraßen, Bahntrassen, einförmige Nutzungen. Jacobs erblickt eine wichtige Ursache für den Niedergang der Städte im »Fluch des Grenzvakuums«. Sie kritisiert Grenzen als schlechte Nachbarn::

»The root trouble with borders, as city neighbors, is that they are apt to form dead ends for most users of city streets. They represent, for most people, most of the times, barriers. Consequently, the street that adjoins a border is a terminus of generalized use. If this street, which is the end of the line for people in the area of ›ordinary‹ city, also gets little or no use from people inside the single-use border-forming territory, it is bound to be a deadened place, with scant users« (Jacobs 1961: 259).

Werden Grenzen zu Barrieren, verringern sie die Nutzungsvielfalt und verhindern Austausch. Durch die Grenze verarmt ein Territorium, so behauptet Jacobs, es verliert Möglichkeiten. Nehmen der Durchgangsverkehr und die Nutzungsvielfalt ab, bleiben potentielle Käufer aus. Aber nicht nur kommerzielle Nutzungen sind vom Vakuum einer städtischen Grenze betroffen:

»Borders can thus tend to form vacuums of use adjoining them. Or to put it another way, by oversimplifying the use of the city at one place, on a larger scale, they tend to simplify the use which people give to the ad-joining territory too, and this simplification of use – meaning fewer users, with fewer different purposes and destinations at hand – feeds upon itself. The more infertile the simplified territory becomes for economic enterprises, the still fewer the users, and the still more infertile the territory. A kind of unbuilding, or running-down process is set in motion« (Jacobs 1961: 259).

Wird eine Stadt durch Grenzen zu stark vereinfacht, verarmt städtisches Leben. Jacobs for-dert, unnötige Grenzen abzubauen und unvermeidliche Grenzen durchlässiger zu machen, um lebhafte und durchmischte Territorien zu schaffen:

»To employ counterforce against necessary city borders means this: as many city elements as possible must be used to build lively, mixed territory, and as few as possible must be used to compose borders unnecessarily« (Jacobs 1961: 269).

Die Leere einer hügeligen Wiesenlandschaft wirkt anders als die Leere benachbarter Indu-striebrachen. Ohne aufrichtiges Bemühen um gute Nachbarschaft sind Industriebrachen feindselige, kalte Nachbarn. Sie repräsentieren Hoffnungslosigkeit und Verfall.

Die leere Stadt kann durch die Begründung guter Nachbarschaft wieder in Wert gesetzt werden. Welche Rolle die Fabriksmauern und quer durch die Stadtteile verlaufenden Bahn-anlagen, die riesigen Werksgelände und Lagerflächen auch einmal gespielt haben mögen — heute spielen sie diese Rolle nicht mehr. Der Mindestanspruch, der in der leeren Stadt an jeden Grundstückseigentümer gestellt werden kann, ist der Anspruch auf gute Nachbar-schaft. Gute Nachbarschaft bedeutet die Gelegenheit zum Austausch. Nachbarn bieten ein-ander durch offene Kommunikation — ungeachtet ihrer Fremdheit — Vertrauensbeweise. Höflichkeit und Freundlichkeit sind für menschliches Zusammenleben unentbehrlich. Auch eine juristische Person schuldet gute Nachbarschaft, einen Mindestinhalt des »Wesens« sozial-pflichtigen Privateigentums (Art. 14 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG).

Das Ziel einer guten Nachbarschaft lautet: Die Grenzen, Brüche, Übergänge zwischen Wohn-, Verkehrs-, Gewerbenutzungen und brachgefallenen altindustriellen Grundstücken werden im Sinne einer guten Nachbarschaft neu geordnet und gestaltet.

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G. Sanierung

Im geltenden Flächennutzungsplan aus dem Jahr 2000 sind mehrere Flächen im Magde-burger Südosten als Altlastenverdachtsflächen dargestellt (MDSPA 2000), zum Teil werden die betroffenen Grundstücke gegenwärtig zur Gewerbeausübung genutzt. Das Leitbild »Mag-deburg als grüne Stadt an der Elbe« unterstreicht die Wichtigkeit der Altlastensanierung:

»Die Beräumung von Altlasten ist von großer Bedeutung für die Entwicklung der Stadt und muss mit beson-derer Intensität verfolgt werden« (MDSPA 2000: 42).

Nach dem Bodenschutzrecht des Bundes und des Landes Sachsen-Anhalt treffen den Grund-stückseigentümer sowie andere zur Sanierung Verpflichtete eine Vielzahl gesetzlicher Ge- und Verbote ( S. 69). Die Sanierung einer Altlast verursacht Kosten, die von der Art und dem Ausmaß der schädlichen Bodenveränderungen abhängen. Welche Maßnahmen im Ein-zelfall notwendig sind und welche Kosten zur Durchführung aufgewendet werden müssen, läßt sich nur anhand der spezifischen Umstände jedes Einzelfalles beurteilen und abschätzen. Insoweit sind allgemeine Aussagen über den Sanierungsaufwand im Magdeburger Südosten nicht möglich. Allerdings können gewisse Rahmenbedingungen zur Lösung des Sanierungs-problems festgehalten werden.

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dürfen die Grundstückseigentümer zu boden-schutzrechtlichen Maßnahmen nur begrenzt herangezogen werden. Einen »Anhaltspunkt« für die zumutbare Belastung des Eigentümers erblickt das Bundesverfassungsgericht im »Verhältnis des finanziellen Aufwands zu dem Verkehrswert [des Grundstücks] nach Durch-führung der Sanierung« (BVerfGE 102 [2000] 1 [20] — Altlastensanierung). Für Bodenma-nagement im Magdeburger Südosten ist die freiwillige Erfüllung oder behördliche Durch-setzung der finanziellen Verpflichtung der Grundstückseigentümer dringend zu empfehlen. Allerdings wird die erforderliche Sanierung nicht nur mittels privater Mittel finanzierbar sein. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts schränkt die bodenschutzrechtliche Haftung der Grundstückseigentümer im wesentlichen auf jenen Bereich ein, indem die Sanierungs-kosten im Verhältnis zur erzielbaren Bodenwertsteigerung stehen ( S. 70). Für gewerblich nutzbares Bauland (alterschlossen) auf ehemaligen Industriegeländen im Magdeburger Süd-osten (SKET, RAW, SKL, Fahlberg-List) beträgt der Bodenrichtwert rund 10 bis 20 €/m² (Bodenrichtwertkarte für Bauland, Gutachterausschuß für Grundstückswerte für den Regio-nalbereich Harz-Börde des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt, Stichtag: 1. 1. 2006, WWW.LVERMGEO.SACHSEN-ANHALT.DE). Die Rechtsprechung zur ver-kehrswertbedingten Unverhältnismäßigkeit zieht den aus privaten Mitteln zu finanzierenden Sanierungsmaßnahmen enge Grenzen ( S. 95). Das behördlich erzwingbare Sanierungs-budget würde somit pro Hektar kontaminierten Bodens brutto rund 100.000 bis 200.000 € betragen. Gewiß dürfen Grundstückseigentümer, wenn sie dies wünschen, auch höhere Ko-sten zur Bodensanierung aufwenden. Allerdings können sie dazu nicht auf verhältnismäßige Weise durch die zuständige Behörde gezwungen werden.

Die Bundesrepublik Deutschland kann den Sanierungsstop für wertlose Altlastengrund-stücke nicht ohne weiteres hinnehmen. Neuerdings tritt die Rechtsprechung des Bundesver-fassungsgerichts zur Altlastensanierung nämlich in ein Spannungsverhältnis zum europäi-schen Umweltrecht. Der Europäische Gerichtshof stellte in seinem Texaco-Urteil klar, daß schädliche Bodenveränderungen nach dem europäischen Abfallrecht zu beurteilen sind:

»Ebenfalls als ›Abfall‹ i.S. der Richtlinie 75/442 ist das infolge eines unbeabsichtigten Ausbringens von Kraft-stoffen kontaminierte Erdreich einzustufen. Denn in einem solchen Fall können die Kraftstoffe nur dann von

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 147

dem Erdreich, das sie verunreinigt haben, getrennt und verwertet oder beseitigt werden, wenn auch das betref-fende Erdreich den erforderlichen Maßnahmen zur Dekontaminierung unterzogen wird. Nur diese Auslegung stellt sicher, dass die mit der Richtlinie 75/442 verfolgten Ziele des Umweltschutzes beachtet werden. … Da das verunreinigte Erdreich allein auf Grund seiner unabsichtlichen Kontamination durch die Kraftstoffe als Abfall angesehen wird, hängt seine Einstufung als Abfall nicht von der Durchführung anderer Maßnahmen ab, die möglicherweise seinem Eigentümer obliegen oder die dieser gegebenenfalls zu ergreifen beschließt. Dass das betreffende Erdreich nicht ausgehoben wird, ist daher für seine Einstufung als Abfall ohne Bedeutung« (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 7. 9. 2004, Van der Walle, Texaco = EuZW 2004: 625–627 [626]).

Art. 4 Satz 1 der Richtlinie des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle trifft daher auch auf Altlasten zu:

»Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß die Abfälle verwertet oder beseitigt werden, ohne daß die menschliche Gesundheit gefährdet wird«

Die Abfallrichtlinie bietet, anders als § 5 Abs. 4 BBodSchG, keine Erleichterung der Sanie-rungspflicht durch ein planungsrechtlich herabgesetztes Schutzbedürfnis. Dies war bislang kein Problem, da Altlasten nicht für Abfälle im Sinne des Europarechts gehalten wurden. Das Texaco-Urteil des EuGH hat in Deutschland nicht zuletzt deshalb für einige Ratlosigkeit gesorgt, weil die herkömmliche Trennung zwischen dem Kreislaufwirtschafts- und Abfall-recht und dem Bodenschutzrecht mit unterschiedlichen Rechtsfolgen verbunden ist. Deshalb überwiegen die Stimmen, die das Urteil des EuGH in seiner Tragweite abschwächen wollen (Petersen und Lorenz 2005; Versteyl 2004).

Das schwierigste Problem liegt indes gar nicht in der Zuordnung einer Altlast zum Abfall-recht. Vielmehr macht die Eingriffsschranke der verkehrswertbedingten Unverhältnismäßig-keit staatliche Interventionen in Regionen mit Bevölkerungsrückgang, Wirtschaftsschwäche und niedrigem Preisniveau aussichtslos. Wegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts, die einen engen Zusammenhang zwischen der Zumutbarkeit der Sanierung und der erwarteten Verkehrswertsteigerung herstellt, können Verursachungs- oder Zustandsstörer (Art. 4, 8 und 15 der Abfallrichtlinie) im Magdeburger Südosten kaum zur bodenschutzrecht-lichen Sanierung herangezogen werden ( S. 70). Im Lichte des Texaco-Urteils müßten der Bund, das Land Sachsen-Anhalt und die Landeshauptstadt Magdeburg die Sanierung vor-nehmen, um eine Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland wegen Nichtumsetzung der europäischen Abfallrichtlinie auszuschließen (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 4. 7. 2000, Kommission gegen Hellenische Republik = EuZW 2000, Heft 17: 531–538)

Daraus folgt: Ohne den umfangreichen Einsatz öffentlicher Mittel des Bundes und des Landes Sachsen-Anhalt wird eine bodenschutzrechtliche Sanierung der altindustriellen, brach-gefallenen Grundstücke im Magdeburger Südosten nicht stattfinden. Das Renaturierungs-vorhaben der IBA STADTUMBAU 2010 könnte sich als innovativer Ansatz für europarechtli-chen Umweltschutz in altindustriellen Regionen erweisen. Dies erfordert allerdings eine beträchtliche Finanzierungsanstrengung durch das Land Sachsen-Anhalt. Das Land ist ge-genüber den Gemeinden zur Kostentragung nur beschränkt auf den Fall der Ersatzvornahme der Abwehr konkreter und unmittelbarer Gefahren gesetzlich verpflichtet (§ 22 Abs. 2 BodSchAK LSA). In anderen Fällen müßte ein Landesbeitrag zu den Sanierungskosen als öffentliche Förderung im Ermessen des Landes Sachsen-Anhalt aufgebracht werden.

Das Ziel der Sanierung lautet: Die schädlichen Bodenveränderungen auf Altstandorten und durch Altlasten im Magdeburger Südosten werden auf Kosten der Grundstückseigen-tümer und der zur Sanierung Verpflichteten oder, soweit dies verfassungsrechtlich unver-hältnismäßig wäre, auf Kosten der öffentlichen Hand saniert.

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 148

H. Renaturierung

Das Szenario 2010 der IBA STADTUMBAU 2010 und der Landeshauptstadt Magdeburg setzt das Ziel einer Renaturierung: Altindustrielle Brachflächen in den Stadtteilen Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen sollen renaturiert und für die Wohnbevölkerung Zugänge zur Elbe geschaffen werden (IBA 2006: 172). Das Ziel, dem Magdeburger Südosten »mehr Landschaft« zu verschaffen, kann in vielerlei Hinsicht differenziert werden:

• Unterschiede in der Art und Weise der Renaturierung;

• Unterschiede im Ausmaß der Renaturierung;

• Unterschiede in den angestrebten Zeithorizonten, also dem Beginn und der Dauer der Renaturierung.

Aufgrund dieser Differenzierungen werden unterschiedliche Nachteile verursacht, können unterschiedliche Vorteile erzielt werden ( Tabelle 13, S. 102). Durch die Renaturierung kann kein wirtschaftlicher Ertrag erzielt werden. Daher kann die Renaturierung zunächst nur als öffentlicher Zweck angesehen werden, ein Vorhaben, das den öffentlichen Interessen dient, die von der Landeshauptstadt Magdeburg und dem Land Sachsen-Anhalt vertreten werden. Private Grundstückseigentümer sind insofern betroffen, als ihre Grundstücke zur Renaturie-rung ausgewählt werden, ihr Boden ist durch Bodenmanagement für öffentliche Zwecke verfügbar zu machen.

Diese Sichtweise greift zu kurz, insofern kontaminierte Grundstücke betroffen sind. Be-sonders wird dies in allen Fällen deutlich, in denen die Kosten einer umfassenden Sanierung nicht durch die Steigerung des Verkehrswerts eingebracht werden können. Durch das Zu-sammenwirken zwischen dem Grundstückseigentum und der Ökonomie des Behaltens mit dem Bodenschutzrecht und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz können dauerhafte Leerräume entstehen. Einerseits dürfen die Eigentümer nicht behördlich dazu gezwungen werden, un-verhältnismäßig hohe Kosten zur Sanierung einzusetzen, andererseits verlieren kontaminierte Grundstücke ihren — ohnedies geringen — ökonomischen Wert. Ob die Wandlung vom Grundstück zum Leerraum mit »negativen Bodenwerten (Unwerten)« (Kleiber u.a. 2002: 830) verbunden ist, hängt vom Einzelfall und der Intensität des behördlichen Zugriffs ab. Zunächst ist davon auszugehen, daß

»sich der Verkehrswert eine Grundstücks im kontaminierten und nichtkontaminierten Zustand grundsätzlich um die Kosten unterscheidet, die für die Beseitigung der Kontamination üblicherweise aufzubringen wären« (Kleiber u.a. 2002: 829).

Ein negativer Bodenwert entsteht durch gegenwärtige und künftige Ausgaben des Grund-stückseigentümers, denen keine Erträge aus dem Grundstückseigentum gegenüberstehen. Verluste, die bloß rechnerisch eintreten, können nicht berücksichtigt werden, wenn weder der Bodenmarkt noch der Eigentümer den rechnerischen Verlust bei der Wertschätzung berücksichtigen. Treten gegenwärtige oder künftige finanzielle Verluste allerdings tatsäch-lich ein, ist ihr Wert durch Kapitalisierung zu ermitteln. Bei der Verkehrswertermittlung können sich auf diese Weise negative Bodenwerte ergeben. Dieses Ergebnis darf im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht die Folge eines bodenschutzrecht-lichen Sanierungsauftrages sein. Andernfalls wäre der Auftrag unverhältnismäßig und ver-fassungswidrig. Allerdings wird eine schädliche Bodenveränderung ja nicht harmloser, bloß weil dem Eigentümer nicht ihre Beseitigung aufgetragen werden darf. Durch unerfüllte bodenschutzrechtliche Pflichten wird die kommerzielle Verkehrsfähigkeit eines Grundstückes

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 149

weitgehend herabgesetzt, vielfach sogar beseitigt. Die »schlummernde« Altlast kann im Lauf der Zeit zur Ursache einer unmittelbar drohenden Gefahr für Menschen werden, was be-hördliches Eingreifen auch nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wieder zulässig macht. Nehmen die zuständigen Umwelt-, Ordnungs- und Polizeibehörden ihre Zuständigkeiten wahr, erleiden Grundstückseigentümer tatsächliche Verluste, wird der ökonomische Boden-wert negativ.

€/m²

ökologische Aufwertung

kontaminierter Boden: negative Bodenwerte

Abbildung 15: Negative Bodenwerte, Sanierung, Renaturierung Quelle: eigene Darstellung

Werden Grundstücke mit negativem Bodenwert nach vorangehender Sanierung renaturiert, werden die Eigentümer von der Last ihres gegenwärtigen oder künftigen Verlustes aus dem Grundstückseigentum befreit. Eine solche Entlastung herbeizuführen ist nicht bloß eine öffentliche Aufgabe, sie wirkt vielmehr privatnützig und liegt im individuellen Interesse der Eigentümer. Die Mobilisierung kontaminierter Brachflächen für die Renaturierung dient insoweit nicht bloß öffentlichen Zwecken. Die Privatnützigkeit einer Renaturierung nach vorangehender Sanierung könnte für die betroffenen Grundstückseigentümer ein Motiv für eine Beteiligung an den Zielen der IBA STADTUMBAU 2010 und der Landeshauptstadt Magdeburg sein. Die Gefahr negativer Bodenwerte als Konsequenz nicht sanierter Altlasten bewirkt jedenfalls ein erhebliches Verhandlungsinteresse für jene Grundstückseigentümer, die eine individuelle oder egalitäre Aneignungsstrategie verfolgen. Für Eigentümer mit hierar-chischen oder fatalistischen Aneignungsstrategie ist das Verhandlungsinteresse geringer.

Die Unterstützung der Renaturierung im Magdeburger Südosten durch öffentliche För-dermittel, insbesondere für die Altlastensanierung, ist unerläßlich, will man die nachhaltige Entstehung großflächiger Leerräume verhindern. Aufgrund des Zusammenwirkens zwischen dem Grundstückseigentum und der Ökonomie des Behaltens mit dem Bodenschutzrecht, der Freistellungsklausel (Art. 1 § 4 Abs. 3 DDR-Umweltrahmengesetz) und dem Verhältnis-

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 150

mäßigkeitsgrundsatz ist eine Selbstregulierung, also eine Wiedernutzung der kontaminierten Grundstücke aufgrund individuellen Verhaltens auf dem Bodenmarkt, unwahrscheinlich. Ge-genwärtige Eigentümer und Nutzer werden ihr Investitionsverhalten an die Ökonomie des Behaltens anpassen und — wegen der geringen Höhe erwartbarer Erträge — keine oder we-nig eigene Mittel in die Sanierung investieren. Potentielle Grundstückskäufer werden vom Erwerb kontaminierter Grundstücke zurückschrecken. Die Folge ist ein weitgehender Still-stand in der Nutzung und Umnutzung betroffener Grundstücke im Magdeburger Südosten. Während in Hochpreisregionen die Sanierung der Altlasten stets durch den Wertvorteil motiviert wird, den Eigentümer oder Investoren erzielen können, besteht in der leeren Stadt keine ausreichend große Wertdifferenz zwischen kontaminierten und nichtkontaminierten Grundstücken. Dies gilt allerdings für alle Gebiete und Quartiere der leeren Stadt. Und damit stellt sich die Frage, für welche Zwecke knappe öffentliche Fördermittel verwendet werden sollen.

Die Sanierungskosten stehen in einem bedeutsamen Spannungsverhältnis zum Renatu-rierungsziel. Unbestritten kann in der Wiederherstellung der ökologischen Funktionsfähigkeit und Integrität des Bodens eine öffentliche Aufgabe erblickt werden. Die Schaffung von »mehr Landschaft« kann daher, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen, die natürlichen Lebensgrundlagen schützen (Art. 20a GG, Art. 35 Verf. LSA). In Sachsen-Anhalt ist landesverfassungsgesetzlich zudem das Ziel ökologischer Restitution festgelegt:

»Eingetretene Schäden an der natürlichen Umwelt sollen, soweit dies möglich ist, behoben oder andernfalls ausgeglichen werden« (Art. 35 Abs. 3 Verf. LSA).

Auch wenn der ökonomische Wert des Bodens gering sein mag, dient eine Sanierung dem Schutz und der Steigerung des ökologischen Existenzwerts des Bodens. In der leeren Stadt wird nur deutlich, was andernorts durch hohe, vielleicht auch überhöhte Bodenpreise ver-schleiert wird: Ökologische Integrität ist eine Voraussetzung, kein Beiwerk menschlichen Wohlstands. Allerdings ist die leere Stadt eine Stadt, kein flaches Land. Und wie in jeder Stadt müssen knappe öffentliche Mittel klug zur Aufgabenerfüllung verwendet werden. Volkswirtschaftlich und finanzpolitisch ist es nur schwer begründbar, Altlasten mit dem Ziel zu sanieren, auf den dekontaminierten und gesicherten Grundstücken »mehr Landschaft« stattfinden zu lassen. Dem Nachhaltigkeitsgrundsatz würde es eher entsprechen, auch öko-nomische und soziale Bedürfnisse künftiger Generationen zu wahren, nicht nur ökologische.

Das Ziel der Renaturierung lautet: Die Renaturierung sanierter Grundstücke im Magde-burger Südosten (»mehr Landschaft«) verhindert die Entstehung von Leerräumen mit nega-tiven Bodenwerten. Die Renaturierung schließt die Grundstücke dauerhaft von Baulandnut-zungen aus oder bereitet — als Zwischennutzung — die Wiedernutzung vor.

I. Ökologische Aufwertung

Die Verbindung der beiden Ziele Sanierung und Renaturierung ergibt das Ziel der öko-logischen Aufwertung der Brachflächen im Magdeburger Südosten. Dieses Ziel ist nicht bloß als Konsequenz einer Kombination zwischen Sanierung und Renaturierung zu werten, es soll eigenständig formuliert und verfolgt werden.

Die Ökonomie des Behaltens in der leeren Stadt wird durch niedrige Immobilienwerte und starkes Grundstückseigentum verursacht ( S. 49). Der territoriale Bodenwert (gestützt auf Eigentum und andere Verfügungsrechte) wird wichtiger als der ökonomische Bodenwert

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(gestützt auf nachhaltig erzielbare Erträge). Bei Industrie- und Verkehrsbrachen kann die Ökonomie des Behaltens zur Entstehung von Leerräumen führen, wenn der Vorteil der öko-logischen Sanierung nicht mehr durch den ökonomischen Bodenwert abgebildet wird. Eine solche Lage ist durch wechselseitige Blockade des territorialen, ökonomischen und ökologi-schen Bodenwerts ( S. 33) gekennzeichnet. Die gezielte ökologische Aufwertung betroffener Grundstücke kann die wechselseitige Blockade der Bodenwerte aufbrechen. Dadurch werden Grundstücke unter Umständen aus der Ökonomie des Behaltens in eine Transaktionswirt-schaft zurückgeführt.

Die ökologische Aufwertung brachgefallener Industriegrundstücke kann die Ökonomie des Kaufens und Verkaufens wiederbeleben.

Dazu ein Beispiel. § 1a Abs. 3 BauGB regelt im Zusammenhang mit der Bauleitplanung die — ursprünglich naturschutzrechtliche — Pflicht zur »Vermeidung und zum Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts«. Da diese Pflicht »auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs erfolgen« darf, wurden in der Praxis der Bauleitplanung vielfältige Modelle für Ökokonten und Kompensationsflächenpools entwickelt (Spang und Reiter 2005). Die Stadt Magdeburg könnte die Vermarktung der ökologischen Aufwertung in ihr Bodenma-nagementkonzept aufnehmen. Diese Vermarktung könnte sich auf das Magdeburger Stadt-gebiet beschränken und der Umsetzung des bipolaren Leitbildes »Mehr Stadt, mehr Land-schaft« dienen. Allerdings könnte, im Lichte der angesprochenen Modelle betrachtet, auch weiträumiger mit ökologischer Aufwertung gehandelt werden. Eine solche Vermarktung hätte drei absehbare Folgen: Erstens würden die Brachflächen im Magdeburger Südosten wieder zum Gegenstand des Grundstücksverkehrs. Genauer gesprochen, durch den Handel mit ökologischer Aufwertung würden an anderen Orten bauliche Entwicklungen zulässig, deren ökologischer Ausgleich gegen Bezahlung in Magdeburg erfolgt. Dies würde die Brach-flächen einem sekundären Bodenmarkt zuführen. Zweitens könnte durch die Vermarktung der ökologischen Aufwertung ein Teil der Sanierungs- und Renaturierungskosten zurückge-wonnen werden. Und drittens hätte die Vermarktung einen weitgehenden, auch rechtsver-bindlichen Ausschluß der beteiligten Grundstücke von baulicher Nutzbarkeit zur Folge. Ökokonten und Kompensationsflächenpools beruhen auf der dauerhaften ökologischen Aufwertung »an anderer Stelle«. Dies erfordert verbindliche Vereinbarungen, die zumeist in Form städtebaulicher Verträge geschlossen werden. Geht die Landeshauptstadt Magdeburg derartige rechtsverbindliche Vereinbarungen ein, kann die veräußerte ökologische Qualität nicht noch ein zweites Mal — nämlich durch spätere Bauvorhaben auf den aufgewerteten Grundstücken — genutzt werden.

Die Vermarktung der Eingriffsregelung ist indes nicht das einzige Beispiel für die öko-nomische Bedeutung der ökologischen Aufwertung. Bildet die Renaturierung bloß eine im Bebauungsplan festgesetzte Zwischennutzung, könnte nach Verstreichen einer bestimmten Zeitdauer oder bis zum Eintritt bestimmter Umstände eine bauliche Nutzung als Folgenut-zung festgesetzt werden (§ 9 Abs. 2 BauGB). Allein die Lage der Industriebrachen empfehlen diese Grundstücke für bauliche Nutzungen — gewiß nicht für Industrieansiedlungen, aber womöglich für hochwertiges Wohnen (z.B. freistehende Einfamilienhäuser inmitten städti-scher Naturlandschaft). Durch die ökologische Aufwertungen werden die schädlichen Boden-veränderungen und andere Umweltschäden sowie das gegenwärtige Fehlen einer Transakti-onswirtschaft überbrückt.

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Die Bodenmärkte in den Stadtteilen Buckau, Fermersleben, Salbke und Westerhüsen lassen kaum erwarten, daß ehemalige Industriebrachen in absehbarer Zeit durch eine bauliche Nutzung immobilienwirtschaftlich verwertet werden können. Die Immobilienpreise und Wohnungsmieten lassen einen »Bauboom« im Magdeburger Südosten nicht erwarten. Abbil-dung 16 zeigt daher eher einen Horizont für sehr geduldiges Warten als eine realistische Entwicklungsperspektive. Allerdings sollte die Folgenutzung als Bauland bei der Mobi-lisierung der Industriebrachen nicht völlig ausgeschlossen werden.

€/m²

ökologische Aufwertung Bauerwartungsland

kontaminierter Boden: negative Bodenwerte

Abbildung 16: Negative Bodenwerte, Sanierung, Renaturierung und Folgenutzung als Bauland Quelle: eigene Darstellung

Das Ziel der ökologischen Aufwertung lautet: Durch eine Steigerung des ökologischen Bo-denwerts brachgefallener Grundstücke im Magdeburger Südosten wird die lokale Transak-tionswirtschaft angeregt.

J. Landmarken der Industriegeschichte

Auf den Industriebrachen im Magdeburger Südosten befinden sich Baudenkmale der Industriekultur ( S. 8). Manche dieser Baudenkmale, wie etwa der RAW Wasserturm, besitzen große Bedeutung für die lokale Identitätsbildung. Allerdings können die Eigentümer der Baudenkmale nur bis zur Grenze der wirtschaftlichen Zumutbarkeit dazu gezwungen wer-den, die nötigen Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung des industriekulturellen Erbes zu ergreifen (§ 10 Abs. 4 und 5 DenkmSchG; S. 68). Vermutlich hat dies die Konsequenz, daß ein Teil der Baudenkmale nicht vor der Zerstörung — durch Abriß oder Abbruch, durch Zeit oder Zufall — geschützt werden kann.

Im Rahmen eines systematischen Denkmalpflegekonzepts zur staatlichen Förderung des Schutzes und der Pflege besonders wichtiger Landmarken der Industriegeschichte wären die-jenigen Baudenkmale auszuzeichnen, die jedenfalls zu erhalten und zu sanieren wären.

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Wenngleich hohe Erhaltungs- und Instandsetzungskosten den Verkehrswerts eines Grund-stücks mindern, ist das öffentliche Interesse an einer systematischen, erfolgsorientierten Denkmalpflege im Magdeburger Südosten groß. Neben der Zerstörung durch Abriß ist übrigens auch der begleitete Verfall industriekultureller Baudenkmale in Betracht zu ziehen. Werden Landmarken der Industriegeschichte in das Bodenmanagement einbezogen, kann die Renaturierung die außergewöhnlichen Vorteile einer ästhetischen Verbindung zwischen Kor-rosion und Vegetation nutzen.

Manche der Baudenkmale im Magdeburger Südosten befinden sich auf Bahngrund (z.B. Wasserturm des RAW Salbke). Insoweit die Grundstücke für den Bahnbetrieb entbehrlich geworden sind, könnte ihre Mobilisierung durch Entwidmung (Schmitz-Valckenberg 2002) oder Freistellung von Bahnbetriebszwecken erreicht werden. Außerhalb eines Planfestel-lungsverfahrens hat die Gemeinde, auf deren Gebiet die nicht mehr für Bahnzwecke benö-tigte Anlage liegt, aufgrund ihrer Planungshoheit einen Anspruch darauf, daß die Bahn ihre beabsichtigten Dispositionen in einer eindeutigen Willensäußerung frühzeitig und umfas-send offenlegt (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. 12. 1988 = NVwZ 1989, Heft 7: 655–659). Allerdings können Bahnbetriebsanlagen nicht entwidmet werden, solange sie ihre Funktion für den Bahnbetrieb haben (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. 11. 1996 = NVwZ 1997, Heft 9: 920–921). In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß § 23 Abs. 1 AEG auch auf Antrag der Standortgemeinde nunmehr die Freistellung von Bahnbetriebs-zwecken ermöglicht:

»Die zuständige Planfeststellungsbehörde stellt für Grundstücke, die Betriebanlage einer Eisenbahn sind oder auf dem sich Betriebsanlagen einer Eisenbahn befinden, auf Antrag des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, des Eigentümers des Grundstücks oder der Gemeinde, auf deren Gebiet sich das Grundstück befindet, die Freistellung von den Bahnbetriebszwecken fest, wenn kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist.«

Durch die Verbindung zwischen beantragter Freistellung (§ 23 Abs. 1 AEG) und Zwischen-nutzung (§ 9 Abs. 2 BauGB) kann die Landeshauptstadt Magdeburg auch Grundstücke mit Baudenkmalen mobilisieren, die im Eigentum der Bahn stehen (Stüer 2006).

Das Ziel der Landmarken der Industriegeschichte lautet: Das Bodenmanagement trägt zur Erhaltung und Pflege der industriearchäologischen Qualität des Magdeburger Südostens bei.

IV. Maßnahmenpakete des Bodenmanagements

A. Grundlagen der Umsetzung

1. Renaturierungspool

Ein Brachflächenkataster und Eigentümerverzeichnis ( Abbildung 3, S. 9) schaffen die Voraussetzung zur Bildung eines Renaturierungspools. In den Renaturierungspool sind alle Grundstücke aufzunehmen, die für das Magdeburg-Szenario der IBA STADTUMBAU 2010 ( S. 2) grundsätzlich geeignet sind. Die Eignung ergibt sich unter anderem aus der Lage, dem Zustand, der Größe und der gegenwärtigen Nutzung der Industriebrachen. Zweckmä-ßigerweise sollten mehr Grundstücke im Renaturierungspool enthalten sein als für die Um-setzung der Renaturierung insgesamt benötigt werden. Ansonsten erlangen die Eigentümer, deren Grundstücke in den Renaturierungspool aufgenommen werden, eine Monopolstellung.

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2. Kostenanalyse

Für alle Grundstücke im Renaturierungspool sollte eine Kostenanalyse aufgestellt werden:

• Die Analyse der betrieblichen Kosten (Ist- und Soll-Zustand) zeigt den Umfang der Be-mühungen gegenwärtiger Grundstückseigentümer auf, durch eigene Anstrengungen die Beeinträchtigung des Umfelds ihrer Grundstücke möglichst gering zu halten.

• Die Analyse sozialer Kosten der Umfeldbeeinträchtigung durch Grundstücksverwahrlo-sung schafft Voraussetzungen für Kostenwahrheit.

• Die Analyse der Opportunitätskosten zeigt mögliche Alternativverwendungen der Indu-striebrachen auf. Falls Opportunitätskosten durch Planungsrecht erhöht werden können, hätte es die Landeshauptstadt Magdeburg in der Hand, finanzielle Anreize für Grund-stückseigentümer zu schaffen.

• Die Analyse der Transaktionskosten zeigt Umstände auf, die Verhandlungen und Verein-barungen über effiziente Bodennutzungen verhindern oder erschweren. Transaktionsko-sten können durch Information und Kommunikation gesenkt werden. Auf diese Weise können Verhandlungen zwischen Eigentümern und Nachbarn, zwischen Bürgerinnen und Verwaltung erleichtert und beschleunigt werden.

Die Kostenanalyse stellt die Voraussetzung für kostenorientiertes Bodenmanagement her ( S. 162). In der Ökonomie des Behaltens bestimmen die Kosten des Behaltens — nicht die Preise — die Bodennutzung durch die Grundstückseigentümer.

B. Formen der Umsetzung

Im Neuen (sogenannten) Magdeburger Versuch über die leere Stadt bildet das formelle Stadtumbaurecht in erster Linie die Form der Umsetzung, wenn sich dies nach Konsensbil-dung über die Inhalte des Bodenmanagementkonzepts empfiehlt. Mit anderen Worten: Im Vordergrund responsiver Bodenpolitik stehen erfolgsorientierte Projekte, nicht die Fixierung auf Institutionen und Formalvorschriften.

1. Städtebauliches Entwicklungskonzept

Das städtebauliche Entwicklungskonzept der Landeshauptstadt Magdeburg stellt die Ziele und Maßnahmen im Stadtumbaugebiet schriftlich dar (§ 171b BauGB). Seit der Änderung des BauGB im Jahr 2004 bietet das Recht des Stadtumbaus eine formale Grundlage für kommunale Steuerungs- und Entwicklungsbemühungen.

Gemäß § 171b Abs. 1 BauGB legt die Gemeinde durch Beschluß das Gebiet fest, in dem Stadtumbaumaßnahmen durchgeführt werden sollen. Das Stadtumbaugebiet ist in seinem räumlichen Umfang so festzulegen, daß sich die Maßnahmen zweckmäßig durchführen las-sen. Bei der Gebietsfestlegung wären jene Grundstücke des Renaturierungspools einzubezie-hen, die durch Konsensbildung ( S. 155) ausgewählt wurden. Die Grundlage für den Stadtumbaubeschluß gemäß § 171b Abs. 1 BauGB ist ein von der Gemeinde aufzustellen-des städtebauliches Entwicklungskonzept, in dem die Ziele und Maßnahmen im Stadtum-baugebiet schriftlich darzustellen sind (§ 171b Abs. 2 BauGB). Die öffentlichen und privaten Belange sind gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Stadtumbaumaßnahmen dienen »dem Wohl der Allgemeinheit« und sollen gemäß § 171a Abs. 3 BauGB insbesondere dazu beitragen, daß

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 155

• die Siedlungsstruktur den Erfordernissen der Entwicklung von Bevölkerung und Wirt-schaft angepaßt wird (Nr. 1),

• die Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie die Umwelt verbessert werden (Nr. 2),

• innerstädtische Bereiche gestärkt werden (Nr. 3),

• nicht mehr bedarfsgerechte bauliche Anlagen einer neuen Nutzung zugeführt werden (Nr. 4),

• einer anderen Nutzung nicht zuführbare bauliche Anlagen zurückgebaut werden (Nr. 5),

• freigelegte Flächen einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung oder einer hiermit verträglichen Zwischennutzung zugeführt werden (Nr. 6),

• innerstädtische Altbaubestände erhalten werden (Nr. 7).

Für das Renaturierungsziel der IBA STADTUMBAU 2010 sind vor allem die Stadtumbau-zwecke der Anpassung der Siedlungsstruktur, des Rückbaus nicht mehr nutzbarerer baulicher Anlagen und der Zwischennutzung freigelegter Flächen bedeutsam (§ 171a Abs. 3 Nr. 1, 5 und 6 BauGB).

2. Planerladen

Für die Akteure im Magdeburger Südosten — für Grundstückseigentümer wie für Bürger — sind das Magdeburger Rathaus und Stadtplanungsamt und auch die IBA STADTUMBAU

2010 weit entfernt. Die leere Stadt zeigt sich auch an der Distanz zwischen Verwaltung und denjenigen Beteiligten, deren Verhalten für die Planumsetzung unentbehrlich ist. Nicht allein durch Herausgabe einer Schriftenreihe, sondern durch Gewährleistung der konkreten An-sprechbarkeit können die Transaktionskosten im Magdeburger Südosten deutlich gesenkt werden. Ein Planerladen, den das Stadtplanungsamt in Salbke oder Fermersleben betreibt, ist nicht innovativ, er wäre eigentlich selbstverständlich. Der Planerladen informiert über die Renaturierung und berät Bürger, Eigentümer, Gewerbetreibende. Der Planerladen ist Ideenwerkstatt, Beschwerdebriefkasten, Aushängeschild und lädt zum Mitmachen ein.

3. Konsensbildung

Die wichtigste Form des Bodenmanagements in der leeren Stadt ist die Konsensbildung. Durch Verhandlungen und Vereinbarungen — durch tatsächliche Übereinstimmung — sollten die beteiligten Entscheidungsträger eine Grundlage gemeinsamen Handelns schaffen. Weder die Zuständigkeit dieses oder jenen Amts, noch das formale Recht diesen oder jenen Unter-nehmens, auch nicht die Wahrnehmung oder Vorlieben einzelner Personen sollten das Bo-denmanagement im Magdeburger Südosten bestimmen. Ausgangspunkt sollte die gemeinsame Überzeugung sein, daß der gegenwärtige Zustand unhaltbar ist. Die Konsensbildung sollte die Ziele der Renaturierung ebenso betreffen wie die Mittel, die zu diesem Ziel führen. Ein Netzwerk für Konsensbildung stellt gemeinsam Tatsachen fest, erfindet Optionen für wech-selseitige Vorteile, wirbt für Unterstützung.

Konsensbildung ist eine Form gemeinschaftlicher Entscheidungsbildung, die neben for-male Entscheidungsformen tritt. Die formalen Entscheidungsformen werden genutzt, um Ergebnisse der Konsensbildung aufzunehmen. Für den Magdeburger Südosten kommen als formale Entscheidungsformen vor allem das städtebauliche Entwicklungskonzept (§ 171b

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 156

Abs. 2 BauGB), der kommunale Festlegungsbeschluß (§ 171b Abs. 1 BauGB) und der Stadtumbauvertrag (§ 171c BauGB) in Betracht. In Tabelle 17 ( S. 156) werden Schritte zur Konsensbildung skizziert, die vom renommierten Consensus Building Institute empfohlen werden (Susskind u.a. 1999).

PHASE SCHRITTE ZUR KONSENSBILDUNG ERLÄUTERUNG

Zusammenkunft Diskussion über Notwendigkeit informelle Beratungen, ob ein Problem durch Konsensbildung gelöst werden soll

schriftlicher Konfliktbericht Dokumentation wichtiger Tatsachen und Interessen nach Gesprächen mit Beteiligten

Klassifizierung wesentlicher Streitpunkte

Entscheidung über die Teilnehmenden Auswahl wichtiger und glaubwürdiger Betei-ligter (Repräsentanten) mit Verhandlungs-mandat und Legitimation für Vereinbarungen

Finanzierung der Konsensbildung Klarstellung, wer die Kosten für den Prozeß der Konsensbildung trägt

Klärung der Grundlagen

Arbeitsbündnis für Personen, die eine Konsensbildung unterstützen

Vereinbarung über den Vorsitz der Verhand-lungsrunden

Vereinbarung über Protokoll und externe Mediation

Vereinbarungen über die Teilnahme von Beobachtern

Vereinbarung über Vertraulichkeit der Ver-handlungen

Tagesordnung und Grundregeln Vereinbarung über die Verhandlungsgegen-stände, die Reihenfolge, den Zeitplan

Grundregeln über Rechte und Pflichten der Teilnehmenden

Verhandlungen konstruktives Verhandlungsklima ergebnisorientierte Verhandlungen

Begründungspflicht für Forderungen und Gegenforderungen

aktives Zuhören

Trennung zwischen Vorschlägen und Vereinbarungen

Schritte auf dem Weg zu kreativen Problem-lösungen sind kein Einverständnis, bestimmte Verbindlichkeiten zu übernehmen

Untergruppen und Experten Vereinbarung über Kleingruppen, Externe

Single Text-Technik nur das gemeinsame Poster-Protokoll über den entstehenden Vereinbarungstext gilt

Entscheidung Ziel: Maximierung wechselseitiger Vorteile

durch die im Konsens getroffene Vereinba-rung sollen kollektive Nutzen möglichst ge-steigert und individuelle Lasten ausgeglichen werden

Vereinbarung die im Konsens getroffene Vereinbarung ist schriftlich festzuhalten

Umsetzung juristische Umsetzung erforderliche rechtliche Umsetzungsschritte

Evaluation gemeinsame Überprüfung der Umsetzung

Tabelle 17: Schritte zur Konsensbildung

Quelle: Susskind u.a. 1999: 20–35 (eigene Übersetzung, stark gekürzt)

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STRATEGIEEMPFEHLUNGEN 157

Industriebrachen könnten auch ohne Konsensbildung mobilisiert werden, etwa im Wege der bauleitplanerischen Festsetzung fremdnütziger Nutzungszwecke, des Planungsschadens-rechts und der begleitenden Umsetzung durch städtebauliche Enteignungen ( S. 98, 103 und 105). Das Ergebnis einer solchen »Mobilisierung« wäre allerdings nur ein Eigentümer-wechsel, wobei die Landeshauptstadt Magdeburg als der neue Eigentümer die ungelösten Probleme der Altlastensanierung und des Denkmalschutzes ebensowenig lösen könnte wie die gegenwärtigen Eigentümer.

Durch Konsensbildung zwischen möglichst allen Beteiligten könnten nicht nur Grund-stücke, es könnten auch endogene soziale und ökonomische Potentiale mobilisiert werden. Die differenzierten Aneignungsstrategien in den Stadtteilen Buckau, Fermersleben, Salbke und Westerhüsen ( S. 89) sind Anzeichen für eine lebhafte Vielfalt unterschiedlicher Inter-essen. Werden Beteiligte, die solche Interessen verfolgen, bloß deshalb aus der Entscheidungs-bildung ausgegrenzt, weil sie keine formale Eigentümerposition innehaben, bleiben wichtige Umsetzungsressourcen ungenutzt. Konsensbildung kann diese Ressourcen mobilisieren.

Die Ergebnisse der Konsensbildung können in umfassenden Planungsentscheidungen, sie können auch nur in gemeinsamen Tatsachenfeststellungen bestehen. Welche Einigungsspiel-räume genutzt werden können, ist aus theoretischer Sicht nicht zu beantworten. Wird der Prozeß der Konsensbildung so organisiert, daß die gemeinsame Suche nach wechselseitigen Vorteilen im Vordergrund steht, kann die Konsensbildung zu unerwarteten und überraschen-den Resultaten führen (Susskind u.a. 1999). Keinesfalls ist die Empfehlung der Konsens-bildung als Element des Bodenmanagementkonzepts als Verzicht auf den Einsatz hoheitlicher Instrumente zu verstehen. Im Gegenteil, die Möglichkeit hoheitlichen Eingreifens kann — zunächst informativ — dazu genutzt werden, die Teilnehmenden zu ernsthafter Verhand-lungsbereitschaft zu motivieren. Konsensbildung ersetzt hoheitlichen Zwang nicht, vielmehr treten jene Probleme deutlicher hervor, die nur mittels Zwang bewältigt werden können. Das ermöglicht Politik und Verwaltung auch einen klareren Überblick über Art und Ausmaß er-forderlicher Interventionen.

4. Contingency Agreement

In der Konsensbildung über die Renaturierung der Industriebrachen im Magdeburger Südosten wird vorhersehbar ein zentraler Streitpunkt sein, ob überhaupt brachliegende Grundstücke renaturiert werden sollen. Gewiß lassen sich zahlreiche Einwände gegen eine Renaturierung ins Treffen führen, nicht zuletzt die berechtigte Sorge der Grundstückseigen-tümer um ihre Altlastenfreistellung ( S. 72). Solange das Freistellungsrecht nicht geändert und die Landesanstalt für Altlastenfreistellung nicht mit der Finanzierung der Sanierung für Industriebrachen beauftragt wird, die nicht zu gewerblichen Zwecken nachgenutzt werden, bildet Renaturierung für die gegenwärtigen Eigentümer ein wirtschaftliches Risiko. Aber auch die Erwartung, in naher Zukunft werde die Nachfrage nach Bauland im Magdeburger Süd-osten ansteigen, könnte Einwände gegen eine dauerhafte und umfassende Renaturierung stützen. Solche unterschiedlichen Erwartungen können die Konsensbildung daher erheblich erschweren.

Besitzen Beteiligte unterschiedliche Erwartungen über künftige Entwicklungen, ist für die Konsensbildung ein Contingency Agreement zu empfehlen (Susskind u.a. 1999: 31 und 359–360). Das Contingency Agreement ist eine Ermöglichungsvereinbarung, die nützliche Verän-derungen der gegenwärtigen Bodennutzung selbst dann erlaubt, wenn manche Entscheidungs-

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träger an »Wachstum« orientiert sind, andere Entscheidungsträger an »Schrumpfung«. Bo-denmanagement im Magdeburger Südosten soll nicht auf eine Einigung der Entscheidungs-träger auf »Wachstum« oder »Schrumpfung« warten müssen.

Das Contingency Agreement hält zunächst einen Konsens über den Dissens fest, also zum Beispiel den Dissens über unterschiedliche Nutzungswünsche und Zukunftserwartungen. Auf dieser Grundlage können ganz unterschiedliche Planungen entwickelt und vereinbart werden, also etwa ein Plan A für die Renaturierung und ein Plan B für Baulandnutzung. Für beide Pläne bilden die bodenschutzrechtliche Sanierung und der Denkmalschutz wichtige Umsetzungsschritte. Ohne Beseitigung oder Sicherung der Altlasten und ohne Entscheidung über den Umfang der Erhaltungspflichten können weder eine Renaturierung noch eine Bau-landentwicklung stattfinden. Daher werden im Contingency Agreement alle Vereinbarungen getroffen, die Umfang und Grenzen der Sanierungs- und Erhaltungspflichten betreffen. Diese Vereinbarungen können bereits zu einem Zeitpunkt umgesetzt werden, zu dem den Beteilig-ten unbekannt ist, ob die Zukunft tatsächlich nun »Wachstum« oder »Schrumpfung« bringt. Allerdings geht bis dahin auch keine Zeit verloren, um den notwendigen Bodenschutz und Denkmalschutz zu leisten. Schließlich legt das Contingency Agreement die Aufteilung der endgültigen Finanzierungslast in Abhängigkeit vom tatsächlichen Verlauf der Entwicklung fest. So könnte etwa die Übernahme der Sanierungskosten durch die öffentliche Hand ver-einbart werden, wenn es bei der Renaturierung bleibt, während diese Kosten vom Eigentümer übernommen werden, wenn am Ende des Kontingenzzeitraums eine Baulandentwicklung steht.

5. Stadtumbauvertrag

In einem Stadtumbauvertrag (§ 171c BauGB) trifft die Landeshauptstadt Magdeburg rechtsverbindliche Vereinbarungen mit Eigentümern und Bürgern. Dadurch werden die Ergebnisse der Konsensbildung formalisiert. Das Instrument des Stadtumbauvertrags wurde 2004 in das besondere Städtebaurecht eingeführt:

»§ 171c. Die Gemeinde soll soweit erforderlich zur Umsetzung ihres städtebaulichen Entwicklungskonzeptes die Möglichkeit nutzen, Stadtumbaumaßnahmen auf der Grundlage von städtebaulichen Verträgen im Sinne des § 11 insbesondere mit den beteiligten Eigentümern durchzuführen. Gegenstände der Verträge können ins-besondere auch sein

1. die Durchführung des Rückbaus baulicher Anlagen innerhalb einer bestimmten Frist und die Kostentra-gung für den Rückbau;

2. der Verzicht auf die Ausübung von Ansprüchen nach den §§ 39 bis 44;

3. der Ausgleich von Lasten zwischen den beteiligten Eigentümern.«

Je nach Vereinbarungsinhalt können Stadtumbauverträge als öffentlich-rechtliche Verträge (z.B. Rückbauverpflichtungen) oder privatrechtliche Verträge (z.B. Grundstückstausch) ge-schlossen werden (Battis u.a. 2005: 1506). Beim Stadtumbauvertrag steht eine »weitgehende Kooperation mit den Grundeigentümern und den Betroffenen« im Vordergrund, weshalb seine Wirksamkeit bezweifelt und Hoffnung lediglich auf den neuen Enteignungstatbestand (§ 85 Abs. 1 Nr. 7 BauGB) gesetzt wird (Schmidt-Eichstaedt 2005: 481). Die Zweifel sind durchaus berechtigt, wenn es einer Kommune nicht gelingt, alte und neue Instrumente der Planumsetzung wirkungsvoll zu kombinieren. Erst durch die Verbindung zwischen hoheitli-chen und kooperativen Maßnahmen kann Stadtumbau erfolgreich verlaufen (Schmidt-Eich-staedt 2005: 481). In diesem Sinne besitzen Stadtumbauverträge den großen Vorteil, ganz

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unterschiedliche Inhalte aufzunehmen, erlauben also eine viel größere Flexibilität als die Enteignung oder das Sanierungsrecht. Je nach dem Ergebnis der Konsensbildung ( S. 155) bietet der Stadtumbauvertrag eine geeignete Rechtsform, die Vereinbarungen zwischen den Beteiligten festzuhalten.

C. Inhalt der Umsetzung

1. Mobilisierungspaket

Die Maßnahmeninhalte im Neuen (sogenannten) Magdeburger Versuch über die leere Stadt, die im Mobilisierungspaket zusammengestellt sind, sind aus den Analyseergebnissen abgeleitet. Bevor das Mobilisierungspaket dargestellt wird, sind die wichtigsten dieser Ergeb-nisse nochmals zusammenzufassen:

• Die leere Stadt ist eine mentale Konstruktion städtischen Raumes, die durch eine »Scheu vor dem Leeren« geprägt wird. Diese »Scheu« beeinflußt auch die Wirkungsbeziehungen zwischen Boden, Planung, Eigentum, Wert.

• Unter Wachstumsbedingungen bieten die Wirkungsbeziehungen zwischen Boden, Pla-nung, Eigentum, Wert sowohl für die Eigentümer als auch für die Raumplanung zahl-reiche Gelegenheiten, durch Wertsteigerungen zu Bodennutzungen zu gelangen, die so-wohl im privaten als auch im öffentlichen Interesse liegen. Die »Mechanik« dieser Wir-kungsbeziehungen wird durch die Bonczek’sche Treppe veranschaulicht ( Abbildung 6, S. 36).

• Auch in der leeren Stadt bestehen Wirkungsbeziehungen zwischen Boden, Planung, Eigentum, Wert. Die Bodenwerte sind auf niedrigem Niveau stabil. Daher ist es schwie-rig oder unmöglich, Bodennutzungen durch planungs- oder maßnahmenbedingte Wert-steigerungen oder Vermeidung erheblicher Wertverluste zu steuern. Das in der Literatur oft vertretene Bild einer Umkehrung der Bonczek’schen Treppe ( Abbildung 7, S. 38) ist empirisch nicht — jedenfalls nicht überzeugend — nachweisbar.

• Die Wirkungsbeziehungen zwischen Boden, Planung, Eigentum, Wert können in der lee-ren Stadt als Ökonomie des Behaltens (Possessivwirtschaft) gekennzeichnet werden. Die Ökonomie des Behaltens wird durch den territorialen Bodenwert (»Eigentum«) stärker bestimmt als durch den ökonomischen Bodenwert. Das Possessivverhalten der Grund-stückseigentümer wird durch die Kosten des Behaltens, nicht durch Preise gesteuert. Die Analyse der Wirkungsbeziehungen zeigt zwei Faktoren, die für eine planerische Steuerung der Bodennutzung in der leeren Stadt eine besondere Rolle spielen:

— Zum einen ist dies das Eigentum, dessen Funktion in einer Ökonomie des Behaltens bislang wenig untersucht und womöglich auch unterschätzt wurde ( S. 74).

— Zum anderen sind dies die Kosten des Behaltens, das sind die Kosten des Possessiv-verhaltens der Grundstückseigentümer in der leeren Stadt ( S. 106).

Die Maßnahmeninhalte im Neuen (sogenannten) Magdeburger Versuch betreffen materielle Voraussetzungen für die Bodenmobilisierung zugunsten des Renaturierungsziels der IBA STADTUMBAU 2010. Das Mobilisierungspaket enthält die Antworten auf folgende Fragen:

• In welchem Umfang sind die gegenwärtigen Grundstückseigentümer sowie andere Privat-personen oder privaten Einrichtungen bereit, durch Geld-, Sach- oder Arbeitsleistungen

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zur Sanierung und Renaturierung der Industriebrachen im Magdeburger Südosten bei-zutragen?

• In welchem Umfang ist die öffentliche Hand (Bund, Land Sachsen-Anhalt, Landeshaupt-stadt Magdeburg) dazu bereit und in der Lage, zur Sanierung und Renaturierung der Industriebrachen im Magdeburger Südosten beizutragen?

• Welche Maßnahmen des kostenorientierten Bodenmanagements sind notwendig, um die sozialen Kosten der Umfeldbeeinträchtigung zu privatisieren, die Opportunitätskosten des Brachfalls zu steigern und Transaktionskosten für Verhandlungen und Vereinbarungen zu senken?

• Wem sollen die renaturierten Industriebrachen im Magdeburger Südosten für welche Nutzungen zur Aneignung überlassen werden?

Das Mobilisierungspaket wird im Wege der Konsensbildung erstellt ( S. 155). Ziel der Konsensbildung sind verbindliche Vereinbarungen über die private und öffentliche Finan-zierung und den Aneignungswettbewerb. Das kostenorientierte Bodenmanagement soll der Konsensbildung jedenfalls soweit entzogen sein, daß niemand die durch ihn verursachten Kosten durch Verzögerung der Konsensbildung auf die Allgemeinheit überwälzen kann (Sozialisierungssperre).

2. Private Finanzierung

Wer an einer Aneignung renaturierter Grundstücke interessiert ist (ob als gegenwärtiger oder künftiger Eigentümer), soll sich an der Sanierung und Renaturierung beteiligen. Pri-vatpersonen werden zunächst nur dann bereit sein, durch Geld-, Sach- oder Arbeitsleistun-gen zur Sanierung und Renaturierung der Industriebrachen im Magdeburger Südosten bei-zutragen, wenn es ihrem individuellen Vorteil nützt. Solche Vorteile können von der gestei-gerten Erwartung künftiger Erträge über eine Minderung verwaltungsrechtlicher Verpflich-tungen bis zur Wohnumfeldverbesserung reichen. Nicht nur die gegenwärtigen Grundstücks-eigentümer, auch Nachbarn, Bewohner des Magdeburger Südostens oder Stadtteilvereine sollen ihre Bereitschaft erklären können, an der Renaturierung mitzuwirken. Der Lohn der Mitwirkung besteht nicht in erster Linie in wirtschaftlichen, monetär bewertbaren Vorteilen. Insbesondere bei egalitären und individualistischen Aneignungsstrategien spielen moralische und ethische Aspekte, der Gemeinschaftsnutzen, ein Freiheitsgewinn oder das Heimatbewußt-sein eine große Rolle ( S. 84 und 85).

In die private Finanzierungsbilanz sind auch die Kosten einzustellen, die gegenwärtig durch die Umfeldbeeinträchtigung brachgefallener Industrie- und Verkehrsgrundstücke ver-ursacht werden. Diese Kosten sind mit den Finanzierungszusagen gegenwärtiger Grund-stückseigentümer zu verrechnen. Der Saldo der Gegenüberstellung zeigt auch auf, ob und in welchem Umfang die Eigentümer der Bestandsgrundstücke ihrer eigentumsrechtlichen So-zialpflichtigkeit (Art. 14 Abs. 2 GG) entsprechen. Das Ergebnis mag vor allem Eigentümer mit hierarchisierenden Aneignungsstrategien ( S. 84) überraschen. Dient Eigentum an einzelnen Grundstücken vor allem dazu, ein Netz an Unternehmensstandorten durch Be-herrschung einer räumlichen Hierarchie zu gewährleisten, ist die Kenntnis der örtlichen Umgebung der Grundstücke und das Interesse an örtlichen Entwicklungen zumeist gering. Gewiß ist nicht ausgeschlossen, daß auch juristische Personen gute Nachbarn sein können, nach Brachfall ist dies jedoch eher unwahrscheinlich.

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Durch Offenlegung ihrer Finanzierungs- oder sonstigen Mitwirkungsbereitschaft geben andere Personen als die gegenwärtigen Grundstückseigentümer zu erkennen, welchen Wert die Sanierung und Renaturierung der Industriebrachen für sie spielen. Das gilt insbesondere für die Nachbarn der Industriebrachen und die Bewohner der Stadtteile Buckau, Fermers-leben, Salbke, Westerhüsen. Die wichtige Rolle der Kleingartennutzungen in der Landes-hauptstadt Magdeburg (MDSPA 1994a) lassen ein beträchtliches endogenes Potential für die Unterstützung der Renaturierung vermuten. Dieses Potential steht womöglich im Wider-spruch zum Renaturierungsziel. Schließlich sollen auf den ehemaligen Industriegeländen nicht in erster Linie Gartenparzellen geschaffen werden, es soll Landschaft entstehen.

Zwischen der Finanzierungs- und sonstigen Mitwirkungsbereitschaft und der Renaturie-rung besteht ein inhaltlicher Zusammenhang, dessen Wirkweise vom Umfang künftiger Nutzungen der renaturierten Grundstücke abhängt. Für eine individuelle Aneignungsstrategie ist die Chance, durch eigene Arbeitsleistung eine Bauparzelle zu erlangen, verlockend. Egali-täre Aneignungsstrategien werden durch die Aussicht auf eingezäunte Einfamilienhauspar-zellen womöglich abgeschreckt. Für eine hierarchisierende Aneignungsstrategie ist hingegen die Aufwertung des Magdeburger Südostens als Wirtschaftsstandort wichtig. Im Mobilisie-rungspaket ist daher zwischen nicht verhandelbaren Vorgaben für die Sanierung und Rena-turierung der Industriebrachen und möglichen Verhandlungsinhalten zu unterscheiden. Wo Verhandlungsspielräume bestehen, können im Zuge der Konsensbildung unterschiedliche Varianten ausprobiert und letztlich auch eine Mischung unterschiedlicher Renaturierungs- und Aneignungskonzepte kombiniert werden.

3. Öffentliche Förderung

Der Bodenwert und die nachhaltig erwartbaren Erträge der Industriebrachen können den Aufwand der erforderlichen Boden- und Denkmalschutzmaßnahmen im Magdeburger Süd-osten nicht decken. Negative Bodenwerte liegen in der Regel dennoch nicht vor. Der Grund ist im Fehlen behördlicher Anordnungen zu erblicken. Weil den gegenwärtigen Grundstücks-eigentümern aufgrund von Freistellungsbescheiden, zur Vermeidung verkehrswertbedingter Unverhältnismäßigkeit oder aus anderen Gründen nicht durch Verwaltungsakt aufgetragen wird, ihre bodenschutzrechtliche Sanierungspflicht und denkmalschutzrechtliche Erhaltungs-pflicht zu erfüllen, fallen im Vermögen der Eigentümer keine laufenden Verluste an. Solange keine laufenden Verluste anfallen, kann auch nicht durch Kapitalisierung ein negativer Bo-denwert errechnet werden.

Sobald die gegenwärtige Situation verändert wird, kann die ökonomische Wertlosigkeit der Industriebrachen rasch in einen laufenden Verlust umschlagen. Ohne gewerbliche Nut-zungsabsichten entfällt die — ungewisse — Aussicht auf Förderung durch die Landesanstalt für Altlastenfreistellung. Sollen die renaturierten Grundstücke nicht auf Dauer hinter hohen Mauern und Zäunen verschwinden, müssen Mindestmaßnahmen zum Schutz des Publikums vor schädlichen Bodenveränderungen getroffen werden. Auch das europäische Abfallrecht erfordert eine Beseitigung der Gefahren durch kontaminiertes Erdreich. Aus diesem Grund liegt es im öffentlichen Interesse, die Industrienbrachen entweder wieder gewerblich zu nut-zen oder nach Sanierung zu renaturieren ( S. 146–150).

Im Rahmen der vorliegenden Studie können nur Empfehlungen für den Fall ausgespro-chen werden, daß sich der Bund und das Land Sachsen-Anhalt zu einer Förderung der Sa-nierung der Industriebrachen entschließen. Ohne öffentliche Förderung können die Indu-

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striebrachen nicht mehr für die städtebauliche Entwicklung der Landeshauptstadt Magde-burg gewonnen werden, soweit dafür eine bodenschutzrechtliche Sanierung erforderlich ist ( S. 147). Subsidiär zu privaten Finanzierungs- und Mitwirkungsbeiträgen ( S. 160) ist daher die Sanierung und Renaturierung der brachgefallenen Grundstücke im Magdeburger Südosten durch öffentliche Mittel zu fördern. Unterbleibt die öffentliche Förderung, sind weitere Überlegungen zur Bodenmobilisierung überflüssig. Der dann bestenfalls noch er-reichbare Eigentümerwechsel — etwa Übernahme der Industriebrachen durch die Kommune ( S. 103) — verbessert den gegenwärtigen Zustand nicht.

Können die Industriebrachen im Magdeburger Südosten ohne öffentliche Förderung auch nicht saniert werden, können knappe Haushaltsmittel gewiß auch für andere Zwecke ver-wendet werden. Zwischen solchen alternativen öffentlichen Zwecken und der Renaturierung besteht ein Spannungsverhältnis ( S. 150). Womöglich kann die Spannung etwas durch die Entzerrung von Wirtschaftsförderung und Umweltschutz verringert werden. Dem Bund und dem Land Sachsen-Anhalt wird empfohlen, das Freistellung echt zu ändern. Zudem sollte der Landtag des Landes Sachsen-Anhalt die Aufgaben der Landesanstalt für Altlasten-freistellung (§ 2 LAFG) um eine Finanzierungserlaubnis für ambitionierte Renaturierungs-projekte ergänzen. Gegenwärtig dürfte Renaturierung nicht durch eine Sanierung vorbereitet werden, die durch Freistellungsmittel finanziert wird. Art. 1 § 4 Abs. 3 des DDR-Umweltrah-mengesetzes stellt einen engen Zusammenhang zwischen der Sanierung einer Altlast und der gewerblichen Neunutzung des sanierten Grundstücks her ( S. 72). Eine Freistellung oder Förderung aus den Freistellungsmitteln ist nicht zulässig, wenn ein Grundstück nicht mehr gewerblichen Zwecken dient oder im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung verwendet wird (Michel 2000: 466). Was zunächst zur Hemmnisbeseitigung und Wirt-schaftsförderung gedacht war, kann daher selbst zum Hemmnis werden. In der leeren Stadt können viele Grundstücke, deren Eigentümern ein Freistellungsbescheid ausgestellt worden ist, gewerblich nicht mehr ertragreich genutzt werden. Angesichts der rechtlichen Konse-quenzen, die ein freiwilliger Widerruf der Freistellung durch Grundstückseigentümer haben könnte, ist kaum zu erwarten, daß jemand auf die Freistellung verzichtet oder einer anderen als einer gewerblichen Nutzung seines Grundstücks zustimmen wird. Durch eine Änderung der Aufgaben der Landesanstalt für Altlastenfreistellung (§ 2 LAFG), die unter Umständen auch Verhandlungen zwischen dem Bund und dem Land Sachsen-Anhalt erfordert, sollte Renaturierung gleichrangig mit Gewerbenutzungen öffentlich gefördert werden können.

sr

Bei der Ausgestaltung der öffentlichen Förderung der Sanierung und Renaturierung der Industriebrachen im Magdeburger Südosten sollten finanzielle Anreize für den Aneignungs-wettbewerb geboten werden: Über Höhe und Adressat der Förderung entscheidet der Aneig-nungswettbewerb ( S. 163). Das Förderziel sollte bewußt so gesetzt werden, daß auch we-nig rentable Aneignungsstrategien (z.B. durch Künstler) erfolgreich sein können.

4. Kostenorientiertes Bodenmanagement

Die Ökonomie des Behaltens in der leeren Stadt kann durch kostenorientiertes Boden-wertmanagement gesteuert werden ( Tabelle 15, S. 118). Eigentümer müssen ihre Grundstücke so nutzen, daß dies auch dem Wohl der Allgemeinheit dient (Art. 14 Abs. 2 GG). Kostenmanagement gewährleistet Kostenwahrheit und Kostenbalance: Höhere private Kosten, niedrigere soziale Kosten, höhere Opportunitätskosten, niedrigere Transaktionskosten ( S. 138).

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Maßnahmen zur Internalisierung der sozialen Kosten sind vor allem die lückenlose Er-zwingung aller zivil- und verwaltungsrechtlicher Pflichten der Grundstückseigentümer, je-denfalls bis zur Grenze der verkehrswertbedingten Verhältnismäßigkeit ( S. 95). Zur Durchsetzung der bodenschutzrechtlichen Sanierungspflicht müßte zweierlei geprüft werden, nämlich

• ob die gegenwärtigen Grundstückseigentümer im Zeitpunkt der Erwerbs das Altlastenrisi-ko bewußt in Kauf genommen haben (was nach der Rechtsprechung des Bundesverfas-sungsgerichtshofes die Sanierungspflicht erweitert) und

• ob bei Vorliegen eines Freistellungsbescheides (Art. 1 § 4 Abs. 3 DDR-Umweltrahmen-gesetz) die Voraussetzungen für einen Widerruf des rechtmäßigen begünstigenden Ver-waltungsaktes gemäß § 49 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (für Sachsen-Anhalt seit 1. Dezember 2005 maßgebend) vorliegen, insbesondere

— weil der Widerruf im Freistellungsbescheid vorbehalten wurde, falls keine gewerbliche Nutzung mehr vorgenommen wird (Nr. 1);

— weil die Behörde wegen des Wegfalls jeglicher Chance auf gewerblichen Zwecken dienende Investition berechtigt wäre, den Freistellungsbescheid nicht zu erlassen und weil ohne den Widerruf das öffentliche Interesse am Bodenschutz gefährdet würde (Nr. 3);

— um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen (Nr. 5).

Bei Grundstücken, die beide Bedingung erfüllen, wären mittels bodenschutzrechtlicher Ver-fügung (§§ 9 und 10 BBodSchG) den Eigentümern die notwendigen Maßnahmen zur Sanie-rung und (Dekontamination und Sicherung) selbst dann aufzutragen, wenn die Kosten der Maßnahmen den Verkehrswert des Grundstücks nach Sanierung übersteigt. Sofern die Eigen-tümer das Altlastenrisiko bewußt in Kauf genommen haben, können sie sich nur bedingt auf den Schutz durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 14 Abs. 2 GG) berufen (BVerfGE 102 [2000] 1 [21] — Altlastensanierung). Wußte der gegenwärtige Eigentümer im Erwerbs-zeitpunkt nichts vom Altlastenrisiko, kann aber der Freistellungsbescheid widerrufen werden oder wurde gar keine Freistellung vorgenommen, sollte der verhältnismäßig zumutbare Bei-trag des Eigentümers (entspricht in etwa der Höhe des Verkehrswerts des Grundstücks nach Sanierung) zwangsweise vorgeschrieben und eingetrieben werden.

Die Erhöhung der Opportunitätskosten hängt davon ab, wie attraktiv die Nutzungsalter-nativen des gegenwärtigen Brachfalls für die Grundstückseigentümer sind. Insbesondere eine Mischung aus Renaturierung und Folgenutzung als Bauland könnte die Opportunitäts-kosten deutlich steigern und für die Eigentümer einen Anreiz bieten, sich an der Renaturie-rung zu beteiligen.

Zur Senkung der Transaktionskosten wird die Bereinigung des Freistellungsrechts empfoh-len (beseitigt den lock in -Effekt und die Wettbewerbsverzerrung für gewerblich nicht mehr aussichtreich nutzbare Grundstücke). Außerdem wird die Verbesserung der Kommunikation durch die Einrichtung und den Betrieb eines Planerladens empfohlen ( S. 155).

5. Aneignungswettbewerb

Geht der Boden nicht zum besten Wirt, weil in der leeren Stadt mangels Ertragserwartun-gen keine Allokation durch Bodenpreise erfolgt, muß die beste Nutzung und der beste Ei-

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gentümer auf andere Weise gefunden werden ( S. 143). Das Bodenmanagementkonzept sollte zwar nicht zu kommandowirtschaftlichen Instrumenten greifen, eine gezielte und tief-greifende Steuerung durch Staat und Kommune ist dennoch angezeigt. Diese Steuerung sollte bewußt so weitgehend wie möglich zur Wiederherstellung der Transaktionswirtschaft bei-tragen. Daher wird ein Wettbewerbsmodell für die Aneignung der zu renaturierenden Indu-striebrachen empfohlen. Ein Aneignungswettbewerb gibt unterschiedlichen Rationalitäten die Gelegenheit, sich um die beste Nutzung und die öffentlichen Fördermittel zu bewerben. Der Gewinner erfüllt die Kriterien für den besten Eigentümer. Die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für den Aneignungswettbewerb sind durch Konsensbildung zu bestimmen ( S. 155).

Der Aneignungswettbewerb ist eine Konkurrenz der Ideale, kein städtebaulicher Wettbe-werb. Am ehesten ist ein Aneignungswettbewerb als polyrationale Auktion des Mobilisie-rungspakets ( S. 159) zu verstehen. Die sozialgerechte Bodennutzung im Magdeburger Südosten sollte gewährleisten, daß sich die Aneignungsstrategien der Kontrolle, Gemeinschaft, Wettbewerb und Gelassenheit gleichermaßen beim Bodenmanagement bewähren können ( S. 141). Obzwar die Ausgestaltung des Wettbewerbs von der Konkretisierung der Leitbil-der des Bodenmanagements abhängt, sind folgende Schritte zu empfehlen:

• Das Land Sachsen-Anhalt und die Landeshauptstadt Magdeburg schaffen die Vorausset-zungen dafür, daß dem Gewinner des Aneignungswettbewerbs die aus dem Renaturie-rungspool zur Renaturierung ausgewählten Industriebrachen übereignet werden können (z.B. durch Grundstückskauf oder -tausch, Übernahme nach Planungsschaden, Stadtum-bauvertrag, Enteignung, gesetzliche Vergemeinschaftung gemäß Art. 15 GG).

• Durch Konsensbildung unter den Beteiligten ( S. 155) werden die Kriterien für die beste Nutzung und den besten Eigentümer der renaturierten Industriebrachen verein-bart. Zu den Kriterien gehören auch die Voraussetzungen für den Abbruch des Wettbe-werbs (z.B. wegen Ergebnislosigkeit).

• Nach den Kriterien sollten nicht alle Industriebrachen im Magdeburger Südosten mittels öffentlicher Förderung saniert und renaturiert werden können (Ausschlußwettbewerb).

• Das Land Sachsen-Anhalt gibt Bedingungen und Umfang der öffentlichen Förderung der Sanierung und Renaturierung der Industriebrachen bekannt (erfordert eine Änderung des Art. 1 § 4 Abs. 3 DDR-Umweltrahmengesetzes und des LAFG).

• Durch Einladung werden potentielle Aneignungsinteressierte (z.B. gegenwärtige Eigentü-mer; Bewohner der Stadtteile Buckau, Fermersleben, Salbke, Westerhüsen; Immobilien-gesellschaften; Stadtteilvereine; Ingenieurbüros; Künstler; Universitäten und wissen-schaftliche Einrichtungen; Interessenvertretungen für Migranten; Umweltaktivisten; Kir-chen und Religionsgesellschaften; Handelsketten …) sowohl öffentlich als auch durch ge-zielte Aufforderung zur Teilnahme am Aneignungswettbewerb aufgefordert.

• Um zu verhindern, das qualifizierte Bewerber aus fachlichen Gründen ausgeschlossen werden, die sie nicht zu vertreten haben, sollten alle Mitbewerber einer Vorauswahl un-terzogen und gegebenenfalls durch fachliche Beratung unterstützt werden (z.B. beim Boden- und Denkmalschutz).

• Personen, die am Aneignungswettbewerb teilnehmen, müssen ein Aneignungskonzept vorlegen, das unter anderem

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— die Umsetzung der beabsichtigten Sanierung und Renaturierung,

— Art und Umfang der Eigenleistungen (auch bei der künftigen Innehabung nach Ab-schluß der Sanierung und Renaturierung),

— die Verwendung der Fördermittel,

— die Nutzung der renaturierten Grundstücke,

— angestrebte Folgenutzungen

unter Berücksichtigung der Leitbilder und Ziele des Bodenmanagements darstellt. Das Aneignungskonzept sollte Nachweise mit bisherigen Aneignungserfahrungen des Bewer-bers enthalten.

• Die Entscheidung über die beste Nutzung und den besten Eigentümer sollte möglichst im Wege der Konsensbildung erfolgen (zur Umsetzung erforderliche behördliche Ge-nehmigung, etwa nach Bodenschutz- oder Denkmalschutzrecht, sind davon ausgenom-men). Entspricht keines der vorgelegten Aneignungskonzepte den Kriterien für die beste Nutzung, den besten Eigentümer, ist der Wettbewerb zu wiederholen oder als ergebnislos abzubrechen.

• Nach erfolgreicher Beendigung des Aneignungswettbewerbs geben das Land Sachsen-Anhalt und die Landeshauptstadt Magdeburg das Ergebnis bekannt und vollziehen die erforderlichen Umsetzungsschritte.

• Industriebrachen, die in den Renaturierungspool aufgenommen wurden ( S. 153) und im Aneignungswettbewerb nicht zur Sanierung und Renaturierung ausgewählt werden, werden weiterhin dem kostenorientierten Bodenmanagement ( S. 162) unterzogen.

Bei der Ausgestaltung des Aneignungswettbewerbs sind viele bedeutsame Einzelfragen zu klären: Umfang und Dauer der Renaturierung, die Glaubwürdigkeit eingereichter Aneig-nungskonzepte, die schrittweise Abarbeitung von Contingency Agreements, die Vergleich-barkeit unterschiedlicher Konzeptansätze sind Beispiele für die vielfältigen Details, die zu entscheiden sind. Unbeschadet politischer, juristischer, ökonomischer Probleme bei der Um-setzung des Aneignungswettbewerbs sollte bei seiner Ausgestaltung der innovative Charakter einer gezielten Suche nach dem »besten Wirt« für die Industriebrachen im Magdeburger Südosten unterstrichen werden.

D. Unterstützung der Umsetzung

Das Bodenmanagementkonzept Neue ( ogenannte) Magdeburger Versuche über die leere Stadt ist durch die Anwendung der Planungsinstrumente (Flächennutzungsplan, Bebauungs-plan, städtebaulicher Vertrag, Stadtumbauvertrag) und der Umsetzungsinstrumente (Plansi-cherung, Planungsschaden, Bodenordnung, Enteignung, städtebauliche Sanierung) zu unter-stützen.

s

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Abkürzungen

AEG Allgemeines Eisenbahngesetz vom 27. 12. 1993 (BGBl. I 2378, 2396) zuletzt geändert durch Art. I des Gesetzes vom 3. 8. 2005 (BGBl. I 2270).

BauGB Baugesetzbuch (BauGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. 9. 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes zur Umbenen-nung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei vom 21. 6. 2005 (BGBl. I S. 1818)

BBodSchG Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz — BBodSchG) 1998

BBodSchV Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) 1999

BGB Bürgerliches Gesetzbuch

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