integrativer psychotherapeutischer ansatz bei kindern und

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Kinderneurologisches Zentrum LVR - Klinik Bonn K i N Z 4. Interdisziplinäres Symposium „Autismus - Spektrum - Störungen: Was man weiß - was man wissen sollte: Diagnostik - Behandlung - Wissenschaft“ Integrativer psychotherapeutischer Ansatz bei Kindern und Jugendlichen mit Autismus - Spektrums - Störungen Barbara Kunz 14.10 .2017

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Kinderneurologisches Zentrum

LVR - Klinik BonnK i N Z

4. Interdisziplinäres Symposium„Autismus-Spektrum-Störungen: Was man weiß-was man wissen sollte:

Diagnostik-Behandlung- Wissenschaft“

Integrativer psychotherapeutischer Ansatz bei Kindern und Jugendlichen mit Autismus-Spektrums-Störungen

Barbara Kunz14.10.2017

Inhalt

n „Trend“ Menschen mit Autismus in Medienn Diagnose/ Definitionn 1. Fall „Mario“-n Was hat gewirkt? Welche Methoden haben sich

bewährt?n Verknüpfung mit Theorien Diskussion: Reflektion verschiedener Ansätzen 2. Fall „Tim“n Vorstellung einzelner Methodenn Abschluss-Diskussion

Der Begriff „Autismus“ wurde erstmalig von dem Schweizer Psychiater Eugen Bleuler (1911) geprägt und kann mit „selbstbezogen“ bzw. „Eigenwelt“ übersetzt werden. Er beschreibt Menschen, die sich von der Umwelt abkapseln und sich in ihre eigene Welt zurückziehen.

Dreißig Jahre später übernahmen der amerikanische Kinderpsychiater Leo Kanner (1943) und der österreichische Kinderarzt Hans Asperger (1944) diese Bezeichnung, um – unabhängig voneinander – zwei sich ähnelnde Störungsbilder zu beschreiben: den „Early infatile autism“ (Kanner) und die „autistische Psychopathie“ (Asperger) .

Beide Störungsbilder lassen sich aufgrund der kognitiven und sprachlichen Entwicklung sowie dem Störungsbeginn voneinander abgrenzen.

n Hans Aspergers Arbeit erreichte nur ein kleines Publikum und blieb außerhalb des deutschsprachigen Raums jahrzehntelang völlig unbekannt.

n 1990 wurde die Diagnose Asperger-Syndrom in die neue Auflage des ICD aufgenommen, 1994 in das DSM.

n Die beiden Diagnosehandbücher listen eine Reihe von Kriterien für eine Diagnose des Asperger-Syndroms auf

„Die soziale Interaktion ist ungewöhnlich oder beeinträchtigt. Das heißt beispielsweise, dass Blickkontakt, Körperhaltung, Mimik und Gestik nicht zur Steuerung der sozialen Interaktion verwendet werden und solche Signale von anderen nicht verstanden werden“

n In vielen Internet-Foren, Zeitungsartikeln kann man den Eindruck bekommen, es gäbe nur eine, „die eine“, rein verhaltenstherapeutische, sehr strukturierte Modul-orientierte Autismustherapie

n EXKURS- Artikel

n Was heißt genau EMPATHIE?Können Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen empathisch sein?

n Ein Erfahrungsbericht….

Mario, 14-18 JahreVorstellungsgrund

starke Depression, Tics, „Wutanfälle“ zuhause, starke Ängstlichkeit in der Schule

Vorgeschichte1. Kind eines italienischen Paares, wurde „außerehelich“ geboren; Mutter hat 2 ältere Kinder in Italien, beide Söhne mit dem 2. Mann haben Diagnose: Asperger-Syndrom, Eltern verschuldet nach Restaurant-Verkauf (Mutter früher: Lehrerin; Vater: abgebrochenes Medizin-Studium), Privat-Insolvenz inzwischen beendet, arbeiten heute in Pflegeberufen, M. sei immer schon als Säugling in „eigener Welt“ gewesen, habe wenig Kontakt gesucht, seit 3.Lbj. Therapien, seit 3. Klasse „Mobbing-Erfahrungen“

Ersteindruck/SzenischesVerstehen(nachHermannArgelander undAlfredLorenzer)

Mutter redet sehr laut, sehr temperamentvoll, auch imErstkontakt sehr dominant, unterbricht viel, Vater wirktzunächst besonders selbstbewusst, hat aber im Gesprächschnell „nasse Augen“ und fängt auch bald an zu weinen,scheint voller Schuld- und Schamgefühle („Ich bin derklassische Looser“)- Mario geht in dem gesamten„Szenario“ komplett unter und spricht kaum- dieAtmosphäre ist enorm angespanntAlleine im Kontakt zeigt er sich zunächst „sperrig“, nachseinen Interessen gefragt, beginnt ein Dialog, in dem ereinen schüchternen, intelligenten, kritischen und sehrtraurigen Eindruck hinterlässt.

n Therapie in 3 Phasen:

n Kennenlernen in der Krise (immer wieder suizidale Gedanken), Kriseninterventionen (sehr strukturiert, viel VT)

n Stabilisierung und Hilfen bei Ablösung/Identitätssuche, „klassische“ Adoleszenzthemen plus Krankheitsverarbeitung, stark (sehr stark beziehungsorientierte, TP-Arbeit, aber auch lebenspraktische Übungen)

n Z.Zt. Abschied/Ablösung von Therapie (Methoden sehr vermischt, insgesamt etwas mehr bindungsorientiert, aber auch praktische Übungen)

n „ Nur, weil ich ein Autist bin, darf ich doch kein Arsch sein, nur, weil ich Autist bin, brauch ich doch nicht immer und immer wieder dieselben Übungen…ich will doch endlich mal ernst genommen werden- auch, wenn ich das Drehbuch nicht immer verstehe.“

n „Sie brauchen nicht für so zu tun, als ob sie ordentlich wären, das ist Quatsch und ein bisschen peinlich“.

Was hat

gewirkt?

Bindungstheoretisches Know-How

n EsgibteinbiologischangelegtesBindungssystem (Verhalten)

n Es wird bei Gefahr, Hunger, Angst, Durst, Krankheit, Unsicherheit, Einsamkeit aktiviert.

n Bindungsverhalten: z.B. Rufen, Anklammern, Suchen, Weinen, Schreien, usw.

n Ziel des Verhaltens: Bei der Bindungsperson das Pflegeverhalten zu aktivieren (damit sie Schutz, Sicherheit, Trost, Geborgenheit, Nähe und Zuwendung gibt.)

n Feinfühligkeit= Fähigkeit der Bezugsperson, die Signale des Kindes richtig wahrzunehmen, richtig zu interpretieren und angemessen und prompt darauf zu reagieren

n Wichtig ist die Passung zwischen Mutter und Kind(States, Erkennen der Motivationssysteme, Rhythmus, Kraft, Tempo) à ÜBUNGEN

Co-Regulation: intuitive elterliche Kompetenzen

Mechthild Papoušek (2011): Engelskreise positiver Gegenseitigkeit

das Baby die Eltern

wird belohnt durch die Responsivität der Eltern werden belohnt durch die positiven(Erfahrung der Selbstwirksamkeit) Feedbacksignale des Babys

lernt, seine eigene affektive Befindlichkeit über die fühlen sich intuitiv empathisch in dieSpiegelung der Eltern wahrzunehmen und zu regulieren affektive Erfahrungswelt des Babys ein

n In „tiefenpsychologischer Sprache“:

Das Übertragungsgeschehen, die korrigierende Beziehungserfahrung, das szenische Verstehen, das Verstehen der „Abwehrmechanismen“ plus sehr praktische, Alltags-orientierte „Übungen“.

n In der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie geht es darum, unbewusste seelische Probleme, die hinter den Symptomen stehen können, zu verstehen und den Patienten zu helfen, diese auszudrücken und zu bewältigen.

n Mit wachsender innerer Sicherheit können Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene auf Dauer einen besseren Zugang zu bzw. einen guten Umgang mit ihren Gefühlen finden. Somit können neue Wege eingeschlagen werden, die die Lösung von Konflikten und die Persönlichkeitsentfaltung fördern.

n Für das Gelingen der Therapie ist die Beziehungzwischen Therapeut und Patient ganz besonders wichtig: In dieser Beziehung werden die Probleme und Bindungsmuster der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf eine Weise deutlich, wie in jeder anderen zwischenmenschlichen Beziehung. So können in der Therapie neue Umgangsweisen zur Überwindung der Probleme gefunden oder neu gelernt werden.

nEin zentrales Ziel der Therapie ist es, sich selbst nicht nur besser kennen, sondern auch wieder schätzen zu lernen!

Tim, 10-12 J

Phasen der Therapie bis jetzt:

n Sehr vorsichtiges Kennenlernenn Viele Krisenintervention der Elternn Stabilisierung, Stärkung seiner

Persönlichkeit, Leichtigkeit, Humor, Atlas-Spiel

Bei Jugendlichen

n Gehirn „einschalten“n Zielgerichtet weiterfragenn Wertschätzung für Denkprozesse äußernn Bereitschaft zum Lernen zeigenn Erzählen anregenn Techniken wie Sokratische Methode oder MIn „Am Erleben entlang“….wie bei allen Patienten

Vgl. Delfos, Baßler

Metakommunikationn Zu benennen versuchen, was man empfindet,

und dem Folge leistenWir reden jetzt zwar darüber, aber ich binmir nicht sicher, ob du das auch willst

n Den Jugendlichen dazu einladen, seineMeinung über das Gespräch zu äußernWir reden jetzt zwar miteinander, aber washältst du eigentlich davon

n Metakommunikation zu einem festenBestandteil der Kommunikation machen.Vgl. Naar-King, Souarez, 2012

Beispiel

n „Unser Gespräch heute läuft wahrscheinlich anders als die Gespräche, die du mit anderen Leuten schon geführt hast. Ich bin nicht hier, um Dir zu sagen, was du wie ändern sollst, sondern um herauszufinden, was in deinem Leben los ist, und wie ich dir dabei helfen kann, die Änderungen, die du beschließt, auch durchzuführen“Vgl. Naar-King, Souarez, 2012

Lehrreiche Kommunikation

nKommunikation mit Jugendlichen ist möglicherweise die lehrreichste, ehrlichste und dynamischte Kommunikation, die es gibt.(Delfos 2007)

n Sag mir mal... Gesprächsführung mit Kindern M.F. DelfosWie meinst du das... Gesprächsführung mit

Selbstwirksamkeit- ein Beispiel!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Literaturempfehlungen

n Brisch: Bindung und Jugend: Individualität, Gruppen und Autonomie Gebundene Ausgabe – 24. Oktober 2013

n Trautmann-Voigt: Jugend heute: Zwischen Leistungsdruck und virtueller Freiheit (psychosozial) Taschenbuch – 1. April 2013

n Naar-King, Suarez (Herausgeber) Motivierende Gesprächsführung mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen Gebundene Ausgabe – 7. März 2012

n Delfos: »Wie meinst du das?« Gesprächsführung mit Jugendlichen (Beltz Taschenbuch) Taschenbuch –13. Juli 2015

n Spiel: Ressourcium, Spiel: Sogenzia von Kikt-TheMa

Schattenspringer:Wieesist,anderszusein GebundeneAusgabe – 17.März2014von DanielaSchreiter (Autor,Illustrator)

EinLebenmitdemAsperger-Syndrom:VonKindheitbisErwachsensein-alleswasweiterhilftTaschenbuch – 22.Februar2012

Asperger:LebeninzweiWelten:Betroffeneberichten:DashilftmirinBeruf,Partnerschaft&AlltagTaschenbuch – 11.Dezember2013von ChristinePreißmann (Autor)