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J. B. Escli: Zwischen ^^^ ^^V^ Demokratie und Diktatur Kommentare zu Faschismus und Nationa U soz^a U ^-lr;- P732-34 J.B. Esch war eine der markantesten Gestalten im Luxemburg der dreißiger Jahre. Als Redakteur im " Luxemburger Wort " warb er um die Ideen Puis XI.: katholische Aktion und Gesellschaftsreform. Er er- strebte eine Neuordnung der luxemburgischen Ge- sellschaft auf rein katholischer Basis durch das Errichten einer berufsständischen Ordnung nach dem Geist der Sozialenzyklika "Quadragesimo Anno". Schon die ersten Artikel, August 1932, zeigen die großen Themen seines Vorhabens: Abwehr von Ent- christlichung und Kommunismus, Verfassungsreform im Sinne einer " Entpolitisierung", katholische Er- ziehung der Jugend, Umdenken der katholischen Ver- eine und Organisationen (1). Sein Reformeifer und seine Stellungnahme zum Nationalsozialismus lösen ab 1933 rege Polemiken in der luxemburgischen Presse aus. Diese Arbeit will die Stellungnahme zu Faschismus und Nationalsozialismus in der Zeitspanne l032-34 darlegen. Hier nimmt Esch grundsätzlich Stellung zu diesen Bewegungen. Spätere Auseinandersetzungen bauen auf diesen Artikeln auf und verweisen oft ausdrücklich auf sie. Als Quelle dienen die nicht signierten Leitartikel auf Seite 3 oder 4 des " Luxemburger Wort " , die mit dem Eintritt Eschs in die Redaktion beginnen. Sie bilden ein thematisch zusammenhängendes Ganzes und sind durch zahlreiche Verweise untereinander ver- knüpft. Die schnell charakteristische Form bringt ihrem Autor von seiten der " Luxemburger Zeitung" den Namen " der Zweispaltige " ein (2). Die Artikel wollen Zeitprobleme "realpolitisch" analysieren und die Notwendigkeit der Reform her- vorstreichen. Sie haben didaktischen Charakter‘, wollen katholischen Lesern die neuen Ideen ausein- anderlegen, Diskussionsstoff und Anregung sein. Sie sind polemisch, Kampfansage an die politischen Gegner und sollen eine katholische Dynamik auslö- sen. Textauszüge geben Beispiele für den äußerst prägnanten Stil. Zwei Fragen soll hier nachgegangen werden: Welche Bedeutung erkennt Esch dem Faschismus zu? Wie ver- folgt er die Machtergreifung des Nationalsozialis- mus? 22

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Page 1: J. ^^^ B. ^^V^ Escli: ZwischenDer italienische Faschismus ist Vorbild für sämt-liche neue Bewegungen, auch wenn die verschiedenen Versuche von der nationalen Eigenart des jewei-ligen

der Grundrechte für den einzelnen hinaus. Dasliegt nicht zuletzt an der historischen Tatsache,dass die Menschen- und Bürgerrechte nicht mitsondern gegen die Kirche durchgesetzt wurden.Den eigentlichen Grund sieht Helmut Schnatz darin,dass das Lehramt von seinen hierarchisch-autoritä-ren Denkstrukturen her sich den Einzelmenschennicht autonom und eigenveranwortlich vorstellenkonnte, sondern immer nur integriert in eine Viel-falt von religiösen, sozialen oder sonstigen Grup-pen.

Das "JA" zum Maulkorbgesetz hätte zweifelsloseine Dynamik in Gang gebracht, die das Ende desliberalen Staatswesens, der autonomen Arbeiterbe-wegung auf politischem und gewerkschaftlichemPlan bedeutet hätte. Von der "berufsständischenOrdnung " zum "Ständestaat" wäre es nur noch einkleiner Schritt gewesen, den die Rechtsparteizweifelslos gegangen wäre.

Das Maulkorbgesetz hat jene Gegner mobilisiert -Kommunisten, Sozialisten, freie und christlicheGewerkschaftler, Liberale, - die, ob vereint odergetrennt, bereit waren, ihre weltanschaulicheUnabhängigkeit gegenüber der Kirche zu verteidigenund keineswegs zurück wollten hinter die Errungen-schaften der französischen Revolution, nämlichdie "Bürger- und Menschenrechte".

Ob das Gedenken an diese n aquis historiques" auchwiederum zu leidenschaftlichen Polemiken in derTagespresse Anlass geben wird und unsere Demokra-tie, als Erbe der gottlosen französischen Revolu-tion, das man nur dulden aber nicht bejahen kann,

dargestellt wird, bleibt abzuwarten. In zwei Jahrenist es soweit.

Luss BLAU

Bibliographische Hinweise:

Büchler Georges: Les idées de réforme de l'abbéJean Baptiste Eschrédacteur au " Luxemburger Wort"(1932 - 1940), mémoire de stagedactylographié, Luxembourg, 1984

Grégoire Pierre: Vie et carrière de Pierre DupongMinistre d'Etat,Imprimerie St.Paul, Luxembourg/1985

Mayeur Jean-Pierre: Des partis catholiques ü ladémocratie chrétienneXIX - XX siècles,A. Colin, collection U, Paris

^1980

Rémond René:

Les catholiques dans la Francedes années 30,A. Colin, Paris, 1960

Schnatz Helmut: Päpstliche Verlautbarungen zuStaat und Gesellschaft,Wissenschaftliche Buchgesellschaft)Darmstadt, 1973

J. B. Escli: Zwischen^^^ ^^V^

Demokratie und DiktaturKommentare zu Faschismus und Nationa U soz^a U ^-lr;- P732-34

J.B. Esch war eine der markantesten Gestalten imLuxemburg der dreißiger Jahre. Als Redakteur im" Luxemburger Wort " warb er um die Ideen Puis XI.:katholische Aktion und Gesellschaftsreform. Er er-strebte eine Neuordnung der luxemburgischen Ge-sellschaft auf rein katholischer Basis durch dasErrichten einer berufsständischen Ordnung nach demGeist der Sozialenzyklika "Quadragesimo Anno".Schon die ersten Artikel, August 1932, zeigen diegroßen Themen seines Vorhabens: Abwehr von Ent-christlichung und Kommunismus, Verfassungsreformim Sinne einer " Entpolitisierung", katholische Er-ziehung der Jugend, Umdenken der katholischen Ver-eine und Organisationen (1). Sein Reformeifer undseine Stellungnahme zum Nationalsozialismus lösenab 1933 rege Polemiken in der luxemburgischenPresse aus.

Diese Arbeit will die Stellungnahme zu Faschismusund Nationalsozialismus in der Zeitspanne l032-34darlegen. Hier nimmt Esch grundsätzlich Stellungzu diesen Bewegungen. Spätere Auseinandersetzungenbauen auf diesen Artikeln auf und verweisen oftausdrücklich auf sie.

Als Quelle dienen die nicht signierten Leitartikelauf Seite 3 oder 4 des

" Luxemburger Wort" , die mit

dem Eintritt Eschs in die Redaktion beginnen. Siebilden ein thematisch zusammenhängendes Ganzes undsind durch zahlreiche Verweise untereinander ver-knüpft. Die schnell charakteristische Form bringtihrem Autor von seiten der

" Luxemburger Zeitung"den Namen " der Zweispaltige " ein (2).

Die Artikel wollen Zeitprobleme "realpolitisch"analysieren und die Notwendigkeit der Reform her-vorstreichen. Sie haben didaktischen Charakter‘,wollen katholischen Lesern die neuen Ideen ausein-anderlegen, Diskussionsstoff und Anregung sein.Sie sind polemisch, Kampfansage an die politischenGegner und sollen eine katholische Dynamik auslö-sen. Textauszüge geben Beispiele für den äußerstprägnanten Stil.

Zwei Fragen soll hier nachgegangen werden: WelcheBedeutung erkennt Esch dem Faschismus zu? Wie ver-folgt er die Machtergreifung des Nationalsozialis-mus?

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Page 2: J. ^^^ B. ^^V^ Escli: ZwischenDer italienische Faschismus ist Vorbild für sämt-liche neue Bewegungen, auch wenn die verschiedenen Versuche von der nationalen Eigenart des jewei-ligen

UNSER NEUER !SLICE VOR DEM z PiroeL

E77777-nM,

I Der Faschismus1. Wie deutet ^^^^^^en .msch^smus?

Faschismus ist die revolutionäre Bewegung des 20.Jh., in bewußtem Gegensatz zu den Ideen der Fran-zösischen Revolution. Er wird das Ende des libe-ralen Zeitalters, die Oberwindung des Marxismusherbeiführen. Esch ist überzeugt, an der Schwelleeiner neuen Zeit zu stehen.

In einer Reihe faschistischer Forderungen glaubter das Wiederaufleben christlich-naturrechtlicherIdeen zu erkennen, wie sie im Idealbild der mit-telalterlichen Gesellschaft im christlichen Kai-serreich gegeben waren: die Tendenz zur Aufhebungder Klassengegensätze; der Drang zur Rückkehr zueinheitlicher Weltanschauung und geeintem Volk;auch, in gewissem Maße, die Neubesinnung auf na-tionale Eigenart und Werte. Im Hintergrund stehtdie Hoffnung auf ein Erstarken des christlichenAbendlandes gegenüber der inneren und äußerenGefahr des Bolschewismus.

Auch wenn Esch unter Faschismus grundsätzlich dasRegime in Italien versteht, geht sein Faschismus-begriff doch über diesen engeren Sinn hinaus. Inden frühen Artikeln stellt [sch die Bewegung inden generellen Kontext eines nationalen Erwachens,eines Bedürfnisses nach Stärkung der Autorität inEuropa. Daher faschistische Versuche in außerita-lienischen Ländern (3), die Esch in mehreren Arti-keln anführt:- in der Schweiz sind nationale " Fronten

" mit der

alten Staatsform unzufrieden und " suchen Heil inden neuen Ideen

" . Daß sogar ein Land wie dieSchweiz, "wo Demokratie und Parlamentarismus si-cher weniger groteske Formen

" angenommen haben alsim übrigen Europa, sich den neuen Ideen aufschließt,zeigt auf ein Allgemeinbedürfnis hin (4).- das demokratische Belgien erlebt eine "starke

Auseinandersetzung auf gedanklich und politischemGebiet

" . Als Beispiel einer " völlig faschisti-schen " belgischen Bewegung nennt Esch die VERDINASOdes Joris van Severen (5).- auch in Frankreich sind " faschistische Bestre-bungen im Auge zu behalten. Zwar fehlt noch dasZentrum und der geeignete Mann. Aber die Strömungist unverkennbar" (6).- sogar der Sozialismus wird von den neuen Ideen

erfaßt. Der französische Neusozialismus zeigt dieInfragestellung des Marxismus. Am Beispiel MarcelDéuts erläutert Esch die Tendenz gegen den Inter-nationalismus, zurück zu den französischen Ur-sprüngen des vormarxistischen Sozialismus, dieÖffnung gegenüber dem Mittelstand. Er verweist aufden Einfluß Sorels, auf den sich auch Mussoliniberuft (7).

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Der italienische Faschismus ist Vorbild für sämt-liche neue Bewegungen, auch wenn die verschiedenenVersuche von der nationalen Eigenart des jewei-ligen Volkes eine eigene Prägung erhalten.

Der Faschismus ist extrem. Sein Ursprung liegt ineiner Abwehrreaktion des italienischen Volkes, ineiner bürgerkriegsähnlichen Situation der Nach-kriegszeit. Er ist Zeichen von Volksschwäche, al-lerdings auch von einem gesunden Kern: daß dasVolk aus sich noch Kräfte zeugt, die es vor Anar-chie und Untergang bewahren. In dieser Form ist er

Text 1Zurück zu den geistigen Waffen! (15.9.1932)

(...) Der Unterschied zwischen den Methoden ge-wisser Parteien im Reich und denen anderer Länder,Luxemburg nicht ausgenommen, ist kein wesentli-cher, sondern ein gradueller, der sich unter äu-ßerem Druck auf ein Minimum reduziert und ver-schwindet. Das heißt, die blutigen Vorgänge inDeutschland und auch die übrigen eines Kulturvol-kes unwürdigen Wahlpraktiken, sind unter gegebenenUmständen in jedem parlamentarisch-demokratischenRegime unvermeidlich oder doch nur schwer zu ver-hüten. Das wenigstens so zaoge, als der Parlamen-tarismus nicht auf eine höhere geistige Grundlagegehoben wird. So lange auch, als nicht im Volkeselbst, dem eigentlichen Träger der demokratischenGewalt, eine gewisse politische Reife und Selb-ständigkeit geschaffen ist. So lange vor allem,als nicht die Volksvertreter selbst geistig undsittlich vollwertige Menschen sind, deren politi-sche Reife und Weite die unbedingt nötige Garantiefür ruhige und objektive Volksführung bieten.

an die Krisensituation gebunden, Zeiterscheinung,Ubergang (8).

Esch beschreibt den Faschismus als Regime, den Fa-schismus an der Macht, nach den Lateranverträgen,wie er ihn bei seinem Romaufenthalt selbst erlebthat. Das Regime befindet sich in Entwicklung unddieser Entwicklung gilt Eschs Interesse:

- von der Methode her: Mussolini nennt den Fa-schismus " zunächst Tat und viel später Doktrin".

Seine Entwicklung vollzog sich vielleicht in ge-brochenen Linien, aber das erlaubte die fortwäh-rende Kontrolle der Ideen am Wirklichen und Mögli-chen. Darin ist er dem " abstrakten Doktrinalismus"und " lebensfremden Idealismus " des Marxismusüberlegen (9).- in der Entstehung des korporativen Staates: dieberufsständische Ordnung des Faschismus ist vonder katholischen verschieden. Wohl schließt sieKlassengegensätze aus, doch bleibt es ein von obenaufgezwungenes System. Die Berufsverbände, starkzentralisiert, sind reine Instrumente der Staats-gewalt und dienen ihren politisthen Zielen. In derAblehnung des "

totalen Staates " liegt die grund-sätzliche Kritik Eschs am Faschismus. Durch den

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Totalitarismusbegriff stellt er den faschisti-schen, und später den nationalsozialistischenStaat auf die gleiche Ebene mit dem kommunisti-schen (10). Doch:

" das heißt nicht, daß dieaußeritalienische Berufsstandesbewegung an denVorteilen und Mängeln der faschistischen nichtlernen kann "

(ll).

Von diesem Standpunkt aus verfolgt Esch die ita-lienische Entwicklung (12).

Seine Einstellung zeigt Esch in einem Artikel mitdem bezeichnenden Titel "Revolutionswissenschaft"

( 1 3). In der Geschichte entwickelten sich dieIdeen zwischen zwei Extremen, absoluter Freiheitund absoluter Bindung. So wurde die Bindung desAbsolutismus durch die Revolution gebrochen. Dieabsolute Freiheit des Liberalismus führte jedochzur Auflösung. Darauf erfolgt jetzt die Reaktiondes Faschimus, der die Einheit wieder erzwingenwill. Diese extreme Pendelbewegung gilt es, unterKontrolle zu bringen. Diesen Zyklus, auch den Zyk-lus der Gewalt, gilt es, zu brechen.

" Die notwendige Arbeit für die geistige Eliteeines Landes und überhaupt für die geistigen Ar-beiter der Welt wäre darum folgende: die Gedankender jeweiligen Periode zu prüfen, zu durchdenken,an der Vergangenheit und ihrer Beweiskraft zu kon-trollieren, sie weiter und bis zum Schluß zu den-ken, und darum zu warnen, zu prophezeien, zu ver-mitteln und den Praktikern der Staatsführung dieunerläßlich notwendige gedankliche Vorarbeit zuleisten." (14)

UU NationnlsoziaU^ es

Esch erlebt die deutsche "nationale Revolution"als Augenzeuge. Wie wird sie sich entwickeln undwie weit wird sie gehen? Welche Rolle wird derdeutsche Katholizismus spielen?

Esch hat Kontakte in Deutschland, u.a. zu Fried-rich Muokermænn S.J., Herausgeber des "Gral " , undbesonders zu Kreisen der deutschen Sozialreform.So hat er Oktober 1932 an der 1. "Sozialen Woche"des Volksvereins in Mönchen-Gladbach über die"Wirtschafts- und Sozialpolitik in der berufsstun-

EMUMORNMION SIMS»

Biographische Notiz

1902 geboren in Weidingen bei WiltzSekundarstudien im Athenäum in Luxemburg

1923 Eintritt ins Priesterseminar in Luxemburg1920 Priesterweihe1930-32 Kirchenrechtsstudium in Rom

(Schlußphase der Arbeiten an "0uadrunesimmAnno " und Proklamation dieser Sozialenzykli-ka) Unter seinem Namen erscheinen eine Rei-he von "Briefen aus Rom" im "LuxemburgerWort".

1032 (August) Antritt der Karriere eines Redakteurim LW

1933 (Januar) Herausgabe von "Die Rundschau. Bei-lage des Luxemburger Wort für Literatur,Kunst und Wissenschaft", im Dezember 1 038umbenannt in: "Letzeburg. Blätter fürnationales Leben - Revue d ' action nationale".

1940 (September) Festnahme durch die nationalsozia-listische Besatzung Konzentrationslager Sach-senhausen, dann Dachau

1942 vergast in Schloß Hartheim bei Linz

At-4,

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dischen Ordnung " teilgenommen ( 1 5). Wird es ge-lingen in Deutschland berufsständische Elemente zuverwirklichen? Das sind die Hauptfragen, die Eschin seinen Kommentaren zur Lage in Deutschland be-schäftigen.

^ ,Aluzuz:e 1932

a) Vor den Novemberwahlen

Der neue Redakteur stellt die politische Entwick-lung im Nachbarland in einen europäischen Kontext:den allgemeinen Drang nach neuen Staatsformen (18),Welches Modell sich in Deutschland durchsetzenwird, das demokratische, faschistische oder kom-muni,tissche, hängt von den Wirtschaftsverhältnis-sen ab. Doch gibt er der alten Staatsform kaumUberlebenschancen (17). Die Erwägung einer Koali-tion von Zentrum, SPD und KPD zur Verteidigung derWeimarer Verfassung gegen den Faschismus (18),wirkt im Hinblick auf die Forderung nach Uberwin-dung des Marxismus eher theoretisch.

Zu diesem Zeitpunkt hält Esch einen Putsch derNSDAP für möglich (19). Bei der Besprechung deut-scher Schulreformpläne warnt er vor der Weltan-schauung dieser Partei, die, nach offiziellemParteiprogramm, auf " Rassenvergötzung" und demKampf mit allen Mitteln gegen alles Jüdische undChristliche beruht. Allerdings glaubt er nicht andie Verwirklichung eines solchen Programms: "Esliegen im deutschen Volk, auch im nicht katholischorganisierten, noch gewaltige christliche Wider-stände. Und um die politische Macht des National-sozialismus ist es zum mindesten zweifelhaft. EineKoalition müßte ihn gerade in Schuldingen zur Ruhezwingen." (20)

Die größte Gefahr scheint ihm in der Verbindungdes früheren Zentrum-Mitglieds von Papen, Vertre-ter eines " ostelbischen Faschismus" und preußi-schen Zentralismus, mit dem Nationalsozialismus zuliegen. Eine Koalitionsregierung Zentrum-NSDAPwürde beide Faschismen brechen. Und die AussagenHitlers ( " Ich sehe, daß wir mit dem Zentrum nichtfertig werden. Es ist nicht zu besiegen, weil esPrinzipien hat und seine Wurzeln im Volke grün-den. " ) beruhigen (21).

In den Artikeln ist keine Angst vor einer Macht-übernahme der NSDAP zu spüren, eher die Uberzeu-gung, daß der deutsche Katholizismus stark genugist, den Nationalsozialismus auf seinem eigenenGebiet zu begegnen. [sch spricht von der Kultur-mission des deutschen Zentrums. Sein Kampf um den"organischen Ausbau der Weimarer Verfassung " (d.h.

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berufsständische Zwischengliederung im Sinn von" Quadragesimo Anno "

(0.A.)) werde entscheidend fürMitteleuropa und die Welt (22).

b) Nach den Novemberwahlen

Die Stimmverluste der NSDAP haben den ersten Elander Bewegung gebrochen. Allerdings beschwört derAusgang der Wahlen die neue Gefahr des Kommunismusherauf (23). Und diese liegt nicht nur in der KPD,sondern auch im Nationalsozialismus.

Esch unterscheidet in der nationalsozialistischenBewegung zwischen einer nationalen Richtung undeiner Linksrichtung, die im Wahlkampf ausschlag-gebend war. Die Partei hat ihren "mehr bürger-lich-aristokratischen Charakter" verloren und

nähert sich wieder den radikalisierten Arbeiter-schichten. Sogar Hitler kam von der früheren Ar-beiterfeindlichkeit zur "Mimik" des Arbeiter-freundes zurück.

Hier sieht Esch die Gefahr einer Annäherung derbeiden extremen Parteien. " Systematische Oppo-sition und Machtbesitz um jeden Preis gabenschon unnatürlicheren Koalitionen das Leben."(24)

Deshalb verweist er auf den "Katholizismus alsKorrektiv " . Besonders der deutsche Katholizismuskann "stärkste Aufbauelemente für Staat und Wirt-schaft" liefern, denn gerade hier ist der berufs-ständische Gedanke rasch aufgegriffen und weiter-entwickelt worden (25). Er steht allein bei diesem" Kampf um die christliche Idee vom Staat " , aber,Esch zitiert hier Friedrich Muckermann 3.J., erhat den Vorteil, daß die wichtigsten politischenForderungen mit Sätzen aus päpstlichen Enzyklikenbelegbar sind (26).

c) Hitlers Reichskanzlerschaft (38.1.1933)

Am gleichen Tag beginnt Esch eine grundsätzlicheAuseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus

(2 7 ). Er lehnt sowohl den totalen wie den auto-ritären Staat ab (28). Er unterstreicht die be-sonderen Gefahren eines totalen Staates inDeutschland durch Rassenkult und Ablehnung desChristentums (29). Er warnt eindringlich vor derIrrationalität der nationalsozialistischen Bewe-gung (30) und legt anhand von Ernst Kriecks Buch" Nationalsozialistische Erziehung", ihre Weltan-schauung und Ziele auseinander: Einordnung deseinzelnen in das staatliche Ganze, Bildung einesstarken Rassenbewußtseins, Züchtung einer gesundenund einheitlichen deutschen Rasse (31). Allesscheint darauf hinzudeuten, daß das neue Regimedas ganze Programm verwirklichen will (32),

Im Hinblick auf die Wahlen vom 5.März, erklärtEsch den Ideenkampf des Zentrums (christliche De-mokratie auf autoritativ-parlamentarischer Basis;vollständige Umordnung der Wirtschaft und Gesell-schaft in berufsständische Formen) (33). Er stelltallerdings auch die Frage, ob es nicht zu spätsei, ob der Anschluß an die neuentstehende Weltnicht schon verloren sei (34).

2. ~ 1933- Juli 1933a) Die Märzwahlen

Der 5. März bringt die Feststellung der national-sozialistischen Gewalt über Deutschland. Die Frage

ist, was jetzt wird: Volldiktatur oder Kompromiß?

Bei der Schilderung der Lage greift Esch dieHauptthemen wieder auf:

- die Macht des Irrationalen: die Massen sindaufgerüttelt, ihre Erwartungen hochgepeitscht

(36). Sie stehen im Bann ihres Führers, sind einemfalschen Autoritätsbegriff verfallen, der inNationalismus, Rassismus und Militarismus mündet

(37).- die kommunistische Gefahr: die SA-Leute, Ar-beitslose, könnten ebensogut Kommunisten wie Na-tionalsozialisten sein (38); die absolute Mehrheitder Regierung entstand durch Verluste der KPD zu-gunsten der NSDAP (39).- das katholische Korrektiv: im Hintergrund stehtimmer noch die Wirtschaftskrise; gerade jetztbraucht Deutschland Vernunft. Die katholischenParteien sind bereit mit der neuen Gewalt zu ar-beiten " insofern dies unter anständigen Bedin-gungen

Das angekündigte Ermächtigungsgesetz wird alsgünstiges Zeichen gesehen: die Regierung hatsich für den legitimen Weg entschieden. Zur Ver-fassungsänderung braucht sie die Stimmen vom Zen-trum und der Bayrischen Volkspartei. Diese werdensich die Änderung genau besehen. Ihre Bedingungen:" Respektierung ihres Daseins und ein vernünftigerAnteil an der Macht, der nackte Diktaturausschließt " (41).

An diesen Forderungen entscheidet sich das Schick-sal Deutschlands. "Übermütige Forderungen werdenden ganzen Mannestrotz der katholischen Parteienin die Schranken rufen. " Aber Esch macht sichkeine Illusionen: niemand kann die Regenten amÜberschreiten der Legitimität und am Errichten derDiktatur hindern (42).

Der "Tag von Potsdam" erweckt weitere Besorgnis:die nationalsozialistische Bewegung greift das" hohenzollerisch-bismarcksche Reichsideal" aufund beendet damit die " Idee einer föderativeneuropäischen Mitte " . Das neue Reich wird bloßerStaat sein (43).

Daß an erster Stelle der Marxismus bedrohtscheint, beruhigt Esch. Doch nicht Gewalt wird denMarxismus ausrotten, sondern eine Reform der Zu-«IM

Text 2Der autoritäre Staat (3.2.1933)

(,..) Gerade in einem zwischengliedrigen Staats-

aufbau sieht der Papst eine Stärkung der staatli-

chen Autorität. (...) In diesen Berufsinstanzen

w i rd von selbst der Fachbildung mehr Rechnung ge-

tragen a ls der bloßen Zahl und der bloß politi-

schen Tendenz. Der Staat überwacht und stützt de-

ren A rbe it, Damit werden für einen großen Teil desLebensraumes die Mängel der Zahlendemokratie nach

Möglichkeit ausgeschaltet. Jedenfalls sind dafür

mehr Garantien gegeben, a ls j et zt und i m autori-tären St a°t, Dadurch ist auch das Parteiwesen zumTeil gemildert. Eine angepaßte Stärkung der Regie-

runsgewalt ohne Ausschluß der Parteien und desParlamentes, auch die Reform der Wahlgesetze, dienicht allen und jedem den Zutritt zum Parlamentgestattet, sondern me hr auf Wertvertretung drängt,

würde die Staatsautorität mehr st e ige rn als diesogenannte autoritäre Richtung. (...)

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stände, die ihn hervorriefen. Zwischen den Zeilentaucht hier die Idee der katholischen Zusammenar-beit mit Hitler, unter Ausschluß des "ostelbischenEinschlags " , wieder auf (Nach Friedrich Muckermannwittern diese Leute schon in den Gedanken derpäpstlichen Rundschreiben Marxismus) (44).

Das Schicksal der Juden erweckt keine Anteilnahme.Seit seinem Antritt im "Luxemburger Wort

" veröf-

fentlicht Esch 3 Artikel über das deutsche Juden-tum (45). Seine Haltung umreißt er wie folgt: "Me-thodisch ist es für uns keine Frage des Rassen-und Religionskampfes, sondern ein Kulturstreit,der sich wirtschaftlich in bewußte Konkurrenz zurWahrung der christlichen Kulturgüter äußert. DenKampf muß das Judentum als selbstverständlich an-sehen. " (46) Mit

" Viel Geschrei"(47), einem krassenKommentar zum Judenboykott, reißt diese Serie ab.Die Frage wird in keinem weiteren Leitartikel mehrerwähnt.

Aufmerksam hingegen verfolgt Esch den Aufbau desneuen Staates. Wie weit wird man gehen? Nach "to-taler nationalsozialistischer Logik

" sagt Esch denGewerkschaften, freien und christlichen, die Ver-staatlichung voraus (48). Auch die Gleichschal-

tunosbestrebunnen der protestantischen Kircheentsprechen dieser Logik (49).

b) Um die Konkordatsverhandlungen

Die Situation der katholischen Kirche liegt an-ders. Ihr " Obernationalismus" garantiert ihren Be-stand in Deutschland. Seit der RegierungserklärungHitlers sind Angriffe auf den Katholizismus selte-ner geworden (höchstens noch von ostelbischer Sei-te). Ein Kulturkampf bleibt nicht auszuschließen,doch vermehren sich Anzeichen, die auf den Ab-schluß eines Konkordates hinweisen. Esch setztseine Hoffnungen auf das "katholische EmpfindenHitlers " und den Katholiken Papen (50).

Die Idee des " katholischen Korrektivs " wird jetztlebhafter. Fasziniert stellt Esch die Stabilisie-rung der Verhältnisse in Deutschland fest (51).Hitler hat die erste Phase hinter sich gebracht.Die Revolution setzt sich durch, geht auch geistigweiter. Jetzt, wo es heißt, das "gefühlsmäßig Er-faßte" in die "Sphäre der Vernunft überzuleiten"(52), wächst die Notwendigkeit der Zusammenarbeit.Der Gleichschaltungsprozeß zeigt, daß der Natio-nalsozialismus sich als Alleinsieger betrachtet.Esch verweist auf die Versuche Carl Schmitts, dasErmächtigungsgesetz auf Hitler allein zu beziehenund auf die Reaktion, die sich gegen einen natio-nalsozialistischen Alleingang bildet. Wird siestark genug sein, den endgültigen Sieg des Natio-nalsozialismus zu vprh1ndern?(53)

Zu diesem Zeitpunkt vollzieht [sch eine Neuein-schätzung der katholischen Lage in Deutschland.Hatte er eben noch vom Ausmaß der Überrumpelunggeschrieben (54) und die Jesu1tenpubl1zistik alseinzig wahre Opposition zum Nationalsozialismusdargestellt (55), so führt er in "Der tiefereGrund " (56), neue Erklärungen für die Schwenkungdes Zentrums an. Von jetzt an beruft er sich ingrundsätzlichen Artikeln auf Äußerungen des "Os-servatore Romano " , der auch als "offizielles Organdes Vatikan " bezeichnet wird (57).

Die Haltung des Zentrums erklärt sich nicht auseiner Fehleinschätzung der nationalen Bewegung,sondern hat folgende Gründe:- Die innere Spaltung der Partei: eine Reiheihrer Mitglieder fühlte sich angezogen vom natio-nalsozialistischen Vorhaben.- Die Gefahr des Bolschewismus: der National-sozialismus war das geringere Übel (58),

- Das Entgegenkommen Hitlers dem deutschenKatholizismus gegenüber (gemäß "Osservuto,eRomano") (59)~

Mit der Bemerkung "die deutschen Ereignisse sindtatsächlich so, (...), daß nicht gerade böserWille erfordert ist, sie mehrfach zu interpretie-ren", erfolgt eine grundsätzliche Klarstellung desVerhältnisses zwischen Kirche und Politik imHinblick auf die Konknrdut,pol,tik des Vatikan(60).

Immer wieder muß Esch feststellen, daß die Ent-wicklung in Deutschland das christliche Naturrechtaußer Acht läßt. So bei der Gleichschaltung derGewerkschaften. Am Beispiel der Idee der Volksge-meinschaft in der Hitler-Rede zum l.Mai, hatte erversucht Gemeinsamkeiten mit der christlichen Ge-sellschaftslehre aufzuzeigen (61). Der National-sozialismus jedoch errichtet einen Ständestaatnach italienischem Vorbild. Esch zitiert die For-derung des "Osservatore Romano " , der neue Aufbausolle sich nach Wunsch des Papstes unter offi-zieller Mitarbeit der Kirche vollziehen, gibt ihraber geringe Aussicht auf Erfolg (62). Auch dieGleichschaltung der protestantischen Kirchen "*uß-te von vornherein jeder, der revolutionäre Zeitenpsychologisch versteht "

(63). Es bleibt nur dieHoffnung, daß der katholische Hitler vor den letz-ten Konsequenzen zurückschreckt und die Frage, ober wenigstens die Versprechen an den Katholizismushalten wird (64). Dies zum Zeitpunkt des Verbotskatholischer Organisationen. •

c) Die Zentrumsauflösung

Auch das Schicksal des Zentrums war vorauszusehen.Der Nationalsozialismus ahmt "teilweise sklavisch"das Vorbild Italien nach. Die Gleichschaltung derParteien folgt mit unerbittlicher Logik aus demBegriff der Totalität (65).

Nach den Märzwahlen findet das Zentrum kaum mehrErwähnung in Eschs Artikeln. Die FührerschaftBrünings wird kommentarlos wiedergegeben (GG).Esch spricht vom "Verfall" des Zentrums (67).

Der Vergleich zwischen Zentrum und Popolari drängtsich auf. Allerdings unterstreicht Esch, daß derVerlust für Deutschland schwerer wiegt. Im Gegen-satz zum katholischen Italien besteht in Deutsch-land die Gefahr, daß "heidnische und germanischeKräfte" die Oberhand gewinnen. Die katholischenInteressen würden also durch einen nat/onulsoziu-

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listischen Staat, dem das katholische Empfindenabgeht, weniger gewahrt als durch einen faschis-tischen (68).

Für Esch bleibt jetzt die katholische Kircheselbst das letzte Hindernis für den Nationalsozi-alismus. Sie ist die einzige Macht, die ihm wider-steht, ja die er fürchtet (69). Wurden diechristlichen Gewerkschaften nicht schonend gleich-geschaltet? Erfolgt die Auflösung des Zentrumsnicht nach allen andern Parteien? Daher die Ober-zeugung: "Zweifellos ist die katholische Kirche inDeutschland berufen, obschon ihre Anhänger in derMinderheit sind, dem deutschen Volk den denkbargrößten Dienst zu leisten: seine Versklavung anden Staat zu verhindern und das Christentum zuretten " (70).

Noch immer nimmt Esch an, daß der totale Staatbis zur letzten Konsequenz nicht durchführbar ist.Manches wird unverwirklicht bleiben und sogar man-ches schon Verwirklichte wird abgebaut werden." Nur am Katholizismus findet der totale Staatseine Grenzen. Und früher oder später wird er ge-zwungen sein, mit der Kirche zu paktieren, d.h.seine extremsten und unzulässigsten Forderungenaufzugeben " (71).

3. Das Rekhskonkordat und seineFolgen ~^"gen

a) Der Abschluß

Esch zeigt sich verblüfft über den raschen Ab-schluß und die Freiheiten, die der Kirche zuer-kannt werden. Er nimmt jetzt an, daß dem Zentrumdiese Versicherungen vor der Auflösung, vielleichtsogar vor Potsdam, gegeben wurden (72). Hitler hatdie Potsdamer Versprechen eingehalten. Eschspricht von der realpolitischen Weisheit Hitlers

( 7 3), seiner staatsmännischen Klugheit (7 4 ),seiner Einsicht und der Uberleuenheit päpstlicherDiplomatie (75).

Das Konkordat schließt ab m i t dem liberalen Zeit-alter, mit dem Grundsatz der Trennung von Kircheund Staat, des " größten und gefährlichsten Unsinnsder abschließenden Periode" . Der liberale Staatscheiterte an seiner Entchristlichung, während derneue, trotz Ubertreibungen, in seinen Begriffendem Christentum näherkommt (76). Jetzt ist dieMöglichkeit der Zusammenarbeit gegeben, katholi-sche Programme können verwirklicht werden (77).

Das Konkordat heißt auch Rettung vor dem Bolsche-wismus. Hier liegt seine "europäische und weltge-schichtliche " Bedeutung. Das gewaltsame Vorgehendes Nationalsozialismus ist überstanden: "Und wennHärten vorkamen, wer weiß, ob sie zur Vermeidunggrößerer Härten nicht unvermeidlich waren? Jeden-falls sind sie nicht grausamer als diese "

(78).Nun ist der Bolschewismus auf seinen Herd be-schränkt (79).

Das Konkordat bedeutet jedoch keineswegs Aner-kennung des Nationalsozialismus. Es handelt sichum einen Vertrag zwischen Rom und der neuen, aberlegalen Macht in Deutschland. [sch wiederholt, daßRom " ausdrücklich Vorbehalte

" zu verschiedenenLehren des Nationalsozialismus macht (80).

h) Der Interpretationsstreit

Die Euphorie ist von kurzer Dauer. Esch hat Pro-

bleme in der Durchführung des Konkordats vorausge-sagt, weil die Formulierung des Textes allgemeingehalten ist. Er verweist auch auf die Erfahrungenin Italien (81). Die Schwierigkeiten häufen sichzusehends, und die Frage stellt sich, ob der Na-tionalsozialismus überhaupt bereit ist christli-ches Gedankengut aufzunehmen (82). Statt sichbeim christlich-germanischen Recht des Mittelal-ters zu inspirieren, treibt er den zentralisti-schen Staatsaufbau und die Rassengesetzgebung im-mer weiter voran (83). Statt berufsständischer Au-tonomie, verwirklicht er strikte staatliche Kon-trolle, wie das Reichspressegesetz beispielhaftzeigt (84). Die Bedrohung der katholischen Jugend-organisationen und das Sterilisierungsgesetzdrängen Rom an d i e Grenzen seiner Nachgiebigkeit(85).

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Text 3Zueinander (6.5.1933)

(,,,) Über Hitlers Mittel, seine Idee zu verwirk-lichen, darf man streiten, z.B. über die Arbeits-dienstpflicht. Auch über seine Absicht, das gesam-te Volk in eine nationalsozialistische Gemein-schaft zu verwandeln. Das lehnen wir sogar in sei-ner extremen Form ab. Aber unbedingt richtig ist,daß der Staat und die verantwortliche Regierung,selbst eine Parteienregierung, eine ihrer Haupt-

.aufgaben in der Vereinheitlichung des Volkswillensund Volksempfindens sehen soll. In der Bildung ei-nes solidarischen Denkens und Strebens.

(,,,) Diese Aufgabe stellen sich die demokrati-schen

Unser ganzes gesellschaftliches und staatlichesLeben beruht letzten Endes auf Spannung, auf be-wußter und gewollter Gegensätzlichkeit, auf derKampfidee also. Und das ist falsch. Das ist ver-derblich. Volk und Staat sagen begriffsmäßig Eini-gung, Solidarität, nicht Spaltung und Spannung undnoch viel weniger na=nc, Das heißt nicht, daß alleInteressengegensätze und Meinungsstreite ausge-schaltet werden könnten. Gewiß nioxt, Aber siemüßten getragen sein vom dem Grundbewußtsein desgemeinsamen Interesses, der Zusammengehörigkeit,des Aufeinander-Angewiesen-Seins, der politsichenLösungsmöglichkeit. Das ist in unsern demokrati-schen Staaten nicht der Fall, Und gerade daransind sie krank, sehr xranx, Und das hat Hitlerrichtig erkannt, daß aus so tiefgehenden Gegen-sätzen kein Heil, keine Ordnung, kein Aufstiegkommen kann, sondern genau das Gegenteil. (...)

Darin hat Hitler sicher ein Verdienst. Daß er die-se Mängel erkannt xat, Daß er sieht, wie der So-zialismus nur von hieraus bekämpft werden kann,wie er aber auch gerade hier die Gesellschaft undden Staat weithin erobert hat, Daß er also denKampf gegen den Sozialismus verstaatlicht und dieBildung und Förderung der Volksgemeinschaft alsGrundlage des Staates und oberste Regierungsaufga-be

Der Staat müßte in diesem Sinn Ideenzentrale sein.Er hat eine geistige Mission, eine moralische Mis-sion. Er soll nicht bloß oberste Instanz einerMehrheit und Machtgruppe sein, sondern muß selbststaatsbildend und staatserhaltend wirken, darumauch gesellschafts- und gemeinschaftsbildend.

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DOSSIER MIM

fit

Das Wort " Kulturkampf " , bisher vereinzelt aufge-flackert (86), tritt in den Vordergrund. Doch dieGrundhaltung bleibt: jeden Kampf vermeiden (87);"der Katholizismus ist von Natur aus auf dieäußerste Möglichkeit des Friedens eingestellt"(88). Die jetzige Kulturkampflage ist verschiedenvon der von 1870. Damals ging es um eine politi-sche Machtfrage. Der Nationalsozialismus führt denKampf aus einem totalen Staatsbegriff und propa-giert bewußt seine Gegenreligion, den Glauben anStaat, Blut und Rasse. Der Kampf würde heute ineinen Religionskrieg ausarten, und das könnte dieAusrottung der katholischen Kirche in Deutschlandbedeuten (89).

Deshalb bleibt das Konkordat begrüßenswert, "sogarvon den z.T. äußerst günstigen Bedingungen abgese-hen". Und Esch wiederholt, daß keine Anerkennungdes Nationalsozialismus damit verbunden ist, son-dern daß es nur der Wahrung katholischer Grund-sätze dient (00).

" Rom wird auch diesmal, trotzallem was geschehen kann, recht behalten" (91).Doch bei dem Verhandlungen um die Auslegung mußder Vatikan die "grausamsten Enttäuschungen " er-leben (92).

c) Die Abkehr

Trotz aller Konkordatsbrüche wird der Kulturkampfnicht offen erklärt. Esch fragt sich, was den" Draufgänger Nationalsozialismus " daran hindert,gegen die Kirche vorzugehen (93). Er verweist du-

Text 4Zentrum und Popolari (7.7.1e33)

(...) Wir sind nämlich unwiderruflich der Ansicht,daß katholische Werte zum Aufbau des modernenStaates unbedingt benötigt wezuen, Und wir glau-ben, daß dem im faschistischen Italien auch ohnekatholische Partei viel leichter und ausgiebigerRechnung getragen wird als in oeutaonzenu, Und esist tatsächlich geschehen. Und zwar nicht nurdurch den offenen Kampf der Kirche, sondern durcheigene Einsicht der faschistischen Führer, diesich bewußt auf den Boden der katholischen Reli-gion stellen und damit von selbst katholische Wer-te in ihren Staat einuauen, Dafür bürgt auch, wasman ihre katholische Belastung nennen könnte undvor allem die katholische Einheit des Volkes. Unddarin liegt, so sonderbar es auch klingt, viel-leicht die stärkste Garantie der faschistischenTotalitut, Diese setzt wesenhaft Einheit im Tief-sten und Entscheidensten voraus: im Religiösen undWeztanachauzicxen. Ein Riß darin führt notgedrun-gen auch zu einem Riß im Politischen und Staatli-chen.

<...> Darum mußte er (der Faschismus) auch manchesExtreme ablegen, und seine Totalitätsansprüche we-nigstens nach kirchlicher Seite hin beschränken.Konkordat, Schule und Vereinswesen geben den Be-weis. Damit möchten wir den faschistischen Staatabsolut nicht in allem billigen.

(...) Auch der neue deutsche Staat braucht unbe-dingt katholische Aufbauelemente. Die liegen weni-ger in der Tradition. Und die deutsche Führungstellt sich nicht oder kaum auf christlichen Bo-den. Im oegantea, Die Gefahr ist groß, daß heid-nische und germanisierende Kräfte die Oberhand ge-winnen. Daß also der Staat am Religiösen kein Kor-rektiv findet, sondern das Religiöse selbst ver-staatlicht und so seiner besten Werte verlustiggeht. (...)

Text 5Eine Rechtsidee und ihre Folgen (9.7.1934)

(..,) Und die jüngsten Ereignisse in Deutschlandhaben bewiesen, (,,.). Diese Rechtsbegriffe unddiese Rechtsmentalität mußten zu dem brutalen Aus-gang führen. Das Weltgewissen empört sich dagegen,und mit aeoht, Wir schließen uns diesem Protestean. Recht ist das überhaupt n i cht mehr, n i cht ein-mal Standrecht, sondern *ord, Uns ekelt es, i nsEinzelne zu gehen. Übrigens scheint uns nicht e i nlärmender Protest die schärfste Ablehnung, sonderndie radikale Widerlegung der szuodideen. So habenwir seinerzeit den Nationalsozialismus überhauptverworfen, so möchten wir auch das nationalsozia-listische Recht und Strafverfahren verwerfen. Eskann für ein Kulturvolk keinen vernichtenderenVorwurf geben, als uen, ihm fehle j ede menschlicheund natürliche Rechtaoorm, Und es gibt auch keineschärfere Verurteilung eines ovotems, Das ist fürden Nationalsozialismus in wesentlichen Stückender Fazz,

Auf die blutigen Ereignisse angewandt, heißt uao,Im nationalsozialistischen Deutschland ist derMord aus vermeintlicher und parteipolitisch gese-hener Staatsnotwendigkeit Recht. Und das nicht nur,we il die Umstände es für einmal so forderten, son-dern auf Grund des Systems und der nationalsozia-listischen Rechtsphilosophie.

Eine vernichtendere Ablehnung einer Bewegung alsdurch die ihrer wesentlichen Ideen gibt es nicht.

rauf, daß die nationalsozialistische Haltung derKirche gegenüber nicht einheitlich sei. Eschspricht von gewissen Kräften, die nur mit Wider-streben vor dem Christentum haltmachen (94). Gegensie setzt er immer noch die Hoffnung auf daschristliche Empfinden des Katholiken Hitler, aufseine mäßigende Rolle (95). Die Spannungen in derSA im Juni 1934 liefern [sch eine mögliche Antwortauf die Frage, warum Hitler der Einigung mit demVatikan, trotz guter Gründe, ausweiche. Der linkeFlügel der Partei sei vom Verlauf der Revolutionenttäuscht und radikalisiere sich (Esch sprichtvon "National-Bolschewismus " ). Dem Nationalsozia-lismus drohe von innen Gefahr: die völlige Ein-stellung der antisemitischen und antikatholischenMaßnahmen brächte die radikalere Richtung mögli-cherweise zum Sieg. Staat und Kirche hätten davongrößere Nachteile als von der heutigen Lage (96).

Mit der Ermordung Ruhms und der gleichzeitigen Li-quidierung politischer Gegner, die dann alsStaatsnotwehr durch Gesetz legalisiert wird,scheint Eschs Nachsicht zu Ende. Er verweist aufseine grundlegenden Artikel gegen den National-sozialismus (97). Und fügt hinzu: "Man sieht da-raus mit wieviel Unrecht uns der Vorwurf des Fa-schismus gemacht wurde

" (98).

Die "grausamsten Enttäuschungen " des Vatikan be-enden die Geschichte einer Fehleinschätzung. Fehl-einschätzung der eigenen Stärke, auf der die Ideedes "Katholizismus als Korrektiv" und der Traumdes starken Mitteleuropa zwischen Demokratie undDiktatur beruhen. Aber auch Fehleinschätzung desNationalsozialismus und seines Führers.

In Eschs Kommentaren zum Nationalsozialismus fälltdie genaue Kenntnis des Parteiprogrammes und derdamit verbundenen Gefahren auf. Trotzdem wird der

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DOSSIERErnst dieser Gefahren verkannt, besteht die Hoff-nung auf eine " friedliche Zusammenarbeit

" wie siebeim Konkordatsabschluß in Deutschland oder zurZeit des Entstehens der italienischen Korpora-tionen geäußert wird. Bis zuletzt vertrauen dieLeitartikel auf die päpstliche Diplomatie.

Eschs Artikel stehen im Kontext eines Kampfes der

Kirche gegen die Entchristlichung des Abendlandesdurch den Liberalismus und seine Folgen, gegen die" drohende Hauptgefahr " des Bolschewismus. Das "gi-gantische Ringen

" , das er heraufbeschwört, stehtim Zeichen des Königtums Christi. Seine Weltan-schauung ist geprägt von den Ideen der Reaktionauf die Französische Revolution, von einem Ideal-bild des Mittelalters, wie es die Romantik imdeutschen Raum geprägt hat. Er vertritt einen en-gagierten sozialen, aber auch integralen und auto-ritären, unbedingt romtreuen Katholizismus. SeineArtikel spiegeln die Leitgedanken der EnzyklikenPius XI. wider, insbesondere "Ubi Arcano " (katho—lische Aktion) und "0uadragesimn Anno" (Sozialre—

form).

Die Bereitschaft, den politischen Katholizismus undseine Organisationen den neuen Ideen zu opfern,wie [sch sie in der extremen deutschen Situationbeschreibt, entspricht einer Änderung der Methode" katholischen Ideenkampfes " , in keiner Weise je-doch dem Aufgeben der traditionellen konservativenWerte.

In dieser Hinsicht liegt also bei Esch kein Fa-schismus vor. Trotzdem läßt Eschs Haltung sich nurim Kontext des Faschismus erklären.

"Als ob unsere und ähnliche Gedankengänge erstnach dem Aufkommen des Faschismus entstanden wä-ren. Sie sind katholisches Erbgut, waren in dermittelalterlichen Wirtschaft und Gesellschaftzeitgemäß verwirklicht und werden seit vierzigJahren durch die Päpste wieder schärfer betont.Der Faschismus ist eigentlich nur die einseitigeVerzerrung und Uberteibung dieser ldeen."(99)

Georges Büchler

(1) 04.08.1932 Wankende Kulturträger; 09 ' 08.1932 Entpolitisierung; 10.08.1932 Kommunistische Wühlarbeit; 18,08,1e32 Um neue

Staatsformen; 20,08.1932 Der Ruf nach Persönlichkeiten; 31.08.32 um Elternrechte; (2) 03.07,1e33 (3) 29.10.1932 (4)27.04.1e33 (5) 11.10.1933 (6) 24.07.1933 (7) 28.07.1933 (8) 29,10.1933 (9) 31.08 ' 1933 (10) 30.01.1933; 02.02.1933;06.02.1933; 07.02.1933; 08.0e,1933 (1 1 ) 07,11.1933 (12) 14.12.1932 Das faschistische Strafrecht; 13.02.1933 Der Aufbau

des faschistischen Arbeitsrechts; 03.11,1933 Ausbau der italienischen Korporationen; 25.11.1933 Der Korporatismus in Ita-lien (13) 24 ' 02.1933 (14) id. (15) 28 ' 10 ' 1932; 02 ' 11.1932; 17 ' 11 ' 1932; 19.11 ' 1932; 23.12.1932; 17.11.1933' 09'11.1935( 16 ) 18.08 ' 1932 (17) Die "mechanistische " Darstellung politischer Vorgänge bei Esch wird verdeutlicht in TEXT 1 (15.09.1932) (18) 18.08.1932 (19) 19.09.1932: Andeutung 09.11,1932 und 06.02.1933' deutlich nach den Novemberwahlen; 15.03.1933:ausdrücklich nach den Märzwahlen (20) 19.09.1932 (2 1 ) 28.10.1932 (22) id. (23) 09.11.1932 (24) id. (25) 17.11,7e32(26) 05.12.1932 (2 7 ) 30 ' 01.1e33 Totaler und autoritärer Staat; 02.02.1933 Der totale Staat; 03.02.1933 Der autoritäreStaat; 06.02.1933 Politische Mystik; 07.02.1933 Nationalpolitische Erziehung I; 08.02.1933 Nationalpolitische Erziehung II(28) 02.02.1933 und 03.02,1933 veröffentlicht in C. neocx. Le national—socialisme et la presse luxembourgeoise de 1933 a1e40. Luxembourg 1977. np.160-164. (29) 02.03.1933 (30) 06.02.1933 (31) 07.02.1933; 08.02.1e33 (32) 09.02.1933 (33)03.02.1933 siehe TEXT 2 (34)) 25.02.1e33 (35) 15.03.1e33 (36) id. (37) 21.03.1933 (38) 15.03.1e33 (39) 25.03.1933cf. c. p e,sch op.cit. p.157 (4m) 15.03.1933 (41) id. (42) m ' (43) 22 ' 03.1933 (44) 25.03.1933 (45) 05.09.1932 Das

bedrohte Judentum; 14.09.1932 Eine jüdische Internationale; 01 ' 04 ' 1e33 Viel Geschrei (46) 05,09.1932 (47) 01.04 ' 1933 cf.C.Mersch op. cit. p.172 (48) 2e,03.1933; 07.04.1e33 (49) 15.04.1933 (50) id. (51) 18.04.1933 (52) id. (53)29.04.1933 (54) 19.04,1933 (55) id. (56) 24.04 ' 1933 (57) 26.07.1e33 (58) Zweimal verweist Esch auf die "Aussage einesKommunisten aus dem Konzentrationslager Heuburg ". "Wir hätten nicht Massenlager, sondern Massengräber geschaffen" (19.04,1933 und 11.05.1933). (59) 24.04.1933; 04.05.1933 (60) 02.05 ' 1933 (61) 06 ' 05.1e siehe TEXT 3 (62) 10.05.1e33 (63)30 ' 06.1933 (64) 01.07.1933 (65) 07.07.1933 (66) 22.05.1933 (67) 03,07,1933 (68) 07.07.1933 siehe TEXT 4 (69)03.07.1933 (70)) id. (71) 07,07,1e33 (72) 26.07.1e33 (73) 14.07.1933 (74) 26.07,1933 (75) 27.07.1933 (76)26.07.1933 (77) 14.07.1933 (78) 26.07.1933 (79) 31.07.1933 (80) 26.07.1933 (81) 27.07.1933 (82) Diese Hoffnung

hat Esch ebenfalls beim italienischen Faschismus in Erwartung des neuen Korporationsgesetzes: 26.10.1e33 (83) 13.10.1e33;18.12.1933 (84) 14.10.1933 (85) 14.12.1e33 (86) 05.12.1e32; 15.04.1933: 03.07.1933 04.08.1933 (88) 14.12,1933(89) id. (90) 17.11.1e33 (91) 14.12.1933 (92) 20.01.1934 (93) id. (94) 13.10.1933 (95) 14.12.1933 (96)14.06.1934 (97) 30.01.1932; 02.02.1933; 13.10.1e33; 18.12.1933 (98) 09.07.1934 siehe TEXT 5 (99) 02.10.7e33

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