johann patroclus möller-orgel

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Festschrift Zur Wiedereinweihung der Johann Patroclus Möller-Orgel in der Abteikirche Marienmünster am 23 . November 2012

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Page 1: Johann Patroclus Möller-Orgel

F e s t s c h r i f t

Z u r W i e d e r e i n w e i h u n g d e r

J o h a n n P a t r o c l u s M ö l l e r - O r g e l

i n d e r A b t e i k i r c h e M a r i e n m ü n s t e ra m 2 3 . N o v e m b e r 2 0 1 2

Page 2: Johann Patroclus Möller-Orgel

Gruß-undGeleitworte

4 Hans-JosefBecker,ErzbischofvonPaderborn 5 HanneloreKraft,MInisterpräsidentindesLandesNordrhein-Westfalen 6 PaterGerdBlickcp,HausobererderPassionisteninMarienmünster 7 HeinrichMicus,LeiterBau-undLiegenschaftsbetriebNRW,Bielefeld 8 RobertKlocke,BürgermeistervonMarienmünster 9 ManfredSeifert,VorstanddesPfarrgemeinderatesSt.Jakobusd.Ä.,Marienmünster

DasFestprogrammvonderOrgelweihebiszum31.12.2012 16 FeierlicherGottesdienstmitOrgelweihe,23.11.2012,17.00Uhr 17 FestkonzertzurWiedereinweihung,23.11.2012,20.00Uhr 18 Magnificat-Vertonungen 18 ZwischenImprovisationundBearbeitung 19 Konzert„InMemoriamGustavLeonhardt“

Beiträge20 EinJuwelderwestfälischenOrgellandschaft Christian Ahrens, Bochum

29 ZurOrgelregionOstwestfalen Prof. Gerhard Weinberger

30 AusdauerundvielGeduldfüreinAbenteuer Patrick Armand, Manufacture d‘Orgues Muhleisen

47 DispositionderrenoviertenMöller-Orgel 50 EinigeSonderfragen–DieMixturen,dieZungenstimmenunddieTemperatur Koos van de Linde

56 LebensstationendeswestfälischenOrgelbaumeistersJohannPatroclusMöller Dr. Wolf Kalipp

60 AusdemDiariumdesAbtesHeinrichSchröder-Dronemann(1483–1548) Hans Hermann Jansen

62 DertreueDiener–ErinnerungenanAlbertBollens64 EineOrgelruineausklassischerZeit(Marienmünster-BesuchsberichtausdemJahr1913)68 „Admultosannos“–20JahreehrenamtlicherEinsatzfürdieKirchenmusik Hans Hermann Jansen

72 Hören–Erkennen–Erfahren Nachwort von Hans Hermann Jansen

Impressum Inhalt

HerausgeberKath.KirchengemeindeSt.JakobusderÄltere,Marienmünster

Konzeption und RedaktionHansHermannJansen,Detmold

Druckxyz

Design, Fotografieonebreaker.de,Paderborn

© CopyrightBeidenAutorenderBeiträgeundAbbildungen

BildnachweiseInEinzelfällenwieanderAbbildungangegeben.

HistorischeFotos:ArchivdesLWLArchivderKulturstiftungMarienmünsterNeuaufnahmen:onebreaker.dePaderborn

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Page 3: Johann Patroclus Möller-Orgel

InOstwestfalen-Lippeistwiedereinerlese-nerMusikgenusszuerleben:NachüberzweijährigerPauseundumfangreichenRestaurierungsarbeitenertönterneutdieOrgeldesWestfalenJohannPatroclusMöllerinMarienmünster.InderehemaligenAbtei-kirchegibtdie,,KöniginderInstrumente”endlichwiederdenTonan!lchbinmirsicher,dassalle42RegisteraufdendreiManualengezogenwerden,damitdieZuhörerinnenundZuhörereinunvergesslichesOrgelspiel–nichtnurzurEinweihung–erleben.

DenndieOrgelvermagwiekeinanderesakustischesInstrumenttiefereundhöhereTönezuerzeugenundistEinzelstimmeundOrchesterineinem.SieberührtdieSeeleundregtdieSinnean,sieerklingtzurEhreundzumLobGottesundbildetinihrereinzigartigenHarmoniedieBrückevonderVergangenheitzurGegenwart.Ichfreuemich,dassdurchdieRestaurierungindenbeinahehistorischenOriginalzustanddasbeeindruckendeKlangbildvonursprüng-lichemCharakterundStimmhöhewiederhergestelltist.

Liebe Schwestern und Brüder in der St.-Jakobus-Gemeinde in Marienmünster!

IhreindenJahren1736bis1768vomLipp-städterOrgelbauerJohannPatroclusMöllererbauteBarockorgelgehörtzudenbedeu-tendstenundklangschönstenInstrumentendieserGattunginunsererRegion.NachfastzweieinhalbJahrenderumfangreichenRes-taurierungkönnenSieamFreitag,dem23.November2012,dieWiedereinweihungIhrerOrgelbegehen.ZudiesemfürIhreGemeindebedeutendenEreignissendeichIhnenmeineherzlichenGlück-undSegenswünsche!

„Wersingt,derbetetdoppelt“–dieseraufdenheiligenAugustinuszurückgehendeAphorismusistnichtnureineRedensart,sonderneineGlaubenserfahrungmit„SitzimLeben“.DavonkündetauchderPsalm150.DieserletztePsalmdesAltenTestamentsisteineinzigesGotteslobderGemeinde,dasjaseitJahrhunderteninunserenBreitendurchdieOrgelunterstütztwird.InPsalm150heißtes:

Halleluja!

Lobet Gott in seinem Heiligtum,

lobt ihn mit dem Schall der Hörner,

lobt ihn mit Pauken und Tanz,

lobt ihn mit Flöten und Saitenspiel!

Lobt ihn mit hellen Zimbeln,

lobt ihn mit klingenden Zimbeln!

Alles was atmet, lobe den Herrn!

Halleluja!

InPsalm150wirdsichtbar:SchonbeimGot-tesdienstdesVolkesIsraelimTempelvonJerusalemhabenMusikinstrumenteeinewichtigeRollegespieltunddenLobpreisderGemeindebegleitet.KönigDavidistbekanntalsDichtersolcherPsalmen,aberauchalsMusiker.DurchseinHarfenspielistesihmgelungen,KönigSaulzubesänftigenundzuerfreuen.Bereitshierwirddeutlich,dassMusikBalsamfürdieSeeleistundetwasmitdemHeil-SeinundGanz-SeindesMenschenvorGottzutunhat.

WennwirMenschenmitGesangundInstru-mentenGottlobenundpreisen,dannistdassicherlicheinederschönstenFormen,dieNäheGotteszuerfahrenundzuihmzube-ten.WerGottlobt–singendundmusizie-rend–derfreutsich,dassesdiesenGottgibtunddasserdieWelterschaffenhat,inderwirleben.DerMensch,deraufdieseWeiseGottlobt,blicktzuihmaufunderkenntan,dassesjemandengibt,dergrößeristalserselbst:den„Deussempermaior“,denimmergrößerenGott–unddassdieserGrößereihmindenAnforderungenundNötendesLebensauchbeistehtundihnhält.SodientunserGotteslobderVerherrlichungGottesundunseremeigenenHeil.

IchwünscheIhnenvonHerzen,dassderKlangIhrerrenoviertenOrgelIhnenauchinZukunftFreudeundGeborgenheitschenktundinallemdieNäheundZuwendungGot-teserahnenlässt.

Ihr

Erzbischof

Hans-JosefBeckerErzbischofvonPaderborn

HanneloreKraftMinisterpräsidentindenLandesNordrhein-Westfalen

SehrherzlichgrüßeichalleKonzertbesucherausNahundFern.LassenSiesichvondenTonhöhenundKlangfarbenderbarockenOrgelpfeifeninderBasilikaverzaubernundgenießenSiedeneinzigartigenKlangderbedeutendenJohann-Patroclus-Möller-OrgelandiesemtraditionsreichenOrt–ganzobeninNordrhein-Westfalen!

Gruß-undGeleitworte

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Page 4: Johann Patroclus Möller-Orgel

„Schönheit ist eines der seltenen Wunder,

die unsere Zweifel an Gott verstummen lassen.“

Jean Anouilh

IchstimmedemWortdesfranzösischenDichtersundDramaturgenJeanAnouilhauseigenerErfahrungzu.DieSchönheitderinihrerArtsovielfältigenundoftkompliziertenNaturvermagdenMenscheninErstaunenzuversetzen,zumSchweigenzubringenundihnsogarzumGlaubenandieSchöpfer-machtGotteszuführen.

VielleichthabenSieauchschoneinmaldieErfahrunggemacht:Musikkanneinfach„schön“sein!Musikkanntrösten,MusikkannzumJubelnundMitsingenreizen,Musikkann,wennsiedie„SaitenmeinerSeele“trifft,michsozumSchweigenbringen,dassichnurnochLauschenderbinundallesandereummichherumüberhöreundvergesse.

DarummöchteichdasWortAnouilhsdemAnlassderOrgelweiheentsprechendabwan-delnundsagen:MusikisteinesderseltenenWunder,dieunsereZweifelanGottver-stummenlassenkönnen.OderandersgesagtmiteinemWortvonBettinavonArnim:„Die Berührung zwischen Gott und der Seele ist die Musik.!“

PaterGerdBlickcpLeiterPfarrverbundMarienmünster

UnsererestaurierteOrgelhat,wennichmichsoausdrückendarf,„Musikinsich“.Wir,dieganzeGemeinde,freuenunsüberdieRes-taurierungderOrgelundsindsehrdankbar,dasssienunnachderlangenZeitdesWar-tensneugeweihtundvorgestelltwerdenkann.Dankemöchteichalldenensagen,diesichindenletztenJahrenfürdieRestaurierungderOrgelstarkgemachthaben.Stellvertre-tendfüralleerwähneichandieserStellePatrickArmand(Manufactured‘OrguesMuhleisen)unddieOrgelsachverständigenProf.ChristianAhrens(Bochum)undRegionalkantorJörgKrämer(Borgentreich).UnserbesondererDankgiltdemLandNRW,besondersdemMinisteriumfürWirtschaft,Energie,Bauen,WohnenundVerkehrNRW,fürdieKostenübernahme.

IchwünscheunserenPfarrangehörigenundallen,dieunsereOrgelinnerhalboderaußer-halbderGottesdienstehörenwerden,dassihrKlangdie„SaitenunsererSeelen“anzu-rührenundsoinSchwingungzuversetzenvermag,dasstraurigeMenschenTrost,Rast-loseRuhe,ZweifelndeZuversichtundfroheMenschenBegeisterungempfinden.

MögeunsereneueOrgelzumLobGottesundunsunddenkommendenGenerationenzurFreudeerklingen.

InderAbteiMarienmünsterbefindetsichdieinunsererRegionwohlbedeutendstehistorischeBarock-OrgeldesbekanntenSoesterOrgelbaumeistersJohannPatroclusMöller.DieOrgelmitihren42Registernundca.2750PfeifengehörtzudengrößtenundklangschönstenBarock-OrgelndesLandes.FürmichsindbesondersdiePositionderOrgelimKirchraumundihreArchitekturbeeindruckend.Siestelltmitihremreichhal-tigenSchmuckeinenkraft-undwürdevollengestalterischenKontrapunktzumAltarundChorgestühlher.

DieRestaurierungdiesesrund280JahrealtenbesonderenInstrumentesisteinePatronatsaufgabedesLandesNordrhein-Westfalen.HistorischgehtdiesePatronats-verpflichtungaufdenReichsdeputations-hauptschlussvon1803zurück.DiemitdiesemletztenbedeutendenGesetzdesHeiligenRömischenReicheseinhergehendenrechtlichenFolgenbildendieGrundlagefürdasheutigePatronat.

FürdenBau-undLiegenschaftsbetriebNRWistdiesmehrfacheAufgabe.

DasLandNRWmussseineMittelimRah-menderDenkmalpflegesorgsameinsetzen.DarüberhinauswarfüralleBeteiligtendieMitwirkungandiesemeinzigartigenWerkeinebesondereHerausforderung.Diedetail-lierteundsorgfältigeVorbereitungmusstehohenAnsprüchenundderQualitätdeshistorischenInstrumentsgerechtwerden.So

wurdedasProjektvonAnfanganaus-schließlichvonausgewiesenenExpertenaufihremGebietbegleitetunddurchgeführt.AmAnfangstandeinGutachten,dasvonderrenommiertenOrgelbauwerkstattKlaisausBonnerstelltwurde.WährendderArbeitenhatProf.Dr.ChristianAhrensalsSachver-ständigerdieRestaurierungbegleitet,bera-tenvomLandschaftsverbandWestfalen-LippemitFrauDr.BarbaraSeifenundHerrnDr.ChristophHeuter.DenSanierungsarbei-tengingeineAusschreibungvoraus.DiesenWettbewerbhatdieManufactured´OrguesMuhleisenausEschauunterderLeitungdesOrgelbaumeistersPatrickArmand,alsausge-wiesenenExpertenfürdieRestaurierunghistorischerOrgeln,gewonnen.SiehatdieArbeitenimLaufederJahre2011bis2012ausgeführt.

Nun,dadieArbeitenunddieIntonationderOrgelbeendetsind,dürfenwirallestolzdaraufsein,dasswiranderRestaurierungdieseskostbarenundeinzigartigenKultur-gutesmitarbeitendurften.Wirhoffenunse-renTeilzumunvergleichlichenHörgenussbeigetragenzuhaben,hoffentlichfürlangeZeit!

HeinrichMicusLeiterderNiederlassungBielefelddesBau-undLiegenschaftsbetriebNRW

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Page 5: Johann Patroclus Möller-Orgel

Liebe Kirchenbesucher, liebe Mitglieder unseres Pastoralverbundes

Eswarjaauchmalschön,demOrganistenbeiderArbeitüberdieSchultersehenzukönnen,abernunistsiewiederdaundbegleitetunsbeidenFeierninderKirche–dieOrgelderAbteikircheMarienmünster.

Irgendwiehatsiejadochgefehlt,malvomCharmederBaustelleabgesehen,wareshaltimmereinBehelf.Ichweißnicht,obSiedenklanglichenUnterschiedzwischenderRestauration1965/66und2012erkennen,ichhabejedenfallsmeineSchwierigkeitendamit,vielleichtfragenSiesichauch:

§ „TatdasdennNot,sovielSteuergeldfürdieInstandsetzungauszugeben?“

§ „BrauchenwirdieOrgelnoch,wennimmerwenigerindieKirchekommen?“

§ „BrauchtdieKirchederZukunft,diebaldRealitätseinwird,soeinmächtigesInstrument?“

ZurBeantwortungderFragenreichteinkurzerBlickindieBeschlüssedeszweitenVatikanischenKonzils,dasunsereheutigeKircheprägtundauchinZukunftLeitfadenallerEntwicklungenseinwird:DieOrgelistnichtnurzurVerschönerungderLiturgievorgesehen,sondernintegrierterTeilderselbenunddamituntrennbarerBestandteilallerliturgischenFeiern.

ManfredSeifertErsterVorsitzenderPfarrgemeinderatSt.Jakobusd.Ältere,Marienmünster

LassenSiesichimmerwiederneudaraufein,GottinderKircheganznahzusein,seineAnwesenheitinderFeierderLiturgiezuspüren,damitdieFeiereineKraftquellefürunsseinkann.DazumögeunsdieOrgeleinhilfreicherBegleitersein.

AndieserStellemöchteichallenDankesagen,diemehrzumGelingenderRestaurierungbeigetragen,alsesderJobgeforderthätte.

SiegehörtebenzurAbtei:DieJohannPatroclusMöller-OrgelinvollemGlanz.

AlsBürgermeisterderStadtMarienmünsterfreueichmichsehrdarüber,dassnachzweiJahrenintensiverRestaurierungnunderKath.KirchengemeindeSt.JakobusinderAbteikircheMarienmünstermitderOrgel-weiheam23.November2012diegroßehistorischeOrgelwiederzurückgegebenwerdenkann.

DaswertvolleInstrumentkanndann,wieschonindenvielenJahren,JahrzehntenundJahrhundertenvorher,MenschenandenOrtführen,derauchdasWappenunsererStadtziert:diedreiTürmederKirchedesehemali-genBenediktinerklostersMarienmünster.Handwerklichvollendet,klanglichbewahrtunddurchdieOrgelmanufakturMuhleisenausStraßburgmeisterlicherneuert,wirddiehistorischeJohannPatroclusMöller-OrgelausdemJahr1738hoffentlichvieleMen-schenimGesangundZuhörenverbindenundsozueinemAnziehungspunktfürdieStadtMarienmünster,fürdieRegionundganzWestfalenwerden.

ImEinklangmitdenebenfallsrestauriertenehemaligenWirtschaftsgebäuden,diezueineröffentlichenBegegnungs-undBil-dungsstättemitmusikalischemSchwer-punktausgebautwurdenundvonderKul-turstiftungbetriebenwerden,hatsichinderAbteiMarienmünstereinePerleimkulturel-lenAngebotunsererStadt,inderKloster-region,imgesamtenKulturlandKreisHöxterundweitdarüberhinausentwickelt.

RobertKlockeBürgermeisterderStadtMarienmünster

Daraufkönnenwirstolzsein.ZusammenmitdenzahlreichenweiterentouristischenAt-traktioneninunseremStadtgebietkönnenwirzeigen,dassdieStadtMarienmünstersehrvielzubietenhat.

WirdankendenbeteiligtenBehördenfürdenprofessionellenundreibungslosenAb-laufderRestaurierungunddenvielenHand-werkernfürihreaufopferndeArbeit.Ichhoffe,dasssiesichhierinMarienmünsterwohlgefühlthaben.

Persönlichfreueichmichaufdiesicherzahl-reichenBesucherundGäste,diesichwiederdurchdieFaszinationdereinmaligenKlang-wirkungunddieAusstrahlungskraftderrestauriertenJohannPatroclusMöller-OrgelinihrenBannziehenlassen.

Marienmünster,November2012

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Page 8: Johann Patroclus Möller-Orgel

Freitag, 23. November

17.00 Uhr Feierlicher Gottesdienst mit OrgelweiheZelebrant:DomkapitularMonsignoreAndreasKurte,PaderbornOrgel:Prof.GerhardWeinberger,München

20.00 Uhr Festkonzert zur WiedereinweihungWerkevonJohannSebastianBachundseinemUmfeldOrgel:Prof.GerhardWeinberger,München

Samstag, 24. November

11.00–13.00 Uhr Führung mit dem OrgelbauerPatrickArmand,Fa.Muhleisen,Straßburg

15.00–16.30 Uhr Vortrag und KlangbeispieleProf.Dr.ChristianAhrensundKooperationspartner,u.a.HfMDetmold

17.00 Uhr Feierliche Vesper – Orgel und GregorianikMagnificat-VertonungenProf.MartinLücker,Frankfurt/M.

20.00 Uhr Zwischen Improvisation und BearbeitungProf.EmanuelLeDivellec,Basel/HannoverBachunddieFranzösischeSchule

Sonntag, 25. November

10.00 Uhr Gottesdienst zur äußeren Feier der Hl. CaeciliazugleichGedenktagdesSel.NilsStensenKirchenchorSt.JakobusMarienmünsterLeitung:HansHermannJansen

17.00 Uhr Orgelvesper am Totensonntag(inmemoriamGustavLeonhardt)KMDDr.FriedhelmFlamme

Samstag, 1. Dezember

20.00 Uhr Lange Nacht der KerzenTaizé-Gesänge

Sonntag, 9. Dezember

17.00 Uhr OrgelvesperProf.TomaszAdamNowak,Münster/Detmold

Freitag, 14. Dezember

19.00 Uhr AdventskonzertmitdemMädchenchorWernigerode

Sonntag, 23. Dezember

17.00 Uhr Orgelvesper am 4. AdventChristophGrohmann,Rheda-Wiedenbrück

Dienstag, 25. Dezember (1. Weihnachtstag)

15.00 Uhr „Ich steh an Deiner Krippe hier“WeihnachtlicheOrgelmusik

Mittwoch, 26. Dezember (2. Weihnachtstag)

15.00 Uhr „In dulci jubilo“Orgelmusikzum2.Weihnachtstag

Sonntag, 30. Dezember

15.00 Uhr WeihnachtskonzertSolisten,KirchenchöreausAltenbergen,MarienmünsterundVörden

Montag, 31. Dezember (Silvester)

20.00 Uhr Musik und Wort zum JahresschlussJosefOhagencp

DasFestprogrammvonderOrgelweiheam23.NovemberbiszumJahresende2012

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Page 9: Johann Patroclus Möller-Orgel

Johann Sebastian Bach

1685–1750

§ Toccata,AdagioundFugeC-DurBWV564

Johann Schneider

1702–1788

(Schüler Bachs)

§ Choralbearbeitung„MeinGott,dasHerzebringichdir“

Carl Philipp Emanuel Bach

1714–1788

(Schüler Bachs)

§ DuettofürzweiFlöten(Mäßiggeschwind)

§ DuettofürzweiClarinetten(Adagiosostenuto–Allegro)

Heinrich Nicolaus Gerber

1702–1775

(Schüler Bachs)

§ InventioG-Dura2Clav.etPedal

§ InventioC-Dura2Clav.etPedal

Johann Sebastian Bach § ConcertoG-DurBWV592nachJohannErnstPrinzvonSachsen-Weimar(ohneTempobezeichnung–Grave–Presto)

Johann Ludwig Krebs

1713–1780

(Schüler Bachs)

DreiChoralbearbeitungen:§ Fantasiasopra„Jesus,meineZuversicht“

§ „WirglaubenallaneinenGott“

§ Fantasiasopra„Freudichsehr,omeineSeele“

Johann Sebastian Bach § PräludiumundFugeD-DurBWV532

Freitag, 23. November 2012, 20.00 Uhr

FestkonzertzurWiedereinweihungOrgel:Prof.GerhardWeinberger,Detmold

Einzug Gemeindelied GLNr.474,1.+4.+5.(ohneOrgel)

Begrüßung

Kyrie-Rufe GregorianikSchola

Weihegebet

Johann Sebastian Bach ToccataundFuged-MollBWV565(1685–1750)

Ansprache

Johann Sebastian Bach „Adagioedolce“F-Dur ausderTriosonateNr.3BWV527

Gebet Psalm150(abwechselndmitderGemeinde)

Hymnus „CoelestisurbsJerusalem“ Gregorianik-Schola

Johann Sebastian Bach Choralbearbeitung"LobedenHerren,denmächtigenKönigderEhren"(Kommstdunun,Jesu,vomHimmelherunter)BWV650

Schlussgebet und Segen

Gemeindelied GLNr.267,1.–4.(mitOrgel)

Johann Ludwig Krebs PräludiumundFugeC-Dur(1713–1780)

Freitag, 23. November 2012, 17.00 Uhr

FeierlicherGottesdienstmitOrgelweiheZelebrant:DomkapitularMonsignoreAndreasKurte,Paderborn

Orgel:Prof.GerhardWeinberger,München

Gregorianik-ScholaMarienmünsterundCorvey

Foto: Burkhard Battran

Page 10: Johann Patroclus Möller-Orgel

ZwischenImprovisationundBearbeitungOrgelkonzertmitEmmanuelLeDivellecAbteikircheMarienmünsterSamstag,24.November2012·20.00Uhr

Magnificat-VertonungenFeierlicheOrgelvespermitProf.MartinLücker,Frankfurt/M.AbteikircheMarienmünsterSamstag,24.November2012·17.00Uhr

inMemoriamGustavLeonhardtOrgelvesperamTotensonntagmitKMDDr.FriedhelmFlamme–AbteikircheMarienmünsterSonntag,25.November2012·17.00Uhr

PräludiumundFugeübereingegebenesThema

PartitaübereinengegebenenChoral

InterludioI

Johann Sebastian Bach

(1685–1750)

PräludiumundFuged-MollBWV1001/539(Präludium:Orgelbearbeitungdes1.SatzesderSonateg-MollBWV1001fürViolinesolodurchE.LeDivellec)

Improvisationeiner“BiblischenSonate”übereinegegebeneGeschichte

InterludioII

Johann Sebastian Bach CiacconaausderPartitad-MollBWV1004fürViolinesolo(OrgelfassungE.LeDivellec)

Eröffnung Schola

Jean Titelouze

(1561–1633)

„Conditoralmesiderum”(3Verse)aus:Hymnesdel’Eglise(1624)

Psalm Schola

Dietrich Buxtehude

(1637–1707)

MagnificatI.toniBuxWV203

Johann Sebastian Bach

(1685–1750)

„MeineSeeleerhebtdenHerren”BWV648

Samuel Scheidt

(1583 – 1654)

Magnificatnonitoniaus„Tabulaturanova“(alternatimmitderSchola)

Arnold Schlick

(1483 – 1522)

„MariazartvonguterArt“

Johann Sebastian Bach FugasopraMagnificatBWV733

Schola

André Raison

um (1640–1719)

Trioenpassacaille(Christeeleison)aus:MesseduPremierTon

Johann Sebastian Bach Passacagliac-mollBWV582

Jan Pieter Sweelinck

(1562–1621)

Fantasiachromatica

Jean Titelouze

(1562/63–1633)

Conditoralmesiderum

Johann Praetorius

(1595–1660)

VaterunserimHimmelreich

Johann Adam Reincken

(1623 [1643?]–1722)

Toccataing

Heinrich Scheidemann

(ca. 1595–1663)

VaterunserimHimmelreich

Matthias Weckmann

(ca. 1616–1674)

Magnificatsecunditoni

Heinrich Scheidemann BenedicamDomino

Vincent Lübeck

(1654–1740)

Praeludium/Postludiumind

Prof. Emmanuel Le DivellecProf. Martin Lücker

Gustav Leonhardt(1928–2012)

war ein niederländischer Dirigent, Cembalist und

Organist.

Die Aufnahmen entstan­den nach seinen zwei

Konzerten am 24. Juli im Rahmen das Kloster­

festivals 2011 in Marienmünster und

Corvey.

KMD Dr. Friedhelm Flamme

Thema 1 für Präludium und Fuge:Francois Couperin, Basse de Trompette aus

Messe á l‘usage des ParoissesAusgewählt von Prof. Martin Lücker

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Page 11: Johann Patroclus Möller-Orgel

EinJuwelderwestfälischenOrgellandschaftundeinklanglichesMeisterwerk–dieMöller-OrgelinderAbteikircheMarienmünsterChristian Ahrens, Bochum

EinJuwelderwestfälischenOrgellandschaft

DieGeschichtederOrgel

DieJohannPatroclusMöller-OrgelinderAbteiMarienmünstermit42(heute:42+2)RegisternaufdreiManualenundPedalistzwarnichtdiegrößtebarockeOrgelWestfa-lens,undsiebesitztauchkeinehistorischenSpringladenmehr(diesewurdenbeieinerRestaurierung1920/21zuSchleifladenum-gebaut).Dennochistsieeinaußergewöhn-liches,unvergleichlichesInstrument.Immer-hinstehtsienochimmeranjenemPlatzundinjenemRaum,fürdieMöllersieseinerzeitkonzipierthatte;ihrProspektistweitgehendoriginalerhalten,esgibtkeinerleisubstan-ziellespätereZutaten;rund80%ihrerPfeifenstammenvonMöller,anihnener-folgtenimLaufederJahrhunderte,vergli-chenmitanderenOrgelnderRegion,nursehrgeringeEingriffe.

ErrichtetwurdedasOrgelwerk1736–38vonJohannPatroclusMöller(1698–1772)ausLippstadt,einemderberühmtestenOrgel-bauerderRegion.EstratandieStelleeinerkleineren,1677–79erbautenOrgelvonAndreasSchneiderausHöxter,diedannverkauftund1737indieKlosterkirchezuBrakel-Gehrdenumgesetztwurde.MöllerwareintraditionellarbeitenderOrgelbauerundhieltauchinseinemWerkfürMarien-münsteranderaltertümlichenSpringladen-konstruktion( jezweiSpringladenfürHaupt-werk,RückpositivundPedal)fest;dasBrustwerkhatteeineSchleiflade,dienochheuteexistiert.DieOrgelwurdeimLaufederJahrhundertezwarimmerwiederrepariertundinTeilenaucherneuert,dochbliebenwesentlicheBauteiletrotzallerEingriffeerhalten.DieoriginalenPfeifenmiteinemBleianteilvonca.99,5%sindüberwiegendineinemgutenZustand,Bleifraßbeispielswei-sezeigtsichnurganzvereinzelt.EshandeltsichmithinnichtnurumeinehistorischbedeutsameOrgel,sondernzugleichumeinesderambestenerhaltenenZeugnissedesbarockenOrgelbausinWestfalen.

DieletztegrundlegendeRestaurierungderMöller-Orgelerfolgte1966durchdieFirmaFranzBreil,Dorsten,unterderLeitungdesdamaligenOrgelsachverständigendesLWLMünster,Prof.Dr.RudolfReuter(1920–1983).SeinBestrebenwares,allespäterentechni-schenZutaten,insbesonderejene,diebeiderRestaurierung1920/21durchdieFirmaAntonFeith,Paderborn,eingebautwordenwaren–u.a.einepneumatischeBetätigungderRegisterschleifen;festeKombinationen;SpieltischmitSpiel-undRegistertraktur;StummschaltungvielerProspektpfeifenundPlatzierungderErsatzpfeifenimGehäuse–zuentfernenunddenvermutetenur-sprünglichenZustand,auchinBezugaufdie

Die Johann Patroclus Möller­Orgel in der Abteikirche Marienmünster

ca. 1913, Archiv des LWLDas Innere der Abtei kirche Marienmünster nach Westen

mit der Johann Patroclus Möller­Orgel, ca. 1913, Archiv des LWL

Schneider­Orgel von 1677–79 in der ehem. Klosterkirche Gehrden

Ein Juwel der westfälischen Orgellandschaft

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Page 12: Johann Patroclus Möller-Orgel

Historisch nachweisbare Reparaturen und Restaurierungen

um1790 keineInformationenüberArtundUmfang 1823 Johann Isvording, Soest

(keineInformationenüberArtundUmfang) 1856 Albert Bollens

SanierungnachUmbaudesWestturmsunddendabeientstandenenSchäden› NeueBälge(durcheinenTischler;Aufstellunghinter

demWerk)undWindkanäle› StöckeundVentileüberarbeitet,teilweiseerneuert› Pfeifenabgetragen,gereinigt,Schädenbehoben› TastaturundRegistraturrepariert› StimmungundIntonation

[fol.166r:„mussfrisch,kräftigundangenehmwerden“]› KeineVeränderungderDisposition!

1879 Andreas Döhre (Vorschlag1877erarbeitetvonA.Bollens)› einigeDispositions-Änderungen,u.a.:PedalregisterSubbaß16’

undGedackt8’(gekoppelt)aufseparaterLadehinterdemGehäuseneu;einigeRegisterdurchneueersetzt;weiteregeplanteErsetzungenhochliegenderRegisterkonntenwegenPlatzmangelsnichtdurchgeführtwerden

1891 Andreas Döhre 5Registerrepariert

1896 Andreas Döhre› Choralflöte1’(Pedal)entfernt› NeuesGebläse

1903 Andreas Döhre› Gehäusevergrößert› MechanikundWindanlageüberholt

1904 Andreas Döhre› MechanikundTraktur

1912 W. F. Stegerhoff› Prospektpfeifenvon„Staniol“(Silberfolie?)entferntund

mitSilberbroncegestrichen 1920/21 Anton Feith ErheblicheEingriffe,aberWahrungderGrundsubstanz

(vgl.Dispositions-Tabelle)› (doppelte)SpringladendesHauptwerksundPedalszu

Schleifladenumgebaut;SpringladendesRückpositivsdurchKegelladenersetzt

› neuerSpieltisch

Disposition,zurekonstruieren(derOrgel-bauvertragexistiertnicht,esgibtdaherkei-neauthentischenDispositionsaufzeichnun-gen).ObschoneinigeDetailsnichtrestlosgeklärtwerdenkonnten,warR.ReuterderÜberzeugung,dassbeiderRestaurierungvon1966derOriginalzustandderOrgel–auchhinsichtlichderAnordnungderPfeifenimGehäuseunddessenäußererGestaltung–wiederhergestelltwordensei.

InderVorbereitungderjetztabgeschlosse-nenRestaurierunggingeszunächstvorallemdarum,eineBestandsaufnahmedesPfeifenwerksvorzunehmen(siewurdevomVerfasserundvonDr.Hans-WolfgangTheo-bald,OrgelbauKlais,durchgeführt),diedenanderAusschreibungbeteiligtenFirmenfürihrAngebotandieHandgegebenwurde,sowiedieverfügbarenhistorischenDoku-mentenocheinmalzusichtenundderenInformationengenauestenszuüberprüfen.Dabeizeigtesich,dasseineQuelle,dieR.Reuterfürproblematischhielt,sehrbedeut-samist:dieDispositionsaufstellungundBeschreibungderOrgel,diederLehrerundOrganistinMarienmünster,AlbertBollens(1816–1894),1880anlegte.A.Bollensspielteimmerhinannähernd50Jahrelang,von1843biszuseinerPensionierungimJahre1890,dieseOrgel.Erhatsieauchtechnischbe-treut,gewartetundingeringemUmfangrepariert,zudemgenosserbeiseinenZeitge-nossenalsOrganistundOrgelexpertehohesAnsehen.AusheutigerSichtbestehtkeinZweifeldaran,dassseineBeschreibungalseinesderbedeutendstenDokumentezurGeschichtedieserOrgelzubewertenist.ImÜbrigenhatA.BollensnichtnurminutiösArtundUmfangjenerReparaturenprotokol-liert,die1879vonderFirmaAntonDöhre,Steinheim,ausgeführtwurden,sondernsiedurchentsprechendeGutachtenundVor-

schlägevorbereitetundmaßgeblichbe-stimmt.DöhresKostenanschlagvon1877liegtebensovor,wiederseinesKonkurren-tenAugustRandebrock,Paderborn,von1878,dersehrvielweitergehendeVerände-rungenempfahl,letztlichabernichtzumZugekam.BeideOrgelbauerlegtenjeweilseineZustandsbeschreibungderOrgelvor,diemitdenAngabenvonA.Bollensvollständigübereinstimmt.DieserUmstandunddieTatsache,dassdiegenaueUntersuchungderOrgelimLaufederRestaurierungseineAn-gabenbestätigten,bestärktendenSachver-ständigenunddieOrgelbauerdarin,dieseQuellederRestaurierungunddemVersuch,dieOrgelaufihrenvermutlichenOriginalzu-standzurückzuführen,zugrundezulegen.

ImÜbrigenwurdenauchdievonihmmitge-teiltenRegisterbezeichnungenübernom-men,dakeineauthentischenausderZeitderErbauungdesOrgelwerksüberliefertsind.

DieaktuelleRestaurierung

ZieldergesamtenMaßnahmewardieWie-derherstellungderOrgelunddieRückfüh-rungaufdenvermutlichenOriginalzustand.Dabeigaltes,folgendedenkmalschützeri-scheGesichtspunktezuberücksichtigen:

1. SoweitwiemöglichRespektierungderoriginalenSubstanzderOrgel.Dabeiwurden,andersalsbeiderRestaurie-rungvon1966,auchVeränderungendes19.Jahrhundertsaufgrundihrerhistori-schenDimensionalsbewahrenswertangesehen,soweitsiealsspätereZuta-tenerkennbarbliebenunddieGesamt-substanzderOrgelnichtnegativbeein-flussten.

› einigeProspektpfeifenwurdenstummgemacht,anihrerStellesprachenPfeifenimInnerndesGehäuses

› EinfügungeinesSubbass16’;obeinSalicional8’eingefügtwurde,wieineinemGutachtenvon1919angedeutetundineinerBeschreibungvon1930behauptet,istunklar;1966waresjedenfallsnichtmehrvorhanden

› Stiefel,KehlenundZungennachdenhistorischenVorbildernerneuert

› Stimmtonhöhe(ca.465Hz=ca.½TonüberNormstimmtonhöhe)beibehalten;gleichschwebendeTemperierungeingestimmt

1950 (keineweiterenInformationen) FehlendeProspektpfeifenersetzt 1966 Franz Breil ErheblicheEingriffe,obschondieRestaurierungund‚Rückführung

aufdenOriginalzustand‘intendiertwar(vgl.Dispositionstabelle)› u.a.Spiel-undRegistertrakturerneuert;Gehäuseverkleinertund

ZugangzurEmporeverlegt;infolgedessenSpieltischasymmet-rischpositioniert;KegelladendesRückpositivsdurcheineneue,durchgehendeSchleifladeersetzt

› vermuteter‚originaler’Subbass16’rekonstruiert;Pfeifenteilweiserepariertundbearbeitet(dabeiMaterialtreue,wiebeianderenerneuertenRegistern,nichtgewahrt);sämtlicheZungen,Kehlen,StiefelundNüsse(alleTeilevonderFirmaGiesecke,Göttingen)erneuert

› relativwenigeEingriffeindiePfeifensubstanz:einigeAnlängungen/Kürzungen;einigeLabialetiefergesetzt;Kastenbärte;dievonFeithseinerzeitstummgemachtenProspektpfeifenwurdenwiederklingendgemacht

› StimmtonhöheundgleichschwebendeTemperierungbeibehalten

2003 Orgelbau Klais› StabilisierungeinerProspektpfeife

(Cis,Principal16’/Pedal) 2010–2012 Manufacture d‘Orgues Muhleisen WeitgehendeRückführungaufdenquellenmäßigbelegten

Originalzustand› zusätzlichePedalregistervon1879rekonstruiertundauf

separaterLadeinstalliert› dauerhafteStabilisierungallergroßenProspektpfeifen

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Ein Juwel der westfälischen Orgellandschaft

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EinJuwelderwestfälischenOrgellandschaft

Page 13: Johann Patroclus Möller-Orgel

2. SoweitwiemöglichRückführungaufdenZustandvon1738.DabeimusstedieersteMaximeebensoberücksichtigtwerdenwiediejuristischeVorgabe,dassdieOrgelzu95%liturgischgenutztwirdunddasvornehmsteZielderRes-taurierungdarinlag,dieErfüllungdie-serFunktionsicherzustellen.Ausdie-semGrundwareneinigeKompromisseerforderlich,diebeieinerkonsequentundausschließlichandenkmalschütze-rischenForderungenorientiertenRes-taurierungnichtnotwendiggewesenwären.

DesWeiterenwarzuberücksichtigen,dassdasKlangbildderOrgelvorBeginnderRes-taurierungnachdemUrteilrenommierterOrganistenundOrgelsachverständigermusikalischvollaufüberzeugenkonnte.DasBemühenmusstedaherdaraufgerichtetsein,diesenQualitätsstandardunterallenUmständenmindestenszubewahrenbzw.ihn,womöglich,zuverbessernunddemvermutetenOriginalzustandanzunähern.Dassetztevoraus,dieBefundeandenori-ginalenPfeifenohneEinschränkungzures-pektierenundsiezumAusgangspunktfüreinebehutsameRückführungaufdenMöl-ler-Klangzunehmen.NichtdieÜbertragungeinervorgefasstenKlangvorstellungaufdieOrgelwardasZiel,sonderndieRekonstruk-tiondesvermutlichen‚Originalklanges’aufderBasisdessen,wasjedeeinzelnePfeifedemgeübtenIntonateuranspezifischenInformationenvermittelt.Dazugehörtenichtzuletzt,dassbeispielsweisedieBefun-dezurAufschnittshöheernstgenommenwurden,selbstwennsiedenheutigenVor-stellungenkeineswegsimmerentsprachen.

Undesgingschließlichdarum,anhandderBestandsaufnahmedesPfeifenmaterialsjeneungleichschwebendeTemperierung

herauszufinden,diemiteinigerWahrschein-lichkeitalsoriginalzugeltenhat.Daswarmöglich,weilbeidenRestaurierungen1920/21und1966zwareinegleichschweben-deTemperierunggelegtwordenwarundmandiemeistenPfeifenentsprechendge-kürztbzw.verlängerthatte,aberimmerhinca.10%inihrerOriginallängeerhaltenblieben.

ImHinblickaufdieseAufgabenundGrund-sätzederRestaurierungerfolgte,nachaus-führlichenDiskussionenvorOrtmitallenvieranderAusschreibungbeteiligtenFir-men,dieAuswahlderManufactured’OrguesMuhleisenmitihremGeschäftsführerPatrickArmandundihremChef-IntonateurJean-ChristopheDebély.DieEntscheidungführtenichtnurzueinerengen,vertrauens-vollenundsehrinspirierendenZusammen-arbeit,sondernauchzueinemErgebnis,dasichinjederHinsichtalsüberzeugendemp-finde.DasgroßeInteresseallerFirmen-Mit-arbeiterfürdieseOrgel,ihrbesonderesEn-gagementbeiallenauszuführendenArbeiten,dieIntensität,mitderdieSpuren-sucheandenOriginalteilenbetriebenwur-de,warenständigspürbarundbeeindruck-tenmichsehr.Ichbinsicher,dassdiesesInteresseundEngagementsichauchimEndergebnisniederschlagenunddassdasResultatderRestaurierungalle,diedieMöl-ler-OrgelnachAbschlussderRestaurierunghörenundspielen,überzeugenwird.ZudenZielenderRestaurierunggehörteesauch,dieüberauslabilenProspektpfeifendau-erhaftzusichern,dasieinihremZu-standvorderRestaurierungeinepotentielleGefahrenquelledarstellten(2003drohteeinePfeifeherabzufallenundmussterepa-riertwerden).InfolgedeshohenGewichtsvonmaximalca.60kgneigtensämtlicheProspektpfeifenin16’-Lage,dazudiegröße-

renin8’-Lage,vonBeginnanzumZusam-mensinkenundmusstenimLaufederZeitimmerwiederstabilisiertwerden:teilsdurchaufgelöteteVerstärkungenausBlei,vor-nehmlichandenundumdieLabialie,teilsdurchZinkeinsätze.AlsdauerhaftesteunddiePfeifenamstärkstenentlastendeLösungbotsichdieAufhängungmittelsStahlseilenanmassivenMetallstrebenan,dieoberhalbderTürmeanderWandbefestigtwurden.DasaufdenPfeifenfüßenlastendeGewichtkonntedadurchsoweitreduziertwerden,dassnachmenschlichemErmessenkeineGefahrmehrbestehtundeinweiteresAn-bringenvonVerstärkungsvorrichtungenaufdenPfeifeninZukunftnichtmehrnotwen-digseinwird.

DieOrgelundihreBesonderheiten

BeiBetrachtungderDispositionwirder-kennbar,dasssichdieMöller-Orgelzwarnurwenig,jedochinspeziellerWeisevonande-renWerkenderZeitinWestfalenunterschei-detundinsoweiteinebesondereOrgelbau-Konzeptionwiderspiegelt.HinzukommentechnischeDetails,diederZusammenstel-lungderDispositionnichtzuentnehmensind,denKlangdesInstrumentesabernach-haltigbestimmen.

Zunächstfälltauf,dassTerzenundterzhalti-gegemischteStimmeneinebesondereBe-deutunghaben.IstdasRückpositivnurmiteinerSequialteraversehen,soverfügtdasHauptwerksogarüberdreiderartigeRegis-ter:dieTerz31/5’,dieSesquialteraunddasCornett;obderjetztdisponierteTerzchorderZimbelauthentischist,lässtsichnichtmitletzterSicherheitsagen(vgl.dazudenBei-tragvonKoosvandeLinde).

WasdieeinzelnenWerkebetrifft,soistbe-merkenswert,dassdasHauptwerkkonse-quentaufdemPrincipal16’aufbaut.DiesesRegisterbildetauchimübertragenenSinnedasFundament:esistinderunterenOktavedeutlichweitermensuriertalsdieOktave8’unddaherindieserLagetragfähigeralsjenesRegister.DashängtnatürlichmitdenPlatzverhältnissenzusammen–dasPrincipal16’stehtimProspekt,dieOktave8’imOrgel-gehäuseaufdensehrengdimensioniertenWindladen–dürfteaberdenästhetischenVorstellungendesOrgelbauersentsprochenhaben.DennMöllerwandtediesesPrinzipinabgewandelterFormauchimRückpositivan:dessenBasisistdasPrincipal8’,esstehtebenfallsimProspektundistweitermensu-riert(fürCfastdreiHalbtöne!)alsdieOktave8’imHauptwerk.UnddasCderOktave4‘imRückpositivistfastsoweitwiedasderOkta-ve8‘imHauptwerkund1HalbtonweiteralsdasderOktave4‘imHauptwerk.

IndiesenGegebenheitenspiegeltsicheinzweitesMöllerschesDispositionsprinzipwider:dasRückpositivistderakustisch-klanglicheGegenpolzumHauptwerk.DabeinimmtesgleichsameineZwitterstellungein.EsistzwarschwächerbesetztalsdasHauptwerk,seinKlangistjedochaufgrundderPositionierunginderBrüstungvomHö-rerimRaumdirekterwahrnehmbarundvonderFülleherdemdesHauptwerksmindes-tensebenbürtig.EseignetsichdahernichtnurzurVerwendungim‚klassischen’SinnealsEchowerk,sondernauchhervorragendfürbesondereräumlicheKlangwirkungeninderAbstufungNah–Fern.DaseigentlicheSolowerkistdasBrustwerk.BeiderRestau-rierung1966warendiebeidenoriginalenTürenanderVorderfrontdesGehäusesmit-tigvordasBrustwerkgesetztworden,ob-schonhistorischeFotosbelegen,dasssie

Dokumentierte Zustände der Möller­Orgel vor der Restaurierung 2010Fotos: H.H. Jansen

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sichvorderRestaurierungdurchFeith1920/21nochanihremursprünglichenPlatzbefanden:jeweilsunmittelbarnebendenDurchgangstürenzurEmpore,außerhalbdesSpieltisches.Diese,heutewiederrekonstru-iertePlatzierungdämpftdenKlangaustrittganzerheblich,namentlichfürdenOrganis-ten,undvermitteltihmsoeinvielbesseresGefühlfürdieDynamikabstufung.

DerKlangdesHauptwerkswirdeinerseitsbestimmtdurchdiehochliegendeZimbel4f.,diedemWerkeinenSilberklangverleiht,andererseitsdurchdie(Groß-)Quinte52/3’unddie(Groß-)Terz31/5’,diebeidezurFär-bungundzurSteigerungderKlangfüllebeitragen.EsscheintdiesedeutlicheBeto-nungdesHauptwerk-Fundamentsgewesenzusein,dieimletztenDritteldes19.Jahr-hundertsdenWunschnacheinemzusätzli-chenSubbassimPedalaufkommenließ,der1879gemeinsammiteinemGedackt8’aufeinerseparatenLadehinterdemGehäuseerrichtetwurde–dieserZusatzwurdeingleicherWeiseundentsprechenddenüber-liefertenMensurenrekonstruiert.

EinbesonderesKennzeichendieserOrgelistnichtzuletztdieTatsache,dassalleLagenvom16’biszum1’vertretensind,selbstimPedal.HiermanifestiertsichMöllersbeson-dereKlangästhetik.Erverzichtetaufeinzweites,leises16’-Register(Subbass)undfügtdafüramanderenEndederTonhöhen-skalaeine2’-Zunge(Cornet)undeineFlötein1’-Lage(Choralflöte)ein.BeideRegisterbegünstigendieGestaltungvirtuoserPedal-partieninbesondererWeiseundverleihendemPedalklangeineganzeigeneFärbung.DasssowohlimBrustwerkalsauchimRück-positivjeweilszweiQuintregisterdisponiertsind–inersteremals11/3’,inletzteremals22/3’–hatbisindiejüngsteZeitzuDiskussio-

nendarübergeführt,obdiese‚Verdoppe-lung’tatsächlichMöllersÄsthetikentsprä-che.TatsächlichistdieKombinationjeeinerQuinteinPrinzipal-undinFlötenmensuraberdurchaussinnvoll,weilsiedieMöglich-keitenähnlicherRegistrierungsprinzipienaufunterschiedlichenKlang-undDynamik-stufenvergrößert.InderTatsinddiePfeifenderQuintflötendeutlichweiteralsdiederQuinten:fürCbetragendieWerte(Innen-durchmesser)imBrustwerk41,8mmzu25,8mm,imRückpositiv66,2mmzu50,8mm.

DerUmfangderManualevonC,Dbisc3entsprichtdenNormenderZeit.Derchro-matischeUmfangdesPedals(C–d1)mitdemCisisthingegenungewöhnlich,seineAu-thentizitätgaltbiszurjetzigenRestaurie-rungalsumstritten.Zunächstistfestzuhal-ten,dassdasCisimPedalindenRestaurie-rungsberichtenvon1879alsbereitsvorhandenbezeichnetistundjeglicherAn-haltspunktdafürfehlt,dassesbeieinerfrü-herenReparatureingebrachtwordenseinkönnte.DieletzteaktenkundigegrößereMaßnahmeerfolgte1856durchA.Bollens.ErdürftetechnischnichtinderLagegewesenwäre,denEinbaudererforderlichenPfeifenunddenUmbauderPedalladendurchzufüh-ren.ZudemhätteereinesolcheMaßnahmeohnejedenZweifelinseinerChroniker-wähnt.ÜberdieserbrachtediesorgfältigeUntersuchungderPedal-WindladenundderVentiledenBeweis,dassdieBohrungenundÖffnungenfürdenTonCisoriginalsind.UndschließlichzeigensichwederimMaterialnochindenMensurenderPfeifenCisresp.CoderDUnterschiede.IndenRegisternNachthorn4’,denChörenderMixtur6f.sowieimPrincipal16’tragenPfeifendesTonsCisimübrigenTonbezeichnungenindersel-benHandschriftwiedieübrigenMöller-

Pfeifen.DerAmbitusdesPedalsmussmithinalsauthentischangesehenwerden.

DieDokumentationderRestaurierungsarbeiten

BeidenRestaurierungen1920/21und1966wurdenoffenkundignichtgezieltFotosan-gefertigt,umdenjeweiligenZustandvorBeginnderArbeitensowiedieseselbstfürzukünftigeGenerationenfestzuhalten;ent-sprechendesMaterialstehtjedenfallsheutenichtzurVerfügung.Eineumfassende,ge-schlosseneTextdokumentationzurletztenRestaurierungexistiertnicht,dochhatR.ReutergeradedieArbeitenanderMöller-OrgelinMarienmünsterinmehrerenseinerPublikationenrelativausführlichdargestellt.FreilichlassensichvieleseinerEntscheidun-genheutenichtmehrnachvollziehen,zu-dembleibtderZustandvorderletztenRes-taurierungweitgehendunbekannt.UmgenaueInformationenüberdenZustandderOrgelvorihremAbbau2010auchfürzu-künftigeArbeitenbereitzustellen,wurdeeinedetaillierteBestandsaufnahme–unterEinschlussvonAufmessungenderPfeifenundderenZustandsbeschreibung–erarbei-tetundeineumfangreicheFotodokumen-tationerstellt;siesindbeimLWLMünsterhinterlegt.ZudemerfolgteeineKlangdoku-mentationvonEinzeltönenvorundnachderRestaurierung.DieTonaufnahmenwurdenvondenTonmeisternMatthiasKockundMariaAnufrievunterLeitungvonProf.Dr.MalteKob,HochschulefürMusikDetmold,erstellt.SiewerdenvomVerfassergemein-sammitdemDiplom-PhysikerDr.-Ing.Se-bastianSchmidt,Bochum,ausgewertet,sobalddieVergleichsaufnahmennachAb-schlussderRestaurierungvorliegen.

Schlussgedanken

JedeRestaurierungunterliegtdenbesonde-renVorstellungenihrerZeitundhatderenAnsprüchenzugenügen.Unddennochneh-mendiejeweilsVerantwortlichenfürsichinAnspruch,ihreArbeitensozusagenneutral,mitallerSorgfaltundObjektivitätausge-führtunddenWillendesErbauerssoweitwiemöglichrespektiertzuhaben.Ange-sichtsderTatsache,dassspätereGeneratio-nenzumeistschonmitgeringemzeitlichemAbstandzueineranderenBewertungkom-men,wäreesvermessen,wenndiejetztVerantwortlichenbehauptenwollten,esseigelungen,denOriginalzustanddieserherrli-chenOrgelvollkommenunduneinge-schränktwiederherzustellen.ZumeinengabesäußereZwänge,diebeiallenEntscheidun-genberücksichtigtwerdenmussten.ZumanderenfehleneinfachzuvieleInformatio-nenübertechnischeDetailseinerMöllerOrgel–entscheidendeBauteileundErkennt-nissesindimLaufederZeitverlorengegan-gen.Zumindestaberlässtsichdaraufverweisen,dassdieEntscheidungentranspa-rentundnachvollziehbargemachtwurdenundderZustandvorderRestaurierungum-fassenddokumentiertist.SobestehtdieHoffnung,dassspätereGenerationendieEntscheidungsprozessewenigstensnach-vollziehenkönnen,selbstwennsiederenErgebnissekritischbeurteilen.SiesolltenbeiderBewertungfreilichGoethesWort:„EsirrtderMensch,solangerstrebt“bedenken,dasganzsicherauchfürdiesesProjektundalledaranBeteiligtengilt.

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Page 15: Johann Patroclus Möller-Orgel

Anmerkungen1 Vgl.hierzuKlausDöhring,„JohannPatroclusMöl-

ler“,in:BarockeOrgelkunstinWestfalen.EineAusstellunginnerhalbdesFestivals„BarockinWestfalen“zum300.GeburtstagvonJohannConradSchlaun,hrsg.vonHannaloreReuter,Münster1995,S.66–73,sowieWolfKalipp,„JohannPatroclusMöller(1698–1772).GipfelpunktbarockerOrgelbaukunstinWestfalenoder:„BewahrenimFortschreiten“beikunsthandwerklich-künstleri-scherAuseinandersetzung(auch)mitwestfäli-schen(Denkmal-)Orgeln.EinEssayzum300.Geburtstag1998desbedeutendenOrgelbaumeis-ters“,in:300JahreJohannPatroclusMöller.OrgelnundAlteMusikinWestfalenundLippe.1.Festival5.bis20.September1998,hrsg.vonWolfKalipp,Soest1998,S.15–23.

2 ZurVorgeschichtederMöller-OrgelinMarien-münstervgl.RudolfReuter,„DieOrgelbautenderAbteiMarienmünster“,in:Marienmünster1128–1978,[Marienmünster1978],S.73–86,hierS.73–78(DispositionundKontraktS.76f.);dieQuellenhattebereitsJohannesLinneborn(„ZurGeschichtederOrgelnimehemaligenBenediktinerklosterMari-enmünsterinWestfalen“,in:Caecilienvereinsor-gan49(1914),Hft.1,S.168–170)veröffentlicht.ZuAndreasSchneidervgl.GerhardAumüller,„AndreasSchneider“,in:BarockeOrgelkunstinWestfalen.EineAusstellunginnerhalbdesFestivals„BarockinWestfalen“zum300.GeburtstagvonJohannConradSchlaun,hrsg.vonHannaloreReuter,Münster1995,S.43–49.

3 RudolfReuter,„DieOrgelbautenderAbteiMarien-münster“,S.84f.;esheißtdortjeweilsüberderrechtenSpalte:„Zustand1738und1967(Zutaten1967inKlammern)“.AlsZusätzevon1967sindjedochlediglichdieTremulanteninRückpositivundBrustwerksowiedieKoppelnangeführt,dieDispositionselbsthieltR.Reuterfürauthentisch.ZurdamaligenRestaurierungskonzeptionvgl.seinenAufsatz„DertechnischeAblaufdereinzel-nenRestaurierung“,in:ders.,DieOrgelinderDenkmalpflegeWestfalens1949–1971(Veröffentli-chungenderOrgelwissenschaftlichenForschungs-stelle,Nr.4),Kasselu.a.1971,S.80–87,hierS.81–84.DieDispositionsangabenineinerweiterenPubli-kationvonR.Reuter–OrgelninWestfalen.Inven-tarhistorischerOrgelninWestfalenundLippe,Kasselu.a.1956,S.159ff.–differierenetwaszudeneninderPublikationvon1978.

4 R.Reuter,„DieOrgelbautenderAbteiMarienmünster“,S.83.

5 SchulchronikzuMarienmünster;angelegtvonAlbertBollens,Januar1880;StadtarchivMarien-münsterSign.C604,insbesondereS.16–22.

6 Vgl.J.Werpup,„LehrerAlbertBollens“,in:Mittei-lungsblattStadtMarienmünster21(2008),Nr.7,25.7.2008,S.10.DerknappeArtikelbasiertaufeinschlägigenQuellenimStaatsarchivDetmold.

7 LandesarchivNordrhein-Westfalen.AbteilungOstwestfalen-Lippe(Detmold),Sign.D4DNr.215,Bd.1+2„KirchezuMarienmünster–Unterhaltung,Restaurierung,Dächer,Türme“[1853–1889],fol.542r–544r.;fol.550r–552;Datum:11.11.1877;dazuNachtragvonSuperrevisorJuliusSchneidervom11.2.1878(fol.229v–230r).

8 Ebd.,fol.565r–573v;Datum:17.6.1878.

9 DieseReparaturistnichtgenaudatiertundnurbeiläufigerwähntineinemBerichtvom16.6.1823(ErzbischöflichesGeneralvikariat,Bd.72rot,fol.391r/v;),indemdieDurchführungderaktuellenReparaturdurch„Esparding“[i.e.Isparding/Isvor-ding]angekündigtwird.

10ZurOrgelbauerfamilieIsvordingvgl.HannaloreReuter,HistorischeOrgelninSoest,Münster2009,S.13.JohannIsvordingwarderSchwagervonJ.P.Möller.

11DerKostenanschlagvonA.Bollensincl.derDispo-sitionbefindetsichimLandesarchivNordrhein-Westfalen,AbteilungOstwestfalen-Lippe(Detmold),Sign.D4D,Bd.1,fol.165r–166r;Datum:15.7.1856.

12DatumderRechnungStegerhoff:1.1.1913;dieArbei-tenwarenimSeptember1912erfolgt(PfarrarchivMarienmünster,KlosterkircheIII.KlostergebäudeI.).DiebereitsvonR.Reuter(„DieOrgelbautenderAbteiMarienmünster“,S.79)zitiertefrüheChronikderAbtei(ErzbischöflichesGeneralvikariatPader-born,Codex28,fol.9v/10r)legtwegendessehrhohenBetrages,derdemMalerJohannNepomukausBrenckhausen„proauroetargentummalleatis[geschlagen]“gezahltwurde,denSchlussnahe,dassnichtnurdasOrgelgehäuse,sondernauchdieProspektpfeifenursprünglichmitSilberfoliebelegtwaren.SpureneinerFoliierungsindheutenochsichtbar;dassessichumeinespätereArbeithan-delt,lässtsichquellenmäßignichtbelegenundistausfinanziellenGründenziemlichunwahrschein-lich.EineRekonstruktionderFoliierungwarange-

sichtsdervertraglichfestgelegten,fastausschließ-lichliturgischenFunktionderOrgelinderAbteinichtmöglich.

13DieVorbereitungenzudieserRestaurierungunddieVerhandlungenmitderFirmaA.FeithhattennochwährenddesKriegesbegonnen,dieMaßnah-meließsichjedocherstnachKriegsenderealisie-ren.

14PfarrarchivMarienmünster,KlosterkircheIII.Klos-tergebäudeI.,OrdnerOrgel1916–1921;GutachtenvonProf.Thiel,Berlin,vom15.1.1919.Thielbefürwor-tetedenVorschlagFeiths,„dieschwachintonierteGambe8’diesesManualsineinSalicional8’umzu-wandeln“.

15Fr.ArminWiese,„DiealteOrgelzuMarienmüns-ter“,S.9–12,hierS.10f.;R.Reutererwähntsieje-denfallsnicht.

16Hervorhebenmöchteichebenfallsdievertrauens-volleZusammenarbeitmitdenVertreterndesLWLMünster–Dr.BarbaraSeifen,Dr.ChristophHeuter–,demzuständigenVerantwortlichendesBLBBielefeld–Hans-PeterBeyer–,demOrganisten–HansHermannJansen–,PaterGerdvonderAbteiMarienmünstersowiedenMitgliederndesVereinsderOrgelfreundeMarienmünster.

17FürdieRekonstruktioneinzelnerTeiledesGehäu-seswarenhistorischeFotosimArchivdesLWLMünsterbedeutsam,dieausderZeitvorundnachderRestaurierungvon1920/21stammen.

EinigepersönlicheGedankenzurOrgelregionOstwestfalen

DieOrgellandschaftOstwestfalenisteineeigenständigeKulturregionmiteinerlangenOrgeltradition,diebisinsMittelalterzurück-reicht.DieOrgelinOstönnenunddieSpätre-naissance-OrgelinSt.MarieninLemgo,bei-dezwischenzeitlichhervorragendrestauriert,gehörenzudenältestenerhalte-nenInstrumenten-auchwennz.T.nurnochwenigoriginalesKlangmaterialvorhandenist.InteressantistdieBeziehungzumnie-derländischenOrgelbau,dessenEinflüsseimmerwiederbeiOrgelninWestfalenspür-barist.BedeutendeOrgelbauerwiedieFa-milieBader,dieFamilieSlegelausZwolle(GeorgSlegelbauteinLemgo),dieFamilieKlausing(JohanBerenhardKlausingbautediegutrestaurierteOrgelinOelinghausen),dieFamilieKröger,dieFamilieReinkingoderAndreasSchneider,derdieimmernochaufdieRestaurierungwartendeOrgelinCorveyschuf,wareninWestfalentätig.ZweifellosderbedeutendstewestfälischeOrgelbauerdes18.JahrhundertswarPatroclusMöller,der„OrgelbauerausLippstadt“,wieersichinSignaturenbezeichnete.InMarienmünsterbauteer1736–38eineseinerklangschönstenundgrößtenOrgeln.

AlledieseInstrumentesindoftverändertworden,vorallemim19.und20.Jahrhun-dert.KeinInstrumentistheuteimvölligenOriginalzustandvorhanden.DieseVerände-rungen,diebesondersdieKlanggestaltbe-treffen,warendenInstrumentenmeistensnichtdienlich.NochindenfünfzigerundsechzigerJahrendes20.Jahrhundertsres-taurierteman–oftinUnkenntnisderhisto-rischenGegebenheitenundauchinGering-schätzunggegenüberdemhistorischenMaterial–ineinerausheutigerSichtschwernachvollziehbarenArtundWeise.

ManmussdendamaligenOrgelbauernaller-dingszugutehalten,dassmanbeiRestaurie-rungeneinenanderenAnsatzverfolgteundvielesorgeltechnischundorgelwissenschaft-lichnochnichtbekanntunderforschtwar.Alsichvorfast30Jahren1983andieHoch-schulefürMusikDetmoldberufenwurde,wardieSituationderhistorischenOrgelninderRegionsehrschlecht.AufdereinenSeitegabesinvielenaltenKirchenbeeindrucken-deOrgelprospekte,aufderanderenSeitewarbeimSpielenderInstrumentedasklanglicheResultatmehralskläglich.GeradediebeidenParameter,diefüreinenOrganis-tensehrentscheidendsind,nämlichdieklanglicheAussagedesInstrumentssowohlinseinerGesamtheitalsauchinseinenEin-zelstimmenunddieSpieltechnik,dieeinehochdifferenzierteArtikulationmöglichmachensoll,warenbeiallenhistorischenInstrumentendefizitär.

ZurOrgelregionOstwestfalen

Prof. Gerhard Weinberger

DadurchergabensichfürKonzerte,fürCD-Aufnahmenoderz.B.auchfüreinenkünstle-rischhochstehendenOrgelunterrichtweni-gePerspektiven.

Umsoerfreulicheristes,dassnunnachfast30JahrenOrgelnzurVerfügungstehen,dienachneuestenwissenschaftlichenErkennt-nissenhervorragendrestauriertwurden.IchdenkedabeivorallemandieInstrumenteinBorgentreich,inLemgoundjetztinMarien-münster.DieseInstrumentesindwiederzudemgeworden,wassieeinstwaren:großar-tigekünstlerischeSchöpfungenbedeuten-derOrgelbauerderVergangenheit.Sieer-klingeninersterLinie„admajoremDeigloriam“unddannauchzurFreudevielerMenschen.Sieerlauben,dieWerkevonKom-ponistendes16.,17.und18.Jahrhundertsstilgerechtunddamitendlichwiedersoerklingenzulassen,wiesieeinstvondiesenMeisternintendiertwaren.DadurcherfährtdiewestfälischeOrgellandschaftnichtnureinegroßeBereicherung,sondernwirdauchwiederzudem,wassieeinmalwar:einebedeutendeOrgelregioninderMitteDeutschlands.

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EinJuwelderwestfälischenOrgellandschaft

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AusdauerundvielGeduldfüreinAbenteuerGedankendesOrgelbauersPatrickArmand–Manufactured’orguesMuhleisen,Straßburg

FürunsereWerkstattbeganndasProjektMarienmünster–ohnedasswirdieswuss-ten–imHerbst2008.Prof.ChristianAhrensstatteteunseinenBesuchab,ohneunsKonkretessagenzukönnen…NachseinemBesuchvergingen8Monate,biswirwiedervonihmhörten.Daerfuhrenwir,dasswirdemnächstdazuaufgefordertwerdenwür-den,einAngebotfürdieRestaurierungderberühmtenPatroclus-Möller-OrgelvonMarienmünsterabzugeben.UrsprünglichwareinersterBesuchderOrgelfürdenSom-mer2009vorgesehen,dochdadieFinanzie-rungnichtgeklärtwar,begabichmicherstimMärz2010nachMarienmünster,uminBegleitungvonProf.AhrensdasInstrumentkennenzulernen.

DerersteKontaktmitderAbteiwarma-gisch:beiderAnfahrtwurdeichvonderSchönheitdesOrtesgefangengenommen,dieKirchtürmeerschienenzwischendenBäumenundwiesenaufdieeinigeKilome-terentfernteAbteihin.NatürlichhatteichmichvorherüberdieGeschichtedesOrtesunddesInstrumentesinformiert,denAus-schreibungstextgenaugelesen,dochkeinArtikeloderFotohattenmicherahnenlas-sen,welcheAtmosphärederRuheunddesGleichgewichtesvondiesemOrtausgeht.DieProportionenderKirche,ihreHelligkeitundForm,ihrebescheideneseitlicheEin-gangstür,fürdiemanerstdenFriedhofüberquerenmuss,dochauchihreaußerge-wöhnlicheAkustik,sindfürmichAusdruckeinereinfachen,unprätentiösenSchönheit.

AufdenFotoshattemichdasInstrumentdurchseinmajestätischesGehäusemitdenbeiden16’-Registernbeeindruckt,dochichwarüberrascht,alsichvorOrtfeststellte,dassdieOrgelüberhauptnichtdominantwirkteundsichaufeineharmonischeArtundWeiseindasGebäudeintegrierte.

AlsichmichandenSpieltischsetzte,warenmeineerstenKlangeindrückeähnlicherArt:nachderLektürederDispositionundderBeschreibungderOrgelhatteichscharfe,sehrdirekteKlangfarbenerwartet,starkausgeprägteObertöne,sogareinegewisseHärtedesKlanges!Dochstattdessenhörteichsehrweiche,rundeKlänge(zweifellossogaretwaszudunkel),einKlanggleichge-wicht,welchesdemunsererneuenOrgelnerstaunlichnahekommt!Kurz,ichwarüber-wältigtvondemPotential,welchesichschonerahnthatte.

Natürlichwarnichtallesindiese„rosaroten“Farbtönegetaucht!DemAnschlagmangelteesanPräzision,underwarsehrschwergän-gig,derWindhattekeinerleiLebendigkeit,zahlreichePfeifenfunktioniertensehrschlechtoderüberhauptnicht…SofortnachmeinenerstenBlickenindasInnerederOr-gelwarichsehrüberraschtüberdengutenZustanddesPfeifenwerkesundvorallemdarüber,dassesbisaufselteneAusnahmenkeinerleigrößere,sichtbareVeränderungengab(beiwievielenähnlichenOrgelnwurdensystematischdieAufschnitteniedrigerge-setztunddiePfeifenfüßeübertriebenweitgeöffnet?).IchverbrachtezweiTagedamit,alleTeiledesInstrumentesgenauzuunter-suchenundmichmitProf.ChristianAhrensüberdasRestaurierungsprojektauszutau-schen.

GemeinsammitunserenMitarbeiternwur-dedasAngebotwährendmehrererWochensehrgenaustudiertundausgearbeitetundimMaiabgegeben.WiesooftaufdemGe-bietderRestaurierung,lagdieSchwierigkeitdarin,dassmandieGesamtheitdernotwen-digenArbeitensopräzisewiemöglichbe-schreibenundabschätzenmusste,obwohlzahlreicheDetailsnochnichtbekanntwaren,

danochzahlreicheRecherchenausgeführtwerdenmussten.Ichdenke,dasseinederStärkenunseresAngebotesdarinbestand,dasswirkeinvorgefertigtesKonzeptvorge-legthaben,beiwelchemalleDetailsschonfestgelegtwaren,sonderndasswirunsen-gagierten,unsereArbeitdemanzupassen,waswirbeiderDemontageunddemgenau-enStudiumdesInstrumentesentdeckenwürden.

DieWartezeitwarlang.Am27.August2010erhieltenwirmitgroßerFreudedieBestäti-gungunseresAngebotes.MeineersteEnt-scheidungbestanddarin,eineReisefürun-seregesamteBelegschaftzuorganisieren:ichfandesunerlässlich,dassalleMitarbeiterunsererWerkstatt(eingeschlossenderMit-arbeiterinnenderAdministration)denOrtunddasInstrumentkennenlernenkonnten,bevordasAbenteuerderRestaurierungbe-gann.WährendeinesWochenendesEndeSeptemberfuhrenwirmiteinemBusdurchdiespektakulärenHerbstfarbennachMari-enmünster,wowirmiteinemprivatenKon-zertvonFriedhelmFlammeverwöhntwur-den.AufdieseWeisekonntesichjederMitarbeiter,jenachseinerSpezialisierung,aufdiefürihninteressantenTeiledesInstru-menteskonzentrierenundseineEindrückesowohlmitProf.Ahrens,derauchfürdieseGelegenheitangereistwar,alsauchmitdemTitularorganistenHans-HerrmannJansenoderdenMitgliederndesOrgelvereinsaus-tauschen.EinefestlicheMahlzeitim„Klos-terkrug“markiertedensymbolischenBeginnunseresAbenteuers.AndiesemWochenendekonntenwirauchunserenAufenthaltsortkennenlernen,wowirwährendderArbeitenwohnenwürden:derAuftraggeber(BLBNRW)hatteverlangt,dassdasPfeifenwerk(ausgenommendieZungenregister)vorOrtundnichtinderWerkstattrestauriertwer-

densollte.WirwurdenindenGebäudenderehemaligenAbteibeherbergt,sowurdeauchandieTraditionangeknüpft,dassdieOrgelbauerinderGemeindebeherbergtwurden,wiefrüherüblich.IchmöchteandieserStelleallenPersonendanken,dieunsdieseUnterkunftermöglichthaben,jedochauchdenFamilienunsererMitarbeiter,wel-chewährendderlangenWochendieserAr-beitenderenAbwesenheithinnehmenmussten.IchhabemeineMitarbeitergebe-ten,einigepersönlicheZeilenüberdieseaußergewöhnlicheArbeitzuschreiben.Diesistnachfolgendzulesen.

Manvergisstesoft,dochderErfolgeinersolchenArbeithängtanderQualitätjedeseinzelnenKettengliedesdesTeams.Weiteruntenkommendie„Techniker“zuWort,dochdiegesamteArbeitwurdeauchdurcheinegutematerielleOrganisationundadmi-nistrativeBegleitungermöglicht,dieeben-fallsvonvergleichbarerQualitätseinmusste.DieswurdevondreiPersonenausgeführt:Annett Jehmlich(derenEindrückeweiteruntenzulesensind),Clarisse El Hajjami,EnkeltochterdesWerkstattgründersErnestMuhleisenundtreueMitarbeiterin,diefol-gendesschreibt:

„Nach intensiven Recherchen und zahl­reichen Monaten der Arbeit hier in der Werk­statt und vor Ort er­strahlt die wunderbare Orgel der Abtei wieder in ihrer ursprünglichen Pracht. Vor allem möch­te ich die exzellente

und sehr angenehme Zusammenarbeit mit den für dieses Projekt verantwortlichen Personen hervorheben, die es erlaubt hat, dieses außerge­wöhnliche Vorhaben zu einem guten Ende zu

Clarisse El Hajjami

Patrick Armand

Spieltisch vor der Restaurierung 2010/12

Ausdauer und viel Geduld für ein Abenteuer

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führen. Ich glaube, dass alle Mitarbeiter des Hau­ses Muhleisen dadurch sehr reiche Erfahrungen gewonnen haben.“DiedrittePersonistdieSekretärinSophie Grieshaber,dievorallemfürdieLogistikderReisenverantwortlichwarunddieauchanderReisezumBeginnderArbeitenteilgenommenhatte:

„Die Entdeckung der historischen Orgel von Marienmünster war der Ausgangspunkt von einzigartigen professio­nellen Erfahrungen. Während der zwei Jahre dauernden Arbei­ten wurden sehr kom­plexe historische und

wissenschaftliche Recherchen durchgeführt, welche zum Schriftwechsel mit deutschen, fran­zösischen und holländischen Experten führten. Wenn die Orgel in den Mauern der Abtei wieder erklingt, kann sich der Großteil der Zuhörer si­cherlich kaum vorstellen, von welcher Komplexi­tät die ausgeführten Arbeiten sind. Sie werden sicherlich die Ästhetik und den Klang schätzen, und vielleicht sind einige neugierig genug, um nach technischen Details zu fragen …“

DieStudien(1660Arbeitsstunden)

Am6.Oktober2010begannenwir,aktivzurSachezurgehen:eswarvorgesehen,vorderDemontageakustischeStudienanzuferti-gen,daentschiedenwerdensollte,obdiePedalladeneventuellwiederhinterderOrgelaufgestelltwerdensollten.Außerdemsolltedarüberentschiedenwerden,obesnotwen-digsei,hinterderOrgeleineWandeinzuzie-hen.DieseMessungenwurdengemeinsammiteinemTeamvonWissenschaftlerndesFraunhofer-InstitutesStuttgartdurchge-führt:nachdemwirMessungenfürdieReso-nanzkurvederKirchenakustikdurchgeführthatten,wurdeüberNachthinterderOrgeleineprovisorischeWanderrichtet.DanachwurdenalleMöller-Register,welchesichaufdenWindladenimUnterbauderOrgelbe-fanden,TonfürTonaufgenommen.DieseAufnahmenwurdenanschließendmitderHilfevonLautsprechernsehrhoherQualitätvonverschiedenenPlätzenaufderEmporeauswiederabgespielt.FürjedenderPlätzewurdedieResonanzdesGebäudesanvierOrtenanalysiert(Spieltisch,MittedesKir-chenschiffs,SeitedesSchiffsundChorraum).AnschließendwurdedieHälftederprovisori-schenWanddemontiertunddiegesamtenMessungenwiederholtundschließlichnocheinmalmitderkomplettdemontiertenRück-wand.Insgesamtwurdenmehrals2300Messungenausgeführt!Anschließendha-bendieWissenschaftleralledieseMessun-genimLaborausgewertetunddarüberei-nenBerichtverfasst.DurchdieMessungenwurdebewiesen,dassdieKlangabstrahlungderRegisterindieKirchekaum(sogutwiegarnicht)verändertwerdenwürde,wenndieWindladenhinterderOrgelaufgestelltwürden.Dochvorallemkamheraus,dassesnichtempfehlenswertist,einehintereWandeinzuziehen,dadadurchdasKlangvolumen

desPedalsbeträchtlicherhöhtwerdenwür-de.DieseMessungenhabenaucherlaubtfestzustellen,welchenklanglichenEffektdieinderAusschreibungverlangtenzweizu-sätzlichenRegisterSubbass16’undGedackt-bass8’habenwürden(dieseRegisterwaren1878vonDöhrezugefügtworden,zwischen-zeitlichverschwunden,undsinddochTeilderGeschichtediesesInstrumentes).AndiesenTagenderAkustik-Messungenhabeichauchdavonprofitiert,vonjedemTonjedesvorhandenenRegisterseineAudio-AufnahmezumZweckderArchivierungzumachen.DiegleichenAufnahmenwurdenauchamEndederArbeitenausgeführt.WirverfügensoüberdieeinzigartigeMöglich-keit,denKlangjedereinzelnenPfeife(oderPfeifengruppe,beidenzusammengesetztenRegistern)imZustandvorundnachderRes-taurierungzuvergleichen(undwennnötig,zuanalysieren).

WährenddesMonatsNovember2010wur-dendiegesamtenPfeifenausgebautundkomplettvermessen.Insgesamtwurdensofast30.000MessdatenundAnmerkungeninTabellenaufgenommen.Nebendemmu-seologischenunddenkmalpflegerischenInteresseandieserArbeithabenunsdieseMessungenerlaubt,insHerzderKonzep-tions-undKonstruktionsmethodenderMöl-ler-Pfeifenvorzudringen.Ziemlichschnellwurdeunsklar,dasssicheinebeträchtlicheAnzahlvonPfeifennichtmehranihremursrpünglichenPlatzbefanden(vorallemdiekleinstenPfeifen,welchemanleichtver-wechselnkann).ImZugederverschiedenenAusreinigungenundRestaurierungenwur-densiedermaßenumgestellt,dassrechtaufwändigeArbeitendesSortierensnot-wendigwurden.DetaillierteStudienderSignaturenerlaubtenuns,allePfeifenwiederanihrenursrpünglichenPlatzzustellen.

UnserIntonateur,Jean-ChristopheDebèly,schreibtweiterhintenimArtikelüberseineEntdeckungenundEindrückebeidiesemSchlüssel-KapitelunsererRestaurierung.

Gleichzeitigbesuchtenwirmehrals20Ver-gleichsorgelnderRegion,fuhrenbisnachHolland,inBegleitungvonProf.AhrensOSV,undDipl.-Ing.ArchitektHans-PeterBeyer,stellvertretenderAbteilungsleiterBLBNRW.Wirmusstenfeststellen,dasszahlreicheInstrumente,dieals„historisch“bezeichnetwerden,nurnochsehrwenigeoriginaleElementeenthalten,diealsReferenzundModellfürdieverschwundenenTeilederMöller-Orgeldienenkönnten.Einederinter-essantestenEntdeckungenmachtenwiraufdemDachbodenderJesuitenkirchevonBü-ren,wozwischen1838und1887eineMöller-Orgelvon1742installiertwar,dieursprüng-lichausderKirchevonGesekestammte.VerteiltimSchmutz,fandenwirzahlreicheMechanikteile:WellendöckchenundWellen-ärmchen,Eiche-AbstraktenmitLedermut-tern,Holzwinkel(diedenenimOrgelmuse-umvonBorgentreichglichen,welchesebenfallsbesuchtwurde)undselbsteineManualtaste.DieseElementeerlaubtenesauch,denmaximalenQuerschnittder

WellenderSpielmechanikzurekonstruieren.DiekompletteneueMechanik,diewirfürdieRestaurierungrealisierthaben,basiertaufdiesenkostbarenModellen.

Am29.NovemberbegabsicheineMann-schaftvon5PersonenvorOrt,umalleinne-renTeilederOrgelzudemontieren(dasGe-häusebliebamPlatz,daesauseinereinzigenFassadebestand,welcheindenGebäudemauernverankertunddahernichtdemontierbarwar).GemäßdemAusschrei-bungstextwurdenalle„modernen“Elemen-tevon1967entsorgt(MechanikteileausPlastikundAluminium,WindkanäleausSpanplatten,moderne,zweiarmigeManual-klaviaturen,etc.).WährendderDemontageerkanntenwir,dass,obwohldieWindladedesRückpositivs1967neugebautwurde,dieWindladenstöckevonälterenWindladenstammten!Wirentschieden,dieseWindlademitindieWerkstattzunehmenundanhandderStöckediezukünftigenLadenzurekonst-ruieren.

DieStudienderMöller-LadendesHaupt-werksunddesPedalswarenziemlichlangundkomplex:wirwolltenmitdergrößtmög-lichenExaktheitherausfinden,welcheUmbautenandiesenLaden(ursprünglichSpringladenundspäterzuSchleifladenumgebaut)durchgeführtwordenwaren.AnmehrerenProbestückenwurdendendro-chronologischeUntersuchungendurchge-führt(durchdasLabordesLouvreinParis),umherauszufinden,auswelchenEpochendieunterschiedlichenTeiledieserWindladenstammten.NachmehrerenWochenvonRecherchenundDebattenwurdeentschie-den,dasobereFundamentbrett(von1921)zuerneuern,umandieserStelledieDichtigkeitgarantierenzukönnen.Weiterhinwurdeentschieden,einenTeildermitVinylleim

(welcherzueinerKorrosionderBleipfeifenführenkann)bedecktenTeilezuersetzenundaufdenPedalladendieoriginaleDispo-sitionwiederherzustellen.WährenddieserArbeitenlösteichauchdasRätselder28vorhandenenTonkanzellen,VentilenundBohrungenindenPedalladen,dessenPfei-fenwerkjedochnuraus27Tönenbestand!BeiderletztenRestaurierungwurdendiePedalladen„seitenverkehrt“eingebaut.DeshalbsahsichderOrgelbauergezwun-gen,eineBohrungfüralleRegisteraufderCis-Lade(diezurC-Ladegewordenwar)hin-zuzufügenunddieBohrungendesd’aufderC-Lade(welchezurCis-Ladegewordenwar)zuverschließen.DurchdieseFeststellungwurdevieleslogisch:dieBasspfeifenbefan-densichwiedervornamGehäuse,wodurchdieLängederKonduktenzudenPedaltür-menwesentlichkürzerwurde,dieursprüng-lichen(zugesetzten)EingängederWind-kanälefandensichwiederamhinterenTeil,wasauchviellogischerwar.WährenddieserStudienhabenwirgleichermaßenfestge-stellt,dassdurchdieWiederherstellungderoriginalenDispositionunddieRückführungderLadenaufihrenursprünglichenPlatzdieseaufeinesehrlogischeWeiseimUnter-bauderOrgelplatziertwerdenkonntenundtrotzdemaufjederSeiteeinZugangzumSpieltischerhaltenblieb.

DurchwiederholtesBetrachteneinigerunszurVerfügungstehenderArchivfotos,stellteichfest,dassdiegeschnitztenTürendesBrustwerkesursprünglichnichtinderMittedesUnterbausangebrachtwaren(wiebeiderDemontagevorgefunden),sondernlinksundrechtsdavon.DurchdieseFeststellungkonnteichmiteinergewissenSicherheitdieFormdesUnterbaus,diePlatzierungderBalkenundderDurchgängesowiediePlatzierungdesSpieltischesrekonstruieren.

Sophie Grieshaber

Akustische Messungen

Fundstücke vom Dachboden der Jesuitenkirche Büren: Mechanische Teile als nützliche Vorlagen

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Ausdauer und viel Geduld für ein Abenteuer

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Ausdauerundviel GeduldfüreinAbenteuer

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WährenddieserBeobachtungenhabeichauchentdeckt,dassdasGehäusedesRück-positivskomplettumgebautwordenwar(1921oder1967):dadieOriginalladenersetztwordenwaren,wurdendieneuenLadenhöheralsdievonMöllergelegt.AlsKonse-quenzmangelteesanHöhefürdieSchall-becherderZungenregister.DieDeckendesMittelturmeswurdendeshalb1967erhöhtunddenAußenkantensogarkleineHolz-kistenaufgesetzt,umdielängstenPfeifenabzudecken.

ZumAbschlussdiesesKapitelsüberdieStu-dienbeschreibtAnnett Jehmlich,diefürdieRedaktionderdetailliertenDokumentationverantwortlichwar,ihreEindrücke:«Als ich die ersten Bilder dieser großartigen Orgel sah und einiges über ihre Geschichte und das Restaurierungsprojekt gelesen hatte, war ich sofort in den Bann dieses Projektes gezogen. Hier sollte eine Königin wirklich wieder in ihrem ur­sprünglichen Glanz auferstehen, ohne dass dafür Mühen gescheut würden. Eine solche Arbeit ausführen zu dürfen, ist der Traum vieler Orgel­bauer! Durch ihre Größe und das Vorhan­densein von Original­substanz, die es so nicht noch einmal gibt, ist diese Orgel ein ganz besonderer Schatz. Ich empfand es als große Ehre und Herausforderung für unsere Werkstatt, dass uns diese Arbeit anvertraut wurde. Es war sehr angenehm, dass alle Beteiligten offen, acht­sam und professionell vorgingen, so dass bei sich er gebenden Fragen gemeinsam die beste Lösung gefunden werden konnte. Diesem Instrument fühle ich mich auf besondere Weise verbunden und freue mich auf viele schöne Konzerte.»

DasGehäuse(1020Arbeitsstunden)

DadieGehäusefrontvoreinigenJahrenrestauriertwordenwar,warennurkleinereReparaturenvorgesehen.Jedochwarwäh-rendder1967erfolgtenRestaurierungderOriginal-Unterbauersetztwordenundbe-fandsichnichtmehranseinerursprüngli-chenStelle:esgabnurnocheineneinzigenDurchgang,umzumSpieltischzugelangen,welchernichtmehrinderMittestand,Ver-setzungdergeschnitztenTürendesBrust-werkes,VeränderungderDecken,Versetzung

derRückseite…NachlangenRecherchenundÜberlegungen,denkenwir,dasswirdenOriginalzustandwiederhergestellthaben.EinTeildieserRecherchen(vorallemüberdasRückpositiv)wurdevonunseremKolle-genMarcus Stahlausgeführt,welcherunsmehrmalswährendderDauerderRestaurie-rungsarbeitentatkräftigunterstützte.Erschreibtdarüberfolgendes:„Nachdem ich während einer ganzen Woche damit beschäftigt war, das Gehäuse der Orgel zu vermessen, zu zeich­nen und zu fotografie­ren, möchte ich Sie dazu ermutigen, den Blick in aller Ruhe und nicht nur für einen Moment auf das Werk zu richten: Zerlegen Sie den Prospekt gedank­lich in seine Einzelteile und Grundformen, suchen Sie nach Linien, Spiegelungen, Rhythmen, nach Spannung und Ruhe, Strenge und Verspielt­heit... Was Sie sehen, werden Sie auch hören und spüren.“ Mankanndavonausgehen,dassdasHauptwerkzuMöllersZeitenwedereineDeckenocheineRückwandhatte.JedochwurdeausnaheliegendenGründendesSchutzesundderErhaltungbeschlossen,dieseElementezurealisieren.UmeineEin-heitlichkeitzuwahren,schlugichvor,derneuenDeckedesHauptwerkesdiegleicheFormwiederdesPositivszugeben.DieRückwandundDeckendesLetzterenwarenauchersetztworden,umdenOriginal-zustandwiederherzustellen.

WirhattenamhorizontalverlaufendenHauptbalken,derinderHöhederHaupt-werksladenverläuft,kleineEinschnittefest-gestellt.NachdemwirlangeZeitüberihremöglicheFunktionnachgedachthatten,(ihregeringeGrößehätteesnichterlaubt,darinhölzerneTragebalkenzuplatzieren),wurdeesfürunslogisch,dasssiefürEisen-stangenvon40x40mmgeschnittenwaren,

welchedasGehäusedurchquertenundso-garaufdemNiveauderPfeifenstöckedieProspekttürmedurchbrachen,umaufsehrgeschickteWeisedasGewichtderPfeifenzutragen.SelbstwennihreAnordnungnichtperfektsymmetrischwar(einigemmAbwei-chung),erlaubtenihreAbstände,dieHaupt-werkswindladenaufihnenzuplatzieren!Sokonntenwirsehrwahrscheinlichden

ursrpünglichenPlatzderWindladenundihrerWindversorgungrekonstruieren.Letzte-refunktionierteübereinenzentralenWind-kanal,derbeiderletztenRestaurierungent-ferntwordenwar(damalswarendieLadenengnebeneinanderliegendangebrachtworden).

Annett Jehmlich

erkennbare Durchgänge und Türen auf Archivfotos

Marcus Stahl

Dies könnte eine Zeichnung sein, oder so.

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1967waranderRückseitederEmporenbrüs-tungundunterdengeschwungenen,ge-schnitztenFüllungendesHW-UnterbauseinesehreinfachgearbeiteteVerkleidungangebrachtworden.WirschlugenwährendderArbeitenvor,dieseVerkleidungdurchRahmenundFüllungenausMassivholzzuersetzen,indenendieSchwüngederBrüs-tungunddesGehäusesweitergeführtwur-den.DiesetechnischsehranspruchsvolleArbeitwurdemitBravourdurchPierre-HenriLautrealisiert,einemSchreinergesellenaufWanderschaft,deraufseinerTourdeFranceaucheinigeMonateinunsererWerkstattgearbeitethat.DurchihnlerntenwireinehistorischeArbeitstechnikkennen,beiderdasHolzgebogenwird,nachdemesmittelsWasserdampferhitztwurde.SozeigensichheutedieSeitendesSpieltischsinEinklangmitdemrestlichenGehäuse.Erschreibt:„IchhabefürdieseOrgelviergroßegeschwunge-neTeileausEichehergestellt.DieBesonder-heitdieserTeileist,dasssiemitHilfevonDampfgebogenwerden.DasPrinzipbestehtdarin,dasHolzmittelsWasserdampfzu

erhitzen.HatdasHolzstückdienotwendigeZeitimDampfverbracht,genügtes,dasStückaufeineFormzuspannen,welchevorherangefertigtwurde.DadurcherhaltendieseTeileihrenunverwechselbarenStil,weildieseTechnikheutepraktischnichtmehrangewendetwird.Ichbinglücklich,anderRestaurierungdieserOrgelteilgenommenzuhaben.AuchanderHerstellungderre-konstruiertenPfeifenkonnteichteilnehmen,indemichvonHandeinigeMetallplattenabgezogenhabe.“

UmdasPfeifenwerkzuschützen,wurdenvierdurchbrochengearbeiteteFüllungenangefertigt,diesichaufdenbeidenSeitenderbeidenDurchgängebefinden,diezumSpieltischführen.

AlleTeiledesUnterbaus,diesichanderPros-pektseitebefinden,wurdeninderTechnikdes„falschenMarmors“angemalt,inspiriertvondenhistorischenTeilendesGehäusesundderEmporenbrüstung.DieMotiveunddieFarbenwurdenvondenVerantwort-

lichendesDenkmalschutzesfestgelegt.DieseArbeiten(sowiedieReinigungundSicherungderSchnitzereien)wurdenvonderFirmaArsColendiGmbHausgeführt.

DieWindladen(3180Arbeitsstunden)

Selbstwennesbewiesenist,dassdieWind-ladendesHauptwerksunddesPedals,diewiralsSchleifladenvorgefundenhaben,ursprünglichSpringladenwaren,bestandvonSeitendesDenkmalschutzeseinKon-sensdarüber,nichtzudiesemZustandzu-rückzukehren.EssolltederZwischenzustandvon1921restauriertwerden.DieWindladenwarenbeimAbbaumitkleinenMembranenausZiegenlederversehen,welchesichaufdenWindladenfundamentenundunterdenStöckenbefanden.HiermitsollteandieserStelleeinebestmöglicheDichtigkeitge-währtwerden,dasichdieTeilederLadenimLaufderJahrhunderteverzogenhatten.DieserechtsinnvolleTechnikwarabernichtkonformmiteinemInstrumentdes18.Jh.Deshalbwurdebeschlossen,dieseMembra-

nenzuentfernenundneueFundamenteausmassiverEicheanzufertigen,nachdemdieKanzellenundStöckeüberprüftwurden.DieSchleifenausPlastikwurdennatürlichwie-derdurchsolcheausEicheersetzt.EsgabeinelangeDebatteüberdieübertriebengroßenSpielventile(62mmfürdasCdesHW!).AuchwenndieDimensionierungorigi-nalist,habenwirsehrdaraufbestanden,dieKanzellenbreitezureduzieren(ohnedieOriginalventilezuverändern),damitdieTrakturnichtzuschwergängigwird.AuchwennunsereVersuchegezeigthatten,dassmandieKanzellenauf20mmhätteverklei-nernkönnen,akzeptiertederDenkmalschutzletztendlicheineReduzierungderersten17Kanzellenauf30mm,wasimmernocheinziemlichhoherWertistundwodurchderimmernochschwereAnschlagaufdiesemManualerklärtwird–auchwennervielangenehmeralsvorderDemontageist.NachdemdieLadendesHWkomplettres-tauriertwaren,verliefendieWerkstattversu-chejedochnichtzufriedenstellend:ummög-lichstvielehistorischeTeilezuerhalten,war

zuerstbeschlossenworden,diealteWind-ladenunterseitemitderVentilauflagezubelassen.Leiderstelltesichheraus,dasses,vonaußenunsichtbar,verstecktimInnerenderWindladedermaßengroßeRisseimHolzgab,dasseszwischenvielenKanzellenDurchstechergab,trotzderkomplettneuenAbdichtungmitWarmleim,diewirdurchge-führthatten!SomusstenwirwiedereinigeSchrittezurückgehen,dieneubeledertenVentileabreißenunddasuntereFundamentersetzen,indergleichenTechnikwiedasobere.DiezweiteTestserieverlieferfolgreich.NurzumVergleich:dieRestaurierungdieserLadenkostetedasDoppelteanZeit,diemanzurHerstellungvonidentischenneuenLadenbenötigthätte!

FürdieverschwundenenLadendesRückpo-sitivswurdebeschlossen,zweineueLadenzubauen,dochdiealtenStöckezunutzen,diesehrwahrscheinlichvonderMöllerschenOriginalladestammten.DieDispositionderRegisterdesRPistdaherso,wiesie1736gewesenseindürfte.

DieLadedesBrustwerkswardiejenige,dieimLaufederJahrhunderteambestenerhal-tenbliebundnursehrwenigverändertwur-de.WirhabendieBelederungkompletter-neuert,diePlastikschleifenvon1967durchsolcheausEicheersetztundeinneuesWind-ladenfundamentausmassiverEicheeinge-baut(dieseswurdeaufPapieraufgeleimt,damitesreversibelist),umDichtigkeitundlangeLebensdauerzugarantieren.GemäßdemWunschdesDenkmalschutzeswurdenzweikleineZusatzladengebautundzwischendemMöller-GehäuseundderBalg-anlageaufgestellt,woraufSubbass16‘undGedacktbass8‘platziertsind,welchealsKopiederRegistervonDöhrevon1878angefertigtwurden.

GastonMarx,dergemeinsammitDavidBleusethauptsächlichanallenWindladengearbeitethat,teiltunsseineEindrückemit:„Seitich1976indieWerkstattkam,habeichanvielenProjektenmitgearbeitet,Restaurie-rungenundNeubauten.EsgabimmerBe-schränkungen,diemanrespektierenmusste,dochbeidenArbeitenfürMarienmünstererreichtediesfürmichbisdahinunbekannteDimensionen!WirließeneinigeWindladen-teilemittelsDendrochronologiedatieren,umdieunterschiedlichenEtappennachvoll-ziehenzukönnen,inwelchendieTeileverän-dertwordenwaren.Wirbemühtenuns,diehistorischenTechnikenundMaterialiensoähnlichwiemöglichanzuwenden,damitderOriginalzustandwiederhergestelltwerdenkonnte.WirwohntenindenGebäudenderehemaligenAbtei,wasunserlaubte,ge-meinsammitdenKollegenentspannteMo-mentenachdenlangenArbeitstagenzuerleben.AndenWochenendenunternah-menwirsogareinigeWanderungen,umunsanderschönenUmgebungzuerfreuen.DieRealisierungdiesesProjekteswarwegenseinerDauerunddenarbeitstechnischenHerausforderungenziemlichschwierig,dochichbindarumumsostolzeraufdaserreichteErgebnis!“

DieBalganlage(1685Arbeitsstunden)

AusdenArchivtextenerfuhrenwir,dassesbeimBauderOrgel4BälgevonrespektablerGrößegegebenhatte:3,36mx1,59m,dasentspricht11’1/2x5’1/2.Eswurdesogarkriti-siert,dassnurkräftigeMännerinderLagewaren,diesezubedienen!AbgesehenvondiesenMaßengabeskeineHinweisedarauf,wiedieBalganlagekonzipiertwar.

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NachlangenDiskussionenmitdemDenk-malschutzwurdebeschlossen,dieBälgeundWindkanäleausTannenholzundnichtausEichezubauen,umzuvermeiden,dassdieBleipfeifendurchdieAusdünstungenderGerbsäureausdemEichenholzangegriffenwerdenkönnten(dieseÜberlegungenbasie-renaufForschungsarbeiten,welchevomOrgelforschungszentrumGOArtinGöteborgausgeführtwordenwaren).DieKonzeptionwarnichteinfach,daaufderEmporehinterderOrgelnurwenigPlatzverfügbarwar.DarüberhinauskanndieseBalganlageaufdreiverschiedeneWeisenfunktionieren:überdashistorischübliche,manuelleAuf-pumpenderBälgeüberFußtritte,mittelseinemmodernenOrgelwindmotoroderübereinautomatischgesteuertesAufziehenderBälge(dabeireproduzierteinpneumatischesSystemdasmanuelleAufpumpen).Nach-demesinderWerkstatteineWeilegedauerthatte,diesedreiSystemezuregulieren,funk-tionierensieheutealledreiinMarien-münster.

DiekompletteBelederungderBälgewurdesystematischdoppeltausgeführt,umeinemaximaleLebensdauerzuerreichen.DasdafürausgewählteSchafslederwurdeaufhistorischüblicheWeisegegerbt(chromfrei)undmittelsHaut-undKnochenleimaufge-leimt.JederBalgwiegt250kg,unddiege-samteBalganlagebringtesauf1,8t!SielieferteinenWinddruckvon65mmWS.DievierBälgewur-dendurchLaureMartinundNicolas Florentzrealisiert.Letztererschreibt:„Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, die historischen Techniken anzuwenden

(Anwendung von Warmleim, Oberflächen von Hand gehobelt …), was mich weitergebildet hat. Das Vorhandensein von so vielen historischen Pfeifen war auch sehr eindrucksvoll. Und der Rahmen, in dem wir arbeiten konnten, war ganz außergewöhnlich und sehr angenehm für die Entspannung zum Feierabend.“

DerSpieltisch(440Arbeitsstunden)

VomhistorischenSpieltischwarenleiderkeinerleiSpurenvorhanden.NachunseremWissenstandexistiertheutewedereineManual-oderPedalklaviaturnocheinNoten-pultvonMöller.IchmusstedeshalbdieseTeileneukreieren,imEinklangmitdennochvorhandenenhistorischenOrgelteilen.Bei-spielsweisegingvonderKonstruktionsweisederWindladeneinegewisseRustikalitätaus.Eswurdebeschlossen,fürdieManualklavia-turenkeinezufiligrangearbeitetenMotivezunutzen.DeshalbwurdendieTastenfron-tenmittraditionellenbarockenkreisförmi-genMotivenverziert,unddieUntertastenerhieltenkeineEinlegarbeiten,sondernnureineElfenbeinauflage(ausaltenVorräten,dienochausderZeitvordemHandelsverbot

stammten).DieVorderseitederKlaviatur-wangenwurdemiteinerEinlegarbeitver-ziert,welcheeinBlütenmotivaufnimmt,dassichindemwunderschönenschmiedeeiser-nenGitterdesChorraumesderKirchebefin-det.

DiegewählteOktavteilungbeträgt163mm,dieUntertastendesHWundRPsind40mm,diedesBW37mmlang.DieObertastenha-beneineLängevon67mm,wiedasaufdemBürenerDachbodengefundeneModell.FürdiePedalklaviaturwurdeeineklassischeTeilunggewählt,umdenGewohnheitenderOrganistenentgegenzukommen.JedochhabendieObertastendietypischbarockeSchnabelform,unddieUntertastensindnichtabgerundet.GemäßdemAusschrei-bungstextwurdenureineeinzigeKoppeleingebaut,RPanHW(Schiebekoppel).DieOrgelbankausmassiverEicheistauftraditi-onelleWeisemitschrägenZinkengebaut.InOstönnenexistiertnocheinMöllerscherRegisterknopf,logischerweisewurdediesesModellkopiert.DieRegisterknöpfesindausNussbaumgedrechselt.DieRegisterschild-chenwurdenvoneinerStraßburgerKalli-

graphinausPergamenthergestellt,nachhistorischenSchriftvorlagen.DadieDenk-malschützerspätereineRegisterbeschrif-tunginmodernerFormmitNummerierungverlangthatten,kannüberdenPergament-SchildchennocheinezweiteSerievonRegis-terschildchenangebrachtwerden,welcheausgraviertemHolzbestehen.

WasdasNotenpultangeht,sohatteichLust,derGemeindeeinGeschenkzumachen:ursprünglichwarnureinmassivesBrettausNussbaumvorgesehen.DochdieseswurdejetztmitdurchbrochenenMotivenge-schmückt,welchevondengeschnitztenTürendesBrustwerkesinspiriertsind.

Balghausmontage in der Werkstatt

Nicolas Florentz

Klaviaturbacken mit neu geschaffenen blütenförmigen Intarsien, analog zum Chorraum­Gitter Der neue Spieltisch, Notenpult mit Schnitzereien

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Ausdauer und viel Geduld für ein Abenteuer

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Ausdauerundviel GeduldfüreinAbenteuer

Page 21: Johann Patroclus Möller-Orgel

DieSpielmechanik(630Arbeitsstunden)

DieaufdemBürenerDachbodengefunde-nenOrgelteiledientenunsalswertvolleModelle:durchdieWellendöckchenerfuhrenwirdiemaximaleWellengröße,dieWellen-ärmchenwurdenkopiert,genausodie

Winkel,welcheeineganzspezielleFormhatten.DieAbstraktenwurdenwiedievor-gefundenenModelleausEichegefertigt,selbstwennderQuerschnittunddasGe-wichtinunserenzeitgenössischenAugenübertriebenerscheinenmögen.DieLeder-mutternwurdenvonHandhergestellt,da-mitsienichtalszumodernerscheinen.DiemiteinemGewindeversehenenAbstrakten-drähtewurdenverzinnt,damitsiegegendieOxydationmitderGerbsäuredesLedersgeschütztsind.MarcusStahl,dereinenGroßteildieserBauteilehergestellthat,meintdazu:„EswarmeineAufgabe,dieTrak-tur,alsodiemechanischeVerbindungzwi-schenTasteunddemVentil,welchediePfei-fenmitWindversorgt,zubauen.DieoriginalenTrakturteilewarenbeiderletztenRestaurierungdurchdamalsmoderneTeileersetztworden,funktioniertennichtrichtigundpasstennichtzumhistorischenInstru-

ment.DieneuentstandeneMechanikstelltnundemOrganistendasrichtigeWerkzeugzurVerfügung,mitwelchemerdenKlangjedereinzelnenPfeifegenaunachseinenVorstellungenbeginnenundbeendenkann.“WeildieVentilgrößenfürdiedreiWerkesounterschiedlichsind,istfürdenAnschlagverschiedenvielKraftaufwandnotwendig:imHauptwerkgibtesdengrößtenWider-stand(sieheauchdieErklärungdazuimKapitel„Windladen“),mit260g,danachkommtdasRückpositivmit170g(wirbelie-ßenbewusstdieVentileeinermittlerenGrö-ße)undletztendlichdasBrustwerk,welchesmit120geinsehrleichtesunddetailliertesSpielerlaubt.DerOrganistmussauchnachderLogikdesentsprechendenStückesunddergewünschtenGravitätdesAnschlagesdasjeweiligpassendeWerkauswählen.

ObwohldiePedalmechaniksehrkomplexist,dasiesowohlaufbeideSeitenderOrgel(zudenMöller-Laden)alsauchhinterdieOrgel(Zusatzladen)führt,erlaubtsieeinpräzisesundruhigesSpiel.

DieRegistermechanik(610Arbeitsstunden)

DiegeringeHöhedesUnterbaus,dieAnwe-senheitdesBrustwerkesdirekthinterdemSpieltischunddasVorhandenseinderbeidenDurchgängelinksundrechtsdesSpieltischessindkeinegeringfügigenHindernissegewe-sen,umPlatzfürdie46Registerzügezufinden!DieoriginaleMechanikvonMöllerwargezwungenermaßenganzandersalsdieheutige,dasiefürSpringladengebautwar.Jedochwaresmirsehrwichtig,eineMecha-nikinderTraditiondes18.Jh.zubauen,mitEichenwelleneinesrelativgroßenQuer-schnitts,ausgerüstetmitArmenausSchmie-deeisen,WellenausEisenfürdasRückpositiv

unddasPedal,Holzschwertern,durchwel-chedieSchleifenbewegtwerden,überdieSchleifenenden,dievominBürengefunde-nenModellinspiriertwurden.

DasPfeifenwerk(5080Arbeitsstunden)

AufderhinterenUmschlagseitedieserBroschürebefindensichDetailsüberdasPfeifenwerk.

DieswardergrößtePostenbeidieserRes-taurierung!IndiesemKapitelmussmanzwischendenbeidenPfeifenfamilienunter-scheiden:denLabialpfeifen,derenQuasi-TotalitätausOriginalpfeifenvonMöllerbe-steht,unddenZungenpfeifen,vondenenleidernurnochdieSchallbecheroriginalsind,vondenenallerdingseinigestarkver-ändertwurden.

DerDenkmalschutzhattegewünscht,dassdieLabialpfeifenausschließlichvorOrtres-tauriertwerden,ummöglicheBeschädigun-genbeimTransportindieWerkstattzuver-meiden.DeshalbhabenwirunterderEmporeeinerichtigeWerkstatteingerichtet,wounserePfeifenmacherundIntonateure

währendmehrererMonategearbeitetha-ben,wieesauchseinerzeitbeimOrgelbauüblichwar.SiehabendiePfeifengerichtet,ausgebeult,sortiert,dieursprünglichenSeri-enwiederhergestellt,die„modernen“Me-tallstücke(von1967)durchTeileersetzt,dieausdenOriginalenentsprechendenMetall-legierungenhergestelltwordenwaren.Meh-rereProbendesOriginalmetallswarenaneinLaborgeschicktworden,umdieexakteZusammensetzungzubestimmen.

BeidenProspektpfeifenhandeltessichumfastreinesBlei,undbeidenInnenpfeifengibtes7%Zinn.MehralseineTonneMetallwurdegeschmolzen,inPlattengegossenundmitderHandausgehobelt,umdasAus-gangsmaterialfürdieseRestaurierungunddieRekonstruktionderverlorengegangenenRegisterherzustellen.Mehrals300PfeifenhabeneinenbeweglichenDeckel,derwäh-

rendderletztenRestaurierungmitFilzgar-niertwurde.Dieses„moderne“MaterialmussteentferntunddurchLederersetztwerden,dessenStärkesorgfältigausgewähltwerdenmusste,umeineperfekteDichtig-keitzugewährleisten.AlleindieRestaurie-rungderProspektpfeifendauertemehrals

1100Stunden.DieDenk-malpflegehattedarumgebeten,derenFüßeundKernenichtsystematischzudemontieren(selbstwennallegroßenPfeifeninderVergangenheitei-nenInnenfusserhaltenhattenundihreKerneersetztwordenwaren,zogenwiresvor,nichtnocheinmalmehrzuin-tervenieren,außerbeigrößterNotwendigkeit).Die1967zugefügtenTeile

sindalsoheutenochanihremOrt.Wirins-tallierteneinSystem,umdie21größtenPfei-fenmittelsKabelnzuhalten.DafürmusstenüberdenbeidenPedaltürmenMetallbogenangebrachtwerden,welcheinderKirchen-mauerverankertsind.DieseMaßnahmeverhindert,dassindenkommendenJahrendieFüßedieserPfeifenerneuteinsinken.Alle1967eingebautenPfeifenrasterundHalte-vorrichtungen(ausSperrholz)wurdendurchsolcheausmassiverEicheersetzt.AllePfei-fenverlängerungen,die1967angebrachtwordenwarenundderVereinfachungderStimmbarkeitdieserPfeifengedienthatten,wurdenentfernt.HeutesinddieProspekt-pfeifenwieder„aufTon“gestimmt,wiezurEpocheMöllers.

InderoriginalenDispositiongabesnursechsHolzpfeifen.SiewarenverschwundenunddurchgedeckteMetallpfeifenersetzt

worden.WirhabendiesesechsPfeifenausEichenholzrekonstruiert(4fürdenPrincipal16HWund2fürdenPrincipal8RP).Diebei-denvonDöhre1878zugefügtenRegisterwurdenausFichtenholzrekonstruiert,aufderBasisderMensuren,welcheimAngebotdiesesOrgelbauersangegebenwerden

(137x125mmfürdasC).SiesindaußerhalbderMöller-Orgelplatziert,damitdieserZu-satzganzunmissverständlichsichtbarist.KonträrzudenLabialpfeifen,hattenwirbeidenZungenpfeifenleidernichtdasGlück,überumfangreichesOriginalmaterialzuverfügen.AusschwererklärbarenGründenistdieGesamtheitderNüsse,Kehlen,Zun-genblätter,StimmkrückenundFüßeeiners-tesMalbeider1921erfolgtenRestaurierungundeinzweitesMal1967ersetztworden!NurdieMöllerschenSchallbechersindunserhaltengeblieben.JedochsindLetztereleidernichtintaktgeblieben.Gemäßunse-renBeobachtungennehmenwiran,dassdiesePfeifen,dieschlechtgehaltenwaren,anverschiedenenStelleneingesunkenundeingeknicktwaren.AnstattdieKnickstellenwiederzurichten,habenesdieOrgelbauervorgezogen,dieBecherandiesenStellenzuschneiden.Dochstattdiegeschnittenen

Wellenbrett der Spielmechanik Holzschwerten im Pedal Quintadena Deckel Restaurierte Zungenbecher

geknickte Pfeifen, Foto ca. 1921

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Teilewiederzurekonstruieren,habensieempirischeVerlängerungenangebracht,mitTeilen,dieaufverschiedeneArtkonischwa-renundunterschiedlicheDurchmesserhat-ten.Dadurchwarensieanschließendge-zwungen,dieSchallbecherobenabzuschneiden,umsiekorrektstimmenzukönnen!Mankanndaherbehaupten,dassdieFormunddamitauchderklanglicheEffektdieserBechernichtmehrvielmitdenOriginalenzutunhatte.GlücklicherweisewarenaufeinigenBecherinnenseitenRestederZirkelspurenvomAnreiseneingraviert,wodurchihreursrpünglicheFormundLängerekonstruiertwerdenkonnte.ManmusstedeshalbfürjedederbetroffenenPfeifensowohleinePapierschablonefürdieSpitzealsaucheinefürdenoberenTeilderPfeifeanfertigen,umdieseFormaufeineMetall-platteübertragenzukönnen,auswelcherdanndieVerlängerunggefertigtwurde,dieandenhistorischenBecherangelötetwurde.NachlangenDiskussionenwurdeentschie-den,dievon1967stammendenKehlenzubehalten.FürdieseverschiedenenZungenre-gistergibteskeinexistierendesVorbildvonMöllermehr,undanstattneueKehlenohneeinadäquatesModellanzufertigen,schienesvernünftigerzusein,dievon1967(vonGieseke)zubehalten,welcheguterQualitätsind.SollteneinesTagesOriginalmodellevonMöller(?)auftauchen,kannmanimmernochdarübernachdenken,davoneineKopiefürMarienmünsteranzufertigen!AusästhetischenGründenwurdendiein-dustriellhergestelltenPfeifennüssevon1967durchsolcheausgedrechseltem,massivemNussbaumholzunddieFüßeausZinn/ZinkdurchsolcheausBleiersetzt.

Aurélien Reichart,derverantwortlichePfeifenmacher,erzähltuns:

„Die Orgel von Marien­münster ist eines der schönsten Instrumente, das wir je restaurieren durften. Ich hatte das Vergnügen, verschwun­dene Pfeifen als Kopie anzufertigen und dieje­nigen von 1736 zu res­taurieren. In unserer heutigen Zeit ist es

nicht immer möglich, solche Arbeiten, wo auf Authentizität ein so großer Wert gelegt wird, zu finanzieren. Deshalb war es ein richtiger Glücks­fall, diese Arbeiten ausführen zu dürfen. Darüber hinaus ist die Umgebung wunderschön und erlaubte es, dass ich die Monate, die ich fern von zu Hause gearbeitet habe, unter sehr guten Bedingungen verbrachte.“

Philippe Zussy,PfeifenmacherundIntonateur,erinnertsich:

„Ich habe bei der Res­taurierung der Pfeifen mitgearbeitet und bei den Nachforschungen über die Register, deren ursprünglichen Pfeifen auf mehrere Register verteilt worden waren. Ich habe auch bei der Intonation mitgearbei­

tet. Es war sehr interessant, die Arbeitsweisen wieder aufzunehmen, mit denen zur Zeit Möllers gearbeitet worden war und die Restaurierung so nah wie möglich an den Originalzustand zu führen, mit den damals üblichen Materialien und Techniken. Für die Arbeit vor Ort hatten wir eine fast klösterliche Ruhe!“

DieMontage(3900Arbeitsstundeninkl.Reisezeit)

UmdieOrgelteileinderWerkstattgenauvorbereitenzukönnen,habenwirdenStand-ortdesaltenGehäusesunddieEmporemitLasertechnikvermessen.Anschließendha-benwirinunsererWerkstattsowohldieWändederKirchemitihrerNeigungunddieunterschiedlichenNiveausdesBodensnach-gebautalsauchdieBalkenprovisorischalsKopiedervorOrtgebliebenenangefertigt.SokonntenwirdiekompletteBalganlage,denneuenUnterbau,dieWindladen,denSpieltischunddieverschiedenenMechanis-menaufbauenunddieHochrasterfürdiePosaune16’realisieren.

Am21.Mai2012kameinbisuntersDachvoll-geladenerLastwageninMarienmünsteran.EinTeamvonneunMitarbeiternwarindererstenWochevorOrt,umalleTeileaufdieEmporehinaufzutransportieren.Aucheini-geMitgliederdesKirchenchoreshalfenbeimAbladenderBälgemit.

WieMöllerzuseinerZeit,justiertenauchwirdieRasterbretterfürdiePfeifenmittelsAus-brennenimKirchenraum,natürlichmitdemEinverständnisdesPfarrers(wegendesdurchdieseArbeitfreigesetztenRauches).DieseArbeitkonntenwirankeinemanderenOrtausführen,dadiePfeifeninderKirchegebliebenwaren.

Nachundnach,gutversteckthinterdemProspekt,fandenalleTeileihrenPlatzinderOrgel,sodassam9.Juli2012mitderIntona-tionbegonnenwerdenkonnte.

EinigeOrgelbauerteilenunsihreErfahrun-gendieserlangen,intensivenArbeitswochenmit:

Christoph Göb: „Für mich war es ein besonderes Erlebnis, an der Orgel zu Marien­münster mitwirken zu dürfen. Eine solche Restaurierung ermög­licht es, Arbeitsweisen anzuwenden, die heute

auf Grund des hohen Zeit­ und Arbeitsaufwandes leider immer mehr drohen, verloren zu gehen. Alte Verfahrenstechniken, die zwar viel Zeit in Anspruch nehmen, aber dadurch auch wesentlich langlebiger einem Instrument dienen können, und die ihm ( meiner Ansicht nach) darüber hin­aus mehr Leben und Ästhetik zu verleihen wissen. Außerdem war es beeindruckend, während der Arbeiten in der Abtei wohnen, aus der Küche auf die Baustelle fallen und ab und zu in der Mittags­pause oder nach dem Abendessen um den klei­nen See laufen zu können. Ich danke daher be­sonders für die außergewöhnliche Unterkunft der Werkstatt, dass ich an einem solchen Projekt habe mitarbeiten dürfen, als auch für die immer­während gute Laune, im Besonderen aber meiner Familie und meiner Freundin, die mir über all die Zeit des Werdens des Instrumentes Unterstüt­zung und Kraft gegeben haben!“

Christoph Brandstetter: „Gleich nach meiner Ankunft in der Firma hatte ich Gelegenheit, die

Pfeifen für das Zusatz­pedal herzustellen. Hierbei kam eine mir bis dahin unbekannte Technik zur Anwen­dung. Das ist es, was unser Handwerk inter­essant macht. Jede Orgel ist ein Prototyp, zumal eine wie diese:

man erfährt immer etwas Neues. Des Weiteren habe ich die Windkanäle ausgeführt.“

Alexandre Brunner:„Während der Restaurierungsarbeiten war ich Lehrling. Durch dieses Projekt habe ich einiges vom traditionellen Know­how unseres Berufes entdeckt und konnte es sofort anwenden; einer­seits bei den verwendeten Materialien und ande­rerseits auch bei den Arbeitstechniken. Es war sehr interessant, die Orgel wieder zu rekonstruie­ren, „so, wie sie ursprünglich gewesen ist“. Da­durch musste man viel nachdenken und vor al­lem mit dem größten Respekt vor dem Instrument vorgehen. Bei diesen Arbeiten wurde mir auch bewusst, welche Erfahrungen die „Al­ten“ an uns Jüngere weitergeben können. Dies lief sehr gut in unserem Team, welches bei diesem Projekt zusammengearbeitet hat und war sehr gewinnbringend für meine berufliche Ausbil­dung. Darüber hinaus erinnere ich mich mit Vergnügen an die guten Momente, welche wir im Team vor Ort erlebt haben. Nach den langen Arbeitstagen konnten wir uns eine Mahlzeit teilen und uns gegenseitig versichern, dass wir mit unserer Arbeit zufrieden waren. Und ich erfuhr, dass man selbst in schwierigen Momen­ten mit etwas gutem Willen doch noch erfolg­reich sein kann. Ich empfinde es als eine große Bereicherung, während meiner Lehrzeit mit einer Orgel wie in Marienmünster in Berührung ge­kommen zu sein.“

Yves Schultz:„Ich bin stolz darauf, einen so noblen Beruf wie den unseren aus­üben zu können, wo wir die Früchte unserer Arbeit noch an zukünf­tige Generationen weitergeben. Es berührt mich zum Beispiel,

daran zu denken, dass mehrere Generationen von Organisten auf der Orgelbank sitzen werden, welche ich hergestellt habe. Zu wissen, dass wir

die Fackel von Kunsthandwerkern übernehmen, die vor uns gewirkt haben, ihren Spuren zu folgen und ihre Arbeit zu respektieren, ist sehr motivie­rend. Ich konnte nicht verhindern, jeden Abend von einem Gefühl des Stolzes bewegt zu werden, wenn ich beim Verlassen der Kirche die Orgel betrachtete.“

Aurélien Reichart

Philippe Zussy

Helfereinsatz beim Transport der vormontierten Gehäuseteile in die Abteikirche

Christoph Göb

Christoph Brandstetter

Yves Schultz

Ausbrennen der Rasterbretter

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DieIntonation(1400Arbeitsstunden)

IndererstenPhasegingesdarum,allePfei-fenwiederzumkorrektenFunktionierenzubringen.DieseArbeitwurdeaneinerWerk-bankunterderEmporeausgeführt,indemjedePfeifemitdemMundangeblasenwur-de(wobeieinAufsatzgenutztwurde,umdenIntonateurvordemdirektenKontaktmitdemBleiindenPfeifenzuschützen).

DerIntonateurJean-Christophe Debélyschreibt:

Als wir mit den Restau­rierungsarbeiten be­gannen, war die Orgel von Marienmünster dafür bekannt, noch über ca. 80% ihres originalen Pfeifenbe­standes zu verfügen. Jedoch stellten sich uns bei der Demontage

viele Fragen, was genau diesen offensichtlich wenig veränderten Pfeifen im Laufe ihrer Ge­schichte zugestoßen war. Deshalb ist es wichtig, einen kurzen Blick auf die Geschichte der ver­schiedenen Arbeiten an der Orgel zu werfen, um besser zu verstehen, was passiert sein konnte.

ZwischenihremBauimJahr1738und1854,alsofast150Jahrelang,sindunskeineAuf-zeichnungenübererfolgteReparaturenoderUmbautenbekannt.1854erwähntderOrga-nistAlbertBollensinseinerSchulchronikArbeiten,diemitderRekonstruktionderbeidenKirchtürmeinZusammenhangstan-den.TrotzeinerSchutzabdeckungbefandsichdieOrgeleinigeZeitunteroffenemHimmel.EsregneteindieOrgel,Steine,Mör-telundHolzstückchenfielenindiePfeifen…SpäterübernimmtBollensdieReparaturderOrgel.Wirwissennichtgenau,waser

gemachthat,ererwähntnurdasEndederArbeiten.

ImJahr1877legendieOrgelbauerRande-brockausPaderbornundDöhreausStein-heim(derdieArbeitendannauchausführ-te)beideeinenKostenvoranschlagvor,derumfassendeReparaturenundeinigeUm-bautenbeinhaltet,unteranderemwirder-wähnt:beträchtlicheKostenfürdieRepara-turdereingesunkenenodergeknicktenPfeifen,derErsatzvonkaputtenZungenblät-tern,derUmbauderMixturVdesHaupt-werkesineineMixturIV,ErsatzderCymbaleIVdurcheinenPrestant4’,UmbauderWald-flöte2’desPositivsineinen1’,EntfernungvonKornett2’undBauernflöte1’ausdemPedal,NutzungvonPfeifenausdenentfern-tenRegisternzurKomplettierungvonver-schwundenenPfeifenausanderenRegistern.

1921führtderOrgelbauerAntonFeithausPaderbornwesentlichumfangreichereArbei-tenaus:dieSpringladenvomHauptwerkundPedalwerdenzuSchleifladenumge-baut,dochunterBeibehaltungdesKanzel-lenrahmens,dieLadedesRückpositivswirddurcheineKegelladeersetzt,dochglückli-cherweiseunterBeibehaltungderursprüng-lichenStöckeundRaster,diePedalladenwerdenhinterdieOrgelgelegt,mitpneuma-tischerTraktur,dieNüsse,KehlenundStiefelderZungenregisterwerdenersetzt,undzuguterLetztwirddiemechanischeRegister-trakturdurcheinepneumatischeersetzt.ImAbnahmegutachtenwirderwähnt,dassderoriginaleWinddruckvon65mmbeibehaltenwirdunddiehalbmondförmigenEinschnitteandenoberenPfeifenrändernsorgfältigmitMetallstückendergleichenFormgeschlos-senwerdenunddassFeithdieIntonationdesInstrumentessehrgutausgeglichenhabe.

1967restauriertdieFirmaBreilausDorstendasInstrument.DieseRestaurierunghattezumZiel,zumOriginalzustandzurückzukeh-ren.DiePedalladenwerdeneffektivwiederinsGehäuseverlegtunddiemechanischeRegistertrakturwirdwiederhergestellt.GlücklicherweisewerdendieLabialstimmennichtverändert,vorallembleibendieAuf-schnitthöhenerhalten,wasfürdieseZeiteinebemerkenswerteSeltenheitist.DieZungenregisterwerdenhingegenstarkver-ändert:mitdemlobenswertenAnliegen,diefragilenSpitzenderZungenbecherzukonso-lidieren,werdendaranAnlängungenausZinngelötet,diejedochanderskonischalsdieBechersind.DadurchwerdendieBecherverlängertunddeshalbobenabgeschnitten.

BeidenAufschnitthöhenhatmandenEin-druck,dasseinigeerhöhtwordensind,dochnichtaufeinesystematischeArtundWeise.EinesehrgroßeAnzahlderAufschnittescheintoriginalzusein.WirhabendahereinigewenigeAufschnittewiederniedrigergesetzt,dochnurdort,woesunbedingtnotwendigwar.DieKernsticheschienennachträglichgesetztund/odervertieftwor-denzusein;selbstkleinePfeifenhattentiefeKernstiche,wasbeieinerOrgelausdieserZeitkaumoriginalseinkann.DarüberhinaushattenvieleKerneanderunterenFlächeeinenmerklichenGrat,deraufdiemarkan-tenStichezurückzuführenist.Deshalbha-benwirmitHilfeeinesabgerundetenMe-tallstabes,derdurchdasFußlocheingeführtwurde,dieseStichewiederverschlossenunddenGratentfernt,umdemKlangseineFri-schezurückzugeben.

DiePfeifenfüßewarenstarkgeschlossen.Wirnehmenan,dassDöhre1879praktischnichtsanderIntonationveränderthat,trotzderverändertenRegisterunddassderGroß-teilseinerArbeitdarinbestandenhat,dieSchädenvon1856zureparieren,dieBollensvielleichtnichtsogutreparierthatte.Jedochnehmenwiran,dasFeith1921dieIntonationstarkverändert(„verdunkelt“)unddieOrgelgleichstufiggestimmthatte.Denn1919hat-teFidelisBöserdasInstrumentbesuchtundseinespezielleStimmungfestgestellt.Daherkannmanannehmen,dasszudieserZeitdieTemperierungnochungleichstufigwar.BeiderAbnahmederFeithschenArbeitenmerktderSachverständigean,dassdieInto-nationausgeglichenwurdeundmanjetztauchmoderneKompositionenspielenkön-ne.Deshalbnehmenwiran,dassderGroß-teildererfolgtenVeränderungendesKlan-geszudieserZeiterfolgte.Darüberhinausdenkenwir,dassderUmbauvonSpring-zuSchleifladenunddieVeränderungenderBohrungenundFräsungenderStöckedesHauptwerkeseinegroßeAuswirkungaufdieIntonationhatten,dadieWindzufuhrandenPfeifenfüßensignifikantverändertwurde,woraufhindieFüßeweitergeschlossenwur-den.AlsKonsequenzdaraushatesdenAn-schein,dassbeider1967erfolgtenRestaurie-rungbeidenLabialstimmennichtsverändertwurde,wederinRichtungRoman-tiknochinRichtungBarock,wieeszudieserZeitoftderFallgewesenist.

FürdieRecherchenderursprünglichenTem-perierungsindbesondersdiePfeifenlängenwichtig,dafandenwirvierArtenunter-schiedlichstarkveränderterPfeifenvor,vondenenwireineArtalsMöllerscheOriginal-längeklassifizierenkonnten:Pfeifen,derenobereEndenunregelmäßigundabgenutztwaren,mitkleinen,abgerundetenSchnittflä-

chenvonwahrscheinlichmitdemMesserausgeführtenSchnitten.BeiallenanderenPfeifenhabenwirfestgestellt,dasssieimLaufederGeschichteabgeschnittenwordenwaren.

BeimWiedereinbauderPfeifen,d.h.beiderIntonation,wurdendiePfeifen,dieihreOri-ginallängebehaltenhatten,markiertundmiteinanderverglichen.Esstelltesichher-aus,dasseinigeTönewieD‘sundBdurchEinkulpenoderAnlötenvonSeitenbärtenofttiefergestimmtwordenwaren.Andere,wieF‘soderC‘swarenfastalleabgeschnitten.SofandenwirnachderIntonationeinigerRegistereineOrientierungzumitteltönigerTemperierung.NachgenauenMessungenallernichtverändertenPfeifenstelltesichheraus,dasseinemitteltönigeTemperierungmit1/6KommabestmöglichdemoriginalenPfeifenwerkentspricht.

Esistimmerschwierig,denKlangeinesInst-rumentesmitWortenbeschreibenzuwol-len.Wirhabenfestgestellt,dassdieGrund-stimmenfarbig,jedochsanftintoniertwaren,mitrelativdiskretenBässen,wieesauchdieschmalenMensurenim4’-und8’-Bereichbezeugen.DiesichimProspektbefindlichenRegister,mitmerklichweiterenMensurenklingenauchvielvoller.DieMix-turenundandereAliquot-Stimmenschei-nen,vonihrerLängeherzuschließen,ziem-lichlautintoniertgewesenzusein.Allgemeinlässtsichfeststellen,dassdienichtverändertenAufschnitthöhenziemlichunregelmäßigwaren,worausmanschließenkann,dassMöllerandereKlangidealehattealswirheutzutage,wowireineinStärke,KlangfarbeundAnsprachesehrausgegliche-neIntonationanstreben.EinbesondersschwierigesUnterfangenwares,zuunter-scheidenzwischendemZustandderPfeifen,

Jean­Christophe Debély

im Hintergrund pneumatische Registratur, 1921

Originale Aufschnitthöhen

Verformte Pfeifenmündungen

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dendurchgeführtenVeränderungenundReparaturenundunserermodernenAuf-fassungvonPfeifenklang.UnserVorgehenbestanddarin,dasswirnurdortvorsichtignachgebesserthaben,woaufoffensichtlicheWeiseetwasverändertwordenwar.UnserVorgehenkannmanmitderReinigungvoneinemhistorischenGemäldevergleichen:womanvorsichtigversucht,sowohldenSchmutzalsauchdiespäterzugefügtedunkleFarbschichtzuentfernen,umdieoriginalenFarbenundFormenwiederzufinden.Wirhabenwederversucht,zukorri-gieren,wasunsvielleichtalsnichtlogischerschien,nochbeieinemMangelanAn-haltspunktenwildspekuliert,wienundiesesoderjenesDetailgewesenseinmüsste.DieswarbeispielsweisebeidenZungenpfeifenderFall,wowirdieKehlenvon1967wiedergenutzthaben,dawirnirgendwoeineMöl-ler-Kehlegefundenhatten,dieunshättealsModelldienenkönnen.

„DieseOrgelhatvonmirmehrArbeitver-langtalseinneuesInstrument,daesbeifastjederPfeifeeinanderesProblemgab,undjedesMalmussteichmirverschiedeneFra-genstellen,wiez.B.:WaskannmanfürdiesePfeifemachen?WasistdieserPfeifewider-fahren?BestanddasProblem(Blas-oderNebengeräusch,schlechteAnsprache,Labi-umzuhochoderzutief…)schonseitdemOrgelbau,undwasmachenwirnun?Solassenoderkorrigieren?

DiesisteinesehrinteressanteArbeit,dochaucheinegroßeHerausforderung,daichnichtdieFreiheithattewiebeieinerneuenOrgel.EswarjedocheinesehrguteÜbung,meineDenkweiseinFragezustellenundmichaufdieGrenzeneinzulassen,diediePfeifenvorgaben.DerbewegendsteMomentfürmichwar,alsessichbeidenNachfor-

schungenundMessungenzurursprüng-lichenTemperierungherauszustellenbe-gann,dassdieseinemitteltönigegewesenwar,274JahrenachdemOrgelbauunddenganzenUmbauten!“

WieesJean-ChristopheDebélyweiterobenberichtethat,ließenwirunswährendderIntonationvondenPfeifenleiten,habensiebestmöglichzumKlingengebracht,ohnedieImperativedermitteltönigenTemperierungausdemBlickzuverlieren.DiePfeifenpara-meterhabenunsdieRichtungfürdieInten-sitätunddenKlangcharaktervorgegeben.Manchmalwarenwirvondiesemoderje-nemKlanggleichgewichtüberrascht,dochhabennieversucht,einepersönlicheNoteeinzubringen.Ichglaube,dasssichdiesesInstrumentheuteinseinermusikalischenBestformbefindetunddieKlangfarbendenvonPatroclusMöllergeschaffenenundge-wünschtensehrnahesind.JetztistesandenOrganisten,ihrTalentzunutzenundsichgleichermaßenvondenKlangfarbeninspirierenzulassen,sowiewirvonjedereinzelnenPfeifeinspiriertwurden.

AbschließendmöchteichallenMitwirken-denundVerantwortlichendieserRestaurie-rungdanken,allenvoranProf.ChristianAhrensundDipl.-Ing.Hans-PeterBeyer(BLBNRW).SelbstwenneswährenddesgesamtenProjektverlaufeseinigeschwierigePhasenundkomplexeVerhandlungengab,konnteichdochimmerspüren,dassihrVer-traueninunsereWerkstattunerschütterlichblieb.UnddiesesVertrauenschenkteunsdienotwendigeEnergie,deneingeschlagenenWegimmerweiterzuverfolgenundunsvondenSchwierigkeitennichtentmutigenzulassen.GleichermaßenmöchteicheinigenPersönlichkeitenausderOrgelweltdanken,diewirbeidenverschiedenenRecherchen

kontaktierthabenunddienichtzögerten,ihre„Geheimnisse“mitunszuteilen:OBMHelmutWernervomEule-Orgelbau,Muse-umsleiterJörgKraemer(Borgentreich),e.Kfm.HendrikAhrend,KoosvandeLinde,OBMRowanWestundandere.

PaterGerdBlick,Hans-HermannJansenundseinerFrauCarmensowieSabineSchmidt-BerendesundderDerenthal‘schenStiftungsindwirdankbarfürdenaußergewöhn-lichenRahmenunsererUnterbringungindenGebäudenderAbtei.

DasSchlusswortüberlasseichunseremWerkstattmeisterDavid Bleuset,derdenTeamgeist,welcherwährenddergesamtenArbeitenwirksamwar,sehrschöninWortegefassthat:Diese vielen gefahrenen Kilometer, um die Abtei mit der Werkstatt zu verbinden. Diese lange Zeit der Konzentration, um angemessene Lösungen zu finden. Diese Stunden des Arbeitsalltages, aus­gefüllt mit Tragen, Anreißen, Sägen, Hobeln, An­passen, Zusammenbauen, Regulieren… Diese Momente des Zweifels und der Müdigkeit.Die Mahlzeiten und Abende unter Kollegen: diese Momente der Entspannung. Alle diese Erinnerungen haben sich in meinem Gedächtnis eingeprägt. Aber nun lade ich Sie ein, die Empore zu besteigen, Ihre Augen weit zu öffnen und Ihren Blick langsam schweifen zu lassen; anschließend hinunter in die Kirche zu gehen, um dieses Mal Ihre Ohren gut zu öffnen und jeden Ton des In strumentes hineinzulassen. In der Hoffnung, dass sich diese Erinnerung in Ihrem Gedächtnis einprägen wird.

Marienmünster, Oktober 2012

Patrick Armand

PED:C-d‘

BW:C,D-c‘‘‘

HW:C,D-c‘‘‘

PED:C,D-c‘‘‘

OriginalMöller

TeilweiseOriginal

Neu:Muhleisen

Principal16

Octav8

Mixtur6f

Subbass16

Gedactbass8

PED

Winddruck:65mmWSStimmhöhe:477Hzbei18°CTemperierung:MitteltönigB/g‘

SchreibweisenachBollens(1879)

Quintadena8

Gedact4

Quinte1B/c

Mixtur3f

BW

Flötetraverso8

Octav2

Flageolett1B/c

Krummhorn8

BW

Choralflöte1

Posaune16

Nachthorn4

Trompet8

Cornett2

PEDPrincipal8

Octav4

Super-Octav2

Sesquialtera2f

Quinte3

Mixtur4f

Ventilator

RP

Principal16

Octav8

Octav4

Sesquialtera3f

Quinte6

Mixtur5f

Cimbal4f

HW

VioladiGamba8

Gemshorn8

Tertia3

Cornett3f

Flöteduis4

Trompet8

Voxhumane8

HWGedact8

Rohrflöte4

Waldflöte2

Fagott16

Quintflöte2C/d

Hautbois8

Calcant

RP

Disposition

46

Ausdauerundviel GeduldfüreinAbenteuer

Page 25: Johann Patroclus Möller-Orgel

AndieserRestaurierunghabenmitgearbeitet:

§ PatrickArmand§ JulienBailly§ DavidBleuset§ ChristophBrandstetter§ AlexandreBrunner§ Jean-ChristopheDebély§ ClarisseElHajjami§ NicolasFlorentz§ ChristophGöb§ SophieGrieshaber§ AnnettJehmlich§ Pierre-HenriLaut§ LaureMartin§ GastonMarx§ AntoinePicard§ AurélienReichart§ AndréSchaerer§ YvesSchultz§ MarcusStahl§ VictorWeller§ PhilippeZussy.

DarüberhinausfolgendeelsässischenKunsthandwerker:

§ AlineFalco(Kalligraphie)§ GabrielGoerger(Schmiedearbeiten)§ Jean-LucKuntz(Holzdrechseln)§ MichelWagner(Einlegearbeiten)§ StéCintech(Balgautomat).

AusdauerundvielGeduldfüreinAbenteuer

Foto:Manufacture

d‘Orgues Muhleisen

48

Ausdauer und viel Geduld für ein Abenteuer

49

Ausdauerundviel GeduldfüreinAbenteuer

Page 26: Johann Patroclus Möller-Orgel

EinigeSonderfragen–DieMixturen,dieZungenstimmenunddieTemperaturKoos van de Linde

MeineAufgabewar,imAuftragderGesellschaftderMusikfreundederAbteiMarienmünstere.V.dieanderRestaurierungBeteiligtenbeikompliziertenEntscheidun-genzusätzlichzuberaten.IneinemerstenWerkstattbesuchbeimOrgelbauerwurdenanhandeinervonihmdurchgeführtengründlichenDokumentationdesPfeifen-werksdieZusammensetzungderHaupt-werksmixturenunddieFragenachdemUrsprungszustandderZungenstimmenbesprochen.

Letztereerwiessichinsoweitalseinfach,dassvomOrgelbauersowohlobenindenBechernalsauchuntenindenBecherspitzenRestevonKreisengefundenwordenwaren,anhanddererdieursprünglichenBecher-längenrekonstruiertwerdenkonnten.WesentlichschwierigerwardieFragenachderFormunddenMensurenderaltenKeh-len,diebeimUmbauvon1967durchmoder-neFabrikskehlenersetztwordenwaren.HierwarnurmiteinigerSicherheitzusagen,dassdieKehlenMöllersannähernddiegleichenAußendurchmesserwiedieheutigengehabthabenmüssen.DabeimheutigenFor-schungsstandnochzuvieleFragenunbeant-wortetsindundimRahmenderRestaurie-rungkeineausführlicheForschungindiesemBereichvorgesehenwar,istletztendlichent-schiedenworden,wieanfänglichgeplant,dieKehlenvon1967wiederzuverwenden.

BezüglichderZusammensetzungderHauptwerksmixturenunddervor1921vorhandenenTemperaturwarenwirdagegenwesentlicherfolgreicher.IndiesenPunktenkamenwirzufolgendenErgebnis-sen.

DieZusammensetzungderHauptwerksmixturen

EinederschwierigstenAufgabenbeiderRestaurierungwardieRekonstruktionderZusammensetzungderMixturundderZimbeldesHauptwerkes.Diesewurden1877vonDöhreverändertbzw.entfernt.

DieneueZusammensetzungderMixtursolltelautKostenanschlagDöhresvom11.11.1877diefolgendewerden:

C 2‘ 1 B⁄d‘ 1‘ C⁄d‘cA 1 B⁄d‘ 1‘ C⁄d‘ B⁄c‘cB 1‘ C⁄d‘ B⁄c‘ B⁄d‘cC C⁄d‘ B⁄c‘ B⁄d‘ B⁄e‘

WennmandieoffensichtlichabsolutaufzufassendenFußangabenindieheuteüblichenrelativenZahlenumschreibt,lautetedieZu-sammensetzungalsofolgendermaßen:

C 2‘ 1 B⁄d‘ 1‘ C⁄d‘cA 2 C⁄d‘ 2‘ 1 B⁄d‘ 1‘cB 4‘ 2 C⁄d‘ 2‘ 1 B⁄d‘cC 5 B⁄d‘ 4‘ 2 C⁄d‘ 2‘

DiesistdiegleicheZusammensetzung,dieam6.4.1960nochvonRudolfReuteraufgezeichnetwurde.SieistalsovonFeith1921nichtverändertworden.DieZusammensetzungbeimAbbau2010gingfolglichaufdenUmbauvon1967zurück.Sielautete:

C 2‘ 1 B⁄d‘ 1‘ C⁄d‘ B⁄c‘csB 4‘ 2 C⁄d‘ 2‘ 1 B⁄d‘ 1‘

Döhreerwähnt,dassdievorher5-facheMixtur„durchWegnahmeeinesChoresinMixtur4’[sic!]umgewandelt“wurde.DassdieZu-sammenstellungvon1877nurdurchsolcheineneinfachenEingriffzustandekam,istausmehrerenGründenjedochhöchstunwahr-scheinlich.AusdenoriginalenBeschriftungenaufdenerhaltenenPfeifengehenkeineHinweisefüreinen2C⁄d‘-ChorimBassoderei-nen5B⁄d ‘-ChorimAllgemeinenhervor.LetztereristunsauskeinerMöller-Orgelbekannt,selbstnichtausdergroßenDomorgelinMünster.1Manmussdeshalbdavonausgehen,dassDöhrenichtnurdieStärkederMixturreduziert,sondernauchderenZusammen-setzungtiefergemachthat.

AusdenMixturstöckendesRückpositivsunddesPedalsgehthervor,dassMöllerindieserOrgeldieMixturpfeifensehrknappaufgestellthat.Esscheintdeswegenunwahrscheinlich,dassmandieursprüng-lichenStöckenochfüreinetiefereZusammensetzunghätteeinrich-tenkönnen.ObwohldiesaufgrundvonMaterialunterschiedennichtnachzuweisenist,mussDöhrefürdieMixturneueStöckeangefer-tigthaben.DerTeilderheutigenStöcke,aufdemdieZimbelsteht,stammtoffensichtlichausdem20.Jahrhundert.Diesbedeutet,dassmanausdenerhaltenenStöckenundRasterbretternkeineSchlüssehinsichtlichderZusammensetzungmehrziehenkann.

DieeinzigeInformationsquelleinderOrgelselbstfürdieursprüng-licheZusammensetzungderHauptwerksmixturensinddeshalbdieSignaturenaufdenerhaltenenMixturpfeifen.DieUntersuchungderSignaturenergabfolgendes:

§ DiePfeifenderRegisterinPrinzipalmensurwarenimLaufederZeitmehrfachinchaotischerundwillkürlicherWeiseumgestelltworden.

§ DiePfeifenausgemischtenStimmen,dienichtausOktavchörenstammen,sinddoppeltbeschriftet.BeimLötkreuzstehenauf4‘bezogeneTonhöhenbeschriftungendesPfeifenmachers,undvorneaufdemKörperstehteineTastenbeschriftung.

§ WennmanalleaufgrunddieserBeschriftungenausTerzchörenstammendenPfeifendennochexistierendenTerzregisternzuord-net,gibteskeineüberflüssigenPfeifen.EsgibtdeshalbkeinenzwingendenGrund,TerzchöreinderMixturoderderZimbelzuunterstellen.

Experten­Treffen in Marienmünster am 4. September 2012 mit Koos van de Linde, Patrick Armand, Prof. Frank Löhr, Hans Hermann Jansen,

Piet van Eijsden und Mitarbeitern von Manufacture d’Orgues Muhleisen

Einige Sonderfragen – Die Mixturen, die Zungenstimmen und die Temperatur

5150

Page 27: Johann Patroclus Möller-Orgel

§ DieviersicherenChöreinderMixtursindfolgende:

C 2‘ 1 B⁄d‘ 1‘ C⁄d‘csB 4‘ 2 C⁄d‘ 2‘ 1 B⁄d‘

§ EsgibtkeinePfeifen,derenSignaturenirgendwelcheSchlüssehinsichtlichderArtdesfünftenChoresermöglichen.

§ EsbleibtnachZuordnungeinekleineAnzahlMöller-Pfeifenübrig,derenHerkunftnichtmehrzubestimmenist.DiesekönntenausderZimbelstammen.

AufgrunddieserFeststellungenalleineließsichwederdieErgän-zungderMixturnochdieZusammenstellungderZimbelrekon-struieren.WennmandiebekanntenZusammenstellungenanderergemischtenStimmenMöllersmiteinbezieht,2lassensichergänzendfolgendeSchlüsseziehen:1. DieManualmixturenfangenauchingroßenOrgelnaufC

nietieferals2‘an.DieZimbelnfangenaufCimmeraufB⁄c‘an,wennmandieScharfinMünsterauchalseineArtZimbelbetrachtet,nietieferalsB⁄c‘.

2. DerhöchstebekannteChoraufCistB⁄f‘(Münster,ScharfRP).DienormaleObergrenzeaufCistjedochB⁄e‘.IndeneinzigenFällen,indenendieRepetitionenbekanntsind,repetierensolcheRegis-teroftgenug,uminderzweigestrichenenOktavedenoberstenChorauf1‘zubegrenzen.

3. EineUntergrenzetieferals4‘istnirgendsnachzuweisen.WennmanRepetitionenvonmehralseinerOktaveausschließt,kanndertiefsteChorderHauptwerksmixturindergroßenOrgelzuMünsternichttieferals4‘gewesensein.

4. AufCüberschneidenMixturundZimbelsichniemehralsumeinenChor.

5. EineÜberschneidungtrittoffensichtlichnurauf,wenndiesenötigist,umdievorgenanntenPunkte1–3ohneTerzchöreein-zuhalten(Lippstadt).

6. TerzmixturensindnurbekanntausdenOrgelninHoinkhausen(1746)undMünster(1751).DadiesdiebeidenspätestenOrgelnMöllersmitbekanntenMixturzusammensetzungensind,könntemandarausschließen,dassMöllererstinspätererZeitTerzmix-turendisponierte.Vorsichtisthierabergeboten.ImFallevonMünsterkönnteauchdiemehrals8-fachenGesamtstärkederHauptwerksmixturenAnlasszuderEinführungvonTerzchörengegebenhaben,undinHoinkhausenfälltdiemerkwürdigeStelle

derTerzauf.Manhättehierehergc‘e‘g‘(vgl.Münster)erwartet.Liegthierein(Ab)schreibfehlerunterEinflussderdarüberste-hendenZusammensetzungderSexquialtervor,undhättehierc g c‘ g‘(vgl.Geseke)stehenmüssen?

DieaufalleInstrumentezutreffendenBeobachtungen(Punkt1-5)sindnichtmiteinermehrals8-fachenGesamtbesetzungvonMix-turundZimbel/ScharfohneTerzchörezuvereinbaren.Deshalbistesdurchausdenkbar,dassabeiner9-fachenBesetzungauchbeifrühenInstrumentenschonTerzchöreindenMixturendisponiertwurden,wennvielleichtauchsparsamer.LeideristdieseHypothesenichtzuüberprüfen,dakeinaussagekräftigesfrühesÄquivalentvonMünstererhaltengebliebenist(daswäreMarienmünstergewesen!).

DieseungünstigeLageführtdazu,dassjedeZusammensetzungderKombinationMixtur+ZimbelzueinerSituationführt,fürdieeskeineanalogenFälleinanderenunsbekanntenMöller-Orgelngibt.DeshalbistihreZusammenstellungnichtmehrbeweisbarzurekon-struieren.Manmusssichdamitbegnügen,dassdiegewähltenZusammenstellungennichtstreitigmitdenobenangeführtenBeobachtungensind.

Wennmandavonausgeht,dassaußerdenErgebnissenderFor-schungamInstrumentselberauchdieBeobachtungen1–5beiderZusammensetzungderMixturenalsRegelneingehaltenwerdenmüssen,ergebensichfolgendeLösungen:

A: Mixtur ohne Terz / Zimbel mit TerzIndiesemFallbekommtdieMixturdieausLippstadtbekannteAnfangszusammensetzung,undmandarfannehmen,dassauchdieRepetitiondortsoausgesehenhatwiehier:

C 2‘ 1 B⁄d‘ 1‘ C⁄d‘ B⁄c‘csB 4‘ 2 C⁄d‘ 2‘ 1 B⁄d‘ 1‘

Um1–3alsKriterieneinzuhalten,mussdieZimbeldannwieinMünsterzusammengestelltwerden:

C B⁄c‘‘ C⁄f‘ B⁄d‘ B⁄e‘csA 1‘ E⁄f‘ C⁄d‘ B⁄c‘csB 2‘ 1 D⁄f‘ 1 B⁄d‘ 1‘

wobeidiebeidenRepetitionenaucheineOktavehöherstattfindenkönnten.DabeiwürdedannzwardreimaldieextremhoheOber-grenzevon1⁄16‘erreicht,aberdieskönnteauchinOstönnenderFallgewesensein.

FürdieseZusammensetzungsprichtdieTatsache,dassimheutigenBestandkeine„überflüssigen“PfeifenauseinerTerzreiheerhaltensind.InderMixturhätteesdiesenichtgegebenundinderZimbelnurineinersehrhohenLage,inderDöhresowiesokaumErsatz-pfeifengebrauchthätte.AuchwärederKontrastvomterzhaltigenHauptwerksplenumzudenterzlosenPlenenderanderenWerkenichtzugroß.

GegendieseZusammensetzungkönntesprechen,dassBeobach-tung6abgeschwächtwerdenmüssteindemSinne,dasseineÜberschneidungnichtnurzurVermeidung,sondernauchzurMini-mierungvonTerzchörendienenkonnte.WarumhaterdiesdanninMünsternichtgemacht?AngesichtsderkleinenZahlderüberliefer-tenMixturzusammensetzungenmussdiese„Inkonsequenz“jedochnichtüberbewertetwerden.

B: Mixtur und Zimbel beide mit TerzIndiesemFallbekommendieMixturunddieZimbelbeidedieZusammensetzung,dievonMünsterbekanntist:

C 2‘ 1 B⁄d‘ 1‘ E⁄f‘ C⁄d‘csB 4‘ 2 C⁄d‘ 2‘ 1 D⁄f‘ 1 B⁄d‘

(Zimbel wie bei A)VorteildieserZusammensetzungist,dasssieauchauseineranderenMöller-Orgelbekanntist.

EsistbeidieserMixturzusammenstellungjedochwesentlichun-wahrscheinlicher,dasskeineeinzigePfeifeauseinerTerzreihealsErsatzfürschlechteoderbeschädigteanderePfeifenwiederverwen-detwordenwäre.Eswäreaußerdemschwerzuerklären,warumhiereinKontrastzwischendenPlenenangestrebtwäre,dersichinkeineranderenMöller-OrgelnachweisenlässtundderinMünsteroffensichtlichnichterwünschtwar.SchließlichpasstdietiefereZusammensetzungderMixturimBassschlechteraufdenknappenStockalsdievonMöglichkeitA.

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EinigeSonderfragen–Die Mixturen,die Zungenstimmenunddie Temperatur

Page 28: Johann Patroclus Möller-Orgel

DerVollständigkeithalbermussnocherwähntwerden,dassdieZusammensetzungvon1967nichtinFragekommenkann,dadieZusammensetzungderZimbelnichtmitBeobachtung3zuvereinbarenist.

AufgrunddergenanntenVor-undNachteileerschienunsMöglichkeitAdiewahrscheinlichere,unddeswegenhabenwirunsfürdieseentschieden.

DieRekonstruktionderaltenTemperatur

VorderRestaurierungwardieOrgelgleichstufiggestimmt.Vermut-lichgingdieseStimmungzurückaufdenUmbaudurchFeithimJahr1921.DabeiderUmstimmungeinerungleichschwebendtem-periertenOrgelunterBeibehaltungdesStimmtonsmancheTönesystematischtiefergestimmtwerdenmüssten,müsstemandazuvielePfeifenanlängen.AusKostengründenwurdedeshalbinvielenFällendierelativhöchstenPfeifeninderOktavezumAusgangs-punktfürdenneuenStimmtongenommen.AlleanderenTönewur-dendannohnegroßenAufwanddurchAbschneidenderPfeifenderneuengleichstufigenTemperaturangepasst.DieshatzweiFolgen:DerStimmtonwirdleichterhöhtunddieSpurenderälterenTemperaturwerdenweitgehendgelöscht.

ZumGlückwurdenichtimmerinsolcheinertechnisch„sauberen“Weisevorgegangen.Manchmalhatmansichdamitbegnügt,etwaszulangePfeifenanderMündungstarkauszukulpenundkurzePfeifenanderMündungstarkeinzukulpen.InsolchenFällenkannmannochSpurenderaltenTemperierungzurückfinden,indemmanallePfeifenmündungengerademacht.Damanauchbeieinerneu-enOrgeldiePfeifenimmernochleichtnachstimmenmussunddieTonhöheaußerdemnochvonderIntonation(vorallemvonderLautstärke)beeinflusstwird,mussmandamitrechnen,dassdienachBegradigungderPfeifenmündungengemessenenTonhöhenauchimbestenFallnurannähernddenursprünglichenentspre-chen.DamitmandurchAnalysevonMittelwertennocheiniger-maßenzuverlässigeSchlüssebezüglichderoriginalenTemperaturziehenkann,brauchtmanfürsolcheAnalyseneinestatistischaus-reichendgroßeAnzahlPfeifenfürjedeNoteinderOktave.DiesePfeifendürfenaußerdemnichtzukleinsein,dakleinePfeifeneinenderartgroßenStimmbereichhabenbeimEin-undAuskulpenderPfeifenmündungen,dassderenmutmaßlichoriginaleTonhöhesichnichtausreichendgenaubestimmenlässt.

EineersteUntersuchungderPfeifeninMarienmünsterzeigte,dassFeithzwarvielePfeifenabgeschnitten,jedochauchmanchenurdurchEin-bzw.AuskulpendergleichstufigenTemperaturangepassthatte.Etwa46offenePfeifeninderGrößevon4‘bis1⁄2‘befandensichineinemderartigenZustand,dassMessungendaranHinweisebezüglicheinerälterenTemperaturergebenkönnten.DieAnalysedervomOrgelbauerdurchgeführtenMessungenzeigteleider,dassdarausineinerdirektenWeisekeine„fertige“

Temperaturhervorging.Siezeigtejedochauch,dassesmitgroßerWahrscheinlichkeiteineWolfsquintegegebenhabenmüsste,dieaberfüreinereinmitteltönigeTempera-turnichtgroßgenugwar.AufgrunddieserErgebnisseerschienesunssinnvoll,statis-tischzuberechnen,inwieweitdiegemesse-nenTonhöhenmitdentheoretischenWer-tenverschiedenervorgegebenenregelmäßigenungleichstufigenTemperatu-renübereinstimmen.Getestetwurdenfol-gendeStimmungen:B/fPythagoreischesKomma,B/fsyntonischesKomma,B/gpyth.Komma,B/gsynt.KommaundB/ipyth.Kom-ma.ZurÜberprüfungderZuverlässigkeitunsererMethodewurdezusätzlichgegendiegleichstufigeTemperaturValottiundWerckmeisterIIIgetestet.NebenderreinenKorrelationwurdeauchgetestet,welcheTemperaturdasgeringsteRisikoaufAnlän-gungenmitsichbrachte.3

Anmerkungen1 sieheWulfhorstII,S.98und133–134und

dieÜbersichtaufS.76–77.TheoretischkönnteinMünsterdertiefsteChorderMixturdesRückpositivsnachzweiOktav-repetitionen5B⁄d‘erreichen,wahrschein-lichistdiesangesichtsder4‘UntergrenzederHauptwerksmixturjedochnicht.

2 DiesbetrifftsowohldiegemischtenStimmenderanderenWerkederOrgelinMarienmünsteralsauchdieausanderenInstrumentenvollständigoderunvollstän-digbekanntenZusammensetzungen.EineÜbersichtderarchivalischüberliefertenZusammenstellungenistzufindeninWulfhorstII,S.76–77.AusTastenbeschriftungenausdemspäteren18.Jh.aufdenInnenprinzipaleninOstönnengehtzusätzlichfolgendeshervor:DieMixturfingaufCals2‘+1B⁄d‘+1‘+C⁄d‘an,ihr1‘Chormussmindestensbish1durchgelaufensein,ein4‘ChoristabdsC,undein2C⁄d‘ChorabeCnachzuweisen.VermutlichgabesalsoeineRepetitionaufcCodercsCnach4‘+2C⁄d‘+2‘+1B⁄d‘.DertiefsteChorderZimbelaufCwarof-fensichtlich B⁄c‘,zumindestabcsB1‘,zumindestabdC1B⁄d‘und(obwohlnuranhandvonzweiPfeifennachweisbar)zumindestabgC2‘.WardieZusammenstellungB⁄c‘+B⁄d‘+[B⁄e‘]aufC,1‘+C⁄d‘+[B⁄c‘]aufcsBund2‘+1B⁄d‘+[1‘]aufcsC?

3 Davonausgehend,dassAbschneidenprin-zipiellnichtinFragekommtunddurchdieWahleinesausreichendtiefenStimmtonsvermiedenwerdenmuss.

Dieüberzeugende„Gewinnerin“warinbei-denHinsichtendieregelmäßigeB/gsynt.Komma-Temperatur.DieamschlechtestenpassendenTemperaturenwarendiegleich-stufigeunddieB/fpyth.Komma-Temperatur.AuchfürValottiundWerckmeisterIIIhättenvielePfeifeninderOktaveangelängtwerdenmüssen.

AufgrunddieserErgebnissewurdedieOrgelindieserTemperatureingestimmt.Wirsindunsbewusst,dassdieseStimmungnurdieamBestenpassendeauseinerReihevonunsvorherausgewähltenTemperaturenistunddassdamitdieMöglichkeitunregelmäßigmodifiziertermitteltönigerStimmungengrundsätzlichaußerBetrachtgelassenist.Esgibtim18.JahrhundertfürsolcheStimmungenjedochkaumhistorischeHin-weise.Deswegendarfmandavonausgehen,dassdiejetztgewählteTemperaturnichtgrundsätzlichvonderaltenabweichenwird.

Koos van de Linde

Foto:Manufacture d‘Orgues Muhleisen

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Einige Sonderfragen – Die Mixturen, die Zungenstimmen und die Temperatur

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EinigeSonderfragen–Die Mixturen,die Zungenstimmenunddie Temperatur

Page 29: Johann Patroclus Möller-Orgel

GroßePersönlichkeitenderOrgelbaukunstsindindenregionalenlandschaftstypischenGegebenheitenihresKunsthandwerksver-wurzelt.JedichterundkontinuierlichersieTraditioneninsichvereinen,destoeheristesmöglich,dasseinSprunginnerhalbihrerKunstNeueshervorbringt.ProminenteBei-spielezuMöllersLebzeitengibtesdagenug:ArpSchnitgerbringtrund200Jahreham-burgisch-norddeutscheOrgelbaugeschichtezurVollendung,GottfriedSilbermannver-schmilztdasBesteausfranzösisch-sächsi-scherBarockorgelbaukunst,unddasPhäno-menJohannSebastianBachist,sowillesscheinen,nurdurchdiehohepraktischeundtheoretischeKunstseinerVorfahren,wiedieseinesmitteldeutschenUmfeldes,zuerklä-ren.Allenistaberzueigen,dasssiekeineRevolutionäresind,sonderndassausderVerdichtungdestraditionellenMaterialsimkunsthandwerklichenwieauchkompositori-schenProzesserstdasOriginelle,dasAußer-gewöhnlicheentsteht.

Lebensstationen

JohannPatroclusMöller,1698inSoest–deranbedeutendenhistorischenBauwerkenundkulturhistorischemVermächtnisrei-chen,ältestenStadtWestfalensgeboren,undam19.Septemberinderspätromani-schen,inderReformationevangelischge-wordenenKircheSt.MariazurHöhe(imVolksmund„Hohnekirche“genannt)getauft,versinnbildlichtmitseinemzweitenVorna-men„Patroclus“sowohldieRückbindungan

denSchutzpatronderStadt,dessenReli-quienseitdem10.JahrhundertinderDom-kirchegleichenNamensaufbewahrtwerden,alsauchdiespäterePositioneinesquasi„ökumenischen“Orgelbauers,der,selbstevangelischundalsOrganistaneinerevan-gelischenStadtkircheimbenachbartenLipp-stadtamtierend,frappierenderweisezu-meistfürkatholischeKirchen,DomkirchenundKlösterbaut.

SeineLehrzeitbereitetdenOrgelwissen-schaftlernbislangSchwierigkeiten:Daerlebt

derjungeJohannPatrocluszweifellosdenbedeutendenreisendenOrgelbauerPeterHenrichVarenholt(1637–ca.1720),der1717inderzuSoestbenachbartenDorfkircheSt.SeverinzuSchwefezusammenmitMöllersVaterbautundwächstmitdessenArbeitenindenJahren1712/13sowohlinSt.MariazurHöhealsauchanderzusammenmitAndreasSchneider(ca.1646/47–1685)imJahre1676erstelltenOrgelderSoesterPaulikircheauf.VermutlicherhälterOrgelunterrichtbeimOrganistenvonSt.Petri;VoraussetzungfürseinspäteresOrganistenamtinLippstadt.

LebensstationendeswestfälischenOrgelbaumeistersJohannPatroclusMöllerDr. Wolf Kalipp

Die Möller­Orgel der St. Pauli­Kirche, Soest

Die nicht mehr existierende Möller­Orgel von St. Thomae, Soest, auf einer alten Archiv­Aufnahme

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Page 30: Johann Patroclus Möller-Orgel

WeitereEinflüssedersichim16.und17.Jahr-hundertausprägenden,fundiertenwestfä-lischenOrgelbautraditionkonnteMöllerinseinerHeimatstadtsowohldurchdieOrgel-bautenderimniederländischen,norddeut-schenundwestfälischenRaumvon1600bis1742wirkendenFamilieBader(DomSt.Patrokli;ArnoldBaderlebte1632inSoest),durchdieArbeitenderostwestfälischenOrgelbauerHansHenrichReinking(gest.um1670inBielefeld,1649/54NeubauinSt.Petri)undHinrichKlausingausHerford(1642/43–1720)alsauchdurchdasinnerwestfälischeSchaffendes1607/08alsOrganistanSt.MariazurWiesegenanntenJohannBusse(Wirkungszeitca.1607–1665)inundumSoeststudierensowiediegrundlegendenhandwerklichenVoraussetzungenfürdasOrgelbauhandwerkinderväterlichenWerk-statterlangen:MertinMöllerwarnämlichKunsttischler,stammteausHerdeckeundwarseit1696SoesterBürger.

AberauchmöglicheAusbildungszeitensowohlbeimBeckumerHeinrichMencke(1677–1727)undbeiminThüringengebür-tigen,ab1701vonEinbeckauswirkendenJohannJakobJohn(1665–1707)alsauchBeziehungenzumOsnabrückerOrgelbauerJ.A.Bernerd.Ä.(1693–1737)stehenderzeitzurDiskussion.

WichtigeHandwerksgrundlagebildetezudieserZeitfürdiewestfälischeOrgelbau-kunstunddamitfürden„anfahenden“Or-gelbauerJohannPatroclusMöllerdieTradi-tiondesniederländischenRenaissance-undBarockorgelbausdervorausgehendenJahr-hundertemitihrenimbestenSinnearchai-sierendenKlangcharakteristika.

1720,imJahrseinesopus1,derOrgelfürAltSt.ThomaeinSoest,übernahmJohannPatroclusMöllerdievakantgewordeneKüster-undOrganistenstelleanderKleinen

MarienkircheinLippstadtundheirateteAnnaMariaElsabeinMillius,TochterseinesAmtsvorgängers.NachderenfrühemTodgingMöller1732dieEhemitderTochterdesbetagtenOrganistenanderLippstädterGroßenMarienkirche,HelenaCatharinaErdtsieck,ein.1738erhielterzusätzlichdieKüster-undOrganistenstelleanderGroßenMarienkirche,Möllerwarinzwischenange-sehenerLippstädterBürger.1744verstarbauchdiezweiteEhefrau,1746heirateteerLuiseMargarethaSchwollmann.ElfKindersindausdiesenEhenbekannt,vondenennurzweidasKindesalterüberlebten.JohannMartinMöller(1723–1754),ältesterSohnausersterEhe,konntedieNachfolgederWerk-stattdurchseinenfrühenTodnichtantreten.MöllersSchwiegersohnDanielChristophVahlkamp(1731–1777),übrigensSchülervonWilhelmFriedemannBach,hatte1754JohannMartinsWitwegeheiratetundwur-denebenMöllersNeffenJohannArnoldIsvording(1727-1777)zumengstenMitarbei-ter.ÜberdenvonDringenbergauswirken-denFamilienzweigJ.A.IsvordingskonntedieOrgelbautraditionMöllersnochbisindas19.Jahrhundertweitergetragenwerden.

MöllerhattezuLebzeiteneineflorierendeWerkstattmitbiszuachtMitarbeitern;nursokonnteerseinenweitverstreutenAuf-trägenvomzentralenWestfalenbiszumNiederrheinundzurWesergerechtwerden.

JohannPatroclusMöller,dessenreichesLebenswerkinauffallendemGegensatzzuseinemfamiliärenSchicksalsteht,starbalsangesehenerLippstädterBürger:„den 27. Juli 1772 ist Herr Joannes Patroclus

Möller Orgelmacher und Organist an der

hiesigen Großen Marienkirche geburtig aus Soest

begraben, welcher den 24ten Jul. an einem

auszehrenden Fieber gestorben. Alt 74. Jahr“.

St. Marienkirche, Lippstadt

Die„FacietäteineshalbenMonden“

DieSchauseitenvonMöllersgroßenOrgeln,soauchdiederjüngstwiedergewonnenenAnsichtder1943endgültiguntergegange-nenmünsteranerDomorgel,seinemgrößtenInstrument,habenihreigenes,unverwech-selbaresProfilinnerhalbdereuro-päischenOrgelbaugeschichte.AndaszentraleHaupt-werkmitdenwestfälischenProspektmerk-malen(nämlichdemzentralenRundturm,sichanschließendenseitlichenRundtürmen)schließensichbeidseitigzudenweitvor-springendenPedaltürmengebogeneFelderan(exemplarisch1736/38inMarienmünsterverwirklicht).Dieserinsgesamtbogenförmi-geGrundrisswirdvonMüllerals„Facietät

eines halben Monden“ bezeichnet.StilistischeÄhnlichkeitenfindensich,zeitgleich,anthü-ringischenOrgeln,soz.B.anderTrost-Orgelvon1735–39inderSchlosskircheAltenburg.Dieinnovatorische,konkaveFormgebungbleibtalleinMöllervorbehalten.

VorbehaltenbleibtihmauchdasRegister„SpanischKornett“imHauptwerk.HierlässtsichaneinedirekteBeeinflussungausdemniederländischenOrgelbaudenken,selbstwenndortdasCornettalsdenGemeindege-sangführendesSoloregisterimRückpositivdisponiertwurde.DiefürdieseZeittypi-schenundstetsauchbeiMöllerauftreten-den„westfälischen“RegisterwiedieSesqui-altera3-fachunddieVioladaGamba8’imHauptwerk,dasNachthorn4’alscantus-firmus-RegisterimPedalsowieterzhaltigeRegisterundtiefeAliquotenwerdenineinefarbige,vonsatt-grundiertem,kräftigstreichendemPrinzipalchorgetrageneRegis-terpaletteintegriert,auchhiersowohlCharakteristikaderaltniederländisch-alt-westfälischenalsauchderneuzeitlicherennorddeutschenOrgelnichtverleugnend.

Ausblick

DievielfachinderwestfälischenKunstge-schichteauftretende,quasiarchetypischeVerwendungvonqualitätvollErprobtemverleihtdenjeweiligenKunstwerkeneinebesondereInnenspannung;wieesimÜbri-geninderDenkmalpflegeoftvonVorteilwar,dassKircheninventarwegenGeldman-gelsnicht„wegsaniert“werdenkonnte(vgl.Borgentreich).DiewestfälischeOrgelland-schaftistreichan„Errata“dieserArt.EineLegitimationzuderenErhaltundzurBesin-nungaufeinedifferenzierteRestaurierungallerinfragekommendenwestfälischenOrgelninnerhalbdernächstenJahrzehntebietendiemehralshundertbislangrestau-rierten,vollständigoderteilweiseerhaltenenhistorischenOrgelninWestfalenundLippe,bietetdieunterProf.Dr.RudolfReuterbe-gonneneAuseinandersetzung(undvoral-lemundgerademitdenprächtigen,monu-mentalenDenkmalorgelneinesJohannPatroclusMöller)mitderwahrenhistori-schenOrgel,dieunserJahrhundertinalleneuropäischenOrgellandschaftendurchzieht.

[...]EinBlickaufdieMöllerschenOrgelpros-pekte,einKlangerlebnismitwestfälischenBarockregisternlässtnachwievordasAu-ßergewöhnlichedesPhänomensMöllererkennen,derallenseineInstrumenteSpielenden,LauschendenundBetrachten-deneinebesondereLiebezurOrgelmitaufdenWeggibt.

DashatwohlauchdermünsterischeSuccentorCrinsimJahre1751soempfunden,alserdemDomkapitelzumNeubauderDomorgelJohannPatroclusMöllersOrgel-baukunstansHerzlegte:

„... umb demehr, da man das Glück in Händen

hat, einen in der Nähe geseßenen so tüchtigen als

fleißigen und bei Jahren seienden Orgelbauer zu

haben, welcher von so vielen neu aufgerichteten

herlichen, großen Orgelwerkeren – welche auch

teils von vielen hießigen gnädigen Herren gese-

hen und gehöret worden – großen Ruhm und

Lob erhalten.“

DerAufsatzstammtausdemProgrammheftzum300.GeburtstagJohannPatroclusMöllers,Soest1998)

LiteraturWulfhorst,Ulrich:„DerwestfälischeOrgelbauerJohannPatroclusMöller—Teil1,LebenundWerk“,Bärenreiter-Verlag,1967

Döhring,Klaus:„JohannPatroclusMöller“,inArsOrgani2/1998,Mettlach1998

Kalipp,Wolf:„JohannPatroclusMöller(1698—1772)“,inProgrammbuch„300JahreJohannPatroclusMöl-ler,OrgelnundalteMusikinWestfalenundLippe,1.Festivalvom5.bis20.September1998“,Soest1998

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Lebensstationen des westfälischen Orgelbaumeisters Johann Patroclus Möller

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LebensstationendeswestfälischenOrgelbaumeisters JohannPatroclusMöller

Page 31: Johann Patroclus Möller-Orgel

AusdemDiariumdesAbtesHeinrichSchröder-Dronemann(1483–1548)

Hans Hermann Jansen

Diarium des Abtes Heinrich Schröder­Dronemann mit Berichten aus dem Zeitraum 1503–1548

Erwähnung einer Orgel­Renovierung Im Jahre 1539 auf fol. 44r

ErwähnungderOrgel

DerumfangreichsteEinschubistderBerichtüberdieRenovierungderOrgelimJahre1536.ErstammtoffenbarvonandererHand,istaberdeswegennichtwenigerbedeut-sam.DortwirdvoneinerentscheidendenErneuerungeinerbisdahinexistierendengotischenSpielanlageberichtet,dievomOrgelsachverständigenProf.RudolfReuter1978alsäußerstwertvollerFundeingestuftwurde.Dortheißtes:

Anno 1536. resauratumseu innovatum est

organum nostrum...

„Im Jahre 1536 wurde unsere Orgel von Meister

Goswin aus Münster wiederhergestellt und er-

neuert. Der untere Teil wurde anderes eingerich-

tet als vorher. Weil er allzu laut, wurde der klang

gedämpft, eine neue Pauke wurde hinzugefügt.

Der obere Teil wurde ganz neu gemacht mit

Ausnahme der Prospektpfeifen, die vorher stumm

waren. ... Außerdem hat er ein neues Werkstück

gemacht, das „lade“ heißt, und darauf vier ganz

neue unterschiedliche Klangfarben, nämlich

Humelen, Cimbalen, Horniken und Duppen.“

AufdenletztenSeitenderChronikdesAbtesSchöder-Dronemannfindensichschließlich9Fundationsurkunden.Dieersten5stam-mennochvonAbtSchröder,danneinkleinesVerzeichnisverstorbenerMitbrüderzwischen1518und1519,weiterhinProphe-zeihungenausNeapelausdemJahr1734überHimmelszeichenundNaturereignisse,dieandenKurfürstenvonKölngerichtetwaren,aufdieJahre1734bis1809.DiesestammenoffensichtlichvoneinemGreven-burgerKopisten.ZumEndefolgenMemoirenvonÄbtenundPfarrernderJahre1694bis1723miteinemVerzeichnisderKonventeindenOrdensprovinzen.

InsgesamtisteseinzentralesBuch,Aufbe-wahrungsorteinermonastischenIdentität,diefürdieLebendeneinesKonventsVerant-wortungfürdasErbefixiertundfürunsheuteinderNachbetrachtungeinebeson-dereWeltdokumentiert.

Interessantmagabschließendnochsein,wiedieseHandschriftindenBesitzdeso.g.berühmtenenglischenSammlersgelangte,dadamitwiedereinZeitzeugefürMarien-münsteroffenbarwird,deralsletzterBibliothekarvorderAuflösungdesKlostersimJahre1803überWertundFunktionderKlosterbücherBescheidwusste:LeandervanEß.

DasDiariumdesAbtesHeinrichSchröder-Dronemannberichtetvonunterschiedlich-stenEreignisseninMarienmünsterzwischen1503und1548.DerAutor,AbtHeinrich,stammt,wieerselberschreibt,„deBraculis“–ausBrakel.1503warerinsKlostereingetre-tenundhatte,wieeresausdrückt,„dieKapuzeempfangen“.DiePrimizfeierfandam6.2.1508statt.Dadieseim25.Lebensjahrüblichwar,wirderum1483geborensein.WohlimJahre1515–jedenfallsbiszuseinerAbtswahl1518–wirdihmdiePfarreiStein-heimübertragen.AbtHeinrichstirbtimNovemberdesJahres1548.

DerCodexistinHolzdeckelgebunden,diemitrotgefärbtemLederbezogenundsovonAbtAugustinMüllerim18.Jahrhundertals„Codicillus,vulgariterdasrotheBuch“bezeichnet.

Von1503bis1548schriebHeinrichSchröder-DronemannJahrfürJahraufeinerneuenSeiteauf,wassichereignete,bzw.,wasihmwertwar,festgehaltenzuwerden.VereinzeltsindgroßeEreignissewiedieReichstage,dasTrienterKonzil,derSchmalkaldischeKriegoderdieEroberungMünstersbenannt,meistabergehtesumdasWirtschaftliche,dieEinnahmenundAusgaben,umdieBau-tätigkeitunddieNaturereignisse.

DerRückgangderZahlderKonventualenundeineSchwächungdesKonventsz.B.durchdiePest1520oderdieFolgenderReformationwerdeninAufzeichnungenvon1525,1534,1544und1545nurmit„spiritusmalignus“und„lutherischeKetzerei“bezeichnet.

Leander van Eß

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AusdemDiariumdesAbtesHeinrichSchröder-Dronemann(1483 – 1548)

Page 32: Johann Patroclus Möller-Orgel

DieschwierigefinanzielleSituationderVolksschullehreraufdemLandeim19.Jahr-hundertistvielfältigdokumentiert.Vieleversuchtendaher,sichaufbesserdotierteStellenversetzenzulassen.Dasführtezuzahlreichen,pädagogischsehrproblemati-schenLehrerwechseln.Soerhieltbeispiels-weisePapenhöfeninderZeitvon1830bis1900imDurchschnittallefünfJahreeinenneuenLehrer.UnddochgabesAusnahmen:Lehrer,dieJahrzehntelanganeinemOrtblieben–zumSegenfürdieKinderunddieDorfgemeinschaft.ZuihnenzählteAlbertBollens,LehrerinMarienmünstervon1843bis1893.

Erwurdeam19.10.1816alsSohndesUhrma-chersFriedrichBollensundseinerEhefrauGertrud,geb.Hüls,inHöxtergeboren.MitzehnJahrenbegannerunterAnleitungdesOrgelbaumeistersundOrganistenAdamOesterreichzuCorveydieOrgelzuspielen.NachBeendigungderSchulzeitbegleitetederJugendlicheihnzurReparaturvonOrgelnindieDörferderbenachbartenLänder(Lippe,Braunschweig,Hannover).DieseMitarbeitbegeisterteihnso,dasseresverschmähte,dasUhrmachergeschäftseinesVatersfortzuführen.

DochseinVormund–BollensElternwarenfrühgestorben–kümmertesichwenigumdieWünschedesJugendlichenundschickteihnnachEversen,woseinBruderLehrerwar.DortsollteersichdasRüstzeugzumLebens-unterhalterwerben.

DertreueDienerErinnerungenandenLehrerundOrganistenAlbertBollens

NacheinerkurzenLehrtätigkeitinBlanke-nautratBollens1836indasBürenerLehrer-seminarein.ZweiJahrespäterbestanderdasExamenmitdemPrädikat„sehrgut“unddemZusatz„zumOrgelspielensehrgutqualifiziert“.

AufgrundeinerEmpfehlungdesangesehe-nenSeminardirektorsKöchlingerhielterdieLehrer-undOrganistenstelleinBorgentreich.SeinegroßeChancekam,alsderUnterlehrerundOrganistinMarienmünster,Berken-kamp,1843pensioniertwurde.SoguteOrgelnwieinderAbteiMarienmünster,schriebBollensam5.8.1843derMindenerBezirks-regierung,seienabsoluteAusnahmen,undniewiederwerdesichfürihneinederartigeGelegenheitergeben.EinZeugnisdesbe-rühmtenOrgelvirtuosenHomeyerfügteerhinzu:Eshabeihm,soschriebdieser,größtesVergnügenbereitet,inBorgentreichderOrgelmusikzulauschen.AufseinenvielenKunstreisen,selbstindiegroßenStädteDeutschlands,habeernurwenigevergleich-bareOrganistengefunden.AngesichtsseineraußergewöhnlichenTalenteunddesMangelsanfähigenOrganistenwünscheerdringendst,manmögeBollenssowürdigen,wieeresmitRechtverdiene.DiesbezeugeerausfreiemAntrieb.SchonzweiWochenspäterhieltBollensseineErnennungzumOrganistenundLehrerinMarienmünsterindenHänden.

InMarienmünsterkonntemansichwahrlichglücklichschätzen.SeinRufalsOrganistundOrgelexpertestrahlteweitüberdieHeimat-grenzenhinaus,undseineLeistungenalsPädagogewurdenausnahmslosmitexzel-lentenPrädikatenbewertet.InihrenGutach-tenhobendieSchulinspektorenimmerwiederdenGesangsunterrichthervor;soderSchul-undRegierungsratKoppderBezirks-

regierungMinden:„DerGesangsunterrichtkannnurinallerhöchstenTönengelobtwerden.“Undwieselbstverständlichfügteerhinzu:„Andereswärebeidiesembefähig-tenLehrerauchnichtzuerwartengewesen.“1888,72Jahrealt,konnteBollensaufeine50jährigeDienstzeitzurückblicken.Staat,Amt,Schul-undKirchengemeindennahmendieszumAnlass,seineLeistungenundVer-diensteumSchuleundKircheinMarien-münstergebührendzuwürdigen.SchulratLaureckausHöxterbeantragtebeiderBe-zirksregierung,ihnaufdieListederKandida-tenzusetzen,denenderköniglicheHaus-ordenvonHohenzollerninderAbteilungderAdlerverliehenwerdensollte.ErbegründeteseinenVorschlagmitdessentadelloser50jährigerTätigkeitimSchuldienst.

DieserhoheOrdenmitvierRangstufenwur-deinseinerzivilenVariantenuranWissen-schaftler,KünstlerundLehrerverliehen,diesichgegenüberdemHauseHohenzollernausgezeichnethatten.MitseinerweithinbekanntenundgeschätztenObstbaum-undBienenzuchthatteerzudemMaßstäbegesetztundsichsofürdasAmtgrößteVerdiensteerworben.

DieoffiziellenFeierlichkeitenfandenam24.Oktober1888statt,eingeleitetdurchfeierlichesGlockengeläutunddurcheinStändchendesLehrergesangvereinsamVorabend.ChoräleundeineMusikkapelleeröffnetendenFesttag.PastorWrede,seit1848inMarienmünsterundvieleJahreollensSchulinspektor,hieltdieFestredeimGottesdienst.NachfeierlichemTeDeumzogenalleGästeindiewürdevollge-schmückteSchule,woderoffizielleTeilderVeranstaltungstattfand.SchulkinderausdenGemeindentrugenLiederundGedichtevor.AmtmannSchroedergratulierteim

NamenderSchulgemeinde,allerLehrerundGeistlichen.ZahlreicheToasteundAnspra-chennamhafterPersönlichkeiten(u.a.CarlvonHaxthausen,verschiedeneLehrerorgani-sationenderKirchengremienetc.)schlossensichan–allesinallemeingroßer,würdigerTagfürMarienmünsterunddasAmt.

AlbertBollenswarennochdreiweitereJahreimAmtvergönnt,dannließenseineKräftenach.ErbatdieSchulbehördeumVerset-zungindenRuhestand.

Am3.Juni1894verstarberzuLüchtringen.

(Quelle: Staatsarchiv Detmold,

nach einem Bericht von Dr. Josef Werpup)

Aus alter Zeit: Marienmünster­Impressionen aus der Zeit bis ca. 1930 · Foto: Kommunalarchiv Herford, Sammlung Fenske

Handschriftliche Aufsstellung von Albert Bollens der Orgeldisposition in Marienmünster

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Der treue Diener

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Page 33: Johann Patroclus Möller-Orgel

Es ist ein trüber Novembermorgen. Kalt und unerfreulich streicht der Wind uns um den Kopf und lässt die Regentropfen unter das schützende Dach des Autos, während wir aus dem alten Brakel mit seinen moosbewachsenen Stadtmau­ern durch den Nethegau dahinsausen dem ört­lichen Gebirge entgegen. Mein Begleiter zitiert einen Vers aus Dreizehnlinden bei der Überfahrt über die Brucht. Dann taucht der Habichtshof zur Linken auf und dann geht’s vorbei an dem alten Bodinkthorpe. Nach einigen Minuten durchfah­ren wir Vörden, dessen Burgfeste einst in kriegeri­scher Zeit den Gottesfrieden des nahen Benedikti­nerklosters Marienmünster schützen sollte. Jetzt werden die Türme der Abteikirche sichtbar. Nun noch eine scharfe Kurve und schnurrend hält das Gefährt vor einem wappengekrönten Torbogen.

EineOrgelruineausklassischerZeitHerausgegebenin:Caecilien-Vereinsorgan1913,S.10f.

von Pater Fidelis Böser aus Kloster Beuron

Aber nicht diese von längst vergangenen Zeiten redenden Steine fesseln heute unsere Aufmerk­samkeit; auch die mit viel Pietät und Verständnis jüngst restaurierte Abteikirche vermag nicht lange unsere Blicke an sich zu ketten, so sehr auch die Altäre mit ihrem reichen, goldstrahlen­den Barock und das herrliche, der gleichen Kunst­periode angehörige Chorgestühl mit seinen wirkungsvollen, freundlichen Farbtönen uns anziehen möchte. Einem anderen der liturgischen Inventarstücke des Gotteshauses gilt heute vor allem unser Interesse: der Orgel. Es ist merkwür­dig, dass auch ihr Äußeres neben Altar, Chorge­stühl, Kanzel und Beichtstühlen ein Prachtstück des reichen, lebensfrohen Barock darstellt, wäh­rend die Architektur der Kirche älteren, ernsteren Stilperioden angehört.

Es ist, als sollte die bald zwei Jahrtausende über­dauernde und alle Nationen umspannende Welt­kirche in den romanischen Gewölben, in den massiven Pfeilern und Mauern ein Abbild finden, während die neuzeitlichen Formen des Barock für das stets sich erneuernde Prophetenwort Pries­tertum und Hirtenamt Christi einen würdiges Gewalt zu leben und der Predigt, der Sakramen­tenspendung und dem heiligen Opfer einer Stätte zu bereiten und zu schmücken berufen sind.

Am 12. März des Jahres 1735 hatte der seitherige Prior Josef Zurmühlen den Abtsthron bestiegen. Eine seiner ersten Regierungssorgen war der Neubau einer großen Orgel. Schon im folgenden Jahre 1736 bezog der Orgelbauer Johann Patro­clus Möller aus Lippstadt mit seinem Gesellen eine Wohnung im Kloster und blieb zwei Jahre an Ort und Stelle, bis am 19. Mai 1738 das Werk voll­endet dastand und von zwei spielgewandten Organisten geprüft und für gut befunden wurde.

Alles Material war vom Kloster geliefert worden. 1021 Reichstaler verzeichnete der Abt für die Schreinerarbeit und das Material, soweit es nicht im Besitze der Mönche war. 450 Reichstaler erhielt der Meister außer der freien Station im Kloster.

214 Reichstaler war der Preis für das schöne Gehäuse. Es besteht aus zwei von unten unter­scheidbaren Hauptteilen: im Hauptwerk, das die ganze Breite des Mittelschiffes bildet und dessen Prospektpfeifen sich in herrlicher Symmetrie auf der drei Rundtürme und die Flächen zwischen ihnen verteilen – und dem Nebenwerk

Das Innere der Abtei kirche Marienmünster nach Westen mit der Johann Patroclus Möller­Orgel. Foto: Ludorff, 1897Archiv des LWL

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EineOrgelruineausklassischerZeit

Page 34: Johann Patroclus Möller-Orgel

(Rückpositiv), das sich in der Mitte der Emporen­brüstung befindet und die Formen des Haupt­werkes in kleinerem Maßstabe wiederholt. Zwei größere Rundtürme mit den großen Prospekt­pfeifen flankieren das Ganze zur Rechten und zur Linken und stellen die organische Verbindung zwischen Haupt und Nebenwerk dar.„Hoc organum“ – so heißt es im Tagebuch des Abtes und diese Worte verraten seine Intention – „Deus conservare velit ad multos annos et in

hoc organo laudetur Deus laudabilis nimis“.

Die ältesten Nachrichten über die Disposi tion des Werkes, die ich finden konnte, stammen aus einer Zeit, da der Wunsch des Abtes schon über 100 Jahren sich erfüllt hatte und das Gotteslob der Orgel immer noch weiter tönte, während das Gotteslob im Chore infolge der Säkularisation längst verstummt war. […]Ähnlich wie die Barockkunst, die zumeist diesen Orgeln aus der klassischen Zeit ihr Gewand ge­woben und die herrlichen Gotteshäuser geschaf­fen, in deren lichten, weiten Hallen ihre Stimmen wieder klingen, so atmet auch diese klassische Orgelbaukunst ein reiches, harmonisches Leben.

Es geht ein organischer Zug durch ihre Stimmen­zusammensetzung, wie durch diese großartigen, reichen Tempel. Die einzelnen Stimmen sind nicht, wie bei vielen unserer modernen Orgel­werke zu sehr prononciert und zu einseitig charak terisiert. Vielmehr sind sie in unserer, wie in den wenigen anderen geretteten klassischen Orgeln, als Glieder eines schönen Ganzen gedacht und intoniert, in einem bestimmten Raum hinein abgetönt, ohne damit ihre individuelle Schönheit opfern zu müssen. Wenn ich das die Raumwir­kung der klassischen Orgel nennen darf, so finde ich darin eine akustische Parallele zu der unnach­ahmlichen Raumwirkung, die einen wesentlichen Grundzug und Vorzug der Barockkirchen bildet. Die genannte Raumwirkung unserer Orgel wird

erreicht, nicht durch Hochdruckregister oder andere unnatürliche Kraftäußerungen – auch hier in Marienmünster haben wir einen sehr niedrigen Windruck – sondern durch entspre­chende Disposition und durch eine Intonation, Gegenstimmen nicht eine absolute Kraft und Stärke geben will, sondern eine relative, berech­net für den Raum, in dem sie beständig ihr Got­teslob erschallen lassen soll. Darum müssen wir dem Brauch – wie hier in Marienmünster statt hatte – , die Orgel an Ort und Stelle zu bauen und nicht in einer fernliegenden Werkstätte, unstrei­tig seine hohen Vorzüge vor der modernen Weise zu erkennen.

So fluten die Tonwellen hindurch durch diese erhabenen Gottestempel mit ihren weitgespann­ten Gewölben und die gewaltigen Mauern und hochragenden Säulen und Bildwerke werden mit hineingezogen in die Wellenbewegung und fan­gen an mitzuschwingen und mitzusingen, und wir verstehen auf einmal unter dem Eindruck der machtvollen Predigt, warum die Heiligenfiguren an den Pfeilern eine so ekstatische Haltung ein­nehmen, und warum ihre Gewänder in so Wan­derbewegung sind und warum die Engel auf den Altären so lebensfroh und frei und kühn sich tummeln – der Hauch des Lebens, den die Königin der Instrumente entfacht hat, weht durch die Hallen und weckt alles zu freudigem, lebensfro­hem Gotteslob. Wir fühlen im nämlichen Augen­blick, dass sie dieser Kunst unrecht tun, wenn wir Sie „unkirchlich“ nennen, wenn wir von „über­laden, unruhig“, von „zweckloser Ornamentik“ reden. Es ist dasselbe Unrecht, dass man began­gen hat an den herrlichen Orgelwerken aus klas­sischer Zeit, wenn man die mächtige, kunstvolle Sprache ihres hell klingenden Gotteslob ist nicht mehr verstand, das eigentümliche Leben ihrer seines Art verkannte, den Reichtum ihrer Mix­turen und Aliquot­Stimmen und Rohrwerke, die wie Goldglanz und Blumenornamente sich über den festen Mauern und Pfeilern der Grund­

stimmen ausbreiten und Festesfreude über das Werktagsantlitz zaubern ....

Allerdings – den geschilderten Eindruck hat man hier in Marienmünster nur zum Teile. Unsere Orgel ist dem Laufenden 180 Jahre ihres Beste­hens alt geworden und Eingriffe von außen ha­ben stark mitgewirkt, das herrliche Werk zu einer Ruine zu machen. In den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die Westfassa­de der Abteikirche einer Erneuerung unterzogen. In dieser Bau Periode scheint das Werk nicht genügend geschützt gewesen zu sein. Denn nach Vollendung der Bautätigkeit musste von fach­männischer Seite die Summe von 1000 Taler zur Reinigung und Wiederinstandsetzung der Orgel als nötig erklärt werden, die baupflichtige Regie­rung aber genehmigte den Posten nicht und so musste sich der damalige Organist selber „hel­fen“. Noch einmal in den siebziger Jahren und ein drittes Mal in den neunziger Jahren wurde an der Orgel „restauriert“.

In dieser Zeit sind einige Register ganz ver­schwunden, darunter die Choralflöte des Pedals, die von solchen, die sie schon gehört haben, als eine besonders schöne Stimme gerühmt wird. Jeder Kenner der bachschen Orgelmusik weiß, welche Bedeutung diese Choralflöte hatte. Die Traversflöte des dritten Manuals ist in gänz­lich Verkennung der dem Werg zugrundeliegen­den Intention mit einer unserer „berühmten“ modernen Gamben vertauscht worden. Die Rohr­werke lassen nur noch in wenigen Tönen an, was sie einmal waren. Aber trotz alledem singt und jubiliert die Orgel noch, als ob sie uns zum Be­wusstsein bringen wollte, dass sie trotz ihres hohen Alters noch ein jugendfrisches Herz sich bewahrt habe, ­ als ob sie uns selbst alle Zweifel an der Möglichkeit einer Wiederherstellung ihrer alten Schönheit und Klangfülle benehmen, und eindringlich zurufen wollte: noch fühle ich die Kraft in mir, nach Ausbesserung der Schäden und

Wiederersatz des Geraubten und nach Heilung der geschlagenen Wunden auch weiterhin freu­dig zu erfüllen, was Abt Josef Zurmühlen mir einst aufgetragen: „in hoc organo laudetur Deus ad multos annos.“

Aber – wo ist der Meister, von dem die kranke und hilfsbedürftige Königin der Instrumente die Heilung ihrer Wunden erhofft? Das ist sicher – es darf nur ein Orgelbauer sein, der seinen Beruf als Ausübung einer hehren, heiligen Kunst betrach­tet; – ein Orgelbauer, der nicht von den Ehrgeiz getrieben wird, etwas Neues aus dieser alten Orgel zu machen; – ein Orgelbauer der so viel Selbstverleugnung besitzt, um auf die gegebene Intention zu einzugehen und die Gedanken eines anderen nachzudenken, dann aber auch befähigt und im Stande ist, die alte ursprüngliche klassi­sche Tongebung wiederherzustellen. Reden von den „notwendigen Ergänzung“ oder von „Einrich­tung nach den neuesten Errungenschaften der heutigen Zeit“ oder von „Notwendigkeit“, das Werk und seine Disposition und Intonation dem modernen Geschmack näher zu bringen“­ dürfen die berufenen Instanzen nicht hinwegtäuschen über die sich oft dahinter verbergende Unfähig­keit, aus dem gewohnten engen Kreise herauszu­treten und auf eine Höhe sich zu erheben, die der Orgelbau in der klassischen Zeit erstiegen hatte. In einem fachmännischen Gutachten, das von einer staatlichen Behörde als Grundlage für die Wiederherstellung einer Orgel aus dem 18. Jahr­hundert vorgeschrieben wurde, heißt es: „Es gibt nichts in der gesamten modernen Orgelbau Kunst, was in das wunderbare Ausgabe dieser alten Meisterwerke hinein passte.“

Wie schön wäre es, wenn die ehrwürdige Abtei­kirche, die nun – dank der vortrefflichen Leitung und Ausführung ihrer Restaurationsarbeiten – in ihrem alten Glanze und in einer Farbe Umgebung erstrahlt, wie sie sowohl der ernsten romanischen Architektur, als den hellen, lebensfreudigen

Barock der Inneneinrichtung gerecht wird – Wie schön wäre es, wenn diese Abteikirche zu den leuchtenden Farben am Auge Gehäuse auch die leuchtenden Klangfarben des inneren Werkes wieder besäße, – wenn diesem kulturhistorisch ebenso kostbaren wie seltenen Denkmal nicht nur seine Schale und körperliche Hülle erhalten, sondern auch seine Seele und sein Geist wieder eingehaucht würde! Ich habe schon mehr als einmal in Westfalen die bittere Enttäuschung erlebt, dass ich von einer Orgel aus klassischer Zeit gelesen, und als ich in Erwartung des mir werdenden Hochgenusses mich an Ort und Stelle gegeben hatte, da dröhnten mir aus dem alten Gehäuse aufdringlichen Prinzipale und die mit einem Mark und Bein durchdringenden Strich versehenen Gamben aus irgend einer neueren Orgelwerkstätte entgegen. Es wäre sicher ein Glück, wenn man auch in Westfalen eine der wenigen klassischen Orgeln in ihrer edlen, vor­nehmen Tongebung zu hören und zu spielen Gelegenheit hätte. Vor mir liegt der Bericht eines staatlichen Generalkonservators an sein Ministe­rium über die Erhaltung einer Orgel aus der klas­sischen Zeit; Darin wird unter Berufung auf seine sehr kompetente Hochschule Autorität darauf hingewiesen, dass es „von großem Interesse“ sei, die fragliche „Orgel in ihrem wesentlichen Charakter zu erhalten“ und es sei „wichtig dass man alte Kompositionen auf Werken spielen könne, für diese bestimmt waren“. Die allen Kom­positionen eines J. S. Bach sind für uns immer noch unübertroffene Muster und Vorbilder des Orgelspiels und werden es auch wohl bleiben. Wenn nun auch die Orgel von Marienmünster infolge einer Wiederherstellung ihrer alten Into­nation zu den Werken gerechnet werden dürfte, für die Bachs unsterblich aber Komposition ge­schrieben waren und auf denen wir heute noch klingen, wie sie einst unter des Meisters Künstler abgeklungen haben – dann hätten sich die beru­fenen Instanzen den freudigen Dank der Mitwelt und Nachwelt verdient.

EineAnekdotewurdewährendderVorbereitungenzudieserPublikationvonAlbrechtGüntherausSteinheimzuge-steuert:ErerinnertsichanseinenOnkelJosefFröhlingsdorf(1905–1975),dervon1937bis1948alsLehrerundOrganistinMarienmünstertätigwar,späterauchinSteinheimundBrakel.Güntherberichtet:

„JosefFröhlingsdorfhatalleKinderderGemeindenunterrichtet,diezumEinzugs-bereichderAbteiMarienmünstergehör-ten.DieKlassenräumebefandensichindemFlügelderAbtei,indemheutederPfarrsaalunddieWohnungenderPatreseingerichtetsind.HierbefandsichauchdieDienstwohnungdesOnkelsundseinerFamilie.FürdenSohnhattederfürsorglicheVaterunterderOrgelbühneeinenSandhaufenaufgeschüttet.DortkonntederkleineKlaus(*1941)sichdieZeitvertreiben,währendseinVateralsOrganistanderKirchenorgelspielte.“

Josef Fröhlingsdorf (1905–1975), Lehrer und Organist in Marien­münster (1937–1948)Foto: privat Albrecht Günther

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Eine Orgelruine aus klassischer Zeit

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EineOrgelruineausklassischerZeit

Page 35: Johann Patroclus Möller-Orgel

„Admultosannos“–20JahreehrenamtlicherEinsatzfürdieKirchenmusik

Hans Hermann Jansen

DieGesellschaftderMusikfreundederAbteiMarienmünster,dieseitdemJahre1993alsFördervereindiemusikalischeArbeitinderehem.AbteiaufvielfältigeWeisebefördert,hatallenGrundzurFreude.Nichtnur,dasseinJubiläumbegangenwird,sondernvorallem,dassdieMöller-OrgelalsZentrumundEnergiequellederMusikinMarienmünsterwiederhergestelltistundnunihrenAuftragzurVerkündigungwiedergänzlichwahrneh-menkann.JedeOrgelmussaußergewöhn-lichsein,siestehtals„KöniginderInstru-mente“fürdieFüllederMusikundals„Kommunikator“fürdieThemen,dieMusikbetrifft:Gotteslob,Harmonie,Klang,Spiritu-alität,Gebet,BesinnungundmitreißendeLebendigkeit.

UmdiesesmitdenMöglichkeitenderOrgelunddesOrteszuverwirklichen,habensichdieMusikfreunde1992zusammengeschlos-sen.NachderGründungderGesellschaftwidmetsichderVereinmitseinenca.100MitgliedernsatzungsgemäßderPflegeundUnterstützungmusikalisch-literarischerKunstvorOrt.DieGesellschaftdeMusik-freundederAbteiMarienmünstere.V.fördertBildungsaufgabenimBereichderweltlichenundgeistlichenVokal-undInstru-mentalmusiksowiedieStärkungderkultu-rellenIdentitätderostwestfälischenRegion.

ErfördertinternationaleGesinnungundToleranzaufallenGebietenderKulturunddesVölkerverständigungsgedankens.DieseZweckdienlichkeitfindetihrenAusdruckin:

§ ideellerundfinanziellerFörderungjungerKünstler

§ einemForumfürangehendeSolisten

§ musikalischerFreizeitundFortbildung

§ kulturellenVeranstaltungenwieKonzerte,Dichterlesungen,Vorträge.

DerOrtdafüristdieAbteikircheMarienmünster,derKonzertsaalmitdenangrenzendenGebäuden,aberauchandereStätteninderRegionOstwestfalen.

PflegederKirchenmusikandenbesonderenKlosterortenbedeutet,immerwiederneuMenschenfürdieSchätzederMusikzubegeistern,BesucherzuführenundjungeMenschenmitaufdieinteressanteReisezurSpiritualitätundsinnlichkünstlerischerErfahrungzunehmen.AlleinimNetzwerk-projekt„Klang-Bild-Kloster“konntenmehre-retausendMenschenanbesondereKlängeundanbesondereOrtegeführtwerden.

ImRahmenderFerienkurseferientheater.defindenimJahreskreismehrmalssinnstiften-deProjektefürKinderundJugendlichestatt,undbeiderAkademie„ForumAbtei“habenMenschenGelegenheit,imBereichderbil-dendenKünsteErfahrungenaneinemOrtderStillezumachen.

DieGregorianik-ScholaMarienmünsterCor-vey,gegründetimJahr1999,oderauchdasERANOS-EnsemblefürAlteMusikmitjun-genStudierendenderHochschulenHam-burg,Hannover,DetmoldundBremensindMultiplikatorenundlebendigeBausteinezudenThemenderMusikfreundegeworden.IhreVerankerungliegtinMarienmünsterSowirddieehem.BenediktinerabteialseineOasederKulturundSpiritualitätimWeser-berglandwahrgenommenundgernalsdas„KlosterderKlänge“bezeichnet.

Zentrumistdieehem.KlosterkirchemitderberühmtenbarockenKlosterorgelvon1736,diegeradeineinemaufwändigenProzessrestauriertwordenist.DiesePublikationberichtetdavon.DieKircheisteineinzig-artigerRaumfürreicheauthentischeKlängeunddievielfältigeMusikkulturvonderGregorianikbiszurJazzimprovisation.

EingebettetineinemalerischnatürlicheUmgebungmitausgedehntenHöhenzügen,Quellen,WäldernundvielenTeichenbietetdiehistorischeKlosteranlagedenBesucherneinlohnenswertesZielihrerErholung,besondersanWochenenden.

Die Gregorianik­Schola Marienmünster Corveyim Chorgestühl der Abteikirche

Konzertsaale der Kulturstiftung Marienmünster – entstanden aus der ehem. Ackerscheune

Foto: Irina Jansen

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„Ad multos annos“ – 20 Jahre ehrenamtlicher Einsatz für die Kirchenmusik

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„Admultosannos“– 20JahreehrenamtlicherEinsatzfürdie Kirchenmusik

Page 36: Johann Patroclus Möller-Orgel

Jährlicher5­tägiger Musik­ und

Tanz­Workshop für Kinder und Jugendliche:

ferientheater.de

Marienmünster­ResidentKomponist Walter Steffens

Lautenist Axel Wolf

ERANOS Ensemble für alte Musik

Laura Ullrich bei einer spontanen Musical­Einlage

Vocalensembe ColVoc, Detmold · Leipzig

Indenehem.KonventsgebäudenwohnennebendenPatresderPassionisten-Gemein-schaftunddenheutigenBesitzerneinigeKünstler,diedieseBesonderheitdesOrtesfürsicherkannthabenundnutzen.IndenfrischrenoviertenhistorischenRäumenderKulturstiftungfindenhochwertigeKonzertestatt,imKlangsaalmitganzbesonderenakustischenEigenschaftenwerdenaudio-phileCD-Aufnahmenhergestellt,SeminareundKurserundendasSpektrumaufdemWirtschaftshofab.

RegelmäßigeKunstausstellungenundAkademienfüllendenJahreskalenderdieserjungenundzugleichtraditionsreichenKultur-Oase.

WennderdamaligeAbtJosephZurmühlenanlässlichderOrgelweihe1738das„admultosannos“ausrief,konntebisaufdenOrgelbauerkaumjemandahnen,wienachhaltigdieserRufbisheutewirkt.

Infos im Internetwww.musikfreunde.orgwww.eranos.dewww.colvoc.dewww.ferientheater.dewww.gregorianik-schola.dewww.kulturstiftung-marienmuenster.dewww.abteimarienmuenster.de

„Ad multos annos“ – 20 Jahre ehrenamtlicher Einsatz für die Kirchenmusik

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Page 37: Johann Patroclus Möller-Orgel

DieBenediktsregelbeginntmitdembekann-tenWort„Höre,meinSohn,aufdieWeisungdesMeisters,neigedasOhrdeinesHerzens“(RB,Prolog1).undim59.KapitelderBene-diktsregelstehtdieAufforderung„Ut in

omnibus glorificetur Deus“ –damitGottinallemverherrlichtwerde.DieseLeitlinienentstandenim5.JahrhundertundsindübervieleEpochenbisheuteLeitliniedesgeist-lichenWirkensderBenediktineringanzEuropa.SiehattenbiszurAuflösungdesKlostersimJahre1803auchinMarienmünsterBestand.UndheutewerdenSpurendiesesbenediktinischenGeistesinderehemaligenAbteineuwirksamundlebendig.

DiewunderschöneArchitekturderKirchelädtzumInnehalteneinundindenerneuer-tenKlängenderOrgelverbindensichHimmelundErdealseinevielschichtigeVerkündigungderBotschaft.WennnundieWirtschaftsgebäudenachdemUmbaualsStättederBegegnunggenutztwerden,soerzählenMenschenundBauwerkeneuvondiesenLeitliniendesMiteinanders.

MehrdennjebrauchendiesebesonderenOrteMenschenundmutigeMenschen,diesichmitHandundHerzdenTraditionenundGedankendesklösterlichenKontextesbe-wusstsindundaufZukunfthinausrichten.SoistdieKlosterregionimKulturlandKreisHöxterschonjetzteinwertvollerEdelstein,einNetzwerkinlebendigerVielfalt.

Hören–Erkennen–ErfahrenGottesWortundhimmlischeKlänge–NachwortvonHansHermannJansen

DarineingebettetkönntedieRoutederhistorischenOrgelnvonCorveyüberMarienmünster,Gehrden,BorgentreichundWormelndurchhimmlischeKlängeBesucherzumZuhörenanregen.

MusikkannHerzenöffnenundGlaubenerfahrbarmachen.Dieseszuverkünden,istdieOrgelinMarienmünstereingeeignetesInstrument.

Marienmünster, 21. November 2012

am Fest der Hl. Cäcilia

Corvey

Borgentreich

Gehrden

Wormeln

Foto: Ansgar Hoffmann

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Page 38: Johann Patroclus Möller-Orgel

F e s t s c h r i f t z u r W i e d e r e i n w e i h u n g d e r

J o h a n n P a t r o c l u s M ö l l e r - O r g e li n d e r A b t e i k i r c h e M a r i e n m ü n s t e r

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Konstruktionszeichnung „Schnitt“ · Manufacture d‘Orgues MuhleisenKonstruktionszeichnung „Vorderansicht“ · Manufacture d‘Orgues Muhleisen

Page 39: Johann Patroclus Möller-Orgel

PED : C-d‘

BW : C, D-c‘‘‘

HW : C, D-c‘‘‘

PED : C, D-c‘‘‘

Original Möller

Teilweise Original

Neu: Muhleisen

Principal 16

Octav 8

Mixtur 6f

Subbass 16

Gedactbass 8

PED

Winddruck: 65 mm WSStimmhöhe: 477 Hz bei 18 °CTemperierung: Mitteltönig B/g‘

Schreibweise nach Bollens (1879)

Quintadena 8

Gedact 4

Quinte 1 B/c

Mixtur 3f

BW

Flöte traverso 8

Octav 2

Flageolett 1 B/c

Krummhorn 8

BW

Choralflöte 1

Posaune 16

Nachthorn 4

Trompet 8

Cornett 2

PEDPrincipal 8

Octav 4

Super-Octav 2

Sesquialtera 2f

Quinte 3

Mixtur 4f

Ventilator

RP

Principal 16

Octav 8

Octav 4

Sesquialtera 3f

Quinte 6

Mixtur 5f

Cimbal 4f

HW

Viola di Gamba 8

Gemshorn 8

Tertia 3

Cornett 3f

Flöte duis 4

Trompet 8

Vox humane 8

HWGedact 8

Rohrflöte 4

Waldflöte 2

Fagott 16

Quintflöte 2 C/d

Hautbois 8

Calcant

RP

Disposition

Orgeln sind Wunderbauten, Tempel, von Gottes Hauch beseeltJohann Gottfried von Herder

Die orgl ist doch in meinen augen und ohren der könig aller instrumenten.Wolfgang Amadeus Mozart in einem Brief an seinen Vater vom 18. Oktober 1777

Versäume keine Gelegenheit, dich auf der Orgel zu üben. Es gibt kein Instrument, das am Unreinen und Unsauberen im Tonsatz wie im Spiel alsogleich Rache nähme als die Orgel.Robert Schumann in Musikalische Haus- und Lebensregeln

Orgelspielen heißt, einen mit dem Schauen der Ewigkeit erfüllten Willen offenbaren.Charles Marie Widor

Die Pfeifenorgel soll in der lateinischen Kirche als traditionelles Musikinstrument in hohen Ehren gehalten werden; denn ihr Klang vermag den Glanz der kirchlichen Zeremonien wunderbar zu steigern und die Herzen mächtig zu Gott und zum Himmel emporzuheben.“Konstitution über die heilige Liturgie –

Sacrosanctum Concilium, Kapitel VI: Die Kirchenmusik, 120

Die Orgel ist den Hörenden eine behutsame Predigerin und Missionarin, die tiefer in das Geheimnis Gottes hineinführen kann.

Kardinal Karl Lehmann

Kein anderes Instrument bietet soviel KosmosAntje Vollmer, Politikerin und Theologin

Die Orgel ist ein wunderbarer, sehr menschlicher und daher nicht wegzudenkender Träger der christlichen Botschaft.

Egidius Braun, ehemaliger Präsident des Deutschen Fußballbunds

Die spirituelle Dimension der Orgel trägt in sich die Kraft, Musik als Spiegel kosmischer Weisheit zu vermitteln und somit den menschlichen Weg in die Freiheit stützend zu begleiten.Wolfram Graf, Komponist