„koninklijke landmacht“ verfügt wieder über kampfpanzer

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27 Das Schwarze Barett Nr. 57 43.(NLD)MechBrig A usterität, Sparprogramme, Reformen, Modernisierungen und nicht zuletzt das NATO Konzept „Smart Defence“. Diese und ähnliche Schlagworte haben in Deutschland und anderen, vor allem europäischen NATO-Staaten die seit dem Kalten Krieg stets sinkenden Verteidi- gungsetats bestimmt und führten bei Personal und Material Jahr für Jahr zu weiteren Einschnitten. Von 48 aktiven sowie 17 gekaderten Panzerbataillonen in der Heeresstruktur IV bis 1990 ver- fügt die Bundeswehr heute noch über 5 Panzerbataillone. Das Königreich der Niederlande hat im Jahr 2011 ihre letzten beiden Panzerbataillone vollständig auf- gelöst und u.a. 100 Kampfpanzer an Finnland verkauft. Lediglich die letzten 16 Kampfpanzer Leopard 2A6 sind im Oktober 2016 im Zuge der gemeinsa- men Panzerkooperation an Deutsch- land zur Modernisierung und weiteren Nutzung übergeben worden. Diese im westlichen Bündnissystem all- gemein einhergehende eingeschränkte Einsatzfähigkeit der Panzertruppe ist mit der zwischenzeitlich entstandenen sicher- heitspolitischen Situation in Europa und auf der Welt kaum mehr vereinbar, weshalb man begonnen hat, die ohnehin schon langjährige und erfolgreiche mili- tärische Kooperation zwischen Deutsch- land und den Niederlanden, z.B. beim I. Deutsch-Niederländischen Korps in Münster seit 1995, noch weiter auszubauen und mit dem „Projekt TAURUS“ eine völlig neue Art der Zusammenarbeit ins Leben zu rufen. D ie Grundlage der neuen Koope- ration beider Länder ist das im Februar 2016 von beiden Verteidigungs- ministerinnen unterschriebene „Tech- nical Arrangement“, welches strate- gisch ausgearbeitet und im Sinne einer gemeinsamen europäischen Sicher- heitspolitik den Startschuss für die gegenseitige Integration bestimmter Truppenteile gab. Im gleichen Zuge wurden auch darin inte- grierte „Implementing Arrangements“ durch beide Inspekteure des Heeres ge- zeichnet und damit die weiteren Unter- stellungsverhältnisse geregelt bzw. fest- gelegt. Im Rahmen dieses „Leuchtturmpro- jektes“ werden Truppenteile beider Län- der engmaschig miteinander verwoben. So wurde am 17. März 2016 in Bergen- Lohheide, im ehemaligen britischen Camp Hohne, durch den Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Vollmer und dem Commandant Landstrijdkrach- ten des Königsreiches der Niederlande, Luitenant-generaal Mart de Kruif die 43. (NLD) MechBrig im niederländi- schen Havelte formell der 1. (DEU) Pan- zerdivision in Oldenburg unterstellt. Z eitgleich erfolgte die Indienst- stellung Panzerbataillon 414 so- wie dessen Unterstellung unter die 43. (NLD) MechBrig. Zwischenzeitlich wurde im Panzerbataillon 414 die 4. Kompanie mit ausschließlich nieder- ländischen Soldaten aufgebaut. Somit verfügt das Königreich der Niederlande wieder über eine Panzerfähigkeit in Stärke einer Panzerkompanie mit vier Panzerzügen (aufgrund der niederländi- schen Ausbildungs- u. Einsatzsystema- tik ein Zug mehr als herkömmlich, also 18 Kampfpanzern), die bei Bedarf auch national eingesetzt werden können. In diesen Truppenteilen sind zur Unterstützung nunmehr dauerhaft auch gegenseitige personelle Besetzungen „Koninklijke Landmacht“ verfügt wieder über Kampfpanzer Deutsche Soldaten vollintegriert im Stab der 43. (NLD) MechBrig Dienstantritt Oberst Helmut Remus am 04.10.2016 vor der Einfahrt in die Johannes Post Kaserne in Havelte Autor: Oberst Helmut Remus und Pressestelle 43. (NLD) MechBrig

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Page 1: „Koninklijke Landmacht“ verfügt wieder über Kampfpanzer

27Das Schwarze Barett Nr. 57

43.(NLD)MechBrig

Austerität, Sparprogramme, Reformen, Modernisierungen und nicht zuletzt das NATO

Konzept „Smart Defence“.

Diese und ähnliche Schlagworte haben in Deutschland und anderen, vor allem europäischen NATO-Staaten die seit dem Kalten Krieg stets sinkenden Verteidi-gungsetats bestimmt und führten bei Personal und Material Jahr für Jahr zu weiteren Einschnitten. Von 48 aktiven sowie 17 gekaderten Panzerbataillonen in der Heeresstruktur IV bis 1990 ver-fügt die Bundeswehr heute noch über 5 Panzerbataillone. Das Königreich der Niederlande hat im Jahr 2011 ihre letzten beiden Panzerbataillone vollständig auf- gelöst und u.a. 100 Kampfpanzer an Finnland verkauft. Lediglich die letzten 16 Kampfpanzer Leopard 2A6 sind im Oktober 2016 im Zuge der gemeinsa-men Panzerkooperation an Deutsch-land zur Modernisierung und weiteren Nutzung übergeben worden.

Diese im westlichen Bündnissystem all-gemein einhergehende eingeschränkte Einsatzfähigkeit der Panzertruppe ist mit der zwischenzeitlich entstandenen sicher- heitspolitischen Situation in Europa und auf der Welt kaum mehr vereinbar, weshalb man begonnen hat, die ohnehin schon langjährige und erfolgreiche mili- tärische Kooperation zwischen Deutsch- land und den Niederlanden, z.B. beim I. Deutsch-Niederländischen Korps in Münster seit 1995, noch weiter auszubauen und mit dem „Projekt TAURUS“ eine völlig neue Art der Zusammenarbeit ins Leben zu rufen.

Die Grundlage der neuen Koope-ration beider Länder ist das im

Februar 2016 von beiden Verteidigungs- ministerinnen unterschriebene „Tech-nical Arrangement“, welches strate-gisch ausgearbeitet und im Sinne einer gemeinsamen europäischen Sicher-heitspolitik den Startschuss für die gegenseitige Integration bestimmter Truppenteile gab.

Im gleichen Zuge wurden auch darin inte- grierte „Implementing Arrangements“ durch beide Inspekteure des Heeres ge- zeichnet und damit die weiteren Unter- stellungsverhältnisse geregelt bzw. fest-gelegt.Im Rahmen dieses „Leuchtturmpro- jektes“ werden Truppenteile beider Län-der engmaschig miteinander verwoben. So wurde am 17. März 2016 in Bergen-Lohheide, im ehemaligen britischen Camp Hohne, durch den Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Vollmer und dem Commandant Landstrijdkrach-ten des Königsreiches der Niederlande, Luitenant-generaal Mart de Kruif die 43. (NLD) MechBrig im niederländi- schen Havelte formell der 1. (DEU) Pan- zerdivision in Oldenburg unterstellt.

Zeitgleich erfolgte die Indienst- stellung Panzerbataillon 414 so-

wie dessen Unterstellung unter die 43. (NLD) MechBrig. Zwischenzeitlich wurde im Panzerbataillon 414 die 4. Kompanie mit ausschließlich nieder-ländischen Soldaten aufgebaut. Somit verfügt das Königreich der Niederlande wieder über eine Panzerfähigkeit in Stärke einer Panzerkompanie mit vier Panzerzügen (aufgrund der niederländi- schen Ausbildungs- u. Einsatzsystema-tik ein Zug mehr als herkömmlich, also 18 Kampfpanzern), die bei Bedarf auch national eingesetzt werden können.

In diesen Truppenteilen sind zur Unterstützung nunmehr dauerhaft auch gegenseitige personelle Besetzungen

„Koninklijke Landmacht“

verfügt wieder über Kampfpanzer

Deutsche Soldaten

vollintegriert im Stab der 43. (NLD) MechBrig

Dienstantritt Oberst Helmut

Remus am 04.10.2016 vor

der Einfahrt in die Johannes Post Kaserne in

Havelte

Autor: Oberst Helmut Remus und Pressestelle 43. (NLD) MechBrig

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Führung-Ausbildung-Technik

zu verzeichnen: In allen wesentlichen Abteilungen der niederländischen Bri-gade sind deutsche Soldaten voll inte- griert, im Divisions- und Bataillonsstab jeweils auch niederländische.

Nach erfolgter Feinausplanung wurde im Oktober 2016 der

Deutsche Anteil (DtA) 43. (NLD) MechBrig in Havelte aufgestellt. Mit dem Dienstantritt von Oberst Helmut Remus als erster Deutscher Dienstältester Offizier (DDO) bei der 43. (NLD) MechBrig) im Oktober 2016 hat die neu aufgestellte Dienststelle nun auch ein Gesicht. Mit der Organisationsweisung für die Aufstellung des DtA 43. (NLD) Mech- Brig wurde die Einnahme der abgebil-deten Struktur befohlen, die, bis auf die Besetzung des Stabsoffiziers in der G3 Abteilung, mit Stand Juli 2017 abge-schlossen wurde. Der DtA 43. (NLD) MechBrig ist voll integriert im Brigade- stab unter der Führung von Brigadege-neral Jan Renger Swillens eingesetzt.

Zusätzlich nimmt er seit dem 01.04.2017 truppendienstliche Führungsaufgaben gegenüber dem PzBtl 414 wahr. Der DtA 43. NLD MechBrig ist somit kein Verbindungskommando, das für den reinen Austausch von Informationen zu- ständig ist. Die Angehörigen des DtA 43. (NLD) MechBrig sind in die General- stabsabteilungen des Brigadestabs einge- gliedert und sprechen Niederländisch.

Beispielhaft anzuführen ist hier der Dienstposten des DDO, der zugleich als stellvertretender Brigadekomman-deur Operationen, den DP „DCOM OPS - 43. (NLD) MechBrig“ bekleidet. In der Praxis hat sich der Einsatz als DCOM OPS bei der niederländischen Brigade zur Hauptaufgabe entwickelt, dazu ist er gänzlich in die Komman- deurgruppe integriert und fungiert u.a. bei Übungen und ggf. bei gemein- samen Einsätzen als Stellvertreter des niederländischen Brigadekomman- deurs. Mittlerweile vertritt er den Brigadekommandeur auch bei offi- ziellen Anlässen in den Niederlanden oder anderswo.

Herausforderungen InteroperabilitätAbsicht ist, alle Kampfpanzer Panzer-bataillon 414 mittelfristig auf das zu-kunftsweisende niederländische Füh-rungssystem ELIAS umzurüsten, das auf digitaler Funktechnik und GPS basie-rend, eine moderne Führung im Gefecht ermöglicht, ähnlich dem deutschen Führungs-Informationssystem Heer. Die ersten 17 umgerüsteten Kampfpanzer werden bis September nächsten Jahres an das PzBtl 414 ausgeliefert sein und somit rechtzeitig für den VJTF (Very High Readiness Joint Task Force) Auf-trag der 2. Kompanie, die für diesen Auftrag dem 45. (NLD) Panzergrena-dierbataillon unterstellt sind, zur Ver-fügung stehen.

Insgesamt wird das Panzerbataillon 414 mit weiteren ELIAS-Kampfpanzern aus- gestattet, sodass das Bataillon in 2020 Kamfpanzer-technisch voll interopera-bel zur 43. NLD MechBrig sein wird. Darüber hinaus soll auch der Bataillons- gefechtsstand mit ELIAS ausgestattet werden.Die technische, auf Kommunikations-mittel basierende Interoperabilität wird mit den umgerüsteten Kampfpanzern

Kommandeurgruppe 43. NLD MechBrig im Juli 2017 von links nach rechts: Chef des Stabes Oberst Nico Boom, StvBrigKdr Oberst Piet Hagenaars, Kommandeur

Brigadegeneral Jan Renger Swillens, DCOM OP, Oberst Helmut Remus und Brigadeadjutant Gerardus Thijssen.

Organisationsstruktur

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43.(NLD)MechBrig

rasch hergestellt sein. Auch die persön-liche Zusammenarbeit in der Komman-deurgruppe und in den Abteilungen der Brigade gestaltet sich problemlos und wird von Tag zu Tag besser. Den-noch gibt es noch eine Reihe einzelner Herausforderungen zu bewältigen.

Das Disziplinarrecht sowie das Be- urteilungswesen verstehen sich

weiterhin als rein nationale Angelegen- heiten. Da gem. Soldatengesetz kein Nicht-Deutscher Offizier oder Unter- offizier einem deutschen Soldaten Befehle mit dem Anspruch auf Gehorsam erteilen kann, könnte man zu der Überzeugung gelangen, dass es hier sehr schnell zu Grenzen in der Zusammenarbeit kommen kann. Vorsorglich wurde dazu auf allen Ebenen (Division, Brigade und Batail-lon) jeweils Disziplinarvorgesetzte bei-der Nationen implementiert. So führt der als Disziplinarvorgesetzter der Stufe 3 den DtA in Havelte sowie alle deutschen Angehörigen im 315 km entfernten Panzerbataillon 414.

Da der DDO auch der DCOM OPS der Brigade ist und als solches voll inte-griert agiert, ist eine Befehlsgebung und -durchsetzung im Sinne des Brigade-kommandeurs jederzeit gewährleistet, solange deutsches Recht nicht berührt ist oder nationale Interessen dagegen stehen (nationaler Vorbehalt).Das Panzerbataillon 414 ist ein deutsches Bataillon mit deutscher Ausrüstung und überwiegend deutscher Besetzung. Lediglich die 4. Kompanie und Tle der 1./- bzw des Stabes werden mit nieder-ländischem Personal besetzt – trotzdem bleibt die 4. Kompanie eine deutsche Kompanie. Das Deutsche Material wird demzufolge den NLD-Streitkräften ledig- lich „zur Nutzung überlassen“. Daraus er- gibt sich, dass dieses Bataillon grundsätz- lich auch aus deutschen Steuermitteln (Einzelplan 14 des Bundeshaushaltspla-nes) finanziert wird.

Alle Leistungen sind zu erfassen und werden dem NLD Verteidigungsmini- sterium in Rechnung gestellt. Anteile der „Finanzen“ des Technical Arran-gement werden derzeit noch zwischen beiden Staaten in Details verhandelt. Bis auf weiteres werden bereits verein-barte finanzielle Einzelarrangements, sowie die üblichen NATO Verfahren und Standards genutzt.

Bis heute werden noch unterschiedliche Grundsätze, z.B. im Rahmen der Ent-scheidungsfindung und -herbeiführung angewandt. Dies führt bisweilen zu unterschiedlichen Abläufen in den Ge-fechtsständen und zu erhöhtem Koor-dinierungsbedarf. Um im Bereich der Grundsatzdokumente eine „volle Inter- operabilität“ herzustellen wird derzeit auf allen Ebenen KdoH bis zum Panzer- bataillon 414 hart gearbeitet, um eine reibungslose Führung und Ausbildung der binationalen Kräfte zu ermöglichen.Die Aufgaben der involvierten Soldaten sind dabei so umfangreich wie einleuch- tend: Die gesamten Ausbildungsinhalte der Panzertruppe müssen verglichen und ausgewertet werden, sodass die deutsche und niederländische Doktrin fließend in-einandergreifen und sich gegenseitig er- gänzen, was bereits „ganz unten“ beginnt,

denn wenn Panzerbesatzungen ver- schiedener Länder Seite an Seite üben und womöglich irgendwann gemeinsam kämpfen, muss die Kommunikation stimmen und der Ausbildungsstand aufeinander abgestimmt sein.

Motivierter Blick in die ZukunftAls „Leuchtturmprojekt“ steht TAURUS unter intensiver Beobachtung vieler europäischer Nationen, wobei selbst der kritischste Betrachter die hohe Motiva- tion und ein ausgeprägtes Pflichtbewusst- sein bei allen Beteiligten anerkennen wird und das Ziel, die Umsetzung der internationalen Integration der Streit-kräfte, nicht in weiter Ferne liegen sieht. Es gilt aber weiterhin das Momentum zu nutzen und die Inte-gration inhaltlich weiter zu stärken. TAURUS muss von allen Beteiligten weiterhin gelebt werden.Wir glauben fest daran, dass TAURUS zu weiteren und weitreichenderen Maßnahmen führen kann und wird, da die durch Kooperation und Verein-heitlichung der militärischen Standards gewonnene Effizienz für jedes Land von Vorteil, für jeden Soldaten eine Chan-ce zu wachsen und für jeden Menschen in Europa ein Mehr an Sicherheit be- deuten kann.

Eröffnungszeremonie der FTX Bison Draswko in Polen im Februar 2017 mit dem Brigadekommandeur 43. (NLD) MechBrig, Brigadegeneral Jan Renger Swillens (mi.)

und dem Stv. Brigadekommandeur (OPS), Oberst Helmut Remus (re.)